natur&land 2/2014: Auenschutz - Quo vadis Österreich?

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Preis: EUR 5,-

ZEITSCHRIFT DES | naturschutzbund | HEFT 1-2014

AUENSCHUTZ QUO VADIS ÖSTERREICH? ONLINE-MELDEPLATTFORM Schmetterlingsbeobachtung für alle!

CITIZEN SCIENCE Beispiele in Deutschland und Österreich

SCHMETTERLINGSFORSCHUNG IN ÖSTERREICH KOOPERATION

BIENENSCHUTZFONDS

Sommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014


Reihe

Was Spendengelder ermöglichen…

Fotos v. o.: Guido Reiter; Bernhard-Plank-imBILDE

PROJEKT 5

In jeder Ausgabe stellen wir Ihnen jeweils ein beispielhaftes Naturschutzprojekt vor, das mit Spendengeldern an den | naturschutzbund | ermöglicht wurde oder daraus mitfinanziert werden konnte.

RETTENDE GITTER FÜR FLEDERMÄUSE Der | naturschutzbund | hat gemeinsam mit den Experten der Koordinationsstelle für Fledermausschutz und -forschung in Österreich (KFFÖ) eine Möglichkeit erarbeitet, ein unbrauchbar gewordenes Fledermausquartier wieder attraktiv zu gestalten.

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ine Stollenanlage in Ebensee (OÖ) – bis 2010 eines der bedeutendsten Winterquartiere für die Mopsfledermaus in Österreich – wurde von den Bundesforsten aufgrund von Störungen unzugänglich gemacht und zum Großteil mit Erde aufgeschüttet. Um den Fledermäusen jedoch den Einflug offen zu halten, wurden die Stollen nicht bis zur Decke verschüttet. Was gut gemeint war, entpuppte sich in der Folge als gänzlich ungeeignete Lösung für die Flattertiere. Denn durch die Aufschüttung dürfte es zu erheblichen Änderungen von Temperatur und Mikroklima im Inneren der Stollenanlage gekommen sein. Dadurch hat das Quartier jene kühle Eigenschaft verloren, die für ein Überwintern der Mopsfledermäuse unerlässlich zu sein scheint. Nach Beratung durch die Fachleute der KFFÖ, die auf den EU-weit verpflichtenden Schutz von Fledermäusen aufmerksam gemacht hatten,

wurden die Erdhügel wieder abgetragen und an zwei Eingängen Gitter angebracht, durch die die Tiere einfliegen können. Ermöglicht hat dies die ÖBf-AG sowie die Naturschutzabteilung des Landes Oberösterreich mit ihrer finanziellen Unterstützung.

Die Fledermausforscher sind mit der Gitterlösung sehr zufrieden. So können die verschiedenen Fledermausarten die Höhle wieder nutzen. Die Mopsfledermaus ist übrigens wie alle Fledermäuse eine EU-weit geschützte Art nach der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH, Anhang II)

Bedeutung, da sie in ähnlichen Fällen zur Beurteilung von geplanten Maßnahmen herangezogen werden können. Text: Ingrid Hagenstein

Erste Erfolge Julia Kropfberger (ÖNB), Guido Reiter und Isabel Schmotzer (beide KFFÖ) überprüfen die Maßnahmen regelmäßig auf ihre Wirksamkeit und dokumentieren diese. Ob die Mopsfledermäuse die Stollen auch als Winterquartier wieder attraktiv finden, wird sich Ende 2014 zeigen. Dann sollte das wissenschaftlich begleitete und mit Spendengeldern des Naturschutzbundes ermöglichte Projekt abgeschlossen werden. Eines steht aber schon fest: Mopsfledermäuse sind sowohl zur Schwärmzeit als auch im Winter wieder die häufigsten Besucherinnen der Stollen. Die Ergebnisse sind von nationaler

Projektname: „Wissenschaftliche Begleituntersuchung zur Wirksamkeit der fledermausfreundlichen Sicherung (Vergitterung) der Eingänge der Stollenanlage „Finkerleithen“, Ebensee, Oberösterreich.

BITTE UNTERSTÜTZEN SIE UNS MIT EINER SPENDE! Spendenkonto P.S.K. IBAN AT74 6000 0501 1014 0425 BIC OPSKATWW Spenden an den | naturschutzbund | können von der Steuer abgesetzt werden.

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SEITE DES PRÄSIDENTEN

PLÄDOYER FÜR DIE Freiheit der Flüsse und Gedanken eit jeher bestimmen die vier Elemente Feuer, Luft, Wasser und Erde die Lebensbedingungen für alle Lebewesen, den Menschen mit eingeschlossen, wie die alten Griechen in ihrem philosophischen Weltbild sehr klar und anschaulich formulierten. Wo sich Wasser und Erde unter dem Luftmantel der Atmosphäre berühren, werden durch die Macht des Wassers zerstörende, ausufernde, mitreißende und letztlich gestaltende Kräfte frei, die verschiedenste Lebensräume im Umfeld vom steilen, felsumtosenden Gebirgsbach bis hin zum ruhig fließenden Strom in der Ebene schaffen. Eine Besonderheit sind die Auenlandschaften, die von Natur aus einer dynamischen Rhythmik von Überschwemmung, Austrocknung, Schotterverfrachtung, Schotterstabilisierung unterworfen sind. Innerhalb kürzester Zeit können durch das ausufernde Wasser Massen an Sanden, Schotter, Schlamm und Holz bewegt und die flussnahe Landschaft vollkommen umgestaltet werden. Kehrt Ruhe im Regen- oder Taugeschehen ein, durchzieht ein Netz von Rinnsalen, Bächen, Seitenarmen die Auen, in wasserundurchlässigen Sandansammlungen bilden sich Tümpel und Altarme, die allmählich austrocknen. Sie sind die Heimstätte vieler Fische, Amphibien und Schlangen. Die angeschwemmten Schottermassen, das Geschiebe, die Kiesbänke, können einen trocken-warmen Lebensbereich bilden, in dem sich Habitatspezialisten aufhalten. Unter den Pflanzen seien die Deutsche Tamariske und verschiedene Weidenarten, unter den Tieren der Flussuferläufer, der Flussregenpfeifer, der Kiesbankgrashüpfer, die Kiesbankwolfspinne und Sandbienen genannt. All diese Arten gehören heute zu den großen Seltenheiten der Flora und Fauna und sind großflächig schon verschwunden.

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chon vor langer Zeit versuchte der Mensch, die Flüsse mit ihrem Gewaltpotenzial zu bändigen. Der schon vor einigen Jahrhunderten einsetzende „technische“ Fortschritt hat die meisten Flüsse in unausweichbare Kanäle gezwängt, gestaut, die Auen verschwanden und blieben – wenn überhaupt – als Ufergehölzzsäume übrig. Die Sohleintiefung als Folge der Stauwerke für die Gewinnung elektrischer Energie führte zu einem Absinken des Grundwasserspiegels, verbunden mit all seinen Folgen für die Vegetation und die Tierwelt sowohl im Fluss als auch in den angrenzenden Auengebieten. Die Flussmitte als definierte Begrenzung von Staatsgebilden verlangte nach einem eindeutig definierten Gerinne. Ein Fluss mit vielen Seitenarmen erschwerte die eindeutige Grenzziehung. So setzte der Mensch Grenzen – Grenzen für das Fließen, das Ausufern, Grenzen für das Lebendige im und am Fluss, in den Auen. Die Vielfalt des Auenlebens wich einer erschreckenden Artenarmut.

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och – besteht ein Hoffnungsschimmer für die letzten Auenreste in Mitteuropa, in Österreich? Zielorientierte Schlagworte wie „Wiederherstellung und Sicherung der Auen als funktionierende Ökosysteme“, „Funktionsfähigmachen für Naturhaushalt und Hochwasserrückhalt“, „Herstellung eines flächendeckenden Feststoffhaushaltes“, „Flächendeckende Renaturierung von Auen“, „Verbesserung und Herstellung der autypischen Dynamik“, „Erhaltung von standortgerechten Wäldern in den Tallagen entlang der Flüsse“ usw. finden sich in der Broschüre „Auenland – Aueninventar als Grundlage für eine österreichweite Auen-Strategie“. So hofft der Naturschutzbund auf eine von Bund und Ländern getragene Strategie zur Erhaltung und Wiederherstellung dieser wertvollen dynamischen Lebensräume. Denn die Freiheit der Flüsse bedeutet auch die Freiheit für die Sinne und die Flüsse der Gedanken. Lassen wir sie ausufern!

Morgenstimmung in der Au

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Foto: Alexander Schneider

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Univ.-Prof. i. R. Dr. Roman Türk

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THEMA

Auenschutz –

Auenschutz- und Zerstörung liegen nah beieinander: Abholzungen in der Donau-Au bei Melk (im Hintergrund das Stift).

Wenn Sie die Augen schließen und an Auen denken, was sehen Sie dann? Große, überschwemmte Gebiete, Sandbänke, üppiges Grün, bewohnt von vielen Vögeln, Fischen und Bibern? Dann träumen Sie von Auen, wie sie sein sollten! Doch leider sieht die Wirklichkeit in Österreich anders aus und eine natürliche Flussdynamik ist nur mehr selten zu erleben.

Foto: Naturschutzbund NÖ

er Naturschutzbund hat Anfang dieses Jahres eine flächendeckende Inventur unserer Wasserwälder herausgebracht, die das eingangs beschriebene Szenario verdeutlicht: Rund 3/4 unserer Auen sind verschwunden oder ökologisch nicht mehr intakt – ein besorgniserregendes Ergebnis. Dabei sind Auen Lebensräume, deren biologische Vielfalt unersetzbar ist und deren Flächen und Dynamik auch oder gerade für den Hochwasserschutz höchst bedeutsam sind. Um unsere Auenlebensräume zu retten, müssen in erster Linie die bestehenden Aueninitiativen gebündelt und gemeinsame Schwerpunkte gesetzt werden. Daran arbeiten wir derzeit gemeinsam mit vielen Partnern.

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Die Republik verteidigt ihre Flächen nicht! Nachdem lange Zeit die Nutzbarmachung und ein technisch angelegter Hochwasserschutz im Vordergrund standen, versucht man nun neue Wege zu beschreiten und setzt auf Wasserrückhalt in der Landschaft. Viele Einzelprojekte dazu wurden in den letzten Jahren bereits umge-

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Die Auen der Maltsch, dem Grenzfluss zu Tschechien, genießen in OÖ den Schutzstatus eines Europaschutzgebietes. Auf österreichischer Seite reichen die bewirtschafteten Felder bis an den Fluss heran. Foto: Alexander Schneider

QUO VADIS ÖSTERREICH? setzt, wie auch in der Inventur dargestellt ist. Allerdings ist deren Wirkung oft beschränkt bzw. fehlt eine Gesamtschau. Eine bundesweite Auenstrategie ist daher dringend nötig, um die Aktivitäten zum Schutz und zur Verbesserung der Auensituation zu unterstützen. Die ersten Schritte sind bereits gesetzt: Im März fand ein vom Naturschutzbund organisiertes Expertentreffen statt, um die Zukunft der Auen mit Fachleuten aus den zuständigen Abteilungen der Landesregierungen, dem Umweltbundesamt und dem Ministerium zu diskutieren. Dabei zeigte sich, durch zahlreiche Beispiele untermauert, dass in vielen Fällen die Republik ihre eigenen Auenflächen (Öffentliches Wassergut, ÖWG) nicht verteidigt, in dem die Verwaltungen, die für das ÖWG zuständig sind, mangelnde Bereitschaft zeigen, geeignete neue Flächen zu übernehmen. Mit der Folge, dass jene Grundflächen, die im Zuge von Hochwasserschutzprojekten an Gewässern (mit öffentlichen Mitteln) angekauft werden, nicht in das ÖWG übernommen werden. Damit erreichen die Flächen auch nicht einen „Quasi-Schutzstatus“, den alle Grundflächen im ÖWG genießen und der folgenden Zweckwidmungen zu dienen hat (im § 4 Wasserrechtsgesetz festgelegt):

Workshop-Teilnehmende beim Lokalaugenschein in der Donau-Au nahe Linz (v. l. n. r.): Bernhard Riehl (Land Salzburg), Erhard Kraus (Land NÖ), Alexander Zinke (Workshopmoderator), Anna Pichler (Naturschutzanwaltschaft Vorarlberg) Foto: Christine Pühringer

Erhaltung des ökologischen Zustandes der Gewässer Schutz ufernaher Grundwasservorkommen Rückhalt und Abfuhr von Hochwasser Instandhaltung der Gewässer und Schutzbauten Erholung der Bevölkerung Mehr zum Expertentreffen wie zur Entwicklung der Auenstrategie ist auf Seite 16 zu finden. Sommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014

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THEMA Auenbilanz mit Broschüre „Auenland“ Österreich

Auenland Das Aueninventar als Grundlage einer österreichweiten Auenstrategie Lazowski W. & Schwarz U., 2014: , | naturschutzbund | (Ed.): Die Broschüre ist im Rahmen des LE-Projektes: „Nationale Auenstrategie 2020“ erschienen und steht auf www.naturschutzbund.at (Projekte) als Download zur Verfügung.

Unter diesem Titel ist nun erstmals eine Broschüre erschienen, die nicht nur die Inventur unserer Wasser-Wälder enthält, sondern auch deren Schutzstatus und Qualität sowie umfassende Strategien für die Verbesserung der Situation beschreibt. Dabei kommen auch die positiven Beispiele für den Erhalt von Auen, sog. „Best practice“-Projekte nicht zu kurz. Die Auenexperten Werner Lazowski und Ulrich Schwarz haben im zugrunde liegenden „Aueninventar“ alle Gebiete, die größer als drei Hektar sind, für jedes Bundesland erhoben und außerdem deren Zustand und Bedeutung für den Naturschutz bewertet. Mit 823 Auenobjekten und insgesamt fast 95.600 ha umfasst die 104 Seiten starke „Auenland“-Broschüre praktisch alle bedeutenden Auen unseres Landes. Das Ergebnis ist besorgniserregend und erfordert dringend eine österreichweite Strategie. Die Publikation ist Teil eines Vorstoßes von Naturschutzbund und Arge NATURSCHUTZ, die Grundlagen für eben diese Auenstrategie zu schaffen: Nach der Inventarisierung müssen nun v. a. besonders wertvolle Auen geschützt und vorhandene Retentions- und Überflutungsflächen gesichert werden. Es braucht gemeinsame Ziele und Prioritäten im Auenschutz – vorrangig für die Erhaltung und Wiederherstellung der naturnahen Gewässerdynamik.

Blauflügelige Prachtlibelle

Zwergseeschwalben

Strömer

Flussufer-Riesen-Wolfspinne

Eisvogel

Teichfrosch

Europ. Sumpfschildkröte

Frühlingsknotenblumen

Wie weiter? Auen zählen zu den artenreichsten Lebensräumen überhaupt, finden sich doch hier die unterschiedlichsten Habitate – je nach Anspruch der „Wohnungssuchenden“. Fotos v. l. o.: W. Schruf; G. Šafarek; C. Gumpinger; R. Mühlthaler; M. Tiefenbach; L. Khil; Koller; A. Schneider

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Österreich ist überwiegend Gebirgsland, weshalb neben den großen Flachland-Auen (Donau, March, Thaya, Leitha, Mur u. a.) eine Vielzahl an Tal- und Gebirgsauen (Lech, Inn, Drau, Salzach, Traun) existiert. Dies erfordert künftig regionale Strategiekonzepte. Werner Lazowski und Ulrich Schwarz haben dazu ganz konkrete Vorstellungen, kennen sie doch wie kaum jemand sonst die heimischen Auenlandschaften: „Es bräuchte auch Schutzstrategien, die die Flusseinzugsgebiete im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) einbeziehen und die regionale mit überregionalen Konzepten kombinieren. Alpine Talräume erfordern zusätzlich gemeinsame Hochwasserrisiko- und Auenschutzplanungen, da Hochwasser-Abflussgebiete deutlich über die Abgrenzungen der Sommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014


AUENSCHUTZ – QUO VADIS?

Auenobjekte hinausgehen – die Summenwirkung von Naturraum- und Wasserrückhaltepotenzial der Landschaft muss viel mehr beachtet werden. Auch die ökologische Funktionsfähigkeit der Auenbiotope gilt es in den Vordergrund zu rücken. Dazu gehört vorrangig die Wiederherstellung der Verbindung zwischen den Fließgewässern und ihren Auen.“ Das ist aber noch nicht alles, was die beiden Auenfachleute für einen effizienten Auenschutz einfordern: „Das Aueninventar muss mit thematisch verwandten Geodaten verschnitten werden: Das sind Daten der WRRL/Wasserwirtschaft, des Schutzgebietsnetzwerks Natura2000 und anderen Naturschutzdaten, der Raumplanung sowie Daten von Planungen im Bereich von Auen (Verkehrswege, Leitungstrassen, Kraftwerke, Flächenwidmung etc.).“ Da versteht es sich fast von selbst, dass auch die Summe an Leistungen, die Auen erbringen, erhoben wird, unter anderem für den Hochwasser-Schutz, die Biodiversität und den Klimaschutz. Es bleibt also noch viel zu tun.

Die Gail auf Kärntner Seite im Lesachtal beherbergt üppige Grauerlenauen mit schon sehr selten gewordenen Tamariskenbeständen (oben). Die Auen des Nationalparks Hohe Tauern sind beliebte Erlebnisräume (unten). Fotos v. o.: Werner Lazowski; Uta RojsekWiedergut/Kronenzeitung

Text: Ingrid Hagenstein & Mag. Christine Pühringer | naturschutzbund | Sommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014

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THEMA ZAHLEN & FAKTEN ZUR ÖSTERREICHISCHEN AUENLANDSCHAFT >> Verteilung der Flussauen Räumlich: • in den Beckenlandschaften an der Donau, insbesondere im Wiener Becken • in inneralpinen Beckenlandschaften (Kärntner Becken, Rheintal) • in den Alpentälern, v. a. im Bereich der großen Längsfurchen von Inn, Salzach, Enns, Mur-Mürz und Drau • im nördlichen und südöstlichen Alpenvorland Auf die Höhenstufen bezogen: • Collin-planar: Donaubecken, Alpenvorländer, Waldviertel (tlw.), nordöstliches Burgenland • Submontan: Inneralpine Becken, Alpenvorländer (tlw.) • Untermontan: Inneralpine Talböden, Wald- und Mühlviertel • Obermontan: obere Talabschnitte (bzw. Einzugsgebiete)

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• Subalpin: Schwemmebenen, Gletschervorfelder >> Das Aueninventar umfasst 823 Auenobjekte mit einer Gesamtfläche von ca. 95.600 ha. >> Auentypen 42 % Weichholzauen (Hauptteil) 12 % Hartholzauen 11 % Pionierstandorte 8 % Feuchtgrünland >> Schutzstatus: Über 60 % der Fläche der Auenobjekte sind geschützt, zumeist als Natura2000-Gebiet, etwa 80 % der Auen sind naturschutzfachlich von Bedeutung. >> Auengefährdung Dramatische Flächeninanspruchnahme von 15-20 ha pro Tag (UBA

2012) durch Siedlungen, Gewerbeparks, Verkehrwege etc.. Ressourcenverbrauch (Energieund Rohstoffgewinnung, Flächeninanspruchnahme) ist häufig verbunden mit Lebensraum- und Biodiversitätsverlust u. a.. Infrastrukturausbau verändert ökologische Strukturen, indem z. B. lineare Schwellen und Grenzen geschaffen oder Ökosysteme entflechtet werden. Quellen: Lazowski W. & Schwarz U., 104 S., 2014: Auenland – Das Aueninventar als Grundlage einer österreichweiten Auenstrategie. | naturschutzbund | (Ed.), 104 pp. Lazowski W., Schwarz U., Essl F., Götzl M., Peterseil J. & Egger G. (2011): Aueninventar Österreich, Bericht zur bundesweiten Übersicht der Auenobjekte. 52 pp., Lebensministerium, Wien. Prokop G., 2012: Bodenverbrauch in Österreich - Ist die Versorgungssicherheit in Gefahr? 7 pp., Umweltbundesamt – Perspektiven für Umwelt & Gesellschaft, Wien.

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WARUM BRAUCHT ES EINE NATIONALE AUENSTRATEGIE? Hochwässer prägen die Auen entlang unserer Flüsse. Nur wenn sie auch periodisch überflutet werden, können Auen ihre vielfältigen Funktionen in Bezug auf Biodiversität, Wasserhaushalt und Hochwasserschutz vollständig erfüllen. Unterschiedliche Eingriffe haben in der Vergangenheit zum zahlen- und flächenmäßigen Rückgang der Auen in Österreich wesentlich beigetragen. Durch Kraftwerks- und Regulierungsmaßnahmen wurden die Auensysteme in ihrer natürlichen Ausprägung, Dynamik und ökologischen Funktionsfähigkeit massiv beeinträchtigt. Umso wichtiger ist es heute und wird es auch in Zukunft sein, die noch verbliebenen Auen zu erhalten und ihren ökologischen Zustand, aber auch ihre Funktionen für den Hochwasserrückhalt nach Möglichkeit zu verbessern. Auen mit ihren vielseitigen Ökosystemleistungen sind für ein modernes Hochwasser- und Gewässermanagement unverzichtbar. VON WILFRIED SCHIMON

Nicht zu unterschätzen: die Wasserrückhalte-Kapazität der Leithaniederung bei Überflutungen – hier bei Nickelsdorf. Foto: Michael Dvorak

Bedeutung der Auen für Gewässerökologie und Hochwasserschutz Mit der Umsetzung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in den letzten Jahren wurde auch die Verbesserung des ökologischen Zustandes von Auen immer bedeutsamer. In der WRRL wird der Begriff „Au“ zwar nicht direkt verwendet, jedoch gibt es in mehrfacher Hinsicht deutliche Bezüge zu Flussauen. Den Auen kommt insgesamt – in Ergänzung zu den biologischen Bewertungsparametern der WRRL – große Bedeutung für den ökologischen Zustand der Gewässer zu. Der seit 2012 verbindliche Leitfaden „Österreichischer Wasserkatalog Wasser schützen – Wasser nutzen“ enthält Kriterien zur Beurteilung einer nachhaltigen Wasserkraftnutzung, in denen auch Auen und Augewässer berücksichtigt sind. Für den modernen Hochwasserschutz stellt die Erhaltung und Verbesserung des Hochwasserrückhalts eine eindeutige Priorität dar. Um den Hochwasserabfluss verzögern und die Wasserstände in flussab geleSommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014

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AUENSTRATEGIE – WOFÜR?

Noch viel zu wenig berücksichtigt: Der Biber kann ein wichtiger Partner bei Revitalisierungs- und Hochwasserschutzmaßnahmen sein. Die Schweizer Biberfachstelle empfiehlt, unbedingt von Beginn der Planungen an den Biber einzubeziehen: www.biberfachstelle.ch Fotos v. o.: Leopold Kanzler; Karin Widerin; Ulrich Schwarz

genen Gebieten absenken zu können, werden flussnahe Flächen benötigt, die möglichst nicht oder nur extensiv genutzt werden. Zur Verminderung des Schadenspotenzials im Hochwasserfall sind Rückhalte- und Abflussräume möglichst als natürliche Flächen zu erhalten. Regelmäßig überflutete Auen sind dazu prädestiniert, obgleich sie wegen des frühen Füllzeitpunktes und der dann vorherrschenden fließenden Retention weniger retentionswirksam sind. Andererseits stellen abgedämmte Auen, die von der Hochwasserdynamik abgeschnitten sind, ein wesentliches Potenzial für die Schaffung neuer und für die Erweiterung bestehender wirksamer Rückhalteräume dar.

Beispiele aus der Praxis Gewässerentwicklungskonzepte, die seit vielen Jahren von der Schutzwasserwirtschaft in Österreich erstellt werden, sind Beispiele für umfassende integrative Planungen an unseren Flüssen. Sie bilden Ansatzpunkte für viele Maßnahmen, die zwischen Hochwasserschutz, Gewässerökologie und Naturschutz abgestimmt sind. Im europäischen Vergleich konnten in Österreich überdurchschnittlich viele gewässer- und auenbezogene Maßnahmen im Rahmen von LIFEProjekten umgesetzt werden, die sich auch in der Praxis bestens bewährt haben. Viele dieser Projekte bauen auf Gewässerentwicklungskonzepten auf und wurden in Kooperation von Naturschutz und Wasserwirtschaft durchgeführt.

Aueninventar Seit 2010 liegt für ganz Österreich ein umfassendes Aueninventar vor, das mit großem Engagement der Autoren und des Umweltbundesamtes erstellt worden ist. Zum Zustandekommen dieses Werkes haben nicht zuletzt auch die Bundesländer sowie die Abteilung Schutzwasserwirtschaft im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft finanziell beigetragen, wodurch die fachlichen Arbeiten erst ermöglicht wurden. Das Aueninventar sollte als Grundlage für Planungen und Maßnahmen in den Bereichen Wasserwirtschaft, Schutzwasserbau, Raumplanung und Naturschutz gemeinsam genutzt werden. Mit Hilfe des Aueninventars können zum Beispiel Hochwasserabflussbereiche und Auen überlagert und damit die regionalen Entscheidungsgrundlagen verbessert werden.

Kooperation: Mehrwert der Auenstrategie

Hochwasser an der March bei Marchegg: Im Bild die ausgedehnten Retentionsräume an der March – der beste Schutz vor Hochwässern.

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Die Auenlandschaften zu erhalten und zu verbessern zählt zu den prioritären Zielen sowohl des Naturschutzes als auch der mit diesem kooperierenden Wasserwirtschaft. Der Bund ist für die Bereiche Wasserrecht und Wasserwirtschaft zuständig, ein

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Donau-Auen bei Hainburg (Thurnhaufen): Die Revitalisierung der Donauufer zeichnete die EU-Kommission 2009 als eines der am besten umgesetzten LIFE-Projekte in Europa aus. Foto: NP Donau-Auen/Franz Kovacs

großer Teil der Finanzmittel für den Hochwasserschutz kommt vom Bund. Der Schutz und das Management der Auen, aber auch die Raumplanung liegen zum größten Teil in der Kompetenz und Verwaltung der Länder. Ohne Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen Bund und Ländern ist eine optimale Weiterentwicklung der Auen und der flussnahen Räume nicht möglich. Dasselbe gilt für die Umsetzung von internationalen Vorgaben, z. B. in den Bereichen von WRRL, Hochwasserrichtlinie, FFH-RL. Auf Basis des Aueninventars soll in einem nächsten Schritt eine gemeinsame österreichweite Strategie zur Erhaltung und Verbesserung der Auen in Österreich geschaffen werden. Diese Strategie sollte den Schutz, die nachhaltige Nutzung und Verbesserung vorhandener sowie die Wiedergewinnung verlorengegangener Auen zum Ziel haben. Die Auenstrategie sollte von einem Netzwerk aller für die Auen in Österreich relevanten Verwaltungen und Institutionen getragen werden, die sich freiwillig dazu verpflichten, die Erhaltung, Revitalisierung und Pflege der Auen sowie die nachhaltige Bewirtschaftung von Auen sicherzustellen und damit auch die für Auen so spezifische Biodiversität zu fördern. Aus der Sicht des Hochwasser- und Gewässermanagements im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt eine gemeinsam getragene bundesweite Auenstrategie daher einen positiven Beitrag zur Verbesserung der Abstimmung von Zielen und Prioritäten auf Bundes- und Länderebene und eine wesentliche Grundlage für künftige Umsetzungsprojekte dar. Sommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014

Text: DI Wilfried Schimon Bundesministerium für Landund Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft – Leiter Sektion Wasser wilfried.schimon@bmlfuw.gv.at

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THEMA

BUND-LÄNDER-WORKSHOP Auf dem Weg zu einer Auenstrategie Ziele und Prioritäten für die Zukunft des Auenschutzes in Österreich Braucht Österreich eigentlich eine nationale Auen-Strategie? Diese Frage diskutierten im vergangenen März in Linz Vertreter von Bund und Ländern, die für das Auen-Management vom Rhein bis zur Thaya zuständig sind. Und waren sich bald einig, dass Auen im ganzen Land besser erhalten werden müssen und dass ein koordiniertes, strategisches Handeln viele Vorteile bringt. ALEXANDER ZINKE

Zitate von Workshopteilnehmern

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„Eine Auenstrategie für Österreich ist wichtig und sollte rasch verabschiedet werden, da sie eine Basis für die Nutzung von Synergien zwischen Auenschutz und Hochwassermanagement darstellt. Insbesondere die Wiederanbindung abgedämmter Auenstandorte mit hohem ökologischem Potenzial ist von besonderer Wichtigkeit.“ Di norbert sereinig land kärnten | abt. 8 schutzwasserwirtschaft

„Eine nationale Auenstrategie wird maßgeblich zur Sicherung und Entwicklung natürlicher Hochwasserrückhalteräume sowie zur Renaturierung von Fließgewässern und Aue beitragen. Synergieeffekte zwischen Hochwasserschutz, Naturschutz, Tourismus sowie Land- und Forstwirtschaft lassen eine breite Akzeptanz erwarten.“ Dr. norbert Baumann | land steiermark | a14 Wasserwirtschaft | ref. schutzwasserwirtschaft

„Donau, March und Thaya sind die Lebensadern der größten zusammenhängenden Augebiete Österreichs. viadonau bekennt sich zur Erhaltung dieser Landschaftsräume und setzt mit zahlreichen Renaturierungsprojekten wichtige Impulse. Für die nachhaltige Entwicklung dieser wertvollen Ökosysteme ist eine nationale Auen-Strategie dringend erforderlich.“ Di Bernhard karl | viadonau | teamleiter Umwelt/Ökologie

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WORKSHOP

usgangspunkt und gleichzeitig ein wesentliches argument für eine nationale auen-strategie ist das auen-inventar, das die auen-experten Werner lazowski und Ulrich schwarz in den letzten Jahren mit großem aufwand erstellt haben und nun in einer Datenbank beim Umweltbundesamt verfügbar ist. kürzlich wurden wichtige inventur-ergebnisse unter dem titel „auenland“ von naturschutzbund und arge natUrsChUtZ publiziert. Die flächendeckende und repräsentative auswertung von 823 auenobjekten zeigt nicht nur, welche große vielfalt an auen-typen in Österreich existiert, sondern auch, dass deren Zustand kritisch ist: Während 80 % aller auentypen von hoher Bedeutung sind, sind nur noch 10 % der auen-Flächen naturnah und 40 % noch gar nicht geschützt. Der jahrzehntelange trend zu verlusten und Degradie-

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„In Auen ist von Natur aus immer etwas los! Als vielfältige Mittelwelt zwischen einem Fluss und seinem Umland ist die Au ein artenreicher Raum voll landschaftlicher Schönheit und damit Bühne für spannende Landschaftserlebnisse. Vermehren und verbessern wir diese wertvollen Erlebnisräume!“ Dipl. natw (eth) rochus schertler | naturschutzbund | vorarlberg

Die zahlreiche teilnahme der ländervertreterinnen und -vertreter war eine entscheidende voraussetzung für den weiteren prozess der auenstrategieentwicklung.

„Auen sind für mich der Inbegriff einer noch wilden und ungebändigten Natur inmitten unserer Kulturlandschaft. Sie gehören zu den dynamischsten und artenreichsten Lebensräumen, üben vielfältige Funktionen in unserer Flusslandschaft aus und zählen gleichzeitig zu den am stärksten bedrohten Lebensräumen. Um unsere letzten Auenlandschaften auch für zukünftige Generationen zu erhalten, ist eine gemeinsame Strategie von entscheidender Bedeutung.“ Di Dr. thomas ofenböck ma45 Wiener Gewässer

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THEMA

rungen ist kaum gebremst (70-90 % der ursprünglichen standorte sind verloren). es geht heute also nur noch um – wertvolle! – auen-reste. auch der neue artikel 17-Bericht (FFh-rl) für Österreich ergab, dass mehr als ein Drittel aller auen-habitate und -arten einen schlechten (U2) erhaltungszustand haben – mit weiterhin negativer tendenz. so gibt es vielerorts kaum mehr echte auwälder oder große dynamische auengebiete, da 86 % der Flüsse hart reguliert sind. Während nationalparke 3 % der republik bedecken, haben auen nur einen anteil von 1 %.

Langwierige Fortschritte – vermehrte Kooperationen

Birgit mair-markart (naturschutzbund/projektkoordination), klaus krainer (argenatUrsChUtZ/projektträger) begleiteten den Workshop mit großem engagement.

Zitate von Workshopteilnehmern

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„Durch die Auenstrategie könnte eine gemeinsame bundesweite Öffentlichkeitsarbeit zur Bedeutung der Auen betrieben werden. Für ein wirksames Auen-Management brauchen wir unbedingt öffentliche Flächen und zusätzliche finanzielle Mittel für Renaturierungsmaßnahmen.“ Di anna pichler für die plattform auwald vorarlberg

in linz berichteten vertreter der naturschutz- und Wasserwirtschaftsabteilungen von sieben der neun Bundesländer über ihre Bemühungen gegen diesen trend: Dutzende von auen-projekten wurden als gelungen berichtet und fußen auf einer wachsenden verständigung zwischen Wasserwirtschaft und naturschutz, aber auch mit Gemeinden, auennutzern (land- und Forstwirtschaft, industrie und energiewirtschaft) und Umweltgruppen. trotzdem sind – nicht nur in alpinen tälern – selten neue Flächen für den auenschutz verfügbar: komplizierte eigentumsverhältnisse und hohe kaufpreise auch für wenig genutzte oder nutzbare Flächen verwehren rasche erfolge. aus der sicht der länder wäre für ein zielgerichtetes und nachhaltiges auen-management eine bessere verfügbarkeit und ein management der Flächen des „Öffentlichen Wassergutes (ÖWG)“ ein großer Fortschritt. auf ÖWG-Flächen wurden eingriffe bisher nur selten geahndet, eine management-strategie ist nicht erkennbar: Die vertreter des Umweltministeriums (BmlFUW) versprachen, in internen Gesprächen eine neuorientierung anzuregen.

Rezepte austauschen Deutlich wurde im Workshop, dass erfolgreicher auenschutz viel mit erfahrungsaustausch zu tun hat, und dass hier noch potenziale schlummern: Die mühen um eine lösung in einer region sind andernorts längst durch andere rezepte überwunden. Dazu zählen neben den klassikern (Gewässervernetzung, Uferrückbau, neophyten-eindämmung etc.) gerade lösungen für die neuen aufgaben, wie Fischwanderhilfen, Biberschäden oder Geschiebe-management.

„Da die Auwälder nach wie vor zu den bedrohtesten Lebensräumen Österreichs zählen, ist die Erarbeitung einer nationalen Auenstrategie auf jeden Fall sinnvoll. Um jedoch zu vermeiden, dass diese ein zahnloser „Papiertiger“ wird, wäre es notwendig, einen nationalen Schulterschluss von Bund, Ländern, Gemeinden und den wichtigsten Stakeholdern (Forstwirtschaft, Energiewirtschaft, Naturschutz, Fischerei, Jagd, Tourismus,…) zu erreichen mit dem Ziel, die noch vorhandene Auensubstanz zu erhalten und möglichst zu verbessern.“ Dr. Friedrich schwarz magistrat linz | naturkundliche station der stadt linz

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WORKSHOP

erfreuliche Fortschritte wurden von den Bundesländern über die Zusammenarbeit von Wasserwirtschaft und naturschutz berichtet: von ausnahmen abgesehen gehört das schubladendenken der vergangenheit an. Bei neuen eingriffen, speziell infrastruktur-vorhaben, wird gemeinsam abgestimmt restriktiv vorgegangen, beim hochwasserschutz ist integrative planung der – auch von der eU verlangte – standard. Gewässerentwicklungskonzepte sind erfolgreich integrierende lösungen für den auenerhalt. eine wichtige rolle im auen-management haben große, eU-kofinanzierte projekte (liFe, le), weil sie nicht nur substanzielle verbesserungen für auen ermöglichen, sondern Besucher-informationen und neue Zugänge zum Fluss bieten und damit letztlich die öffentliche akzeptanz fördern. eine rundfrage unter den Bundesländern ergab (für die beiden nicht anwesenden wurde dies telefonisch eruiert), dass keines bisher eine eigene auen-strategie besitzt, sondern man sich vor allem an den eUnatur-, Wasser- und hochwasserschutz-richtlinien für die prioritären schutzgüter und maßnahmenpakete (z. B. den nationalen Gewässerplan) orientiert. eine österreichweite abstimmung von prioritäten via auenstrategie wurde in linz mehrfach gewünscht.

Erfahrungen in Deutschland als Gastreferent des deutschen Bundesamtes für naturschutz (Bfn) erläuterte Bernd neukirchen den stand des auen-managements in Deutschland: von ehemals 4,4 % (15.000 km²) deutscher auenflächen gingen rund zwei Drittel verloren. nur 10 % sind gering oder sehr gering verändert, 54 % jedoch stark oder sehr stark. seit dem hochwasser 2002 verlangt die politik mehr raum für Flüsse, zuletzt im koalitionsvertrag der Bundesregierung 2013, aber trotz bereits 265 umgesetzter projekten wird das Ziel von 10 % mehr retentionsfläche bis 2020 kaum erreicht werden. Deutsche studien über Ökosystem-leistungen ergaben einen nährstoffrückhalt im Wert von 500 mio. € pro Jahr; Damm-rückverlegungen ergaben einen dreifach höheren nutzen als kosten. Die synergie von hochwasser- und auenschutz ist verstärkt zu nutzen, so etwa beim zukünftigen „Blauen Band“ entlang der Bundeswasserstraßen.

„Die Auenstrategie ist für mich wichtig, weil sie effizientes Arbeiten für den Schutz und die Entwicklung von Auen wesentlich unterstützen kann.“ Di Bernhard riehl land salzburg | ref. naturschutzrecht und Förderungswesen

im Bild oben v. l.: rochus schertler (ÖnB vorarlberg), erhard kraus (land nÖ), Ulrich schwarz (autor des aueninventars und der auenbroschüre), helena mühlmann (BmlFUW) Bild unten: Bernhard schön (land oÖ), renate leitgeb (land oÖ), reinhold turk (land steiermark)

„Wir brauchen wieder mehr Platz für unsere Flüsse, und wenn die Auen erhalten bleiben, ist zumindest in diesen Gerinneabschnitten eine Dynamik möglich. Eine österreichweite Auenstrategie könnte ein unterstützendes Instrument bei der Umsetzung der EU-Richtlinien sein. Daraus könnte eine win-win Situation für Wasserwirtschaft & Naturschutz entstehen.“ Di erich Czeiner land nÖ | regionalstellenleiter des mostviertels | projektleiter der liFe-projekte

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Bach, der mit der nahen Donau in Verbindung steht und bei Hochwasser der Entlastung dient.

auch in Österreich sind Ökosystem-leistungen der auen der Bevölkerung durchaus bewusst, wie eine neue studie der Universität für Bodenkultur am Beispiel von enns und Drau ergab. Die klare Wertschätzung der natur-leistungen (erholung!) im rahmen der zukünftigen auenstrategie unterstützt also einen verstärkten auenschutz.

Gemeinsamer Weg zum Ziel

nach dem Workshop ging es mit dem „hausherrn“ und Gebietsbetreuer Ferdinand lenglachner (li.) auf auenexkursion in die Donau-au bei linz (Weikerlsee). aufmerksame Zuhörer waren thomas ofenböck und andreas römer (beide stadt Wien).

Überlegungen zur auen-strategie gibt es beim BmlFUW schon seit 2010. Das laufende le-projekt von arge natUrsChUtZ und naturschutzbund will im gemeinsamen Bund-länder-prozess nicht nur die strategie eruieren und formulieren, sondern auch ein kommunikations-netzwerk aufbauen. in linz waren sich die teilnehmer einig, den Weg von der Formulierung und verabschiedung bis zur gezielten anwendung einer österreichischen auen-strategie gemeinsam zu beschreiten. im Frühjahr formulierte ein redaktionsteam ein erstes thesenpapier, welches beim nationalen ramsar-meeting ende mai besprochen wurde. Über den sommer 2014 sollen diverse auen-nutzer in die strategie-Überlegungen involviert werden. eine arbeitsgruppe wird einen strategieentwurf erstellen. Dieser soll auf einem weiteren Bund-länder-Workshop – wieder unter einbindung wichtiger auen-nutzer – im Detail diskutiert werden. somit dürfte bis ende 2014 ein akkordierter finaler entwurf der auenstrategie vorliegen, den dann die politik möglichst rasch verabschieden sollte.

Was kann die Auen-Strategie leisten?

Text: Dipl. Biogeogr. Alexander Zinke Workshop-Moderator | Zinke Environment Consulting for CEE, Wien | zinke.enviro@vienna.at Fotos (außer Porträts): Naturschutzbund

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Zum einen wird erwartet, dass die strategie lokal wie auch länderübergreifend zum instrument wird für einen effizienteren auenschutz und dass sie argumente für projektfinanzierungen liefert. Zudem sollen natura2000- und hochwasser-managementpläne auf die auen-strategie Bezug nehmen und auch die Flächen-sicherung (Grundkäufe, auch mit vorkaufsrecht) sich daran ausrichten. Gerade ÖWG-Gebiete könnten eine spezielle rolle und aufgabe („vorbild für auen-management“) erhalten. Daneben könnte – ähnlich wie bei der Wasserkraft – eine auen-potenzialanalyse mit hilfe der neuen Datenbank genauer aufzeigen, welche auentypen und -habitate in welchen regionen Österreichs prioritär und relativ leicht erhalten werden sollen und können. Sommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014


Auenschutz und Auenzerstörung liegen eng beieinander LIFE Natur hat in Niederösterreich jahrzehntelange Tradition und auch eine erfreulich hohe Erfolgsbilanz vorzuweisen. Gleichzeitig macht der Hunger nach Biomasse auch in NÖ nicht vor Auwäldern halt: Hektarweise fielen vergangenen Winter alte Auwaldbestände der Profitmaximierung und übertriebenen Haftungsansprüchen zum Opfer. HANNES SEEHOFER

on bisher 46 österreichischen LIFE Naturschutzprojekten in 22 Jahren fand fast die Hälfte in NÖ statt. Im Mostviertel waren es die LIFE Natur Projekte Lebensraum Huchen, Vernetzung Donau-Ybbs, Wachau, Flusslebensraum Mostviertel-Wachau und LIFE Traisen. Das Projekt „Auenwildnis Wachau“ wurde erst kürzlich von der EUKommission genehmigt.

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LIFE Natur Lebensraum Huchen Im Rahmen dieses Projektes baute man im Natura2000-Gebiet „NÖ Alpenvorlandflüsse“ von 1999 bis 2004 nicht nur 11 Fischaufstiege an der Pielach, Melk und Mank, sondern errichtete auch größere Auenschutzgebiete am naturbelassenen Pielach-Unterlauf. Wegweisend waren die Rückbau- bzw. Restrukturierungsmaßnahmen an der kanalisierten Melk und Mank auf einer Länge von 2,6 km. Wichtige Auenschutzmaßnahmen stellten die Naturschutzgebiete „Pielach OfenlochNeubacher Au“ mit rund 53 ha und „Pielach Mühlau“ mit ca. 35 ha dar. Leitart für dieses erste Projekt im Mostviertel war der Huchen oder Donaulachs, da die Pielach noch national bedeutende, natürlich reproduzierende Bestände aufweist. Auch der Eisvogel mit ca. 15 Brutpaaren auf 20 km Flusslänge hat hier eines seiner österreichweit wichtigsten Sommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014

Im oberen Bild ist das Auenschutzgebiet „Neubacher Au“ an der Pielach zu sehen, das im Zuge des LIFE-Projektes „Natur Lebensraum Huchen“ eingerichtet wurde und auch den Eisvogel beherbergt. Im Bild darunter die massiven Eingriffe in den Baumbestand der Melker Au diesen Winter. Fotos v. o.: Michael Tiefenbach; Hannes Seehofer; Naturschutzbund NÖ

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Brutvorkommen. Fischotter und Biber, Gänsesäger, Wasseramsel, Flussuferläufer, Flussregenpfeifer und Würfelnatter finden am Pielach-Unterlauf ein bedeutsames Refugium.

LIFE Natur Vernetzung Donau-Ybbs Eine zwei km lange Fischwanderhilfe wurde beim Donaukraftwerk Melk errichtet, um den Höhenunterschied von 12 m zu überwinden. Die zweite große Maßnahme in der Projektlaufzeit 2004 bis 2009 war der Umbau der Ybbsmündung. Das neue, teils verlandete Mündungsdelta hat jetzt eine Fläche von 9 ha. Für die Aufweitung wurden 3,8 ha landwirtschaftliche Flächen angekauft, die jetzt großteils Auwald sind.

LIFE Natur Wachau Schwerpunkt von LIFE Natur Wachau zwischen 2003 und 2008 waren sechs km neue bzw. wiederhergestellte Donau-Nebenarme in Grimsing, Aggsbach und Rossatz-Rührsdorf. Durch abschnittsweise neue Gewässertrassen kam es auch zu kleinflächigen Auwaldverlusten. Vier Hektar neue Auwaldflächen wurden auf Ackerflächen und Obstkulturen gepflanzt. Ein Ergebnis des LIFE-Projektes ist das Naturschutzgebiet Grimsinger Au (22 ha). Im Rahmen von LIFE Natur Wachau fanden erste Neophyten-Bekämpfungsmaßnahmen wie Ringelung von Robinie und Eschenahorn statt.

LIFE Natur Flusslebensraum Mostviertel-Wachau

LIFE Natur-Projekt „Wachau“ mit wiederhergestelltem Donau-Nebenarm in Grimsing Foto: M. Haslinger/@extremfoto.com

Auch Gewässerrückbaumaßnahmen erfolgten an Ybbs, Pielach und Donau von 2009 bis 2014. Neue Nebenarme im Gesamtausmaß von 7 km sind in der Wachau und an der Ybbs bei Amstetten entstanden. Ein großer Fischaufstieg wurde bei der Wehranlage Greinsfurth errichtet, wo im Zuge des fischökologischen Monitorings schon im ersten Jahr der Aufstieg von fünf adulten Huchen dokumentiert werden konnte. Auwaldverluste im Trassenbereich wurden durch Auwald-Ersatzaufforstungen und durch Weichholzauen-Naturverjüngung auf neuen Flachufern wett-

LIFE-Projekt „Mostviertel-Wachau“ mit Donau-Nebenarm und Insel Schönbühel Foto: Gerhard Pock

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gemacht. Durch Neophytenbekämpfung werden in den betroffenen Projektbereichen Auwälder ökologisch verbessert. Jede Baumaßnahme im Gewässerbereich kann bei unbedachter Vorgangsweise indirekt auch die Neophyten fördern, daher kommt der Nachbetreuung von Eingriffsflächen eine hohe Bedeutung zu.

LIFE Natur Traisen Der regulierte verlängerte Unterlauf der Traisen zwischen Traismauer und Zwentendorf wird auf 9,4 km in eine mäandrierende Flusslandschaft umgewandelt. Damit können Donaufische wieder zumindest auf 11 km in die Traisen zum Laichen einwandern. Der neue Lauf wird auf 54 ha von neuen Überschwemmungsflächen umgeben sein, die als Standort für prioritäre Weichholzauen geeignet sind und auch aktiv bepflanzt werden.

LIFE Natur Auenwildnis Wachau Neben weiteren Gewässervernetzungen im Raum Rossatz soll ein Schwerpunkt bei Auwald-Maßnahmen liegen. Letzte Weichholz-Altbestände auf öffentlichen Auwaldinseln können nur durch Schutzgebiete gesichert werden. Die Auspflanzung neuer Auwaldflächen im Ausmaß von 15-20 ha ist auf aufgelassenen Obstgärten geplant. Weichholzauen können durch Naturverjüngung auf neuen Flachufern entstehen. Vor allem die gefährdete Schwarzpappel ist eine Zielart, die bei der Schaffung neuer Auwälder aus genetisch geprüften Schwarzpappelbeständen gezielt vermehrt und ausgepflanzt werden soll. Auch Amphibienschutzmaßnahmen für Gelbbauchunke und Kamm-Molch sind geplant. Das Projekt wurde im Mai d. J. von der EU bewilligt.

Die Gefährdung der Auwaldlebensräume nimmt zu! Trotz der großen LIFE-Erfolge in Niederösterreich nahm der Umfang der Gefährdung der Auen in NÖ massiv zu, vor allem in Folge der verstärkten Biomasse-Nutzungsinteressen der schnell nachwachsenden Auwälder. Auwald-Altbestände zählen zu den naturschutzfachlich wertvollsten Waldlebensräumen mit einer hohen Artenfülle. Dementsprechend gibt es hier auch zahlreiche Vorkommen von besonders gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Von einigen europaweit bedrohten Fledermäusen wie Bechstein- oder Mops-Fledermaus, vielen seltenen Vogelarten bis zu Totholzkäfern (Eremit, Scharlachkäfer, Hirschkäfer, Eichenbock-

LIFE-Projekt „Auenwildnis Wachau“ mit dem Pritzenauer Arm Foto: M. Haslinger/@extremfoto.com

WAS IST LIFE? Seit 20 Jahren besteht das EU-Förderprogramm LIFE und machte bisher 46 Naturschutzprojekte mit 154 Mio. Euro Gesamtvolumen für Österreich (seit 1995) möglich. Für Österreich ist LIFE zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Damit werden wertvollste Lebensräume für Tiere und Pflanzen erhalten. Rund 45 % der Gesamtsumme (rd. 70 Mio. Euro) hat Österreich dabei von der EU an Förderungen erhalten. Alle Projekte laufen mehrere Jahre, fast alle wurden vom Lebensministerium ko-finanziert: insgesamt fast 25 Mio. Euro. Mit den eingesetzten Mitteln wurden Bäche revitalisiert, Flusslandschaften neu gestaltet, gefährdete Tier- und Pflanzenarten geschützt, Moore erhalten, Trockenrasen verbessert und Forst-Monokulturen in artenreiche Laubmischwälder umgewandelt. Quelle: www.bmlfuw.gv.at, Stand 11. 5. 2012

Abseits von LIFEProjekten gibt es in NÖ keinen ausreichenden Schutz für Auwälder – auch nicht in Natura2000-Gebieten wie hier in der Tullnerfelder Donauau! Foto: Naturschutzbund NÖ

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AUENSCHUTZ/ZERSTÖRUNG

Wüsste man’s nicht besser, man könnte meinen, die Bilder wären in Südostasien aufgenommen: Hektarweise fielen Auwälder, darunter die europaweit gefährdeten ErlenEschen-Weidenauen an Donau und vielen Nebenflüssen dem Biomassehunger zum Opfer. Besonders betroffen sind die Tullnerfelder Donauauen – siehe Fotos.

Fotos v. o.: Naturschutzbund NÖ (3); Josef Pennerstorfer (Käfer)

Text: Mag. Hannes Seehofer Arbeitskreis Wachau seehofer@arbeitskreis-wachau.at

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Der EU-weit streng geschützte Scharlachkäfer, ein Totholzbewohner, braucht Auwald-Altbestände, inbesondere mit Pappeln.

käfer) bieten strukturreiche Auwald-Altbestände auch vielen anderen Arten einen optimalen Lebensraum. Obwohl in den Handlungsprioritäten der NÖ Naturschutzabteilung der Schutz der Auen vorrangig eingestuft wurde, finden seitens des Landes abseits von LIFE-Projekten in Natura2000-Gebieten keine speziellen Auwald-Schutzmaßnahmen statt. Besonders im Winter 2013/2014 bis ins heurige Frühjahr wurden an der Donau und an vielen Nebenflüssen hektarweise Auwald-Altbestände in Natura2000-Gebieten geschlägert. Ein besonders negatives Beispiel sind die Schlägerungen in den Tullnerfelder Donauauen. Auch europaweit gefährdete, relativ alte und strukturreiche „Erlen-Eschen-Weidenauen“ Bestände – FFH-Lebensräume von Schwarzmilan und Mittelspecht – waren davon stark betroffen, wie auch schon in den Wintern davor. Vertragsnaturschutz-Initiativen zur Finanzierung oder Entschädigung für private Auwald-Besitzer gibt es in der Realität bislang kaum. Selbst Bestandsumwandlungen von Auwald in monotone Hybridpappel- oder Schwarznusskulturen bleiben in Natura2000-Gebieten behördlich ohne Sanktionen. Besonders schmerzlich sind jedoch die Schlägerungen in den letzten Auwald-Altbeständen im öffentlichen Besitz (Republik, ÖBf, Gemeinden), denn wenigstens dort sollten die Kernanliegen der EUNaturschutz-Richtlinien durchsetzbar sein. In der gesamten Wachau existieren nur mehr wenige Hektar alte Weichholzauen auf Flächen des Öffentlichen Wassergutes, die ebenfalls jährlich kleiner werden. Mit dem populären Scheinargument „Auwälder müssen verjüngt werden“ oder mit den oftmals vorgeschobenen Haftungsgründen bezüglich der Verkehrssicherungspflicht werden wertvollste naturnahe Auwaldbestände zerstört. Natürlich wächst ein Auwald relativ rasch nach, nur ist in den allermeisten Fällen die Artenzusammensetzung gänzlich verändert. Aus naturnahen Beständen entstehen naturferne, oft sogar Neophytendominierte Forste, von Artenschutz-Aspekten wie dem völligen Fehlen von Totholz oder Großhöhlen als wichtige Lebensraum-Requisiten für bedrohte holzbewohnende (xylobionte) Arten einmal ganz abgesehen. Öffentliche Auwaldflächen sollten unbedingt für öffentliche Naturschutzanliegen zur Verfügung stehen. Vielleicht hilft auch die Idee einer Naturschutz-Stiftung in dieser Frage weiter, wo die Kerngebiete der für den Naturschutz besonders wertvollen öffentlichen Flächen gemeinsam mit den Flächen von Naturschutzorganisationen eingebracht und qualitativ ausreichend fachlich betreut und verwaltet werden. Oberösterreich kann da als Vorbild dienen. Sommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014


THEMA

Ökologieförderung in Österreichs Agrarlandschaften– ein Lippenbekenntnis!? Im Windschatten kleinerer Verbesserungen steuert das künftige „Österreichische Programm für Ländliche Entwicklung“ auf eine Fortsetzung des Artensterbens in der Kulturlandschaft zu. Standen die Weichen vor der Agrarreform auf mehr grün und einer gerechteren Verteilung der Mittel, so ist davon nicht mehr viel übrig geblieben: Die Lobby der „Ertragsmaximierer“ scheint sich wieder einmal durchgesetzt zu haben. BirdLife warnt gemeinsam mit dem | naturschutzbund | und anderen NGOs vor den absehbaren fatalen Folgen für die Natur. VON HANS UHL

O

bwohl bis 2020 neben 700 Mio. Euro Direktzahlungen zusätzlich jährlich 1,1 Mrd. Euro an Agrarförderungen aus diesem riesigen EU-Projekt in Österreich ausgegeben werden sollen, sind die Prioritäten aus Sicht der Naturschutzorganisationen allerdings mangelhaft gesetzt: Vor der angestrebten Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) waren die Weichen auf „mehr grün“ und „gerechtere Verteilung“ gestellt. Mit diesen Argumenten wurden die Agrarausgaben vor einem radikalen Schnitt bewahrt. Das damit verbundene, politische Prozedere steht nun im Sommer 2014 vor dem Abschluss und muss, gemessen an Umwelt- und Naturschutzaufgaben, als misslungen bewertet werden, weil die dringend notwendigen Verbesserungen fehlen. Zu viele der ursprünglichen Ziele sind dem Lobbyismus der Interessensvertreter erlegen.

Initiative „Rettet-die-Blumenwiesen“ kontra „Greenwashing“ Vor allem die vorgesehene Ökologisierung der Direktzahlungen, das sogenannte „Greening“, wurde auch unter Druck der österreichischen Agrarier so weit verwässert, dass es jetzt nicht nur unter UmweltbeSommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014

Üppige Bergflora verträgt kaum Dünger dort, wo Jauche ausgebracht wird, wie hier im Nationalpark Hohe Tauern/Stubachtal, hat die Artenvielfalt ausgedient, Bienen und Schmetterlinge finden keine Nahrung mehr. Fotos v. o.: Christine Pühringer; Feri Robl

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LE 2014-2020

Übergabe der fast 22.000 Unterschriften zur Petition „Rettet-die-Blumenwiesen!“ an Minister Andrä Rupprechter (o. M.) und an die Naturschutzlandesrätin von Tirol, Ingrid Felipe (u.) Ende Jänner d. J.. Im Bild o. v. l.: Michael Proschek-Hauptmann (GF UWD), Georg Grabherr, Gerhard Heilingbrunner (Präs. UWD), Gerald Pfiffinger (GF BirdLife), Roman Türk (Präs. Naturschutzbund) Fotos: Gerold Benedikter

wegten „Greenwashing“ genannt wird. So sah der ursprüngliche Plan 7 % sogenannte „ökologische Vorrangflächen“ vor – sie hätten v. a. als Nützlings- und Blühstreifen auf Ackerflächen angelegt werden sollen. Die NGOs hatten 10 % gefordert. Übrig geblieben sind EU-weit nur 5 %, verbunden mit der absurden Regelung, dass auch stickstoffbindende Pflanzen wie Soja oder Erbsen angerechnet werden können. Diese dienen hauptsächlich als Futter-Produktionsflächen oder als Stickstoffdünger und haben für die Biodiversität keinerlei Relevanz. Noch dazu hat Österreich so viele Ausnahmeregelungen durchgesetzt, dass ohnehin nur ca. 25 % der landwirtschaftlichen Betriebe davon betroffen sind. Dem nicht genug, fordern einzelne österreichische EU-Vertreter auch noch, dass die Dünge- und Pestizidverbote auf diesen Flächen aufgehoben werden! Immerhin konnte die Kampagne „Rettet-die-Blumenwiesen“, im November 2013 von Prof. Grabherr initiiert, in kurzer Zeit 22.000 Unterstützer gewinnen und so bei der Bundesregierung erreichen, dass aus dem Topf der Direktzahlungen etwa 7 Mio. Euro mehr pro Jahr im Sinne der Biodiversitätserhaltung ausgegeben werden: Die Direktzahlungsprämien wurden zumindest für einmähdige Wiesen (ca. 36.000 ha) und Bergmähder (ca. 4.500 ha) jenen für Intensivwiesen angeglichen. Geplant waren 75 % weniger. Damit sind die für den Artenerhalt enorm wichtigen Berg- und einmähdigen Wiesen für die Bewirtschaftung rentabel geblieben. Ein sehr beachtlicher Teilerfolg! Für ca. 64.000 ha ökologisch ebenso wertvolle Hutweiden fehlt diese Gleichstellung allerdings immer noch.

Kürzungen bei ÖPUL und Naturschutzprojekten mit verheerender Auswirkung Nun plant Minister Andrä Rupprechter mit dem im April nach Brüssel gesandten Programmentwurf zur „Ländlichen Entwicklung“ als Draufgabe eine Reihe von Verschlechterungen für den Naturschutz statt der dringend notwendigen Verbesserungen. Das neue Agrarumweltprogramm ÖPUL, Teil des Gesamtprogramms, soll um bis zu 80 Mio. jährlich

INFOBOX Ländliche Entwicklung 2014-2020 Die „Ländliche Entwicklung (LE)“ ist das zentrale Element der österreichischen Agrarpolitik. Die EU-Institutionen haben sich Ende Juni 2013 über die Reform der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ (GAP) geeinigt. An der konkreten Ausgestaltung dieser Politik im Rahmen des österreichischen Programms für die Entwicklung des ländlichen Raums 2014–2020 wird derzeit gearbeitet. Wie alle EU-Politiken ordnet sich auch die „Ländliche Entwicklung“ in die Europa-2020-Strategie zur Stärkung eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums ein. Die Aus-

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wirkungen auf die bedeutenden Querschnittsthemen Klimaschutz, Ressourcenschonung und Biodiversität sind besonders hervorzuheben. Die Maßnahmen der „Ländlichen Entwicklung“ gliedern sich inhaltlich in sechs Prioritäten: 1. Förderung von Wissenstransfer und Innovation 2. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit 3. Förderung der Organisation der Nahrungsmittelkette und des Risikomanagements 4. Wiederherstellung, Erhaltung und Verbesserung der Ökosysteme In dieser Priorität sind die beiden Kernelemente der LE in Österreich – das

Agrarumweltprogramm ÖPUL und die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten – angesiedelt. Daneben geht es auch um die Themen: genetische Vielfalt, Bodenfruchtbarkeit und Klima, Wasserschutz, Kulturlandschaft, Alm-, Berg- und Steilflächen sowie um Naturschutz. 5. Förderung der Ressourceneffizienz und des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen und klimaresistenten Wirtschaft 6. Förderung der sozialen Eingliederung, der Bekämpfung der Armut und der wirtschaftlichen Entwicklung in den ländlichen Gebieten Quelle: www.lebensminsterium.at (Sept. 13)

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gekürzt werden, das Programm für Naturschutzprojekte um bis zu 30 %. Für das Waldumweltprogramm fehlt ebenfalls eine ausreichende Mittelbereitstellung. Angesichts eines rasanten Verlustes an biologischer Artenvielfalt in der Kulturlandschaft sind diese Kürzungen völlig verfehlt. Das vergangene Programm für die Ländliche Entwicklung 2007-13 hat weder den Artenrückgang in intensiv genutzten Gunstlagen, noch in den wenigen Extensivwiesengebieten messbar aufgehalten, im Gegenteil. Zwei Beispiele verdeutlichen dies: So sind die heimischen Feldvögel laut „Farmland Bird Index“ allein seit 1998 um 31,7 % zurückgegangen. Gleichzeitig wird der Erhaltungszustand extensiver Grünlandflächen in Natura2000 Gebieten bei 83,2 % als „ungünstig – unzureichend“ (U1) oder „ungünstig – schlecht“ (U2) eingestuft. Gerade diesen Schutzgebieten wurden in den letzten Jahren vergleichsweise viele Maßnahmen gewidmet. Wie schlecht muss es dann erst recht um die Entwicklung der Naturvielfalt außerhalb dieser Vorranggebiete stehen?! Die vorgesehenen Kürzungen widersprechen auch der eigenen „SWOTAnalyse“ des Ministeriums: So wird dort z. B. die Aufgabe der Bewirtschaftung extensiver Flächen in benachteiligten Gebieten ebenso als Risiko bewertet wie Motivationsmangel bei Betrieben durch bürokratische Hürden oder zu geringe personelle Ausstattung für Planung, Beratung und Betreuung biodiversitätsrelevanter Maßnahmen. Angesichts derartiger Analysen ist es völlig unverständlich, dass die Budgetmittel erheblich gekürzt werden sollen – sowohl für die ÖPUL-Maßnahme „Wertvolle Flächen (WF)“ als auch für die Projektförderungen der Naturund Umweltschutzmaßnahmen in den Artikeln 20 und 35. Was helfen kleinere Verbesserungen bei Flächenprämien wie die Erhöhung des Fördersatzes bei Magerwiesen auf bis zu 900 Euro, wenn kein Geld vorhanden ist für notwendige Artenhilfsprojekte oder ökologische Beratungen? Ohne verstärkte Bewerbung der Naturschutzleistungen bei den Bauern werden diese weniger statt mehr. Diese Sparmaßnahmen widersprechen deshalb diametral den Evaluierungsergebnissen des alten ÖPUL-Programms.

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Naturschutzleistungen werden bei den Bauern viel zu wenig beworben und dadurch viel zu wenig umgesetzt. Für diese Beratung fehlt jedoch das Geld. Deshalb nehmen blumenreiche Hutweiden wie im Bild oben und die Bereitschaft zur arbeitsintensiven Steilhangmahd weiter ab, hingegen pflegeleichtes Einheitsgrün zu. Fotos v. o.: Alexander Mrkvicka; Werner Bejvl

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LE 2014-2020 Erhöhter Handlungsbedarf für das Natura2000-Netzwerk Die Bundesländer verwendeten die ÖPUL-Naturschutzmaßnahme „WF“ bisher als wesentliches Förderinstrument bei der Umsetzung von Natura2000 und anderen Schutzgebieten. Sehr hoher Handlungsbedarf besteht hier nicht nur bei den FFH-Schutzgütern im Extensivwiesenbereich. Er besteht auch in vielen Schutzgebieten sowie bei den nachzunominierenden FFH-Gebieten und aufgrund des Negativtrends von Wiesenvögeln (z. B. Brachvogel, Bekassine oder Braunkehlchen). Neben flexiblen Regeln für Sondernutzungsformen, etwa Magerwiesenpflege auf Flugplätzen oder Pflegeschnitte für Feuchtflächen in mehrjährigen Abständen, fordern die NGOs auch eine Einstiegsmöglichkeit in dieses Programm nach 2016. Viele neue Schutzgebietspläne werden nämlich erst dann zur Umsetzung gelangen.

Problemzone Almförderungen

Gefahr droht den herrlichen Almen und Bergmähdern durch zu starke Weidenutzung im neuen ÖPUL – eine ökologisch völlig falsche Richtung! Fotos v. o.: Alexander Mrkvicka; Umweltbüro Grabher UMG

Der Akzeptanzverlust des letzten ÖPUL-Programms ist wesentlich geprägt von den Kontroversen rund um die Förderungen der Almfutterflächen. Ohne rechtlich verbindliche Klärung der Förderflächen samt ökologisch wie administrativ sinnvollen Toleranzregelungen sind positive Entwicklungen der Almnutzungen nicht möglich. Ob bei den Direktzahlungen das neu geplante „Verdichtungsmodell“ positiv greift – es reduziert die förderfähige Almfutterfläche auf 20 % der realen Almfläche – werden Akzeptanz und Umsetzung durch die Almbauern zeigen. Aus Sicht des Naturschutzes geht diese Neuerung jedenfalls an entscheidenden Anforderungen vorbei. Um einerseits einer Überbestoßung, also zu vielen Weidetieren auf günstig gelegenen Teilflächen entgegen zu wirken, und anderseits eine Beweidung von Steilflächen zu sichern, bräuchte es wirksame Anreize für wirklich standortangepasste Alptiere. Ziel einer naturverträglichen Bewirtschaftung muss es u. a. sein, geländegängige Tiere auf die größeren, unwegsameren Flächen zu bringen. Dauerhafte Übernutzung der Almen, aber auch die aus Naturschutzsicht ungünstige Veränderung (sog. Melioration oder Verbesserung (!)) von Almböden in Richtung bessere landwirtschaftliche Nutzung dürfen nicht über ÖPUL begünstigt werden. Außerdem forden die NGOs auf Almen unbedingt auf den Kraftfuttereinsatz zu verzichten.

ÖPUL: Verpflichtung für biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung gefragt Nachdem das „Greening“ leider kaum Relevanz für die biologische Vielfalt bringt, ist eine verpflichtende Teilnahme möglichst aller ÖPULBetriebe an der neuen ÖPUL-Maßnahme „Umweltgerechte und biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung“ (UBB-Maßnahme) von zentraler Bedeutung. Ohne entsprechend dichtes Netz an kleineren Biodiversi-

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THEMA

tätsflächen in den Gunstlagen wird dort die Artenvielfalt weiter zurückgehen (siehe „Farmland Bird Index“). Derzeit ist die UBB-Maßnahme leider für mehr als die Hälfte der anderen Untermaßnahmen keine Zugangsvoraussetzung. Besonders für alle auf Acker bezogenen ÖPUL-Förderungen sollte dies jedoch verpflichtend sein, da gerade in Ackergebieten großer Handlungsbedarf für Biodiversitätsleistungen besteht. Warum sollten Landwirte, die schon jetzt Naturschutz betreiben, zu zusätzlichen UBB-Maßnahmen verpflichtet werden und Intensivbetriebe nicht? Eine solche Regelung könnte für manche Betriebe als Motivation dienen, bisherige Spätmähwiesen zu intensivieren und statt in der Maßnahme „WF“ in der UBB-Maßnahme anzumelden. Derartiges wird z. B. für Vorarlberger Gunstlagen befürchtet, wo derzeit viele Streuwiesen durch die Landwirte noch vorbildhaft gepflegt werden.

Zehn Prozent für die Biodiversität ist Gebot der Stunde! Die NGOs fordern daher von Bund und Ländern, 10 % des 1,1 Mrd. umfassenden Gesamtbudgets der Ländlichen Entwicklung für Naturschutzleistungen auszugeben. Diese Mittelaufstockung ist ein Gebot der Stunde, um den anhaltenden Artenschwund auf Wiesen, Feldern und in Wäldern zu stoppen und damit den Zielen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt näher zu kommen – auch für die Umsetzung von Natura2000-Gebieten. (Text nach Drucklegung geringfügig korrigiert - graue Schrift) Infos: www.naturschutzbund.at • www.rettet-die-blumenwiesen.at

Text: Hans Uhl BirdLife Österreich Vogelschutz und Landwirtschaft hans.uhl@birdlife.at

… 94 % der Rebhühner bereits verloren

STOPP dem ARTENSTERBEN auf WIESEN und FELDERN! Wir fordern 10 % der Agrarförderung für den Naturschutz! Von 1,1 Milliarden: • 50 Mio Euro pro Jahr für Pflege ökologisch wertvoller Flächen • 40 Mio Euro pro Jahr für Artenschutzprojekte • 27 Mio Euro pro Jahr für Waldökologie

www.rettet-die-blumenwiesen.at www.rettet-die-blumenwiesen.at

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KOOPERATION

Mooshummel, die nur Furchenbiene (o.) am Neusiedler See Hosenbiene (2. v. o.) und im BodenseeRied vorkommt. Fotos v. l.: Hans Neumayer; Maskenbiene (2. v. o.) Wolfgang Schruf (3)

Wie wir den Bienen helfen können DER BIENENSCHUTZFONDS Gemeinsam mit Hofer hat der | naturschutzbund | im Vorjahr einen eigenen Bienenschutzfonds ins Leben gerufen. Dieser nimmt sich lokaler Projekte in ganz Österreich an und legt dabei den Schwerpunkt auf den Schutz der Wildbienen ebenso wie auf eine breite Informationsoffensive. INGRID HAGENSTEIN

Sie ist etwas ganz Besonderes: die Violette, Phönizische oder Purpur-Königskerze, eine begehrte Bienenweide. In Österreich ist sie vorrangig in der pannonischen Region (Burgenland, NÖ, Wien) beheimatet und säumt im Burgenland gar nicht selten die Wegränder – wenn man sie lässt. Foto: Heinz Lackinger

www.naturschutzbund.at (Bienenschutzfonds)

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BLÜHENDE WEGRÄNDER

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b Äpfel, Beeren, Kräuter, Kürbisse oder Wein: Jedes dritte Lebensmittel gibt es nur dank der Bestäubung durch Bienen. Doch unsere geflügelten Erntehelferinnen sind durch eine Reihe von Umwelteinflüssen bedroht: Eingeschleppte Milben gefährden die Honigbienen. Darüber hinaus machen Monokulturen, Pestizide und Futtermangel den 690 Wildbienenarten in Österreich so wie allen bestäubenden Insekten das Leben schwer und führen zu wissenschaftlich nachgewiesenem Bienensterben. „Diese Situation ist auch für den Lebensmittelhandel bedenklich. Daher wollen wir gemeinsam mit unseren Kunden zur Rettung der Bienen beitragen“, so die Hofer-Generaldirektoren Friedhelm Dold und Günther Helm. Zusammen mit dem Naturschutzbund hat der Lebensmittelhändler daher einen Bienenschutzfonds im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsinitiative „Projekt 2020“ eingerichtet, der lokale, österreichische Projekte zum Schutz von Wild- und Honigbienen im Fokus hat. Jede Informationsmöglichkeit, die das Bienenthema in die öffentliche Wahrnehmung rückt, wird dabei genutzt: So wurde die Gelegenheit ergriffen, am 13. Mai beim „Wiener Bienentag und Honigmarkt“ im Wiener Rathaus mit einem Stand vertreten zu sein. Einige Wildbienenexperten des Naturschutzbundes übernahmen die Betreuung und enthüllten für die zahlreichen Besucher so manches Geheimnis über unsere Wildbienen. Als weitere Maßnahme erhielten alle Gemeinden Österreichs einen Folder mit Anleitungen zum Bienen- und Biotopschutz.

Der Bienenschutzfonds Seit dem Sommer 2013 unterstützt der mit bisher insgesamt 100.000 Euro dotierte Bienenschutzfonds fünf Projekte des Naturschutzbundes. Die Palette der Maßnahmen ist breit: Sie reicht von der Anlage von Blühstreifen entlang von Straßen, der Erhaltung von Hochstamm-Obstbäumen auf Streuobstwiesen über die Untersuchung der Bestäubungsqualität von Hummeln bei Kürbissen bis zu Kursangeboten und Infofoldern für Gemeinden. Ziel ist es, mit allen Aktivitäten zum Nachahmen und Aktivwerden anzuregen und damit einen wichtigen Beitrag zum Wildbienenschutz zu leisten!

Beim Wiener Bienentag und Honigmarkt war der Wildbienenstand sehr begehrt. Fotos: Wolfgang Schruf

i Projekt: Blühstreifen an Weg- und Straßenrändern im Burgenland Als oftmals letzte Lebensräume in der intensiv genutzten Landschaft haben blühende Wegränder und Böschungen eine große Bedeutung für Wildbienen, Schmetterlinge u. v. a. Tierarten. Durch überbordenden Ordnungssinn und Unverständnis sind sie leider selten geworden. Deshalb

Natternkopf säumt Wegrand und Weingarten. Die Blüten sind eine begehrte Bienenweide. Foto: Heinz Lackinger

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BIENENSCHUTZFONDS

Beim Lokalaugenschein in Ritzing: Heinz Lackinger (Projektleiter), Bgm. Walter Roisz, Klaus Michalek (Naturschutzbund Bgld.), v. l.

Der Schnitt von Obstbäumen will gelernt sein: Der ObstbaumschnittKurs im Rahmen des Projektes fand regen Zuspruch. Auch Schüler des Gymnasiums Dachsberg engagierten sich beim Pflanzen neuer Hochstammobstbäume. Fotos v. l.: Julia Kropfberger; A. Hausleitner; Naturpark OHL

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bemüht sich der Naturschutzbund Burgenland gemeinsam mit der Gemeinde Ritzing – der Bürgermeister ist der Aktion gegenüber übrigens sehr positiv eingestellt – Straßenränder naturnah anzulegen und zu pflegen. So werden die Wegränder in Ritzing erst später und weniger häufig als in den Vorjahren gehäckselt, Mährhythmen-Pläne für alle Gemeinden des Burgenlandes erstellt und Handlungsempfehlungen für die fachgerechte Pflege der Wegränder ausgearbeitet. Diesen Sommer wird mit einer Wildbienenkartierung begonnen. Auch die Volksschule Ritzing ist in das Projekt in Form von Schulstunden und Exkursionen eingebunden. Die Bienenschutz-Aktivität in Ritzing ist ein Vorzeige-Projekt für andere Gemeinden, denen die erarbeiteten Management-Empfehlungen zur Verfügung gestellt werden.

i Projekt: Streuobstwiesen-Management im Naturpark Obst-Hügelland

Im Naturpark Obst-Hügel-Land geht es um die Pflege und den Erhalt von alten Obstbäumen auf Streuobstwiesen. Die sanft hügelige Landschaft des Naturparks Obst-Hügel-Land ist geprägt durch ausgedehnte Streuobstwiesen und Obstbaumreihen. Das 26 km² große Landschaftsschutzgebiet liegt in den Gemeinden Scharten und St. Marienkirchen an der Polsenz (Bezirk Eferding). Bei Streuobstwiesen handelt es sich um klassische Mischkulturen: Die Halb- und Hochstamm-Obstbäume, die mehr oder weniger verstreut wachsen, werden seit Jahrhunderten zur Gewinnung von Obst - vor allem für die Saft- und Mosterzeugung - genutzt. Das Gras der Wiesen dient(e) als Viehfutter. Um Streuobstwiesen zu schützen, müssen alte Bäume erhalten und junge nachgepflanzt werden. Auch eine extensive Wiesenbewirtschaftung ist für den Artenreichtum ausschlaggebend. Streuobstwiesen sind Paradiese für Bienen & Co. Die vielen Insekten sind nicht nur für die Artenvielfalt wichtig, auch Bauern freuen sich über die kleinen Krabbler als Bestäuber der Obstbäume. Denn viele Bienen bestäuben viele Blüten, und aus gut bestäubten Blüten entwickeln sich köstliche Äpfel, Birnen oder Kirschen. So wird die Natur bunter und die Ernte fällt gleichzeitig größer aus. Unterstützung für das Projekt, das vom Naturschutzbund OÖ in Zusammenarbeit mit dem Naturpark durchgeführt wird, kommt auch vonseiten der Schulen: Gymnasiasten aus Dachsberg haben im Rahmen des BioloSommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014


gie-Unterrichts neue Obstbäume gepflanzt. Um zusätzliche Nistplätze zu schaffen, wurden gemeinsam mit der Naturpark-Volksschule Scharten Wildbienennisthilfen gebaut und in Streuobstwiesen aufgestellt. Auch erhielt so manch alter Streuobstwiesen-Baum bereits die eine oder andere Verjüngungskur verpasst: Dazu gab es im März einen Obstbaumschnittkurs im Obstlehrgarten St. Marienkirchen an der Polsenz und in einer Streuobstwiese. Im Kurs wurde gezeigt, wie man alte Obstbäume richtig schneidet. Sogar eine kleine, handbetriebene Obstpresse zur Verwertung des Obstes im Rahmen von Schulprojekten wurde angeschafft.

Zur Verwertung des Streuobstes hat der Naturschutzbund OÖ sogar eine eigene Obstpresse gekauft. Foto: Christine Pühringer

i Projekt: Hummeln erkennen und erforschen

Fotos v. l.: Bernd Strauss; Birgit Mair-Markart; B. Strauss; Johann Neumayer; B. Strauss (2); Zeichnungen: Joseph Gokcezade

Was die Artenvielfalt dieser Tiergruppe betrifft, zählt Österreich zu den globalen Hotspots, denn 46 Hummelarten sind hier heimisch. Hummeln sind essenzielle Bestäuberinnen für viele Pflanzen und leiden unter dem stark verminderten Blütenangebot durch die intensive Landwirtschaft und naturferne Gärten. Weil die wenigsten Menschen die verschiedenen Hummelarten kennen, setzen der Naturschutzbund und Hofer beim Hummelschutz auf bewusstseinsbildende Maßnahmen. So ist auf der Meldeplattform www.naturbeobachtung.at seit Kurzem ein Hummelbestimmungsservice zu finden. Hier können Interessierte die heimischen Hummelarten kennenlernen, alles zu Verbreitung, Biologie und Schutz der dicken Brummer erfahren, Beobachtungen wie beispielsweise eine neu entdeckte Hummelart melden und von einem Expertenteam die Art bestimmen lassen. Ein druckfrischer Hummelbestimmungsfolder macht das Erkennen der pelzigen Brummer leicht und zeigt, dass ein Großteil unserer Hummeln anhand individueller Farbmuster erkennbar ist. Da Hummel nicht gleich Hummel ist, hat der Naturschutzbund diesen Frühling mit seinen Experten ein kostenloses Kursangebot zur Hummelbestimmung und Hummelvermehrung in ganz Österreich gestartet – wertvolle Tipps und Tricks für eine naturnahe Gartengestaltung inklusive – der 5. und letzte Bestimmungskurs 2014 findet im Glocknergebiet statt (siehe nächste Seite) .

Erdhummeln

Ackerhummel

Bombus terrestris Bombus pascuorum (Dunkle E.); B. lucorum (Helle E.); B. cryptarum (Kryptarum-Erdh.)

Gartenhummel Bombus hortorum

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Die häufigsten heimischen Hummelarten, die dazugehörenden Farbschemata und Kurzinfos zu jeder Art finden sich im Infofolder „Wer bin ich?“. Zu bestellen: bundesverband@naturschutzbund.at oder 0662/642909-10 (berechnet wird nur der Versand). Größere Mengen auf Anfrage.

INFOBOX

Baumhummel Bombus hypnorum

Steinhummel

Wer bin ich? Hummelbestimmung leicht gemacht! Wiesenhummel

46 Hummelarten bewohnen Österreich. Davon werden die häufigsten hier vorgestellt.

Ackerhummel

Gartenhummel

Wenige Menschen wissen, dass ein Großteil unserer Hummeln anhand individueller Farbmuster erkennbar ist. Der Folder ermöglicht es, die häufigsten Arten kennenzulernen bzw. im Freiland zu bestimmen. Informationen zu Lebensgewohnheiten und zum Schutz der Tiere runden den Bestimmungsfolder ab.

Baumhummel

www.naturschutzbund.at www.naturbeobachtung.at Erdhummel

Häufige Hummelarten in Österreich

Wiesenhummel Bombus pratorum

Steinhummel Bombus lapidarius

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HUMMELBESTIMMUNG

HUMMELKURS FÜR ALPINE HUMMELARTEN

Hummel-Bestimmungsservice: www.naturbeobachtung.at

auf der Hochalpinen Forschungsstation im Großglocknergebiet Fr. 11. - So. 13. 07. 14 Anmeldung: Silas Bossert, silas.bossert@googlemail.com oder auf www.naturschutzbund.at unter „Bienenschutzfonds“. TEILNAHME FREI!

GUT BESUCHTE HUMMELVERMEHRUNGSSEMINARE. Im März veranstaltete der Hummelzüchter und Landwirt Franz Schmidlechner zwei Hummelseminare im Rahmen des Bienenschutzfonds. Zahlreiche Hummelfreunde besuchten die Infoveranstaltungen in Misselsdorf an der Grenzmur. Die Teilnehmenden zeigten großes Interesse an der praktischen Ansiedelung von Hummel-Königinnen in Nistkästen. Sie lernten dabei, wie eine Königin mit der Hand gefangen, wie sie gefüttert, wie diese in den Nistkasten gesetzt werden kann und vieles mehr. Mitgebrachte Nistkästen wurden auf ihre Tauglichkeit getestet, Fehler behoben und ein Nest eingerichtet. Alles in allem zeigte sich, wie groß der Bedarf an solchen Veranstaltungen ist und wie wertvoll diese für den Hummelschutz sind – denn, nur was man kennt, kann man schützen! Eines der Kürbisfelder des „Hummelbauern“ ist auch Teil des Projektes zur Kürbisbestäubung durch Hummeln (siehe weiter unten).

Großes Interesse erweckten die Hummelseminare von Hummelbauern Franz Schmidlechner (Mitte) in Misselsdorf.

Auf Tuchfühlung mit Hummeln: Eindrücke von den Hummelbestimmungskursen – wer hätte gedacht, dass das Thema für Jung und Alt so spannend sein kann! Fotos v. o.: Fritz Gusenleitner; Hummelteam

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Hier zeigt er seine Hummelbrutkästen und deren Innenleben. Fotos v. l.: Naturschutzbund; Johannes Gepp

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BIENENSCHUTZFONDS

i Projekt: Was Gemeinden für Bienen tun können Wie schon beim Blühstreifenprojekt im Burgenland beschrieben, sind blütenreiche Böschungen und Wegränder nicht nur wunderschön, sie sind auch bedeutende Lebensräume, Nahrungsinseln für bestäubende Insekten und Korridore: Eine Vielzahl von Kleintieren nutzt die Randstreifen als Wanderstrecken: Molche, Kröten und Frösche können auf diesen linearen Strukturelementen ebenso wie Eidechsen und Blindschleichen von einem Biotop zum anderen gelangen. Darüber hinaus wird der positive Effekt der Blühstreifen für die Landwirtschaft viel zu wenig beachtet. Im Sommer blühen hier die typischen Wegrandpflanzen Mohnblume, Schafgarbe, Wegwarte oder Natternkopf und bieten mit ihrem Nektar und Pollen zahllosen Insekten ein reichhaltiges Nahrungsangebot. Die Larven zahlreicher Käfer und die Raupen vieler Schmetterlinge nutzen die Wildkräuter als Brutpflanzen. Dennoch ist das Blütenmeer am Wegesrand in den letzten Jahren ein sehr seltener Anblick geworden, denn gerade diese Flächen sind vernachlässigt worden – oft lieblos und mit Großgeräten gepflegt, verloren sie ihren Artenreichtum und somit ihre Buntheit.

FOLDER „BIENENSCHUTZ IN GEMEINDEN“. Der Naturschutzbund setzt sich nun mit Unterstützung von Hofer um eine Renaissance dieser farbenfrohen Blütensäume entlang von Straßen und Wegen ein: Weil es gar nicht einfach ist, zu guten Informationen zu kommen, wie Bienenlebensräume erhalten oder geschaffen werden können, wurde ein Folder erstellt und Anfang Mai an alle Gemeinden Österreichs verschickt. Er enthält Tipps und Handlungsempfehlungen für den (Wild-) Bienenschutz ebenso wie alle wichtigen Informationen zu den Bedürfnissen unserer „Erntehelferinnen“. Die Gemeinden haben auch die Möglichkeit, sog. „Blühstreifen-Tafeln“ zu erwerben, um damit im Gemeindegebiet auf ihre Bienenschutzaktivitäten aufmerksam zu machen.

Blühstreife n fü

r Bienen & Co.

BLÜTENREICHE WEG BIENEN UND AND RÄNDER UND BÖSCHUNGEN BIETEN EREN NÜTZLIC HEN INSEKTEN RAUM UND NAH LEBENSRUNGSQUELLE. IM GEGENZUG LEIS DIESE WICHTIG E BESTÄUBUNGSA TEN RBEIT.

mit unterstützun g aus mitteln des bienenschutz fonds

„Blühstreifen-Tafel“ für Gemeinden und Folder „Bienenschutz in Gemeinden“ Wenn eine Gemeinde ihr Engagement für blühende, artenreiche Wegränder zeigen möchte, gibt es beim Naturschutzbund diese Tafel (A2) zum Preis von 50 EUR inkl. Versand zu erwerben. Bestellungen an: bundesverband@naturschutzbund.at

i Projekt: Hummeln im Kürbisanbau Seit der Debatte um die Gefährlichkeit der Neonicotinoide als Saatgutbeize wird vielen Menschen klar, dass Bestäubung nur in intakten Natur- und Kulturlandschaften zum Nulltarif zu haben ist. Und in der Tat spüren auch in Mitteleuropa Bauern bereits das Fehlen dieser Bestäuber, ob im Erwerbsobstbau oder im Kürbisanbau. Den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass es neben den Honigbienen eine vielfältige Insektengemeinschaft ist, die dafür sorgt, dass Bestäubung stattfindet. „Monokulturen in einer ökologisch verarmten Landschaft machen den Hummeln das Leben zusehends schwerer,“ erklärt Birgit Mair-Markart, Geschäftsführerin des Naturschutzbundes, „deshalb befasst sich ein wissenschaftliches Projekt mit der Erforschung des Einflusses von Hummeln auf den Ertrag des steirischen Ölkürbisses. Dabei werden die Erträge von Feldern in naturferner und naturnaher Umgebung verglichen.“ Den Ertrag an hochwertigen Kürbiskernen verdanken steirische Bauern eben auch Hummeln: Diese sind fleißiger als Bienen. Eine Hummel besucht pro Minute fünf Mal mehr Blüten als eine Honigbiene! Dazu scheint ihr dichtes Haarkleid für die Übertragung von Pollen zur Bestäubung der großen Kürbisblüten besonders geeignet. Hummeln fliegen außerdem bereits bei niedrigeren Temperaturen, bei Schlechtwetter und Sommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014

Die Kürbisblüte beginnt in der ersten Junihälfte. Für den Kürbiskernertrag ist die Regsamkeit von Bestäubern in den ersten drei Blütewochen von größter Bedeutung. Die Rolle verschiedener Hummelarten wie der Steinhummel soll im Projekt untersucht werden. Fotos: Bernd Strauss

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BIENENSCHUTZFONDS Projektleiter Bernd Strauss übergibt einen Hummelnistkasten an Rupert Hütter (r.), einen Kürbisbauern des Projektes. Seine Kürbisfelder liegen nahe Wollsdorf in der Oststeiermark.

Hummelnester: Im zeitigen Frühling vermehrten Bernd Strauss und Peter Ablasser verschiedene Hummelarten für die Freilandversuche. Hummeln legen sich Honigtöpfchen als Futtervorrat an. Fotos: Bernd Strauss (4)

Tonerdehummel beim Brüten, mit Honigtöpfchen

Blick in ein Ackerhummelnest

Gartenhummelkönigin (r.) mit jungen Arbeiterinnen

ab dem frühen Morgen. Zu Mittag schließt sich die Kürbisblüte. Damit deckt sich die „Öffnungszeit“ der Kürbisblüte exakt mit der Phase besonderer Flugaktivität von Hummeln. Hummeln sind deshalb für Kürbisbauern wichtige Partnerinnen. Auf Empfehlung der Steirischen Landwirtschaftskammer haben sich acht steirische Kürbisbauern bereit erklärt, Versuchsflächen zur Verfügung zu stellen. Sieben der mitarbeitenden Betriebe, in erster Linie Maisbauern, liegen in sehr intensiv bewirtschafteten Teilen der Oststeiermark: Auf etwa 70 % ihrer landwirtschaftlichen Fläche wird Mais angebaut, auf etwa 20 % Kürbis und auf dem Rest Wintergetreide, Hirse oder Käferbohnen und Sorghum. Der Grund, warum gerade diese Betriebsstruktur zur Untersuchung gewählt wurde, liegt in ihrer besonders verarmten ökologischen Situation – in ihrem monokulturell geprägten Umfeld. Gerade hier ist der Mangel an Bestäubern besonders ausgeprägt. Deshalb liegen gerade hier ideale Versuchsbedingungen zur Untersuchung der Bedeutung von Hummeln zu diesem Zweck vor. Allen beteiligten Bauern ist das Problem Bestäubermangel bewusst. Sie unterstreichen dies durch ihre besonders engagierte Mitarbeit an diesem Projekt. Als Kürbissorte schlugen alle Bauern die Sorte „Rustica“ vor. Diese ist besonders widerstandsfähig gegen Feuchtigkeit und Fäule. Ausgesät wurde in allen Betrieben Ende April/Anfang Mai. Knapp vor der Kürbisblüte ab Anfang Juni kommen je zwei Hummelvölker, die im Frühling gezüchtet wurden, auf die Kürbisfelder von sechs Betrieben. Ein Betrieb, ebenso in monokultureller Umgebung, wird ohne zusätzliche Hummelvölker auskommen. Er wird, wie die anderen Betriebe auch, genau beobachtet und ertragsmäßig ausgewertet. Ein weiterer Betrieb, jener von „Hummelbauer“ Franz Schmidlechner, liegt in einer vergleichsweise günstigen ökologischen Region. Bei ihm werden ebenso keine zusätzlichen Hummelvölker eingesetzt. Eine große Biodiversität unterschiedlichster Bestäuber ist hier von Haus aus gegeben. Auch dieser Betrieb wird genau beobachtet und ertragsmäßig ausgewertet. Bernd Strauss, der die Untersuchung gemeinsam mit Peter Ablasser durchführt, freut sich: „Eine Sensibilisierung der beim Projekt mitmachenden Bauern ist schon jetzt da – Gespanntheit, Neugierde, Experimentierfreude und das Prinzip Hoffnung bestimmt die meisten.“ Auch uns.

Text: Ingrid Hagenstein

Steinhummelkönigin (M.) und ihre Gehilfinnen

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www.naturschutzbund.at (Bienenschutzfonds) www.projekt2020.at Sommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014


Amphibienbestimmung leicht gemacht! Wenn du in einem Teich oder Tümpel Amphibieneier entdeckst, kannst du anhand der Form erkennen, wer hier zuhause ist. Bei richtiger Zuordnung erfährst du, wie diese, von einer weiEier in großem Ballen

Laichschnur

Eier in walnussgroßem Ballen

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i

a 1

W

chen geleeartigen „Gallertschicht“ umhüllten, Gebilde heißen. Es folgt die höchst komplizierte Umwandlung von der Kaulquappe zum fertigen Amphib, das Fachwort dafür ist Metamorphose.

2

Eier eingewickelt

Eier einzeln oder in kleinen Klumpen

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4

5

Teichmolch

el Moorfrosch Laubfrosch Rotbauchunke ch es eige elchem Amp bilde gehört zu w hib ? Auen-Landschaften sind ganz bedeutende L ö sung: Regionen mit einer besonders großen Arten- und Lebensraumvielfalt! Dazu zählt meist auch eine außergewöhnlich reiche Amphibienwelt. Schau doch unter www.naturbeobachtung.at mal auf die Seiten von Frosch & Co., da kannst du dir sogar die unterschiedlichen Rufe anhören.

wechselkröte

. . . . . 1 2 3 4 5

Donaukammmolch in der Landtracht…

Lösungswort: Larven

Die aus den Eiern der Schwanzlurche schlüpfenden kleinen Wesen nennt man _ _ _ _ _ _.

Larve vom Donaukammmolch mit Kiemenbüscheln

…und im Wasser

Bei ihnen bleiben die Kiemen über viele Entwicklungsstadien sichtbar. Der Donaukammmolch ist eine besonders stark gefährdete Art! In den NÖ March-Thaya-Auen findet er noch wertvolle Lebensräume!

Fotos: Ute Nüsken, Auring; Zeichnungen aus: Kosmos Naturführer „Was lebt in Tümpel, Bach und Weiher“, W. Engelhardt Idee: Ute Nüsken; Gestaltung: Ingrid Hagenstein

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JUBILÄUM

25 Jahre BIOTOPSCHUTZGRUPPE PINZGAU 1989-2014 Einige Aktive der Gruppe (v. l.): 1. Reihe: Xandi Lexer, Heini Brennsteiner, Herlinde Hasenauer, Annemarie Hack, Alois Rieder, Lisl Dochnal 2. Reihe: Hans Kapeller, Horst Dochnal, Helmut Hasenauer, Feri Robl (Obmann); Foto: Archiv

Wie aus einer Idee die erfolgreichste Naturschutzinitiative Salzburgs wurde.

Froschzaun in Thumersbach

B

egonnen hat alles mit dem Aufstellen der ersten Amphibienzäune 1988 im Bereich von Piesendorf. Nachdem Hauptschullehrer Hans Kapeller bei seinen täglichen Fahrten zu seinem Arbeitsplatz in Uttendorf Zeuge eines grauenvollen Krötensterbens auf der Pinzgauer Landesstraße wurde, scharte er eine Reihe von Leuten um sich, um diesen Missstand zu beseitigen. Jahr um Jahr wurden daraufhin im Frühjahr Froschzäune errichtet. „Doch wir mussten mehr und mehr feststellen, dass die Laichgewässer, zu denen die Amphibien wandern wollten, immer weniger wurden. Es ergab keinen Sinn, die Frösche zu retten, wenn die Laichmöglichkeit fehlte. So schlossen wir uns 1989 zur Biotopschutzgruppe Pinzgau zusammen,“ fasst Feri Robl, Obmann der Gruppe, den Werdegang kurz zusammen. Diese machte es sich zur Aufgabe, wertvolle Naturkleinode – Tümpel, Auen, Trockenrasen, Bäche, Sumpfwiesen, Moore, Uferbereiche – aufzuspüren, sie zu retten, zu pflegen oder neue zu schaffen. „Heute sind wir eine kleine, begeisterte, ungebundene Gruppe, die im Pinzgau dort anpackt, wo uns die ‚Natur‘ braucht: Wenn es gilt, Schäden zu verhindern, Zerstörtes zu reparieren und wertvolle Naturjuwele zu pachten, sind wir da, weil wir durch viele Spenden und Daueraufträge finanziell dazu in der Lage sind,“ stellt ein nicht wenig stolzer Obmann mit Genugtuung fest. So haben die überzeugten Naturschützer rückblickend ca. 200 Objekte im gesamten Pinzgau ausfindig gemacht und nahezu Hundert intensiv betreut: entbuscht, Zäune erneuert und neue aufgestellt, Wasserflächen frei gehalten, Sträucher und Bäume gesetzt und gepflegt, neue Tümpel angelegt, Amphibienzäune betreut. Dass das Krötensterben der Vergangenheit angehört, ist den Amphibientunnels zu verdanken, die auf Initiative der Biotopschutzgruppe entlang gefährlicher Straßenabschnitte angelegt wurden.

Zu euch kommen wir immer wieder!

Wildwasseralpsteig im Ödtal

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Um die Natur-Schönheiten des Pinzgaus sowohl den Einheimischen als auch den Gästen erlebbar zu machen, hat die Gruppe verschiedene Lehr- und Wanderwege angelegt und versucht, mit Lehrtafeln die Zusammenhänge in der Natur zu veranschaulichen. Ein Erlebnis mit einer Sommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014


KOOPERATION

deutschen Camperfamilie im letzten Jahr hat Heini Brennsteiner, unermüdlichster Aktivist der Gruppe, sehr bewegt: „Bei einem Gespräch mit ihnen überreichte ich etliche unserer reich bebilderten Jahresberichte. Am letzten Tag vor der Heimfahrt hielten sie mich auf und meinten mit Tränen in den Augen, sie hätten es beim Lesen kaum glauben können, dass es in der heutigen „gierigen“ Welt noch solche Menschen mit so viel Idealismus gäbe. Mit einer Geldspende und den Worten „Zu euch kommen wir immer wieder“ fuhren sie nach Hause. Für ihren außergewöhnlichen Einsatz erhielt die Biotopschutzgruppe viele Anerkennungen und Preise: die „Goldkrone“ (Kronenzeitung), den Natur- und Umweltschutzpreis der Salzburger Landesregierung, den „Stiegl Wasserschutzpreis“, den „Glockner ÖKO – Fondspreis“ der GROHAG, den Umweltschutzpreis der Salzburger Arbeiterkammer, den „Kulturgütepreis“ des Landes Salzburg und den Hauptpreis des VerbundWasserschutzpreises. „Dass unsere Tätigkeit Früchte trägt, beweist in jüngster Zeit die Rückkehr des Bibers im Bereich von Stuhlfelden, wo wir gemeinsam mit der Wolfram AG einen Bach verlegt haben, der naturgerecht gestaltet worden ist.“ Am 14. Juni 2014 wurde ausgiebig gefeiert und der 25 Jahre gedacht. Die Zukunftsvision der Gruppe ist ein Biotopverbund zwischen Mittersill und Uttendorf – das wären 20(!) wertvolle unterschiedliche Biotope auf 12 km Länge!

Text: Ingrid Hagenstein Fotos: Feri Robl (3)

MIT BIOFRUCHTRIEGELN DIE WILDKATZE UND DIE URFORELLE UNTERSTÜTZEN! Um Artenhilfsprojekte zu fördern, hat die Firma Meierhof aus dem Waldviertel eigene „Artenschutzriegel“ entwickelt. Je einer ist dem Projekt „Wildkatze“ und „Urforelle“ gewidmet. Für jeden verkauften Waldstaude-Riegel geht ein kleiner Beitrag in Wildkatzen- und Bachforellenschutzaktivitäten, die der Naturschutzbund gemeinsam mit der Plattform Wildkatze bzw. dem NP Hohe Tauern durchführt! Die Bio-Fruchtriegel aus einer Urgetreidesorte und Früchten sind g‘schmackig, nahrhaft, und für einen guten Zweck! Die Riegel eignen sich hervorragend als Wander-, Fitness- und Pausenjause. Alle Riegel sind ohne Zuckerzusatz, mit hochwertigen BioZutaten und schonend im Kaltpressverfahren hergestellt. Das Urgetreide stammt aus der hofeigenen Produktion vom Meierhof. Jeder Fruchtriegel liefert eine rasche, aber andauernde Energiezufuhr. Wer nun Lust auf diese kleinen Kraftpakete bekommen hat, kann unter shop.meierhof.at die Fruchtriegel kaufen und damit das Wildkatzen- und das Urforellenprojekt unterstützen. Es gibt die Riegel auch in Bio- und Naturkostläden, besonders in NÖ zu erwerben. Mehr Infos zu den Produkten vom Meierhof, seiner Wirtschaftsweise und den Projekten auf:

shop.meierhof.at Ein von der Biotopschutzgruppe angelegter Teich am Salzachspitz

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VORSCHAU

S Herbstheft 3/2014 mit Schwerpunkt:

Auf den Spuren derWildkatze Woher diese sensationelle Aufnahme stammt, verraten wir Ihnen im nächsten Heft. Foto: Josef Limberger

eit 2008 setzt sich der | naturschutzbund | mit dem Thema „Rückkehr der Wildkatze“ auseinander, denn da und dort wurde und wird eines dieser scheuen Waldtiere entdeckt – zumeist überfahren, selten lebend. Und das, obwohl Wildkatzen als verschollen oder ausgestorben gelten. In Zusammenarbeit mit vielen Partnern ist es mittlerweile gelungen, die Grundlagen für Schutzmaßnahmen zu erarbeiten: Lebensraumstudie, Aktionsplan, Meldeaufrufe, Datenbank u. a. m.. Seit der Gründung der Koordinations- und Meldestelle sowie der Plattform Wildkatze als Expertengremium beim | naturschutzbund | nehmen die Wildkatzenhinweise stetig zu. Wo überall nach Wildkatzen gesucht wird, wo wir fündig geworden sind, wer zum Netzwerk der Partner gehört und was sich sonst noch alles tut wird in dieser Ausgabe nachzulesen sein.

HEFT 3 ERSCHEINT MITTE SEPTEMBER 2014

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Zeitschrift des | naturschutzbundes | Heft 1/2-2013

100 JAHRE NATUR & LAND | naturschutzbund | DIE GESCHICHTE DER NATURSCHUTZBEWEGUNG HOHE TAUERN UND NEUSIEDLER SEE Der Weg zu einem Nationalpark LANDESGRUPPEN Gestern und heute

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Sommerausgabe | NATUR &LAND | 100. JG. – Heft 2-2014


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