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»Die Ultras vom HFC stehen immer wieder im Kreuzfeuer wegen Knallerei und Bengalischen Fackeln, Randale mit den behelmten Spielern in der schwarzen Uniform. Aber das gibt es überall. (…)
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Mir ist klar, dass wir mit Reizthemen arbeiten. Ich denke aber, es ist voll der falsche Weg, so was weg zu blenden oder immer nur abzustrafen.« Dirk Laucke im FRIZZ, Juni 2009
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»Zunächst wäre es freilich an der Intendantin des Hauses, Annegret Hahn, selbst gewesen, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Das hat sie nicht getan, stattdessen ein Podium für Gewalt zugelassen.« Mitteldeutsche Zeitung, 22.09.09
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Das Projekt . . . . . . . . . . . . . Autor und Regisseur . . . . . . Team, Spieler . . . . . . . . . . . . Der HFC . . . . . . . . . . . . . . . . Proben . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischendurch . . . . . . . . . . Begleitprogramm . . . . . . . . Premiere . . . . . . . . . . . . . . . . Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . Publikumsdiskussion . . . . . Kommentare . . . . . . . . . . . . Die Ultras im Interview . . . Gespr채che . . . . . . . . . . . . . . Impressum, Dank . . . . . . . .
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Text von Kathrin Westphal ULTRAS in der Regie des Autors Dirk Laucke hieß ein Theater projekt am Thalia Theater Halle, in dessen Rahmen neun Ultras der halleschen Fußballfanszene und ein FCM-Fan auf der Bühne standen. Das gemeinsam mit den Protagonisten ent wickelte Stück ULTRAS feierte am 18. September 2009 Premiere und wurde anschließend sechsmal auf der Großen Bühne gezeigt, wobei alle Vorstellungen bis auf wenige Restkarten ausverkauft waren. Im Anschluss an die Vorstellung stellten sich die Protagonisten den Fragen des Publikums, zu diesen Zuschauergesprächen verblieben in der Regel zwischen 60 und 80 Besucher. Lediglich bei der Premiere wurde auf das Prinzip der anschließenden Fragerunde verzichtet, und dieser Verzicht diente später als Argument für Vermutungen über einen anderen Verlauf des Projektes. Die Mutmaßungen, dass eine solche Publikumsdiskussion zur Premiere andere Presseberichte und Reaktionen oder insgesamt eine andere Entwicklung der Einstellungen der Protagonisten bewirkt hätte, bleiben. Einzig das Interesse des Publikums bei allen nachfolgenden Vorstellungen beweist, dass die Entschei dung für die Publikumsdiskussion eine richtige war und auch im Anschluss an die Premiere hätte angeboten werden müssen. Die Identitäten, Charaktere und Geschichten der neun Prota gonisten bildeten die Basis des Stückes. In einer langwierigen Recherche hatte Dirk Laucke diese Geschichten gesammelt, mit den Laiendarstellern besprochen und schließlich den Text verfasst. In einer intensiven Probenarbeit ab Sommer 2009 wurde die auf der Bühne zu erzählende Geschichte immer wieder auf die Probe gestellt, d.h. das Stück immer wieder auf seine Ent sprechung in der Wirklichkeit überprüft und geändert. Das Faktum, dass wirkliche Menschen mit ihren wirklichen Geschich ten auf der Bühne stehen, ist essentiell für den Inhalt des Stückes ULTRAS, in dessen die fiktionale Fan-Gruppe »Ultras Halle« steht, die auf ein Auswärtsspiel fährt. Die mitgebrachte Fahne beschwört eine alte Krawallfreundschaft und die Polizei nimmt die Reisenden schon bei der Ankunft hart ran. Es fliegen Böller und bengalische Feuer erhellen das Stadion und schließlich
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e skaliert die Situation, was für einige der Ultras Stadionverbot bedeutet. Das Stück ULTRAS näherte sich diesem Szenario mit echten Leuten aus der Ultra-Szene des Halleschen FC und erzählte eine Geschichte, die, weil sie der Wirklichkeit entlehnt ist, ein Fenster zu einer Seite des Konfliktes öffnet, zu dem der Einblick meistens fehlt. Dabei orientierte sich das Bühnenbild an der Stadionsituation des Halleschen Fußballclubs und die Kostüme an der Originalkleidung der Protagonisten. Durch Projektionen und die Einspielung von Originalfotos, -filmen und Stadionge räuschen wurde eine Bühnenatmosphäre geschaffen, die Authentizität inszenierte. Anlässe, das Thema Fußball in der Region Halle vom Theater aufzugreifen, gab es genug: Im Oktober 2006 fielen Fans des Halleschen Fußballclub beim Rückspiel gegen Sachsen Leipzig mit rassistischen Beschimpfungen und Affenlauten gegen einen farbigen Spieler auf. Der Verein zahlte eine Geldstrafe, durch die verhängten Stadionverbote wurden die nächsten Spiele nur minimal besucht. Im Frühjahr 2008 spielte der Hallesche FC gegen FC Carl Zeiss Jena und Hallesche Fans gröhlten in der 2. Halbzeit »Juden Jena!« Die »antisemitischen Schmährufe« (dpa) lösten e inen Sturm von Protesten aus, gegen den Verein wurde Strafanzeige erstattet. Sollten sich ähnliche Vorfälle wieder holen, d rohen dem Halleschen Fußballclub hohe Strafen bis hin zum Ausschluss aus der gerade erst betretenen Spielklasse. Die Fans des HFC, um die es hier geht, stehen zumeist im Block der ULTRAS und sind Jugendliche. Der Präventionsrat der Stadt Halle (Saale), in dem das Thalia Theater Halle einen Sitz hat, thematisierte mehrfach die Vorfälle bei Fußballspielen. So wurde es schließlich auch im Theater diskutiert und die Idee, ein Stück zu dieser Thematik zu entwickeln, durch die Z usage des jungen Theaterautors Dirk Laucke schließlich zur Realität. Die Zielsetzung des Theaters fokussierte einerseits die Erweite rung des Theaterpublikums durch die Sensibilisierung von Fußballfans. Andererseits ging es darum, das Thema Fußball, das in der Halleschen Region aufgrund der häufigen Vorfälle bei den Spielen des HFC eine besondere Brisanz hat, für das Theater und das Hallesche Theaterpublikum erlebbar zu machen. Dieser Ansatz versprach Möglichkeiten, das Theater in Richtung
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der jungen Fußballszene und umgekehrt das Stadion für Theaterinteressierte zu öffnen, wobei insbesondere die A rbeit mit den jugendlichen Laien aus der Fanszene und die Netzwerk arbeit mit den Kooperationspartnern von enormer B edeutung waren. Was aber sind Ultras? Ultras versuchen, ihren Verein immer und überall bestmöglich zu unterstützen – vor, während, nach dem Spiel, auswärts wie beim Heimspiel, bei Aufstieg wie bei Abstieg, sogar in der Saisonpause. Bei den Ultras kommt Fan von fanatisch, ihre Mittel sind Präsenz durch Fahnen, Trans parente, Feuerwerk, Musik, Gesänge und Massenbewegungen in der Fankurve. Ganz klar – die Choreografien der Ultras sind Massentheater auf der Zuschautribüne. Ultras inszenieren sich selbst meist als unpolitisch, außer was den Fußball angeht, denn hier haben sie eine klare Haltung: Gegen die Kommerzialisie rung des Sports, gegen einen Sitzfleisch-Groß-Event-Fußball. Ultras stehen für die Wurzeln des Fußball, für ihren Verein, ihre Stadt. Sie sind keine Hooligans, d.h. nicht Gewalt und Randale sind das Ziel der Ultras, sondern die Erzeugung von Stimmung für ihre Mannschaft: »Fußballfans sind keine Verbrecher.« Da Ultras mit Feuerwerk und Sichtblenden das Spiel und die öffentliche Sicherheit stören können, kommt es jedoch immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, bei denen die Ultras dann auch durchaus zu Gewalttaten gegen die Polizei oder die »ACAB - All Cops Are Bastards« bereit sind. Diese Gewaltbereitschaft verschärft sich mit verstärkten Sicherheits maßnahmen, Kontrollen und Verboten, wie Verstöße gegen die Auflagen sofort mit Polizeigewalt beantwortet werden. Häufig kommt es zu einem regelrechten Spiel mit den Sicherheitsor ganen, das sich im Falle des HFC soweit hoch geschraubt hat, dass es wohl nur eine Frage der Zeit ist, wann es zu den nächsten schwerwiegenden Konfrontationen kommt. Mit dem Stück ULTRAS hat das Thalia Theater Halle zusammen mit Autor und Regisseur Dirk Laucke und den mitwirkenden HFC-Fans dieses Thema zu einem gemacht, das öffentlich, nämlich auf der Theaterbühne verhandelt wurde. Dieser Orts wechsel sollte unter anderem auch die Chance bieten, andere und erkenntnisfördernde Formen der öffentlichen Debatte zu
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diesem Thema zu finden. Ein vorgeschaltetes Begleitprogramm zum Stück beabsichtigte die Sensibilisierung für die verschie denen Facetten des Themas und wurde kuratiert von der Literaturwissenschaftlerin Anett Krause, dem Referenten des Vereins Miteinander e.V. Torsten Hahnel und der Soziologin Kathrin Westphal. Das Projekt wurde durch folgende Kooperationspartner unterstützt: Hallescher Fußballclub e.V. – HFC, Miteinander e.V., Fanprojekt Halle, Radio Corax, Werkleitz e.V., PuschKino, TanzKlub Drushba ULTRAS wurde im Fonds Heimspiel der gefördert Die angesetzte 2. Staffel des Projektes war für Februar 2010 g eplant und fand nicht statt.
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Ich bin kein Fußballfan. Große Menschenmengen gehen mir meistens auf den Keks. Und ich bin auch nicht grade der Typ, mit dem man ab und zu randalieren geht. Die Idee, ein Stück über die Fans des Halleschen FC zu machen, fand ich nur vor dem Hintergrund wiederkehrender Gewaltausbrüche und rassistischer und antisemitischer Schmährufe interessant. Für den HFC zieht das Verhalten der eigenen Fans finanzielle Strafen und andere Sanktionen nach sich – von der schlechten Presse mal ganz abgesehen. Der Umgang mit den »problematischen« Fans wiederum reicht von einem Fanprojekt zu erhöhten Sicherheitsmaßnahmen und Stadionverboten und verrät in seiner Vielschichtigkeit vielleicht doch wieder Ratlosigkeit? Theater lebt vom Konflikt, es ist nur »spannend«, wenn es einen Konflikt beinhaltet. Theater beleuchtet die Konflikte unserer Gesellschaft mit einem anderen, kreativen Blick und gibt so dem Zuschauer die Möglichkeit, sich einer Sache einmal frisch zu nähern. Als ich meine ersten Spiele des Halleschen FC in der letzten Saison besuchte, fielen mir vor allem die Fangruppierungen der Ultras auf. Das lag am massiven, gut organisierten Auftreten und der sagenhaften Stimmungsmache für den Club. Ich sprach die Ultras an und mein Gespür für den Konflikt sollte sich in dem Fall nicht täuschen. Die Ultras scheinen – trotzdem sich tatsächlich der Großteil ihres Lebens nur um die Unterstützung ihres HFC dreht – der Konfliktpartner schlechthin zu sein, d er des Vereins, der Presse und der Sicherheitskräfte. Sie tun a lles für den HFC, aber sie ziehen den Ärger auch an …
17 Rocko Meinen ersten Kontakt mit den Ultras hatte ich beim Auswärtsspiel des HFC gegen Babelsberg diese S aison. Eigentlich wars auch mein erstes Fußballspiel und ich bin da so ein bisschen – sagen wir gespannt ran gegangen. Zumal ich aus Berlin nach Babelsberg gefahren bin und Schiss hatte, in den falschen Block zu geraten. Natürlich saßen mir zwei Babelsberger Fans gegenüber. Voll die Studenten, die sich in der S-Bahn erstmal die zwei paar Pullis unters Blauweiße Trikot zogen. War ja Winter. Meinen Schiss vor der nächsten zertrümmerten Pulle Sternburg Export auf meinem Kopf hab ich bei dem Anblick schön sauber ganz weit hinter mir geparkt. Gewalttätig wurde es dann allerdings doch noch während der Fahrt – und ich war, wie mein Glück so spielt, wieder mal involviert: Vier Jungspacken haben sich mit zwei Obdachlosen in die Wolle gekriegt. Der eine Obdachlose war verdammt alt und verdammt besoffen, aber der wollte es wissen und ist auf die Jungs zu. Da haben die Jungs sich erstmal Muttis Nikolaus-Schal ins Gesicht gezogen. Und ich hab denen gesagt, dass sie schön den Ball flach halten sollen. Mich hat erstaunt, dass das funktioniert hat. Naja, meine Abreibung krieg ich dann wahrscheinlich in Potsdam angekommen, sobald die Jungspacken sehen, dass ich in den andern Block wandere und ihre fünfzig Hool-Freunde auf mich aufmerksam machen. Aber die Jungs sind vorher aus der S-Bahn ausgestiegen, hatten die Penner plötzlich vergessen und große Augen gekriegt, bei den ganzen Lichtern und Düften. Überall blinkte es. Sie wickelten Muttis Schal wieder sorgsam um ihren Hals. Sie gehörten zu keinem Verein. Sie wollten zu keinem Spiel. Sie wollten zu keiner Randale. Nein, diese Jungs waren aus anderm Holz geschnitzt. Sie waren auf dem Weg zum größten Massenbesäufnis dieser Stadt: sie wollten verdammt nochmal auf den Weihnachtsmarkt! Die Gewaltsache konnte ich vorm Stadion, im Stadion und nach dem Spiel weiter in ihrer Ecke schmoren lassen. Das war alles sehr friedlich und irgendwie ne krasse Gemeinschaft. Und obwohl ich seit Jahren in Berlin lebe und vom Aussehen her als halbseidene Zecke null in die rot-weiße Kurve zu passen scheine, hatte ich da so ein Gefühl von Vertrautheit. Der HFC ging auch recht schnell in Führung, aber mich hat fieser Weise weniger das Spiel interessiert als die Leute im Stadion, vor allem die Ultras. Dieser schwarze Block, wie ich ihn sonst von Demos her kenne, sprach vor allem eine Sprache: alles für den Verein! Das stimmte in Babelsberg. Da gings nicht darum, Fußball als politische Plattform zu nutzen. Nee, die hatten bei dem Spiel eine Radikalität, wie sie mir vielleicht nur von politischen Demos bekannt war, nur stand an Stelle einer politischen Vision, welcher Richtung auch immer, wirklich nur dieser komische Fußball, für den man bis zum äußersten gehen würde. Ein Typ fiel mir besonders auf. Rocko. Wahrscheinlich hat er vom Spiel selber genauso wenig mitbekommen wie ich. Er hing mit seinem Megafon oben auf dem Zaun, der die Kurve vom
pielfeld trennt. Trotz der Kälte trug er nur sein SaaleS Front-Kapuzi. Wer schweigt, verliert. Dieser Typ packte seine ganze Energie da rein, den HFC-Block keine Minute im Schweigen verenden zu lassen. Und er brachte es, die ganzen arschkalten 90 Minuten! Schwer hatte er es nur gegen Spielende, als alle nur noch auf den Abpfiff warteten: Rot-weiß würde mit Zweinull nach Hause fahren. Also bitte, was soll ich hier noch weiter rumbrüllen – Aber der Typ hing da oben am Zaun und gröhlte sich weiterhin die Lunge aus dem Hals. Er war richtiggehend angepisst, weil für alle andern das Spiel längst gegessen war. Ich weiß, es ist nur eine kleine Sache, aber für mich wars das Bild, das für die Ultras spricht. So eine archaische Sache, an einem Kampf fest zu halten, wo kein Kampf mehr ist. Ich hab mir das Spielergebnis sogar andersrum vorgestellt und sah ihn trotzdem da oben auf dem Zaun kleben. Der Kampf gegen die modernen Stadien und die schöne neue Welt von Premiere, für den die Ultras stehen, ist genauso aussichtslos, absurd. Aber scheiß drauf, sie kämpfen ihn. Und das kann man so rational nicht erklären. Ist nur noch die Frage, wie politisch der ganze Kram letzen Endes doch ist. Biographie Dirk Laucke wurde 1982 geboren und wuchs in Halle (Saale) auf. Von 2002 bis 2004 studierte er DiplomPsychologie an der Universität Leipzig, von 2004 bis 2008 Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. 2005 schrieb er zusammen mit den beiden Kommilitoninnen Magdalena Grazewicz und Reyna Bruns das Anti-Abschiebungsstück »Hier geblieben!« für das Grips-Theater Berlin. Mit dem Stück »alter ford escort dunkelblau« wurde Laucke Kleistförderpreisträger 2006, das Stück wurde u.a. eingeladen zum Heidelberger Stückemarkt, den Mühlheimer Theatertagen und wurde von MDR Figaro als Hörspiel produziert (Zonser Hörspielpreis 2009). Laucke schrieb das Drehbuch für den Spielfilm »Zeit der Fische«, der in Halle spielt und wurde in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theaterheute zum Nachwuchsdramatiker 2007 gewählt. Das Stück »WIR SIND IMMER OBEN« wurde am Theater Essen uraufgeführt und eingeladen zu den Autoren-Theater-Tagen des Thalia Theater Hamburg. 2008 schrieb der Autor im Auftrag des Thalia Theater Halle das Stück »Silberhöhe gibt’s nich mehr« über Jugendliche in einem schrumpfenden Stadtteil in Lauckes eigener Heimatstadt Halle. Er führte dabei erstmals selbst Regie und arbeitete mit jugendlichen Laiendarstellern. Im Mai 2009 hatten »Der kalte Kuss von warmem Bier« (Regie: Henning Bock) am Theater Heidelberg und »zu jung zu alt zu deutsch« (Regie: Jens Poth) am Theater Osnabrück Uraufführung. 2009 wurde Dirk Laucke mit dem Lessingförderpreis des F reistaates Sachsen ausgezeichnet.
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Buch & Regie . . . . . . . . . . . . Dramaturgie . . . . . . . . . . . . B端hne & Kost端m . . . . . . . . . Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Video . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schauspielcoach . . . . . . . . . Regieassistent . . . . . . . . . . . Projektleitung . . . . . . . . . . .
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. . . . Dirk Laucke . . . Patricia Nickel-Dรถnicke . . . . . . . Simone Wildt . Timm Vรถlker . Stephan Busch/Dirk Laucke . . . . . . Richard Barrenberg . . . . Matthias Hlady . . . . Kathrin Westphal
20 Spieler Christoph »Chrille« Achilles
»Am nächsten Morgen aufgewacht, merkte ich erstmal, was man mir angetan hat. Ich konnte mich vor Schmerzen kaum bewegen. Die Bullen hatten mich richtig zerlegt.« Interview S. 112 Enrico »Roco« Siol
»Früher, als ich noch ein bisschen jün ger war, hab ich immer g edacht, das wäre eigentlich ganz cool, Teil von so was Großem sein zu können. Also so was wie der Ultra-Szene. Heute bin ich ein Teil vom Großen.« Interview S. 124 Marcel Batke
»Als ich die zwei Presseartikel gelesen habe, habe ich mich sofort entschie den, ich nehme doch keine Dauer karte. Wir wussten noch nicht, wie wir auf den Dünnschiss reagieren.« Interview S. 134
Martin Klement
»Ich war noch ein kleiner Stift, da hat mein Vater mich mitgenommen. Von dem hab ich das alles, die Liebe zum Club und so. Was sich seitdem bei mir auch nicht geändert hat. Auch wenn bei dem damals noch nicht an Ultra zu denken war.« Interview S. 144 Matthias »Matze« Baumgarten
»Manchmal ist es absurd. Manchmal hörst du so was wie: geile Choreo! und so. Aber die Leute haben gar keine Ahnung. Weil der, der es entworfen hat, steht mit Stadion verbot draußen.« Interview S. 152 Tom Bergmann
»Ich fahr zu jedem Spiel. Trotz Stadionverbot. Das wichtigste ist dann halt, was mit den Kumpels zu unternehmen.« Interview S. 158 Steffen »Pansen« Panse
»Fußball heute ist ein Sport von Legi onären. Legionäre sind ja Leute, die nur für Geld ihren Dienst leisten. Sponsoren, Spieler und Vereinsbosse kommen und gehen. Wir stehen immer in der Kurve.« Interview S. 162
21 Robert »Börti« Schütz
»Ich dachte mir nur WOW!, wie cool sind die denn?! Es war Liebe auf den ersten Blick. Chemie gewann das Spiel in der letzten Minute noch 1:0. Der Mob völlig am Ausrasten …« Interview S. 170 Robert »Oberröblingen« Hübner
»Deine Liebe wird zur Mission … Ultra ist mehr als eine Subkultur. Ultra ist die Grundhaltung, die ich im Leben habe. Alles baut darauf auf.« Interview S. 170
FCM-FAN – Steven »Billy Scheithauer« Michl
Specialguest und Live-Spielreporter. Statement S. 29
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24 Patricia Nickel-Dönicke – Dramaturgie
Prozess voranzutreiben und nie die Geschichte aus den Augen zu verlieren.
Als Dramaturgin versucht man, die Funktion eines »neutralen« Beobach ters einzunehmen. Wie war die Probenatmosphäre beim Stück »Ultras« im Vergleich zu anderen Stücken, die du am Theater Osnabrück mit Profi schauspielern beobachten? Als »neutrale« Beobachterin oder »objektive« Zuschauerin versuche ich natürlich, die Zielsetzung der Produk tion nie aus den Augen zu verlieren. In diesem Fall ging es uns darum, das Thema Ultras in den Fokus der Öffentlichkeit zu setzen und sich be wusst mit der Polarisierung des Gegenstandes auseinander zu setzen. Diese Fragestellung hat den Proben prozess von Anfang an durchzogen. Wie gelingt es dem Regieteam, mit einem so polarisierenden, gesellschaft lich heiklen Thema umzugehen, ohne die Tatsachen zu beschönigen, ohne aber die Menschen, die sich freiwillig der Bühnensituation aussetzen, bloß zu stellen. Natürlich ist man 12 Stun den am Tag mit den Ultras unterwegs gewesen, hat deren Probleme, Wün sche, Ideen mitbekommen. Die Atmo sphäre war dementsprechend sehr durchzogen von meiner Meinung nach sehr produktiven Diskussionen, auch und gerade innerhalb unseres Teams, womit wiederum immer wieder neue Aspekte offen gelegt wurden und die Produktion sich entwickeln konnte. Letztendlich ist aber meine Arbeit, zumindest was die Begleitung der Proben anbelangte, gar nicht so anders als die mit »Profidarstellern«: Ich bin offen für das, was ich auf den Proben sehe, versuche in einer kriti schen Auseinandersetzung mit dem Regisseur und den Spielern durch Ver mittlung, Beschreibung des Beobach teten und Diplomatie den kreativen
Die Texte der Protagonisten wurden z.T. von den Darstellern selbst ge schrieben, aus Interviews generiert oder bei Improvisationen entwickelt. Konnte es da nicht passieren, dass mit dem Stück die Losung des Werbe plakats zum Stück »Ultras – Die Bühne gehört uns!« unfreiwillig ein gelöst wurde? Die Bühne als Ort gehörte tatsächlich den Ultras und zwar für genau 70 Minuten. Aber das, was sie zu sagen hatten, stand immer im Diskurs mit dem durch sie von der Bühne »ver bannten« Darsteller des Journalisten (Stichwort: Stadionverbot = Bühnen verbot). Dieser stand zwar auf der Empore, aber gerade das, was s owohl auf der Bühne stattfand als auch als Reaktion von der Empore kam, diskutiert und verlacht wurde und emotional sehr geladen war, wurde vom Regisseur bewusst geführt. Sowohl rhythmisch, szenisch als auch inhaltlich war alles genau vorgegeben, so dass das Stück, die Message und das Theater nach wie vor allen Betei ligten gehörten. Die künstlerische Auseinandersetzung wurde d emnach nie von einer politisch-radikalisierten Aussage der Bühne/den Ultras einge nommen. »Ultras« ist nicht der erste LauckeText, den du bei seiner Entstehung dramaturgisch betreust. Gibt es einen Unterschied zu den anderen Texten des Autors? Sicherlich. Da ich Dirk von Beginn seiner Karriere als Dramatiker beglei tet habe, weiß ich, dass seine Texte sich sehr voneinander unterscheiden. Formale Elemente wie prosaische Ein würfe und Zeitsprünge tauchen zwar immer wieder auf und können als ein
25 sogenannter »Laucke-Stil« beschrie ben werden, doch verändern die thematisch-inhaltlichen Komponen ten letztlich doch jeden Text und machen ihn somit einzigartig. Ultras war für mich in dem Sinne eine beson dere Arbeit, da ich noch mehr in die Recherche mit einbezogen war, ich die Ultras früh persönlich kennen lernte, bei Spielen war und Dirk für mich erstmals in der Doppelfunktion des Autors/Regisseur fungierte. In der deutschen Theaterlandschaft scheinen Projekte mit Laien gerade sehr en vogue zu sein. Laien gelten als »Experten des Alltags« und sprechen für eine Bewegung des Theaters hin zur Welt, in der es sich behauptet. Hat das Stück »Ultras« da nicht eine Grenze überschritten, in der die »Experten« für ihren Alltag werben können? Der Unterschied bei Dirks Arbeit mit Laien ist der, dass eine Geschichte von den unterschiedlichen »Experten« – ähnlich wie in »Silberhöhe gibts nicht mehr« – erzählt wird, die so 1:1 nie stattgefunden hat. Er hat die Geschich ten der Ultras in eine dramatische Form gepackt und somit ist ein Stück entstanden, das sich mit dem Phäno men der Ultras auseinander gesetzt hat. Eine Werbung würde ich das nicht nennen, da sich Ultras-Gruppie rungen selbst immer wieder mit be stimmten Aussagen des Stücks nicht identifizieren konnten und große Kritik bei den Proben und schließlich auch der Darstellung von Seiten der Ultras geübt wurde. Wenn ein Stück mit der Debatte um die »Juden-JenaRufe« der Ultras aufhört und sie auf der Bühne versuchen, diese durch eine »Entpolitisierung« zu verharmlosen, hat das wenig mit Werbung für das »unpolitische« Fan-Dasein der Ultras zu tun. Soviel Reflexionsvermögen
haben wir unserem Publikum zuge traut. Der Abend und die von uns vor gesehene Debatte zum Thema Ultras hat ja erst die Aufmerksamkeit auf das gesellschaftliche Problem der Ultras gelenkt und erwartungsgemäß hat die anschließende Debatte genau das bewirkt. Ultras polarisieren, sind ein Phänomen unserer Zeit, eine Jugendbewegung, der man sich anneh men muss und Perspektiven geben muss, um Juden-Jena-Rufe in Zukunft zu verhindern. Theater als Spiegel der Gesellschaft – was wollen wir mehr?!
Richard Barenberg – Schauspielcoach Richard, du hast die Darsteller des Stückes »Ultras« zum ersten Mal auf der Konzeptionsprobe kennen gelernt. Danach bist du alle paar Wochen mal ein paar Tage zu Proben aufgetaucht. Welchen Eindruck hattest du von ihnen? Hat sich dieser Eindruck wäh rend der Arbeit verändert? Ich hatte beim Konzeptionsgespräch und vor allem danach beim gemeinsa men Bier gleich einen guten Eindruck. Die Gruppe war so voller extrem verschiedener, spannender Typen. Das hat richtig Lust gemacht auf die Arbeit mit diesen »Charakterköpfen«. Natürlich habe ich auch ein gewisses Maß an Skepsis uns/mir gegenüber gespürt, aber gleichzeitig auch große Neugier. Dieser Widerspruch hat mein Interesse eher noch gesteigert. Im Ver lauf der Arbeit ist das Vertrauen gewachsen, was sehr schön war mit zukriegen. Auch in Krisensituationen ist meiner Meinung nach der Kern der Jungs auch mit der Leitung/uns zu einer Gruppe zusammen gewachsen. Die Gruppe hat nicht nur den einen oder anderen Abgang verkraftet, sondern die verbliebenen Ultras haben
26 sich auch vom Rest ihrer Truppe emanzipiert. Wie hast du mit den Darstellern ge arbeitet und was war das Ziel – Laien schauspielerische Fähigkeiten beizu bringen? Zunächst war die erste Hürde nicht nur, das Vertrauen zu gewinnen, viel mehr auch Scheu vor der Bühne zu nehmen und die Ultras an ein ihnen unbekanntes Medium heran zu führen. Der Katalysator bei Laien (im güns tigsten Fall auch bei Profis) muss immer der Spaß sein und die Lust am Spiel. Mit beiden Dingen hat jeder Schauspielschüler/Berufsanfänger zu kämpfen, denn sobald Spiel bewusster und insbesondere wiederholbar gemacht werden soll, geht das Vergnü gen meist erstmal flöten … Mir ging es also eher darum, den Jungs eine Ahnung von Spiel zu geben, den einen oder anderen spielerischen Vorgang zu arbeiten, aber vor allen Dingen auf die unterschiedlichen Eigenschaften der Spieler einzugehen (Frechheit – Schüchternheit). Wir haben am An fang jeder Probe körperlich und stimmlich gearbeitet. Vorrangiges Ziel war gar nicht, diese Fähigkeiten zu verbessern, sondern auch ein Maß an Konzentration herzustellen. Dennoch war der Weg immer, spielerisch, das meint tatsächlich Spiele, sich den Aufgaben zu nähern. Natürlich haben Improvisation, Gespräche und Alko hol einen Großteil beigetragen … Streich den Alkohol. Die haben ja in der Regel eh nur Fanta oder Mixery getrunken. Deine Arbeit mit den Darstellern wie auch die Entscheidung, eine Geschichte zwischen drei realen Fuß ballspielen der Protagonisten zu erzählen, gibt dem Stück »Ultras« die Note eines konventionellen Theater
stücks mit erzählbarem Plot, Konflik ten und Höhepunkt. Kann man da noch von einem dokumentarischem Stück reden? Letzten Endes ist es doch egal, wie das Kind am Ende heißt. Die ganze Sache war ein Experiment mit unklarem Ausgang. Es war zum Teil erstaunlich und erschreckend zugleich, dass die Dinge, die verhandelt wurden, real waren. In jedem Falle wurde eine Menge gewagt und riskiert von vielen Seiten. Meinen Respekt hat auf jeden Fall der Regisseur, weil er sich getraut hat, sich einem so vielschichtigen Thema anzunähern, außerdem im Vor feld mit einer Menge Akribie und Commitment überhaupt Ultras zu finden, die sich auf so ein Projekt ein lassen. Zum Schluss natürlich auch den Jungs: Es gehört eine gehörige Portion Mut dazu, sich auf eine Bühne zu stellen und dazu auch noch die eigene Geschichte zu erzählen.
Simone Wildt – Bühne und k ostüm Simone, auf der Bühne des Stückes »Ultras« steht eine Fußballtribüne in den Farben des Halleschen FC. Wird diese Entscheidung deiner Ansicht nach den realen Ultras des HFC gerecht? Dreht sich alles nur um Fußball? Oder worum noch? Ja, es dreht sich viel, ziemlich viel um den Fußball. Aber auch um das Leben ums Stadion herum. Und deswegen dreht sich ja auch die Drehbühne im Kreis. Dazu gehört halt mal der Döner Imbiss, das Fanhaus, welche rechts und links von der Tribüne zu sehen sind, weil beides in direkter Nähe des Stadions ist. Außer der rot-weißen Tribüne gibt es noch eine Rückseite, eine einfache weiße Wand, diese dient in erster Linie erstmal der großflächi
27 gen Projektion (auch schwarz-weiß und in Zeitlupe: Fußballfans des HFC) … Der HFC und seine Fans sind halt im und um das Stadion zuhause! Die Kostüme der Darsteller scheinen reale Alltagskleidung der Darsteller zu sein. Wie hast du mit den Dar stellern zusammen gearbeitet? Es war von vorne herein meine Ab sicht, die Ultras nicht zu verfremden. Es gibt äußerlich die private und die Stadion-Ebene. Privat ziehen sie das an, was sie so tragen. Um die Ultras möglichst authentisch privat auf der Bühne zu sehen, haben sie Einfluss auf die Entscheidung der Kostüme gehabt. Als auch auf das Kostüm der Stadion-Ebene, halt schwarz (einer der Ultras hat ein eigenes Logo für den Kapuzenpullover im Stück entworfen). Das passt sehr gut zu der Wirklichkeit, also meine Bühne in rot-weiß und die Ultras in schwarz! Hast du eine Entwicklung der Dar steller während der Probenzeit be merkt. Hat das Theater sie verändert? Warum kam es zu dem Bruch mit dem Regisseur? Auweia. Es war von vorn herein klar, dass wir die Ultras so, wie sie sind, auf die Bühne bringen. Mit allen Ein stellungen und dem was sie leben. Es ist halt einfach unverständlich, warum auf einmal geleugnet oder so getan wird, dass in der HFC-Szene kein rechtes Gedankengut besteht. Das wussten wir doch alle, auch die Ultras. Im Nachhinein die Regie für den Bruch verantwortlich zu machen ist halt extrem feige und unklug. Die Ultras hatten permanent das Recht, den Probenprozess mit zu gestalten und es gab ständig zähflüssige Dis kussionen vor Ort. Im Nachhinein ist es also unlogisch zu behaupten, dass
sie mit »wahren Absichten« über rascht wurden! Und leider nein, das Theater hat die Ultras nicht ver ändert.
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29 Memories of Billy Steinhauer
Ein Magdeburger in Halle! Klingt wie Zwei Münchner in Ham burg – hat aber nichts mit der 80er-Jahre-Vorabendserie des zweiten deutschen Fernsehens zu tun. Ich bin weder Elmar Wepper, noch Uschi Glas. Ich war Billy Steinhauer – im Stück! Der Antipol der Protagonisten – der lotterhafte Sportreporter, in Hawaii-Hemd und Flip-Flops, mit Sonnenbrille und ner Büchse Bier in der Hand. Doch ich sollte mich erst einmal richtig vorstellen: Ich bin Steven Michl, Magdeburger und ausgerechnet auch noch An hänger des 1. FC Magdeburg! Nichts ist in Halle verhasster als Fans des FCM. Die Idee, mich in das Stück einzubinden, war also gewagt – und sollte es auch werden im Laufe der Produk tion. Ursprünglich hätte ich auch überhaupt nicht auf der Bühne stehen sollen. Radiosendungen waren geplant. Plaudern sollte ich – über Fußball. Kein Problem, dachte ich. Hey, ich mach’s! Schon war ich eingebunden in die Planungen – es war im November 2008. Danke Anett! War ne gute Idee von dir! Ich war also dabei! Und als ich dann Dirk das erste Mal traf und ich ihm bei ein paar Bierchen meine Affinität zum Fußball offenbarte, meinte er nur kurz und knapp: »Okay, du bist dabei. Du stehst auf der Bühne. Du spielst den Reporter!« Eine Woche später hat Dirk mich dann angerufen und fragte seltsame Sachen, nach dem Mädchennamen meiner Mutter zum Beispiel und nach meinem ersten Haustier. Der Name für den Sportreporter war gefunden: Billy Stein hauer! Billy Steinhauer, der Vertreter der Medien, der Dampfham mer des Sportjournalismus. Gegenspieler der Ultras, zwiespäl tige Moralinstanz der »dokumentarischen Inszenierung«. Das passte, ich wollte ihn unbedingt spielen. Es kam dann zu einem ersten Treffen des gesamten Teams – Regisseur, Dramaturgin, Schauspielcoach und alle Laiendarstel ler versammelten sich. Die Ultras sahen dann auch alle aus wie Ultras. Waren ja auch echte – nur halt vom HFC. Saale-FrontPullis (darf ich das eigentlich schreiben, oder unterliegt dieser Text auch ihrer Zensur?), zum großen Teil kurzgeschorene Haare – ich fühlte mich gleich wie im … Gästefanblock! Als ich mich
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dann vorstellte, wurden mir einige Spitzen zugeworfen, mehr nicht – keine Bierbecher oder Sitzschalen. Am Ende jedoch – ich dachte schon, dass es recht gut gelaufen wäre – kam die Nach frage, ob ich wirklich Magdeburger sei. Und da fingen die Probleme an, vor allem für Dirk und Matthi, die ich oft für ihre Geduld bewunderte, denn die Ultras wollten unter diesen Umständen das Projekt platzen lassen. »Mit nem Magdeburger nicht!« Alle Beteiligten (die Ultras natürlich ausgenommen) hatten den Ultra-Kodex unterschätzt. Mit einem Feind wollten sie nicht die Bühne teilen. Klar! Wozu gibt es Feindbilder! Dirk und Matthi waren also als Überzeugungskünstler gefragt und ich genoss zu Probenbeginn das Privileg, mit Dirk allein proben zu dürfen. Erst in den letzten beiden Proben wochen stand ich mit ihnen auf der Bühne. Doch was heißt auf der Bühne! Ich stand ja gar nicht auf der Bühne, sondern fand meinen Platz auf der Galerie des großen Saals. Immerhin, vorher gab es auch Überlegungen meine Sequenzen aufzuzeich nen und über Bildschirm dem Publikum zu präsentieren. Doch ein Theaterstück lebt nicht nur von Protagonisten, sondern auch von leibhaftigen Antagonisten. Das sahen die Ultras ein. Ich durfte also wenigstens – wenn schon nicht auf die Bühne – auf die Galerie. Für das Stück war das eine ganz gute Lösung, welche die Abgrenzung der zwei Parteien verdeutlichte. Unten auf der Bühne tobten die Ultras ihr Leben, oben auf der Galerie provozierte und entlarvte der Sportreporter. Die Arbeit mit Dirk und Richy war eine neue Erfahrung. Text auswendig lernen und dann auch noch schauspielerisch über die »Bühne« bringen – in einem »richtigen« Theater! Das war etwas, dass ich bisher noch nicht kannte. Und es machte Spaß. Dafür möchte ich beiden danken (das klingt jetzt so als hätte ich nen Oscar gewonnen) – außerdem für die feuchtfröhli chen Abende in der Premierenwoche. Denn ohne die beiden – okay, Patty, Matthi, Anett, Kathrin, Simone darf ich nicht ver gessen – wär ich anfangs ganz schön einsam gewesen, die Ultras wollten ja nicht mit mir reden. Ich war der Außenseiter – der Magdeburger halt, oder einfach nur der Maggi! Später hatte ich dann sogar einen Namen – meinen richtigen. Auch so eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte – so ein Projekt schweißt
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zusammen, selbst wenn Weltanschauung und soziale Herkunft noch so unterschiedlich sein mögen. Es funktionierte von Tag zu Tag besser. Erst wurde ich nur gegrüßt, dann unterhielt man sich ein wenig mit mir, später wurde dann zusammen angestoßen. Auch wenn bei manchen die Barrieren nie ganz überwunden werden konnten, gab es doch einige, von denen ich behaupten möchte, dass wir uns ganz gut verstanden haben. Klemi – jetzt kam es nie zum Handynummernaustausch! Pansen, die Suppe hat dem Magdeburger wirklich gut geschmeckt! Rocco – nächste Saison sehen wir uns wieder – du auf der einen, ich auf der anderen Seite! Nostalgisch betrachtet (aber auch realistisch) war es eine un heimlich wertvolle Erfahrung und eine schöne Zeit, auch wenn das Stück von Anfang an unter dem unheilvollen Stern des Skandals stand und regelrecht in der Öffentlichkeit zerrissen wurde. Auch wenn es nur neun Vorstellungen gab. Gut, die Pro ben waren nicht immer einfach, die Ultras verkomplizierten jede Sache und mussten ihren Diskussionskreis bilden, was jetzt wie und warum so oder so in ihrer Szene ankommen würde. Doch ich war dabei und stand einmal auf den (Achtung Phrase) Brettern, die die Welt bedeuten. Jeder Applaus am Ende einer Vorstellung war es wert. So, jetzt weiß ich nicht mehr was ich noch schreiben soll, ich kann mich nur nochmal bei allen Beteiligten im Team und im Thalia-Theater bedanken für die aufregenden Wochen in der schönen Saale-Metropole Halle. Ich würde mich auch glatt nochmal auf die Galerie stellen …muss ja nicht immer Billy Steinhauer (und nicht Scheithauer!) sein. Doch mit seinen Worten in abgewandelter Form möchte ich mich vom Stück und von der Rolle verabschieden: »Billy Steinhauer, das war ich! Von Beruf war ich Sportreporter – im Herzen bin ich Fußballfan!«
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»Dem Autor war es gelungen, die Fans auf die Bühne zu holen, wo sie Auskunft geben über ihre Motivation, ihren Ehrenkodex und – dies eher unfreiwillig – über ihre unreflektierte politische Gesinnung,
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die sich etwa in antisemitischen Fan-Gesängen äußert, die sie auf der Bühne intonierten.« Berliner Zeitung, 13.10.09
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36 DER HFC UND SEINE SPIELER, UNTERSTÜTZER DES PROJEKTES
»Unsere« ULTRAS. Sie polarisieren – die ULTRAS des HFC. Als aktivste Fangruppierung opfert sie ihre Freizeit und entwirft tolle Choreografien. Sie feuert ihre Mannschaft bedingungslos an, um die sprichwörtlichen letzten 5% mehr Leistung heraus zukitzeln. Sie sorgt leider manchmal für Probleme, die das Image des Vereins schädigen und nicht unerhebliche Geldstra fen durch den DFB nach sich ziehen…. Der HFC ist der größte Fußballverein in Sachsen-Anhalt und wendet jährlich ca. 400.000 Euro für die Förderung und Ausbil dung von über 300 Kindern und Jugendlichen in seinem Nach wuchsleistungszentrum auf. In der 1. Männermannschaft kicken sechs und in den 16 Nachwuchsteams über 30 SpielerInnen aus sieben Nationen. Sie alle werden auch von den ULTRAS unter stützt! In diesem Kontext sehen wir diesen »Brückenschlag zwi schen Fußball und Theater« als sehr interessante Idee, um den HFC und seine treuen Fans durch das Theater einmal anders zu thematisieren, um eine öffentliche Diskussionsplattform zu bieten, welche nicht nur die »Anhänger des runden Leders« erreicht. Durch die gemeinsame Entwicklung eines Theaterstücks, welches sich der Identitäten, Charaktere und der bewegten His torie unseres Vereins bedient, wird die Sichtweise auf unseren HFC in einem neuen Verhältnis dargestellt und ein neuer Rah men zur kulturellen wie sportlichen Auseinandersetzung mit der Thematik Fußball geöffnet. Das Hinzuziehen jugendlicher Laiendarsteller aus der ULTRA-Szene führt zu neuen Denkan stößen zum Fanverhalten auch außerhalb des Stadions. Ein Engagement im Bereich des Theaters ist für unseren HFC zweifellos eine Premiere und eröffnet im sozialen wie integra tiven Bereich ein neues und zugleich spannendes Feld! Deshalb unterstützt der HFC sehr gern dieses Projekt im Rahmen seiner präventiven Arbeit und freut sich, dass aus einer Idee nun ein »Theaterstück der besonderen Art« erwuchs. Jörg Sitte, Vizepräsident und Medienverantwortlicher des HFC
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Auszug aus einem Brief von David Bergner, Spieler der 1. Männermannschaft des HFC an das Thalia Theater Halle
»(…) auch außerhalb des Fußballplatzes engagieren wir uns als Spieler, um die gesamt gesellschaftliche Verantwortung unseres Halleschen FC wahrzunehmen. So führen wir bei spielsweise regelmäßig Projekttage mit Schulen und Kindereinrichtungen durch, um den Kindern und Jugendlichen einmal eine interessante Abwechslung zu bieten. Sie können hier beim Training unserer Regionalligamannschaft dabei sein und an einer kleinen Führung durch unser altehrwürdiges Kurt-Wabbel-Stadion teilnehmen. Im Rahmen dieser Veranstaltungen – aber auch bei der Teilnahme an Messen und Fanforen – wird uns Spielern immer wieder deutlich, wel cher »Wissensdurst« rund um das Thema Fußball besteht. In diesem Zusammenhang finden wir Ihr ange dachtes Projekt unter dem Motto »Brückenschlag zwischen Fußball und Theater« sehr interes sant, würde mit dessen Verwirklichung doch ein neues Metier gewonnen, welches einmal eine andere Sichtweise auf unseren Sport als »Oper des kleinen Mannes« eröffnet. Ebenso interes sant finden wir die von Ihnen geäußerte Idee, dass jugendliche Laiendarsteller aus unserer Fanszene an dem geplanten Stück teilhaben könnten. Für viele unserer Anhänger ist der HFC ein Lebensmittelpunkt und für manche sogar die letzte Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben (…)«
38 HFc-Präsident Dr. Michael Schädlich Warum haben Sie das Projekt ULTRAS als Kooperationspartner un terstützt und welche Erwartungen verbanden sich damit? In der Unterstützung des »ULTRAProjektes« sehe ich eine konkrete Form der Sozialarbeit. Mit dem Pro jekt verbindet sich meinerseits die Hoffnung, das gegenseitige Verständ nis zwischen ULTRA-Szene, Verein und Öffentlichkeit zu verbessern und in einen für alle Seiten förderlichen Dialog einzutreten sowie eine verbes serte sachliche Information über die Fankultur im Umfeld des HFC zu erreichen. Des Weiteren soll das ULTRA-Projekt die kritische Ausein andersetzung fördern mit teilweise überzogenen Positionen, die in der Ultraszene in Bezug auf Vereine, Sponsoren und für die Sicherheit ver antwortliche Institutionen vorzufin den sind. Mit dem Theaterstück sollten Anstöße gegeben werden zu einer weiterführenden sachlichen Diskussion, um gemeinsame Interes sen herauszuarbeiten und Vorurteile und Gegensätze zu überwinden. Denken Sie, dass der Brückenschlag zwischen Fußball und Theater gelun gen ist? In Auswertung des Theaterprojektes möchte ich einschätzen, dass die Ziele der Projektarbeit teilweise erreicht wurden. Zum Einen ist es gelungen, die Inhalte und Probleme der Fankul tur in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken (auch wenn dies teilweise in zu stark emotionaler und zu wenig sachorientierter Art und Weise er folgte). Andererseits ist es im Rahmen des Projektes nicht ausreichend ge lungen, Fehlverhalten in der Fanszene kritisch zu reflektieren und zu
interfragen. Im Gegenteil – teilweise h wurde im Theaterstück kritikwürdiges Verhalten der Fans glorifiziert und insbesondere die Rolle der Polizei in ein falsches Licht gerückt. Reserven in Bezug auf das Theaterstück und seine weiterführenden Wirkungen sehe ich auch in der noch stärkeren Einbezie hung des Publikums in den Diskus sionsprozess um das Wirken von Fans im Umfeld von Sportvereinen. Unge achtet dessen ist hervorzuheben, dass die Einbindung aktiver Fußballfans in konkrete Theaterarbeit als ein Stück gelungene Sozialarbeit zu bewerten ist. Theaterarbeit und Fußball: ein span nendes Feld? Wo sehen Sie nach der Erfahrung mit dem Projekt ULTRAS die Chancen und Risiken? Das Projekt hat deutlich gemacht, das es durchaus gelingen kann, mit den Möglichkeiten des Theaters Probleme der Fankultur darzustellen, teilweise konkrete Sozialarbeit mit dem Projekt zu leisten und einem breiten Publikum Informationen zum Fanalltag zugäng lich zu machen und damit auch das Verständnis für die Fanszene insge samt zu verbessern. Gewisse Risiken des Projektes sind in einer latenten Einseitigkeit der Darstellung des Fan alltags zu sehen. Auch ist eine gewisse fehlende kritische Distanz zum eige nen Verhalten seitens der Schauspieler (Fans) als Risiko zu bewerten. Eine stärkere Dialogorientierung und weni ger Selbstglorifizierung eigenen Verhaltens hätten dem Theaterstück durchaus gut getan. Zu wenig wurde im Projekt die Toleranzbereitschaft zwischen allen beteiligten Akteuren in den Vordergrund gerückt und somit teilweise falsche Botschaften für die Öffentlichkeit vermittelt. ULTRAS polarisieren. Sie sind eine Fangruppe. Wie stehen Sie dazu, dass
39 einige ULTRAS des HFC an diesem Projekt teilgenommen haben? Es ist unbedingt als positiv hervorzu heben, dass Akteure der Ultra-Fan szene des HFC die schauspielerischen Leistungen auf gutem Niveau selbst dargebracht haben. Dieser Sachver halt ist ein Anknüpfungspunkt für weiterführende Projekte, in welchen die o. g. Chancen und Risiken aber noch stärkere Beachtung finden soll ten. Wie bewerten Sie rückblickend das Projekt ULTRAS? Insgesamt kann das Theaterprojekt tendenziell positiv bewertet werden, dennoch ist für die zukünftige Projekt arbeit vor einseitigen Positionsbe stimmungen zu warnen und eine stär kere selbstkritische Grundposition der Fans einzufordern. Mittels einer stärker dialogorientierten, auf Koope ration setzenden Projektarbeit, kann die Gefahr der Polarisierung und einer falschen Wahrnehmung in der Öffent lichkeit entgegenwirkt. Dennoch: Das ULTRAS-Projekt ist zwar ein umstrittener, aber in der Grundorien tierung richtiger erster Schritt, mit den Möglichkeiten des Theaters die Spannungen in Bezug auf Fankultur sowie die Sicherheitsinteressen der Vereine und der breiten Öffentlichkeit schrittweise abzubauen!
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Praktikumsabbruch von Stephan »Hans Busch« Praktikumsbeginn und die Probenphasen Mit Beginn des Projektes im Frühjahr 2009 reifte in mir der Gedanke, die komplette Entwicklungsphase des Theaterstücks filmisch zu dokumentieren. Eine Art »Making of ULTRAS« hatte ich mir vorgenommen. Da ich zu dieser Zeit Medientechnik-Student an der Hochschule Mittweida war und im Verlauf meines Studiums ein Praktikum absolvieren musste, lag es für mich auf der Hand, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden. Angenehm deshalb, weil ich mich seit Januar 2007 aktiv in die hallesche Ultraszene einbringe und ich trotz anfänglicher Skepsis das Projekt letztendlich als gute Präsentations- und Aufklärungsmöglich keit für unsere Szene sah. Ich stellte über Dirk Laucke den Kontakt zur Produktionsleiterin Kathrin Westphal her und wenig später war ich offizieller Praktikant dieser Produktion. Im Juli stieg ich dann voll in die Probenphasen ein. War ich anfangs darauf bedacht, als Außenstehender nur zu dokumentieren, übernahm ich im weiteren Verlauf des Öfteren die
Aufgabe eines Doubles. Nicht immer konnten die Jungs die Probentermine wahrnehmen, sodass ich die fehlenden Parts übernahm und die Proben nicht komplett wegfielen. Oft brachte ich meine Meinung ein, wie man zum Beispiel gewisse Dinge anders darstellen könnte, und somit war ich nach wenigen Proben fester Bestandteil des Teams. Detailliertere Planungen zur Dokumentation Mit dem Umzug auf die Große Bühne des Thalia Theaters begann ich, mir Gedanken über die genaue Umsetzung der Dokumentation zu machen. In einem Zusammenschnitt aus Probe- und Vorstellungsszenen sollte die Entwicklung des gesamten Projekts verdeutlicht werden. Eine Auflockerung plante ich durch Interviews mit den Darstellern sowie der Produktionsleitung, der Regie, der Bühnenbildnerin und dem Schauspielcoach. Die ersten Gespräche mit einigen Darstellern und dem Regisseur sollten nach der Premiere stattfinden. Die vergangenen Monate sollten reflektiert und die Premiere selbst eingeschätzt werden. Abschließende Gespräche sollten nach der letzten Vorstellung im Oktober statt-
finden. Interviewfragmente wollte ich während des Films so einstreuen, als würden die Beteiligten in rück blickender Sicht Entwicklung des Projekts von kleinauf kommentieren. Den Entschluss, meinen Praktikumsvertrag aufzulösen, fasste ich einige Tage nach der öffentlichen Probe, in der der erste Teil des Stücks vorgespielt wurde – zwei Wochen vor der Premiere. Spätestens hier gab es einen Bruch im Vertrauensverhältnis zum Regisseur. Hatten wir bis dato gedacht, wir als Ultra szene hätten die Zügel in der Hand, drohte Dirk Laucke mit einem Abbruch, falls diverse Personen aus der Fanszene weiter versuchen würden, sich in das Stück »einzumischen«. Für uns war von Beginn an klar, dass wir nur im Sinne der Ultraszene handeln werden, da wir diese schließlich mit diesem Stück repräsentieren. Auch wenn eine fiktive Gruppe »Ultras Halle« für das Stück ins Leben gerufen wurde, so würde man dennoch das Stück mit den real existierenden »Saalefront-Ultras« des HFC assoziieren. Die öffentliche Probe, der u.a. Vertreter des Fanprojektes und der Ultraszene beiwohnten, deckte dann doch einige Schwachstellen des Stücks auf, die einem bis dato gar nicht so bewusst
49 waren. Arbeitsblindheit, so nennt man die Erscheinung, wenn man in ein Projekt so sehr involviert ist, dass man sich und seine Arbeit falsch einschätzt, oder besser gesagt überschätzt. Natürlich hätten wir uns unter Wert verkauft, wenn wir zum Beispiel die Szene im Fanhaus, in der die aufwändigen Choreovorbereitungen nachgestellt werden sollten, so gelassen hätten, dass man als Außenstehender den Eindruck bekommt, die Jungs dort gammeln den ganzen Tag nur herum und tun nichts Sinnvolles. Konnte das in unserem Interesse sein? Mit Sicherheit nicht. Die nach der öffentlichen Probe durch Fanprojekt und Ultraszene aufkeimende Kritik, die zu jeder Zeit sachlich geäußert wurde, tat dem Stück gut, denn einige Szenen konnten dadurch wesentlich verbessert werden. Ich behaupte, die Nachbesserungen hätte man so nicht vorgenommen, wenn man bis dahin unbeteiligten Szeneleuten diesen Probenauszug verwehrt hätte. Doch offenbar wertete Dirk Laucke die gut gemeinten Verbesserungsvorschläge als Angriff auf seine dramaturgische Kreativität und es entbrannte eine Art Machtkampf. Er machte unmissverständlich klar, dass in den kommenden zwei Wochen bis zur Premiere weitere unbeteiligte Personen unerwünscht seien. Während die Mehrheit der Darsteller und auch ich der Meinung waren, dass man auch noch den zweiten Part für das Fanprojekt und die Szene proben sollte, um auch dort gegebenenfalls Schwachstellen zu erkennen, wurde dieser Vorschlag von Dirk Laucke abgeschmettert. Er stellte alle Beteiligten nach einer für meine Begriffe unter die Gürtellinie gehenden Rede vor die Wahl: Er oder die Szene. Für mich gab es kein großes Überlegen, da für mich feststand, dass wir als Szene in dieses Stück involviert sind. Leider ließ sich die Mehrheit von Lauckes Gerede beeinflussen und entschied sich erschreckenderweise für das Theater und gegen die Szene. Außenstehende – auch unsere Jungs, mit denen wir zusammen unseren Gedanken einer einzigartigen Fankultur fast täglich ausleben – wurden somit
für den Rest der Proben ausgeschlossen. Den eintretenden Interessenkonflikt hatte ich bereits vor dem Praktikum befürchtet, aber wahrscheinlich durch eine Mischung aus Naivität und Sorglosigkeit unterschätzt. Ich hatte nach dieser hitzigen Diskussion eine Entscheidung zu treffen: Beende ich das Praktikum an dieser Stelle und verzichte auf ein von mir angestrebtes Praktikumszeugnis oder schließe ich mich der Mehrheit der Theater-Aktiven an, bringe das Projekt zu Ende und blende die Vorkommnisse einfach aus. Am folgenden Probentag war die Stimmung eisig. Ich hatte jegliche Lust am Projekt verloren und war offenbar auch nicht mehr wirklich erwünscht. Meine Meinung, die ich bis dato immer wieder einbrachte, hatte plötzlich keinerlei Bedeutung mehr. Fragen und Hinweise wurden vom Regisseur und der Bühnenbildnerin regelrecht abgebügelt. Wohlwissend, dass ich wahrscheinlich mehr als zwei Monate Studienzeit verschenken würde, zog ich drei Tage nach dem Ausschluss jeglicher Probengäste die Reißleine und bat Kathrin Westphal, den Praktikumsvertrag aufzulösen. Nach wie vor stehe ich zu meiner Entscheidung, auch wenn sie mir nicht leichtgefallen ist. Sorgfältig wog ich Pro und Contra ab. Die Hauptfrage: Wie soll man mit Menschen ein Interview vorbereiten bzw. führen, für die man nichts als Abneigung übrig hat? Eine Zusammenarbeit mit Dirk Laucke war für mich nicht mehr vorstellbar, da nach der Abstimmung keinerlei Vertrauensbasis mehr zwischen uns bestand. Auch seine kleinen (politischen) Aussetzer, wie zum Beispiel bei Radio Corax, spielten eine Rolle, waren aber nicht ausschlaggebend. Zudem war ich auch von unseren eigenen Leute innerhalb des Theaterprojekts enttäuscht, denn normalerweise wollten wir »Herr im Hause« sein und die Richtung bestimmen. Leider ließen sich einige einlullen und verrieten somit auch einen Teil unserer Ultra-Mentalität. Abschließend kann ich sagen, dass es ein Fehler war, innerhalb dieser Produktion ein Praktikum absolvieren zu wollen. Auch durch diverse
Kommentare des Regisseurs in den Publikumsdiskussionen nach den Aufführungen, mit denen er den Jungs teilweise böse in den Rücken fiel, kann ich aber behaupten, dass ich mit dem Abbruch des Praktikums den richtigen Schritt getan habe. Die für mich wohl wichtigste Erkenntnis des Projekts: Meide Verflechtungen beruflicher und privater Interessen und du sparst dir jede Menge Ärger.
Stephan Busch, geb. 07.04.1987 in Halle/Saale, Spitzname Hans, Medientech nischer Assistent, studiert derzeit Medientechnik und ist ein Ultra.
50 Manchmal ist es schwer, ein HFC Fan zu sein
Besser kann man zumindest die letzten sechzehn Jahre nicht beschreiben. Von Verwandten, Bekannten und Arbeitskollegen erntet man seitdem nur ein mitleidiges Lächeln, wenn man sich als HFCFan zu erkennen gibt. Nach dem vorprogrammierten Abstieg aus der 2. BL im Jahre 1992 erfolgte eine sportliche und wirt schaftliche Talfahrt, wie sie kein anderer ehemaliger Topklub der DDR-Oberliga hinnehmen musste. Zur Jahrtausendwende war das Tal der Tränen durchschritten und wir spielten in der 4. Liga, zusammen mit einigen Traditionsmannschaften aus dem Osten. Obwohl man immer vorn mitspielte, hatte der HFC acht lange Jahre nichts mit dem Aufstieg zu tun. Erst in der Saison 2007/2008 konnte man sich als Staffelsieger für die neu ge gründete Regionalliga qualifizieren – eine tolle Saison. Endlich machte der HFC wieder Spaß. Der Pokalsieg beim Erzrivalen in Magdeburg ist unvergessen. Voller Vorfreude auf die neue Liga waren viele alte und einige neue HFC-Fans, doch bevor es losging, stand als erstes Spiel der Saison das DFB-Pokalspiel gegen Hannover 96 an. Endlich kamen wieder einmal 10.000 Zuschauer ins altehrwürdige Kurt-Wabbel-Stadion. Leider war man dem Bundesligisten nicht gewachsen und verlor das Spiel 0:5. Nicht gewachsen waren auch Polizei und Ordnungsdienst den ca. zwanzig Chaoten aus Halle und Leipzig, die zehn Minuten vor Spielende seelenruhig durchs halbe Stadion laufen konnten, um die Fans aus Hannover zu attackieren, was aller dings nur bei einem Versuch blieb. Noch schlimmer als dieser Vorfall war dann allerdings die Reaktion der Verantwortlichen beim HFC. Nicht zum ersten Mal hat man mit einer emotionalen Aktion viel Porzellan zerschlagen. In einem Brief wurden die Fans beleidigt und durch eine völlig unnötige Selbstbeschränkung für den Saisonauftakt gegen den FC Sachsen Leipzig wurde mir die Freude auf die Saison völlig verdorben. Anstatt die Gescheh nisse in Ruhe zu analysieren, hat man Panik und Untergangs stimmung verbreitet, bis zum heutigen Tag haben die Verant wortlichen beim HFC ihre Fehler nicht eingestanden und dabei
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sind diese so offensichtlich. Natürlich kann man bei 10.000 Zu schauern nicht vollkommen ausschließen, dass sich unter ihnen ein paar (wenige, vielleicht zwanzig) potenzielle Störer befinden. Scheinbar hat man das von Seiten des HFC vollkommen igno riert. Während der Vorbereitungswoche hat man noch von einem »Sicherheitsspiel« gesprochen, am Spieltag war dann davon nichts mehr zu spüren – lasche Eingangskontrollen, keine pro fessionellen Ordner, ein Pufferblock, der leer war, um nur einige Fehler zu nennen. Die Dinge, die hier falsch gemacht wurden, erzeugen einfach nur Traurigkeit und Wut, da man das alles schon mal besser gesehen hat. Bei »Sicherheitsspielen« in der Vergangenheit gab es Platzverweise für bekannte »Gewalttäter Sport«, es gab Poli zei im Stadion und Profis am Einlass. Der HFC wurde den Vor fällen entsprechend bestraft. Natürlich gab es keine Punktab züge, wie in der vergangenen Saison, als eine Handvoll Idioten »Juden Jena-Schmährufe« von sich gab und am HFC ein Exem pel statuiert wurde. Leider war zu diesem Zeitpunkt noch das NOFV- Sportgericht für derartige Vorfälle zuständig. Beim DFB werden solche Entgleisungen (auch, wenn es zwei- dreihundert Rufer sind) lediglich mit Geldstrafen und Teilausschluss der Öffentlichkeit bestraft, wie man am Beispiel Erfurt und Dresden einige Wochen später feststellen konnte. Dennoch, anstatt sich den eigenen Fans wieder anzunähern, wurde eine neue Keule in Form des Dezernenten für Sport und Ordnung der Stadt Halle aus dem Beutel gezogen – ein Mann, der erst seit kurzer Zeit in Halle ist und vom HFC und seiner sicherlich nicht ganz einfa chen Fanszene keine Ahnung hat. So sahen dann auch die völlig überzogenen Maßnahmen aus, mit denen man der Sache Herr werden wollte, – Sperrung des Fanhauses – Sperrung der Gegentribüne – Verbot von Fanutensilien, wie Fahnen, Doppelhalter, Zaunfahnen, Megafone – Verbot von Choreographien und Spruchbändern um nur einiges zu nennen.
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Als Zeichen der völligen Ahnungslosigkeit machte er dann noch den Vorschlag, in Zukunft nur noch Karten an HFC Mitglieder zu verkaufen. Erst nachdem die Stimmung im WabbelStadion an einen Friedhof erinnerte (die Ultras verzichteten aus Protest auf den Support der Mannschaft bei Heimspielen), hat man die meisten dieser sinnlosen Verbote wieder aufgehoben. Herr W iegand hatte wahrscheinlich vergessen, dass die Stadt Halle durch ihre Verschleppungspolitik in Sachen Stadionneu bau eine Mitschuld an den Vorfällen trägt. Das Fanhaus bleibt allerdings bis auf weiteres an Heimspieltagen geschlossen. Zum Glück spielt der HFC recht erfolgreich, so dass langsam wieder Normalität einkehrt und man auch wieder gerne zu den Spielen geht. Der fade Beigeschmack über den Umgang des HFC und Vertretern der Stadt Halle mit seinen »Kunden« wird noch lange Zeit bleiben. … Von einem HFC Fan, der anonym bleiben möchte. geschrieben im Oktober 2008
54 Rahmenprogramm Text von Anett Krause Die Idee, neben der Inszenierung ULTRAS ein Begleitprogramm zu initiieren, bestand darin, die Auseinandersetzung mit dem Thema Fußball, wie sie auf der Theaterbühne durch Dirk Laucke und sein Team geführt wurde, durch eine zweite Ebene zu ergänzen. Bei der Gestaltung des Programms war uns wichtig, eine Kombination aus unterhaltenden und informierenden Formaten zusammen zu stellen. Dabei interessierten uns vor allem solche Zugriffe auf das Thema, die sich jenseits der Mainstream-Wahrnehmung dieses Sports, gewissermaßen also an seinen »Rändern«, bewegten. Denn die Fußballszene, über die Laucke auf der Bühne erzählte, ist natürlich in erster Linie ein wichtiger Lebensinhalt derer, die sich mit großem Engagement und Herzblut in ihr bewegen. Sie ist aber auch auch ein leider viel zu gut funktionierender Ort für schwarz-weißDenken und damit ein Melting Pot für die verschiedensten Formen von Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt. Gerade auch in der halleschen Fußballszene ist die engagierte Fanarbeit für den regionalen Fußballclub, wie sie die Ultras betreiben, nicht ohne die Gewaltproblematik zu denken. Das Begleitprogramm forcierte aus diesem Grund eine Auseinandersetzung mit beiden Bereichen und wollte damit nicht zuletzt einen Blick über den Tellerrand der halleschen Region wagen. Das Programm wurde kuratiert von dem Referenten des Vereins Miteinander e.V. Torsten Hahnel, der Literaturwissenschaft lerin Anett Krause und der Soziologin und Thalia-Projektleiterin Kathrin Westphal.
Saxophon & Trompete Lesung mit Andreas Gläser Im Rahmen seiner Lesung im Club Drushba erzählte der Berliner Autor Andreas Gläser unter anderem darü ber, warum Saxophone in Stadien verboten und Trompeten erlaubt sein sollten. Der Slam-Poet Andreas Gläser, 1965 im Berliner Serienmeisterkiez geboren, ist seit 1978 Anhänger vom BFC Dynamo. 2002, im Jahr des Sprungs in die schriftstellerische Selbständigkeit, erschien sein Debüt Der BFC war schuld am Mauerbau, 2006 folgte die Story-Sammlung, DJ Baufresse, 2007 war er als Erzähler, DJ und Saxophonist an der Inszenierung Dynamoland (Theater an der Parkaue Berlin) beteiligt. Im April 2010 erschien sein erster Roman Bambule Berlin. Antitainment vom feinsten mit Gerd Dembowski Gerd Dembowski absolvierte im Rahmen des ULTRAS-Begleitprogramms eine seiner berüchtigten Live-Shows, in denen er seine Texte in ein liebevolles Chaos aus Country- und Folkgesang puzzelt und das Ganze musikalisch mit Kinderinstrumenten und anderen Gegenständen, die er auf Lesereisen geschenkt bekommen oder gefunden hat, begleitet. Fußball versus Countrymusik war ein literarischer Drahtseilakt zwischen FIFAKongress und besetztem Haus. In den entwaffnenden Kurzgeschichten und der amüsant-politische Satire ging es unter anderem um das erste geschossene Tor als erlebte Bedro hung, einen ausgiebig polemischen WM-2006-Rückblick, um die Suche nach dem echten Maradona, das singende Holzfällerhemd Gunter Gabriel als Ersatzvater und um Fußball als Gesellschaftskitt.
Gerd Dembowski ist freier Autor, Sänger und Sozialwissenschaftler, war langjähriger Sprecher des Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF), Mitarbeiter an Wilhelm Heitmeyers Studie Deutsche Zustände, Folge 5 und Mit organisator der Ausstellungen Tatort Stadion und Ballarbeit. Szenen aus Fußball und Migration. Er spielte Fußball in so klangvollen Vereinen wie Schwarz-Weiß-Röllinghausen, SG Langen bochum, SV Sodingen und Spvgg Herten, arbeitete in zwei Duisburger sozialpädagogischen Fanprojekten und war Mitherausgeber des MSV-Fanzines Blutgrätsche.
Filmkonzerte mit Jürgen Kurz In Kooperation mit dem Luxkino zeigten wir mit Die elf Teufel und Der König der Mittelstürmer zwei (Stummfilm-)Klassiker aus den zwanziger Jahren des letzten Jahr hun derts, die Jürgen Kurz am Piano, mit einer original unechten Manolo-Trommel und einer Sirene begleitete. Jürgen Kurz ist Stummfilmpianist und Organist und sein Markenzeichen sind Stummfilmbegleitungen am präparierten Flügel. Er arbeitete auf verschiedenen internationalen Festi vals, als Theatermusikkomponist am Kammertheater Neubrandenburg, an der Volksbühne Berlin und dem Thalia Theater Halle und leitet außerdem Das Exzentrische Filmorchester.
55 Tabus im Fußball mit Tanja Walter-Ahrens und Ronny Blaschke
Fußball & Gewaltdiskurse mit Franziska Tenner und Torsten Hahnel Mit dem Dokumentarfilm Kategorie C von Franziska Tenner entschieden wir uns dafür, einen durchaus um strittenen Film zu zeigen, der die gewalttätige Fankultur in der der Hooligan- und Ultras-Szene in Ost deutschland thematisiert. Im Mittelpunkt des Films stehen jene »Fans«, deren Interesse ganz augenscheinlich mehr einem Kräftemessen beim Faustkampf von Mann zu Mann als dem Spiel selbst gilt. Der Film fragt nach den Motivationen dieser Art von Fußballfans, nach ihren Moralvorstellungen und Lebensentwürfen, in denen es oft wenige Dinge außerhalb des Fußballplatzes zu geben scheint. Vor allem die Beschränkung auf die subjektive Perspektive jener »Fans« und die damit verbundene Verharmlosung der teilweise massiven Gewalttaten waren dem Film in der Kritik vorgeworfen worden. Diese und weitere Themen waren im Anschluss an den Film Gegenstand einer Podiumsdiskussion mit der Autorin und Regisseurin Fransziska Tenner und dem Referenten des Vereins Miteinander e.V. Torsten Hahnel, die von der Literaturwissenschaftlerin Anett Krause moderiert wurde.
Die zweite Podiumsdiskussion im Rahmen des ULTRAS-Begleitprogramms widmete sich einem weiteren »heißen« Thema, das im Zusammenhang mit dem Fußball seit einigen Jahren zunehmend diskutiert wird. Homosexualität im Fußball war lange Zeit ein weitgehendes Tabu und bis heute gibt es keinen aktiven Bundesliga-Spieler, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt – ein Faktum, das gemessen an den Statistiken zur Verteilung homosexueller Lebensformen in der Bevölkerung durchaus bemerkenswert ist. Zu Beginn der Podiumsdiskussion las der Journalist und Buchautor Ronny Blaschke aus seinem Buch Versteckspieler über den homosexuellen Fußballer Marcus Urban, im Anschluss diskutierte er gemeinsam mit der ehemaligen Bundesliga-Fußballerin Tanja Walther-Ahrens und dem Publikum über Homosexualität und andere Tabus im Fußball. Tanja Walther-Ahrens studierte Sportwissenschaften und absolvierte eine erfolgreiche Karriere in der Bundesliga von 1992–1994 bei Tennis Borussia Berlin und von 1995 bis 1999 bei Turbine Potsdam, sportliche Herausforderungen führten sie außerdem in den USA. Bis heute eine leidenschaftliche Fußballerin, engagiert sich Tanja Walther-Ahrens in der Berliner Landesliga beim SV Seitenwechsel, ist seit 2006 Delegierte der European Gay and Lesbian Sport Federation (EGLSF) beim europäischen Netzwerk Football Against Racism in Europe (FARE) und als Initiatorin von Aktionsabenden gegen Homophobie im Fußball tätig. Sie erhielt 2008 zusammen mit Philip Lahm und Theo Zwanziger den TOLERANTIA-Preis. Ronny Blaschke studierte Sport- und Politikwissenschaften und ist seit 2004 freier Autor unter anderem für Süddeutsche Zeitung, Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau, Neue Zürcher Zeitung und Spiegel Online. Er interessiert sich vor allem für die politische Dimension des Sports, deren Konsequenzen und Chancen und hat zuletzt die Bücher Im Schatten des Spiels – Rassismus und Randale
im Fußball (2007) und Versteckspieler (2009) veröffentlicht. Für seine Arbeit erhielt er zahlreiche Auszeichnungen.
Da die Theater, Oper und Orchester GmbH leider auf jede Öffentlichkeitsarbeit für das Begleitprogramm verzichtete, waren letztlich die Zuschauerzahlen bei diesen Veranstaltungen über aus marginal. Das ist grund sätzlich bedauerlich, im speziellen Falle allerdings fast tragisch, hätte doch eine verstärkte öffentliche Kenntnisnahme dieses Pro gramms mit einiger Sicher heit der anschließenden Debatte über das gesamte Projekt den Wind aus den Segeln nehmen können. Gerade der an Autor und Intendantin gerichtete Vorwurf einer einseitigen und unkritischen Behandlung des Themas im Rahmen des Projekts ULTRAS wäre mit der öffentlichen Kenntnisnahme des Begleit programms hinfällig gewesen. Eine kritische Auseinander setzung mit dem Thema fand sehr wohl statt – wenn nicht in ausreichender Weise auf der Theaterbühne, wie so viele kritisierten, dann aber sehr gezielt im Rahmen dieses Begleitprogramms. Es wäre diesen, vom geringen Publikumsinteresse abgesehen durchaus gelungenen Ver anstaltungen, ein größeres Publikum sehr zu wünschen gewesen.
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Der Ultra-Szene ist keineswegs mit einfachen Urteilen beizukommen. Auch die neun Fans auf der Bühne seien »sehr unterschiedliche Typen«, zudem ausgestattet mit einer »Rie senportion Humor«. Laucke ist si cher: »Das wird auch ein lustiger Abend.« Ultras haben nichts zu tun und nichts im Kopf? So einfach ist es nicht, stellte Laucke fest. Die Hardcore-Fans, die er traf, sind »keine Dummbatzen«. Im Gegenteil, viele haben Abitur, studieren, kom men aus guten Elternhäusern, haben vernünftige Berufe, und manchmal engagieren sie sich beim Wohltätig keitslauf für kranke Kinder. Was will er also erreichen? Laucke winkt ab: »Ich geben keine Antworten«, sagt er. »Ich will nichts in ein besseres Licht rücken, ich will nichts in ein schlechteres Licht rücken.« Er hoffe einfach, die Dinge möglichst ehrlich darstellen zu können. Die Mann schaft sitzt diesmal auf der Tribüne: Zur morgigen Premiere von »Ultras« hat sich auch eine komplette HFCElf angesagt. Trainer Sven Köhler und der Betreuerstab wollen eben falls dabei sein, außerdem Präsident Michael Schädlich und die Vereins geschäftsführung. Mitteldeutsche Zeitung, 17.09.09
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Theater ist das nicht, wenn Theater wirklich mo ralische Anstalt sein will, die über das Gute belehrt und dem Bösen zur besseren Kenntlichkeit ein paar Hör ner anklebt. Geht es aber da rum, Wirklichkeit abzubilden und ein Fenster zu Räumen zu öffnen, die normalerwei se verschlossen sind, ist das Stück Laientheater, das Re gisseur Dirk Laucke seine Laienspielschar als »Die Bühne gehört uns« aufführen lässt, rundum gelungen. Wie in einem Dokumentarfilm ohne Off-Kommentar darf der Zuschauer selbst urteilen, erwachsen wie er ist. ppq, 20.09.09
Halles Thalia macht Skandal HALLE/MZ. Man muss es klar sagen: Das, was am Freitagabend im Großen Thalia-Theater Halle unter dem Titel »Ultras« Premiere hatte, ist ästhetisch wie politisch gescheitert. Es hätte in dieser Form nicht auf die Bühne kom men dürfen. Nicht, weil Theater sich der sozia len Wirklichkeit verschließen sollte, im Gegen teil. Nur bedarf jeder Stoff, erst recht, wenn er so brisant ist wie die Gewalt in den Fußball stadien, der gedanklichen und künstlerischen Verarbeitung. Die hat im vorliegenden Fall, zumindest, so weit es aus dem Saal erkennbar war, nicht stattgefunden. Oder sich gegen den ungezügel ten Selbstdarstellungsdrang der Akteure aus der Fankurve nicht durchsetzen können. Kann man sich aber als Regisseur nicht gegen Stück und Darsteller behaupten, muss man das Pro jekt absagen. Und die künstlerisch Verantwortlichen, voran die Intendantin Annegret Hahn, müssen sich die Frage stellen lassen, ob sie nicht gesehen haben, wozu ihre Bühne und öffentliche Mit tel, darunter von der Kulturstiftung des Bun des, missbraucht werden. Aber egal, wie die Antwort ausfallen sollte: Nichts bemerkt zu haben ist ebenso schlimm wie das Ergebnis für gut zu befinden. Was aber wollte Dirk Laucke mit den »Ultras« zeigen, was gibt es tatsäch lich zu sehen und zu hören? Der Plan war, ähn lich wie bei der gelungenen Arbeit »Silberhöhe gibts nich mehr« ein Stück Wirklichkeit von den Rändern bürgerlicher Wahrnehmung in den Mittelpunkt öffentlichen Interesses zu rücken. Nach dem Blick in die Lebenswelt der Plattenbausiedlung sollte nun abermals ein spannendes Thema mit »echten« Darstellern auf die Bühne geholt werden. Laucke hat sich dafür einer Gruppe von Anhängern der UltraSzene des Halleschen FC versichert. Platte Selbstdarstellung Bis dahin ist das Unterfangen untadelig. Was dann aber geschieht, ist erkennbar nicht mehr als die platte, über weite Strecken unerträg lich selbstgefällige Selbstdarstellung junger Leute, die ihren Verein als ihr zentrales
Glücks-wie Schmerzereignis begreifen. Der Fußball ist alles, der Rest ordnet sich ein. Ein Phänomen, das Aufmerksamkeit, auch Res pekt verdient, soweit es noch Schnittmengen mit Normen gibt. Aber gerade die sind es of fenbar, zumindest legt es das Gesehene nahe, die für Ultras zur Disposition stehen. Nun könnte jemand sagen, das sei doch immer noch hochinteressant: Endlich mal ein Blick in die Seele der eisenharten Fans. Immerhin zeigen sie doch, dass neben reichlich Alkohol auch grenzenlose Liebe im Spiel ist, wenn es zu Hause im Wabbel-Stadion oder auswärts darum geht, die eigenen Helden anzutreiben. Auch erfährt man etwas über das berufliche und persönliche Hinterland dieser Klientel. Soweit, so gut. Nur hat die Präsentation ganz überwiegend nicht nur den Gestus, hier kämen ewig Unverstandene endlich einmal zu Wort – es gibt nahezu keine Widerworte. Die Insze nierung will ihre Legitimation aus weitgehend unreflektierten, zum Teil höchst skandalösen Aussagen gewinnen. Vielleicht, weil Laucke sich seinen Akteuren und der Selbstbegeiste rung, etwas Ungeheurliches, noch nie Gewag tes zu wagen, kampflos ergeben hat. Da trös tet auch der Gedanke nicht, das alles noch viel schlimmer hätte kommen können. Ausführliche, teils genüssliche, teils selbstmit leidige Schilderungen, wie man (zum Beispiel bei den Spielen in Frankfurt und zu Hause ge gen Hannover) gewaltsam zu Werke gegangen ist, dominieren – und wie die bösen »Bullen« dann hingelangt haben. Immer gibt es eine klare Trennung in Gute und Böse in diesem Stück: Die Ultras und ihre Mannschaft sind gut, böse sind alle anderen. Die Polizei ist in dieser Lesart stets geil aufs Prügeln, zudem ge mein und himmelschreiend dumm. Und was ist eigentlich schon dabei, mal ein paar Sitz schalen abzureißen und in den gegnerischen Block zu werfen? Einen Journalisten gibt es, der zumindest ein paar kritische Worte sagen darf, aber zugleich als Karikatur eines korrumpierten, obendrein stets biertrinkenden Systemgewinnlers darge stellt wird. Nur folgerichtig, dass man den schließlich gewaltsam in die Ecke drängt und ihm das Mikrofon wegnimmt. Man kann auch sagen: ihn mundtot macht. Und der Vereins manager? Der bedroht die armen Ultras mit
Stadionverbot und ist ein ganz Fieser. Wie ge sagt: Wer gut ist, wer böse – es steht von vorn herein fest. Zum finalen Skandal kommt es aber, wenn die Ultras von der Bühne verkünden dürfen, der Hass-Ruf »Juden Jena« sei nicht schlimm, nicht politisch und auch nicht antisemitisch. Denn erstens sei man schon zu DDR-Zeiten damit unterwegs gewesen, ohne dass es jeman den gestört hätte. Außerdem stünde ja auch »Zigeunerschnitzel« unbeanstandet auf Spei sekarten. Das Stück, die Regie findet kein Wort dagegen. Triumphgelächter auf der Bühne, im Saal wird mitgelacht. Da bleibt einem die Luft weg. Stillhalten verlangt Erklärung Zwei Dinge müssen noch gesagt werden: Ers tens: Es wäre interessant zu erfahren, wie Frau Hahn ihr Stillhalten angesichts dieser SchlussSzene erklärt. Immerhin wurde in diesem Jahr erst der Zentralrat der Juden mobilisiert, weil sie glaubte, einen leitenden Theatermitarbei ter als Antisemiten entlarvt zu haben. Der Vor wurf erwies sich im Übrigen als nicht haltbar. Zweitens soll an das plakatierte Motto der »Ultras«-Inszenierung erinnert werden: »Die Bühne gehört uns«. Die Antwort heißt: Nein. Nächste Vorstellung: Mittwoch, 20 Uhr, Großes Thalia. Andreas Montag, Mitteldeutsche Zeitung, 20.09.09
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Mal wieder Zensurstadl, oder wie? Politik sollte sich aus der Kunst raus halten, denn sie versteht sie einfach nicht. Ein Thea terstück lebt auch von Provokation, wenn man hier davon überhaupt reden kann. Wenn man so viel künstlerische Freiheit in der Politik nicht ertragen kann, müsste man auch das Sta dion schließen bzw. den Fußball absetzen, denn dort ist es kein inszeniertes Stück, son dern Realität. Ja, hier reden wieder Wirklich keitsleugner mit. von Stadt_für_Kinder, www.halleforum.de, 21.09.09 Doch dass in dem Stück »Juden-Jena« ohne Konsequenzen vorkommen darf und auch an dere (je nach Sichtweise) rechte Sprüche kom men, ließ die Emotionen hoch kochen. (…) «Ein Theaterstück, welches offensichtlich unreflek tiert die Meinung der »Ultras« der HFC-Fuß ballszene verbreitet, in dem offener Antisemi tismus erklärt wird, gehört nicht in diese Stadt. So darf ein Theaterstück nicht aufge führt werden«, so Bodo Meerheim. www.halleforum.de, 21.09.09
Ihr Schlachtruf »Judenjena« – für die ULT RAS eine »ganz normale Provokation« – ist nicht nur für Außenstehende ein klares Zei chen für Antisemitismus. Was freilich die UL TRAS auf der Bühne und im realen Leben energisch bestreiten. Wenn das Antisemitis mus wäre, dürfte man auch nicht Zigeuner schnitzel oder Zigeunersoße sagen. (…) Ein Reflektieren von Begriffen und ihren ge schichtlichen Zusammenhängen fand und fin det – auch auf der Bühne – nicht statt. Das ist erschreckend, jedoch spielen die ULTRAS in erster Linie sich selbst und kein demokratisch korrektes Polittheater. (…) Doch die Oberbür germeisterin der Stadt Halle (Saale) geht in dieser Hinsicht noch erheblich weiter. Nach dem sie am Premierenabend herzlich mit ge lacht und am Ende applaudiert hatte, fordert sie nun, dass die Passagen, in denen die »Judenjena«-Rufe thematisiert und der Slo gan »Bullenmörder sind keine Mörder« skan diert werden, nicht unreflektiert verhallen dürfen. (…) Dagmar Szabados ist mit dem Stück sehr einverstanden, doch es dürfe nicht
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der Hauch eines Verdachts aufkommen, dass man extremen Gruppierungen eine Plattform an halleschen Theatern bieten würde.« www.salikus.de, 22.09.09 Ich hatte beim Theaterbesuch nicht den Ein druck, dass Gewalt verharmlost werden soll. Vielmehr wurde nachvollziehbar dargestellt, wie sie entstehen kann, welche Dynamik eine Fankurve entwickelt und wie sich angestauter Frust entlädt. Ich hatte eine nicht angenehme Gänsehaut, als in dem Stück die Fangesänge untermalt von Licht und Ton dargestellt wur den. Das war schon bedrohlich und ist durch künstlerische Mittel gut umgesetzt worden.« von EveLyn, www.halleforum.de, 22.09.09
Man fragt sich, welcher Teufel diese Frau geritten hat. Annegret Hahn (60), Intendantin des ThaliaTheaters, am Tiefpunkt ihrer Karriere: Sie verantwortet ein Stück, in dem eine berüch tigte Parole verharmlost wird: »JUDENJENA!« Das sei so normal wie Zigeuner schnitzel auf der Speisekarte … Es ist der Theaterskandal des Jahres. (…) Und als die »Ultras« eine TV-Aufzeichnung durch den MDR verweigerten, mit Ausstieg drohten, knickte sie ein. Halle-TV aber durfte drehen. (…) HFC-Präsident Dr. Michael Schädlich (55): »Ich denke, es gehört zum Leben dazu, dass man sich Dinge anhört, die einem nicht gefallen. Es würde an den Auffassungen der Ultras nichts ändern, wenn das Thalia ihnen keine Bühne böte. So werden ihre Gedanken und Meinungen wenigstens öffentlich.« Er hatte sich aber eine Diskussion gewünscht. (…) Karl Sommer (71), Vorsitzender der Syn agogengemeinde Halle: »Das sind doch alles Idioten und Analphabeten.«« Bild, 22.09.09
Kunst soll provozieren, richtig, aber Kunst zum Sprachrohr national sozialistischer Propaganda zu machen geht zu weit. Kunst ist keine Hure die für alles hinhal ten darf!« ErWin, www.halleforum.de, 22.09.09 »(…) »Theater bietet eine Bühne, um darauf Themen nicht nur von Heute aber auf alle Fälle für Heute zu verhandeln und ich glaube, dass es in unserer Gesellschaft wenig gemeinsame Orte gibt, an denen man sich politisch mora lisch mit der Gesellschaft auseinandersetzt. Die Gesellschaft spaltet sich auf. Man sitzt re lativ wenig zusammen. In der Uni wird nicht mehr diskutiert, die Kirchen sind relativ leer. Also wo handelt eine Gesellschaft von sich sel ber und ich denke, das ist im Theater. Und eine Gesellschaft ist eben eine komplette Gesell schaft und dazu gehört eben ein Unten und Oben, aber besonders die Außenseiter, die sonst keine Stimme haben, die sonst nicht vor kommen, die sonst weggedrückt werden in der Gesellschaft.« Darf man Realitäten so eins zu eins abbilden auf der Theaterbühne? »Ich glaube, man muss immer im Kopf haben, in dem Moment, wo ein Mensch auf einer Bühne steht, ist er eine Figur, steht er in Anführungs zeichen sozusagen und es ist im Theater nie so eins zu eins. Es gibt immer eine Differenz zwi schen dem Leben und Theater. Und Theater hat das große Privileg, dass es Modelle bauen kann, dass es auf Dinge aufmerksam machen kann, aber es muss nicht richtig sein und es muss auch nicht Recht haben, es muss verant wortlich sein. Natürlich haben wir es hier (…) mit einer komplizierten Konstruktion zu tun, weil die Menschen sich selber spielen, aber es gibt auch einen Text von Laucke etc. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen und die Tendenz ist immer, wenn man über etwas nicht redet, dann gibt es das nicht. Und deshalb soll doch die Politik in Halle (..) froh sein, dass das ver handelt wird und nicht weggedrückt wird, denn alles was weggedrückt wird, kommt zu rück und ist gefährlich. Und das die Ultras überhaupt auf die Bühne gehen, also Dirk Lau cke hat mir im Vorfeld gesagt, dass er versucht hat die Leute zu ermutigen, dass sie diese Dinge sagen, und dass sie jetzt nicht auf ein mal etwas anderes sagen (…)« (…) Also hätte der Theaterskandal in Halle schon etwas be wirkt, wenn man sich nicht in erster Linie mit
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dem Theater von Dirk Laucke auseinander setzt, sondern mit diesem Phänomen der Ult ras, der gewaltbereiten Fußballfans an sich? »Ja! Und auch die Ultras, wenn sie auf die Bühne gehen und öffentlich etwas sagen auf der Theaterbühne, dann ist es etwas anderes als wenn es im Stadion passiert. Ich weiß nicht, ob die Aufführung gut ist oder nicht – künst lerisch. Aber ich bin ein zutiefst misstrauischer Mensch, wenn ganz schnell nach Staatanwalt schaft oder nach der Politik geschrien wird, dort einzugreifen. Ich verstehe das Entsetzen eines Kritikers. Es ist gut, wenn ein Kritiker sich mal aufregt und mal engagiert und nicht wie ein kalter Fisch durch die Gegend läuft. Aber darauf kann man replizieren, darüber kann man sich auseinandersetzen. Aber wenn ich jetzt das Wort Aufsichtsrat hören und man darf sich über das nicht äußern. Das Privileg ist, dass Kunst freier ist als Politik und die ge sellschaftliche Verantwortung ist auch eine moralische Verantwortung und das heißt, man klärt die Dinge im Gespräch. (…)«. Wilfried Schulz, Intendant am Staatsschauspiel Dresden im Gespräch beim MDR FIGARO, 23.09.2009: »Die scharf kritisierte Passage, in der ur sprünglich unter anderem die »Juden Jena«Rufe gerechtfertigt worden waren, wurde un terdessen in der neuen Aufführung entschärft.« www.mz-web.de, 23.09.09 »Allerdings wurde am Mittwoch zu Beginn ex plizit darauf hingewiesen, dass es sich um ein dokumentarisches Stück handle.« www.nachtkritik.de, 24.09.09 Im Thalia haben wir noch die Idealsituation: ein städtisches Repertoire-Theater lädt die ge samte geneigte Öffentlichkeit ein, teilweise so gar mit Freikarten. Und wenn sie dann kom men, werden diejenigen weggeschickt, die möglicherweise das Falsche berichten könn ten …« wegzensiert, www.halleforum.de, 24.09.09
»Der MDR hat sich nicht einmal angemeldet, wie man mitbekommen hat. Und die Jungs auf der Bühne sind nicht verpflichtet, Interviews zugeben. Es ist also ihre persönliche Sache, mit wem sie reden und mit wem nicht. Und wenn sie nun mal schlechte Erfahrungen mit dem MDR hatten, also warum mit denen reden?« Wurstfinger, www.halleforum.de, 24.09.09 »Pressefreiheit heißt nicht nur, dass jeder al les berichten können dürfen muss, sondern auch, dass niemand verpflichtet ist, mit jeman dem zu sprechen, mit dem er nicht sprechen will. Erst kürzlich, so erinnere ich mich, ver weigerte der MDR auf Anfrage zu den von ihm verzockten Gebühren jede Stellungnahme, kein Verantwortlicher dort war bereit, mit Me dienvertretern zu sprechen. Warum sollen die Ultras nicht dasselbe Recht haben?« MDR, www.halleforum.de, 24.09.09
Thalia-Chefin hat nichts gegen »Juden-Jena« (…) Regisseur Dirk Laucke: »Das Stück bleibt so!« Und zwar inklusive Z igeunerschnitzel-Satz.« Bild, 25.09.09 »Das Thalia-Theater Halle hat die nach der umstrittenen Premiere von der Oberbürger meisterin Dagmar Szabados (SPD) geforderte Änderungen am Projekt »Ultras« mit halle schen Fußball-Fans nicht in vollem Umfang vorgenommen. (…) Der Mitteldeutsche Rund funk hat beim Geschäftsführer der halleschen Kultur GmbH, Rolf Stiska, inzwischen Be schwerde gegen das Drehverbot bei einer Pres seprobe zu »Ultras« eingelegt. »Wir halten das Auftreten der Leitung des Thalia-Theaters für höchst unprofessionell. Als öffentlich-rechtli ches Medium sehen wir uns verpflichtet, über gesellschaftlich relevante Themen – in diesem Fall ein mit öffentlichen Mitteln finanziertes Stück über Gewalt in Fußballstadien – zu be richten und zu reflektieren«, heißt es in dem Schreiben. Am Mittwoch durfte der MDR bei der Vorstellung drehen.« Mitteldeutsche Zeitung, 25.09.09
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»Das Theater zeigt und macht sichtbar und es ist nicht die Aufgabe der Kunst den Wider spruch als Feigenblatt mitzuliefern, der selbst verständlich ist. Das Theater zeigt die Frage, nicht die Antwort, sonst wäre es Propaganda.« Thomaspeter Goergen, Nachtkritik, 29.09.2009 »Laucke hat da leider einen komplett unkriti schen rechtsextremen Abend dahingestellt. Aus Naivität, Blödheit, latentem Rechtsextre mismus? Egal. wenn ich die Ultras im Stadion sehen, sind die extrem, brutal, hässlich, haß erfüllt, besoffen, stinkend, angepisst, auf der Bühne sind sie plötzlich nette Jungs, die halt ein bisschen rumkrakeelen.« ultra doof, Nachtkritik, 29.09.2009 »Intendantin Annegret Hahn verweist auf den Stückautor und Regisseur Laucke, der die Aufregung nicht verstehen kann. Er bilde nur die Realität in den Stadien ab, »Juden-Jena« hätten die Ultras nicht einmal von sich aus, sondern auf sein Geheiß hin gerufen.« Leipziger Volkszeitung, 30.09.09
Es sei ihr (Intendantin A. Hahn) als Versagen anzulasten, dass das Stück so, wie geschehen, habe auf die Bühne kommen dürfen. (…) Man könne »zwar auf dem Theater alles sagen«, doch müsse dann auch »damit umgegangen« werden. (…) Den noch lehnte der Theatermanager eine Abset zung des Stücks im Thalia ab – denn: Die Frei heit der Kunst sei ein hohes Gut. (…) Die Frage nach personellen Konsequenzen aus dem The aterskandal ließ Stiska offen: »Das kann ich so nicht beantworten«, sagte er. Es bleibe aber Thema. Annegret Hahn habe sich »ja schwer getan, in die GmbH zu gehen«.« Mitteldeutsche Zeitung, 30.09.09
»Mit »Opferpopp« und »Ultras« greift das Tha lia-Theater schonungslos soziale Verwerfun gen auf und gibt Ausgegrenzten eine Bühne. Ein spannender Prozess, über den man strei ten oder auch entsetzt sein kann. Wer aber da rauf platt mit »Ändern oder Absetzten« re agiert und das Abdrehen des Geldhahns oder gleich personelle Konsequenzen fordert, liegt hier völlig falsch.« Axel Schneider, Mitteldeutsche Zeitung, Mei nungen, 03.10.2009 »Die nächsten beiden Vorstellungen des »Ultras«-Projektes von Dirk Laucke am Tha lia Theater Halle am Donnerstag und Freitag, den 8. und 9. Oktober 2009 finden ohne Anwe senheit des Autors und Regisseurs statt.« www.nachtkritik.de, 07.10.09 »Nach MDR-Informationen beziehen sich die Ultras auf ein Gespräch von Regisseur Dirk Laucke mit dem Freien Radio »Corax«, wo er auf die politische Einstellung der Fans einge gangen sein soll. Die am Projekt beteiligten neun Laiendarsteller verstehen sich allerdings als völlig unpolitisch. Allerdings wird genau das von Teilen der Öffentlichkeit anders gese hen. (…) Szabados warf dem Theater Versagen vor. »Das betrifft auch Intendantin Annegret Hahn«, sagte sie. Theaterleitung, Regisseur und Autor des Stückes hätten ihre künstleri sche Verantwortung nicht wahrgenommen. Ein städtisches Theater könne keine Plattform für rassistische und antisemitische Äußerungen in einem Stück sein.« www.mdr.de, 08.10.09
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»Halles »Ultras« gehen auf Distanz zu Autor Laucke (…) Ensemble will umstrittenes Projekt am Tha lia-Theater vorzeitig beenden. (…) In seiner Erklärung stellt das Ensemble nun klar: Eine zweite Staffel im Februar 2010 wird es nicht geben.« Mitteldeutsche Zeitung, 08.10.09 »Ist der Ansatz, Fußball und Bühne zu verbin den, in Halle damit vom Tisch? Nein, meint Schädlich, »das sollte man weiter versuchen«. Dass sich eine Fan-Gruppe über alle anderen stelle, dürfe aber nicht sein. (…) In der abend lichen Diskussion nach der Aufführung, der vorletzten der ersten Staffel, griffen Vertreter der Ultras den überraschend anwesenden Lau cke an. Er habe sie in einem Interview im Lo kalradio Corax in die »rechte Ecke« gestellt. Deshalb wolle man mit ihm nicht mehr zusam menarbeiten.« Mitteldeutsche Zeitung, 09.10.09 »Die Fan-Spieler auf der Bühne murren ein bisschen. Das Wort »Jude« sei eben eine ma ximale Provokation, und darum gehe es doch: den Feind maximal zu provozieren. Außerdem habe der Schlachtruf »Juden Jena« Tradition, schon die Großväter hätten ihn verwendet. (…) Trotzdem zeichnet die Aufführung weich, ver harmlost die gewaltbereiten Fußballfanatiker, deren pyromanischen Neigungen während der Spiele allein den Verein im Jahr fünfstellige Summen kosten, den Ruf ganz zu schweigen, und deren (auch rassistische) Ausfälle Polizei sowie Gremien des DFB und der Lokalpolitik immer wieder beschäftigt haben. Doch im Kontext der Aufführung spielen sie dann ihr eigenes Tun immer wieder arg herunter, und stellen die Auswüchse tendenziell als Projek tion und Unterstellungen der anderen dar – Tenor: wir wollen ja nur spielen. (…) Sie selbst würden ja längst nicht mehr »Juden Jena« ru fen, aber Laucke habe darauf bestanden, dass dies im Stück vorkommen soll. Allerdings braucht man nur einmal rein körperlich den schmalen Dirk Laucke gegen die teilweise sehr massiv gebauten Spieler zu setzten, um sich zu fragen, ob es tatsächlich möglich ist, diese
nahkampferprobten jungen Männer zu ir gendwas zu bewegen, was sie nicht selber wol len. (…) Auch fühlen sie sich von Laucke ver raten, weil er in einem Interview mit dem freien Hallenser Radiosender Corax pauschal große Teile der Fanformation Saalefront (zu der auch die Ultras gehören) als rechtsradikal diffamiert habe. Es sei doch schon während der Arbeit mit den Ultras an dem Stück im mer auch um die Frage gegangen, ob sie nun rechts seien oder nicht. Und was es denn sonst zu bedeuten hätte, dass einige von ihnen Kla motten des erklärtermaßen rechten Labels »Thor Steinar« oder Imitationen davon trü gen. Weil es coole Klamotten sind, war die Antwort. »Die Ultras geben auf!« war neulich in Halle zu lesen.« www.nachtkritik.de, 09.10.09 »Das Stück macht sich also keine Freunde und vielen wäre es lieb, wenn es schnell wieder von der Bühne verschwindet. (…) »Ähnliches gilt auch für die Intendantin des Thalia Theaters. Mit Annegret Hahn gab es im Zuge der Zu sammenlegung hallescher Kultureinrichtun gen in eine einheitliche GmbH lange Quere len und auch danach einen handfesten Skandal. (…) Die Wogen sind mittlerweile ge glättet – so scheint es zumindest. Denn hinter den Kulissen sieht die eine Seite schon eine Intrige aufziehen, die dazu führen soll, das In tendantin und am besten gleich das ganze Theater verschwinden soll. (…) Neben den ausbleibenden Auseinandersetzungen, würde eine mögliche Fusion mit dem Neuen Theater Geld sparen, das die Stadt dringend braucht. (…) Die möglichen Motivationen zur Verteu felung von »Ultras« sind weitaus vielfältiger, als sie scheinen. (…) Das Stück ist gut insze niert, es hat Witz und die Laiendarsteller spie len erstaunlich gut. Tiefgang und eine Reflek tionsebene gibt es jedoch nicht. Man kann nicht mit Späßen und naiver Jugendlichkeit über alles hinwegspielen, was man tut. Poli zisten anzugreifen wird nicht dadurch besser, dass man es begründen kann und »Juden Jena« nicht weniger antisemitisch und rassis tisch, wenn man es nur als Provokation gegen über den gegnerischen Fans benutzt – ohne politisch-historische Hintergedanken. (…) Re gisseur Dirk Laucke äußerte nämlich in einem Radio-Interview, dass es unter den SaalefrontUltras Vertreter rechtsextremer Ansichten gebe und ging damit nach Ansicht der Schau
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spieler einen Schritt zu weit. Es besteht für sie nämlich ein Unterschied zwischen der The atergruppe und der Saalefront, aus der sich die Darsteller rekrutieren. Was auf der Bühne passiert, ist, bei allem Bezug zur Wirklichkeit, ein fiktives Ereignis, mit fiktiven Charakte ren. (…) «Juden Jena« wollen die Ultras gar nicht thematisieren, doch Laucke legte ihnen diese Inhalte nahe – um zu zeigen, welcher Art sie wirklich sind? Laucke verneint die Vermu tung, dass er sie bewusst zu Äußerungen ge drängt habe. Er wollte ihnen nur den Raum einräumen, sich zu bestimmten Themen zu äu ßern. Was sie auf der Bühne sagen, müssen sie selbst verantworten. (…) «Ultras« im Februar, wie geplant, wird es wohl auf keinen Fall ge ben. (…) Es wäre schade, wenn es ein kurzes Intermezzo bleiben würde, denn zum ersten Mal stellt sich in Halle eine Gruppierung der Öffentlichkeit, die aus einer Szene stammt, die sonst eher Abseits der Gesellschaft rangiert. (…) Ohne Anhänger irgendeiner Seite zu sein muss man doch anmerken, dass es eine Leis tung des Thalia Theaters ist, sich diesem Thema einfach mal anzunehmen und über haupt eine Debatte anzuregen. Die Inszenie rung gleich totzuschlagen ist einfach, gerade weil sie das Potenzial dazu bereithält. Ziel führend ist es aber nicht. (…) Das Thema ist zu wichtig, als das es einfach nur provokati ves Theater bleiben sollte. Es gehört auf die Bühne und in die Debatte danach.« www.halleforum.de, 12.10.09
Was ist bei ihnen Spiel, was W irklichkeit? (…) Zufrieden sind wohl nur die »Ultras«. Sie ha ben ihren Bühnenauftritt als das begriffen, was er ist: eine öffentlichkeitswirksame Selbstdar stellung.« www.3sat.de, 12.10.09
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»Als theatrale Auseinandersetzung war damit gescheitert, was als therapeutisches Projekt durchaus seine Berechtigung gehabt hätte. (…) Alle Vorstellungen nach dem 9. Oktober wurden abgesagt.« Die Deutsche Bühne, November 2009
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publikumsdiskussion
im Anschluss an das Theaterstück ULTRAS am 25.09.2009 Intendantin: Mein Name ist Annegret Hahn, ich bin die Intendantin des Thalia Theaters, neben mir sitzt Kathrin Westphal, die Projekt leiterin des Stückes. Und habe ich eine Berech tigung hier zu sitzen? Ich glaube schon. Vor nicht mehr anderthalb Jahren waren der HFC und seine Fankurve Gegenstand einer große Debatte im Präventionsrat, dessen Mitglied ich bin. Ich hörte so zu, bin ja eigentlich nicht aktuell im Zeitgeschehen des Fußballs zu der Zeit drin gewesen. Wir haben ja mit verschie denen Projekten der letzten Jahre immer wie der versucht, Probleme bzw. Problemstellungen dieser realen Wirklichkeit hier in Halle und Umgebung aufzugreifen, und da ist mir die Idee gekommen, dass das vielleicht ein Thema wäre, das wir hier auf die Bühne bringen müss ten. Dann habe ich mit Dirk Laucke gespro chen, der bei uns vor etwas längerer Zeit »Sil berhöhe gibts nicht mehr« gemacht hatte, ein ähnliches Verfahren, vielleicht etwas anders und das hat für Furore hier gesorgt. Und ich bin sehr froh darüber, dass ich Dirk Lauke durch die Vermittlung von Matthias Hlady, der Regieassistent in beiden Produktionen war und Fußballfan ist, überzeugen konnte, sich dieses Themas anzunehmen. Das Ergebnis konnten sie diesen Abend sehen und ich denke, dass dieses Stück eine ganze Reihe von Fragen aufwirft. Das war Sinn und Zweck unserer Unterneh mung und wir stehen jetzt gerne Rede und Antwort. Publikum: Ich habe mir jetzt das Theater ange guckt und ich kenne jetzt absolut die Ultras nicht, bin nicht von hier. Kenne überhaupt kein Probleme und habe jetzt auch gar kein Problem erkannt. Also da sind jetzt irgendwie neun liebe und nette Jungs, die gerne zusam men Grillpartys machen. Wo ist den da das Konfliktpotential, wo sind die Brüche, wo das Theater? Ultras: Ultras sind mehr oder weniger eine Fan gruppierung, es gibt sie eigentlich in jeder Szene, das heißt jeder Verein, der etwas größer ist, hat Ultras. Und Konfliktpotential ja, zum Beispiel Pyrotechnik und es kommt auch mal zu Gewaltszenen im Stadion oder außerhalb des Stadions. Und das wollten wir jetzt darstellen. Wir machen aber auch gute Sachen, und das Konfliktpotential mit Medien und Presse woll ten wir darstellen, denn es ist halt nicht mehr
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so, dass Gewaltexzesse stattfinden. Es gibt zwar immer noch Reibereien ein- oder zweimal im Jahr. Und gerade wenn mal was stattfindet, weil wir es selten ausschalten können, wird das natürlich von der Presse dementsprechend hoch geschaukelt, weil es sonst nichts mehr zu berichten gibt. Weil sich die Krawalle ausbrei ten, wird sich jetzt an den Bengalischen Feuer hochgezogen, und das kotzt uns ein bisschen an. Weil das ja zur Fankultur dazugehört. Das ist das Konfliktpotential, dass die Presse immer alles hoch putscht. Publikum: Ich habe es persönlich erlebt, also mit meiner eigenen Familie, ich habe ein behindertes Kind und ich bin verheiratet. Wir wollten zur Peißnitz runter gehen, und weil das Spiel und die Fans so zerrissen worden sind, hat sich meine Frau gar nicht in die Stadt getraut. Es wurden Ausschreitungen vermutet, weil das Spiel so hoch geputscht wurde. Viele haben sich nicht in die Stadt getraut, weil sie gedacht haben, es gibt da Randale ohne Ende, dabei waren dann nur ein paar Fans auf dem Markt, die haben ein bisschen rum gebrüllt, das gehört dazu, das ist doch normal. Ultras: Natürlich, Angst muss ein normaler Passant nicht haben. Aber klar: Es ist Derby, da kann es natürlich passieren, das gegnerische Fans aneinander geraten. Da muss aber ein Außenstehender keine Angst haben. Aber das wird gerade wieder durch die Presse hoch geputscht: Es ist Derby, da knallt es an allen Ecken, am besten Jalousien runter und in den Keller mit den Kindern, da passiert euch nix … Publikum: Wie ist denn das gewesen, das ihr Euch überworfen habt mit dem Regisseur, das stand heute in der Zeitung. Da stand irgend was, das ihr menschlich enttäuscht seid. Was ist da passiert? Ultras: Und zwar wurde letzten Sonntag von Dirk Laucke ein Interview gegeben bei Radio Corax. Und da wurde nicht,wie üblich in der Presse, die fiktive Gruppe, die wir auf der Bühne darstellen, angegriffen, sondern eine reale Gruppe, nämlich die Saalefront Ultras. Und dort hat Dirk gesagt, dass der Großteil dieser Gruppe rechts ist, dass sie irgendwelche Kleidungsmarken tragen, von denen ich bis dato noch nie was gehört habe. Dann hat er, als es eine kleine Aussprache gab, gesagt, dass ich diese getragen hab, zum Beispiel die Marke Masterrace, von der ich persönlich noch nie was gehört habe. Er hat die Gruppe dermaßen durch den Kakao gezogen, dass es für uns uns nicht
mehr haltbar ist, dieses Theaterstück weiter zuführen. Wir hatten dann noch Gespräche, denn normalerweise wären wir heute nicht auf der Bühne gewesen. Wir wollten das abbre chen, weil diese Äußerungen für uns nicht mehr haltbar waren. Wir haben uns dazu doch noch überreden lassen, weil doch viele Leute von uns heute zum ersten mal im Publikum waren, also haben wir uns trotzdem noch breitschlagen l assen vom Theater, dass wir jetzt heute und morgen noch diese zwei Vor stellungen zu Ende bringen. Und danach: Wir können es einfach nicht mehr, wegen dieser Vorwürfe von Dirk, die total unhaltbar sind. Vielleicht mag er sich dazu auch noch mal äußern, was er sich dabei gedacht hat. Also für mich war das dermaßen ein Schlag in die Fresse, wir haben mit diesem Menschen drei Monate geprobt, sind auch ein bisschen zusammen gewachsen. Und dann höre ich so ein Radiointerview, das war ein Schlag in die Fresse. Das haben auch, so denke ich, die anderen Jungs so gesehen und auch nicht nur die Jungs, die hier im Theater sind, sondern auch andere Mitglieder der Ultraszene, die nicht bei diesem Projekt mitgemacht haben. Die waren alle schockiert. Ich fand das nicht gut, was Dirk da abgelassen hat, und das war halt unser Beweggrund, warum wir uns dazu entschlossen haben. Publikum: Wie ich das so sehe, sind das ganz nette Jungs. Warum ist denn immer soviel Polizei dabei? Haltet ihr die für überflüssig? Ultras: Zeitweise ja. Ich sag mal so, die haben im Derby auch ihre Daseinsberechtigung, sonst würde das Chaos ausbrechen, da bin ich ganz ehrlich. Es gibt ja immer Bekloppte, die sich prügeln wollen, es gibt halt einen Teil, der mehr auf Krawall aus ist. Und es gibt halt einen Teil, der nur für die Stimmung ist, das ist bei jedem Verein so. Aber es gibt auch Spiele, wo die Polizei nicht unbedingt ihre Daseinsberechtigung hat. Ein Beispiel: Da hatten wir ein sinnloses Testspiel im Sommer auf dem Dorf, unter der Woche an einem Mittwoch, und da waren 50 Leute dieser Son dereinheit BFG im Stadion. Wir waren 15 Leute, wir sind zum Stadion gekommen und wollten uns das Spiel anschauen. Es war kurz vor dem Anpfiff, wir wollten rein, um das Spiel sehen und die haben uns erst mal einge kesselt und 45 Minuten damit verbracht, uns die Personalien abzunehmen. Also richtig schöne Schikane. Wir durften dort nicht rau chen, nicht trinken, gar nix. Das sind halt so Sachen, die müssen natürlich nicht sein.
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Oder wenn wir in irgendwelchen anderen Dör fern spielen, wo eben kein g egnerisches Fanpotential da ist, da können zwei Streifen polizisten vorbei schauen und gucken, ob alles korrekt ist oder so, da wird nie was passieren. Dirk Laucke: Ja, ich wollte jetzt gern was zu dem sagen, was Marcel gesagt hat. Du hast ja gesagt, das Problem ist, dass ich über die Gruppe Saalefront geredet hab, die ja aus der Wirklichkeit kommt, die ja eine reale Gruppe ist. Natürlich habe ich zu der Gruppe was gesagt, weil ich euch aus dieser Gruppe habe, und ihr selbst habt ja im Internet in diesem Forum Saalefront.de eure Stellungnahme abgegeben. Deswegen ist es Quatsch, dass ihr sagt, das Theaterstück hat nix mit der Saale front zu tun, denn ganz offenbar ist es doch die Gruppe Saalefront, die mit dem Theater stück zu tun hat. Das andere ist, dass das Chefchen von Saalefront, André Meißner mir mal gesagt hat in einem Gespräch, als wir alle zusammen saßen, nachdem wir ne miese Fahrt hatten nach St.Pauli, okay, das angeblich unpolitische ist ja doch eigentlich eher rechts, weil sich halt die Mitgliederstruktur zu 70 Prozent aus rechtsgerichteten Leuten zusam menstellt. Und die andere Sache ist die Kleidung: Es kann sein, dass ich Masterrace nicht gesehen hab, aber Thor Steinar sehe ich sogar jetzt auf der Bühne. Thor Steinar ist eine anerkannt rechte Marke, das heißt es ist jetzt nicht so, dass ich das einfach nur behaupte. Es ist so, das sogar der Meusel, der der Gründer von Thor Steinar ist, auf jeden Fall auf Rechtsrockkonzerte fährt, und nicht umsonst Verweise wie Wüstenfuchs, Rommel oder die Kolonialgebiete von Deutschland im Dritten Reich auf den T-Shirts hat. Einige von Euch tragen T-Shirts mit H ausbesuch, Blutspritzern und einer MG drauf und dann ist ja wohl klar, dass das stattfindet. Deswe gen habe ich das natürlich gesagt, und das ist ja nicht von der Hand zu weisen. Ich kann ja nicht sagen, ihr tragt kein Thor Steinar, denn du trägst doch Thor Steinar. Ich finde es also irgendwie gerade unsinnig, dass ich das nicht sagen darf. Wenn ihr selber sagt, ihr seid nicht rechts, dann müsst ihr einfach sagen, ja stimmt, wenn Thor Steinar rechts ist, da forsche ich da mal nach und finde das raus, und dann positioniere ich mich dazu, damit ich nicht als Rechter dastehe. Aber ihr könnt nicht immer nur sagen, das ist nicht rechts und das war es. Also: Wie kommt es, dass alle Welt weiß, das Thor Steinar rechts ist, weil sich zum Beispiel die Macher dazu bekennen und nur die Leute, die es tragen, nicht.
Ultras: Wenn Nazis Thor Steinar tragen, dann wird das wieder durch die Medien hoch geputscht, also dass das die Nazimarke schlechthin ist, ja. Und nicht nur durch die Medien, sondern durch die Gesellschaft. Ich persönlich bin überhaupt kein Nazi, aber ich habe auch kein Problem damit, mir ein Thor-Steinar-Shirt anzuziehen. Ich ziehe es nur nicht an, weil es mir zu teuer ist. Sonst würde ich mir auch mal den Namen geben oder so. Aber ich hole mir doch nicht einen Pullover, wenn da Thor Steinar drauf steht, und wenn ich dann durch die Stadt gehe, bin ich dann ein Nazi oder so. So ein Quatsch. Wenn, dann ziehe ich das nur an, weil es mir gefällt und ich gebe gerne zu: Es gibt gute Sachen von Thor Steinar, aber die sind mir halt zu teuer, deshalb kaufe ich sie mir nicht. Ich bin alles andere als ein Nazi. Vielleicht sind wir ein bisschen weltoffener als Du, denn uns ist es scheißegal, welchen Kleidungsstil jemand mag, ob er den Pullover oder diese Hose anziehen will, solange darauf keine poli tischen Verbote stehen, sowohl linke wie auch rechte. Und auf diesen Thor-Steinar-T-Shirts habe ich bis jetzt noch keine politische Bot schaft gesehen. Na klar, sobald da irgendwas drauf steht, soll jeder tragen, was er für rich tig hält, und wenn jemand meint, er müsste 80 Euro für eine Thor-Steinar- Hose ausgeben, dann gibt er eben die 80 Euro aus. Für mich hat das keinen rechten Hintergrund. Ich will da auch nicht groß herum recherchieren, wer der Gründer von Thor Steinar ist, ist mir scheißegal, wer der Gründer von Thor Steinar ist. Die Kleidung gefällt mir und gut. Dirk: Aber zum Beispiel die Mütze, die Matze auf hat? Ultra: Die ist nicht von Thor Steinar. Dirk: Die ist nicht von Thor Steinar? Thor Steinar bringt dieselben Mützen raus. Aber machen wir keine Thor-Steinar-Diskussion, das hat sich ja gegessen. Ich wollte nur sagen, dass ziemlich viele Menschen wissen, hoffent lich wissen, dass Thor Steinar eine rechte Marke ist, dass es auf jeden Fall Bekenntnisse von Seiten der Macher gibt in Richtung der NPD. Komischerweise weist ihr hier, wenn ihr Thor-Steinar-Sachen tragt, es immer von der Hand. Ich will ich nur sagen, wenn es die Vorwürfe gibt, das Tor Steinar eine rechte Marke ist, würde ich da recherchieren, ich würde sagen okay, kann ich nix mit anfangen, ich würde was dagegen unternehmen. Ähnliches gibt es ja auch mit anderen Marken.
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Ultras: Aber genau das ist ja das, warum du in unserem Saal hier nicht mehr sitzen solltest. Entschuldige das ins Wort platzen bei dir, aber weil du die Schweinepolitik einfach mal zuviel rein nimmst. Wer wollte denn das Juden-JenaGerufe mit rein nehmen, das warst doch du, das wollte keiner von uns. Ich war von Anfang an dagegen, aber der Rest hat sich von dir den Kopf waschen lassen. Weil du gesagt hast, wir müssen das rein nehmen, sonst sind wir unehrlich zu den Leuten. Ich habe von Anfang an zu dir gesagt, dass Ding ist drei Jahre her, und na und, dann war es politisch. Es war für uns nicht politisch. Diese Szene haben wir nie erfunden, sondern sie war schon da, als wir rein gekommen waren, verstehst du? Dirk: Also willst du damit sagen, das ich euch die Worte in den Mund gelegt habe? Ultras: Du hast uns das mit den Juden-JenaRufen auf jeden Fall aufgelegt. Es war deine Idee, als wir noch geprobt haben. Worauf ich noch gesagt habe, wir haben damit aufgehört vor 3 Jahren, das wird schon gar nicht mehr gerufen. Da fingst du wieder an: Das habt ihr mal gerufen und das ist ja ach so schwer poli tisch. Aber für uns war es nie politisch, weil es für uns schon immer nur eine Provokation war. Es ist eine Provokation und es wird nicht mehr gerufen, weil wir dem Verein nicht scha den wollen und damit ist gut. Das Ding ist ja, damit hörte es ja nicht auf. Du fingst ja noch an mit deinem Theaterstück, du saßt hier und hast öffentlich kund getan, dass du das Stück hier gemacht hast, nur um zu zeigen, dass Halle, also dass ihr alle, die hier drinnen sitzen, Antisemiten sind. So waren deine Worte, du wolltest einfach mit dem Stück zeigen, das noch Antisemiten in Halle sind, beziehungs weise wenn es geht in ganz Deutschland. Das war der Grund und deswegen bist du rausge flogen und nicht, weil wir alle für Thor Steinar sind. Entschuldige bitte, aber so war es. Dirk: Der Vorwurf ist richtig, wenn du sagst, ihr seht das nicht als antisemitischen oder poli tischen Akt. Ich sehe es aber als antisemitischen Akt. Wenn man Juden-Jena ruft und das belei digend meint, ist das antisemitisch für mich. Ultras: Wir hatten den Eindruck, dass es dir darum geht im Nachhinein, dass du hier dein politisches Weltbild offen zur Schau bringst und nix anderes. Und wir haben tausendmal gesagt, Politik interessiert uns einen Scheißdreck. Natürlich kann jeder wählen, welche Partei er für richtig hält, aber
im Gruppenleben spielt für uns Politik keine Rolle. Und du bist nur hier, um dein politisches Programm runterzuspulen. Normalerweise war abgesprochen, das du heute nicht da bist und kaum bist du da, geht es wieder um irgendwel che politischen Diskussionen. Und wir haben klar und deutlich gesagt, wir haben keinen Bock auf Politik, und dieses ganze Juden-JenaGequatschte der letzten Tage geht mir derma ßen auf den Senkel, genauso dieses ganze ThorSteinar-Gequatschte, nö ich will damit überhaupt nix mehr zu tun haben. Wir haben nix zu tun damit. Dirk: Dann macht doch Schluss damit. Ultras: Das machen wir auch, fertig. Intendantin: Für die, die in den letzten Wochen vielleicht die Debatte nicht so genau verfolgt haben wie alle Spieler, Dirk Lauke und wir, möchte ich mal einfügen: Diese Inszenierung hat sofort nach der Premiere schwerste Angriffe und Vorwürfe bekommen, und natürlich war unter diesen Vorwürfen auch der, dass Dirk Laucke die Spieler vorführt. Ich finde nicht, dass das in der Inszenierung passiert, ich finde es auch nicht ganz so harmlos, wie sie es beschreiben, sondern das es eine sehr aus gewogene Darstellung ist zwischen dem, was in den Medien berichtet wird, was die Vorbehalte möglicherweise des Vereins und der Bevölke rung sind. Wenn der Vorwurf fällt, Dirk Laucke führe die Spieler vor, was ich der Dramaturgie des Abends überhaupt nicht unterstelle, dann glaube ich, ist das so ein wer-Wind-sät-wirdSturm ernten. Ein bisschen ist das passiert und das sät natürlich auch Unrast und polarisiert zwischen den Spielern und dem Team. Ich finde die Leistung, die ihr gemeinsam bis zu dem heutigen Tag vollbracht habt, nämlich ein Problem der Stadt auf die Bühne zu bringen, außergewöhnlich gut. Und ich finde den Mut auf beiden Seiten gut. Natürlich haben sowohl der Autor als auch die Spieler unterschiedliche Anschauungen, und zwar unterschiedliche politische Anschauungen. Ich glaube, dass es sehr mutig ist von Ihnen allen, als Spieler soweit gegangen zu sein und sich so auf die Bühne mit der eigenen Biografie gestellt zu haben. Und ich finde den Abend insofern Klasse, weil Dirk Laucke wenigstens bis vor kurzem das Vertrauen von Ihnen allen hatte, bis diese Keile getrieben wurden. Wir haben in der letzten Woche ein langes Gespräch zu diesem Thema geführt. Meine Argumentation war so, dass ich gesagt habe, es wird in Zukunft, ohne dass ich das vorher sehen kann,
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eine differenziertere Betrachtung dieses Ergeb nisses geben, das am Anfang so in der Presse in Misskredit gekommen ist. Und ich finde, wir sollten darauf vertrauen und uns dieser Debatte weiterhin stellen. Das wäre meine Absicht. Wir wollen Sie nicht dazu zerren, dass sie es weitermachen, aber wir finden es gut und richtig und für uns alle gut und richtig, wenn wir das weiter zeigen. Wir sind am Freitag so auseinander gegangen, dass wir diesen ersten Vorstellungsblock zu Ende spielen, dann mal 14 Tage Distanz haben, so dass alle noch mal alles überdenken können und wir uns dann wiedertreffen. Ich hielt die Mitteilung auf Ihrer Website Saalefront einfach für eine wunder bare PR-Animation, dass man die Vorstellung weiterhin besucht. Und ich würde nach wie vor dafür plädieren, dass wir das Stück weiter spielen, der Applaus hat es auch kund getan. Und ich glaube, dass wir mit dem Thema einen Dolchstoß ins Herz dieser Region gemacht haben, so haben wir das vor anderthalb Jahren mal genannt, und da haben wir nicht richtig abgeschätzt, wohin der hingehen wird. Aber damit meinten wir natürlich auch nichts ande res, als dass es ein heißes Thema ist, das man debattieren muss. Und ich würde jetzt vor schlagen, auch zu diesem Thema zurückzukeh ren. Publikum: Warum habt ihr das gemacht, also warum habt ihr Euch entschieden, dieses Stück mit diesem Thema auf die Bühne zu bringen? Ultras: Also ich würde sagen, weil es gemacht werden musste. Es kam vom Theater her der Impuls für dieses Stück. Unser Regisseur, der Dirk, ist auf unseren Vorsänger Rocco zugegan gen, sie kamen ins Gespräch und diese Kon takte haben sich ausgeweitet, so dass immer mehr Leute von der Sache Bescheid wussten. so kam ich dann auch zu dieser Sache dazu. Und für uns war das von Anfang an eine tolle Sache, diese Gelegenheit, uns so, wie wir sind, darzustellen, also dass wir uns einfach mal präsentieren und sagen können, so und so sind wir. Und vielleicht ein bisschen mit Vorurteilen aufzuräumen und es den Leuten einfach mal zu zeigen, also Aufklärungsarbeit zu leisten, dass die Leute einfach mal wissen, worum es geht. Was für Choreografien wir machen, woher die kommen, wer das eigentlich macht und wie das jetzt entstanden ist, besonders halt fanpolitische Themen wie Polizei, Gewalt, der Konflikt mit den Medien, Red Bull, Kommerz und so weiter. Das das alles mal auf die Bühne kommt, das war für uns von vornherein eine tolle Sache und so ist das halt entstanden.
Publikum: Seid ihr über die Reaktionen über rascht gewesen, also die Medienreaktionen danach? Ultras: Naja, zwiegespalten war das, manche haben so geschrieben, manche so. Dass kritische Stimmen kommen, war uns durchaus klar. Dass es dann doch in diesem Maß und solchen Worten ausartet, wie geschehen in manchen Blättern, das fand ich persönlich schon ein bisschen überraschend. Also in dem Maße waren wir es dann doch nicht gewohnt. Weil man ja doch von sich selbst und dem Stück überzeugt war, weil das die Themen anspricht und weil es einfach gut war, sag ich jetzt mal. Dass nur bestimmte Textpassagen zitiert werden und ausgeschlachtet werden, und dass alles gegen uns verwendet wird und auch Diskussionen aufkommen, die gar nichts mehr mit dem Stück zu tun hatten. Aber es gab wie gesagt auch gute Pressereaktionen. Publikum: Also ihr sagt ja jetzt, ihr identifi ziert euch nicht, und es würde von den Medien sowieso total hochstilisiert. Das Problem ist aber, ich hatte selbst totale Probleme damit, dass antisemitische Parolen in dem Stück total verharmlost worden sind. Gerade in der einen Szene, dieser Satz, dass beim Grillabend ja auch Zigeunersoße auf dem Tisch steht, dass das ja dann auch nicht gerade politisch kor rekt ist und dass das ja fast das Gleiche ist wie Juden-Jena. Ich finde diesen Vergleich völlig unangebracht. Dann euch jetzt zu hören, ihr könnt das auch wieder abstreiten oder so, aber das ist vielleicht eine Frage an die Intendan tin: Dass dort vorne Leute sitzen, die vielleicht der rechten Szene nahe sind oder sogar da drin sind, und dass diesen Leuten auf der Bühne eine Podium gegeben wird, und dass die antisemitische Parolen verharmlosen, finde ich äußerst problematisch. Intendantin: Also da muss ich mal ganz genau nachfragen. Zu Recht diskutieren wir darüber, denn die Ultras sagen Juden-Jena seit drei Jahren nicht mehr und haben jetzt die Debatte mit Dirk Laucke. Warum ist das überhaupt rein gekommen? Ich bin der Meinung, dass man im Hinterkopf hat, dass das mal gerufen wurde, und insofern finde ich es richtig, dass Sie diese Frage stellen. Aber Sie wollen doch nicht im Ernst darauf hinaus, dass, wenn wir abends Hamlet spielen und am Ende sind fünf Leute tot, ich dafür zur Kasse gebeten werden soll? (Applaus) Falls jetzt jemand geklatscht hat, der mich falsch verstanden hat, möchte ich das nochmal erklären. Es gibt diesen Reporter, der
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sagt ziemlich klar auf jede Äußerung, ihr sagt das und was meint ihr damit? Wollen wir vor der Wirklichkeit – und verstehen sie mich nicht falsch, ich unterstelle Ihnen hier gar nichts – aber wollen wir vor der Wirklichkeit so sehr die Augen zumachen, dass wir keine öffentliche Debatte zu Themen, die wir immer noch haben, die wir nach fünfzig, sechzig Jahren immer noch haben, zulassen wollen? Und darf das auf dem Theater nicht mehr angesprochen werden? Das fände ich das Letzte, und dann brauchen wir auch kein Theater mehr machen. Es wird hier nix auf der Bühne verherrlicht, sondern es wurde eine Debatte gefordert. Und natürlich sitze ich auch in der Premiere, und denke, am Ende spitzt es sich noch daraufhin zu, wie argumentiert jeder von den Spielern, wenn er auf diese Frage angesprochen wird? Ich finde es mutig, dass jeder soweit geht, wie er gehen kann. Und damit haben wir uns auseinander zu setzen. Und da sind die Spieler und ihre Hal tungen auch ein Stück Motor. Und ich möchte uns, damit meine ich die gesamte Produktion, nicht in Verbindung bringen wollen mit dem Vorwurf, dass wir hier Rechten bewusst und noch forciert ein Sprachrohr geben. Das ist nicht Intention unserer Theaterarbeit, und das ist nicht die Intention von Dirk Laucke und das ist auch nicht die Intention der Spieler. Dass die sich hier so gut wie möglich darstellen wol len, verstehe ich doch zutiefst, und trotzdem kommt genau der Zwiespalt heraus, der diese Debatte ausmacht: Ist das politisch oder ist das nicht politisch? Den werden wir heute Abend nicht ausdiskutieren können. Aber der Zwie spalt, diese Debatte ist in unserer Gesellschaft drin und darüber müssen wir doch reden. Ultras: Mich der rechten Szene zuzuordnen, das ist doch Quatsch. Möchte mal wissen, wo ihr Leute das immer hernehmt, dass hier in der Ultraszene in Halle nur Nazis rum laufen, das ist doch Käse. Wie kann es denn sein, dass wir immer als Nazis dargestellt werden? Im Spiel gegen Babelsberg wurde nicht in unserem Block, sondern zwei Blöcke weiter, die Reichs fahne geschwenkt und die wurde von uns sogar noch runter gerissen, also von uns bösen Nazis. Also warum sollen wir die runter reißen? Weil wir mit Politik nichts tun haben. Unsere Politik ist rot-weiß und wird auch rot-weiß bleiben. Und was jemand im Kopf denkt, das ist egal, solange wie er das nicht auf der Straße mit erhobenen rechten Arm ruft und dabei ein HFC T-Shirt anhat. Die Gedanken sind frei. Publikum: Ich finde, wenn man Klamotten von rechten Labels trägt, die auch von Rechten
finanziert werden, dann kann man nicht einfach sagen, das hat mit mir nichts zu tun und ich bin komplett unpolitisch. Es tut mir leid, aber mit Klamotten, mit Stil und mit Musik äußert man seinen Standpunkt und seine Position. Und wenn man rechte Klamotten trägt, oder welche, die mit rechts produziert sind, braucht man sich nicht wundern, wenn man als der rechten Szene zugehörig betrachtet wird. Es ist einfach so. Ultras: Also müssten wir ja den kompletten deutschen Sport, die Leute die Adidas tragen, verurteilen, weil Adidas war nun mal auch ein Nazi. Publikum: Wie kommt eigentlich dieser große Hass gegen Magdeburg zustande? Also ich habe gesehen, wie am Zaun vom Ultras-Fanblock Magdeburger Sachen verbrannt worden sind. Ich weiß auch, dass am 19.03. im Magdeburger Fanblock eine HFC Flagge verbrannt wurde. Aber mein Gott, ihr sagt ja auch, dass Magde burger die Dümmsten der Welt sind. Das sind sie natürlich nicht, aber könnt ihr nicht drüber stellen und sagen, mein Gott, wir verbrennen keine Sachen. Also ich habe keinen von Euch gesehen, der explizit hingegangen ist und gesagt hat, kommt, jetzt lasst mal den Scheiß. Ultras: Dann wäre Fußball langweilig, wenn man den Gegner nicht mehr provoziert. Das gehört doch zum Fußball dazu, dass sich dort zwei verfeindete Fangruppen gegenüber stehen und dann provoziert man sich halt. Was wäre das denn, wenn Magdeburg irgendwas singt und wir sitzen halt da, ach ja dann haben sie es halt gesungen. Das ist doch voll langweilig. Gerade dieser Fansachenklau, das ist schon immer so der Fall, man provoziert den Gegner halt, indem man Sachen zeigt und sie ver brennt. Das gehört zum Fußball halt dazu. Publikum: Und was ist halt, wenn so ein Typ aus dem Block rennt und euch voll eins auf die Fresse hauen will? Ultras: Dann ist es halt so. Aber es wird k einer machen. Aber was willst du jetzt hören? Dass wir sagen, ist okay, macht weiter? Ich weiß nicht, was du hören willst? Hass kann von überall herkommen. Hass kommt von Neid, deswegen war ja damals der VFL so verhasst, die hatten ja nicht mal ne Fanszene, aber der VFL wurde damals von der Stadt gut finan ziert. Und deshalb war da der Hass zum VFL. Der FCM wird immer gerne mal vom Land bevorzugt. Ich weiß nicht, ob du es gesehen hast, das Landespokalfinale: Woher kam der
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Schiri? Aus Rostock, also das ist vergleichbar mit unserem Saalkreis fast. Wenn man sich das angeguckt hat, wie der gepfiffen hat, soll man da noch sagen, Magdeburg ist cool? Ich sag mal so, da wächst man rein, das ist überall so, Dortmund-Schalke, München-Nürnberg. Sämt liche Derbys, wenn die Städte eben relativ nah beieinander liegen, dafür gibt es tausend Bei spiele. Es wird dir halt in die Wiege gelegt. Als Magdeburg mit Halle den Konflikt hatte in Sachen Landeshauptstadt … Da wächst man halt hinein und Magdeburg war schon immer Feind und wird immer Feind bleiben. Publikum: Ich habe mal eine Fragen zu den Personen, die vorkamen. Also auf der einen Seite wart natürlich ihr als Ultraszene da, auf der anderen Seite war da ein Journalist, der die ganze Zeit gesoffen hat und ein ziemliches Arschloch war anscheinend, und dazu leider Gottes ein Magdeburger. Da war die Polizei, die relativ doof war, so als Moralapostel gewirkt hat und die quasi auch gewaltbereit war und dann war da auch noch der geldgeile Manager. Das ist Theater, das ist für eine Theaterbühne vollkommen in Ordnung. Die Frage an euch: Seht ihr das wirklich so? Seht ihr das irgend wie in der Realität ein bisschen anders, weil ihr euch ja ein bisschen selber dargestellt habt, auch wenn das jetzt fiktive Gruppen waren. Ist das eure ideale Meinung oder gibt es da auch differenzierte Sichtweisen? Ultras: Wir haben natürlich und weil es auch Theater ist, sicher übertrieben. In der Wirklich keit ist es nicht ganz so. Klar gibt es bei der Polizei schwarze Schafe, aber es sind sicherlich nicht alle Polizisten dumm und doof und han deln willkürlich, und nicht alle wollen prügeln bei der Polizei. Aber so haben wir es erlebt und ich finde eigentlich, wir haben uns selber gespielt. Publikum: Ich verstehe nicht ganz, warum ihr nicht mehr mitmachen wollt? Ihr sagt, im Stadion gehört Provokation dazu, man muss den Gegner auch ein bisschen herausfordern. Und ihr habt mit dem Stück provoziert und das ist ja gut. Und jetzt kommt ein bisschen Reaktion aus dem Publikum, jetzt kommen solche Vorwürfe, dass ihr rechte Kleidung tragt. Warum spielt ihr jetzt so beleidigte Leberwurst und zieht das nicht durch? Also es kommt mir wie ein feiger Rückzug vor, wenn es im Stadion so gemacht wird. Ultras: Also was der Großteil hier von uns denkt, können wir nicht ändern. Fakt ist eins,
dass wir uns als Menschen tierisch in Arsch getreten gefühlt haben von unserem Regisseur. Wie gesagt, es ist für keinen leicht. Unser Regisseur, der durfte mit uns im Bus fahren. Lacht doch nicht, das meine ich im Ernst. Wir haben zum Beispiel richtige HFC-Fans sitzen lassen, damit er mit kann nach Pauli. Es gibt Leute, die leben HFC mit Herz, und die konn ten da nicht hin, weil er zum Beispiel einen Platz von uns bekommen hat, in unserem Bus, im Ultrasbus. Er hat gesagt, er durfte bei uns ins Fanhaus rein, ins Fanhaus dürfen viele. Aber er saß bei uns zum Ultramittwoch, er ist so schnell und tief in die Szene rein gekommen und er wusste eigentlich vieles über uns und weiß ja immer noch vieles über uns. Und Fakt ist eins: Er hat nicht diese Theatergruppe beleidigt, sondern er hat unsere richtige Ultra gruppe beleidigt. Die Saalefront zum Beispiel, für mich ist das wie eine zweite Familie. Wenn ich deine Familie beleidige, du gehst mit mir arbeiten oder so und ich sage, deine Mutter geht anschaffen oder so? Er ist Regisseur, er soll über das Theater sprechen und nicht über die Saalefront. Die Saalefront ist meine Familie, wer meine Familie anpisst, wird zurück bepisst. Wenn man von einem Menschen so in den Arsch getreten wird, von jemanden, denn man menschlich sehr schnell lieben gelernt hat, sag ich jetzt mal so. Ich bin wirklich voll ent täuscht, auf jeden Fall fehlt jetzt die Moti vation. Natürlich haben wir jetzt gesagt, diese zwei Stücke werden auf jeden Fall fertig gemacht. Weil auch Frau Hahn sich so oft vor uns gestellt hat und so oft vor die Rübe bekom men hat, von allen möglichen Seiten, sei es von der GmbH, von irgendwelchen Medien, von der Presse oder sonst woher. Und danach wird wohl kein Weg daran vorbeiführen, dass wir trotzdem noch der gleichen Meinung sind. Wie gesagt, das hat jetzt überhaupt nichts damit zu tun, dass wir ne andere Meinung als irgend welche Leute aus dem Publikum haben. Das war klar, und das Stück ist ja dazu da, um zum diskutieren. Aber dass man vom Regisseur so in den Arsch getreten wird, und wirklich die Saalefront als Nazifront hingestellt wird, das ist Käse. Publikum: Inwieweit gehört die Gewalt zum Ultra-Sein dazu? Und warum distanziert ihr euch nicht davon? Ultras: Weil Gewalt eben zum Ultra-Sein dazu gehört. Teilweise, nicht für jeden, und nicht Gewalt in Form von Straßenschlachten, schwe ren Ausschreitungen, Brandsätzen, also in dieser Form sicherlich nicht. Sondern in der
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Form, dass man sich mit dem Gegner an sich, also einer Gruppe, die das auch will, messen will. Da gehört Gewalt ein bisschen dazu. Intendantin: Aus den Diskussionen, aus dem Applaus der Premiere und den gemeinsamen HFC-Rufen bei der Premiere von Publikum und Spielern, und ich glaube auch aus diesem Schlussstatement der Spieler, die sagen, es mögen Mannschaften kommen und gehen oder Spieler oder Vorstände, aber es bleibt immer unser Verein, daraus kann ich immer nur ein Resümee ziehen: Wir haben mit der Idee, dieses Thema auf die Bühne zu bringen, auch ver sucht, unsere Verbundenheit mit dieser Region zu bekunden. Nämlich dass wir uns als Theater als ein Ort verstehen, der auch da, wo Rei bungsfläche ist in dieser Stadt, versucht, genau das zum Thema zu machen. Außer in dieser sehr hochgespielten Pressekampagne, die sich und das ist meine große Hoffnung, ausdifferen zierter für dieses Thema in Zukunft zeigen wird, ist mir eins klar geworden: Wir machen hier zwar auch Theater auf Zeit, also bei uns gehen die Spieler in der Regel auch nach drei oder vier Jahren wieder. Ein paar bleiben auch länger, das ist aber auch das Prinzip. Ich sage: Wir müssen uns ja alle verändern und wir müssen vor allen Dingen zu all den Fragen im Gespräch bleiben. Zu dieser Überrollaktion, dass die Spieler nicht mehr antreten wollen, kann ich eigentlich nur einen Gegenentwurf machen: Ich habe heute mit unserem Betriebs büro gesprochen und morgen sprechen wir mit unserer technischen Leitung. Wir würden viel lieber noch sechs zusätzliche Spieltermine bis Weihnachten anbieten, um das Stück jetzt weiter laufen zu lassen und die Februarserie vorzuziehen. Und das finde ich eigentlich richtiger als jetzt in eine lange Pause zu gehen und dann erneut in die Debatte. Mich würde es freuen, wenn wir dazu im Gespräch bleiben könnten. Und natürlich würde es mich auch freuen, wenn unsere Gewerke es möglich machen könnten, dass wir das Stück bis Weih nachten noch mehrmals spielen.
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91 Meine Meinung als Theaterredakteur
Ich habe mir die Inszenierung gestern angesehen. Ich fand den ganzen Abend wirklich gelungen. Ich finde, hier nimmt Theater eine wichtige Funktion wahr, die im übrigen seit der Antike ihre ureigenste ist und zur Verständigung der Gesellschaft beiträgt. Die Aufregung um die Inszenierung, die Behauptung, daß hier die Bühne als Podium für die Rechtfertigungen der Ultras miß braucht werde, kann ich nicht teilen. Die Ultras begeben sich eindeutig in Rollen, verkleiden sich. Wenn am Anfang ein Ultra eine halbe Flasche Wodka trinkt, dann ist da in Wahrheit Wasser drin – sonst würde er ja später betrunken agieren, was er nicht tut. Die Struktur des Stückes ist ganz klar auf Szenen angelegt, in denen bestimmte Dinge verhandelt werden. Es kommen dabei unterschiedliche Positionen ins Spiel. Meinungen, Wertungen können so überprüft werden. Ich selbst habe noch nie ein Stadion betreten. Ich kenne Ultras nur aus Fernsehen und Zeitung. Hier konnte ich etwas über ihre Beweggründe und ihr So-Sein erfahren. Im Publi kumsgespräch nach der Aufführung wurde darüber gesprochen. Hier kann Theater also dazu beitragen, daß man sich nicht von Vorurteilen leiten läßt und einander zuhört. Ich würde mir wünschen, daß die Berichterstattung über die Premiere differenziert und offen ist. Wo man zum Beispiel von »Machwerk« spricht, ist mit diesem Begriff schon alles von Beginn an diffamiert und in die Ecke gestellt. Man sollte seine Erwartungshaltung an Theater auch nicht zum Maßstab aller Dinge machen. Der »Gewinn« des Abends muß nicht zwangsläu fig darin bestehen, daß Theater irgendetwas erklärt, aufhellt, löst oder eine Botschaft hat. Allen, die jetzt die Änderung bzw. Absetzung dieser Inszenie rung verlangen, weil auf der Bühne Worte gesprochen werden, die nicht politisch korrekt sind, empfehle ich einmal Schillers »Räuber« zu lesen. Würde ein Kritiker, ein Stadtoberhaupt die Stücke des deutscher Dichterfürsten und Erfinder der »Morali schen Anstalt« von der Bühne verbannen? Stefan Petraschewsky, MDR FIGARO, 25.09.2009
92 Kommentar vom Autor und Regisseur Dirk Laucke erschienen auf www.nachtkritik.de, am 29.09.09
Im Moment stehe ich in der Schussbahn, antisemitischer Hetze in meiner Regiearbeit »Ultras« keinen Widerspruch gegeben zu haben. Vielleicht wird es ein paar Menschen interessieren, was da in meiner Inszenierung am Thalia Theater Halle gelaufen ist. Vor ca. zwei Jahren kam im Präventionsrat der Stadt Halle das Thema Fußballfans des Halleschen FC zur Sprache. Grund dafür waren die immer wieder kehrenden gewalttätigen Aus einandersetzungen mit der Polizei oder gegnerischen Fans, aber auch die »Juden Jena!«-Rufe gegen die Mannschaft und die Fans des FC Carl Zeiß Jena. Der Präventionsrat setzt sich zusammen aus Vertretern der Kirchen, Vereine, der Polizei, der Stadtverwaltung, den Stadträten (also auch der Oberbürger meisterin), dem Jugendamt und dem Kinder- und Jugendtheater (Intendantin: Annegret Hahn). Alle Themen, die präventiver Arbeit bedürfen, werden dort diskutiert und angegangen. Wie genau das aussieht, weiß ich nicht. Ich weiß jedoch von einem Aktionsplan 2009, der den Punkt 1.3 enthält: »Es wird eine öffentliche Debatte zu Rechtsextremismus und Fremdenfeind lichkeit sowie zu Grundwerten wie Toleranz und Demokratie initiiert.« Frau Hahn sprach mich an, ob ich nicht Lust hätte, mich in einer Regiearbeit dem Thema Gewalt in den Fankulturen des Halleschen FC anzunähern. Obwohl ich eine völlige Fuß ballniete bin, sagte ich zu. Ich fuhr also mit meinem Regie-Assistenten Matthias Hlady, selber glühender HFC-Anhänger und der Projektleiterin Kathrin Westphal zu meinem ersten Fußballspiel: Hallescher FC gegen den SV Babelsberg 03. Wir steuerten direkt auf den Ultras-Block zu, der das Zentrum des Spiels, aber auch der gesamten Konflikte zu sein schien: Dieser teilweise schwarz vermummte Ultra-Block unterstützt seine Mannschaft laut heroisierender Selbstaussage »immer und überall«. Im Stadion taten sie dies mit Gesängen, Trommeln, Choreographien (hier mal nicht der Tanz, sondern ein riesiges Transparent), aber auch durch den verbotenen Einsatz von Pyrotechnik, und falls es
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»knallt«, falls gegnerische Fans ihnen die Zaunfahnen stehlen wollen o. ä, auch mit Gewalt. Allein dem ersten Anschein nach hatte ich es mit einer rechten Gruppierung zu tun. Thor Steinar, Masterrace usw. sind normale Modemarken. Wenn das Bier zu teuer ist, sind das »jüdische Preise.« Dennoch behaupten die Ultras des Halleschen FC von sich, »unpolitisch« zu sein. Politik habe im Stadion nichts zu suchen. Im Stadion, klar. Sonst verhalten sich die jungen Männer wie es ihnen passt, auch klar. Direkt nach dem Spiel sprach ich den kahlgeschorenen Muckibuden-trainierten Vorsänger (»Capo«) der Hallenser Ultras an, was er denn von einem Theaterstück über sie halte. Roco kletterte vom Sicherheitszaun und gab mir seine Nummer. Nach ein, zwei Telefonaten hatte ich einen Termin bei den Ultras. Ich brachte einen Kasten Bier mit und redete Klartext: dass uns als Theater erstmal interessiert, wie diese jungen Männer ticken, was sie ausmacht, was sie antreibt, was sie sonst so machen, wer sie sind. Ziemlich schnell kamen wir auf die Probleme der Ultras zu sprechen: die Polizei, die Stadionverbote und die Presse. Nach einigen weiteren Treffen kristallisierte sich eine Gruppe von ca. 11 Leuten heraus, die, so schien es mir, wirklich Inter esse an einem Theaterstück hatten. Es kam zur Frage, wer denn nun alles mitmachen darf. Ich sagte: Naja, am besten gleich die, die Bock haben und das scheint bei euch allen der Fall zu sein. Einer von ihnen wollte nicht auf die Bühne, er machte die Dokumentation. Rausgeschmissen oder ausgeladen habe ich keinen einzigen aufgrund irgendwelcher schauspielerischer oder inhaltlicher Aspekte, nur einen, den Chef der Ultra-Bande, bat ich, mich mein Ding mit den übrigen Jungs durch ziehen zu lassen. Ihn lud ich aus. Das lag an der Autorität, die dieser Typ in seiner Gruppe hat und auch verbal durchsetzt: Wenn er da ist, sprechen die meisten von ihnen anders, weniger offen, weniger spaßig gegenüber. Oder sie kriegen, in Chefchens Beisein, den Mund kaum auf. Nach Frauen habe ich oft genug gefragt, aber die gab es nicht, sie würden im Ultra-Leben beim HFC eine sekundäre Rolle spielen. Frauen hätten wie Rentner oder Klein kinder in der Fan-Kurve nichts zu suchen. Falls sie doch auf tauchen sollten, hätten sie nichts zu jammern, sondern wie Män ner auszuteilen und einzustecken …
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Ich traf mich öfter mit meiner Gruppe am Fanhaus gleich neben dem Kurt-Wabbel-Stadion. Wir einigten uns auf einen Erzählbogen für das Stück, auf drei Spiele der letzten Saison, die vielleicht beispielhaft für die Turbulenzen der HFC-Ultras stehen könnten. Es blieb nicht aus, dass ich versuchte, die meisten Spiele, die noch vor Saisonende blieben, mit zu kriegen. Ich war mit den Ultras im Kurt Wabbel Stadion und auswärts. Erstaun licherweise habe ich auf meinen Auswärtsfahrten und den langen Diskussionen, die ich mit einigen Ultras führen konnte, fest stellen können, dass den meisten Leuten aus der Szene Politik tatsächlich nicht so wichtig ist. Man hat seine Meinung, und die ist zumeist rechts, aber das beschäftigt die Jungs (zum Glück!) nicht so intensiv wie die eine Sache, um die sich alles dreht: das Leder und die verfeindeten Ultras. Das Gelaber von der »jüdi schen Uhrzeit«, wenn der Bus zu spät kommt und dass »Synago gen in Deutschland nichts zu suchen« hätten, bleibt. Durch meine geteilte Lebenszeit mit den Ultras erhielt ich einen genaueren Blick dafür, was die Jungs beschäftigt und wo sie versuchen könnten, ein geschöntes Bild von sich abzugeben. Das Stück, das wir entwickelten, ist dokumentarisch, da es sich 1:1 an die Erlebnisse der einzelnen Protagonisten hält und auch ihre Erzählsicht einbehält. Auch das Bühnen- und Kostümbild von Simone Wildt orientierte sich am Look der Ultras: Rot-weiß sind die Farben des HFC, schwarz sind die Ultras. Rot-weiß ist die drehbare Tribüne im Bühnenraum, die Kostüme wurden zusam men mit den Ultras aus ihrem persönlichen Fundus geschöpft bzw. für die fiktionale Gruppierung »Ultras Halle« entworfen. Damit das Ganze nicht so unflott kommt, sondern die Möglich keiten des Theaters auch nutzt, haben der eigens engagierte Schauspielcoach Richard Barenberg und ich die Jungs zum Spiel motiviert. In Improvisationen schöpften die Ultras wiederum aus sich selbst, diesmal auf einer nicht-erzählerischen Ebene. Die Ultras spielen also auch andere Fans, die »Kutten«, aber auch den »Manager« und Polizeibeamte. Natürlich kommen diese Rollen als Abziehbild daher. Es ist schließlich das Abziehbild der Ultras von ihrer Umwelt. Es erstaunte mich jedoch, welche Gegenargu mente sie zu ihrem eigenen z.T. gewalttätigen Verhalten auf dem Kasten hatten. So wissen sie ganz genau, dass der Verein fünf stellige Summen blechen muss und der Ruf leidet …
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Auf die Gefahr hin, die Ultras könnten dennoch kommentar los ihr Ding auf der Bühne abziehen, habe ich das Schlimmste für einen harten Fußballfan überhaupt gemacht: einen Fan vom Erzrivalen, dem 1. FC Magdeburg, als Live-Moderator enga giert. Als die Ultra-Protagonisten diesen Fakt zum ersten Mal leibhaftig vor sich sahen, drohten sie das Stück platzen zu lassen. Nach langen Kämpfen und Hin und Her, »erlaubten« sie dem FCM-Fan, mit ihnen auf der Bühne (naja, zumindest auf einem der beiden Balkons) zu stehen. Der FCM-Fan Steven Michl hat selbst eine sehr intensive Verbindung zum Fußball. Sein Onkel war Nationalspieler und Nationaltrainer der DDR, und Fußball spielte schon seit frühester Kindheit eine Rolle. Er ist definitiv kein Ultra und bezeichnet diese auf der Bühne als Hooligans, Chaoten, Rechtsradikale … Aus Schiss vor den Ultras und den Bedenken, er könnte Angriffen vom Publikum ausgesetzt sein, bat der Darsteller Steven Michl um die Kon struktion einer Rolle, die nicht so weit weg von seinem normalen Leben ist. Wir gaben ihm den Rollennamen »Billy Steinhauer«. Steven Michl ist Journalistik-Student. Da er hervorragend Fuß ballspiele moderieren kann, machten wir aus ihm einen Sport reporter und zugleich den Sprecher verschiedener Medien. Die Rolle Billy Steinhauer hat, Publikumreaktionen nach, jedoch ein Manko: Sein Auftreten und das Kostümbild. Er trägt Flip Flops, ein offenes Hawaii-Hemd und trinkt pro Abend 2 Dosen Bier. Die kritische Instanz ist selbst moralisch nicht unantastbar. Steven Michl und ich einigten uns auf diese Rolle als coolen, ein wenig runter gekommenen Typen, um eben jene Dis tanz von seiner eigenen Person zu schaffen, aber auch um etwas anderes zu verdeutlichen: Derjenige, der vielleicht ein bisschen zu lässig daher kommt, kann trotzdem die richtigen Dinge sagen. »Steinhauer«/Michl tritt auf der Bühne in z.T. improvisierte Interaktion mit den Ultras, wird von diesen, mal als Medienver treter, mal als FC-Magdeburg-Fan, gedisst. Seinen Höhepunkt erreicht dies in der »Juden Jena-Szene.« Michl äußert dabei seine eigenen Geschichten und Meinungen, aber auch Meinungen über die Ultras, die wir beide in Diskussionen gewannen. Im Stück taucht der Moderator nach jedem Spiel des HFC auf und beschäf tigt sich mit der Frage, was hinter der Fassade Ultra beim HFC eigentlich steht.
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Am krassesten entlädt sich die Kontroverse um den Gegen spieler »Steinhauer« und den Vorwurf, ich hätte antisemitischen Äußerungen freie Bahn gegeben, im MZ-Artikel von Andreas Montag nach der Premiere: »Zum finalen Skandal kommt es aber, wenn die Ultras von der Bühne verkünden dürfen, der Hass-Ruf »Juden Jena« sei nicht schlimm, nicht politisch und auch nicht antisemitisch. Denn erstens sei man schon zu DDR-Zeiten damit unterwegs gewesen, ohne dass es jemanden gestört hätte. Außerdem stünde ja auch »Zigeunerschnitzel« unbeanstandet auf Speisekarten. Das Stück, die Regie findet kein Wort dagegen. Triumphgelächter auf der Bühne, im Saal wird mitgelacht. Da bleibt einem die Luft weg.« Im selben Artikel werden Konsequenzen für die Intendantin des Hauses, Annegret Hahn gefordert, falls das Stück nicht abgesetzt oder geändert würde. Wenig später sprangen die Geld geber von der Kulturstiftung des Bundes, der Chef der KulturGmbh Halle, Rolf Stiska, und die Oberbürgermeisterin auf den selben Zug auf. Zur Richtigstellung: Billy Steinhauer äußert ein Wort dage gen. Hier der Text (Auszug aus dem Stück): BILLY STEINHAUR Ich begrüße Sie, meine sehr verehr ten Damen und Herren, hier im Hallenser Kurt Wabbel Stadion in der Partie des Halleschen FC gegen die Gäste von Sachsen Leipzig. Wir können von einem spannenden Spiel ausgehen … (Aufstellung oder so …) Im Publikum jedoch ist keinerlei Begeisterung zu spüren. Ähnlich wie nach dem Spiel gegen Carl Zeiß Jena, als Hallenser Fans mit antisemitischen Schmährufen störten, Proteste von Seiten der Ultras. BILLY Ähnlich wie bei diesem Spiel gegen Carl Zeiss Jena, als Hallenser Fans … Proteste von Seiten der Ultras. BILLY Ja, was denn nun, ihr habt doch Juden Jena
97 gerufen, oder nicht? Hier: TON Juden Jena wird eingespielt. Proteste und Gegenstimmen. Die Ultras äußern sich zu dem Thema, wies ihnen passt. BÖRTI Das haben schon unsre Väter gerufen. Bei jedem Spiel gegen Berlin hieß es Juden Berlin … BILLY Genau. Und eure Opas haben bei jedem Sieg auch noch Heil gerufen. Aber auf Tradition baut ihr ja. Das schöne alte Stadion. Die Tradition … Wie alt seid ihr denn? TOM Verstehe überhaupt nicht, was an dem Wort Jude so schlimmes dran sein soll. Das ist halt ne Beleidi gung wie jede andere auch. Das wär ja bescheuert wenn man Blödmann oder so ruft. BILLY Blödmänner wurden ja auch nicht von Idioten wie euch 6 Millionen mal ermordet. Nee, es waren die Juden. Ihr könnt mir nicht erzählen, dass das Wort überhaupt nicht schlimm ist. Ihr sagt doch, es ist ne Beleidigung. OBERRÖBLINGEN In der Speisekarte gibt’s ja auch noch Zigeunerschnitzel. BILLY Was bitte hat denn ein Zigeunerschnitzel damit zu tun?! BATKE Wenn du in Westen fährst, kriegste auch noch so Beleidigungen wie baut die Mauer wieder auf zu hören. BILLY Ist das eure Legitimation für antisemitische Hetze oder was? PANSEN Jungs, das hat doch keinen Zweck! Die drehn’s ja doch wie sie’s wollen. Ich sage nur: Spiel gegen Sachsen Leipzig. Das Fanprojekt hängt ne Fahne auf: BILLY Das Fanprojekt.
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PANSEN HFC Fans sind weder Rassisten noch Antisemi ten. Und dann ruppen wir das Ding ab, weil wir wollen, dass man unsre Zaunfahnen sieht, die drun ter hängen. Und die machen draus: Wir ruppen das runter, weil wir Nazis sind. BILLY Das Fanprojekt. Warum hat denn das Fanprojekt den Spruch angebracht und nicht ihr? Ihr habt das doch gebrüllt. Und wenn’s so ist, dass ihr keine Antisemiten seid, warum lasst ihr das Ding mal nicht ein Spiel über hängen? Ein einziges Spiel. Nee, ihr wollt ja eure Zaunfahnen zeigen, die sind ja so schön schwarz weiß rot. Gute deutsche Tradi tion. Das ist es, woran ihr hängt. Oder sehe ich irgendwo das Gegenteil? Proteste. BILLY Das habt ihr nun davon! Die Ultras gehen auf Billy los. BATKE Was solln der Mist?! Das kann doch nicht, sein, dass du uns hier immer so darstellst. Typisch Medien. Juden Jena und das Spiel hier haben über haupt nichts miteinander zu tun. BILLY Schon gut, schon gut, hier bitte, nehmt das Mikro. Nehmt die Bühne. Nehmt alles und sagt, was ihr wollt. Chrille kriegt das Mikro. CHRILLE Herzlich willkommen bei Radio Ultra. Nach dem Spiel gegen Hannover 96 kam es zur Mobilmachung gegen die Ultraszene des Halleschen FC. Neben einer Flut an Presseartikeln erschien auch noch der Mann schaftsbrief gegen die Ultras mit dem Tenor: Hört auf mit euerm Ultraquatsch! Zusätzlich legte der Verein sich eine Strafe selbst auf, um gut vor dem DFB dazustehen: die Einschränkung der Zuschauer zahlen. Ein Schlag ins Gesicht aller Fans des HFC. Kriegt man da nicht mal Lust, das alles sein zu
99 lassen? Jeder kriegt mal das Mikro und antwortet (die Mann schaft wechselt, wir bleiben … Erfolg, Misserfolg, wir bleiben …) Jeder, der eine Antwort gesagt hat, verkrümelt sich unauffällig. Als letztes Pansen. PANSEN (…) Wir stehen zum Club. Bis zum bitteren Ende. Alle sind weg. Das Video verrauscht. ENDE
Das Problem in der Premiere lag darin, dass die Ultras Geläch ter und Beifall bei ihren Kommentaren ernteten. Natürlich ist klar, weshalb so was zu Stande kommt. Die Ultras bringen ihre Freunde und Verwandten mit, die evtl. ähnliche Argumente haben oder über die Faux Pas ihrer Anverwandten hinwegsehen wollen. Ich habe allerdings auch schon Vorstellungen erlebt, wo völlig unbeteiligte Leute über das »Zigeunerschnitzel« lachen mussten. Vielleicht ist eben jenes Zigeunerschnitzel genau des wegen so lustig für einige im Publikum, weil es ein so weit her geholtes, unerwartetes Argument ist. Vielleicht sagt es aber auch etwas über die Einstellungswelt des Publikums aus, in der Rassismus und Antisemitismus durchaus geläufig sind. Ob dem Publikum, wie den Ultras offenbar auch, allein das Bewusstsein fehlt, oder ob es eine bewusste Entscheidung getroffen hat, andere Menschen herabzuwürdigen – das bleibt in den Köpfen der Leute. Ich habe mit dem Stück beabsichtigt, Menschen aus der Nähe zu zeigen, deren Verhalten in der Masse meist auf Ablehnung stößt: durch martialisches Auftreten, Gewalt und antisemitische Äußerungen. Die Ultras sind trotzdem Individuen und haben Witz, Charme und – in dem Fall – keine schwierige soziale Her kunft. Sie sind nicht wer anders in sozialen Zuständen, die man eh nicht ändern kann, sondern nah an einem dran. Es liegt am Zuschauer, die geäußerten Ansichten zu teilen oder scheiße zu finden. Wichtig war mir und der Dramaturgin Patricia NickelDönicke deshalb eine Szene, in der Roco, der eingangs erwähnte
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Vorsänger, das Publikum zum Mitmachen motiviert, es klatschen lässt, es rufen lässt, nichts weiter Provokantes, nur » CHEMIE!« Im gleichen Atemzug taucht der Rest der Ultras aus der Ver senkung des Orchestergrabens und es folgt das Auftreten im FanBlock, wenn’s ordentlich kracht. Das krasse Erlebnis für mich: Die Leute haben mitgezogen. Das Publikum hat mitgeklatscht und mitgerufen … Bis die ersten Böller flogen … Das sagt noch nichts über faschistoide Reflexe beim Publikum aus, aber auf jeden Fall etwas darüber, dass die Ultras und ihre Ansichten zumindest bis dahin von den Anwesenden mit Wohlgefallen betrachtet wurden. Oder aber: Das kritische Verhältnis zu dem, was oben auf einer Bühne passiert, f ehlt. Als Reaktion darauf haben wir nach der Premiere dem Mode rator Billy Steinhauer, der ohnehin das Publikum beim Einlass von seinem Balkon aus begrüßt, in der Einlasssituation sagen lassen: »Dies ist ein dokumentarisches Stück.« In der Hoffnung, dass eine Sache klar wird, die sich für jeden Zuschauer eines Horrorfilms als fatal erweisen würde: die geäußerten Ansichten nicht als die eigenen abzuspeichern … Das Publikum reagiert, sehr wahrscheinlich auch wegen der im Vorhinein gelaufenen Presse und seiner nun durchwachseneren Zusammensetzung, ein wenig verhaltener. Dafür sind die Gespräche nach jeder Vorstellung umso inten siver. Die letzten paar Male dauerten sie länger als die Insze nierung selbst (1 Stunde 20 Minuten) und es geht heiß her … Das letzte Gespräch hat mich vom Hocker gehauen. Da waren Fans aus Dresden angereist (eigentlich eine Unmöglichkeit, dass die sich angucken, was die Hallenser so treiben), Presse, Politi ker (najut, die ham nüscht gesagt), Fußballfans, Theaterleute, normale Theatergänger, linke Jugendliche … Die haben die Ultras natürlich festgenagelt auf die Frage nach den Juden JenaRufen, aber sie haben auch das gesamte Stück und das Umfeld zu erfassen versucht – was der Stadt Halle schwer zu fallen scheint. Schließlich will man da bestehenden Antisemitismus lieber ausblenden und wegschneiden als heiß-kalt zu servieren und endlich klaren Tisch zu machen.
101 Steffen Kluge vom Streetwork Fanprojekt Halle fragt Dirk Laucke am 01.10.2009 Kluge: Presse, Rundfunk und TV überschlagen sich mit konträrer Berichterstattung. Auch in Internet foren wird kontrovers diskutiert. Hast du mit einer derartig medialen Öffentlichkeit gerechnet? Es gibt zu jeder Premiere eine ge wisse Öffentlichkeit, aber was hier im Vorhinein schon lief, war echt krass. In der Endprobenwoche waren fast jeden Tag 2 Radioreporter oder jemand von der Zeitung vor Ort. Da haben sich in der Öffentlichkeits arbeit der Kultur-GmbH sogar die Termine so überschlagen, dass wir von einem MDR-Team nichts wuss ten, das plötzlich auf der Matte stand. Wir mussten es wegschicken. Ich komme zum Punkt. Ich habe mit Öffentlichkeit gerechnet, aber schon dass sie einen Tick genauer hin zu schauen in der Lage ist. Warum hast du dich für ein Stück mit Ultras entschieden und ausgerechnet HFC Fans ausgesucht? Die Intendantin des Thalia Theater Halle saß zu einem Zeitpunkt im Prä ventionsrat der Stadt Halle, als die Fans des HFC besonders negativ auf fielen. Sie fand das Problem nicht nur für die Stadt interessant, sondern auch für ein Theater, das in der Stadt intervenierend auftritt, in der es sich befindet. Als Ex-Hallenser hab ich das natürlich voll verstanden und bin darauf angesprungen. Mir stellte sich die Frage: Wer sind die Randalierer, Pyromanen und Antisemiten? Und wie genau sieht deren Welt denn aus? Sind es soziale Verlierer der Wende mit ausgeprägter Alkoholabhängig keit? Wohl kaum …
Wie stehst du persönlich zu den Vorwürfen der Fans, ständig von der Polizei schikaniert zu werden? Ich persönlich habe eine total harm lose Fahrt mit den Ultras des Halleschen FC nach Magdeburg mit gemacht. Die Polizei war sehr relaxt, selbst nachdem einiges im Stadion abgegangen war. Eine andere Fahrt war die nach Sankt Pauli vor ein paar Wochen. Und da gab es so Szenen wie im Stück beschrieben, dass man sich ständig von Bahnhofsautomaten ernährte und Polizisten einen voll sinnlos angekackt haben. Allerdings waren die Polizisten vielleicht auch noch aus einem anderen Grund sauer. Nach einer Scheißsituation mit den Busfahrern hat sich aus den HFC- und LOK-Fans eine spontane Demo für rechts gebildet. Gesänge wie »Rudolf Hess, das war Mord« fielen. Das sind sicher Extremfahrten. Aber ich glaube den Ultras, was sie im Stück über das Verhalten der Polizei sagen. Solche Geschichten werden schließlich von Fans anderer Vereine gestützt und ich finde so eine Art von Polizeiwillkür natürlich beknackt. Die »Juden-Jena« Rufe wollten die Ultras ursprünglich nicht thematisie ren. Mit welchen Hintergrund hast du dich durchgesetzt und das Thema dennoch auf die Bühne gebracht? Die Ultras in Halle, allen voran die Saalefront, behaupten von sich »unpolitisch« zu sein. Das heißt, sie unterlassen politische Statements im Stadion oder auf der Fahrt. Ja, sie gehen bei Gelegenheit sogar dazwi schen, wenn rechte Slogans zu deut lich fallen. Allerdings tragen die meisten der Jungs gerne Thor Steinar, Masterrace usw. (auch unpolitisch?) und lassen öfter mal das Wort Kanake fallen. Wenn was zu teuer ist, ist der Preis »jüdisch.« Nach dem Sankt
102 Pauli-Spiel habe ich eine Diskussion mit den Jungs geführt, wo mir jemand von der Saalefront sagte, dass es schon stimmt, die Bezeichnung »unpolitisch« sei nicht ganz korrekt. Die Gruppe ist mehrheitlich rechts, nur versuche man das Image nicht zu v erbreiten. Weil da für mich ein Widerspruch liegt und ich mit den Jungs dauernd politische Diskussionen hatte, war es mir wich tig, die J uden-Jena-Rufe mit auf die Bühne zu b ringen. Aus welcher Moti vation die Jungs das gebrüllt haben, wird mir aber auch klar: Sie erfassen das ganze Problem nicht. Welchen Eindruck haben die Dar steller bei dir hinterlassen? Das sind witzige Typen. Die wenigsten von ihnen können das auch so einfach, den Schalter zur Gewalt umlegen. Aber einige können es. Und das schwebt schon manchmal in der Luft. Sowieso finde ich das ganz schon krass, nur von einer Sache zu reden: HFC, HFC, HFC … Aber die sind wirklich fana tisch. Da hat es mich gewundert, wie schnell die Jungs sich in so was Krea tives wie Theater einfuchsen konnten. Die Kritik der Medien geht von Skandal bis sehr gelungen. Würdest du das Stück nochmal genauso auf die Bühne bringen? Ich weiß es nicht. Ich habe das Stück nicht alleine gemacht. Die Protagonis ten aus der Ultraszene, der FCM-Fan Steven Michl, mein Team und ich ha ben das in einer schwierigen Balance gemacht. Aber ich kann sagen, dass ich es sehr, sehr anstrengend fand. Noch bevor irgend ein Reporter auftauchte! Jeden Tag eine Grundsatzdebatte. Dauernd wollte jemand abspringen … Wie stehst du zu dem Vorwürfen, die Laienaufführung diene einer unreflek tierten Opferrollendarstellung mit
dem Versuch, Gewalt und Antisemitis mus zu legitimieren? Es ist ein dokumentarisches Stück. Die Jungs erzählen ihre Geschichten. Natürlich erzählen sie ihre Geschich ten auch so, wie sie es sehen. Und sei es, dass sie selbstmitleidig über eine verpasste Gelegenheit, sich was zu essen zu besorgen, meckern. Ich glaube, der clevere Zuschauer sieht das. Etwas anderes ist es bei Gewalt und Antisemitismus. Da befinden sich die Darsteller auf der Bühne stets im Gespräch mit einem kritischen Gegen part – etwa dem Vereinsmanager, der die Fakten auf den Tisch bringt: So’n Verhalten kostet den Verein fünfstel lige Summen, und als Ultra sollte man doch immer für den Verein stehen. Auch in der Juden-Jena-Szene, in der die antisemitischen Schmährufe gegen die Spieler und die Anhänger des FC Carl Zeiß Jena behandelt werden, ste hen sie absolut nicht kritiklos da. Der Radioreporter sagt ihnen ganz klar, das ist rechtsradikales Denken, mit dem man nicht einfach so spielen kann. Ich finde also schon, die Jungs stellen sich gerne mal als Opfer dar. Bei den wichtigen Punkten jedoch gibt es genug Kritik im Stück. Was soll bei dem Zuschauer letztend lich hängen bleiben? Vielleicht ist es mir wichtig, dass die Zuschauer nicht nur die Weltsicht der Ultras kapieren, sondern auch, dass da Individuen dahinter stehen. In der Masse findet man sie entweder cool oder abschreckend, aber die Individuen mit ihren Biographien bilden wirkliche Andockpunkte für kritische Fragen. Was wird das Stück deiner Meinung nach in den Köpfen der Protagonisten und der gesamten Fanszene bewirken? Oh, da hoffe ich nur das Beste! Ich glaube schon, dass wir einiges ins
103 ollen gebracht haben, nur glaube ich R nicht an die revolutionäre Kraft von Theater oder so. Ich kann mir viel eher vorstellen, dass ein plötzlicher persön licher Kontakt nach einem Publikums gespräch die Jungs vielleicht doch mal über ihren Schatten springen lässt. Die Aufführungen sollen im nächsten Jahr fortgeführt werden. Sind für die zweite Staffel Änderungen oder Erweiterungen geplant? Nee, bis jetzt nicht. Aber ein paar neue Sniffs kommen da sicher. Was macht der »Skandalregisseur« nach Abschluss der ersten Staffel? Zurück nach Berlin! Und nach Dres den, wo mein nächstes Stück Premiere hat. Aber diesmal habe ich nicht sel ber Regie geführt, nur geschrieben. Ich guck’s mir mal ganz entspannt an.
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Sehr geehrte Frau Westphal, vielen Dank für die Zusendung des offenen Briefes zur Inszenierung des Stückes Ultras im Thalia-Theater Halle. Ich kann Ihnen nur zustimmen, dass diese Inszenierung ein Erfolg war, inhaltlich und darstel lerisch. Wir, das Fanprojekt Magdeburg, haben die vorletzte Aufführung der ersten Staffel mit Begeisterung angesehen und Ihren offenen Brief auf unserer Homepage veröffentlicht, da auch die Magdeburger Ultras die Debatte um dieses Stück interessiert verfolgen, einige sich die Vorführung angesehen haben und sie in diesem Fall ihren Erzrivalen aus Halle Respekt zollen. Irritiert hat am offenen Brief allerdings die aufgeführte Begründung, warum die Ultras von der Saalefront nicht mehr weiterspielen wollen. Wir waren am letzten Donnerstag selbst Zeugen der Auseinandersetzung zwischen den Spielern und dem Regisseur, auch die Fanradiosendung mit Dirk Laucke haben wir verfolgt. Beide Male ist etwas schief gelaufen, was man nicht allein mit einer beleidigten (Ultra)- Familie begründen kann. Ich würde hier nicht von Beleidigung sprechen, sondern von einem doppelten Verrat. Der erste Ver rat fand am eigenen Stück statt, indem der Regisseur öffentlich aus den Ultras Halle die Saalefront- Ultras machte und somit aus Hamlet einen Störer der Totenruhe werden ließ, was allen Kritikern des Stückes, die den Unterschied zwischen Realität und Bühne nicht beachten, in die Karten spielt. bitte wenden
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Der zweite Verrat bestand darin, dass sich Laucke nach drei Monaten gemeinsamer Arbeit und der Teil nahme an für Ultras heilige Sitzungen und Busfahrten plötzlich auf eine öffentliche Debatte über die Rechtslastigkeit seiner Kollegen einlässt, die er anscheinend zuvor sowohl intern als auch extern vermieden hat, worauf zumindest die Reaktion der »Saalefrontler« während der Diskussionsrunde schließen lässt. An dieser Stelle wäre jede Ultragruppe, ob links, rechts oder tatsächlich unpolitisch, ausgestiegen. Aus meiner Sicht, wenn ich das mal so sagen darf, liegt es jetzt nicht nur an den Spielern von der Saalefront, einen Schritt hin zur zweiten Staffel zu unternehmen, sondern auch am Regisseur, auf seine Kollegen und auf sein eigenes Stück zuzuge hen. Alles Gute und viel Erfolg für Ihre weitere Arbeit. Mit freundlichen Grüßen. Jens Janeck Fanprojekt Magdeburg
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111 Stellungnahme der beteiligten Ultras zum Abbruch des Projektes
Ultras: Die Bühne gehört uns Die Bühne gehört uns, leider war das nicht immer der Fall. Nach der gelungenen Premiere und weiteren geglückten Vorstel lungen im Thalia Theater mussten wir leider die Reißleine zie hen und aus dem Projekt austreten. Was war der Grund dafür? Erst ein paar Tage nach der Uraufführung zeigten sich die wah ren Beweggründe des Regisseurs Dirk Laucke. Ihm ging es nicht um die Ultras, ihm ging es einfach nur darum, sein politisches Gedankengut der breiten Masse kund zu tun. So ging er von Presseanstalt zu Presseanstalt und zog unsere Gruppe mit sei nen Lügen in den Dreck. Außerdem plauderte er interne Sachen in den Medien aus. Dirk Laucke, der uns mehrere Monate be gleitet hat und den viele in ihr Herz geschossen hatten, hat uns auf einer abartige Art und Weise hintergangen, dass uns nichts anderes übrig blieb als dem Projekt den Rücken zukehren.
112 Interview mit Christoph Achilles »Chrille« 24 Jahre, seit 2001 HFC-Fan, seit 2005 Ultra, Verwaltungsangestellter in einem Forschungsinstitut, als Kind Theater gespielt, aber ansonsten vorher keinerlei Bezug zu Theater gehabt.
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114 Wie bist du zum HFC gekommen? Über Freunde. Ein Kumpel von mir hat mich da mal mitgenommen und dann hat es mich gepackt. Dann war ich immer öfter da und dann hatte ich irgendwann das erste Auswärtsspiel, das war auch so in dem Zeitraum, so 2002 ungefähr. Und dann habe ich gemerkt, das ist meine Leidenschaft und bin dann am Ball geblieben. Seit damals, also seit sieben Jahren, fahr ich dann auch fast zu jedem Spiel. Spielst du selber Fußball? Ich habe mal selber gespielt, aber mit 18 Jahren aufgehört, weil es zeitlich einfach nicht mehr gepasst hat. Das am Wochenende war dann einfach viel zu viel: Freundin, Familie, Fußball … das muss man dann alles unter einen Hut kriegen und da muss man dann Abstriche machen und dann hab ich mich dann halt gegen das aktive Fuß ballspielen entschieden und für das aktive Fan-Sein. Genau, das wäre meine nächste Frage. Ultra ist ja sozusagen eine besondere Art von Fan-Sein. Wie bist du dazu ge kommen und seit wann? Da ich ja als Jugendlicher ins Stadion kam und es damals ja schon Ultras gab, hat mich das von Anfang an fas ziniert, was die da gemacht haben, mit der Stimmung, Bengalos zünden und alles, was da vor sich ging im S tadion, das fand ich von Anfang an geil. Ich habe mich auch immer im Umfeld die ser Leute aufgehalten, weil da nun mal die Stimmung war, hab dann da im Block gestanden und irgendwann auf Auswärtsfahrten h aben sich dann die ersten Kontakte so ergeben zu den Leuten, dieser Gruppe und dann ist es halt ein langer Prozess, eh man da so richtig drin ist. Das war dann so 2005, wo ich dann richtig in der Saalefront drin war. Zwei, drei Jahre hat es schon
gedauert. Das ist halt nicht leicht, da rein zu kommen und sich irgendwie Respekt verschaffen. Halt klar machen, dass man nicht nur mal eine Saison mit fährt, sondern dass man eingefleisch ter Fan ist. Nach zwei, drei J ahren, sag ich mal, ist es dann auch möglich, Mitglied zu werden. Wie alt warst du da, 2005? Da war ich 20. Gibt es denn dann so ein Aufnahme ritual, oder sagt dann jemand: Hey jetzt bist du Mitglied in der Gruppe? Nein, das war so … Damals gab es ja nur eine Gruppe, das war die Saale front und es gab eigentlich nichts an deres im Ultrabereich und das war halt DIE Gruppe überhaupt. Heute ist das ja anders, heute gibt es ja mehrere Gruppen, Jugendbande – Nachwuchs gruppe von uns – oder andere Ultra gruppen. Ja, wie war das? Da war eine Mitgliederversammlung … und da wurde das so eingebracht: Ja, wollen wir Chrille aufnehmen? Und es wuss ten halt alle schon Bescheid, wer ich bin und so und dann haben sie gesagt: Ja. Ich war halt vorher auch schon ak tiv beim Malen von Choreos und so, also, da war ich jetzt schon bekannt. So war das, und dann war ich halt Mitglied (lacht). Und was ändert dann so eine Mit gliedschaft? Man ist halt ein Teil davon, das ist für mich persönlich wichtig. Da kann man irgendwo auch stolz drauf sein. Was ändert sich dadurch? Man ist viel mehr eingebunden, im Internet gibt es ein internes Forum, was nur Mitgliedern vorbehalten ist. Da kann man sich an Diskussionen beteiligen, kann eigene Ideen einbringen, was sonst schwierig ist. Man kann die Gruppensachen tragen (lacht), auch eine feine Sache.
115 Die kann man dann stolz präsentieren. Ja, man ist halt dann ein Teil davon … Und kann mitreden und es mit gestalten … Richtig, richtig. Hat sich Deine Einstellung zu Theater geändert? Ja, würde ich schon sagen. Warst du jetzt danach mal im … Ich war noch nicht, aber ich habe auf jeden Fall vor, das nicht aus den Augen zu verlieren und mir ein, zwei Vorstellungen noch mal anzugucken, auf jeden Fall. Jetzt gehen wir mal ganz an den Anfang zurück: Wir sind ja zu euch ins Fanhaus gekommen, haben das Projekt vorgestellt und du hast dich ja dann irgendwann entschlossen und hast gesagt: Ja, okay, ich will da dabei sein. Warum? Was war so deine Moti vation? Einerseits für mich persönlich die He rausforderung, auf der Bühne zu ste hen und das zu zeigen, was man lebt, fand ich eine geile Sache. Ich habe es mir persönlich auch zugetraut und da ich wusste, dass das Projekt gemacht wird, dass Leute von uns sich da hinstellen und ich mir das zugetraut habe, da habe ich gedacht: Kannst du machen. Und dann allgemein für un sere Szene: eine gute Gelegenheit, sich zu zeigen. Dadurch, dass Dirk meinte, es wird so oder so ein Theaterstück über HFC-Fans aufgeführt, dann war es für uns klar: Wenn, dann über uns. Was hast du in dem Projekt selbst als besonders interessant oder spannend empfunden? Ihr habt ja viel gemacht, im Mai ging das ja im Prinzip schon los … Na ja, ich fand es halt krass, wie man
so zusammen wächst, wenn man immer so auf einem Haufen ist. Man muss schon sagen, dass wir ein ein gespieltes Team geworden sind. Ich habe auch die anderen Darsteller viel besser kennen gelernt; auch vom Team, euch … Ja, das man sich menschlich so näher gekommen ist. Dass man immer viel Zeit miteinander verbracht hat … Richtig. Für dich persönlich, was hat dir das Projekt Ultras gebracht, ganz für dich gedacht? Ihr habt ja viel Zeit rein ge steckt und viele Nerven, es gab viele Diskussionen. Ihr wusstet, es wird ein Stück über Ultras … Tja, was hat es für mich persönlich gebracht? Ich würde sagen, ich habe mir selbst bewiesen, dass ich so was kann. Dass ich vor 280 Menschen stehen kann und da eiskalt mein Ding runter spielen kann. Das habe ich mir selbst bewiesen und da bin ich auch stolz drauf. Also wenn ich jetzt zurückblicke … Man ist auch im Nachhinein vielleicht sicherer, selbst bewusster, ich weiß nicht, so in die Richtung. Also, das hat es mir persön lich jetzt gebracht. Na, du hast das ja auch super gemacht auf der Bühne. Es haben ja dann auch immer alle gesagt: Ja, gucke an, hier … Ja? Ja Danke. Da denke ich mir dann immer in irgendwelchen Situationen: Warum soll ich da jetzt aufgeregt sein, ich stand vor 280 Leuten und habe geschauspielert. Wenn ich das kann, dann kann ich auch das. Warst du sehr aufgeregt? Ja! Ich war vor jeder Vorstellung total aufgeregt. Also, ich hab es nicht weg gekriegt. Und einmal, da hatte ich ja
116 auch ein Blackout. Das war in der vorletzten, glaub’ ich … Da stand ich da, ich wusste einfach nicht … Und dann habe ich halt noch einmal angefangen und dann ging es. Na ja, Premiere war natürlich am meisten. Zumal ich ja auch in der ersten Szene bin, ich bin der Zweite, der rein kommt … und wenn das schief geht … Was hast du so Neues gelernt während des ganzen Projektes? Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen blöd, aber ich glaube … Naja, jetzt mal so grundsätzlich, was habe ich gelernt? Dass man halt nicht zu schnell Leuten Vertrauen schenken sollte, dass man das mit Bedacht tun sollte. Das ist vielleicht so das, was ich daraus mitnehme. So verführerisch, wie alles auch klingt und sein mag, aber man muss immer einen kühlen Kopf bewahren. Auch wichtig sind Meinungen anderer Leute, die einem da sicherlich gut zur Seite stehen. In dem Fall meinst du jetzt den Konflikt, den ihr mit Dirk am Ende hattet. Ja, das meine ich damit. Rückblickend wichtig waren auch immer die Mei nungen derer, die nicht im Projekt drin waren. Weil man das vielleicht nicht so wahrhaben wollte, weil man vielleicht zu sehr drin war. Manche Leute haben es auch ja nur gut gemeint, das darf man ja auch nicht vergessen … Wie war denn die Arbeit mit Dirk bis es zu dem Bruch kam? Die war gut. Super. Wir haben ja auch privat mal was gemacht, sind zusam men weggegangen und alles. Aber ich hatte halt auch das Gefühl, dass er uns viel besser kennt als wir ihn. Warum? Wie kommt das?
Na ja, er hat viel über uns wissen wollen und wir haben ihm das ja auch erzählt, weil wir ihm vertraut haben. Aber Dirk an sich, so wie er tickt, das haben wir ja nicht wirklich gewusst und das ist uns auch im Nachhinein erst so bewusst geworden. Welche persönlichen Erwartungen und Wünsche hattest du an das Projekt? Ich hatte die Erwartung, dass unser Thema »Ultra« als Positives dar gestellt wird. Ultra hat ja nun leider auch einen negativen Ruf in der Öffentlichkeit und unter den Fans auch. Ich habe das als Chance gese hen, das als positives Element im Fußball darzustellen. Das heißt – das ist ja auch meine Auffassung – Ultra ist nichts Schlimmes oder etwas Negatives, sondern es ist, im Gegen teil, eher etwas Positives, das den Fußball bereichert und auch in seinen Traditionen am Leben hält, und das war, ja, das war halt mein Wunsch, dass Ultra im Gesamten, auch in der breiten Öffentlichkeit, als etwas Positives angesehen wird. Ist man da auf deine Wünsche und Erwartungen eingegangen, im Prinzip die Ultras auf eine andere Plattform zu bringen, einer breiten Öffentlich keit zu präsentieren? Das habt ihr ge macht, indem ihr das Stück entwickelt habt, ist das dann auch so umgesetzt worden, ist das in irgendeiner Art und Weise erfüllt worden? Die positiven Aspekte kommen ja auf jeden Fall zum Tragen, nur leider ist es nicht das, was in den Köpfen wahr scheinlich hängen bleiben wird. Natür lich wollte man nichts beschönigen und so, aber die negativen Sachen ge hören nun mal dazu. Nur das ist wahr scheinlich das, was bei vielen im Kopf bleibt, gerade vielleicht auch durch die mediale Berichterstattung. Und da
117 muss ich leider im Nachhinein sagen, ist es nicht wirklich gelungen, die posi tiven Aspekte so in den K öpfen zu lassen, sondern es waren eher die nega tiven. Also auch, wenn man jetzt noch über das Stück spricht mit anderen, dann ist es halt das „Skandalstück« und das ist halt nicht das, was wir wollten. Meinst du, dass es die Presse, die Öf fentlichkeit verpasst hat, das Thema Ultras zu diskutieren, also, wirklich zu diskutieren? Ja. Ich denke, dass die Medien über haupt nicht begriffen haben, was Ultra ist, und dass sich nur oberfläch lich auf kleinere Sachen im Stück beschränkt wurde. Die Diskussion führte eigentlich nur über Rechts extremismus, auch weniger über Gewalt, was ich auch mehr gedacht hätte, dass das Thema Gewalt eine größere Fläche bekommt – auch kaum. Und Ultra an sich war ja nun kaum Gegenstand der Diskussion. Also würdest du sagen, die Entwick lung des Stückes, diese Phase war super, war okay. Das, was im Stück gezeigt wurde, entspricht auch dem … Entspricht halt auch speziell unserer Szene. Was du zeigen wolltest. Man muss auch sagen, dass es da Unterschiede gibt innerhalb von Deutschland. Jede Gruppe ist anders, man kann das nicht auf die ganze Bewegung übertragen. Jede Szene ist ein eigener Mikrokosmos, das ist halt so. Aber wir haben halt das gezeigt, wie wir sind. Man kann das nicht wirklich verallgemeinern auf Ultras. Bei den Publikumsgesprächen sind ja immer echt viele Leute drin sitzen geblieben. Wie hast du denn das empfunden?
Das fand ich auf jeden Fall gut. Also allgemein fand ich gut, dass so viele Leute zu den Vorstellungen kamen, um sich eine eigenes Bild zu machen. Umso besser fand ich, dass die dann auch noch das Gespräch gesucht haben, viele, um halt Missverständ nisse aufzuklären oder klar zu stellen. Fand ich auf jeden Fall gut. Was hast du am liebsten gemacht während des ganzen Projektes? Na, gespielt. Die Vorstellungen h aben mir am meisten Spaß gemacht. Was hat dir absolut nicht gefallen? (Pause) Pfff … Gab es irgendetwas, was dich angenervt hat? Mal abgesehen von der Kiste mit Dirk. Ja. Ansonsten hat mich immer ein bisschen genervt diese Disziplin losigkeit bei manchen Proben. Das hat mich wirklich auf die Palme gebracht manchmal, aber da stand ich oftmals alleine da … Dagegen ist man machtlos. Ja, aber das sind ja Sachen, die sind nicht weiter wild. So sind die Leute nun mal … Hast du irgendetwas vermisst? In dieser Zeit. Hab ich etwas vermisst? Meinst du jetzt auch privat? Ja, ja. Oder was man besser hätte machen können, was dir gefehlt hat. Gut, die Disziplin war jetzt nicht so … Ja, aber wenn es darauf ankam, war es schon in Ordnung. Es war ja auch sehr zeitaufwendig für dich. War das für dich eine Belastung? Weil, du gehst ja immer arbeiten. Ja, das war eine große Belastung. Ich bin berufstätig, von 7 bis 16 Uhr jeden Tag von Montag bis Freitag
118 und dann muss man danach immer noch die Proben einplanen, was ja dann am Ende täglich war. Da fallen andere Sachen nun mal hinten runter, ist ja völlig klar. Ich hatte keine Zeit mehr, um einkaufen zu gehen, mein Kühlschrank war stän dig leer, die Geschäfte haben auch bloß bis um acht offen … Das sind halt solche Kleinigkeiten, die am Ende auch zu einem Problem werden können … Aus dem normalen Leben rausge rissen? Ja, auch Freundin nicht so oft sehen können, Familie sowieso. Mein Haus halt sah manchmal aus, keine Socken mehr gehabt und nichts, weil nichts gewaschen war, einfach keine Zeit gehabt. Und natürlich auch – das ist jetzt das eine – und die Fußballsache das andere. Wenn Aktionen vorzu bereiten waren, dann waren wir halt nicht zur Verfügung. War das Gefühl nach der Premiere und den weiteren Vorstellungen, wenn du auf der Bühne standest und Applaus kam, eine Entschädigung für die ganzen … Ja, definitiv! Wie hast du dich gefühlt nach der Premiere? Gut. Super. All das, was wir hier durch gemacht haben, hat sich im Endeffekt gelohnt gehabt. Grad zur Premiere, wo die Anspannung am größten war und wo dann auch die wichtigs ten Leute, meine Familie und alle da waren und dann das da alles super funktioniert hat und der A pplaus war ja unglaublich … In dem Moment hat sich alles gelohnt gehabt. Würdest du an einem ähnlichen Projekt wieder teilnehmen wollen,
Theater spielen zum Beispiel? Also, ich habe da, glaube ich, ein kleines Talent für mich entdeckt, was Schauspielerei angeht, aber da muss schon was dahinter sein. Einfach mal so was schauspielern, das sicher nicht. Eingebunden thematisch in ein Projekt … Ja, ich habe ja nebenbei noch mein anderes Leben … Aber was jetzt Thema Ultra oder so angeht, hm, ich glaube schon, dass ich mir das vor stellen könnte, da nochmal aktiv zu werden. Das Projekt, wie hat dich das geprägt? Du hast ja vorhin schon mal gesagt, allein dieses auf der Bühne stehen können und vor 280 Leuten spielen, das prägt einen ja schon … Ja, auch viel Selbstbewusstsein. Auch das mit der Presse und alles … Da ist man am Anfang total aufgeregt, das ist halt so ein Ding, womit man normalerweise nicht konfrontiert wird, aber ich würde mal behaupten, mittlerweile kann man das schon ganz cool machen. Ohne sich da groß Gedanken zu machen. Ihr wolltet ja eigentlich gar nicht so mit der Presse zusammenarbeiten, ihr habt das ja dann trotzdem gemacht. Wie denkst du denn darüber? Die haben euch ja angesprochen, haben euch ja auch interviewt, ihr habt ja mit denen sozusagen den direkten Kontakt gehabt. Wie würdest du jetzt rückblickend diese Zusammenarbeit beschreiben? Na ja, im Nachhinein ist man eben immer schlauer. Wir haben eben auch noch nicht die extreme Lebenserfah rung, um das im Vorhinein abschätzen zu können, was dann da geschrieben wird oder ausgestrahlt wird. Also haben wir uns da auf unbekanntes
119 Eis begeben. Als dann die ersten Presseartikel, besser gesagt, das, was da bei 3sat kam … Da sind wir auf gewacht, sag ich mal so. Tja, Thema Vertrauen: Man sollte nicht zu früh jemandem vertrauen, den man viel leicht gar nicht wirklich kennt … Auch der Presse? Auch der Presse. Das ist eine Lehre für uns gewesen. Was würdet ihr jetzt anders machen? Oder was würdest DU anders machen? Hm. Ja, wir haben es ja dann im Endeffekt schon so gemacht, dass wir ausgewählt haben, wem wir zur Verfügung stehen und wem nicht. Es ist immer schwierig, vorher zu wissen, was wird da geschrieben und so … Auf jeden Fall eine sehr skeptische Grundhaltung einzunehmen, das ist das, was ich jetzt daraus ziehe. Wie beurteilst du den Erfolg oder Misserfolg des Projektes? Es gab ja dann so Diskussionen zum Ende, auch öffentlich. Ich habe es ja immer nur über die Zeitung erfahren, dass man eben gesagt hat, es ist ein nicht ge lungenes Projekt. Welche Meinung hast du dazu? Zum Ergebnis. Also zum Ergebnis muss ich auch sa gen, es ist nicht das gelungen, was wir vorhatten, sprich: Das, was wir ma chen, unser Leben, als etwas Positives darzustellen. Die Leute, die im Stück waren, gehen da vielleicht mit einer anderen Haltung raus, aber ich sag mal, 99 % der Leute, die Zeitung lesen und sich nun mal über solche Medien drüber informieren, die nehmen da andere Sachen raus. Ich habe das auch schon in meinem Umfeld leider mitbe kommen müssen. Bei mir auf Arbeit wurde auch darüber diskutiert und es gab eben auch Leute, die sich gesagt haben: Ich habe gehört, Herr Achilles
ist Schauspieler, und Ultra, ich habe gehört, das sind Rechte und so … Das ist halt das, was so normale Leute daraus mitnehmen. Und dann muss man im Endeffekt sagen, das ist nicht das, was wir wollten, von daher ist es leider in die falsche Richtung gegangen. Und die Leute waren aber nicht im Stück, die haben sich das nicht angeguckt? Natürlich nicht. Die haben da sicher lich auch kein Interesse, sich zu informieren, die lesen halt Zeitung und das war’s. Da wurde der Artikel vielleicht auch bloß überflogen: Ultras, Rechte und dann … Und wie ist das ausgegangen? Na ja, da hatte ich halt totales Glück, weil eben auch etliche Kollegen im Stück waren und dann Aufklärungs arbeit leisten konnten. Man muss sich aber nur mal vorstellen: Dein Chef kriegt so was in den falschen Hals. Das kann auch böse enden, zumal ich zu dem Zeitpunkt noch in der Probe zeit war. Ihr habt ja immer gesagt, ihr seid unpolitisch, dass Politik da keine Rolle spielt bei den Ultras, aber letzt lich gab es ja dann wieder die Situa tion, dass genau an diesem Punkt … das Projekt ja auseinander gekracht ist. Also sagen wir mal, die Gruppe. Erst mal gab es ja zwischen euch auch ein Haufen Diskussionen und dann ist die Freundschaft zu Dirk auseinan der gebrochen, genau an dieser Stelle … Wieso passiert das? Stimmt das nun, dass ihr unpolitisch seid oder stimmt das dann doch wieder nicht? Das, was Dirk in Interviews gesagt hat zum politischen Standpunkt von euch, ist das dann eine Lüge gewesen? Oder wie ist das?
120 Na, ich würde das eher so sagen, dass wir auf jeden Fall unpolitisch sind – zumindest im Stadion. Also da spielt nur Fußball für uns eine Rolle. Was abseits des Fußballplatzes ist, ist Pri vatsache. Jeder kann dann in jeder Partei sein, die er auch immer toll findet, also wählen was er will. Das interessiert uns nicht in dem Sinne. Wichtig für uns ist, dass wir im Stadion unpolitisch sind und auch so auftreten. Für uns zählt nur Fußball, der Rest ist uns egal. Ich muss natür lich trotzdem sagen, dass wir nicht unbedingt politisch korrekt sind. Das liegt einfach daran, dass … In der Gruppe, oder einzeln? Nein, allgemein, Fußballfans, HFCFans, wir. Wir machen uns halt auch einen Spaß aus manchen Formulie rungen und versuchen, den Gegner zu beleidigen mit Sachen, die unter der Gürtellinie sind. Das ist nun mal Fußball und politisch vielleicht nicht korrekt, wo andere was rein inter pretieren, was gar nicht so ist. Also im Prinzip macht ihr politische Äußerungen – also eure Äußerungen oder Provokationen, die politisch interpretiert werden vom Umfeld – und ihr sagt aber, nein, wir meinen das aber als Provokation und nicht politisch, oder wie? Richtig. Wobei man sagen muss, mittlerweile gibt es ja solche krassen Schmährufe die ja nicht mehr, weil’s vom DFB entsprechend bestraft wird, aber es gab halt auch andere Zeiten, wo das noch nicht so war und da hat man dann halt die Grenzen ausgetestet, da ging man dann halt ziemlich weit, was diese Beleidigungen angingen. Man macht sich da halt keine Gedanken, man ruft das, der Gegner springt drauf an, das ist Fußball, das ist Hass gegeneinander, das finden wir geil.
Aber du weißt schon um die Bedeu tung dessen, was da gerufen wird? Ja. Und du machst es trotzdem weil du sagst: Es ist schön provokant und der Gegner springt darauf an und du erreichst damit dein Ziel, dass der sauer ist. Ja. Leider hat das auch eine Außen wirkung. Wären das nur Fußballfans untereinander und es kriegt keiner mit, dann interessiert das auch keinen, weißt du? Die hören das und wir rufen das und es interessiert dann halt niemanden, aber man hat halt die Außenwirkung in einem öffentlichen Stadion und … Ich habe mich dann immer gefragt, gibt es nicht eine andere Art von Provokation? Ja, gibt es auch. Weil die Ultras rutschen ja dann immer wieder genau in diese Schiene rein, wo sich dann die Presse auch drauf stürzt, oder eben politische Gruppierungen, weil die das natürlich politisch sehen Auch wenn ihr sagt, ihr meint das nicht politisch, da kommt man nicht so wirklich drum herum, weil man lebt ja nicht autark. Das schadet eurer Gruppe ja eigent lich, wenn du so willst. Ihr habt ja immer Stress damit. Also bei dem Theaterprojekt muss ich auch sagen, fand ich sehr schade, dass genau wieder an der Stelle das Ding ausein ander gebrochen ist. Aber es ist auch wichtig, das zum Thema zu machen, keine Frage. Aber gibt es nicht einen Weg, anders zu provozieren? Ja, gibt es auch. Das sind dann halt harmlosere Beleidigungen. Aber es gibt auch Sachen, die jetzt nicht unbedingt mit Politik in Verbindung gebracht werden, die auch krass sind.
121 Wir singen zum Beispiel: Es kommt die Zeit, in der die Elbe wieder steigt. Da wünschen wir denen Hochwasser und das ist auch nicht gerade die feine Art, aber da regt sich halt niemand auf, weil da anscheinend kein politi scher Hintergrund ist. Das ist dann die Naturkatastrophe. Ja, pfff. Natürlich meint man das nicht ernst. Ich wünsche denen das jetzt nicht, aber das ist halt so eine Sache, ich provoziere die damit und dann ist gut. Und das passiert aber dann schon außerhalb des Stadions? Das ist dann nicht mehr … Nein, das wird dann auch innerhalb vom Stadion gesungen und die rufen dann halt … was rufen die, keine Ahnung … Die Saale steigt. Na dann rufen die zum Beispiel, ach was weiß ich, da gibt es ja so viel Halle ist Scheiße, Halle ist Dreck. Eine Bombe, Halle ist weg. Na ja gut, das meinen die nicht ernst, die wollen jetzt keine Atombombe über Halle abwerfen, aber das ist halt Provoka tion im Stadion. Aber ist das dann politisch, oder wie ist das? Nein, das ist halt einfach Fußballfans beleidigen andere Fußballfans. Na, als ich das erste Mal in Babelsberg mit war, da habt ihr auch was gerufen irgendwie, wir sind hier zu Gast … irgendwas mit kniet nieder … Das geht so: »Kniet nieder ihr Bauern, Halle ist zu Gast.« Dann singt Magdeburg halt: »Kniet nieder, ihr Bauern, eure Hauptstadt ist zu Gast.« Und dann singen wir: »Kniet nieder ihr Bauern« … ach da gibt es ja so
viel, was sich gegenseitig hoch putscht. Also das finde ich ja irgendwie auch wieder witzig. Ja, aber man will ja mit diesen Gesän gen den Gegner beleidigen, der soll ja dann abkotzen. Das erreichst du ja nicht, wenn du singst: ‚Scheiß Babels berg.‘ Das interessiert die ja nicht. Da lachen die ja nur drüber. So, die Bewertung der Reaktion von Presse und Öffentlichkeit, das hatten wir ja dann schon, oder fällt dir noch was dazu ein? Na ja, ich hatte halt das Gefühl, dass es den Medien nie ums Thema ging, sondern nur um Sensation. Man muss natürlich auch sehen, welche Medien was geschrieben haben, aber letzt endlich haben sich alle nur auf diesen angeblichen Rechtsradikalismus im Stück gestürzt. Wenn es den nicht gegeben hätte, hätten wahrscheinlich 70 % weniger überhaupt etwas gebracht und wenn, dann ging’s viel leicht um Gewalt oder so. Es war immer nur auf diese Sensationsscheiße ausgerichtet. Wie schätzt du das denn ein bei den Ultra-Gruppierungen? Ist denn die Tendenz dann schon so, dass da – wenn man die jetzt einzeln nimmt – die Gesinnung schon mehr rechts, also konservativ-rechts ist, oder wie würdest du das einschätzen? Na ich kann ja nur von unserer Gruppe sprechen. Jede Gruppe ist da anders und man kann auch nicht Gruppen in so eine Schublade ste cken. Jeder hat sein eigenes Denken. Ich bin Anhänger von der PiratenPartei und der nächste ist von der SPD oder was weiß ich. Man kann da jetzt keine spezielle Strömung oder so erkennen. Aber klar ist eins,
122 berall dort, wo große Gruppen sind, ü gibt es auch viele Mitläufer und die machen dann das, was ihre Idole machen. Da gibt es dann vielleicht Ultra-Gruppen, wo es irgendwelche rechten Tendenzen gibt und da sind dann halt Mitläufer, die das meinen auch machen zu müssen. Dann gibt es anders wieder viele linke Gruppie rungen – was heißt links, kann man gar nicht so kategorisch sagen, aber die halt diesen Touch h aben – und da gibt es dann viele Mitläufer, die das mitmachen. Aber grundsätzlich geht es vielen Gruppen nicht um Politik. Es geht um Fußball und mehr nicht. Man sieht das ja auch, wie wir im Stadion auftreten, wir haben ja keine politischen Fahnen oder Spruch bänder oder so was, da geht’s ja nur um den HFC. Aber vorgeworfen wird es euch trotzdem. Ja. Da werden dann so sinnlose Sachen herangezogen wie: Wieso n ennt ihr eure Gruppe ‚Saalefront‘, das klingt ja schon rechts und wieso habt ihr die Schrift, die sieht ja schon rechts aus. Solche sinnlosen Argu mente … Beschäftigt ihr euch dann damit, mit solchen Argumenten? Mittlerweile nicht mehr. Das ist ja immer ein Negativ-Image, was man dadurch hat. Und ihr habt aufgegeben. Ihr sagt: Es ist halt so. Na ja, wer solche Aussagen trifft, der hat keine Ahnung. Mit dem brauchen wir uns nicht großartig unterhalten. Die Leute, die Ahnung haben, die wissen uns auch einzuordnen, auch jetzt vom Verein und so. Die haben damit überhaupt kein Problem, dass wir da »Saalefront« drauf stehen haben, das ist nun mal so.
Und dein Umfeld, haben die das jetzt ein bisschen besser verstanden? Weil da waren ja auch viele, hast du gesagt, Arbeitskollegen drin, Freunde, Familie, mit denen du dich ja vorher vielleicht auch schon drüber unter halten hast, dass du eben Fußballfan bist und da ein besonderer Fußball fan. Ist da irgendetwas aufgebrochen? Habt ihr das nochmal thematisiert, hast du irgendwie jetzt gemerkt, ah, ja okay, die haben jetzt dadurch mehr verstanden von dieser Szene? Das würde ich schon sagen, weil viele im Umfeld sind ja keine Fußballfans, die gehen vielleicht einmal im Jahr ins Stadion oder so und haben eigentlich – auf deutsch – keine Ahnung, was das ist, aktives Fansein. Natürlich habe ich das denen immer mal erzählt, aber man kann sich ja kein richtiges Bild machen, wenn man es noch nicht gesehen hat. Und das Theaterstück hat auf jeden Fall dazu beigetragen, dass diese Personen, wie zum Beispiel meine Mutter, jetzt weiß, wie das da abgeht und was da abläuft und ja, das weiß die jetzt. Natürlich fand sie es krass, aber auch interessant. War sie auch mal im Stadion eigent lich, deine Mutter? Nein. Also für den HFC nicht. Was hast du über Theater gelernt? Na ja, das Theater auf jeden Fall offen ist für alles, was in der Welt passiert. Und das finde ich auch sehr gut, dass sich Theater nicht beschränkt auf einen bestimmten Kreis in der Ober schicht oder so und deren Themen, sondern ich fand es eben auch sehr gut, dass halt Sachen aufgegriffen werden, die hier in der Stadt passieren. Und das Theater auch eine Möglich keit ist, so was darzustellen und den Leuten näher zu bringen. Und dass man diese Chance, die einem Theater
123 auch bietet, annehmen muss. Also jetzt nicht nur, um Ultras darzustellen, sondern auch andere, sozialkritische Sachen auf die Bühne zu bringen. Na da haben wir auch unseren Kampf zu führen. Weil wir können es ja nur auf die Bühne bringen. Ja, das ist schwierig. Aber man sieht ja auch, wie es angenommen wurde. Es ist ja zwei Mal ausverkauft ge wesen, oder drei Mal und auch so gut besucht. Man sieht ja auch, dass das angenommen wird, dass da Interesse besteht, dass die Leute wissen wollen, was da vor sich geht und so. Du musstest ja innerhalb der Gruppe bei der Stückentwicklung ganz genau überlegen, was bringen wir auf die Bühne, welche Story wird da erzählt, welche Punkte sind wichtig zu erzählen, um die Ultras möglichst in der Breit und Tiefe gut zu beschreiben. Das ist ja auch immer so eine Art Selbstreflexion, die man da durch macht, eine Analyse von sich selbst und von der Gruppe und da wollte ich dich fragen: Hat diese Auseinander setzung mit diesem Thema – man muss sich da ja draußen hinstellen und drauf gucken – hat dir das was ge bracht? Ich würde sogar sagen, dass unsere Gruppe – in echt jetzt – auf den Prüf stein gestellt wurde, gerade hinsicht lich Dirk und das ganze Drumherum, und da gab es schon intern Krisen und so. Aber die haben wir gemeistert und ich denke, wir sind stärker aus der ganzen Sache – intern – herausgegan gen, als herein.
124 Interview mit Enrico Siol, Spitzname Roco 23 Jahre, seit 2002 HFC-Fan, seit 2005 Ultra, Beruf: Glasreiniger bzw. Gebäudereiniger, keine Theatererfahrung.
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126 Man wird ja nicht von jetzt auf jetzt HFC-Fan. Wie war das bei Dir? Bei mir war es immer so, den Sport, den ich betrieben habe, für den habe ich mich auch interessiert. Also das war so von 8 bis 14 ungefähr Boxen. Und danach habe ich beim Fußball angefangen und dann haben die Kum pels mir erzählt, jo der HFC spielt, DFB-Pokal gegen FC Freiburg. Und da habe ich mir gesagt, da gucken wir mal hin. Und so lief das halt an, dass man erst alle Heimspiele mitgemacht hat. Auswärts war dann in der Saison auch gleich das erste Spiel gegen Jena, wo sich, denke ich mal, auch viele gesagt hätten, gut ich fahr nicht mehr, weil da riesengroßer Pfefferspray- Einsatz war, mehr oder weniger wegen sinnloser Eskapaden. Aber so was verbindet halt ja, ich sage mal, wenn du da einmal rein rennst bzw. hin kommst und dann mit einem Kumpel da öfter hin fährst, lernst du natürlich auch, weil wir ja keine 60.000 Mann in der Kurve haben, lernst du auch relativ schnell die Leute da kennen. Und so ist es halt auch gekommen, dieses Zusammenhaltsgefühl, das man halt von so einem großen Teil ein kleines Stückchen mit sein kann, hat mich halt irgendwie bewogen, öfter mit hinzugehen. Und da warst du aber noch nicht gleich Ultra? Du hast die dann irgend wie später kennen gelernt? Also, Ultra ist eine spezielle Art von Fan? Kannst du vielleicht mal erzählen, wie es dazu gekommen ist, dass du zu den Ultras gestoßen bist und wann du Ultra geworden bist und gibt’s da irgendwie so ein Ritual, dass jetzt irgendwann gesagt wird: So, der Roco ist jetzt bei uns in der Gruppe? In die Ultraszene direkt gestoßen bin ich 2005 durch eine eigene Gruppe, die wir uns gegründet hatten. Da hat
dann damals die große Gruppe, die ich hier jetzt auch sagen kann, die Saale front, um unsere Umwelt zu stärken, diverse kleinere Gruppe als Sektion mit aufgenommen. Ja gut, a nderthalb Jahre später haben die uns dann die Fahne gezogen von Rostock. Die haben Rostocker Fans gezogen. Dadurch hat sich unsere Gruppe, ehrenhaft wie wir natürlich eigentlich auch waren, also zumindest das kann uns keiner absprechen, haben wir uns halt aufge löst. Dann bin ich in die Jugendbande gekommen, weil die damals auch rela tiv neu die Strukturen und so hatten und da, und da fing’s dann auch lang sam an schon mit Capo sein. Ich denk mal, ein Jahr später so 2007 kam’s dann, dass ich dann auch in die Saale front bin. Seitdem läuft das auch bin dem Capo-Sein und Ultra-Sein. Wie gesagt, ist mein Leben und auch irgendwo die Familie. Und da gab’s gar nicht so was wie so eine Abstimmung, also kann Roco jetzt dabei sein oder nicht? Im Forum hab ich später gelesen, dass gefragt worden ist. Wie das so üblich ist, ob jemand was dagegen hat. Aber du hast die besondere Rolle eines Capo’s, das kann nicht jeder. Das muss ja auch akzeptiert sein in der Gruppe und du musst das Talent haben. Kannst du mal erzählen, wie das gekommen ist? Weiß ich eigentlich gar nicht mehr so. Ich sag mal: Unsere Capo’s wurden langsam älter. Ich glaub, ich war der erste, der den Mut hatte, das Megafon in die Hand zu nehmen und die Leute mit anzuheizen. Es ist ein Prozess über Jahre, wo man sich den Respekt der Kurve erarbeiten muss. Wobei ich dann natürlich auch viel versucht habe, mit den Leuten zu reden, auf die Leute offen drauf zu gegangen bin
127 bzw. die dann irgendwann auf mich, weil die ja gemerkt haben, dass ich das ja nicht für mich mache, sondern um irgendwo meinen Verein zu supporten. Wie das auch der Sinn und Zweck ist. So kam es, dass man erst die kleinen Spiele gemacht hat, dann die großen Spiele mit einem anderen Capo. Hast du vorher mit Theater überhaupt mal zu tun gehabt in deinem Leben? Als junger Stift, kurz nach der Wende, da war ich glaub ich drei oder vier. Am Steintor war damals ein Obst laden, der von einer deutschen Frau geleitet wurde und von der h aben wir immer Karten gekriegt für die Weihnachtsrevue. Und das war eigentlich so meine ersten und bis dahin auch schon wieder fast letzten, also das ging so, glaube ich, drei oder vier Jahre lang, jedes Jahr waren wir dann dort. Das war es dann, glaub ich, auch schon. Theater kann was Schönes sein, mehr oder weniger. Find ich eigentlich schade, dass sich doch nur so die eine Gesellschaft mehr oder weniger drauf einlässt. Entweder richtige Theaterliebhaber oder mehr oder weniger sag ich mal so was ich so mitgekriegt habe viele Studenten, die jetzt hier so mit drinnen hängen. Gut wobei ich mich jetzt auch an die eigene Nase fassen muss. Nach unse rem Stück habe ich auch kein anderes mehr gesehen. Wobei wenn man mal jetzt eine Reportage über irgend welche Theatersache sieht, die jetzt wirklich interessant sind, lässt man doch schon mal den Fernseher laufen und schaltet nicht gleich um. Gehen wir nochmal ganz an Anfang zurück. Wir haben dich angesprochen. Das war im Stadion Babelsberg. Da haben wir dich gleich live erleben können. Du hast nur gesagt: »Wenn
ich wieder reden kann, dann können wir telefonieren«. Als dich Dirk darauf angesprochen hat, kannst du dich noch daran erinnern was in deinem Kopf so vorging. Also direkt im Stadion? Das war nach dem Spiel wo es dann schon richtig heiß wurde. Wo die Polizisten uns schon gedrängt haben, dass wir in die Busse rein gehen. In dem Moment kam Dirk auf einmal um die Ecke gesprungen und sagte: »Hier wir wollen ein Theaterstück machen über Ultras«. Und da habe ich mir gedacht, eigentlich dumm, dass man einen wild fremden Menschen erst mal seine Handynummer gibt. Ich konnte mich schon nicht mehr an den Tag erinnern wie gesagt und ich glaub fast einen Monat später ungefähr war’s, wo ich dann bei mir Heeme in der Wanne lag und auf einmal klingelt’s Handy. Meine Freundin rennt, bringt mir’s Handy, ich kenne die Nummer nicht, gehe ran und sagt auf einmal Dirk »Ja hier ist Dirk«. Und ich so: »Welcher Dirk?«. »Na vom Theater«. Und dann wurde mir langsam klar, ach so da war ja mal was. Und als er mir das dann gesagt hat, war’s für mich eigentlich ok. Wobei wenn man da so allein angefragt wird, man kann nicht gleich für die andern quatschen. Deshalb hab ich ja auch gesagt, am besten ist mal vorbei zu kommen. Wir sind dann ins Fanhaus gekommen, wo wir das Projekt vorgestellt haben. Und dann haben sich ja einige gleich an dem Abend irgendwie entschieden. Bei anderen ist es dann später gekom men. Und wie war das bei dir, also welche Motivation hattest du? Bei mir war das Problem, dass ich mir damals die Hand gebrochen hatte, dass ich auch die ganzen Proben mit machen konnte. Weil das Problem, wie gesagt bei mir in der Arbeit steckte
128 und ich halt wirklich ungleichmäßige Arbeitszeiten hatte. Und daher auch nicht gleich wusste, na kannst du jede Probe mitmachen oder so. Aber, wie gesagt, für mich kam irgendwann der Punkt, dass ich gesagt habe: »Gut, ok jetzt haste eh Zeit. Die Hand ist kaputt. Jetzt hast du mindestens vier fünf Wochen Pause. Warum nicht.« Ich muss auch sagen, dass Dirk ziemlich darauf gedrängt hat, dass ich da mitmache. Das Ding ist ja auch, dass es auch wirklich kurz vor..nee Premi ere hab ich glaub noch mit …nee, doch wirklich, kurz vor der Premiere war es dann schon fast eng geworden mit der Hand und alles, wo es dann, Ewigkeiten hieß, na kannst du nun oder nicht. Wo ich dann auch wirklich gucken musste, dass ich dann …wie gesagt, bei mir war es teilweise so, dass du Stunden arbeiten musst und dann bist du schnell Heeme hast dich gewaschen und dann bist du wieder los zum Theater zur Vorführung und so. Es war schon eine stressige Zeit. Die aber trotzdem schön war. Ja man ist auch mit den anderen Leuten fester zusammen gerutscht. Also bzw. allge mein die komplette Ultraszene ist seit dem Stück mehr zusammen gerutscht, also enger zusammen. Was war für dich besonders spannend am Projekt? Das zur Premiere mehr oder weniger fast nur Fans da sein werden, war ja klar. Was dann halt so danach kam, war für mich halt sehr interessant. Wie man uns aufnimmt und so. Ich fand’s ja auch schon mal positiv, dass sich andere Leute auch mal unsere Meinung angehört haben. Man hätte vielleicht viele Sachen ein bisschen anders machen können. Teilweise grad so mit der Selbsterörterung. Polizei das Thema, zum Beispiel, hätte man vielleicht ein bisschen mehr drauf ein
gehen können. Nicht komplett so, wie die meisten das vielleicht gesehen haben, als Opfer da zu stehen, halt nur ein bisschen mehr Aufklärungs arbeit leisten können. Man hätte viel mehr Themen da noch rein bringen können. Natürlich hatten wir auch begrenzte Zeit von 90 Minuten. Da musste man gucken, was man so mit rein nimmt. Und wie gesagt, nachdem die Proben gelaufen waren und die erste Hauptprobe fertig war, war für mich eigentlich auch spannend, ob die Leute gerade auch bei meiner Szene dann da auch die Arme hoch machen und dann da auch mitziehen. Du hast ja gesagt, für dich war ja wichtig, wie das Publikum reagieren würde auf das was ihr auf der Bühne zeigt. Kannst du dazu was sagen? Es waren viele unangenehme Fragen dabei, wie zum Beispiel das mit dem »Juden-Jena«. Ich weiß nicht, wieso das die Leute immer noch nicht verstehen können. Wie gesagt, für uns war das damals nicht politisch, wird es auch heute nicht sein. Man hat’s aufgehört zu rufen, weil man vor allem nicht schaden wollte. Wir haben es vorher nicht politisch gemeint. Wie gesagt, bei mir nochmal als Beispiel ich bin damals mit 14 zum Fußball gegangen. Da hat’s jeder gerufen, da war das cool, da hast du mit gerufen. Sechs Jahre später war es auf einmal verboten. Man war ja mit 14 kein Nazi. Auf dem Mist rumzureiten ist für mich sinnloser Quatsch. Das hat mich dann halt immer geärgert, dass die meisten Leute nicht verstehen wollten, dass wir die Szene nicht erfunden haben. Klar war’s im End effekt dumm so was zu rufen. Das war immer so das Ärgerliche, dass manche Leute uns immer gefragt haben, ob wir uns wirklich als Opfer sehen, wegen der Polizei. Aber da muss ich
129 sagen, da sind wir selbst dran schuld, weil wir das nicht richtig erklären konnten. Zumindest im Stück. Wir haben uns ja wirklich so gezeigt wie wir sind. Aber man hat nicht die an dere Seite gesehen. Das ist ärgerlich. Schön fand ich natürlich, dass Leute, wie glaub ich der Lehrer von Börti, war ja da, gefragt haben, ob wir das mit dem militären Auftreten, dieses Militante auch so wollen. Na klar ist das schon gewollt, aber man fand’s auch schön, dass man sich mal mit solchen Leuten unterhalten konnte, weil die fragen ja einen sonst nicht. Na wie gesagt, wir sind ja alles Menschen mit den man reden kann und das find ich immer schade, dass dann solche Leute auch nicht mal auf uns drauf zu kommen, denn wer wirklich was von uns wissen will, der weiß das wir mittwochs offen haben. Der kann sich dann mit uns hinsetz ten, der kann da Fragen stellen, sagen wir mal zu unserer Kultur. Und da wird keiner von uns sagen: »Eh ver schwinde, du gehörst nicht zu uns«. Aber ihr wirkt nach außen, dass ihr eher eine geschlossene Gruppen seid. Ja das ist sie ja teilweise. Das ist eine Barriere. Ja, aber wenn es selbst Dirk schaffen konnte. Wenn ich das nötige Selbst vertrauen hab und Selbstbewusstsein, da einfach hinzukommen und zu fragen. Können es ja auch andere machen, sag ich mal so. Ich meine gerade das Stück hat ja gezeigt, dass wir jetzt hier nicht verbohrte Men schen sind, die jetzt vor jedem seine Ruhe haben wollen. Wie hast du die Arbeit mit Dirk empfunden? Am Anfang recht spannend. Nachdem die Sache da so gelaufen war, bleib ich
immer noch auf dem Punkt stehen, dass es teilweise von ihm eine kleine Propaganda war, was er irgendwann zugegeben hat. Ich war der einzige der damals gesagt hat, warum die »JudenJena«-Szene aufbauschen, wir rufen das mittlerweile seit zwei Jahren nicht mehr. Er meinte: »Na ihr habt es ja ge rufen«, aber das komplette Stück spielt ja eigentlich vom letzten Jahr, drei Spieltage ab. Das war ja das, was es für mich so skeptisch gemacht hat. Ja hätten wir letztes Jahr noch »JudenJena« gerufen, hätt ich das eingesehen. Aber da es schon seit Oberligazeiten, die jetzt mittlerweile auch schon fast drei Jahre her sind und seitdem das nie wieder gerufen worden ist in der Öffentlichkeit, war das für mich eigent lich klar, dass das Käse war. Deswegen hab ich auch immer, wenn diese Szene zum Schluss kam, meine Kapuze hoch gemacht, die Sonnenbrille auf. Hab sie dann erst wieder runter genommen, wenn dann Chrille mit dem Interview zum Schluss kurz durchgegangen ist, damit jeder sein Statement abgeben kann. Im Großen und Ganzen war die Arbeit nicht schlecht mit Dirk. Für mich ist Dirk jetzt kein totaler Assi, um Gotteswillen. Es war eher diese Enttäuschung von diesem Menschen. Weil man ihn schon wirklich sehr nahe an sich ran gelassen hat. Diese »Juden-Jena«-Szene, um nochmal ganz kurz darauf zurück zu kommen, das war ja damals auch ganz groß in den Medien und die Ultraszene wird dann auch immer als rechts bezeichnet. Man sagt auch immer. »Ultras sind Hooligans und Hooligans sind Ultras« … … Das ist eine Vermischung der Medien … Vielleicht kannst du das ja mal ver suchen. Zum einem der Unterschied
130 zwischen Ultras und Hooligan und deine Einschätzung zu geben was du sagst: Sind Ultras nun rechtslastig? Sind Hooligans nun rechtslastig? Ihr sagt ja immer ihr seid unpolitisch. Trotzdem am Ende ging es um dieses Thema und daran das Projekt zerbrochen. Es interessiert mich, wie du es siehst und wie du die Begriffe definierst? Also erst mal zu dem Begriff »Hooli gan«. Hooligan sind für mich Leute, die sich wirklich vom Fußball kom plett ab gezahnt haben. Die sind jetzt wirklich nur noch auf freien Wald und Wiesen Matches-Treffen da und machen ihr abgemachtes Ding und fahren dann wieder nach Hause. Also wie Fußball spielen ohne Ball, son dern mit Fäusten. Und wir Ultras sind fürs Stadion zuständig. Man sieht schon, dass Ultras anders sind. Es ist nur diese Vermischung der Medien. Ich sag mal jemand, der sich ein biss chen mit der Szene beschäftigt, weiß, wenn’s mal Krawalle gibt im Stadion, dass es dann doch meistens die Ultras sind. Wobei Ultra natürlich auch viel mehr ist als die Krawalle. Das darf man nicht vergessen. Man sieht immer nur diese eine Seite, aber dass die andere Seite unter der Woche zum Beispiel tierische Nachtschichten schiebt, dass man hier auch diese Choreos fertig kriegt oder meinetwe gen das Zeug ranschafft, sich Gedan ken macht über den Verein, sich in der Vereinspolitik engagieren tut, für‘n Verein meinetwegen auch die Ränge früh um sieben vom Schnee befreit, damit gespielt werden kann. Das vergisst auch immer jeder, dass das meistens kein Normalpersonal ist, sondern dass wir das sind, die Ultras. Ich weiß nicht wie du das einschätzt, gibt es so eine Mischung zwischen Ultra und Hooligan?
Teilweise, vielleicht ein paar Ultras die mit auf die Wiese wollen oder auch schon waren. Keine Ahnung. Ist ja jeden seins sag ich mal. Weil wenn’s um Ultras geht, sind’s nun mal in meinen Augen keine Hools. Das ist für mich Quatsch. Hools sind gestandene Männer zum Großteil, die auch schon ein paar Jahre auf dem Rücken haben vielleicht. Wie gesagt, bei uns in Halle gibt es eigentlich keine große Hooligan-Szene. Jetzt noch zur Politik vielleicht. Ich sage mal, die Politik versuchen wir schon zum Großteil rauszuhalten. Ich meine, klar es fällt euch schwer wie bei Äußerungen »Juden-Jena«. Es wird jetzt auch eigentlich nicht mehr laut »uh uh uh« gerufen, wenn ein farbiger Spieler am Ball ist. Wir haben ja selber einen. Der wird bei uns sehr herzlich will kommen geheißen. Das ist ein feiner Mensch. Politik wird aber in dem Sinne, das klingt zwar jetzt wieder ein bisschen doof, weil wir ja in der einen Ecke mehr oder weniger immer hingestellt werden, wird aber zum Großteil von den linken Ultras mit reingepackt. Die es ja mehr gibt als rechtsdenkende Ultras. Die Leute sollten sich zum Beispiel auf den Fuß ball konzentrieren und nicht jedes Mal hier antirassistischen Sachen oder so. Klar ist das auch ein Thema, aber die benutzen den Fußball teil weise für so was. Trotzdem, wenn du sagst, früher habt ihr eben »uh uh uh« geschrien, wenn ein farbiger Spieler aufm Feld war … … Was heißt wir, dass war ja eigentlich der komplette Block. Das war ja das Schlimme, das sich in dem Sinne keiner einen Kopf drum gemacht hat, was passieren könnte. Man fand’s halt nicht unbedingt schlimm. Man wollte jetzt da überhaupt nicht den riesen Nazi raushängen lassen oder den
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Die Medien spiele auch ihre Rolle. Eine sehr große.
rfahrung gemacht, dass sich viele E Medien hier angemeldet haben, ihr habt Interviews gegeben und im Prin zip sollten sie ja auch zielgerichtet Beiträge bringen. Ihr wart oft enttäuscht als ihr die Beiträge gesehen habt im Fernsehen oder im Radio gehört habt oder in der Zeitung gele sen habt. Habt ihr schon vorher etwas vermutet, dass ihr deshalb nicht so richtig Lust hattet mit den Medien in Kontakt zu treten? Vermutet haben wir es von einem TV bzw. Mediencenter mdr, das war uns klar, deswegen wollten wir mit denen auch nicht. Enttäuscht waren wir bei 3sat, weil dieser Mensch … schuldige bitte … ist ein Arschloch. Im Endeffekt ist nur das rausgekom men mit dem Krawallmacherein und so ein Mist und ob sich da wirklich aufn Arsch gesetzt wird und so. Wie gesagt, wenn man dann, uns noch nett ins Gesicht lächelt und sagt: »Ja, ihr macht das toll. Wir wollen nur mal ein Interview, dass wir auch mal den anderen Leuten mal zeigen, was ihr für nette Menschen seid«. Ich meine ist ja klar, dass wir nicht überall die Engel sind. Aber das man immer so in dieses schlechte Licht gerückt worden ist, außer halt von unserem Heimatsender TV-Halle, die das jetzt wirklich nicht verschlimmert haben, die dann halt gesagt haben: »Ja kann man sich drauf freuen, wird ein nettes Stück, sollte man sich angucken«. Von den anderen hieß wurde immer nur diese Szene ausgeschlachtet. Wie gesagt, dieses Stück hat viel mehr gehabt als nur diese eine Szene. Die haben den Skan dal gesucht und haben ihn gekriegt, sagen wir es mal so.
Die spielen sozusagen im und am Stadion eine große Rolle, wenn es sozusagen um eure Gruppierung geht. Beim Theaterstück haben wir die
Was hast du am allerliebsten gemacht in dem Projekt? Was hab ich am allerliebsten gemacht. Meine Szene. Allgemein mit den
übelsten Antirassisten. Man wollte einfach bloß den Spieler provozieren, dass er schlechter spielt. Genauso wie gesagt, das mit den »Juden-Jena« war dumm, das wurde jahrelang gerufen. Das wurde über 40 Jahre lang gerufen, seit DDR-Zeiten oder »JudenBerlin«. Klar ist, dass das heute nicht mehr zu verharmlosen ist. Man darf jetzt aber auch nicht alles auf die Goldwaage l egen. Fehler kann jeder machen. Das heißt: Ihr habt euch damit ausei nander gesetzt. Aber es gibt Aussagen so nach dem Motto: Wir provozieren und da ist es uns egal, was wir da rufen. Ja, natürlich. Ich kann mir schon denken, von welchen Leuten das so kommt. Aber wie gesagt, das kommt meisten von etwas jüngeren Leuten, die denk ich auch irgendwann mal älter werden, die in fünf, sechs Jahren ein bisschen was anderes sagen. Ich bin der Meinung, man kann Fehler machen. Ich find’s ja schlimm, dass du heutzutage schon aufpassen musst, wenn du rufst: »Schiri du Schwuch tel«, das klingt ja schon diskriminie rend für manche. Wobei es dann auch bloß Provokation ist. Ich find’s schlimm, dass alles so ausgeweidet und ausgeschlachtet wird. Und ich sag mal die meisten Leute haben keine Lust, sich immer über alles Gedanken zu machen was sie rufen. Ich sag mal, dass jetzt keiner mehr im Stadion »Juden-Jena« rufen würde oder »uh uh uh« das ist klar.
132 euten zusammen zu sitzen unter der L Woche so viel, hat mir am meisten Spaß gebracht. Auch die Entwicklung des Stücks mitzubekommen, von klein auf, wo man zusammen saß, alle an einem Tisch. Und auch in der kleinen Bühne. Dann hier oben auf der großen Bühne. Das war ja dann auch was ganz anderes. Das alles hinzukriegen und mitzubekommen, dass es eigent lich von Mal zu Mal besser wurde, dass es immer besser geklappt hat und so, dass wir eigentlich in dem kom pletten Stück nie großartig Texthän ger hatten. Ich sag mal, bei mir war es ja eh egal, ich hatte ja meinen impro visierten Text, Gott sei Dank. Ich glaub auswendig lernen bin ich nicht so gut. Das was ich sag ist meistens so und kommt auch aus dem Bauch heraus. Ihr habt ja ganz viel gearbeitet und dann kam die Premiere. Wie war denn das Gefühl nach der Premiere? Also davor …aufgeregt muss ich ehrlich sagen war ich nicht großartig. Ich habe mich selbst gespielt und was kann ich falsch machen, wenn ich mich selber spiele. Ich sag mal, wenn man mal einen Hänger hat, wir sind ja alle keine professionellen Schauspie ler, wäre es auch nicht schlimm gewe sen. Und nach dem Stück, klar waren wir erst mal erleichtert. Man hat sich ja auf die Nachpremierenfeier gefreut mit den Kumpels nochmal zusammen zu hängen. Ich fand’s natürlich auch sehr schön, das Geheuchle von der Frau Oberbürgermeisterin Szabados. Das war auch sehr interessant, wie man oben stehen kann, seinen Sekt schlürft und sagt: »Ihr seid ja doch alle nicht so schlimme Jungs« und dann, wenn dann diverse Zeitungen schrei ben, sagt: »Ja, davon distanziere ich mich«. Aber vorher groß mit klatscht und selbst bei meiner Szene …bei
meinen Klatschrhythmen, die ich da ankündige auch mitmachte. Das Ende hat mir nicht gefallen, wie alles aus einander gefallen ist. Es ist ja dann doch so wie ein Kartenhaus auseinen der gebröckelt. Hättest du gerne weitergespielt? Ich auf jeden Fall hätte es gerne wei tergespielt. Aber wie gesagt, irgend wann ist man auch erleichtert, dass man diesen ganzen Stress nicht mehr so hat, also allgemein, nicht nur den Stress durch die Medien oder so. Im Endeffekt war es ja dann doch schon links rein rechts raus. Aber also dieser Privatstress den du dir halt machst, Arbeit dann wieder da hin und wieder zurück und haste nicht g esehen, ja, auf die Bühne und so. Also im End effekt waren wir froh, dass alles zu Ende war. Ich kann es auch verstehen, dass die meisten Leute auch keine Lust mehr hatten, weil die Gruppe dann sehr dolle im Fokus stand. Wo ich Dirk auch Recht geben muss, dass wir da ein bisschen brasselig waren und uns da mit SF-Pullover gerade zur Diskussion hoch gesetzt haben. Wo man ihm das dann auch nicht ganz so dolle ankreiden kann, dass er auch irgendwann über uns spricht. Ist halt das Einzige, dass es alles auseinander gebröckelt ist und dass sich Dirk dann doch so von den Medien und so weiter mit beeinflussen lässt, fand ich halt schade. Also die Enttäuschung gerade so über diesen Mist. Wir fanden es all gemein schade, dass er sich auf einmal komplett gegen uns gewendet hat. Naja, es wird ja immer gesagt, ihr habt euch verraten gefühlt. Ja, es war ja irgendwann auch so. Mich würde mal noch interessieren, was hast du über Theater im Projekt gelernt?
133 Wie gesagt, gerade im Theater kommen so viele kulturelle Szenen zusammen, wo eigentlich kaum anders und die Leute haben endlich mal die Gelegen heit gehabt, ob nun gewollt oder nicht, aber im Endeffekt doch g ewollt, sonst wären sie ja nicht hingekom men, um mit uns zu reden. Das fand ich halt schon schön, das war auch eine nette Entwicklung, das so zu sehen. Wie hat denn dein Umfeld reagiert? Dein Freunde, deine Familie? Die waren stolz auf uns. Ich meine, die haben es jetzt nicht so politischkritisch gesehen wie manch anderer. Die haben gesehen, die spielen da ihr Ding, die zeigen wer sie sind, die verstellen sich da auch nicht, die sind ehrlich, das ist ein ehrliches Stück gewesen, großartig. Ich meine bezogen auf dich, auf deine Rolle? Ach so, auf meine Rolle. Die waren stolz auf mich. Also gesagt: »He, wie kannst du das machen« oder so, um Gotteswillen. Selbst mein Chef war stolz auf mich. Der war auch da, hat sich’s mit angeguckt mit seiner Familie. Keine Ahnung, wie gesagt, die haben sich auch gefreut und konnte dieses Trara von anderen Sei ten nicht unbedingt verstehen. Persönlich verändert hat’s dich nicht oder doch ein Stück weit? Mich persönlich … ich lass mich ei gentlich nicht verbiegen, sagen wir es mal so. Verändert hat’s mich nicht. Man ist irgendwann nur froh, wenn man gerade … mein Gesicht wurde ja bei diversen Zeitungen genutzt mich vorne drauf zu setzten und dann oben drüber »Juden-Jena« zu skandieren, ja. Das hat mich dann schon froh ge macht, dass sich mein Chef das Stück
auch angeguckt hat, um nicht zu sagen, du bist jetzt hier … du machst unserer Firma kaputt, das ist ge schäftsschädigend. Aber verändert, dass ich sagen kann, ich bin jetzt ein schlechterer Mensch oder ein besserer Mensch, hat’s mich nicht. Also wie gesagt, ich bin immer noch der Meinung wie vorher. Wenn mich jemand nach »Juden-Jena« fragen würde, wie ich das gefunden habe da mals und heute, dann sage ich immer noch: Wir haben es als Fans gerufen, im Sinne wie Arschloch, wir haben aufgehört, weil anscheinend dieses Wort nicht gut ist und haben es dann gelassen und dann war gut für uns. Würdest du an so einem ähnlichen Projekt nochmal teilnehmen? An so einem Projekt würde ich schon nochmal teilnehmen. Allgemein, weil ich jetzt teilweise noch eine andere Bühne außer meinen Zaun kennen ge lernt habe und weil es mir auch Spaß macht. Es würde darauf ankommen, was es für ein Stück ist, wie viel vielleicht dann dort so Textpassagen da zum Lernen sind und wie es mit der Arbeit hinkommen würde. Prinzi piell nicht nee sagen, würde ich. Das war eine Erfahrung die war es wert, auf jeden Fall. Es hat uns jetzt nicht irgendwie erwachsener gemacht oder so, mich zumindest nicht, aber die Erfahrung möchte ich nicht mehr mis sen, wie gesagt. Ist ein schöner Teil meines Lebens gewesen, auch wenn’s nur ein paar Wochen, Monate waren. Hat halt mit dazu gehört.
134 Interview mit Marcel Batke, 20 Jahre, seit 2000 HFC-Fan, seit 2007 Ultra, macht derzeit eine Ausbildung zum Verwaltungs fachangestellten, hatte keine Theatererfahrung, Theaterbesuche zu Schulzeiten, würde jetzt schon mal öfter ins Theater gehen, wenn’s passt.
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136 Wie bist Du HFC Fan geworden? Es war März/April 2000, da hat der HFC gegen VFL 96 gespielt, Stadt derby in Halle und bei mir im Viertel im Südpark haben alle davon geredet. Ich habe mich nie so wirklich für den HFC interessiert. Und dann wollte ich Freitagabend irgendwie mit jeman dem Fußball spielen, aber es war halt keiner da. Dann dachte ich mir, Scheiß drauf, schnappst dir den Vati und gehst auch mal zum HFC. Und war dann so dermaßen fasziniert, und seitdem gehe ich dann zu jedem Heim spiel. Seit 2001 hatte ich dann auch mein erstes Auswärtsspiel in Grimma und seitdem fahre ich regelmäßig zum HFC und seit 2006 habe ich kein ein ziges Spiel verpasst. Und dein Vater ist auch HFC-Fan? Ja, der ist früher auch immer zum HFC gegangen, hatte dann aber mal eine Auszeit und ist nicht mehr so regelmäßig gegangen, aber ich habe ihn dann wieder zum Fußball gebracht. (lacht) Wie bist du dazu gekommen, Ultra zu werden? Na, das hat mich von klein an interes siert, ich habe mir schon immer die verschiedenen Magazine gekauft, hab mich da belesen. Seit 2001 hab ich dann Internet und zu Hause ein bisschen rumgeforscht, Seite von der Saalefront und so. Und Stück für Stück hast du die Jungs dann auch näher kennen gelernt, aber ich bin dann erst relativ spät in allgemeine Gruppierungen dazu gestoßen. Das war vor etwa zwei Jahren, also 2007. Und wie ging das so, wie bist du genau dazu gestoßen? Na ich wurde von jemandem ange quatscht, das war damals der Grup penführer von StatusKrass, so hieß
die Gruppierung. Bin halt mit denen auch öfter auswärts gefahren, er hat mich dann angesprochen. Wie sieht’s aus, hast du Lust mitzumachen in der Gruppierung? Da habe ich gesagt, ja gerne, auf jeden Fall. Ich war da ja ein bisschen schüchtern und hatte gehofft, dass mich da jemand mal anspricht und das war dann der Fall. Ja und dann rutschst du halt Stück für Stück da rein und wirst halt immer aktiver. Gibt es denn dann so ein Aufnahme ritual für jeden, wo dann gesagt wird, okay der Batke ist dabei, oder wie läuft das ab? Also das Wichtigste ist, man sollte schon zu allen oder zu fast allen Spie len – natürlich wenn’s beruflich oder krankheitsbedingt nicht geht, dann ist da halt auch keiner böse, aber man sollte schon versuchen, zu jedem Spiel da zu sein; im Stadion nicht nur anwesend zu sein, sondern auch akus tisch seine Mannschaft zu unterstüt zen und sich dann halt auch an den Choreographien zu beteiligen. Das ist halt ein sehr vielschichtiges Thema. Und dann wird man irgendwann auf genommen. Und wer sagt das dann, du bist dabei? Sitzt man dann zusammen in der Kneipe beim Bier und sagt: So Batke, jetzt sitzen wir alle mal zusam men und jetzt bist du dabei, oder wie? Also, bezüglich der Saalefront wurde ich halt schon angequatscht: Wie sieht’s aus, hast du Lust? Du warst in den letzten Wochen, Monaten sehr aktiv, hast dich bei allen Sachen gut beteiligt. Und dann wurde ich dann im Fanhaus angesprochen, wie sieht’s aus? Und dann sag ich, klar und seit dem war ich dann Saalefront-Mitglied. Und das war bei so einer Versammlung quasi. Genau, ja.
137 Gehen wir nochmal ganz zurück, denn das vergisst man ja immer, wenn man das ganze Projekt sozusagen fast hinter sich hat: Da sind wir ja zu euch gekommen ins Fanhaus und haben das Projekt vorgestellt und du hast dich dann irgendwann dafür entschieden. Warum? Genau, ihr wart ja im Fanhaus, habt eurer Ideen so vorgeschlagen und da dachte ich mir, das ist eine sehr, sehr gute Möglichkeit, die Materie Ultra der ganzen Bevölkerung, die sich mit diesem Thema ja nicht so, oder nur oberflächlich befasst, mal ein bisschen zu erklären und zu zeigen, wie wir richtig sind. Es gab dann noch mehrere Gespräche mit Dirk und mit dir, und da dachte ich mir, ja, das könnte spaßig sein und dient der guten Sache und da hab ich zugesagt. Ja, du hast zugesagt. Es war ja auch eine Menge an Arbeit und Zeit, die du rein gesteckt hast. Was fandest du besonders spannend und interessant? Also ich fand gerade am Schluss die schnelle Entwicklung der Proben. Also wir haben, ich glaube die ersten drei Monate an einer Szene geprobt und da dachte ich mir, autsch. Und zwei Wochen vor der Premiere, da konnten wir auch erst gerade mal das halbe Stück. Da dachte ich mir ei gentlich auch, ob das gut geht? Aber jetzt, so gerade die letzten zwei Wo chen, wo es dann auch untereinander viel Stress gab, viel Streit, hätte ich persönlich nicht gedacht, dass wir dann doch eine richtige geile Premiere auf die Bühne bekommen. Das fand ich doch schon ziemlich spannend, die Entwicklung der ganzen Proben bis hin zur Premiere. Und für dich ganz persönlich gesehen? Was kannst du da jetzt mitnehmen an Erfahrung, wo du sagst: Mensch, gut,
dass ich da mitgemacht habe, weil ich hab da was dazugelernt? Also, das auf-der-Bühne-stehen auf jeden Fall, vor 300 Leuten oder was weiß ich wie viel. Früher, damals in der Schule, Gedichte vor der Klasse aufsagen war nie mein Ding, also ich konnte nie so offen in dem Raum vor Leuten reden und ich denke das habe ich doch einigermaßen gut gemeistert. Ja klar! Und jetzt auch gerade in beruflicher Hinsicht, wenn man irgendwelche Vorträge halten sollte, dass ich das doch ein bisschen lockerer angehe. Da denke ich schon, dass mich die ganze Sache ein Stück vorangebracht hat. Ich musste mich im Stadion ja auch erst einmal orientieren, was da für Regeln sind, wie sieht so ein Stadion aus, wann fängt das an, wo sind die gegnerischen Fans. Also so, da muss man ja auch erst einmal gucken. Das ist im Stadion ja auch immer alles ganz exakt aufgeteilt, wo die Frauen stehen dürfen – wie heißt das – Bad kurve … Badkurve, ja. Na, wir wurden ja vom ganzen Theaterteam und auch den Leuten, die mit dem Projekt an sich nichts zu tun haben, eigentlich auch gut aufgenommen, und von daher habe ich in dieser Hinsicht jetzt nicht so viel Neues gelernt oder so, weil es war ja ganz lockere Atmosphäre und man hat sich mal mit dem und mal mit dem unterhalten und es war eigentlich alles in Ordnung alles. Aber du weißt ja bestimmt ne Menge jetzt vom Theater, oder? Mehr als vorher. Ja. Wer ist denn der wichtigste Mensch, wenn man auf der Bühne steht? Für mich persönlich während der
138 anzen Proben war es der Schauspiel g coach, der Richi. Also von dem habe ich sehr viel gelernt, auch die ganze Lockerheit auf der Bühne, ich stand sonst vorher total steif. Von ihm habe ich, glaube ich, am meisten dazugelernt. Du hast ja vorhin so kurz gesagt, was so deine Motivation war, bei dem Pro jekt mitzumachen. Ich habe festge stellt, dass jeder so eigene persönliche Erwartungen und Wünsche hatte. Das war doch bei dir bestimmt auch so, oder? Mein Hauptaugenmerk war halt wirk lich, die Materie Ultra den Menschen ein bisschen näher zu bringen. Ob das Ziel danach erreicht wurde, kann man jetzt schwer mit ja oder nein beant worten. Ich würde sagen, teils, teils. Die Leute, die im Theaterstück waren, auf jeden Fall, also das hat man so auch bei den ganzen Zuschauerdis kussionsrunden, nicht nur im Saal, sondern auch danach im Hof gemerkt, da habe ich mich teilweise drei Stun den bis tief in die Nacht noch mit ir gendwelchen Leuten unterhalten, die noch nie im Stadion waren und die auch gesagt haben, gute Arbeit und sie verstehen zumindest teilweise die Ansätze, was wir quasi die ganze Wo che über machen. Die Leute, die das Stück nicht gesehen haben und nur von der Presse gelebt haben, denen haben wir die Materie bestimmt nicht ein bisschen näher gebracht. Was hast du am allerliebsten gemacht? Gegessen. (lacht) In den Proben. (Lachen) Tja, was habe ich am liebs ten gemacht? Ich dachte, Tom hat immer gerne gegessen. Tja, schwer zu sagen, was man am liebsten gemacht hat. Das kann man mit einem Satz nicht so wirklich be
antworten. Auch wenn es manchmal hart war, hat man doch immer etwas dazugelernt. Die Proben an sich haben eigentlich schon Spaß gemacht. Es war teilweise schon stressig, wenn es dann um zehn war, also 22 Uhr und Dirk hat gesagt: noch 10 Minuten und daraus ist dann doch noch ein Stunde geworden und so. Was hat dir absolut nicht gefallen? Was mir nicht gefallen hat, waren die ständigen politischen Diskussionen, unter anderem halt mit Dirk. Es gab eigentlich keinen Tag ohne irgendeine Diskussion, die irgendwie in die poli tische Richtung ging. Darauf hatte ich eigentlich nicht so richtig Bock. Die ersten Wochen habe ich mich noch da ran beteiligt, um meine Meinung da kund zu tun, aber dann ging es mir doch ein bisschen auf den Nerv und ich habe mich dann größtenteils raus gehalten. Das war dann auch manch mal die Sache, wo die Lust dann eher gering war, zu den Proben zu erschei nen, weil du weißt, du kommst dahin, hast zwar natürlich auch deinen Spaß, denn so ist es ja nicht, dass sich die ganze Zeit nur über Politik unterhal ten wird, aber die Diskussionen gin gen mir dann doch schon ziemlich auf den Keks. Okay, du sagst, es war jedes Mal. Aber fandest du, dass an bestimmten Stel len diese Diskussion notwendig war, um so eine Richtung zu finden für das Stück? Weil es ein paar Vorfälle gab, zum Beispiel, als Dirk nach Hamburg mitgefahren ist. Danach bei der Dis kussion da war ich auch dabei … Ja, die Diskussion, muss ich auch ganz ehrlich sagen, die fand ich auch rich tig und die war auch gut und eigent lich auch angebracht nach der Fahrt. Natürlich hat Dirk das äußerst schlechteste Spiel erwischt, wo er
139 itgefahren ist. Er ist ja davor auch m drei, vier Mal im Stadion gewesen, da konnte er ja überhaupt nichts von negativen Schlagzeilen berichten, da war ja eigentlich auch alles in Ord nung. Und in Sankt Pauli ist es nun mal so, da ist halt eine sehr alterna tive Fanszene und das ruft natürlich auch ein paar Leute aus Halle auf den Plan, da ein bisschen Stunk zu ma chen, was natürlich auch leider ins Politische geht. Es war schon teilweise eine krasse Fahrt, die wir dann im Nachhinein auch kritisiert haben, und einige haben da zwar auch ein biss chen Radau mitgemacht, ja, aber auch nicht die ganzen Schauspieler, viel leicht waren da zwei mit dabei und der Rest auch nicht und der Rest fand es auch nicht so cool, aber das haben wir dann doch klipp und klar gesagt. Also wir haben das dann ja auch noch intern ausgewertet und haben da auch stundenlang diskutiert, dass es eben nicht so weitergehen kann, das da Gruppenmitglieder daran beteiligt waren. Ja, das war auf jeden Fall schon angebracht. Die Diskussion fand ich damals auch relativ sachlich und auch gut gelaufen. Was hast du vermisst? Schlaf! (Lachen) Also es war auf jeden Fall schon anstrengend, Schule, teil weise noch auf Arbeit, dann Theater proben und dann die Materie Ultra umfasst ja dann auch noch ein paar Sachen, so Choreographien malen, gerade so zum Derby in Magdeburg, da hatte ich vielleicht so zwei, drei Stunden Schlaf am Tag und das war’s. Also das war schon ziemlich viel Stress. Also die Freizeit an sich, dass man mal nach Hause kommt, die Beine hoch legt, mal ein bisschen rum döst oder so, also das habe ich schon vermisst. Das war schon sehr stressig zu der Zeit.
Würdest du an einem ähnlichen Pro jekt, wenn dich das Thema natürlich interessiert, wieder teilnehmen, oder sagst du: boff … Sag niemals nie, aber zum jetzigen Zeitpunkt würde ich eher sagen: nein. Warum? Wie ich gerade schon angesprochen habe, der enorme Stress … Also wenn man arbeitslos ist oder Zeit hat, wäre man dann eher bereit, als wenn man wirklich in viele Dinge verwickelt ist. Also zum jetzigen Zeitpunkt würde ich so was erstmal nicht mehr machen. In welcher Hinsicht hat dich das Projekt geprägt? Du hast ja eine ganze Menge an Erfahrungen gemacht, wie wir alle auch, und man hat ja dann, also eigentlich mit Beginn der General probe, auch in der Öffentlichkeit gestanden. Hat dich das in irgendeiner Art und Weise geprägt hinsichtlich der Motivation, die du ja am Anfang hattest, nämlich in die Debatte zu gehen und Ultras bekannt zu machen, was sind die Ultras, was machen die Ultras? Und dann sozusagen am Ende die Premiere und die Reaktion, hat dich das in irgendeiner Weise geprägt? Oder warst du überrascht davon oder hast du dir gedacht, na das war ja klar? Überrascht von der Außenwirkung, von Presse und Zuschauern? Ja, genau. Also, ich konnte mir schon durchaus denken, dass die kritisch, sehr kritisch mit diesem Thema umgehen, aber dass sie so einen großen Skandal daraus machen, dass ich namentlich eigent lich fast täglich in der Zeitung stand, teilweise auch mit Bild drin, so krass habe ich mir das nicht erwartet. Aber das hatte auch seinen Vorteil, zum Beispiel auf Arbeit wurde ich
140 halt darauf angesprochen, hier, alles Nazis, Fußball, wie sieht’s aus? Und dann habe ich mich beim Essen mal mit denen zusammengesetzt und habe denen das Stück für Stück alles so erklärt, wie das war, und dass zum Beispiel die Frau Oberbürgermeisterin am Freitag nach der Premiere oben bei der »VIP-Party« ja auch sehr hell auf begeistert war und Lob geäußert hat. Na ja und die ein oder andere Szene würde sie gern mit uns mal aus werten wollen, persönlich, dazu kam es bisher leider auch noch nicht. An statt mit uns zu reden, ist sie ja gleich zur Presse gegangen und hat einen riesengroßen Skandal daraus ge macht. Das habe ich den Leuten halt mal ein bisschen erzählt, von daher konnte ich diese negative Presse in einzelnen Gesprächen dann doch noch ein bisschen ummodeln, damit die Leute dann doch eine andere Meinung haben. Und waren denn dann auch einige drin von deinen Arbeitskollegen? Nein, also nicht, dass ich wüsste. Ich muss auch dazu sagen, gerade, als es in die heiße Phase ging, war ich nicht auf Arbeit, da hatte ich sechs Wochen Berufsschule und von daher konnte ich da jetzt auch nicht so Werbung machen, und ich glaube, ich hätte es auch nicht so wirklich gemacht. Wie beurteilst du den Erfolg des Projektes, oder sagen wir mal so, das Ergebnis? Wie ich vorhin schon beschrieben habe, teils, teils. Auf der anderen Seite: Die Leute, die im Publikum waren, denen haben wir die Sache doch ein bisschen näher bringen können. Die ganze Pressescheiße ist natürlich dann doch eher ins negative Licht gerückt, gerade Interview Dirk und so, wo sich dann der Regisseur, der wichtigste,
oder eine der wichtigsten Figuren des ganzen Stückes, sich gegen die Gruppe stellt. Also, so habe ich es empfunden, das fand ich doch eher negativ. Und ich glaube, die Leute glauben dann doch eher dem schmäch tigen, kleinen Dirk als, sagen wir mal muskulösen, oder teils muskulösen Jungs, wie es dann manchmal auch im Presseartikeln stand. Na ja, so teils, teils Erfolg. Gut, die Reaktionen der Presse und Öffentlichkeit haben wir ja jetzt schon angeschnitten. Willst du jetzt noch etwas dazu sagen, wie du das bewer test, die Reaktion der Presse? Da muss man ja unterscheiden zwischen Presse und Öffentlichkeit, wir hatten ja auch eine Öffentlichkeit dadurch, dass der zweite Teil das Publikumsgespräch war, das zum einen und zum anderen, was die Presse dann gebracht hat. Willst du dazu noch was sagen? Also bei der Presse da lernt man ja auch immer Stück für Stück neu dazu und es ist ja so, wie ich es im Theater stück selbst erzählt hab, da ist ja auch so eine kleine Szene über die Presse: Hauptsache, das Blatt verkauft sich! Wenn da steht, Friede, Freude, Eier kuchen, da bringt man Montag mal einen Artikel raus und kann Dienstag wieder dasselbe schreiben. Aber da war es ja so, dass zwei Wochen jeden Tag in der Presse, in der MZ, in der Bild-Zeitung, was drin stand, und jeden Tag ein neuer Skandal. Es muss sich verkaufen. Die Leute glauben es, sie lesen es, das ist das ganze System der Presse. Mehr brauche ich dazu nicht weiter zu sagen. Das hat man ja auch bei dem 3-sat-Beitrag gesehen, wo sie dann irgendwelche Gewalt szenen von anderen Fußballspielen, wo Halle gar nicht beteiligt war, rein geschnitten haben. Wir haben mit denen 30 Minuten Interviews geführt
141 und irgendwie kam nur diese »JudenJena« Sache auf und von daher weiß ich schon, wie die Presse gestrickt ist und deswegen werde ich persönlich, egal in welcher Hinsicht, überhaupt nicht mehr mit der Presse zusammen arbeiten. Das war ja auch der Grund, weswegen ihr mit dem MDR nicht reden wolltet. Genau. Also jetzt nicht hauptsächlich wegen dieses 3-sat- Berichtes, wir hatten auch vorher schon negative Er fahrungen mit dem MDR und von daher ist der MDR mehr oder weniger ein rotes Tuch für uns. Du hast ja vorhin schon kurz gesagt, dass deine Arbeitskollegen dich ange sprochen haben, weil sie dich in der Zeitung gesehen haben und im Fern sehen. Wie hat denn dein Umfeld, also deine Freunde, deine Familie, viel leicht waren ja auch ein paar Mitschü ler drin, wie haben die darauf reagiert, dass du auf einmal auf der Bühne stehst? Also, meine Familie, die ja auch großteils zur Premiere da war, die war hellauf begeistert. Deine Großmutter zum Beispiel … … meine Uroma zum Beispiel, ja. Die war zum Beispiel hellauf begeistert. Zum Beispiel, bei ihr ist es ja auch so, wenn sie irgend etwas liest – um nochmal auf die letzte Frage mit der Presse zurückzugehen – wenn sie liest: schlimme Ausschreitungen oder so, und dabei ist nur ein Böller geworfen, das weiß sie ja nicht. Da steht in der Zeitung, schlimme Ausschreitungen, dann ruft sie mich dann auch immer gleich besorgt an, ja, Marcel, ist dir was passiert? Dann sag ich, nein, es war überhaupt gar nichts los. Sie hat das Stück gesehen und fand es auch richtig gut, also es hat ihr richtig viel
Spaß gemacht, sie fand es richtig klasse, und war dann am Montag ge nauso geschockt, als der Artikel dann in der Zeitung stand. Und da hat sie dann auch selbst mal gesehen, dass nicht alles stimmt, was in dieser Zeitung steht. Das fand ich dann sehr gut, dass sie mal diesen Vergleich gesehen hat. Ansonsten hat die Familie durchweg positiv reagiert. Mein Leh rer war auch da, der war auch hellauf begeistert und Freundeskreis auch. Also Freundeskreis ist ja fast nur von den Fußballleuten her, und die fanden das Stück auch klasse, natürlich, die ein oder andere Szene hätte nicht unbedingt sein müssen, oder die hätte man ein bisschen anders bearbeiten können, aber das weiß man ja vorher alles nicht. Was hat dir die Auseinandersetzung mit dem Thema Ultras gebracht? Ich denke mal schon, dass es etwas gebracht hat, ich denke mal, in dem Theaterstück an sich haben wir so gut wie die wichtigsten Themen, die uns halt ausmachen, die wir Woche für Woche leben, rein gebracht. Und es kam nicht selten vor, dass man irgend wann in der Stadt beim Einkaufen angequatscht wurde, hier, du hast doch bei Ultras mitgemacht und da hatten sie dann auch nochmal so ne Frage, grade Kommerzialisierung Fußball, Rasen bei Leipzig etc., und dann konnte man den Leuten das auch nochmal so ein bisschen erklären und näher bringen. Und von daher fand ich schon, dass es etwas gebracht hat. Und wie war das so für euch als Gruppe? Ihr seid ja neun, die mitgemacht haben, seid ihr da jetzt enger zusammengewachsen durch die Arbeit? Würde ich sagen, nein. Wir waren ja vorher schon sehr eng, wir haben ja
142 eine Ultra-Szene von Pi-mal-Daumen 100 Leuten, und mit denen bist du halt Woche für Woche und auch unter der Woche unterwegs. Gerade in dem Zeitraum, wo wir das Theaterstück hatten, da sind wir natürlich schon zusammen gewachsen, weil wir uns wirklich jeden Tag gesehen haben und auch nach den Proben nochmal in die Stadt gegangen sind, ein Bierchen getrunken haben, das hat zumindest zu diesem Zeitpunkt doch zusammen geschweißt. Aber jetzt so mit Abstand lässt das auch so ein bisschen langsam nach. Das ist einfach, weil man sich jetzt nicht mehr so häufig sieht. Genau. Das ist ja nicht so, dass wir jetzt keinen Kontakt mehr haben, aber es ist genauso, wie früher auch. Und so soll’s ja auch sein, weil die haben ja auch andere Kumpels in der Gruppe, mit denen man halt auch Freundschaft pflegt und so. Eine Frage noch: Vermisst du das Theater ein bisschen? Fällt man so ein bisschen in ein schwarzes Loch rein, wenn das dann alles vorbei ist? Hättest du mir die Frage vor zwei Monaten gestellt, hätte ich gesagt: Ja, doch schon. September hatten wir ja fünf Aufführungen hintereinander und dann zwei Wochen Pause und ge rade in den zwei Wochen Pause hatten wir ja dann auch keine Proben und das war dann schon eigenartig. Sonst standest du auf der Bühne oder hattest ja auch jeden Tag das Theater team gesehen und die zwei Wochen, das war dann schon komisch, dass du dann auf einmal wieder diese Freizeit hattest. In ein Loch fallen würde ich nicht sagen, aber das war dann schon, ja doch so ein bisschen in die Rich tung, ja.
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144 Interview mit Martin Klement, Spitzname Klemi 23 Jahre alt, seit 1999 HFC-Fan, vor足足kurzem noch Student, jetzt 足arbeitssuchend.
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146 Wie bist du zum HFC gekommen? Durch meinen Vater. Der ist schon länger HFC-Fan. Und der hat mich ir gendwann mal mitgenommen, als kleiner Stift. Und so hat sich das bei mir eingebrannt und so bin ich HFC Fan geworden.
Bist also so dazwischen? Zwischen diesen Fans, die Bier trinkend im Stadion stehen und nix machen und den Ultras, die sich als feste Gruppe zusammengeschlossen haben. Ich bin nicht zu 100% Ultra, sagen wir es so, ja.
Als kleiner Stift? Was heißt denn als kleiner Stift, wie alt warst du denn da? Vor zehn Jahren mit 12, 13 Jahre bin ich zum ersten mal zum HFC gekommen.
Hast du in deinem Leben vorher schon einmal was mit Theater zu tun gehabt? Nein noch nie. Ich habe auch kein Theater besucht, kein Theaterstück besucht. Es hat mich vorher nie interessiert.
Und dein Vater geht auch noch regelmäßig? Regelmäßig. Geht ihr auch durchaus noch zusammen? Nee, nicht mehr zusammen. Du stehst dann sozusagen im Ultrablock? Ja, oder manchmal filme ich auch unten den Ultrablock. Du bist HFC-Fan und bist sozusagen kein normaler HFC Fan, weil du ja mit den Ultras viel zu tun hast. Bist ja jetzt in der Gruppe nicht mit drin, also Ultra an sich, aber du fährst mit denen auf Spiele und stehst auch im Ultra block. Warum bist du kein Ultra? Also du bist vielleicht ein Ultrafan, aber so in der Gruppe bist du nicht drinnen. Ich bin vorrangig mit Leib und Seele HFC-Fan und in der Ultraszene ist ja nicht nur, dass man Ultra ist, sondern da haben sich ja auch Freundschaften geschlossen. Man unternimmt ja auch am Wochenende mit denen was. Und genereller Ultra im gesamten bin ich nicht, weil ich mich nicht dement sprechend kleide, was heißt ein Ultra zu sein. Stimmungsmäßig stehe ich mit dabei, und mache auch mit, die Mannschaft zu unterstützen.
Würdest du jetzt, nachdem du an dem Projekt teilgenommen hast, also öfter mal in das Theater gehen? Also hast du da jetzt mehr einen Bezug zum Theater? Ich habe jetzt mehr Bezug dazu ja, was hinter den Kulissen sich abspielt. Und ein Stück, wenn ich das lese und mir das zusagt, und was interessant für mich klingt, dann würde ich mir das schon mal angucken. Warum hast du dich denn eigentlich dazu entschlossen an dem Projekt teilzunehmen? Also es klang für mich am Anfang sehr interessant, weil es ja so was in Deutschland noch nie gegeben hat, so eine Aufführung. Und weil das für mich halt sehr interessant war, und für mich was neues war, was ich noch nie ausprobiert habe, bzw. noch nie gemacht habe, war es eine Herausfor derung, daran teilzunehmen. Und im Endeffekt hat es mir auch riesigen Spaß gemacht, also ich habe nicht bereut, dass ich mitgemacht habe. Welche Erwartungen hast du damit verbunden? Erwartungen ….Das war wie so ein neuer Lebensabschnitt in dem Sinne,
147 dass es was Neues für mich war, das ich noch nie gekannt habe, dieses Gefühl. Diese große Arbeit, die auch monatelang dahinter steckt. Erwar tungen hatte ich eigentlich vorher nicht, ich habe mich in dem Sinne überraschen lassen, was auf mich zu kommt. Also richtige Erwartungen hatte ich halt nicht. Was hast du denn für dich persönlich besonders spannend und interessant gefunden? Also rückblickend gesehen, weil das Projekt lief ja schon über eine ganze Weile, also über ein paar Monate. Angefangen von den Geschichten, die Dirk oder wir zusammen erstellt, ge schrieben haben, bis hin zu den ersten Proben. Auch dieses, wie man sich auf der Bühne verhält, dieses schauspiele rische, was man da gelehrt gekriegt hat. Bis hin dann halt zur Premiere, wo es dann wirklich nach so langer Zeit soweit war, wo man dann vor vollem Haus auf der Bühne stand. Das war schon spektakulär. Hättest du gedacht, dass du das so schaffst? Oder dachtest du zwischen durch auch mal, oha, auf so einer großen Bühne stehen und … Also vorher habe ich mir nie das Maß, das Ding ausgemalt, was es heißt, vor so viel Leuten auf der Bühne zu stehen. Das kannte ich vorher nicht. Aber vorher habe ich mir nie dazu Gedanken gemacht, was ist, wenn die Premiere ist. Ob es voll sein wird oder dies und das und jenes. Aber es hat mir generell Spaß gemacht. Und ihr habt ja den Text mit Dirk zusammen entwickelt, also ihr habt ja so Geschichten erzählt. Sind da auch Sachen von dir mit eingeflossen? Ja, da sind auch private Dinger von mir mit eingeflossen, wie zum Beispiel
die Geschichte, wo der HFC im UEFA-Pokal in Moskau gespielt hat, die ich darstelle zwischen mir als Sohn und meinem Vater, dem anderen Darsteller. Das ist so die einzige Geschichte, die ich von mir mit ein gebracht wurde. Aber warst du dann am Ende auch zufrieden mit dem Text? Ja, hat gepasst. Was hast du am aller liebsten ge macht? Das auf der Bühne stehen, vor Leuten, das hat mir am meisten Spaß gemacht. Natürlich auch dieses proben unter der Woche, und am Ende dann auch jeden Tag. Was manchmal auch ganz schön anstrengend war. Aber im Endeffekt hat es sich halt gelohnt, es hat sich ausgezahlt. Hast du irgendwas vermisst in der Zeit? Also die Übergangszeit, nach den Aufführungen, die war schon komisch. Weil du ja keine Aufgaben mehr so richtig hattest. Also du hattest dann keinen geregelten Tagesablauf, sondern hattest dann wieder einen anderen Tagesablauf. Wo feste Zeiten für das proben war oder Aufführun gen stattfanden, oder wo du dich mit deinen Freunden hier getroffen hast. du hast dann wieder deinen normalen Rhythmus gehabt. Das heißt, du hättest auch Lust gehabt, noch ein Stück weiter hier zu machen? Ich hätte es noch gerne durchgezogen bis zum Ende, ja. Beschreibe mal aus deiner Sicht, warum das alles zerbrochen ist. Und wie du dazu stehst. Da gibt es ja ganz unterschiedliche Meinungen innerhalb der Gruppe.
148 Also die Wahrnehmung einzelner, wie das jetzt ausgegangen ist, damit könnte ich jetzt nicht mitgehen. Das für manche das jetzt gar nicht mehr ging, dass einzelne gar nicht mehr weitermachen konnten, ist zwar schade, dass so ein Keil zwischen Dirk und uns rein gehauen wurde. Weil wir Dirk am Anfang anders eingeschätzt hatten, weil wir den auch irgendwie wie einen Freund angesehen hatten, nach so langer Zeit. Weil wir dem viel erzählt haben, der konnte wirklich so zusagen in unsere Szene rein schauen. Und dass er uns am Ende so in den Arsch getreten hat mit einigen State ments, hat mich dann auch ein biss chen enttäuscht von ihm. Aber trotz alledem hätte ich das für mich und für die Gruppe, abgesehen von Dirk, trotzdem gerne weitergemacht. War das jetzt neu für euch, was Dirk gesagt hat? Also das war ja dieses Corax-Interview vor allen Dingen und das, was er in der Nachtkritik geschrieben hat. Sind das Sachen gewesen, die für euch Neuland waren, oder ist das eine Position von Dirk ewesen, die ihr schon kanntet? Viele Dinge waren neu, wo Dirk seine Ansichten gezeigt hat, bzw. ausge sprochen hatte. Die wir nicht kannten. Weil wir eigentlich dachten, wir h aben keine Geheimnisse voreinander. Manche Dinge kannten wir oder wir konnten uns denken, dass Dirk viel leicht auch so denkt. Aber man hat es halt nie ausgesprochen. Manche Dinge gingen für uns schon, und für einen persönlich ganz schön unter die Gürtel linie, mit einigen Aussagen, die er hätte lieber vor uns machen können. Wo wir hätten drüber reden können, als öffentlich zu machen. Wie bewertest du denn die Reaktionen der Presse?
Also ich war am Anfang nach der Premiere sehr überrascht. Ich wusste, es wird was kommen sicherlich, weil es vorher auch große Wellen geschlagen hat. Aber ich war sehr überrascht, dass es am Ende doch so viel war. Es war ja kaum positives dabei, sondern wirklich nur draufhauen und nur negative Presse, und uns schlecht machen. Anderseits muss man auch bemerken, dass die überregionale Presse deutschlandweit komplett anders gesprochen hat als die regionale Presse, was mir dann gesagt hat, das es doch nicht so schlecht sein kann, das Stück. Aber wenn man hinter die Kulissen geschaut hat, gab es natürlich andere Interessen, warum man so etwas schreibt. Was meinst du damit, andere Interessen? Das halt die Presse bzw. die Stadt hier gegen einzelne Leute was hatte, und dadurch auch gegen einander geschossen wurde, und wir halt auch als Mittel, als Schießpulver herhalten mussten. Das war für die ein gefun denes Fressen. Ist die Presse deiner Meinung nach auf das Theaterstück eingegangen? Die Presse ist auf das Theaterstück eingegangen, aber nur auf negative Szenen. Die wir eigentlich raus holen und erklären wollten. Da die Presse immer noch nicht verstanden hat, wie wir einige Dinge meinen, kommen die von ihrer Meinung bzw. von ihren Ansehen über einige Dinge, die wir gemacht haben in der Vergangenheit, nicht weg. Und das wollten wir eigentlich auch mit dem Stück, einige Dinge auflockern oder erklären, damit es Leute verstehen, wie wir es eigentlich meinen, zum Beispiel mit Juden Jena.
149 Das war sozusagen rückblickend, habt ihr das dargestellt? Richtig. Was wolltet ihr damit zeigen? Dass es so, wie es in der Presse for muliert wurde immer die letzten Jahre, nicht ist, wir haben damit auf gelockert, dass es für uns keinen politischen Hintergrund hat. Dass es für uns einfach ein Schlachtruf war, ne Provokation. Aber das will in die Köpfe der Leute nicht rein. Die bleiben bei ihrer Meinung. Wie hat denn dein persönliches Um feld auf das Projekt reagiert, deine Familie, deine Freunde, deine Freundin? Also in Bezug auf den Zeitfaktor hat Familie, Freunde, Freundin schon ein bisschen gelitten in letzter Zeit. Weil man vor der Premiere jeden Tag hier war. Und ansonsten waren die positiv gestimmt, dass ich so was gemacht habe. Das ich mir so etwas getraut habe, waren schon einige begeistert. Die meisten Ultras sagen von sich, sie sind unpolitisch. Also das habt ihr ja von Anfang an, das habe ich ja so mitgekriegt, so vorne dran gestellt. Bist du auch jemand, der sagt, dass ihr unpolitisch seid? Ja, bin ich trotzdem noch der Mei nung. Als Gruppe sind wir unpo litisch, was einzelne Leute in ihrer Freizeit machen, da habe ich keinen Einfluss drauf. Das ist dann jedem seine Sache. Aber in Bezug auf Fußball und auf Spiele, oder generell, wenn wir im Stadion als Block, als Gemeinschaft stehen, sind wir unpo litisch. Wollen wir darauf noch näher eingehen? Auf dieses Politische, bitte nicht.
Was hat Dir das Ganze an sich ge bracht? Du musstest dich, weil ihr das Stück zusammen entwickelt habt, mit Dirk zusammen, ja auseinander setzen mit der Frage Fußball, Ultras. Man musste sich die Frage stellen, was bringen wir rein, was bringen wir rüber, also dem Publikum. Wie war das für dich? Weil du musstest ja, ich sag mal selbst reflektieren zum Thema Fußball, Ultras. War das für dich schwierig irgendwie? Also für mich persönlich war … ich bin ja auch in einzelne fremde Rollen geschlüpft, wie zum Beispiel in diese Managerrolle. Die war für mich am Anfang total schwierig, weil ich mich da komplett umstellen musste, auf eine andere Persönlichkeit. Aber a nsonsten hatte ich Szenen, wo ich einfach nur ich war, also wo ich mich nicht groß verstellen musste. Dieses schauspiele rische musste ich dann a nders rüber bringen, aber im großen und ganzen war ich selber auf der Bühne. Und wir war die Arbeit mit dem Team, mit Dirk? Es gab ja auch noch den Schauspielcoach und dann noch die Dramaturgin. Wie hast du es empfun den am Theater? Es war schön. Es hat mir wirklich Spaß gemacht. Ich habe mich zu 99% immer darauf gefreut, auf die Proben. Und es war auch mal interessant zu sehen, wie man das alles dramatur gisch und schauspielerisch durch die einzelnen Leute, die da mehr Ahnung haben auf diesem Gebiet, gelehrt bekommen hat. Wie man sich verstellt, wie man sich am besten rüber bringt zu den Leuten oder wie man sich zeigt auf der Bühne. Das war schon interes sant, weil man das vorher ja nicht kannte, wie man sich zu verstellen hat oder wie man sich zu zeigen hat. Das war schon gut, dass die Leute da waren.
150 Und hat dir das auch persönlich etwas gebracht, so dass du in bestimmten Lebenssituationen, jetzt außerhalb des Theaters, da was mitnehmen konn test? Wo du sagst, das habe ich an mir noch gar nicht so gekannt und da habe ich jetzt was gelernt über mich, wie ich auf bestimmte Sachen reagiere. Also einzelne Rollen, die kannte ich noch nicht an mir bzw. dass ich auch so sein kann. Aber jetzt generell, dass ich das jetzt in mein Leben eingegliedert habe, das kann ich nicht sagen. Also ich habe es bis jetzt noch nicht erlebt, dass ich mich in anderen Szenen verstellt oder dass ich da anders reagiert hätte. Kann ich jetzt nicht sagen. Das kommt vielleicht noch in Zukunft. Aber vor so vielen Leuten zu reden, da hattest du wohl noch keine Erfahrung oder? Nein, noch nie. Das war schon interes sant. Interessant und ganz schönes Bauchkribbeln. Am Anfang, die erste Vorstellung vor vollem Haus, war ja für alle ganz schön gewöhnungs bedürftig. Weil man das noch nie im Leben hatte. Nach zwei, drei Auf führungen hat sich schon ein bisschen, wie sagt man, eine Routine einge spielt. Da war man nicht mehr so auf geregt, aber der Anfang war schon sehr komisch. Diese Umstellung. Wie war denn dein Gefühl, also ihr habt ja ganz viel gearbeitet, und dann plötzlich war die Premiere. Wie war denn dein Gefühl davor und danach? Also in der Woche, wo es immer mehr auf die Premiere zuging, das war schon komisch. Und das jetzt diese Probenphasen zu Ende ist, dass jetzt auch Dirk weg ist, das er uns nicht mehr betreut, bzw. mit uns probt. Dass jetzt nur noch diese Aufführun gen sind, das war schon komisch.
Dass jetzt dieses Stück perfekt war und fertig war. Als ich an diesem Pre mierentag hier angekommen bin, war das schon ein komisches Gefühl, so Bauchkribbeln, weil du gewusst hast, gleich gibt es was anderes. Gleich ist es so, wie es noch nie war. Und als man dann auf der Bühne stand, und die ganzen Leute sah, wurde einem schon ein bisschen mulmig. Hast natürlich Lampenfieber, warst aufge regt, ist ja normal. Du wolltest dich nicht verhaspeln in deinen Texten. War schon komisch, aber es hat Spaß gemacht. Und danach? Das war ein schönes Gefühl, weil man Applaus für seine Arbeit bekam bzw. für diese Monate, in denen man sich abgeschuftet hat, um das Stück auf die Bühne zu bringen. Das hat sich dadurch halt ausgezahlt. Dass man dann wirklich durch den Applaus die Bestätigung gekriegt hat, dass es gut war oder dass es was gebracht hat, dass man da monatelang geprobt und trainiert hat dafür. Und es gab ja dann auch Reaktionen vom HFC-Präsidenten, von Herrn Dr. Schädlich, wie auch von der Ober bürgermeisterin Frau Szabados. Ich war ja dabei, als Herr Schädlich mit euch gesprochen hat. Wie hast du das empfunden? War dir das wichtig? Also es war nicht wichtig, dass dieser Mann hoch kommt und gratuliert. Es war schön, dass er es gemacht hat, dass er unsere Arbeit auch anerkannt hat. Dass er sich dafür bedankt hat, ist ja eine Geschichte, die um seinen Verein geht. Ich denke auch, dass er in dieser Situation ein bisschen stolz war darauf, dass wir das gemacht haben. Nach der Premiere die Vorstellungen und da war ja anschließend immer das
151 Publikumsgespräch. Wie schätzt du das ein, das Publikumsgespräch, sagst du, das war wichtig oder das war sinnlos? Also ich fand es schon wichtig am Ende. Im Endeffekt hat man auch gesehen, im Nachhinein ist man schlauer, das man das nach der Premi ere auch hätte machen sollen. Dann hätte es vielleicht andere Meinungen gegeben in der Öffentlichkeit. Es hat schon was gebracht, den Leuten unsere wirkliche Darstellung auf zuzeigen bzw. die auch Fragen haben, die sonst nicht stellen konnten, weil sie sonst nicht an uns ran gekommen wären. Und das halt, durch diese negative Presse einige Leute in dieses Theaterstück gekommen sind, die vor her eine schlechte Meinung über uns hatten bzw. über uns als Gruppe. Oder wie wir uns im Stadion präsentieren. Dass wir diese Meinung der Leute oder von einzelnen Leute auch ändern konnten. Dass die mit einer anderen Meinung aus dem Theater raus gegan gen sind, als sie rein gegangen sind. Aufgrund dieser negativen Presse und weil sie ja auch Fragen hatten, die wir dann aufholen konnten. Wie geht es jetzt weiter mit den Ultras? Unverändert. Wie vor dem Theater stück, es hat sich bei uns in der Gruppe nix geändert. Dieselben Probleme haben wir immer noch mit der Polizei, mit den Behörden. Das wird sich, glaube ich, auch nie ändern. Was ist mit eurem Fanhaus jetzt? Das bleibt immer unser Fanhaus. Das bleibt weiterhin, wie es vorher war.
152 Interview mit Matthias Baumgarten, Spitzname Matze, 22 Jahre alt, seit 1999 HFC-Fan, seit 2005 Ultra, macht eine kaufmännische Tätigkeit als Kunden berater, ein wenig T heatererfahrung, aber keine besonders gute.
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154 Und nachdem du jetzt nun hier ein wenig rein gerochen hast ins Thalia Theater, weil du ja selber auf der Bühne standest, wie ist das jetzt mit Theatervorstellungen, würdest du jetzt öfter gehen, wenn du Zeit hättest, hast du da jetzt mehr Interesse? Ja, ich war jetzt schon bei einem Theaterstück, weil es mich natürlich interessiert hat, weil ich jetzt auch mit einer anderen Ansicht mir Theater stücke anschaue, weil ich jetzt auch aus einer Sicht eines Schauspielers mir die angeschaut habe. Wie die sich fühlen, oder ob die auch aufgeregt sind und so. Da stellt man sich halt solche Fragen ja, die sich ein normaler Zuschauer nicht stellen würde. Und ich wollte mal nicht selber auf der Bühne stehen, sondern mir ein Stück so anschauen, ohne irgendwie aufge regt zu sein oder so. Ich denke mal, in Zukunft, klar werde ich bestimmt noch mal ein oder zwei Vorstellungen anschauen, in naher Zukunft. Warum hast du dich entschlossen, bei dem Projekt »Ultras« mitzumachen, also was war so deine Motivation? Die erste Motivation war halt, das Thema Ultra auch normalen Leuten mal näher zu bringen, ohne über irgendwelche Medien, wo man irgend etwas sagt und die das dann falsch abdrucken. So können wir es direkt dem Publikum so näher bringen, aus unseren Mündern, sag ich jetzt mal. Und noch ein Beweggrund war die eigene Neugier, neue Erfahrungen mal so kennen zu lernen. Und, was fandest du jetzt besonders spannend innerhalb des Projektes, also jetzt nicht nur die Aufführung, sondern wenn man das gesamte Projekt sieht? Spannend fand ich persönlich nicht die Premiere, sondern die General
probe davor, wie alles klappt und ob alles klappt. Das war so was, wo ich sehr aufgeregt war. Und dann die Premiere natürlich selber, wo man sich fast in die Hose geschissen hat, kurz davor. Spannend so allgemein war das ganze Projekt, das ganze Gesamtpaket war spannend, von der Probe her, es war immer lustig und auch der Anfang war spannend. Was kommt auf einen drauf zu, man hat da überhaupt keine Ahnung, wie das da abläuft. Schwie rig zu beantworten. Und hast du das als zeitliche Belas tung empfunden? Weil du vorhin sagtest, dass ihr zu wenig Zeit hattet. Es hat ganz schön geschlaucht ja. Arbeiten, dann bist du gleich nach der Arbeit hier her, gerade, als die inten siven Proben waren und hast dann geprobt bis 22 Uhr. Bist nach Hause und konntest auch nix mehr machen, bist ins Bett, früh aufgestanden, arbeiten, dann wieder und warst dann nur zum schlafen zu Hause., Und das schlaucht auch ganz schön, weil man gerade als Ultra auch andere Dinger noch zu erledigen hat. Das musst du versuchen, auch noch irgendwie einzu bauen. Da, wenn ich dann abends 22 Uhr nach Hause komme, setze ich mich noch an Rechner und muss halt noch irgendwas entwerfen. Und so ganz persönlich für dich, was war da für dich persönlich berei chernd, also was kannst du für dich mitnehmen? Das ich kein so schlechter Schauspie ler bin. Ja, dass war auch so ein Punkt, wo ich erst überlegt habe, mitzuma chen, dieses wie werde ich mich auf der Bühne darstellen und so, da war ich doch positiv über mich überrascht, dass ich auch so aus mir raus gehen kann, und nicht nur ich war überrascht, meine Eltern waren auch ü berrascht.
155 Die haben mich so gar nicht wieder erkannt. Tja was noch, weiß ich nicht, also diese Erfahrung, ne Erfahrung reicher, wo ich jetzt diese Erfahrung gemacht habe, bin ich doch eigentlich schon froh, dass ich sie mal gemacht habe. Also das Theater kennen zu lernen und Bühnenerfahrung zu haben? Na, genau das ja. Das macht ja nicht jeder. Was hast du Neues gelernt in dem Sinne, dass du an dir Sachen entdeckt hast, die du vorher gar nicht so kann test. Was hast du neues gelernt? Halt so Sachen, die ich vorher an mir nicht kannte. So dass ich so aus mir raus gehen kann, so richtig schreien und so ja. Was ich ja eigentlich nie mache. Bist du eher so ein ruhiger Zeitge nosse? Ja, ruhigerer, ja kann man schon sagen Wie war das, ist das jetzt befreiender? Also es hat gut getan, zu schreien. Also das erste Mal, wo wir bei den Proben waren, da ist ja diese Couch szene, wo ich Pansen anschreien musste und bei den Proben, wo ich das zum ersten Mal machen musste, da hat es zehn Anläufe gebraucht, bis ich da richtig schreien konnte. Wo ich das erste Mal richtig geschrien habe, dann hat es auch geflutscht. Welche Erwartungen und Wünsche hattest du denn an das Projekt? Bist du so so nach dem Motto ran gegan gen, was kommt, das kommt oder hast du dir gesagt, ich erwarte schon das und ich würde mir das und das wünschen? Teils, teils würde ich sagen. Also ich
habe alles auf mich zu kommen lassen. Und die Erwartungen waren, dass wir unser Stück so auf die Bühne bringen, dass wir groß mit eingebunden wer den, was ja auch der Fall war ja, zum Großteil. Und dass wir halt, das die Leute, die sich das Stück angeschaut haben, mit einem anderen Auge, also mit einer anderen Ansicht über Ultras aus dem Theaterstück gehen als sie rein gegangen sind. Was ja auch zum Großteil, würde ich sagen, geklappt hat. Das war so meine Erwartung und mein Wunsch. Deine Erwartungen und Wünsche sind eigentlich von der Sache her erfüllt worden. Also du hast das Gefühl, man ist darauf eingegangen? Ja, wenn man jetzt mal von den ande ren Sachen, dem Rassismuszeug, das mit der Politik absieht … Da hatte ich ja persönlich überhaupt keinen Bock drauf, weil mich das total nervt und an die Nieren geht, wenn da über irgend einen Politikmist gesprochen wird. Und das ist leider ein bisschen in diese Richtung ausgeartet, was ich ja gar nicht wollte, ich wollte eigentlich über das Thema Ultra spre chen, nicht über das Thema Politik und Fußball. Und das ist leider so abgedriftet. Und wann fing das an, dass über Politik gesprochen wurde? Politik fängt bei mir im Stadion an, mit rechter oder linker Politik. Jetzt Vereinspolitik, das ist ja eigentlich auch Politik. Jetzt auch gerade das Thema 50 plus 1, ja mit diesen mehr als 50% für irgendwelche Sponsoren oder so, die dann einen größeren Einfluss auf den Verein haben, das geht uns ja auch was an, das ist ja auch Politik. Politik heißt bei uns jetzt politisch rechts oder politisch links. Da hab ich keinen Bock drauf, auf die
156 linke Schiene hab ich keinen Bock und auf die rechte Schiene genauso wenig. Und das war ja am Anfang nicht so offensichtlich, am Anfang des Projek tes, als ihr das Stück entwickelt habt oder? Wir haben eigentlich von Anfang an gesagt, dass wir unpolitisch sind, dass die Gruppe, wir im Stadion unpoli tisch sind. Was jeder privat macht, ist jedem selbst überlassen. Selbst da ist der Großteil eigentlich unpolitisch. Aber fing das schon bei den Proben an, dass ihr darüber diskutiert habt oder gab es dann irgendwann einen Zeitpunkt? Ja, dass hat uns alle so ein bisschen genervt, gerade mit dieser JudenJena-Szene, die da mit rein gebracht werden sollte. Da gab es schon Dis kussionen, weil wir wollten eigentlich die Sache Ultra näher bringen und dann kam Dirk mit dieser Juden-JenaGeschichte, was eigentlich schon wieder drei Jahre her ist. Ja, und dann haben wir nach ewigen Diskussionen doch irgendwie gesagt, gut wir nehmen es mit rein. Warum? Um denn Leuten eigentlich zu zeigen, dass diese Juden-Jena-Rufe für uns keinen politischen Hintergrund hat ten, wir wollten eigentlich mit diesem Thema ausräumen. Aber letztendlich ist das ja irgendwie alles nach hinten losgegangen. Was hast du am allerliebsten gemacht, innerhalb des Projektes, du hast ja ganz viel gemacht? Am liebsten dann eigentlich, wo ich auf der Bühne stand und geschauspie lert habe, das hat mir auch eigentlich am meisten Spaß gemacht. Zwar ist
das immer wieder anstrengend und so, du bist da immer hin gefahren zur Vorstellung, hast im Hinterkopf eigentlich so diesen Gedanken, eigent lich überhaupt keinen Bock mehr drauf, aber wenn du dann auf der Bühne stehst, dann kommt diese Schauspiellust, sag ich jetzt mal, schon wieder hoch. Also es hat immer Spaß gemacht. Und das hat man auch bei den anderen gemerkt, wo das Stück noch nicht ganz vorbei ist und jeder seine letzte Szene hatte, kamen immer hinter die Bühne hier, haben sich gefreut, war wieder geil und so ja. Und jetzt mit dem Abbruch des Pro jektes? Jetzt mal abgesehen von den ganzen Gründen, wie denkst du da jetzt persönlich für dich drüber? Persönlich bin ich eigentlich schon ganz froh, dass es auch vorbei ist, weil es sehr anstrengend war. Ich denke mal, die sieben Vorstellungen haben schon gereicht. Und es war auch richtig belastend, richtig anstrengend. Anstrengend zeitlich jetzt? Zeitlich und auch körperlich. Man war auch immer so ein bisschen aus gelaugt und ist dann halt am Wochen ende noch zu Auswärtsspielen gefah ren. Da ist man ja auch unterwegs, oder beim Heimspiel und wenn du dann denn nächsten Tag frei hattest, hast du halt auch wieder Proben. Und so waren wir dann froh, als das dann vorbei war. Aber so Lust am Schauspielern hättest du schon? Wenn ich dich jetzt frage, würdest du an einem ähnlichen Projekt teilnehmen? Muss ja jetzt nicht das Thema sein, sondern kann ja was anderes sein. Wärst du da offen, würdest du da sagen ja? Sag mal so, jetzt würde ich sagen nein. Man soll ja nie nie sagen, aber
157 ich weiß ja jetzt, wie das so ist und so, ich weiß ja, dass es sehr, sehr anstren gend ist. Und für ein anderes Thema, weiß ich nicht, ob ich mich da begeis tern könnte. Ich würde jetzt sagen nein, also ich würde nicht noch mal so was machen. Es war zwar ne schöne Erfahrung und so, aber gerade dadurch, dass es auch sehr sehr an strengend war und sehr viel Zeit und Kraft kostete, wo ich eigentlich gar keine Zeit für habe, für so was, sage ich jetzt im Augenblick nein. Was würdest du jemandem empfehlen, der diese Erfahrung noch nicht gemacht hat und der angefragt wird? Ich würde sagen, ja mach es. Du hast ja schon einige Sachen ange sprochen, die dir jetzt nicht so gefal len haben, also diese Thematik rechts/ links, die da ins Spiel kam. Was hat dir denn sonst noch nicht gefallen an dem Projekt, wo hattest du Schwierig keiten mit oder was hat dich genervt, gab es da was? Genervt hat mich eigentlich nur, manchmal waren die Proben auch sehr langatmig und dann zum Ende hin die Unkonzentriertheit, da haben mich die Proben immer mal genervt. Aber so jetzt genervt eigentlich sonst gar nix. Alle nett hier. Weil es war ja ein großes Team, es gab dann später noch einen Schauspiel coach, dann die Dramaturgin. Nee, die Dramaturgin und der Schau spielcoach, die waren eigentlich so mit das Beste. Die waren sehr tolle Persönlichkeiten. Beide, Ritchy und Patty. Und die Zusammenarbeit mit Dirk? Die war eigentlich auch okay. Der hat uns machen lassen, wir haben gesagt so und so. Und der hat dann seine
egieanweisungen mit dazu gegeben, R seine Erfahrungen, dann haben wir das so gemacht. Also die Proben und so verliefen eigentlich immer rei bungsfrei, da gab es ja keine Pro bleme. Das ist ja dann im Laufe der Zeit so entstanden, dass er seine poli tischen Ansichten, dann seine Sachen da halt gebracht hat. Ich denke mal, darüber wurde auch schon genug debattiert und gesprochen. Aber diese Stückentwicklung, da habt ihr ja auch viel diskutiert, fandest du das anstrengend oder fandst du das ne gute Variante? Ich sag mal, das musste ja sein, es muss ja diskutiert werden. Wir können ja nicht einfach machen, was uns vorgelegt wird, wir wollen ja drüber diskutieren, natürlich war es anstren gend, darüber zu diskutieren. Intern gab es auch Streitigkeiten, das war auch sehr anstrengend. Aber ich sag mal, das gehört dazu, zum Theater. Also hast du das jetzt nicht als belastend empfunden? Anstrengend, belastend war es nicht, es war aber anstrengend. Hast du irgendwas vermisst? Es gab glaub ich keine Zeit, was zu vermissen. Du hast ja gesagt, dass du die und die Erfahrung gemacht hast und das du gemerkt hast, dass es dir Spaß macht, auf der Bühne zu stehen. Wie hat dich denn diese Erfahrung geprägt, ist das auch nachhaltig? Zum Beispiel auch die Reaktionen dann nach der Premiere? Die Pressesachen, die dann auf einen eingeprasselt sind, das war schon krass, aber ich saß jetzt nicht da und hab gedacht scheiße, sondern wir sind es ja gewohnt ja, dass die Presse
158 i mmer auf den Verein oder auf die Fans einhaut. Also von daher fand ich das schon krass, aber ich würde jetzt nicht sagen, dass ich da heulend in der Ecke saß oder so, kalt an der Schulter ging es mir auch nicht vorbei, ja aber gestört hat es mich nicht so ganz. Mich hat es schon gestört, diese Inhalte, aber mich hat jetzt nicht gestört, dass wir kritisiert wurden, sondern die Inhalte, die kritisiert wurden, gerade diese Juden-Jena-Geschichte, mir kam es ja so vor, als ob die Presse nicht begreifen wollte, was wir damit sagen wollten. Oder die haben es nicht versucht zu begreifen, was wir damit sagen wollen. Ja, was hat mich geprägt? Was hat dich denn da verändert per sönlich? Ob du eine Erfahrung gemacht hast, wo du jetzt eine andere Sicht darauf hast? Oder du hast irgendwas besser verstanden? Was ich weiß, ist, dass man mit so einem Thema vorsichtig sein sollte, aber das wusste ich ja vorher schon. Wir haben schon damit gerechnet, dass das was auslösen könnte, ne Diskussion, aber dass es in einem so krassen Rah men ist, das war schon … Bist du da jetzt enttäuscht? Es gab ja viel Presse und öffentliche Meinung, hättest du eine andere Erwartung gehabt, um in Diskussion zu treten, meinetwegen mit der Politik oder der Presse? Weil ihr habt ja im Prinzip gesagt, ihr zeigt, wer ihr seid, dann habt ihr eine Geschichte erzählt, ihr habt euch geöffnet auf der Bühne und die Presse hat sich ja nur einzelne Sachen raus gezogen. Genau, was ich ja schade fand war, dass die sich nur die Juden-JenaSzene raus gepickt haben, aber es gab ja noch Szenen wie dieser Benefizlauf zugunsten der krebskranken Kinder,
dass wir da halt bei einer Stadtratsit zung waren, dass wir uns für unseren Verein einsetzen, für das neue Stadion und Choreos malen oder so was, also die ganzen positiven Sachen, die eigentlich viel mehr überwiegen, da wurde nix erwähnt. Es ging eigentlich bei diesem Theaterstück nur um diese Diskussion. Jetzt gerade nach der ersten Vorstellung, nach diesem Medienhype, da saß ja nur kritisches Publikum drinnen und das war echt schwer da zu spielen, weil ich persönlich gedacht habe, die warten eigentlich nur auf diese Juden-Jena-Szene, das ganze Stück. Was ich dann aber um so positiver fand, ist wo die Leute uns gefragt haben, habt ihr denn das zensiert, und die uns nicht glauben wollten, dass wir es nicht zensiert hatten, und dann haben die gesehen, das gar nicht so schlimm war, wie es in der Presse dargestellt war. Und das war, fand ich persönlich, sehr gut, dass die Leute sich das ange schaut haben und dann sind wir alle, oder der Großteil doch mit einem positiven Gedanken hier raus gegan gen. Wie hast du das Publikumsgespräch empfunden? Ich fand es schon ganz wichtig, weil ich denke, das Stück selber hat viele Fragen offen gelassen. Und da fand ich das schon wichtig, dass die Leute noch mal speziell nachfragen konnten, also ich fand es gut. Wichtig, ja. Wie hat denn dein Umfeld auf dich reagiert? Deine Familie, deine Freunde, also ich nehme mal an, ein Großteil war da, ein paar hab ich ja auch gesehen, wie waren denn da die Reaktionen? Durchweg positiv, also ich hab es ja erst lange Zeit vor meiner Mutter verschwiegen, hab ihr nix gesagt. Weil
159 ich wusste, dass sie dann irgendwann Geburtstag hatte und da wollte ich das als Geburtstagsgeschenk verpa cken. Da hab ich die Premierekarten geschickt, dann das Programmheft dazu und das Theaterplakat und so. Da hat sie mich dann gleich angeru fen, was du machst da mit und so, sie wollte es selber gar nicht glauben, weil sie es mir auch nicht zugetraut hätte. Auch so meine ganze Familie war da, es haben ja nicht alle gesehen, weil ein Großteil nicht in Halle wohnt, also eigentlich kaum jemand, so gut wir gar keiner, weil alle in Deutsch land verstreut sind. Aber die, die es gesehen haben, es war eigentlich nur meine Mutter, fanden es sehr, sehr positiv. War sie stolz auf mich. Und hat sie dann mit dir auch darüber gesprochen? Nee, sie kennt sich ja mit der Materie aus, also wo sie jetzt noch in Halle ge wohnt hat, ist sie ja auch fast zu jeden Heimspiel ins Stadion gegangen. Ist sie auch HFC-Fan? Sie ist auch HFC-Fan ja. Sie weiß auch, was ich mache mit den Choreos, das weiß sie alles schon, also das hat sie auch vorher schon gewusst. Bist du dann durch deine Mutter HFC-Fan geworden? Nee. Sagen wir, sie ist durch mich HFC-Fan geworden. Sie war auch sportbegeistert und so hat sich auch für Fußball interessiert. Und weil sie wusste, dass ich immer ins Stadion gehe zum HFC, hat sie halt dann dadurch auch immer dem HFC die Daumen gedrückt und ist dann auch ins Stadion gegangen. Und so ist das bei ihr auch so, fiebert sie immer mit. Ultras, also der Begriff oder die Grup pierung, ist ja für viele Leute, die sich
mit Fußball nicht so auskennen, erst mal wie so ein Fremdwort. Die wissen ja gar nicht, was sich dahinter verbirgt. Du hast in dem Projekt mit daran gearbeitet, dieses Stück zu entwickeln, um zu zeigen, wer seid ihr und was macht ihr. Hat dir das in irgendeiner Weise was gebracht, hast du einen schärferen Blick jetzt auf ie Sache? Es ist ja so, als ob man persönlich in den Spiegel guckt, um zu sehen, wie man aussieht, oder? Also man muss ja auswählen, was bringt man auf der Bühne, ja? Richtig ja. Ultra ist ja noch viel breit gefächerter als was jetzt auf der Bühne war, da ist ja noch viel, viel mehr, man müsste eigentlich 5 Stunden spielen, um den Leuten zu zeigen, das ist ja noch aller möglicher Scheiß. Selbst die Ultragruppen machen jetzt auch schon Musik, also ihre Gedan ken. Es gibt in Frankfurt oder so HipHop Bands oder so was, die halt keinen Kommerz singen und oder Graffiti, Streetart und so, das ist auch alles Ultra. Gibt auch Fußballgraffitis und alles so was kommt zusammen. Aber so mit der eigenen Gruppe, die man ja darstellt? Ihr habt euch ja auch selber gespielt, auch eigene Erlebnisse mit reingebracht, man muss es ja auch analysieren, um eine Struktur rein zu bekommen. Ja, aber wir haben ja jetzt gebracht, wie Auswärtsfahrten ablaufen und wie Choreomalen ist, aber das ist ja bei jeder Gruppe ähnlich, sag ich mal. Jede Gruppe in Deutschland ist zwar speziell, aber im Grund sind sie alle gleich. Das ist ja bei allen das Gleiche, was da passiert, gerade auch mit Polizeiwillkür und Kommerz und die Presse stürzt sich auf jemanden, das ist ja ein deutschlandweites Thema und nicht nur in Halle. Also denke ich mal, dass wir das Thema Ultra nicht
160 nur speziell auf Halle bezogen den Leuten gezeigt haben, sondern auch, dass es ein deutschlandweites Prob lem ist. Oder dass die Sachen, die wir gezeigt haben, nicht nur auf Halle zutreffen, also auf unsere Ultraszene, sondern auf Magdeburg, Berlin, keine Ahnung wo, München, Frankfurt, wo auch immer sie sind. Es saßen ja auch Fans drinnen aus anderen Vereinen, die das auch bestätigt haben? Genau. Also von diesen Fans gab es eigentlich auch nur positives Feed back, ja auch aus Magdeburg, die hatten jetzt auch einen Text verfasst in ihrem Fanmagazin, was die raus bringen, auch über das Stück berichtet, und die haben auch einen knappen, aber objektiven Artikel geschrieben, ich will nicht sagen sehr gut oder sehr schlecht, aber der war halt objektiv, wie man sich eigentlich von den ande ren auch gewünscht hätte, von der Presse ja. Was hast du denn über Theater gelernt? Ich sag mal doch schon einiges. Gut ich war, bin jetzt nicht so der Theater gänger gewesen, aber im Hintergrund läuft ja sehr viel ab, gerade auch mit Licht und mit Technik, irgend jemand ist für die Klamotten zustän dig und irgendjemand ist dafür zuständig, und irgendjemand ist dafür zuständig. Das kriegt man alles nicht so mit. Das sind halt so Sachen, die man vorher nicht so wusste. Wen würdest du als den wichtigsten Menschen einschätzen in so einer Produktion? Na, einer, der das koordiniert, dass alles klappt. Jetzt hätte ich gerade gesagt, Pitti, der das Licht und alles gemacht hat, weil der saß immer da
und musste alles drücken. Also der war, würde ich sagen, der Wichtigste mit, der hat auch immer geguckt, ich hab es ja auch immer im Hintergrund, wenn ich jetzt nicht gespielt habe, gesehen. Was ist da und das hier, das kriegt man alles nicht mit, wenn man im Publikum sitzt ja. Wie beurteilst du denn Erfolg oder Misserfolg des Projektes? Ich würde sagen, es war kein Erfolg, aber auch kein Misserfolg, es war so ein Zwischending. Ich würde schon sagen, dass wir die Sache Ultra näher gebracht haben, auch den normalen Leuten, dass die darüber nachgedacht haben, was das eigentlich ist, Ultra. Und ich denke auch, wenn jetzt ein Normaler ins Stadion geht und das erste mal Ultra liest im Stadion, denkt der, aha das sind ja die, die das und das machen. Vorher wäre der ins Stadion gegangen und hätte sich viel leicht gar nicht darum gekümmert. Misserfolg, gut, seit dieser Sache mit der Politik und dem ganzen Mist, was ein bisschen ausgeartet ist, was wir nicht wollten. Wir wollten eigentlich nur erreichen, dass über die Sache Ultra gesprochen wird, egal, ob jetzt positiv oder negativ. Das blieb ja nun dann im Endeffekt doch außen vor, g erade in der Öffentlichkeit. Da wurde ja eigentlich nur über die Politik gesprochen in der Presse. Da muss ich mal noch eine Frage nach haken, da wurde ja auch immer von Hooligans geschrieben oder berichtet in der Presse. Wo liegt denn der Unter schied? Der Unterschied ist, dass Hooligans sich nur rumprügeln. Und Ultra ist der, der halt Fan ist von seinem Verein. Gut, Hooligans können auch Fans sein, aber Ultras sind in erster Linie dafür da, um den Verein zu
161 nterstützen und anzufeuern, um u Stimmung zu machen, mit Choreogra phieoptik, bestmöglichst zu unter stützen. Die Komponente Gewalt ist nur ein kleiner Teil, der da auch dazu kommt. Ultras sind auch gewaltbereit, aber vielleicht von 100%, was Ultra ausmacht, ist Gewalt 10%. Und beim Hooligan ist Gewalt 90%, was das ausmacht.
162 Interview mit Steffen Panse 26 Jahre, Koch, seit 1999 HFC-Fan, seit 2005 Ultra, arbeitet derzeit als Koch im Rahmen eines Projekts am Thalia Theater, vorher keine große Theatererfahrung, aber Interesse, hat sich vorgenommen, mehr ins Theater zu gehen.
163
164 Und wie bist Du HFC-Fan geworden? Ich habe mich als Kind nur für die großen Bundesligavereine interessiert. Ich hatte mich damals immer mit Freunden hinter meinem Haus getrof fen, irgendwann kamen halt mehr Leute dazu, einige waren HFC-Fans. Sie meinten, kommt lieber mal zu un serem Verein, da ist es doch viel geiler. Dann bin ich da eben mal mitge fahren, da waren halt voll die durch geknallten Leute. Und ich dachte, bist ja selber so ein bisschen verrückt. Und so bin ich dann zum nächsten Spiel und dann das nächste, dann das erste Mal auswärts, später dann im mer. Um es zusammenzufassen: durch Kumpels, durch neue Bekanntschaf ten und spätere Freunde, die mich dazu gebracht haben. Seit wann bist du Ultra und wie bist du Ultra geworden? Ich kannte um die Jahrtausendwende ja schon einige Leute der Szene. Die haben mich halt fasziniert. Ich war zur damaligen Zeit eigentlich noch Kutte, bin rum g erannt wie ein Weih nachtsbaum, mit hundert Schals und einer Weste am Wanst. Irgendwann bin ich dann auch dazu gekommen, mich dafür zu interessieren und hab über verschiedene Leute versucht, einen Einblick zu kriegen. Aber das war halt immer alles ziemlich ver schlossen. 2005 habe ich dann zusam men mit sechs weiteren Leuten meine eigene ultraorientierte Gruppe gegrün det. Und die wurde dann mehr oder weniger als untergeordnete Gruppie rung in die Ultraszene aufgenommen. So hat das auch alles mit den Sektio nen angefangen. Wir wuchsen ziem lich schnell auf eine stolze Größe mit manchmal mehr und manchmal weniger begabten Leuten. Seit Anfang dieser Saison bin ich in der Haupt gruppe.
Was war deine Motivation, um beim Theaterprojekt Ultras mitzumachen? Also in erster Linie war es so, das ich mich ja für Theater interessiere, auch für Schauspieler, das fasziniert mich wirklich. Und ich wollte vielleicht zum Teil auch s ehen, wie es so ist, selber ein Stück zu spielen. Und auf der anderen Seite hab ich das als Chance gesehen, uns zu zeigen, wie wir sind, der breiten Öffentlichkeit, auch Leuten, die nicht so den Einblick in die Fußballszene haben, die keinen wirklichen Plan vom Begriff Ultra haben oder was es wirklich heißt, ein Fußballfanatiker zu sein. Um den Leuten mal zu verklickern, so sind wir. Nehmt uns so, oder lasst es. Ge spannt war ich eigentlich immer auf die Reaktion der Leute, die absolut keinen Plan haben von dem, was wir tun. Leider Gottes waren viele dabei, die sich was von andern Leuten erzäh len lassen oder die Zeitung zu weit aufgeklappt haben. Was war für dich bereichernd? Die Erfahrung, dass Schauspiel dann doch harte Arbeit ist, habe ich sehr am eigenem Leib erfahren und war doch anstrengender, als ich dachte. Immer diese Konzentration, immer alles noch mal machen. Also ich sag mal, ein Stück durchzuspielen sind 1,5 Stunden. Und bei den Proben, waren es gleich mal drei Durchläufe am Stück. Und dann saß immer jemand im Publikum, der die Hand hebt und sagt Stopp, das müssen wir anders machen, sehr nervenaufreibend. Ich dachte immer, dass es ein bisschen einfacher und lockerer zugeht, doch irren ist menschlich. Ist bei der Stückentwicklung alles rein gekommen, was du dir so gedacht hast, also deine persönlichen Erwar tungen an so ein Stück, vor allen
165 ingen an den Inhalt? D Ja. Doch, Dirk hat relativ alles an genommen, zumindest zu Beginn. Wir sagten, das passt uns nicht und das muss in das Stück. Er hat am Anfang noch mit sich reden lassen, zum Schluss dann leider nicht mehr. Später war er dann ziemlich verbohrt. Ist vielleicht auch ein bisschen der Druck gewesen, da es nun zur Premi ere hin ging. Er sich dann selten reinreden lassen, gerade von Außen stehenden, die jetzt nicht aktiv am Stück beteiligt sind, aber trotzdem mitarbeiten. Insgesamt sag ich aber, was wir wollten, dass drin sein muss, war auch drin Wie hast du die Arbeit mit Dirk empfunden? Stressig, denn eigentlich bin ich unge duldig. Wenn ich was beginne, will ich es auch fertig bringen. Wenn du dann mittendrin bist, den Blick gerade aus richtest und es kommt einer von der Seite und unterbricht dich alle fünf Sekunden, ist das zumindest für mich Stress pur. Ganz allgemein gefragt, was hast du am allerliebsten gemacht? Also am allerliebsten, muss ich ehrlich sagen, stand ich auf der Bühne. Das war wirklich so ein geiles Gefühl, wenn man so einen lustigen Spruch gebracht hat und der halbe Saal ist am Feiern, das war schon cool. Wie war das Gefühl vor und nach der Premiere? Also davor war es krass, ganz ehrlich. Ich war so was von nervös, ich saß da auf meinem Stuhl hinter der Bühne, weil ich ja Anfang gleich mit rauskam. Da war schon ab und zu der Gedanke da, jetzt geh ich da raus und fall um, weiche Knie und so, du verstehst. Danach war’s eine Riesen
erleichterung, nicht nur Felsen, son dern Gebirge fielen von meinen Schultern. Dass wir das auf die Bühne gebracht haben und der Saal getobt hat, war genial. Unbeschreiblich, der Saal tobte und es hallten unsere Lieder durch den Saal, geil! Was hat dir nicht so gefallen? Was mir absolut nicht gefallen hat, war das Verhalten einiger Mitarbeiter im Team, dass immer die Politikschiene mit reingebracht wurde, das ging mir einfach auf die Eier, ich möchte damit nichts zu tun haben. Ich will darüber nicht diskutieren, mich interessiert das nicht. Aber wenn du aber ständig jemanden hast, der dir deine Meinung aufdrücken will, dich aufklären will über Zeug, was dich absolut nicht interessiert, das finde ich zum kotzen, das brauche ich nicht. Und das waren nicht nur einige Mitarbeiter, das waren später auch viele im Publikum nach der Vorstellung. Gegen Ende unserer Staffel hatte ich das Gefühl, der Saal wird nur durch Leute gefüllt, die sich eben nicht für die Sache Ultra oder für Fußball interessieren. Die kamen nur, weil sie sehen wollten, aha, da stehen 9 Nazis auf der Bühne, die fallen gleich auf die Schnauze. Ich fand es dann nur noch zum Kotzen, die Diskussions runden waren für das Stück, für Fußball und eben unsere Sache da. Es wurde aber eben immer wieder eine Politikquatschrunde und das brauchte ich, um ehrlich zu sein, nicht. Aber das muss ja auch von irgendwo herkommen, dass viele Leute denken, die Ultraszene, in der sind eben viele Rechte oder Nazis. Also das Problem ist ja nun nicht neu. Habt ihr nicht schon damit gerechnet, das solche Vorwürfe kommen könnten? Oder du? Ich hab doch schon damit gerechnet, als es dann hieß, wir nehmen diese
166 J uden-Jena-Szene mit rein. Konnte ich mir schon denken, dass wir da schon wieder von einigen Leuten ziemlich zerpflückt werden. Aber das ist halt auch so eine Sache, natürlich hat es in der Vergangenheit immer Probleme beim Verein gegeben, sei es wegen irgend welchen Rufen oder sonst was. Aber um ganz ehrlich zu sein, ich hätte nicht gedacht, das da so ein Hehl daraus gemacht wird, nur wegen dieser einen kleinen Szene. Also die ersten Reaktionen, die dann kamen, waren ja nicht so, dass da 9 Laien auf der Bühne stehen und ein Riesending gemacht haben, sondern die haben sich dann wirklich fixiert auf das, was schlecht ist und sind richtig über uns hergezogen. Die haben nicht die Arbeit gesehen, die dahinter steckt von uns, sondern nur das schlechte hervor gekramt. Dann haben sie sich drauf gestürzt wie gefräßige Geier, typisch! Obwohl, Anerkennung habt ihr ja auch bekommen für das Stück und eure Arbeit, oder? Ja, aber in den Fernsehberichten von 3sat, da wurde uns ja im Vornherein erzählt, das ist ein ganz seriöser und der macht ganz seriöse Sendungen. Die bringen wirklich einzig und allein nur Theatergelumpe, ich schalte ein und dann kommen da wieder irgend welche Szenen, wo noch nicht einmal hallesche Beteiligung war, sondern irgend so eine Szene aus Nürnberg. Sinnlos, und dann irgendwelches Videomaterial von 2005, das man dann hervor kramt und dann immer wieder wird das ausgekramt aus der Schub lade. Und immer wieder wird man damit konfrontiert. Ihr sagt ja von Euch, dass ihr unpo litisch seid, Ultras unpolitisch sind. Aber da ist ja nun so eine Provo
kation, wie Juden-Jena und da gibt es ja derlei andere Provokationen noch, wo man schon sagen könnte, naja das ist dann schon eine politische Provo kation eigentlich. Wie siehst du das? Also ich hab das auch schon mal zu der Diskussionsrunde gesagt, das uns das vielleicht nicht klar war, dass das halt mal irgendjemandem aufstoßen könnte. Weil ich weiß nicht, wir sind ja relativ junge Leute, es war schon immer da, und wir haben es einfach übernommen. Ich meine, wie wir im Stück schon gesagt haben, in DDRZeiten war das schon so und wir ha ben uns nie den Kopf drüber gemacht, dass es irgend jemanden nicht passt, warum auch, uns ist diese Politik egal. Es ist so, dass der Verein dafür bestraft wurde, also sagten wir uns, okay, lassen wir es sein und sorgen wir dafür, dass es so bleibt. Wir lassen es sein, weil wir wissen, wir machen damit den Verein kaputt oder wir schaden dem Verein. Aber dann kom men wieder die Fragen, warum lasst ihr es sein, interessiert euch das nicht. Das geht mir auf den Sack, das will ich nicht haben, Punkt. Für mich stellt sich die Frage, gut im Stadion wird das nicht mehr gerufen, aber ich weiß aus den Erzählungen, da gab es ja den Fall in Hamburg, da gab es Rufe wie U-Bahn von St. Pauli nach Auschwitz oder so ähnlich. Dies wird jetzt nicht im Stadion gerufen, aber außerhalb schon. Und dann gibt’s wieder Meinungen, naja im Stadion sind wir ja unpolitisch, aber alles, was außerhalb des Stadions passiert, ist eben Privatsache. Wo ich aber sage, ihr seid ja da auch in einer Gruppe. Also ich sag mal, wir sagen ja, dass wir das im Stadion eben nicht machen. Wir sagen allerdings auch nicht, das die ganze komplette Kurve, die mit 2000 Mann gefüllt ist, nicht komplett
167 rechtsfrei oder nicht komplett links frei ist. Die Leute, die ins Stadion gehen und neben mir stehen, die sind dort, weil sie den HFC spielen sehen wollen und weil sie den HFC unter stützen. Was die in ihrer Freizeit machen, ob die jetzt nun in eine Syna goge oder in die Kirche gehen, ob die ne Glatze haben oder Locken tragen, ist mir völlig egal. Die sollen mich bloß mit der Scheiße in Ruhe lassen und dann ist gut. Wenn dann irgend welche Leute meinen, auf braune Demos gehen zu müssen oder auf die andere Seite sich zu stellen, können sie das doch machen. Aber sobald diese Leute die Stadiontore überschritten haben, ist die Politik rot-weiß, da zählt nur der HFC, sonst nichts! Aber die Medien halten ja trotzdem ihre Kameras drauf, gerade außerhalb des Stadions, ist ja ganz klar. Die machen auch den Unterschied nicht zwischen im Stadion und draußen, weil wenn da so ein Pulk von Ultras kommt und die reißen dann so einen Spruch, der ganz klar politisch ein geordnet wird. Wie stehst du dazu? Also ich meine, wie gehst du damit um, wenn du mit 30-40 Ultras aus Halle da unterwegs bist, und die fangen dann an, was machst du da? Gut also, wir unterbinden das ja bei uns in der Gruppe. Dass die Leute mit ihrem politischen Scheiß gefälligst die Schnauze zu halten haben. Das können sie in ihrer Freizeit machen. Natürlich hast du mal irgendwo einen, der aus der Reihe tanzt, weiß nicht, du kannst ihn ja dafür nicht verprügeln, oder weg sperren. Das ist dann halt passiert und wenn dann eben zufällig ne Kamera vom MDR daneben steht, schlechten Tag erwischt, es ist halt so. Ich meine, daran ist das Projekt in zwei Teile zerbrochen. Habt ihr im
Probenprozess nicht auch mit Dirk mal über diese Themen gesprochen? Ich meine, ihr habt ja ziemlich viel aufeinander gehangen und viel disku tiert. Kam die Diskussion und die Meinung von Dirk so aus der Kalten, hat euch das überrascht? So richtig darüber gesprochen habe ich zumindest nicht. Weil, wie ich schon gesagt habe, mich das Thema einfach nicht interessiert. Und wenn jetzt jemand damit angefangen hat, über den Holocaust zu reden oder letzte Woche war Antifademo, da hab ich einfach gesagt, hier dahinten ist die Tür, ich will darüber nicht reden, mich interessiert das einfach nicht. Was ist jetzt die anderen gemacht haben, das weiß ich nicht, da musst du selber mal fragen. Aber trotzdem hat dich das ja sehr geärgert. Weil du hast ja ganz viel Zeit investiert, das Stück zu entwickeln, dann die ganzen Proben und Vorstel lungen. Du hast dir ja schon gewünscht, dass die Leute viel mehr über Fußball reden und die Ultras. Ja. Das heißt, so richtig wegrennen kannst du nicht, weil man hat damit zu tun, man kriegt es von außen sozusagen vorgesetzt. Du bist ja nicht auf einer Insel, wo du sagen kannst, so das Boot kann anlegen und das muss weiterfahren. Ja. Hat dich das Projekt persönlich verändert? Eigentlich nicht. Ich hab mich ja selber gespielt, ich war ich, also eigentlich bin ich noch der selbe Mensch wie vorher. Wie hat dein Umfeld, also deine Freunde und Familie reagiert?
168 Also ich muss ehrlich gestehen, dass meine Beziehung zu meiner Freundin daran zu 80% zerbrochen ist. Ich hatte halt nie Zeit. Auf der anderen Seite wusste sie, was auf uns zu kommt, schließlich war das Projekt zur Kennenlernphase schon im vollen Gange. Der Rest meiner Sippe interessierte sich nicht wirklich dafür. War sie denn da, also hat sie sich das Stück angeschaut? Zur Premiere ja, mit meiner Mutter. Ich habe halt viele Leute in meinem Freundeskreis, die studieren und sich auch für Theater interessieren, die fanden das riesig, dass ich das mache, die hätten das nie gedacht. Die hatten vielleicht noch vor Monaten gesagt, du hast ja ne Macke. Ja, und die fanden es toll, also eine rundum positive Re aktion in meinem Umfeld. Was hast du über Theater gelernt? Im Stadion kennst du dich aus, würdest du behaupten, im Theater kennst du dich jetzt auch aus? Also hinter den Kulissen schon. Ich hätte vorher nie gedacht, was alles so dahinter steckt. Jeder muss konzen triert sein und die Hand sollte dringend die andere waschen, schon genial, so was miterlebt zu haben. Wer ist die wichtigste Person im Theater? Ich habe gelernt, es sind die Techniker. Wenn man mit denen keine K irschen essen gehen kann, dann ist plötzlich der Scheinwerfer aus, keiner weiß warum, oder die Bühne dreht sich zu früh oder so.
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170 Interview mit Robert Hübner, Spitzname Oberröblingen 18 Jahre alt, seit 2002 HFC-Fan, Schüler eines Fachgymnasiums, 12 Klasse, spielte in jüngeren Jahren die Stubenfliege Puk bei Biene Maja, ist schon oft im Theater gewesen und sagt: »Theater als Kunstform ist absolut eine feine Sache.«
und Robert Schütz, Spitzname Börti 19 Jahre alt, seit 2007 HFC-Fan, macht eine schulische Ausbildung zum Medientechnischen Assistenten, hat Theatererfahrung – er spielte Merkutio in Romeo und Julia, war schon oft als Besucher im Theater.
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172 Ihr seid Ultras. Seit wann seid ihr Ultras und wie ist es dazu gekommen? B. Ich wurde in Altona beim ersten Auswärtsspiel in der Regionalliga angequatscht von unserem Chefchen. Und so bin ich dann in die Szene rein gerutscht. Also kann man sagen, dass ich seit zwei Jahren aktiv mit dabei bin. Gab es da irgendeine Abstimmung, also eine Versammlung, wo alle gesagt haben, hier der Börti und so, hebt eure Hand? Oder wie läuft das? B. Noch mal kurz im Stadion, in der Halbzeitpause, es waren ja nicht mehr viele in der Jugendbande damals. Es waren ja nur noch vier oder fünf in der Jugendbande, als ich dazu gekom men bin. Die haben gesagt, ja machen wir, als ich dann dazu gekommen bin. Dann war ich eben dabei. Und wie war das bei dir? O. Bei mir war das noch ne Ecke frü her, also mit Anfang 14 habe ich mich angefangen, für die Materie Ultra zu interessieren. Hab auch die ersten Leute im Umfeld der Szene kennen gelernt und ich kam dann praktisch zu diesem Umfeld dazu. Und dann hat sich dann eine Person herauskristalli siert als meine Kontaktperson. Und zu dem hatte ich dann regelmäßigen Kontakt und der hat mir dann viele Treffpunkte genannt. Der hatte so ein bisschen Mentorfunktion. Und Anfang 2007 wurde ich dann offiziell Mitglied. Und das ist ja nun schon ein ganzes Stückchen her, die Bande war damals noch ein wenig anders strukturiert. Als ich dann Mitglied wurde, hatte sie noch mehr Mitglieder gehabt, aber kurz nach meiner Aufnahme sind viele weggebrochen. Weil dann die Interes sen sehr verschieden waren. Es hat sich dann also die Spreu vom Weizen getrennt. Wer wirklich Ultra leben
will oder wer es nur als Prollschiene gesehen hat. Dann hat sich der Struk turwandel vollführt, dass man halt mit fünf bis sieben Mann von ganz unten angefangen hat. Wie würde das heute laufen, ich meine, wenn es heute jemanden geben würde, der zu euch in eure Gruppe rein will? Ist das jetzt strenger gere gelt, wenn sich da was geändert hat? B. Naja jetzt, wo es eigentlich wieder relativ gut läuft, wir ziemlich viele Mitglieder haben, gucken wir schon ein bisschen mehr drauf, ob wir den aufnehmen oder nicht. Da gibt es ein Gremium bei uns, da wird ein Treffen organisiert, da wird derjenige vor geschlagen. Stellt sich vor und dann wird abgestimmt. Aber meistens klappt das dann auch, also so streng sind wir dann auch wieder nicht, weil wir eine Jugendgruppierung sind. Wir müssen den Nachwuchs fördern und da können wir uns nicht aussu chen, wenn wir nun nehmen, da müs sen wir eben, wie man so schön sagt, Masse statt Klasse machen. Da sind wir eigentlich nicht so dafür, aber wie gesagt, eigentlich hat jeder so die Chance, da rein zu kommen. O. Also, so richtig einen Mittelweg zu finden, zwischen wir brauchen neue Mitglieder und der potenzielle Neue muss auch was taugen. Also er muss sich auf jeden Fall für die Sache interessieren. Engagement zeigen, ja das sind so die Sachen, die Grund voraussetzung sind. Wobei ich, ehrlich gesagt, finde, wenn ich an meine Anfangszeit zurückdenke, war es viel leicht fast schon ein wenig schwerer, in die Jugendbande rein zu kommen. Weil die damals noch nicht so offen war. Früher hatte sie eher so einen Charakter als geschlossener Freundes kreis und wir haben erfolgreich versucht, von diesem Image weg zu
173 kommen, um jungen und interessierten Menschen die Möglichkeit zu geben, aktiv an der Szene teilzunehmen. Und das ist nur für Männer? O. Bisher ja. B. Bisher kam noch kein Mädel auf uns zu, die in die Jugendbande will. O. Es gibt diverse weibliche Personen, die sich in unserem Umfeld aufhalten, weil sie uns halt gern haben. Aber es gibt bisher in der gesamten halleschen Fanszene eigentlich kaum weibliche Personen, wo ich jetzt sagen könnte, die könnte jetzt Ultra sein. Das liegt nicht an dem Geschlecht, es ist einfach in der gesamten halleschen Fanszene nicht so ausgelegt, dass Frauen Ultra sind. B. Catering. O. Catering, das passt. Catering im Umfeld der Saalefront, das passt sehr gut. Und das machen sie auch sehr gut. Ich habe mal gehört, dass Frauen wohl Unruhe rein bringen würden in die Gruppe, weil sie immer so viel rum quatschen. Das habt ihr ganz am Anfang mal gesagt. B. Das mit den Frauen ist sowieso ein Thema. Ich will jetzt nicht unbedingt, dass da eine Frau bei uns mit im Block steht. Also mitten bei uns drin nen. Dann wird da ein bisschen gepogt und Zaunsturm, oder wenn mal gezündet wird oder so, dann ras ten da alle aus. Und so ein kleines zierliches Mädchen, was da mit drin nen steht, das passt da einfach nicht rein. Es ist nun mal eher Männersache und da gehört für mich ein Mädel nicht rein. Die kann gerne im Block ein bisschen weiter weg stehen, aber so mitten drinnen und bei uns dabei, das würde einfach nicht so passen. Gehen wir noch mal ganz an den Anfang zurück. Warum habt ihr euch
entschlossen, beim Projekt mit zu machen? O. Also wie das so ganz ursprünglich angefangen hat, das weiß ich persön lich gar nicht. Die Information war sehr auf den geschlossenen Saale frontkreis beschränkt, auf diese paar Leute, die davon Bescheid wussten. B. Aber das erste Mal, als ich dabei war, war das erste Treffen in diesem Probenhaus dort. Am Weidenplan, da war zum ersten Mal so ein Treffen, und da war noch Schleppi dabei, der da eigentlich mitspielen wollte. Und da habe ich mich eigentlich nur mit rein gesetzt, weil ich mir das mal anhören wollte. Und dann hat sich das dann so entwickelt, da hatte ich dann so einen Text, also so die Vorschläge. Ich hab da so ne Mappe gekriegt, da Schleppi dann eh abgesprungen ist, weil er keine Zeit, keine Lust hatte, weiß ich nicht. Hab ich dann gesagt, gut dann mach ich da mit, weil ich da auch Bock drauf hatte, so Theater und so, nicht schlecht. Und der Hinter grund war ja nicht schlecht. Ein biss chen mit den Vorurteilen aufräumen, die es da so gibt. Gut, habe ich mir gedacht, dann spiel ich da mit, wird bestimmt ne gute Erfahrung. Und so ist das eigentlich so gekommen. O. Bei mir war es halt so, ich habe zum ersten Mal von dem Theaterstück an sich gehört bei dem Pokalderby in Magdeburg. B. Stimmt, da war Dirk in der S-Bahn und da hab ich mir gedacht … Nee das erste Mal habe ich Dirk gesehen hier zum Männertag, gewaltige Sportstour, und da hab ich mir nur gedacht, was rennt denn da für ein Kunde mit der Kamera rum, warum verprügelt den keiner und so. Und im Nachhinein habe ich erfahren, das war der Regis seur, der macht Fotos fürs Stück und so. Und dann habe ich zum ersten Mal vom Theater gehört.
174 O. So war das dann auch bei mir in Magdeburg. Wie gesagt, Dirk mit seinem doch sehr auffälligen Äußeren stand vor dem Block und hat foto grafiert. Und ich hab dann daraufhin Batke gefragt, was das für ein Mensch sei. Weil ich das doch sehr interessant fand, wo ich mir dachte, da steckt bestimmt ein Sinn dahinter. Batke konnte mir dann bestätigen, dass Dirk vom Theater ist, das es dafür sei. Da hab ich mir dann ein paar Eckdaten von Batke nennen lassen und war erst mal total baff. B. Stimmt, da hab ich das erste Mal gehört, dass Dirk einen WikipediaEintrag hat. O. Da hab ich mir gedacht, Prominenz hier vorm Block und fotografiert. Und dann habe ich eben die nächsten Wochen sehr dolle die Ohren und Augen offen gehalten, wie sich dieses Projekt weiter entwickelt. Und dann kam es, wie gesagt, zu dem besagten Tag mit Halle läuft. Da wusste ich an diesem Tag noch gar nicht, dass dieser Theatertreff ist. Bin da meine zwanzig Runden gedreht, konnte kaum noch laufen, und hab die Saalefront arm gemacht. Und dann ging es gemeinsam zu diesem Treff, wo wir dann wiede rum sehr nett aufgenommen worden sind, fand ich. B. Mit Bier und so. O. Wo uns dann auch sehr ausführlich und sehr gut dieses Stück, diese Idee präsentiert wurde. Ab da wusste ich dann ganz genau, jawohl, hier will ich aktiv werden, hier will ich ein Teil davon sein. Und wenn man ein bisschen weiter denkt, was habt ihr besonders span nend an dem Projekt gefunden? Weil im Mai ging es ja los und dann habt ihr euch immer zu den Proben getroffen. Und ab August ging es ja dann richtig hart los, da habt ihr
dann auf die große Bühne gewechselt und da war fast täglich. Und wenn ihr jetzt mal zurückschaut, was war so am spannendsten und am interessantesten für euch? O. Das war das Spannende, mal zu sehen, wie das auf der Bühne wirkt. Also dass alles so auf die Bühne zu bringen, was wir eigentlich so tagtäg lich machen. Das war schon span nend, das zu sehen, wie das dann so abläuft. Auf einmal stand die Tribüne noch da, und da hat man sich gedacht, uh, jetzt geht es langsam vorwärts. Und diese ganze Entwicklung vom Anfang, wo wir uns das erste Mal ge troffen haben und nur mal Texte durchgelesen haben. Dann das Schau spieltraining war auch eine spannende Erfahrung mit Richi, und ja eigentlich der gesamte Ablauf war richtig gut. B. Das ist eine schwierige Frage, weil es gab so ziemlich nichts, was nicht spannend war. Von der Entwicklung an sich, dann der Blick hinter die ganze Theaterfassade, dass man erst mal erlebt, wie sich so ein Stück zu sammensetzt. Was da an Arbeit, an Planung und allem dazugehört. Dann das Schauspieltraining, dann auch die Reaktionen der eigenen Mitmenschen, Familie und Co, wie sie darauf rea gieren und so, wenn man jetzt sagt, ich mach jetzt Theater. Das fand ich auch sehr interessant und natürlich auch das Interesse der Medien, man war auch in der Zeitung. Man hat sein eigenes Gesicht auf Tageszeitungen gesehen, man war auf Fotos, dieser ganze schlagartige Prozess war nicht nur spannend, sondern aufregend. Und wenn ihr mal in euch rein guckt, was hat euch das ganze persönlich an Erfahrung gebracht? B. Eigentlich ist das ja so im Stadion nichts anderes. Wenn man so in der Kurve steht, da gucken sie auch alle.
175 Eigentlich war das an sich jetzt nicht so krass. Das Einzige, was ich sagen muss, war das mit den Medien, das war ein bisschen krass für mich. Was da kam, da war ich ein bisschen baff, dass das so extrem war. Warum? B. Ich fand das Stück geil und auch alle, die es bis jetzt auch in Proben, im Pädagogenforum, gesehen haben. Und dann kam da auf einmal der richtig krasse Artikel in der Zeitung und da hab ich eigentlich gedacht, oha. Mit den Medien, ich wusste, dass die ziem lich viel Scheiße schreiben und sich auf uns eingeschossen haben, aber dass das dann so krass in die Richtung geht und das man dann auch noch persönlich angegriffen wird, das war dann schon extrem. Extrem ungerecht oder wie? B. Schon, ja. Was hättest du dir gewünscht? Was hast du denn eigentlich erwartet? B. Dass die das Stück ein bisschen objektiver sehen, also die sind ja gleich mit dem Vorurteil schon ran gegangen, da machen jetzt Nazi hooligans ein Stück und das kann nur Scheiße werden. Und dann schießen sie sich nur auf die eine Szene ein. In den Zeitungsartikeln, in den meis ten, es gab ja auch ein paar gute, in den meisten ging es nur um diese kack Juden-Jena-Szene. Und der Rest, um den es uns eigentlich ging in dem Stück, ist völlig weggefallen. Ja, und wenn da wenigstens was drin gestanden hätte über den Benefiz lauf, Choreos malen, setzten sich hier fürs Stadion ein und so, dann wäre das alles schon ein bisschen anders gewesen, aber es war eben nur die eine Sache, die in den Medien zerpflückt wurde.
Wie siehst du das? O. Eigentlich exakt genauso, eine bisschen differenziertere Betrachtung der Medien im nachhinein hätte ich mir schon gewünscht. Na klar, über das Juden-Jena kann man sich dumm und dämlich diskutieren, sag ich mal. Dieser Fakt, wenn wir diese Szene weggelassen hätten, dass das Medien echo genau entgegen gesetzt ausge fallen wäre. Fand ich auch sehr prägend. Auch wenn ich jetzt an den 3sat-Bericht denke, für mich ist als Erkenntnis geblieben, die ganze Abneigung, die man gegenüber den Medien hat, ist alles schön und gut. Aber dass das durch so ein Beispiel bestätigt wird, wir öffnen uns, wir machen ein viertelstundenlanges Interview, wo ich sage, jawohl, sehr schönes Interview, die Reporter sehr freundlich und alles, und im End effekt reichen dann ein, zwei Leute in irgendwelchen Büros aus, die das dann zurecht schneiden, wo dann ein Artikel kommt über uns, der vor Fehlern nur so strotzt. Und Videoma terial, was gar nicht von uns ist und falsch kommentiert und so total zer redet wird, das ganze Stück und so. Das heißt, eure persönlichen Erwar tungen an das Projekt sind dann offensichtlich nicht so aufgegangen? B. Das ist jetzt wiederum nicht so. Weil du ja fragtest nach einem beson deren Erlebnis. Das war eigentlich nur das besonders Negative, es über wiegen bei mir schon die positiven Erlebnisse. Wie wir schon sagten, der ganze Hergang, wie sich das alles gebildet hat,das war eine unheimlich interessante Erfahrung, die man durchs ganze Leben trägt. Man hat hier am Theater Menschen kennen gelernt, die man wahrscheinlich so nie hätte kennen lernen können. Schau spieler, diese ganzen anderen Leute,
176 die auch an anderen Stücken mitar beiten. Ihre Ansichten, ihre Charak tere, man kam ja auch mal ins Gespräch. Man hat hier Leute kennen gelernt und Sichtweisen erlebt, wo man auch Gemeinsamkeiten gefunden hat, mit Leuten, wo man dachte, so vom Äußeren her, der ist völlig anders als ich. Das allein ist schon sehr inter essant. Und auch einfach mal das Erlebnis, auf der Bühne gestanden zu haben, im Rampenlicht, 250 Zu schauer. Es bleibt so viel positive Erinnerung an das Stück, das mir jetzt gar nicht alles einfällt. Was hast du denn am liebsten ge macht? O. Das ist eine sehr schwierige Frage, also ich bin hier nach der Schule jeden Tag, schon Stunden früher teil weise hier her gefahren, war noch in Halle unterwegs. Durch dieses Stück war ich auch viel mehr in Halle. Also die Stadt ist meine Liebe, irgendwann zieht es mich hier sowieso her. Mein ganzes Leben läuft auf diese Stadt hinaus wenn, man so will. Weil ich schon als kleiner Stift die Städte im mer toll fand und so hat sich dann auch die Liebe zum Verein ergeben. Als Exilhallenser sozusagen. Da war ich erstens viel mehr in der Stadt und dann auch immer schon zeitig am Theater. Einfach weil ich mich hier an dem Ort so wohlgefühlt habe, diese Mentalität, dass gemütliche irgendwo. Das hat mich fasziniert, und dann das ganze Schauspiel, jeden Tag auf der Bühne, schon allein die Aufwärmung hat Spaß gemacht. Wo wir uns am Anfang noch total kaputt gelacht ha ben, über die Sachen die wir gemacht haben. Die man dann im Endeffekt gewohnt war, das hatte was. Und du? B. War bei mir genauso, jeden Tag zur
Probe gehen, auf der Bühne stehen, die eigens für das Stück, für uns jetzt, gebaut wurde. Eigentlich wurde uns jeder Wunsch erfüllt. Dann ins Ton studio noch gegangen, das war auch geil. Eben die Fahne, die dann noch kam mit Zaun. Also das alles drumhe rum war auch gut, das Schauspiel, Training wie gesagt. Auch so das mit Dirk, einzelne Szenen abquatschen, was könnte man da noch und da machen. Alles in allem hat richtig Spaß gemacht. O. Dieser Hergang, wie sich alles so Stück für Stück entwickelt hat, war auch so unheimlich motivierend für die Premiere. Tag für Tag was Neues so, gerade in der Schlussphase. Am Tag vorher, war da noch ganz normale Bühne, dann wurde sie rot-weiß gestrichen. Dann kam Zaun, dann kam Fahne, es war immer Stück für Stück was Neues dabei. Auch das im Ton studio, man hat Sachen gemacht und wenn ich mir jetzt vorstelle, ich hätte daran nicht teilgenommen, was man da alles verpasst hätte. Ein Tonstudio besuchen, da kommt ja ein normal Sterblicher nicht dazu in seinem Leben. Auch mal mit einem Schau spielcoach zu arbeiten, auf der Bühne zu stehen und so, das ist eben das, die Erfahrung, die man ohne das Theaterprojekt nie hätte machen können, im Endeffekt. Habt ihr irgendwas vermisst in der Zeit? B. Nein, nicht wirklich. O. Haben wir was vermisst? Da war so viel Neues da. Manche haben gesagt Schlaf. B. Wir sind Schüler, wir können eine halbe Stunde länger schlafen. O. Vielleicht ein bisschen Ruhe zwischendurch ja, aber das hat man im Endeffekt gar nicht mehr gewollt.
177 Dieser ganze neue Lebensstil, den man da für Monate gelebt hat. Wirk lich, das war ja bei mir teilweise so, um sechs aufstehen und um zwölf nach Hause kommen. Und den nächs ten Tag wieder. Klar hätte da ein bisschen mehr Schlaf nicht schlecht getan, weil wir dann auch ziemlich müde waren, aber man hat es gar nicht mehr gewollt. Man hat sich ja jeden Tag darauf gefreut. Und auch wenn man ein wenig erschöpft war, war es nie so wie, ach heute hab ich keinen Bock und so. Da war wirklich die Motivation aufgrund des immer fortlaufenden Prozesses immer gege ben. Würdet Ihr an einem ähnlichem Pro jekt gerne wieder teilnehmen wollen? O. Ich würde das auf jeden Fall so un terstreichen ja, also das hat viel Freude bereitet. Und es war eine Er fahrung, die man nicht mehr vergisst. B. Ich würde das auch noch mal machen ja. Wir haben ja gerade von den Reaktio nen von Presse und Öffentlichkeit gesprochen. Wobei ich immer sagen muss, ich würde unterscheiden zwi schen Presse und den Leuten, die hier drin gesessen haben, die Zuschauer. Weil ich das auch selber erlebt habe, dass die Reaktionen da ganz anders waren, als in der Zeitung geschrieben. Ich sag mal so, als sich die Presse auf das Projekt gestürzt hat und darüber berichtet hat, gab es ja zwischen Dirk und Euch einen Bruch. O. So nach und nach, ja. B. Im Verlauf dann, ja. Wobei das Medienecho an sich war ja nicht der Grund. Das war schon krass. Aber dann hat sich Dirk ja auch auf die Seite mit gestellt, indem er das auf gegriffen hat, was da in den Medien kam, mit seinem Antisemitismus-
und Rassismuszeug, was er dann noch die ganze Zeit erzählt hatte. Das war dann eigentlich der Bruch für mich. O. Das ist genau der Knackpunkt, das es halt nicht der Grund war, oh Gott die Medien zerreden uns jetzt, das sind wir ja gewohnt. Das ist ja eine Situation, mit der man auch umzuge hen weiß, was wir schon öfters hatten. Aber dass sich dann ein Vertrauter, den man in seine Mitte schloss, der so viel Wissen über die Szene hat, dem man die ganze Zeit den Einblick ge währt hat, das genau der sich auf die andere Seite schlägt, das muss man dann ganz deutlich so sagen, da haben sich wirklich zwei harte Fronten gebildet an der Stelle Medien und das Theaterstück an sich. Das da so einer rüber springt, das hatte man in den eigenen Reihen noch nicht. Das war für uns ein riesengroßer Vertrauens bruch, der nicht mehr wieder gut zu machen war im Endeffekt. Was ich persönlich sehr schade finde. Wie ich jetzt zu der Sache stehe, weiß ich manchmal selber nicht genau. Sehr frech, sag ich mal, von Dirk. Dass er sein eigenes Weltbild hat, gut, das gönne ich ihm als Mensch. Aber dass hat im Theaterstück nicht richtig was verloren. Aber ich kann auch durch aus die Leute dann verstehen, die gesagt haben dann, nee bis hierher und nicht weiter, so kann das nicht weitergehen. Und wenn es denn wei ter gegangen wäre, weiß ich auch nicht, mit welchem Gewissen ich da auf der Bühne gestanden hätte. War schon im Endeffekt der Bruch, diese Sache. Wie hat denn euer Umfeld auf Euch reagiert, also sprich Familie, Freunde, eure Mitschüler? Waren die alle drin, haben die sich dafür interessiert? B. Als ich dann nach Hause gekom men bin, nach dem Treffen, hab ich
178 gesagt, hier passt auf, ich spiel im Theaterstück mit. Da haben mir meine Eltern erst mal einen Vogel gezeigt. Die haben das nicht geglaubt, die haben gedacht, ich verarsch die irgend wie, weiß ich nicht warum. Dann wurde das immer konkreter, ich hatte immer mehr Material, hatte dann am Ende auch ein Textbuch in der Hand, so das Drehbuch. Und dann haben sie gesagt, oh das stimmt ja, der macht ja wirklich mit im Theater. Und meine Kumpels, jetzt auch aus der Klasse und so, als ich das erzählt habe, hier Theater, die so, geil. Die waren da eigentlich voll dafür, die fanden das richtig gut, dass das gemacht wird. Waren auch die meisten drinnen, so sie Zeit hatten. Und durchweg auch positives Fazit, die fanden das richtig gut, dass ich da auf der Bühne stand, die fanden das Klasse. O. Also, das kann man genauso unter streichen. Erst mal Eltern, die waren genauso überrascht am Anfang, erst mal einen Vogel gezeigt. Das hat sich dann so entwickelt, dass mich meine Mutter im Endeffekt nur noch mit Brad Pitt angesprochen hat. Da wusste man im Endeffekt gar nicht mehr, wer man ist. Das war schon sehr interessant, dieser Werdegang innerhalb eines kleinen Zeitraumes. Es waren ja im Prinzip drei, vier Monate. Man konnte sich’s ja gar nicht verkneifen, ich habe dann irgendwann gedacht, Hübner, reiß dich mal, du schneidest hier auf mit dem Projekt. Aber man musste jedem erzählen, krass ich spiele im Theater mit. Weil man gar nicht genug bekam von diesen hängenden Kiefern da. Wie die alle am Staunen waren. Es waren im Endeffekt auch viele Leute aus dem Freundeskreis, der Schule im Stück, teilweise auch ein zweites und drittes Mal. Auch unsere eigenen Szeneleute, die einfach anscheinend nicht genug
davon bekamen. Und das war halt unheimlich motivierend, immer wieder auf die Bühne zu gehen. Wahnsinn, also dreimal ausverkauft. Krass, ein fach nur krass. Die Lehrer haben sich auch dafür interessiert, man hatte ja dann immer Material, da hat sich dann jeder so einen Flyer genommen. Es war auch für das Umfeld ein ziem lich gewagtes, interessantes Projekt. B. Wo die ersten Plakate hier so hin gen, mit »Die Bühne gehört uns”, kam es dann auch, krass spielst du da nicht mit? War das das Stück, wo du mit spielst? Und dann konnte man sagen, ja das war das, wo ich mitspiele. O. Wo das Stück dann auf der Bühne war, war der Effekt auch sehr lustig. Dass man dann bei Auswärtsspielen, beim Fahnen abhängen einfach mal angesprochen wird. B. Von den Spielern beim Abklatschen in Mäuselwitz zum Beispiel, kamen dann Spieler an, abgeklatscht und, eh du bist doch der vom Theater. War cool und das ist eigentlich schön, dass das auch so gewürdigt wird. O. War dann lustig, wenn die Leute kommen, ich habe dich im Fernsehen gesehen. War auch schon mal was anderes. Auch sich selbst in der Zei tung wieder zu finden, mit Zitaten, das ist totaler Wahnsinn. Das hat man sonst sein Leben lang nicht und dann in einer Woche sechs, sieben Mal. So krass, einfach herrlich. Nun hätte ich von Euch gern eine persönliche Einschätzung zum Erfolg oder Misserfolg des Projektes. Wie schätzt ihr das ein? O. So negativ nicht, wie es geredet wurde von den Medien, zum Beispiel, das es ein totaler Skandal ist. Das wurde ja nur schlecht geredet, als totaler Misserfolg. Trotz dieses Presse echos muss ich sagen, gesamt betrachtet, für mich jetzt als Person,
179 war es ein voller Erfolg, da möchte ich mich eigentlich noch mal bedanken dafür, dass ich halt Teil des Projektes sein durfte. Und dass wir hier aktiv mitwirken konnten. Aber auch gesamt betrachtet ist Ultra als Materie auf die Bühne gekommen. So wie wir es uns vorgestellt haben, wir konnten da mitwirken und konnten unsere Ideale, unsere Werte auf der Bühne darstel len. Und schon allein aus diesem Grund war das für mich eigentlich ein voller Erfolg. Dass das Medienecho so krass kommt, ist natürlich …, schwärzt das Projekt ein bisschen an, aber trotzdem würde ich es jetzt nicht als Misserfolg betrachten. B. Also auch für mich durchweg posi tiv, ein voller Erfolg. War halt Scheiße von den Medien, aber die Leute, die drinnen saßen, die hatten alle bis auf zwei, drei Ausnahmen immer auch gedacht, es war geil. Das Stück ist ein Erfolg, hat man ja am Ende auch gesehen, wo sie gerufen haben, wir sollen weiter machen und so. Insgesamt betrachtet ist das Projekt astrein gelaufen. O. Das Zuschauerecho hat einem ei gentlich das größte Feedback gegeben. Und die große Gewissheit, dass das Stück halt nicht gefloppt ist. Weil die Leute, die drinnen waren, also ich denke, da bereut keiner sein Geld, was er bezahlt hat für die Eintrittskarte oder halt die Freikarte, die er gekriegt hat. Die Zeit, die die Leute aufgewen det haben, der viele Applaus und alles, wenn man das alles so zusammen nimmt, ist es doch ein voller Erfolg gewesen. Eure Motivation war ja auch ein biss chen, das Feld zu öffnen und zu sagen, hier sind wir, die Ultras. Habt ihr das Gefühl gehabt, dass das beim Publi kum angekommen ist? Es gab ja nicht nur Fußballbegeisterte, die dort rein
gegangen sind, sondern auch ganz normale Leute. B. Das mit den Choreos und so haben die schon mitgekriegt, aber ich denke mal, das ist alles ein wenig unter gegangen, wegen der Szene mit dem Juden Jena. Weil das war eben das Größte, also auch, wie die Polizei dumm dargestellt wird, mit dem Mode rator da oben, dass der schlecht war und da ist das mit dem Choreomalen und dem Benefizlauf ein wenig unter gegangen. Einzelne haben auch immer mal gesagt, ja hier ihr macht ja auch so was, finde ich toll. Dann kam, aber da gab es noch diese Juden-Jena- Sache und ihr seid ja auch gewalttätig. Da ist das mit dem Choreomalen und so alles ein bisschen nach hinten ver rutscht. Mitbekommen haben sie es, aber es haben sich dann alle wirklich nur auf diese zwei, drei Szenen da gestürzt, die so skandalös sind. Aber diese Juden-Jena-Szene, da war euch doch auch wichtig, dass ihr die reinnehmt, oder? Es wurde ja mal gerufen, das war also was historisches und ein Rückblick. Ich meine, genauso die Szene, wenn ihr über den Vater erzählt, der nach Russland gefahren ist. Das habt ihr selber nicht erlebt, sondern das wurde euch erzählt. B. Ich persönlich hätte jetzt auch mit leben können, wenn die Juden-JenaSzene nicht mit drin gewesen wäre. Das war ja mehr auf das Drängen von Dirk. Meiner Meinung nach ist es ein Teil von uns, aber hätte jetzt nicht auf Biegen und Brechen mit rein gemusst. Wenn sie nicht mit dabei gewesen wäre, wäre es für mich auch ein geiles Stück gewesen. Wie siehst Du das? O. Exakt genauso. Im Nachhinein wünsche ich mir sogar, wir hätten sie weggelassen. Weil ich immer noch der
180 Meinung bin, lässt du die Szene weg, hast du ein ganz anderes Echo in den Medien und Co. Ansonsten: Die Inten tion des Stückes hat es vollkommen erfüllt. Das man halt Ultra auf die Bühne bringt, das von mehreren Seiten beleuchtet. Naja, man muss sich halt immer fragen, was will man erreichen bei den Leuten? Ich denke mal, bei einem Menschen, der schon voreingenommen reingeht in das Stück, den seine Meinung kannst du nicht ändern. Wer einmal das Bild des Menschenfresserultras hat, der behält das auch. Ob man da nun Theater spielt oder Musical aufführt oder was weiß ich. Aber ich denke, viele Leuten haben sich vorher damit noch gar nicht befasst, da waren ja auch zahl reiche drin, fand ich ja auch immer gut von den Leuten, dass die immer ihren Standpunkt von vornherein er läutert haben, dass da eben viele drin waren, die sonst mit den Ultras noch nie in Kontakt getreten waren. Und dass man einen gewissen Denkanstoß diesen Leuten geliefert konnte, denke ich, ist absolut gegeben. Und dass ins Ziel zu fassen ist legitim, und dieses Ziel haben wir auch erfüllt. Euch wurde ja auch immer vorgewor fen, dass ihr von euch immer behaup tet, ihr seid unpolitisch. Ich glaube auch, das ist während der ganzen Probenzeiten aufgetaucht, dass ihr von eurer Gruppe aussagt, ihr seid unpolitisch. Die Öffentlichkeit aber sagt schon, nein, das kann nicht sein, ihr seid nicht unpolitisch. So, jetzt gibt es halt diese Aussage im Stadion, sind wir unpolitisch, alles was außerhalb des Stadions passiert ist Privatsache. Wie seht ihr das? O. Genauso, also im Stadion hat das nichts zu suchen. Da würde ich auch, wenn da einer neben mir steht und den rechten Arm hebt, dem würde ich
auch eine knallen und aus dem Block schmeißen. Weil das schadet dem Ver ein, das schadet uns, das hat da nichts zu suchen. Das kann er draußen von mir aus gerne machen. Da schadet uns das nichts, da ist das seine eigene Meinung dann. Da kann er die gerne kundtun, aber solange er im Stadion bei uns im Block ist, hat so was nichts zu suchen. Also auch jetzt Linke, wenn da jetzt ne kleine Zecke oder so was stehen würde, die sich aber bemüht, die mitmacht, die voll dabei ist, würde ich auch nichts sagen. Aber wenn sie dann anfängt, eine Che-Guevara-Fahne zu schwenken, das braucht man auch nicht. Bei uns ist einfach nur, zack, der Fußball zählt, alles andere können sie dann draußen machen, wenn sie aus dem Stadion raus sind. Aber dann gab es doch den Vorfall, als ihr in St. Pauli wart. Da werden offensichtlich auch Sprüche gerufen, die dann eben nicht mehr so unpo litisch sind. B. Na klar, die Sprüche kamen da. Aber da muss man sagen, die Sprüche, die da kamen, diese rechten Sprüche, die kamen nicht von den Fußball leuten. Also da waren welche aus Leipzig mit, freie Kräfte und die inte ressiert der Fußball nicht. Und das war eben deren Ding und dann kamen diese Sprüche. Klar, es haben welche mit gebrüllt, aber die Busse waren weg, man saß in Hamburg, die haben mit Flaschen geworfen, Spiel unent schieden, alles Scheiße, da im Affekt haben welche mit gerufen und so, aber das ist jetzt nicht aus Überzeugung oder so, sondern einfach nur seinen Frust raus zu lassen. Ich persönlich hab da auch mit gebrüllt, weil ich hatte Pfefferspray abgekriegt, ich war voll am Ende und ich musste da irgendwie mal ein bisschen Druck
181 blassen. Deswegen habe ich da ein a fach mal mit gebrüllt. Ein, zwei Sprü che, aber dann, als es richtig krass wurde, habe ich auch gesagt, nee, das könnt ihr dann stecken lassen. Aber das war eine einmalige Sache, ich wüsste jetzt nicht, ob das vorher schon mal passiert ist. Danach ist es auch nicht noch mal passiert. Und ich denke auch, es passiert nicht wieder. Jetzt, als wir zu Hause gegen St. Pauli gespielt haben, war auch alles ruhig. Das war, glaube mal, eine einmalige Sache, dass das da so eskaliert ist. Auch ne sehr unschöne Sache, im Nachhinein betrachtet dann, aber na ja. Und die Vorwürfe, die dann immer so kommen, dass man schreibt, rechte Typen auf der Bühne und die Ultras sind sowieso alle rechts. Wie schätzt ihr das ein? O. Das ist mir einfach viel zu abge droschen, diese Phrasen. Das man das nicht ein bisschen differenzierter sehen kann, das ist mir während des gesamten Projektes aufgefallen, nicht nur in Bezug auf Politik. Das sind ja alles Gewalttäter, die sind ja alle ge waltbereit. Ich denke mal, die meisten Erklärungen hat das Publikum aus diesen Diskussionsrunden am Ende mit herausgezogen. Dass es immer dieses pauschale Modell des Ultras gibt, dass der total eintönig ist, da wären wir ja alle Einheitsmenschen. Wobei ich denke, dass das Potential des Ultras genau darin liegt, viele einzelne Charaktere, die zum Teil sehr verschie den sind, unter einen Hut zu bringen, also unter einem großen Band prak tisch zu vereint werden. Und aus vie len Köpfen heraus Ideen entwickeln, dass es halt nicht so ist, dass alle gleich sind. Das ist mir halt während des Projektes aufgefallen, und so auch in Bezug auf das Thema Politik. Wir
können keinem vorschreiben, was er für Politik auszuleben hat, jetzt im privaten. Im Stadion schließe ich mich Börti eins zu eins an. Da hat es abso lut nichts zu suchen, egal welche Aus richtung, welche Meinung. Gut, kein Mensch ist unpolitisch. Jeder Mensch muss auch darauf achten, was in sei nem Umfeld los ist. Ich bin selbst sehr politisch interessiert. Wie auch viele andere bei uns in der Szene, denke ich mal. Also so ganz unpolitisch kann man nicht sein, schon allein aus dem Fakt, dass wir auch fanpolitisch im mer die Augen aufhalten müssen, das gehört zum Ultra in meine Augen ab solut dazu, dass man sich im Verein einbringt, so gut es geht, dass wenn man mit Entscheidungen nicht zufrie den ist, dem Verein das auch mitteilt. Und so ist kein Mensch unpolitisch, aber wie gesagt, was auf der Straße los ist, kann man keinem Menschen vorschreiben, man kann keinen Men schen verändern. Der Mensch, der es meint, auf der Straße den rechten Arm zu heben, da kann man dann halt den Kopf schütteln drüber, weil er wahr scheinlich gar nicht weiß was er damit tut. Allgemein ist Politik für mich im mer mehr zur Modesache verkommen. Heutzutage, wenn man Menschen sieht, die auf irgendwelche Demonstra tionen gehen, ich glaube das machen die nur, um ein Banner fest zu halten und einen Windbreaker zu tragen. Dass alles so auf Äußerlichkeiten be schränkt ist, das regt nicht wirklich an, aber ändern kann ich die Menschen trotzdem nicht. So liegt halt mein Hauptaugenmerk darauf, dass in der Kurve alles unpolitisch bleibt, im Sinne von extremistischer Politik jetzt. Offensichtlich hat man auch immer das Problem, Ultra zu definieren und Hooligan zu definieren. Könnt ihr mal einen Versuch starten, was ihr unter
182 Hooligan versteht und was ihr unter Ultra versteht. O. Also ich persönlich sehe mich zu hundert Prozent als Ultra. Die große Differenz zwischen Ultra und Hooligan ist die, dass der Hooligan sich in erster Linie durch die Gewalt definiert. Und der Ultra durch das traditionelle Fansein. Der Ultra ist in erster Linie Fan und der Hooligan ist in erster Linie der sportlich aktive, der auf der Straße den Verein vertritt. Es sind also praktisch zwei völlig verschiedene Ebenen, auf denen beide Fantypen, sag ich jetzt mal, aktiv wer den. Es gibt viele Gemeinsamkeiten, klar wird auch mal ein Ultra teilweise sportlich aktiv, wobei da wieder jeder seine Eigenarten hat. Mich zum Bei spiel reizt es gar nicht, ich hab jetzt noch nie richtig frei gedreht in der Richtung. Ansätze gibt es, man ist halt fanatischer Anhänger. Und in meinen Augen ist Fanatismus eine der besten Grundlagen für Gewalt. Das kann man jetzt zum Beispiel auch im nahen Osten sehen. Wenn halt radikale Mus lime aufeinander losgehen, dann tun die das auch aus Fanatismus. Die leben für eine Sache und sind dabei nicht abgeneigt, auch gewalttätig zu werden. Das habe ich bei mir selbst gemerkt, das dieser Fanatismus halt zu Gewalt führen kann, aber ich bin da vielleicht zu gut erzogen, dass mich das doch zurückhält in so einer Situa tion. Hast du dich da selbst erschreckt in dem Moment? B. Ich habe mich erschreckt, weil ich das von ihm so noch gar nicht kannte. Auf einmal hatte er fast Schaum vor dem Mund, animalische Schreie von sich gegeben. O. Im Nachhinein, wenn man sich dann so betrachtet, war ich dann sehr überrascht von mir. Was für ein
otenzial in einem steckt. Es ist immer P situationsabhängig. Wie so eine Situa tion zustande kommt, welche Fakto ren mit rein spielen. Schon allein das Spielergebnis, das mit Chemnitz jetzt, das konkrete Beispiel: Man führt 1:0 und bekommt das 1:1, dann ist das Spiel, das Ergebnis schon mal be schissen. Die Stimmung war geil, das Ergebnis beschissen. Der Kontrast macht einen gleich noch böser. Da sieht man da auf der Gegentribüne von Chemnitz Mittdreißiger, die da übelst am rumbrüllen sind, das setzt noch einen drauf. Dann gibt es auch noch Dusten im eigenen Block, die Bengalos aufs Spielfeld werfen, da kommt eins aufs andere. Dann hört man den Abpfiff und weiß okay, das ändert an dem Spielstand nix mehr. Und dann neigt man halt zu Gewalt. B. Hooligans, würde ich auch sagen, die interessiert nicht das Spielgesche hen, also die stehen dann eben im Block oder ein bisschen außerhalb am Zaun die ganze Zeit, gucken immer zu den Gegnern und interessieren sich nicht fürs Spielgeschehen. Denen ist egal, ob jetzt abseits oder Elfmeter oder so ist. Die warten einfach nur auf den Abpfiff, hoffentlich knallt es, hoffentlich geht es da jetzt los. Aber mich persönlich interessiert das Spiel total. Wie gesagt, Ultra ist in erster Linie Fan vom Verein und da möchte man auch, dass der gut spielt und auch was von dem Spiel mitkriegt. Klar, auch jetzt in letzter Zeit ist viel Gewalt auch in diese Ultraschiene mit rein geflossen. Viele Ultras, die neigen eben auch zu Gewalt, wenn es darum geht, wenn jemand angegriffen wird, wenn es da um die Fahne geht, wenn es um das Material geht. Und wenn da welche kommen, die einen angreifen wollen, aber jetzt nicht von sich aus die Gewalt anwenden, sondern, wenn es darauf ankommt,wehrt man sich
183 eben auch. Es ist ja nicht so, dass man mit dem Gedanken reinkommt, jetzt will ich mich rum prügeln. Sondern wenn es eben dazu kommt, rennt man nicht weg, da wehrt man sich eben auch schon. O. Weil ich deiner Einstellung da widersprechen muss, um auf die Hools an sich zurückzukommen. Es gibt auch Hools, die genauso das Fansein im Stadion ausleben. Es gibt auch verschiedene Arten von Hools, es gibt auch die, die im Stadion und Drum herum gar nicht zu Gewalt neigen und dann halt dieses Wiesending aktiv betreiben. Also, wie in allen Themen, man darf nicht alles schwarz und weiß sehen, es gibt zwischendrin viel mehr.
184 Interview mit Tom Bergmann 19 Jahre alt, seit 2005 HFC-Fan, macht derzeit Fachabitur mit dem Schwerpunkt Wirtschaft.
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186 Und wie bist du HFC-Fan geworden? Meine Mutter ist Fußballfan. Sie ist schon zu DDR-Zeiten zum Fußball gegangen und dadurch kam ich dann halt auch zum HFC. Aha, also über die Mutter. Das ist ja auch mal interessant. Weil viele erzäh len ja, dass es die Väter sind … Und Ultra bist du seit wann und wie bist du dazu gekommen? Also ca. drei, vier Jahre ungefähr. Dazu gekommen bin ich durch einen Kum pel, der war in meiner Parallelklasse in der Sekundarschule, und durch den bin ich so rein gerutscht, mehr oder weniger. Mit dem bin ich dann immer zum Fußball, und dann war ich immer bei denen mit. Dann bin ich zur Jugendbande und dann bin ich auch in die Saalefront. Und kann man da einfach so rein? Saalefront, da bin ich über die Jugendbande rein. Die Jugendbande ist ja der Nachwuchs von der Saale front. Ich war ca. anderthalb Jahre in der Jugendbande und als ich dann achtzehn war, bin ich dann auch in die Saalefront. Ach so, das ist dann automatisch, wenn man dann dabei sein will? Naja, man muss sich dann auch aktiv beteiligen. Bevor du in dem Projekt Ultras mitge macht hast, hast du da überhaupt schon mal Kontakt mit dem Theater gehabt? Hast du schon mal an einem Theaterprojekt teilgenommen? An einem Theaterprojekt teilgenom men nicht, aber durch die Schule kam man ja doch durchaus mal ins Theater. Also, man hat sich mal das eine oder andere angeschaut, aber auch sehr selten halt.
Und bist du gern ins Theater gegangen vorher? Nein, das war immer ziemlich lang weilig. Also, kommt drauf an, was man sich angeguckt hat. Das eine Mal waren wir im Neuen Theater, »Die Jungfrau von Orleans«, das war jetzt nicht so toll, also mich hat es nicht vom Hocker gerissen. Weil es wahrscheinlich auch so ein bisschen Zwang war von der Schule? Ja. Wie ist das denn jetzt? Du hast ja den Theaterbetrieb kennen gelernt, hast selber auf der Bühne gestanden, warst du jetzt wieder mal im Theater, hast dir andere Theatervorstellungen ange guckt oder hast da ein anderes Inter esse? Mein Interesse hat sich dadurch nicht gesteigert. Wenn jetzt irgendetwas Interessantes wäre, würde ich es mir angucken, aber dadurch jetzt mehr ins Theater gehen tue ich nicht. Gehen wir noch mal ganz zurück: Was war denn deine Motivation, an dem Projekt Ultras teilzunehmen? Was hat dich gepackt, wo du dich entschlossen hast, zu sagen: Okay, ich nehme teil? Ich fand es auch mal ganz interessant, Ultras zu zeigen, wie es ist, und auch mal auf eine andere Art und Weise als irgendwelche Berichte im Internet oder im Fernsehen, immer nur die schlech ten Berichte. Da konnten wir jetzt auch ein bisschen mit Vorurteilen auf räumen, oder halt die auch bestätigen. Ich fand es auch gut, dass man sich zeigen konnte, wie man ist. Mit allen Vor- und Nachteilen. Und das war dann auch der Grund? Genau, das mal alles kennen zu lernen.
187 Was hast du an dem Projekt selbst besonders interessant und spannend gefunden? Wie das Stück entstanden ist, so stückweise. Erst so was wie eine Vor ausplanung und dann, wie jede Szene erarbeitet wurde, das fand ich wirk lich sehr interessant. Und das ganze Drumherum. Was meinst du mit Drumherum? Die Atmosphäre? Ja, die Atmosphäre, genau. Also sozusagen die Arbeit innerhalb der Gruppe und mit dem Regisseur Dirk? Ja. Inwieweit war das für dich persönlich – jetzt nicht in Gruppe gedacht – bereichernd, das alles mitzumachen? Ich persönlich habe halt neue Erfah rungen gesammelt, wie das so abläuft im Theater. Das ist ja wirklich auch mal interessant, hinter die Kulissen zu blicken. Hast du schon mal auf der Bühne gestanden vorher? Ich glaube, in der vierten Klasse mal, aber das ist ganz dunkel hinten in meiner Erinnerung drin. Aber sonst nicht weiter, nein. Und ist da irgendetwas mit dir passiert? Denn auf der Bühne stehen ist ja sicher noch mal was anderes als im Stadion. Ja, gut, im Stadion stehen, das ist auch schon lange her. Auf der Bühne stehen, also mich persönlich hat das gar nicht so fertig gemacht. Ich war da jetzt nicht so nervös vor den Auftritten, weil ich hab das nicht so nah an mich ran gelassen, es waren halt alle Laien, und wenn wir Fehler machen, dann machen wir die halt.
Was hast du Neues gelernt? Neues gelernt? So viel Neues habe ich jetzt gar nicht dazugelernt, im End effekt. Ich meine, es war ja eine Arbeit, die am Theater passiert ist, hast du da gar nichts Neues gelernt? Ja, wie so ein Theaterstück entsteht, habe ich dazugelernt und wie es hin ter den Kulissen abläuft, aber sonst habe ich eigentlich nichts weiter, also nichts Großes, gelernt. Aber du fandest es ja spannend, wie das Stück entwickelt wurde. Ja, ich fand das alles spannend. Aber ich habe jetzt nichts gelernt, wo ich sagen würde, das bringt mich im Leben weiter. Es waren alles nette Erfahrungen. Du hast ja vorhin deine Motivation gesagt, warum du bei dem Projekt mit gemacht hast. Ist man denn auf deine persönlichen Erwartungen und Wünsche eingegangen? Fühlst du dich da gut dabei? Ist das erfüllt alles? Ja dadurch, dass wir auch an dem Stück selbst mitschreiben konnten, wurden ja auch die Erwartungen, die ich an das Stück hatte, erfüllt. Da wir ja auch unterschiedliche Personen waren, konnte halt nicht jeder das einbringen, was er wollte, sondern musste man ja auch Rücksicht auf die anderen nehmen. Wie hat sich das geäußert, diese Rücksichtnahme? Na, manche Szenen, die man jetzt nicht hätte so einbringen wollen, aber die die anderen acht so gewollt haben. So zum Beispiel mit diesem Spenden lauf, Marathonlauf, den hätte ich jetzt nicht unbedingt mit einbringen wollen, aber wenn die anderen acht das unbedingt wollen, naja, dann,
188 wieso nicht. Wir sind ja eine Gruppe, und wenn eine Gruppe das so ent scheidet, muss man sich dann ja auch fügen. Also eine demokratisches Verfahren in dem Moment? Ja. Also deine persönlichen Wünsche und Erwartungen, die konntest du schon einbringen und verhandeln. Ja. Und hast du dich da jetzt auch wieder gefunden? Ist das in dem Stück so entwickelt worden, dass du da auch persönlich sagst, dass du da 100% dahinter stehst? Ja, an sich schon. Also meine Rolle, die hat ja, zumindest, wo ich mich sel ber gespielt habe, auf mich auch so gepasst. Und auch die anderen Szenen waren auch so, wie es in der Wirklich keit ist. Also, es wurde jetzt nichts verschönert. Ganz allgemein mal gefragt: Was hast du im Projekt Ultra am liebsten gemacht? Ihr habt ja eine lange Phase durch, mit Höhen und Tiefen. Was hat dir am meisten Spaß gemacht, wo du mit Herz dabei warst? Wenn ich mich selbst gespielt habe. Klar, dass das am meisten Spaß macht, wenn man jemand spielen muss, der man selbst ist. Das ist ja dann auch ziemlich einfach. Also die Vorstellungen direkt. Weil es gab ja verschiedene Phasen: Ihr habt euch ja kennen gelernt, Stückentwick lung, Probenphase und dann kam ja die Aufführung. Also, wenn du auf der Bühne standest und dich gespielt hast? Ja. Na gut, auch wenn man danach noch miteinander gequatscht hat und ein Bierchen getrunken hat, das ist
halt auch alles ziemlich cool. Es gab jetzt nichts, abgesehen von der Ge schichte am Ende mit Dirk, was mir überhaupt keinen Spaß gemacht hat, also was ich auch Scheiße fand. Das wollte ich gerade fragen, was dir überhaupt nicht gefallen hat. Na, halt der ganze Ärger am Ende, das war belastend, das ging mir auf die Nerven. Und das hat davon abgelenkt, was der Sinn dieses ganzen Projektes ist, dass man Ultras so zeigt, wie es ist oder wie wir sind. Was hättest du dir da gewünscht? Ihr habt ja euer Stück gezeigt und dann waren die Publikumsgespräche danach, hast du da etwas vermisst? Nein, das hat eigentlich auch alles meinen Erwartungen entsprochen. Ich war sogar positiv überrascht, dass so viele gesagt, haben: Top! Auch viele aus meiner Schule, die haben gesagt, also alle, oder fast alle, die drin waren, »richtig gut gemacht«. Ich hätte nicht gedacht, dass es so viele sind, die sagen, gut. Es war ja auch klar, dass es wieder Leute gibt, die rummäkeln, wie überall bei uns. Es wird immer Leute geben, die uns hassen oder uns nicht mögen. Also ich habe eigentlich damit gerechnet, mit den ganzen Kritiken. Dass sie so extrem ausfallen jetzt viel leicht nicht, aber was soll’s. Du hast gesagt, was anderes hast du nicht erwartet, aber hat dich das geprägt, wie die Öffentlichkeit darauf reagiert hat? Oder hast du gedacht: Es wird so oder so so enden. Dadurch, dass die Presse eh immer schlechtes über uns schreibt, ist man das ja auch schon gewöhnt. Das wird einen nie verändern, dass die Presse was sagt, also was schlechtes sagt. Das, was wir machen, dazu stehen wir eigentlich. Also sollten wir eigentlich
189 auch stehen. Also, mich hat das wirk lich gar nicht gestört, dass die Presse was schlechtes geschrieben hat, dadurch dass ich jetzt auch keinen Stress hatte mit dem Arbeitgeber oder so, die hätten was Schlechtes daraus ziehen können. Selbst wenn ein Lehrer was zu mir sagt, naja, soll er halt denken, dass ich ein Nazi bin, sag ich jetzt mal so übertrieben, also was die Presse ja auch teilweise gesagt hat. Es kommt halt auch mal ein Lehrer an und sagt: Wie kann das sein und bla, bla, bla. Da sag ich mir dann auch: Naja, was willst du denn jetzt von mir? Das ist halt der Unterschied, wenn der Arbeitgeber ankommt. Dadurch hat mich das gar nicht gestört, was die Presse geschrieben hat, also, es war halt alles nervig, aber … Hättest du dir gewünscht, dass die Presse anders damit umgeht, also mal auf das Stück direkt eingehen? Ja. Ihr hattet ja eine gewisse Motivation. Das Stück heißt ja auch »Ultras«, es geht um die Ultra-Bewegung hier in Halle oder im allgemeinen, ihr seid ja nicht die einzige Bewegung. Hättest du dir da etwas anderes gewünscht? Ja, es wäre halt schön gewesen, hätten sie mehr über das Stück berichtet, aber ich sag mal, alle, die es wirklich inter essiert hat, die sind auch zu dem Stück gekommen und die hatten ja dann auch zu 95% eine andere Meinung, eine gute Meinung davon. Wenn’s die Leute interessiert, die die Zeitung lesen, die wären halt in das Stück gegangen und hätten sich dann ihre eigene Meinung gebildet. Wenn die jetzt unbedingt meinen, die Meinung aus der Zeitung übernehmen zu müssen, ja … Hat dich die Arbeit am Projekt irgendwie persönlich verändert?
Nein. Ich finde, das können Außenste hende dann immer ein bisschen besser beurteilen, ob mich das jetzt irgend wie verändert hat, aber ich für mich persönlich finde, dass es nicht so ist. Uns wie beurteilst du das Ergebnis des Projektes, den Erfolg oder Misserfolg, wie auch immer man das nennen will? Ich finde schon, dass das Stück so geworden ist, wie es sein sollte, oder zumindest auch die Ziele erfüllt hat. Was können wir dafür, wenn die Presse jetzt schlecht über uns schreibt? Also ich finde, das Stück hat schon sein Ziel erfüllt, ja. Wie hat denn der Verein drauf reagiert? Also, Herr Schädlich hat ja zum Bei spiel gesagt, dass er mit 80% ein verstanden ist und mit 10% überhaupt nicht. Aber jetzt von den Spielern her, die waren,was ich immer gehört habe, begeistert davon. Die hätten sich es sogar noch ein zweites Mal angeguckt, das war nach dem Magdeburg-Spiel, glaube ich. Die fanden es gut, die meisten. Ich kann jetzt natürlich nicht für alle sprechen, aber das, was man so gehört hat, die fanden das Stück gut. Also bei dem Rest, also Präsidium, die quatschen zu uns eh so und dann hinterm Rücken sowieso anders. Da weiß ich jetzt nicht, was die in Wirk lichkeit denken. Und es war auch im Gespräch, was ihr da macht, richtig? Ja, das auf alle Fälle. Wie hat denn dein Umfeld an sich auf dich reagiert im Zusammenhang mit dem Projekt? Du hast ja schon ein bisschen erzählt von der Schule und so, aber deine Familie? Ja, Familie, also Mutti und so, die fan den es eigentlich alle ganz cool, Oma und Opa, na gut, und Bruder, die hat
190 es mehr oder weniger gefreut, die fanden es halt cool. Die aus meiner Schule haben am Anfang jetzt erst mal gelacht, weil das hört sich ja lustig an: Tom spielt Theater.
auch nicht weiter nach. Die zeigen da schon ein bisschen Verständnis dafür, die verstehen das schon, aber das hat nichts mit dem Theaterprojekt an sich zu tun.
Im Stück wird es ja auch thematisiert, was du in deiner Freizeit machst, dass du Fußballfan bist, Ultra bist. Bist du da dann auch mehr dazu gefragt worden zu dem, was du da machst? War das ein bisschen mehr Thema? Mutter und so, die wissen das ja eh alles und die aus meiner Klasse auch nicht viel mehr eigentlich, weil, ent weder interessiert es sie nicht, oder sie fragen mal nach. Aber das haben sie auch schon vorher, weil ab und zu er zählt man ja doch mal was und wenn es die Leute wirklich interessiert, dann fragen sie auch nach, wie das so ist. Sie haben jetzt nicht wegen des Stückes mehr nachgefragt.
Also, ich habe ja eine Menge darüber gelernt. Ich kann das jetzt schon auch verstehen, dass es nicht nur heißt, im Stadion zu stehen, sondern, dass da viel mehr dranhängt. Es gab ja auch so einen Artikel in so einer Theater zeitung, da stand als Überschrift: Hooligan-Stück. Ich habe das Gefühl, Hooligan und Ultra, diese beiden Begriffe, dass da immer noch unklar ist, was ein Hooligan ist und was ein Ultra und was der Unterschied ist. Kannst du das vielleicht mal mit wenigen Worten sagen? Ich würde sagen, ein Hooligan fährt auch zu verabredeten Schlägereien auf die Wiese oder so und Ultras, die können sich auch rumprügeln und so, aber die verabreden sich nicht extra dazu an einem anderen Tag. Das ist der Unterschied, würde ich sagen. Hooligans interessiert der Verein nicht so. Es gibt auch Ultras, die sich nicht rumprügeln, aber wenn sich Ultras rumprügeln, die müssen nicht gleich Hooligans sein. Hooligans wollen sich nur rumprügeln. Bei Ultras interes siert der Verein, das ist der wichtigste Unterschied, der Verein, Ultras geben halt alles für den Verein und Hooli gans, die boxen mehr oder weniger für die Stadt.
Und hast du denn das Gefühl, dass die Leute aus deinem Umfeld, die in dem Stück waren, dich jetzt besser verste hen, wenn es um deine Rolle als Ultra oder um die Ultra-Gruppierung geht? Das ist jetzt schwer zu sagen. Ich habe mich mit den meisten auch nicht so drüber unterhalten, was heißt, nicht drüber unterhalten, aber ob die, mit denen ich mich nicht so drüber unter halten habe, mich jetzt besser ver stehen? Ich habe nur gehört, dass sie das Stück gut fanden, aber ob sie mich dadurch jetzt besser verstehen, das ist immer eine schwierige Sache, ob die das überhaupt verstehen wollen. Weil dadurch, dass ich jetzt Stadionverbot habe, war ich trotzdem noch jedes Wochenende irgendwo, nach Buxtehude hoch, und da wird mal nachgefragt, aber wenn du jetzt antwortest, du fährst mit deinen Freunden da hoch, da fragen die dann
Das heißt, bei den Hooligans spielt Fußball dann gar nicht so eine große Rolle, oder wie? Ist das dann nur so ein Aufhänger für die? Naja, das ist schwer zu sagen. Die meisten waren auch mal Fußballfans, oder gehen auch mal zu ihrem Verein, aber durch Stadionverbot kann es auch mal sein, dass die dann komplett
191 wegbrechen und die das dann gar nicht mehr interessiert, so was gibt’s auch. Sie können auch teilweise so ein bisschen Fans sein, aber nicht so wie Ultras, finde ich. Ich meine, du hast ja auch Stadion verbot und trotzdem bezeichnest du dich nicht als Hooligan. Ja, weil ich, wenn ich ins Stadion gehe, den Verein unterstützen würde. Und was machst du dann, wenn du jetzt mit fährst und nicht ins Stadion darfst? Dann gehen wir halt in die Kneipe. In Hannover war es zum Beispiel so, da gab es eine schöne Kneipe, da sind wir dann halt rein, da haben die Bullen mal nicht rumgenervt. Aber sonst hängt das immer von den Bullen ab. Ob du dich frei bewegen darfst? Na frei bewegen sowieso nicht, norma lerweise. Also, ob sie dich in eine Kneipe lassen oder dich in eine Kneipe begleiten, oder du auch vorm Stadion hocken musst, falls mal ein Platz frei ist, und du dann wieder zum Bahnhof zurück musst, das kommt immer drauf an. In Magdeburg wirst du halt teilweise auch wieder nach Halle geschickt, das ist der schlimmste Fall. Was würdest du dir denn wünschen als Ultra? Für eine besser Stadion atmosphäre beispielsweise? Ihr habt ja mal erzählt, ihr seid ziemlich ein geschränkt worden, als die Verbote kamen und die sind ja immer massiver geworden in den letzten Jahren. Was würdest du dir wünschen? Also ich persönlich würde mir natür lich erst mal wünschen, dass es keine Stadionverbote mehr gibt. Das wäre erst mal das wichtigste für mich, um wieder Stadionatmosphäre schnuppern zu können, wieder drin
das mitzuerleben. Und dann, dass zum Beispiel Pyrotechnik erlaubt wird, das ist für mich persönlich mit eines der nervigsten Verbote. Bringt am Ende eh nichts und man kann trotzdem An zeigen dafür bekommen. Und was würdest du dafür geben? Also wenn das Stadionverbot nicht mehr ausgesprochen werden soll, da muss man ja auch bestimmte Bedin gungen erfüllen, oder? Würdest du dann sagen, du würdest das und das dann nicht mehr machen als Gruppe? Nein, dann lässt man sich ja schon wieder einschränken, das ist ja wie so ein Kreis dann. Man verzichtet auf das, aber hat dann wieder irgend welche Verbote oder Einschränkungen. Wenn man jetzt zum Beispiel sagt, es gibt keine Stadionverbote mehr und dafür zündet ihr nicht mehr, oder ich weiß nicht was …. Sag mal, Pyrotechnik willst du ja … Ja, weiß ich nicht. Sagen wir mal, du willst Sachen, wie bei Pyrotechnik, die fliegt nicht auf den Platz, da sind wir ja jetzt auch soweit, das machen wir ja von selber nicht mehr, aber das ändert ja trotzdem nichts. Also keine Ahnung, was das dann sein könnte: ihr verhaltet euch im Stadion lieb, keine Pöbelgesänge mehr, oder, das wäre ja genauso ein Quatsch, weil, das will man ja selber nicht. Die Frage ist dann, ob man sich dann so einschrän ken lässt. Ich würde das nicht machen. Also lieber bleibe ich draußen stehen, aber dafür noch ein bisschen so Hass atmosphäre, bei Derbys und so, statt sich dann total einschränken zu lassen und dass man dann ins Stadion darf. Das bringt mir persönlich nichts, aber ich finde, das hat dann gar nichts mehr mit Fußball zu tun, wenn dann das Nächste verboten wird. Es wird immer schwerer. Es ist schon so viel
192 im Stadion verboten, was willst du denn noch alles verbieten. Ich meine ja, man könnte ja wieder Verbote aufheben: Verwendung Pyro technik, aber unter der Prämisse, Pyrotechnik darf nicht aufs Feld fallen. Ja, das machen wir schon, aber das ändert trotzdem nichts an der Situation. Wir schmeißen keine Pyros mehr aufs Feld und trotzdem ist es immer noch verboten. Was will man da machen. Würdest du einen Weg wissen, um solche Sachen nochmal zu verhandeln? Siehst du da als Ultra, oder ihr als Gruppierung, eine Möglichkeit? Möglichkeiten sehe ich zum Beispiel, wenn jeder zweite, der ins Stadion geht, zünden würde. Wenn es jeder machen würde, wenn es in jedem Sta dion jede Woche qualmen würde, dann würde ich vielleicht auch noch mal drüber nachdenken, aber so lange, wie alles halbwegs ruhig bleibt, also alles in den Blöcken und so, dann würden die vielleicht nochmal drüber nach denken. Aber dadurch, dass so zwei, drei dumme Ultra-Gruppen immer zünden, haben die die natürlich total auf dem Kieker. Da leidet ja auch der Verein drunter, was mich jetzt nicht so stört. Naja, entweder, es zündet jeder, oder es wird nie besser werden. Das Problem ist ja auch, dass man von den normalen Fans keine Unterstützung hat, also von vielen normalen Fans. Die sagen, der DFB hat Pyros verboten, dann dürft ihr das nicht. Und wenn man von denen schon keine Unter stützung hat in Halle, dann ist das ja bei anderen Vereinen auch nicht so. Ihr habt ja auch Kontakt zu anderen Ultra-Bewegungen, oder? Ja, mehr der weniger. Übers Internet. Nichts großartiges, außer zu Lok und zu Erfurt ein paar.
Nochmal zum Theater zurück: Was hast du konkret über Theater gelernt? Konkret? Also zum Beispiel: Wer ist der wich tigste Mensch im Theater? Na die Intendantin, oder der Intendant. Und bei den Vorstellungen? Wie hieß der nochmal …. Pitti? Ja, Pitti ist der Wichtigste überall! Und warum? Na weil der managt, wann jetzt Licht angeht, Licht wechselt und Ton und Bühne dreht, wenn das mal der Fall ist, an seinem Pult. Auf sein Kommando müssen alle hören. Und sonst? Ihr habt euch ja lange genug hier rum getrieben am Theater. Was habe ich gelernt? Wie wirklich so ein Stück entsteht. Hast du zu den Schauspielern Kontakt gehabt? Na zu, wo haben die gespielt, »Repub lik der Kinder«, mit denen hatten wir uns ab und zu unterhalten, waren wir auch einmal weg, glaube ich. Und sonst … K …. hattet ihr mit euch zu tun. Ja, Proben und dann hat man ja auch noch nebenbei was zu tun. War das eigentlich sehr belastend für dich, diese Zeit? Dadurch, dass ich Schüler bin und mir eh keinen Stress mache bei der Schule, ging es. Aber wenn ich mir vorstelle, ich müsste bis 16 Uhr arbeiten und dann noch zum Theater … Ich weiß nicht, ob ich das geschafft hätte, aber dadurch, dass ich bis um eins, um zwei in der
193 Schule bin und dafür danach nichts mache, ging es, würde ich sagen. Am Ende hat es dann wirklich ge schlaucht, als die vier Stunden Probe wirklich durchgezogen wurden. Letzte Frage: Ihr musstet euch ja genau überlegen, was in das Stück reinkommt, welche Geschichte erzählt wird. Ihr musstet eure Gruppe, die Ultras, erst mal reflek tieren, analysieren, um zu sagen, das und das ist wichtig, das müssen wir dem Publikum zeigen, damit die verstehen, wer wir sind. Und dieser Prozess, das ist ja eine Auseinander setzung mit der Gruppe, mit euch, hat dir das in irgendeiner Art und Weise etwas gebracht? Dann am Ende, als es den Ärger mit Dirk gab, das hat auch gezeigt, dass, dadurch, dass jetzt mehr oder weniger auch nur der harte Kern jetzt hier mitgespielt hat, es selbst hier noch wirklich Unstimmigkeiten und so gibt, die dann doch auch sehr ausarten können. Für mich hat das gezeigt, dass selbst die paar Leute vom harten Kern nicht richtig zusam menhalten. Was heißt zusammen halten können, wie soll ich es formu lieren? Es hat halt gezeigt, dass es auch Lücken in der Fanszene gibt, selbst in diesem kleinen Kreis. Und das war wirklich fast erschreckend, sag ich mal. Wie meinst du das jetzt? Also, dass man sich auch so uneinig sein kann, bei so einem Thema. Nor malerweise gibt es immer mal kleine Streits, aber wir einigen uns dann nach einer halben Stunde wieder. Aber jetzt, als es um Dirk ging, das ging ja wirklich bis Hans zum Beispiel ausgetreten ist, Batke, also, dass man sich wirklich nicht einigen kann bei so einem Thema.
Und was war das jetzt genau für ein Thema? Na, Dirk halt, der ganze arme Dirk. Beziehungsweise, ob wir jetzt weiter machen. Zum Beispiel Batke, der auch nur weitergemacht hat, weil wir ihn mehr oder weniger dazu gedrängt haben, sag ich mal. Am liebsten hätte der zum Beispiel aufgehört. Und du persönlich? Wie hast du die Arbeit mit Dirk empfunden? Ja, ich fand es eigentlich immer ganz nett. Aber das mit den Podiumsdis kussionen, das war wirklich schon krass. So hat mich das immer nicht wirklich gestört, auch das, was in dem Interview war, hier von Kopfstoß. Waren halt zwei, drei Sachen dabei, wo ich auch gesagt habe, pff, vor al lem das mit den Saalefrontpullis, dass das mit Nazidemos zu tun hat. Aber sonst waren halt zwei, drei Sachen drin, und das mit den Podiumsdiskus sionen hat mich auch wirklich sehr gestört. Was er dann gesagt hat? Ja, was er dann gesagt hat und vor al lem, wie er dann immer abgewichen ist vom Thema. Wir versuchen hier alles mit Fußball in Verbindung zu bringen, also auch mit unserem HFC in Verbin dung zu bringen, und dann ist er dann beim BFC-Stasiverein, und Juden, und ich frage mich, was das mit dem Thema noch zu tun hat. Oder zu zeigen, dass es in Halle noch Antisemitismus gibt, wir wollten eigentlich den Leuten rüber bringen, dass es nicht so ist, dass das nichts damit zu tun hat, aber Dirk will damit was ganz anderes zeigen. Das hat er uns ja auch nicht mal bei den Proben oder so gesagt. Also das muss er uns dann erst mittei len, wenn er das dem Publikum sagt, wo dann auch Presse drin sitzt. Das war halt so erschreckend eigentlich.
194 Bei dem ganzen Probenprozess, da hatte ich immer eigentlich das Gefühl, dass ihr eigentlich eine ganz gute Gruppe seid. Ihr habt natürlich auch unheimlich viel diskutiert immer. Ja, das lief an sich eigentlich ganz gut. Ihr sagt ja immer, ihr seid unpolitisch, und meines Erachtens war das Thema auch oft genug dran, auch bei den Proben. Ich erinnere mich, da gab es ja auch eine große Runde. Ja, nach dem St.-Pauli-Spiel. Also war da schon immer auch mal Konfliktstoff gewesen, diese Aussage von euch, unpolitisch zu sein. Siehst du das auch so, dass ihr unpolitisch seid? Na ja, unpolitisch, ist ja alles relativ. Wir sind halt im Stadion definitiv un politisch. Aber jetzt außerhalb würde ich jetzt viele von uns nicht so sehen. Manche sind es, manche, naja, gehen nun mal ein bisschen in die rechte Rich tung. Aber jetzt nichts übel krasses. Es geht keiner von uns auf Demos mit und so. Zumindest jetzt von der Saalefront. Also sozusagen vom Denken her schon in die rechte Richtung? Ja, in die rechte, aber jetzt nichts krasses oder so. Alles gemäßigt, muss ich sagen. Es wählt jetzt auch keiner von uns die NPD oder so, was ja auch alles Quatsch ist, aber ein bisschen in die Richtung gehen einige von uns. Auch nicht alle, das muss jeder selber wissen, viele von uns hören auch Rechtsrock und so. Manche wollen das vielleicht nicht einsehen, aber es gibt ja auch viele Klassiker, sagen wir mal so, so von »Landser« oder so, die kann jeder von uns singen. Trotz dem finde ich persönlich, dass wir jetzt nicht alle Nazis oder rechts sind. Wir k ennen auch viele aus Leipzig, durch die Leipziger, da gibt es halt auch mal eine Geburtstagsfeier mit NPD-
Projekt da hinten, aber trotzdem haben wir mit den Leuten, vor allen mit den richtigen NPD-Leuten, nichts zu tun. Und kannst du damit was anfangen, mit der rechten Denke und mit den NPD-Leuten? Na ja, man kennt sich halt. Man kennt sich halt. NPD das ist alles Quatsch, also, ein paar Dinge, aber da sind auch so viele, die sinnlos sind, persönlich für mich. Also hat Dirk sozusagen nicht ganz unrecht? Nein, ich habe auch nie gesagt, dass Dirk komplett lügt oder so. In St. Pauli, das muss man dann halt auch wieder trennen, da stehen halt auch 200 Antifas oder so uns gegenüber, oder Zecken, keine Ahnung, das war halt ein Mischding. Und da kommt halt auch mal das U-Bahnlied. Ich weiß nicht, ob du das kennst? Nein. Na, der U-Bahn-Bau von St. Pauli bis nach Auschwitz. Aber das ist auch schon wieder wie Juden-Jena, das gibt es hat seit 30 Jahren. Aber ja, um die Leute wirklich zu provozieren, da sind wir dann wieder bei dem provozieren, oder halt: »Hasta la vista, Antifaschi sta« oder so. Das ist nun mal rechts, da brauchen wir uns auch nicht anlügen oder so. Was gibt es noch so: »Ultras Pauli knacken Zigeuner und Juden« und so. Aber das ist halt wirklich nur da, um zu provozieren in dem Fall. Kann man nicht anders provozieren? Ja, aber ich bin jetzt auch der Mei nung, wen stört denn das, wenn man singt: Scheiß St. Pauli? Als ob die den ken, oh nein! Aber wenn du jetzt auf der Schiene kommst, das provoziert die ja viel mehr.
195 Aber das ist ja wieder politisch. Also, die Provokation, die du gerade gesagt hast, die ist auf alle Fälle politisch. Na ja. Das ist nicht unpolitisch. Das war ja jetzt auch nicht im Stadion, das war ja außerhalb. Aber ihr wart als Ultras unterwegs, oder wart ihr dann in einer anderen Gruppe? Wir sagen ja aber, dass wir im Stadion unpolitisch sind. Sobald wir aus dem Stadion raus sind, da trennen sich dann auch schon wieder die Meinungen. Das verschwimmt alles ein bisschen. Wir sind nun mal eine 30-Mann starke Gruppe, oder wie viel wir jetzt auch sind. Da hat halt auch jeder eine andere Meinung dazu. Bei Hans zum Beispiel ist es extrem und bei Olli und mir sag ich mal, ist es genau das Gegenteil. Da gibt es halt auch einige Streits unter einander. Ich bin der Meinung, so lange, wie es dem Verein nicht schadet, können wir es machen. Also, ich würde es ja immer noch im Stadion machen, aber dadurch, dass es dem Verein extrem schaden würde mit drei oder sechs Punkten Abzug, das bringt ja dann auch nichts. Ich kenne es ja auch von uns, ich weiß nicht, war es Rostock oder Berlin, die Juden-Halle gerufen hat, dann hat das auch die Hälfte oder fast alle provoziert, sag ich mal, mehr oder weniger. Und das ist ja auch der Sinn, das klappt ja auch. Aber warum ist das ein Schimpfwort, »Jude«? Ich weiß es nicht. Ich muss sagen, so haben wir es einfach gelernt, von den Älteren nun mal. Aber wenn du selber mal drüber nachdenkst?
Ja, das Schlimme ist ja aber auch, dass es auch klappt. Nur weil es klappt, rufst du das. Ja, sonst würde ich das ja nicht rufen. Jena, die lassen sich davon provozie ren und ich denke mir da jetzt nichts weiter dabei. Ja, wenn man jetzt mit irgendwelchen Hitergründen anfängt und so, ja klar. Das ist dir schon bewusst. Ja klar, ich bin ja nicht doof oder so. Na ja, eben drum. Beim Fußball denkt man ja aber auch nicht so weit. Da denkt man halt nur von Klo bis zurück. Das ist aber auch schon ein bisschen peinlich, oder? Wenn man das so sagen muss. Naja, es ist aber so. Ich meine, du bist ja wirklich jetzt nicht dumm, du weißt das ja alles. Und dann aber trotzdem zu sagen, so, da schalte ich mein Gehirn aus und geh’ nur auf Provokation? So lange es klappt, muss ich sagen, ist doch alles schön und gut. Und du brauchst das? Naja. Ich finde es halt gut. Aber ich finde, das gehört halt auch zum Fuß ball dazu. Das ist einfach der einzige Sinn bei der Sache, Leute zu provo zieren. Wenn es jetzt nicht klappen würde, wenn da keiner drauf ansprin gen würde, dann würden wir es auch nicht machen. Dann würden wir sagen, na gut, wir müssen uns halt was anderes ausdenken.
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»Am Thalia Theater Halle ist eine Stückentwicklung über die FußballFanszene an Vorwürfen des Antisemitismus und politischer Inkorrektheit gescheitert.« Theater der Zeit, November 2009
198 Matthias Hlady 35 Jahre, Regieassistent am Thalia Theater Halle, HFC-Fan seit 1987. Du hast auch den Anstoß für das Pro jekt gegeben. Erzähl mal, wie das war! Frau Hahn hat mich angesprochen, nachdem sie aus einer Präventions ratsitzung der Stadt Halle gekommen ist und hat gesagt, dass die Stadt Sanktionen erlassen hat gegen einzelne Fangruppen bzw. auch gegen den HFC, dass da ein relativ großer Auf schrei gewesen ist. Da hat sie mich gefragt, ob das Potential hat. Da hab ich natürlich gesagt: Natürlich. Das war, glaub ich, am 30. April 2008, da hab ich das erfahren, zur Wal purgisnacht. Da war nämlich Dirk Laucke auch da. Zufällig war Dirk Laucke da. Frau Hahn hatte mir die Frage gestellt und ich hab geantwortet, natürlich hat das Potential, und bin ohne das Wissen von Frau Hahn zu Dirk an den Tisch und hab ihm das erzählt. Hab ihm völlig unverbindlich gesagt, was mir Frau Hahn gerade zugetragen hat und was sie mich gerade gefragt hat. Da habe ich gesagt, das wäre doch eigent lich ein Thema für dich, und da hat er sofort geschrien, ja klar und so. Dann irgendwann zwei Tage später oder so habe ich Frau Hahn, glaube ich, auch gesagt, dass ich mit ihm darüber ge sprochen habe und ihm das mal nur so gesagt hatte. Und irgendwie, ich weiß nicht mehr wie das entstanden ist, wie sie dann sofort in Vertragsver handlung gegangen bzw. in Absprache gegangen sind. Na es ging dann ziemlich schnell, wir haben da alle drei, also du, Dirk und ich, schon darüber gesprochen. Dann
waren wir so das grobe Team, das war dann erst mal klar. Zur Walpurgisnacht 2009 war’s? 2008 und Beginn des Projektes war im Januar 2009. Ja, dann ging das los, mit Fußballfahr ten. Du warst ja auch mal mit und in Babelsberg war der erste große Erfolg, da hatte Dirk Roco angesprochen. Der hat das letztens auch erzählt. Ich habe ihn gefragt, ob er sich noch daran erinnert. Klar erinnere ich mich, da saß er in der Badewanne irgendwann und dann hat Dirk angerufen. Wann war das, wann waren wir in Babelsberg? 2008 im Dezember. Dirk war dann im Fanhaus, wir zum ersten Mal Kontakt hergestellt. Das war, glaube ich, dann Februar/ März. Und wir haben dann gesagt, wir gehen dorthin. Wir waren da alle beide und haben das Projekt vorgestellt oder das, was da zur Debatte steht. Kurze Zeit später war ich dann nochmal mit Dirk da. Wir haben uns zusammen zu kleineren Gruppen verabredet. Und dann waren die ersten Treffen dann durch. Bei Produktionsstart, kurz vor der Sommerpause, war’s im Weiden plan, wo dann auch schon Steven mit dabei war, der Magdeburger. Da war dann klar, wer alles mit dabei ist. Na, du solltest ja auch mit auf der Bühne stehen. Das hatte sich doch Dirk in den Kopf gesetzt. Er wollte mich ja für die Rückperspek tive vor den Ultra-Zeiten, weil ich vor der Wende ins Stadion ging, also zu DDR-Zeiten das ganze Spektakel er lebt habe. Die Geschichten im Prinzip als Rückblende in dem Stück, das
199 wäre dann meine Aufgabe gewesen. Dann hat er wohl noch nach anderen Alternativen gesucht, nach älteren Leuten, aber das hat sich nicht erge ben. Er hat da irgendeinen Vater an gesprochen, von Klemi oder? Ja, aber die haben die Szene ja dann alleine gespielt. Also so nach dem Motto, wie der Vater mit dem Sohn da sitzt und Bier trinkt und der Vater über alte Zeiten erzählt. Das nächste, was ich dann gehört habe, war, als ich mich in der Sommer pause mal bei ihm gemeldet habe, die haben dann ja schon probiert. Und da gab es dann die ersten Probleme, weil ja Steven mit dabei war. Da haben sich die Jungs im Nachhinein über legt, dass es ja nicht sein kann, dass ein Magdeburger dabei ist. Er darf nicht auf der Bühne stehen, das ist erst mal Status-Quo gewesen eine ganze Weile. Bis ich dann den Hals voll hatte. Wir sind dann in die Verlegen heit gekommen, irgendwie entweder Videos zu drehen, um den rein zu bringen ins Stück. Das hätte erstens technische Unwägbarkeiten mit sich gebracht und zweitens, wenn da kein, in Anführungsstrichen Feind auf der Bühne steht, dann ist das alles irgend wie unglaubwürdig. Hat sich auch bestätigt, war auch gut. Letztlich haben sie es ja auch selber eingesehen, dass es so besser ist. Also dass man so einen Gegenpart auf der Bühne hat. Ich glaube, es war auch so eine Vertrauensfrage. Die haben ja auch immer so gesagt, er kommt ja auch aus der Ultraszene Magdeburg, ist ja auch ein Spion. Ich weiß, dass es für Steven nicht so einfach war, es war schon für ihn eine harte Zeit. Was mich eigentlich am meisten, um zum Punkt zu kommen, beschäftigt hat oder beschäftigt, war natürlich die
Geschichte mit der politischen Aus richtung, Denkensweise, dass was da eben vorgeworfen wird. Also, da wird in einer Art und Weise mit dem Thema umgegangen, die sehen das vielleicht nicht so, aber die verunglimpfen be stimmte Sachen derartig und bagatel lisieren das auf der einen Seite, was schon nicht hinnehmbar ist. Und auf der anderen Seite, muss man sagen, das ganze Leben, dieser ganze Ablauf in der Struktur, die Organisations struktur, die hierarchische Struktur, ist so was von ultrarechts. Und manche haben eben auch gesagt, wirklich, »nee, pass auf, unter vier Augen, ich bin rechts oder ich denke rechts, ich bin kein aktiver Neonazi und beteilige mich an politischen Aktionen, wie jetzt irgendwelche rechten Demos oder Aufmärsche oder so was, aber im Denken bin ich rechts«. Aber von den Ultras, die auf der Bühne standen, waren es ja nicht alle. Ja, nicht alle. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, es steht 3:6. Also sechs sind auf jeden Fall rechts, in welchem Extrem, ist mal dahin gestellt. Aber ich muss sagen, es gab Momente während der Zeit der Aufführung, wo das dann alles so thematisiert wurde, wo die sich dann zurückgezogen haben, wo das Projekt gescheitert war, wo eins war, dass sie auch nicht die letzten, bereits angesetzten Vorstel lung spielen werden, da gab’s Momente für mich, wo das auch unerträglich war. Vor allem auch bei den Gesprä chen, bei den Publikumsgesprächen hinterher, wenn direkt die Fragen gekommen sind, warum schreit ihr so was, Juden-Jena, und als einzige Recht fertigung und Antwort immer kommt, weil es ist eine Provokation. Das ist für mich wirklich irgendwann so
200 nerträglich geworden. So und dann u auch die Geschichte mit dem: Wir müssen das jetzt abbrechen. Entweder wäre der Weg für mich gewesen, man positioniert sich klar oder man distan ziert sich klar. Aber es gab keine Reaktion, überhaupt keine Reaktion. Die sind mit den gleichen Vorwürfen, wie vor dem Projekt konfrontiert worden und haben die gleichen Ant worten gegeben und sind nicht ein Stück weiter gekommen. Und als die dann so in die Ecke gedrängt wurden, haben sie das Projekt abgebrochen, und genau das ist das Muster, was sich leider auch im Fußball wiederholt bzw. mit der Auseinandersetzung mit dieser Fangruppe, wo dann eben häu fig der Ausweg Verbot bleibt. Am Ende der Problematik steht immer in irgendeiner Art und Weise eine Sack gasse. Spielen wir oder spielen wir es nicht? Sie haben entschieden, als sie die Möglichkeit hatten, sie spielen es nicht, aber der Grund war, dass sie in der Sackgasse waren und sie sehr sehr eingeengt waren. Das ist ja auch die Frage, die ich gestellt habe: Habt ihr da irgendwas gelernt, gab es irgendwelche Selbst reflektion über euch? Nein, wir sind so wie wir sind, und das war’s. Das ist das, was du auch gerade gesagt hast. Also das, was sie vorher gesagt haben, haben sie während der Diskussion gesagt, und danach auch. Obwohl ich einschränkend sagen muss, die hatten natürlich während der Zeit Ansätze. Also, dass zum Beispiel uns gelungen ist oder durch den Prozess gelungen ist, dass diese Hierarchie aufgebrochen wurde, dass die Leute sich mit sich und mit der Gruppe und mit bestimmten Themen schon ausein ander gesetzt haben. Also dieser Prozess ist da, nur eben die Bewertung dessen ist halt bei denen eine völlig
andere. Sie haben hier in diesem Kreise Entscheidungen getroffen gegen Ansagen bzw. die Meinung der meis ten anderen Ultras, die nicht an dem Projekt beteiligt waren, das Ding hier durchzuziehen und zur Premiere zu bringen und dann auch noch die drei Vorstellungen zu spielen. Das ist ja auch gegen die Entscheidung, die die Ultras insgesamt gefällt haben, durch gesetzt worden. Zumindest kann man sagen, sie haben versucht, sich dem zu stellen. Dass es nicht einfach war, versteh ich auch. Ich fand das auch schon mutig, nach der Aufführung sich da vorn hinzu setzten und vor 70 Leuten dann ins Publikumsgespräch zu gehen. Also, das hat natürlich auch schon einiges abverlangt. Aber letztlich sind sie dann an so einer kleinen Sache einge brochen, weil sie gesagt haben, naja gut, Dirk hat uns nun verraten im Interview. Dass sie da so kleinlich waren, oder sagen wir mal, kleinlich im Sinne von total extrem mit der Entscheidung, das kann ich bis heute nicht nachvollziehen. Weil er sie als Gruppe, als Saalefront im Interview genannt hat und nicht als Theater-Saale-Ultras. Ich glaube, das war dann schon ein Punkt, sie haben sich als Rechte entlarvt gesehen. Ich glaube, dass das so war, dass die wirklich von sich überzeugt waren, eine Plattform zu kriegen, wo jeder sehen kann, was Ultra-Sein in Halle bedeutet, wo es eine Plattform gibt, in der sie öffentlich, unter dem Schutz der Bühne quasi, das machen können, was sie auch im Stadion oder auch in ihren Leben machen. So ist es auch von vielen gesehen worden. Und sich verraten haben sie sich eigentlich gefühlt, weil diese politische Kompo nente da rein gekommen ist, und diese ist eben durch den Aufhänger
201 Juden-Jena dazu gekommen. Dirk hat von Anfang an klar gemacht, dass dieses Thema wichtig ist, dass das rein muss, weil das einfach ein Teil der Geschichte der Ultra-Gruppierung ist. Und dann gab es das Ereignis des Sankt-Pauli-Spiels, wo Dirk mit war, weil da eben auch wieder Sachen gefallen sind, die genau in dieses Bild passen. Dirk hat aus seiner Sicht, als Alternativdenkender, klar gemacht, was ihm dort widerfahren ist und wie er sich da gefühlt hat, dass er maßlos enttäuscht war und dass es eigentlich in seinem Denken, das unterstützt, wovon sie sich nicht lossagen können. Und das ist auch letzten Endes auch bei mir der Fall gewesen. Ich sag mal, wer sich so benimmt, braucht sich nicht zu wundern, wenn man ihn als Rechten betitelt. Hast du das Gefühl, dass die durch die Diskussion die Dinge kritischer be trachten können und nicht nur dieses Schwarz-Weiß-Denken im Kopf haben? Das würde ich als Erfolg verbuchen, dass sie da auch anders bestimmte Sachen bewertet haben oder dazu ge zwungen waren, da auch immer kon frontiert waren, mit eben den Sachen sich zu beschäftigen. Einige haben es getan, einige haben es nicht getan, und ich glaube auch, dass gerade diese öffentlichen Diskussionen da im Zuschauersaal nach den Vorstellungen schon zum Denken angeregt haben. Das ist irgendwie ein bisschen merk würdig, weil vom Verhältnis her, wenn sie es demokratisch abgestimmt hätten, dann hätten sie weitergespielt, hätten sie spielen müssen. Und ich glaube, dass sie extrem verunsichert waren, aufgrund der Tat sache, dass es eben solche Wellen geschlagen hat. Dann im Prinzip auch eine Art Reaktion. Wir verkriechen
uns mal lieber in unserem Gebiet, wo wir uns wohlfühlen zurück, wir be schränken uns auf das, wo uns keiner mehr anpissen kann. Womit sie nicht klar gekommen sind, ist, dass jeder einzelne für sich alleine dort auf der Bühne eine Figur war, die eins zu eins genommen wurde von der Öffentlich keit und dann eben für sich angespro chen wurde. Da war die Anonymität des Ultrablocks nicht mehr da. Alles, was sie von sich geben öffent lich, ist ja als Gruppe und da kann man abtauchen und da ist das Indivi duum nicht, man wird man nicht per sönlich dafür verantwortlich gemacht. Ja, das ist was anderes. Aber sie haben sich ja als Gruppe Ultras Halle auf der Bühne präsentiert. Es war klar, dass sie hier in der Szene drin sind und dass das im Prinzip auch Konse quenzen für sie persönlich hat, für jeden einzelnen möglicherweise. Das war, glaube ich, der Punkt. Ist ja auch so passiert bei manchen, dass sie da schon hart drauf angespro chen wurden. Ich meine, wir haben das Projekt vom Theater ja nicht ein fach aus Spaß gemacht, weil wir gesagt haben, oh geil, da kriegen wir einen Haufen Aufmerksamkeit, son dern wir haben schon gesagt, das sind alles junge Männer, das ist ein Thema hier in der Region, teilweise auch ein Tabuthema und wir gucken mal, was da los ist und öffnen das mal Leuten, die eigentlich überhaupt keinen Zugang zum Fußball haben, oder eben auch Leuten, die sich für Fußball interes sieren. Wir machen mal ein Fenster auf und da kann man mal sehen, was sind die Ultras. Nun haben die Medien ziemlich heftig drauf reagiert, also jetzt im Nachhinein würde man wahr scheinlich sagen, war nicht anders zu erwarten, allerdings sind wir ja als Theater daran gewöhnt, dass man sich
202 mit uns anders auseinandersetzt. Aber man hatte teilweise das Gefühl, man ist der HFC selbst und nicht mehr Theater. Ich sage für mich, dass eben durch die Medien da auch viel verbaut wurde. Man hätte mit denen weiter arbeiten können, man hätte weiter am Ball bleiben können, also auch noch über das Projekt hinaus. Das ist so eine vertane Chance, was ich den Medien anrechne und der Politik auch, die hat gleich eine Zensurstempel angelegt. Ich weiß nicht, wie du das siehst? Eigentlich sehe ich das genauso. Das Problem ist halt, dass in unserer Gesellschaft bestimmte Sachen medial dargestellt werden, dann werden leider Schubladen aufgemacht. Das Problem ist, dass es leider hier in dieser Region sehr einseitig in eine Richtung nur gerichtet wurde und dass das überhaupt gar keine Diskus sion zugelassen hat. Diskussion be deutet für mich, für und wider abzu wägen bzw. argumentativ irgendwie was in die Waagschale zu werfen, pro und contra. Und das ist hier ja nicht passiert. Ich glaube auch nicht, dass das ein Thema nur für diese Region ist, sicherlich gibt es in vielen Ultra szenen unterschiedlichste Gruppie rungen, auch politisch gesehen und da sind die Operationen der Ultras deutschlandweit, europaweit sehr ähnlich. Ich bin ein bisschen erschüt tert darüber gewesen, dass es wirklich nur dieses schwarz-weiß-Denken gibt und dass es da überhaupt keine An nährung gibt. Aber der weitaus über wiegende Teil, hab ich den Eindruck, ist von so was auf der Bühne angeekelt und will damit nichts zu tun haben, und ist für Zensur. Also das will man gar nicht sehen, obwohl das Problem da ist. Das Problem sollen die mal schön im Stadion ausmachen. Und das Stadion ist ja sowieso ein Ort der
ewalt, wo nur geprügelt, geschlagen G und irgendwelche Parolen geboten wird. Und da sind wir gleich wieder am Anfang des Interviews. Ich muss sagen, ich nehme das so zur Kenntnis, dass die meisten so ein Bild haben. Das Bild wird auch so gezeichnet von den Medien. Aber das hat für mich nicht die Auswirkung, dass ich jetzt irgendwie anders HFC-Fan bin als vorher oder mit denen nichts mehr zu tun haben will, die nicht mehr sehen will oder so was. Ich habe meine Er fahrung während der Produktion mit den Jungs gemacht und muss sagen, dass ich teilweise schon enttäuscht bin und ich teilweise die Sache anders gesehen hatte von vornherein und ein bisschen anders eingeschätzt hatte. Aber das ist jetzt nicht ein Grund für mich, irgendwie erstens mein Fan- Dasein anders zu gestalten bzw. den Kontakt zu denen dort abzubrechen. Welche Möglichkeiten hat ein Verein? Es gibt ein Fansozialprojekt, wo ich sage, das ist zu schwach für diese Problematik und von daher kann ich schon verstehen, wenn man damit nichts zu tun haben will. Aber auf der anderen Seite ist das halt Stoff aus der Region, wo man einfach die Augen nicht verschließen sollte. Bloß wenn die Mehrheit da auch sagt Tabu, dann wissen wir ja, warum die Medien so reagieren. Die können einen Stempel einfach draufsetzten und dann ist gut. Teilweise, das hast du ja selber mitge kriegt, waren ja gar nicht selber hier. Die haben voneinander abgeschrieben. Also, so was fand ich auch höchst spannend, wie Medienvertreter arbei ten, die dann mit irgendwelchen Aus reden kommen, sie würden keine Reisekosten bezahlt kriegen. Da frage ich mich, was das für Journalisten sind. Von vielen hört man eben solche Sache, ohne dass sie hier waren. Und das ist
203 vielleicht ein bisschen wirklich schade, dass es nicht einem größeren Publikum, sagen wir mal, zuteil wurde, dieses Stück. Daraus resultiert natürlich auch die Diskussion darüber. Gelun gen ist an diesem Projekt auf jeden Fall, dass es Leute ins Theater gezo gen hat, die sonst nicht ins Theater gehen. Da bin ich mir 100%ig sicher Ich mir auch. Aber hätte man es nochmal zehn mal mehr gespielt, glaube ich schon, dass es auch noch größere Kreise ge zogen hätte und es sich auch Leute, die schnell mit Zensur dabei sind, an gesehen hätten und sich dann eine andere Meinung möglicherweise hätten bilden können. Was auch immer vergessen wurde bei vielen ist, dass es eben nicht eine reine Theaterinszenierung ist. Es ist ein Projekt mit Laien und es gab die Insze nierung auf der Bühne, aber es gab immer noch das Publikumsgespräch danach. Bei der Premiere nicht, da sagen jetzt viele auch, na das war ein Fehler. Wir am Theater wissen, wie das ist, zur Premiere ist’s ein anstrengender Weg und man will dann ein bisschen runter fahren. Aber diese Zweiteilung, diese Inszenierung von den Ultras und danach das Publikumsgespräch, das mal im Zusammenhang zu betrachten, das haben viele Medienvertreter gar nicht gemacht. Aber wie auch immer, du bleibst HFC-Fan? Ja. Und stehst aber nicht im Ultrablock? Ich steh nicht im Ultrablock, wenn man es so will. Aber es gibt das teils bei Auswärtsfahrten, wenn die Geschichte räumlich nicht weiter zu trennen ist, steht man auch mal mitten drin. Ich habe grundsätzlich auch kein Problem, mich da rein zu stellen.
Nur das ist ja auch die Gruppe an sich, die grenzt sich ja auch innerhalb anderer Fangruppen ab. Die schaffen das untereinander, sich, sagen wir mal, ein zu Hause zu geben. Was die erreichen ist ja, dass die Leute diese Gruppe über alles stellen. Das ist ja eine Frage, mit der man sich mal aus einander setzten müsste. Was läuft denn da schief, wenn es dann solche Auswirkungen hat? Auf der anderen Seite wäre es ja positiv, wenn sie Blümchen pflücken gehen würden und soziale Projekte machen würden mit diesem Zusammenhalt. Aber das pas siert ja nicht, es ist ja im Prinzip eine Gruppe, die sich bildet, wo Gewalt eine Rolle spielt, irgendwo viele Sachen, die verboten sind, gelebt werden und in der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Die Frage ist, wo ist da der Einsatz irgendwie was zu verändern? Wie kommt man an solche Gruppen ran? Da denke ich mal, hat das Thalia Theater oder haben wir, die wir mit denen gearbeitet haben, über einen relativ kurzen Zeitraum, durch diese Arbeit durch den Umgang mit solchen Leuten auch gezeigt, dass es andere Ansätze oder Erfahrungen gibt, die vielleicht möglicherweise dazu führen könnten, das alles ein bisschen anders anzugehen und da auch Erfolge zu erzielen bei solchen Leuten. Aber ich glaube, dass du schon die richtige Frage gestellt hast. Wie kom men denn diese jungen Männer dazu, sich in dieser Gruppe sozusagen zu Hause zu fühlen? Sie sprechen ja auch teilweise von Familie. Es ist ja eigent lich erst mal positiv, dass so eine Gruppe das schafft, also diese Kraft hat. Aber auf der anderen Seite könnte ja so ein Fansozialarbeiter da ziemlich viel rausholen, er kennt seine Jungs auch zur Genüge und kann die ein stückweit auch leiten. Das erwarte ich
204 auch von einem Sozialarbeiter, dass der sich genau mit solchen Gruppen auseinandersetzt und diese Tabu themen eben auch mal aufbricht. Ich glaube schon, dass es auch natür lich ein enormer Anreiz für die gewesen ist, ungeachtet, dass die sich vielleicht gedacht haben, oh jetzt haben wir hier eine Plattform oder so was, sondern eben auch mal was völlig anderes zu machen. Das ist ja auch die Aufgabe gewesen. Die hatten die Aufgabe, ein Stück zu entwickeln mit einem Regisseur, und dann das zu inszenieren auf einer Bühne und das quasi zu machen. Und das ist ja an sich eine Aufgabe. Jetzt abgesehen von den Inhalten, die da rüber ge bracht werden. Aber eigenartig, das muss ich auch gleich sagen, was mir fehlt im Vergleich zu anderen Projek ten mit anderen Menschen, die hier eine Arbeit gemacht haben zeitweise, was ich bis jetzt so mit gemacht habe, ist, dass die nicht ins Theater kommen. Kommen nicht ins Theater, gucken sich keine anderen Inszenierungen an, sondern die standen auf der Bühne, haben das alles mitgekriegt, haben sich mit Teilen des Ensembles gut verstanden, freuen sich, die auch immer wieder zu sehen, sind häufig im Theater, um uns zu besuchen und mel den sich hier auch häufig, aber sie gehen nicht ins Theater, um sich ein Theaterstück anzugucken. Aber auf die Frage hin, ob sie es tun würden, sagen sie alle ja. Alle ja. Machen sie aber nicht. Naja, prima, große Sprüche, aber nichts dahinter.
Interview mit Torsten Hahnel, Miteinander e.V. Also du weißt ja, dass wir das Thema ULTRAS gemacht haben, weil im Präventionsrat der Stadt Halle immer wieder der HFC Thema war, auch dass der Verein Sanktionen gegen die Ultras vorgenommen hat. Und wir haben dann überlegt: Ist das ein Thema für das Theater, weil es ein Thema in der Region ist? Und dann haben wir ein geschätzt, dass Fußball sehr wohl ein Thema in dieser Region ist. Und die, über die im Präventionsrat verhandelt wurde, die Ultra-Gruppierung selber, das sind junge Leute, jedenfalls die, mit denen wir dann gearbeitet haben. Und Dirk Laucke als Autor, er ist hauptsächlich Autor und hat bei uns auch Regie geführt, der ist ein guter Mann dafür, die Sprache von Rand gruppen aufzunehmen. Vorher hat er »Silberhöhe gibt’s nicht mehr« ge macht, da ging es darum, dass die Sil berhöhe zurück gebaut werden soll zur Waldstadt, und dazu hat er mit Jugendlichen gearbeitet. So, und wir haben uns eben entschieden, Fußball als Thema anzusehen und dann spe ziell die Ultras ins Theater zu holen. Wir hatten damals angefragt bei dir und bei Miteinander e.V., ob ihr das als Kooperationspartner unterstützen könnt, weil das ja auch der Bereich Politische Bildung ist. Die Ultras fallen immer wieder auf, durch Gewaltak tionen, durch rechtsextreme Aktionen; es gab 2007 oder 2008 diese »JudenJena«-Rufe im Stadion. Was war denn die Motivation von dir oder von Mit einander e.V., zu sagen, okay dieses Experiment »Theater und Fußball« zu unterstützen – also welche Beweg gründe gab es da von Eurer Seite? Du hast ja ein paar Sachen schon ge sagt. Dass es klar ist, dass es eine öffent liche Aufmerksamkeit, eine Auseinan
205 dersetzung gibt, die aber meistens nur nach einem bestimmten Schema läuft: Es gibt irgendwie Stress, es gibt einen Vorfall, dann wird darüber berichtet, es werden irgendwelche Sachen gefor dert, am besten Erfolgserlebnisse von allen Leuten, die sich irgendwie damit beschäftigen. Also das Fanprojekt und so; und wenn die dann nicht sofort und innerhalb von Wochen eine gefühlte oder messbare Besserung liefern kön nen, dann stehen die in der Kritik. Das heißt, die Auseinandersetzung läuft auf einer sehr komischen Ebene, die dem Problem oder Phänomen – ist ja eine Frage, ob es überhaupt ein Prob lem ist – überhaupt nicht gerecht wird. Wir haben uns als Verein und ich besonders als Referent hier im Verein in den letzten Jahren schon immer mit dem Thema Fußball, Rassismus, Rechtsextremismus im Fußball aus einander gesetzt, mit zwei Ausstellun gen, die wir gemacht haben in den vergangenen Jahren, mit verschiede nen Veranstaltungen. Und wir hatten auch da immer ein Rahmenprogramm, weil wir davon ausgegangen sind, dass es wichtig ist, so ein punktuelles Ereignis wie eine Ausstellung oder ein Theaterstück zu begleiten, um da Diskussionen möglich zu machen, die ja in einem Theaterstück nur bedingt möglich sind. Deswegen fand ich das Projekt von Anfang an sehr gut und unterstützenswert. Wir kommen ja sicher nachher nochmal zur Bewertung, aber wichtig ist, dass ich ja an der Entwicklung des eigentlichen Stückes ja nicht be teiligt war und auch keine Ahnung hatte, was da wirklich geplant war. Ich fand es wichtig, mich mit um die ses Rahmenprogramm zu kümmern, zu gucken, was wäre da sinnvoll, was könnte man machen, welche Leute sollte man vielleicht einladen – also was sind die Themen, die da Sinn
achen. Das fand ich von Anfang an m sinnvoll, eben auch als Konzept. Also: Es gibt ein Stück, das sich einem Thema widmet, und das Theater will in einem Rahmenprogramm das Ganze begleiten und da möglichst viele Themenbereiche angehen und für eine öffentliche Diskussion zu sorgen. Das hat ja aus verschiedenen Gründen nicht so ganz geklappt, dazu kommen wir ja vielleicht auch nochmal. Aber das Konzept fand ich sehr gut und deshalb war klar, dass es die Unter stützung gibt und die Zusammenarbeit war ja auch von Anfang an sehr offen, es gab ja auch die Möglichkeit, auf dieses Begleitprogramm Einfluss zu nehmen. Du warst ja auch Kurator des Rah menprogramms, und jetzt hast du die letzte Frage, die ich stellen wollte, schon beantwortet. Naja, macht ja nichts. Vielleicht kannst du ja mal ein bißchen erzählen – du sagst ja, es ist euer Arbeitsfeld, in das die Ultras, also die Fußballszene, durchaus rein fällt. Welche Erfahrungen habt ihr denn gemacht in der Beobachtung der Ultras-Szene in Halle, wie bewertest du die und inwieweit habt ihr damit zu tun? Und bist du selber HFC-Fan, gehst du selber ins Stadion und welche Berühungen hast du damit? Dann fang ich vielleicht mal mit dem letzten an: Ich bin als HFC-Fan aufgewachsen, war als Kind regel mäßig im Stadion und der HFC war für mich sehr wichtig. Deshalb kann ich das prinzipiell verstehen, dass Fußball oder so ein Fußballverein so eine Faszination haben kann. Durch meinen familiären Background gibt’s da auch noch ganz deutliche Über schneidungen, also ich kenne das Phänomen sehr sehr gut, kann es für mich persönlich aber überhaupt nicht mehr nachvollziehen. Im Klartext:
206 Warum Leute ihr ganzes Leben an so einen Verein binden, ist mir ein völli ges Rätsel, verstehe ich nicht, weil ich denke, dass die Welt größer und bun ter und vielfältiger ist, als dass man so einen Verein … Egal, ob der jetzt gut oder schlecht spielt, das ist ja relativ zweitrangig, auch wenn man sich die Szene anguckt, das spielt ja keine Rolle, es gibt eine Identifikation, ich würde sagen eine Überidentifikation, die ja jeden Bereich umfasst. Es gibt eigentlich nichts bei solchen Fans, das nichts mit dem Verein zu tun hat. Das führt eben auch zu diesen Problemen, es hat was damit zu tun, dass so eine Monokultur eben auch dazu führt, dass man eine sehr eingeschränkte Wahrnehmung vom Rest der Welt hat. Das fängt eben schon beim Verein nebenan an, der entweder hunderpro zentig Freund oder hunderprozentig Feind ist, also diese berühmten Fan freundschaften und -feindschaften, die immer so wirken, als wären sie schon seit Jahrhunderten übermittelt und kein Mensch fragt mehr, wo das eigentlich her kommt. Das finde ich alles ziemlich rätselhaft und das sind auch so Sachen, vor denen ich kapitu lieren muss, wo ich keine Erklärung hab. Insofern ist mein Background schon relativ klar, ich kann die Faszi nation am Fußball verstehen, spiele auch gern Fußball, schaue es mir auch gern an, kann aber diesen Fanatismus nicht verstehen. Dienstlich hab ich viel damit zu tun in den letzten Jahren, nämlich immer dann, wenn es Probleme gibt. Ich habs schon gesagt, diese Ausstel lungen haben versucht, sich theore tisch mit diesem Problem auseinander zu setzen, auch zu gucken, dass es eine politische Diskussion darüber gibt. Was passiert eigentlich in den Stadien und was ist eigentlich mit Ausgren zung und Diskriminierung, wie kann
man das zurückdrängen – ich denke, das ist ganz wichtig – und prinzipiell im Fußball, aber auch speziell in Halle, gab es immer dann Diskussio nen und Fragen nach der Bewertung, wenn es eben zu rechten oder rechts extremen, rassistischen Vorfällen kam. Wie ist das eigentlich einzuordnen, sind die Ultras rechts, sind sie rassis tisch, wie auch immer. Und wie schätzt ihr das ein? Es wird ja immer schnell gesagt, stand ja auch in den ganzen Presseartikeln zumeist drin – entspricht das dem, was ihr sagt? Es gibt ja Ultras, es gibt normale Fans, dann gibt’s Hooligans … Das ist nicht so einfach auseinander zu halten, und dafür sorgen die Ultras ja teilweise selbst. Man kann sich das ja gut angucken, denn die Geschichte der Ultras ist relativ klar: Es gab eher eine Abgrenzung zu den Hooligans, die ja vor allem in den neunziger Jah ren sehr stark für Schlagzeilen gesorgt haben mit ihren Gewalttätigkeiten, und die Ultras waren eigentlich eine Reaktion darauf. Den Hooligans wurde ja oft vorge worfen, dass ihnen der Verein eigent lich egal ist, dass sie das Stadion und das Umfeld eher als Plattform nutzen, um ihren Gewalttätigkeiten freien Lauf zu lassen. Also das Phänomen Hooligans ist noch mal ein ganz ande res, es gab da ja auch unterschiedliche Entwicklungen Anfang der neunziger Jahren, sehr deutliche rechtsextrem, dann hat es sich eher in eine andere Richtung entwickelt, so dass die eben gesagt haben, mit Politik haben wir gar nichts zu tun, wir hauen uns eben gern und fertig. Das hat auch niemand verstanden, aber ein stückweit hat sich das dann entpolitisiert. Nach meiner Wahrnehmung waren die Ultras ein relativer Gegenentwurf dazu, wo es darum ging, Kreativität ins Stadion
207 und die Fankultur zu bringen, sich stärker auf den Support des Teams zu beziehen als darauf, wie effektiv man jetzt den Gegner verhauen kann. Das war tatsächlich eine positive Entwick lung, weil es die Gewalt eher einge schänkt hat. Und, was auch wichtig war, dass es eben in vielen Bereichen eine klare Distanzierung von Rechts extremismus gab, dass es relativ viele explizit linke Ultras-Gruppen gab oder zumindest Ultra-Gruppen, die gesagt haben, wir dulden Diskriminie rung nicht und Rassismus, das ma chen wir nicht mit. Also die Ultras waren eher ein Gegenpol zu Gewalt und Rechtsextremismus. Das hat sich aber ein bißchen aus einander entwickelt. Im Prinzip kann man jetzt sagen: Viele der UltrasGruppen sind relativ gewalttätig, sind also so eine Mischform mittlerweile aus Ultras und Hooligans, viele sind zumindest tendenziell rechtsextrem und rassistisch – das war ja auch eine Erfahrung, die man im Rahmen der Diskussionen um das Theaterstück machen konnte. Und da muss man immer auseinanderhalten, was die Selbstwahrnehmung ist, also wenn man die Ultras selbst fragt, dann sagen die immer, nee, wir damit haben wir nichts zu tun, wir sind weder rechts noch rassistisch noch sonst irgendwas. Da kann ich ja mal kurz einhaken, denn in den Interviews hab ich ja auch gefragt nach der politischen Ein stellung in der Gruppe. Uns ist ja klar geworden, dass es keine homogene Gruppe ist, sondern da hast du ja von Studenten über Hartz-IV-Empfänger, Berufstätige alle dabei, und so ist auch die politische Einstellung, würde ich mal vermuten. Aber auf die Frage, wie seid ihr denn jetzt politisch drauf, gibt es immer die Antwort: Wir sind unpolitisch, wenn wir im Stadion
sind, sind wir unpolitisch. So. Und damit kann ich nicht umgehen, das ist so eine Sache. Unpolitisch, naja. Es werden trotzdem gewisse Dinge geru fen, die wiederum politisch sind, auch wenn das jetzt nicht mehr »Juden Jena!« ist, davon haben sie sich ja offen sichtlich verabschiedet, mal sehen wie lange das andauert. Aber es gibt durchaus trotzdem Sachen, die in der Gruppe gerufen werden, ob das nun im Stadion ist oder draußen, sie treten ja innen wie außen als Ultras auf. Und da wissen sie dann eben auch nicht so genau, was sie antworten sollen. Wenn du mit einem einzelnen sprichst, dann sagt der immer, naja ich stand ja nur mit dabei, und das find ich jetzt auch nicht gut. Man kriegt die nicht so fest genagelt, dass dazu endlich mal Stel lung bezogen wird. Man zieht sich da raus, und offenbar gibt es auch so einen Kodex dafür, was man als Ultra sagen darf und was nicht. Wie siehst du das mit diesem ›Ich bin unpolitisch, ich hab mit Politik nichts zu tun, wenn ich Ultra bin, also wenn ich die Rolle Ultra spiele‹? Ich halte das für eine Schutzbehaup tung. Es ist einfach so, dass in den Fußballstadien natürlich Rassismus und andere Diskriminierungsformen einfach tatsächlich immer noch zur Alltagskultur gehören. Und gerade rassistische Stereotype mehrheitsfä hig sind, leider. Es ist schwierig, denn es gibt nur wenig wissenschaftliche Forschungen dazu. Es gibt ja so Fragen, mit denen zum Beispiel nach rechtsextremen Einstellungspotentialen gefragt wird. Da fragt man ja nicht: Bist du rechts? Denn da sagen die meisten Leuten nein. Wenn man aber fragt, würde es dir was ausmachen, wenn ein jüdi scher Mitbürger oder ein Schwarzaf rikaner neben dir wohnen würde,
208 dann kriegt man das ein bißchen kla rer raus. Und ich würde mal behaup ten, dass zumindest die Mehrheit der Fanszene – und da mal unabhängig davon, ob Ultra oder nicht – zumin dest tendenziell rassistisch ist. Aber ist das nicht eine Widerspiege lung der Gesellschaft an sich? Das mag sein, ja klar. Also dass das jetzt nicht nur so bei Fuß ballfans ist, sondern das ist eben so der Durchschnitt der deutschen Bevölke rung. Es gab ja da gerade diese Studie … Ja, es gibt viele solcher Studien. Es ist ja immer die Frage, ist das jetzt mehrheitsfähig oder nicht. Es ist so, dass es zumindest im Osten, naja, eben ein großes Problem ist, dass man im Grunde fast von einem rassisti schen Grundkonsens sprechen kann. Das Problem ist: In einer normalen Gesellschaft gibt es darüber Diskussi onen, es gibt eine Zivilgesellschaft, die bestimmte Standards einfordert und da für eine Entwicklung sorgt. Nach meiner Meinung findet sowas in den Fußballszenen viel zu wenig statt. Auch wenn immer gesagt wird, wir sind gegen Politik, ist es einfach so, dass es natürlich einen Überhang von rechten oder tendenziell rechten Personen gibt. Das hat viel mit der Kraft von Fußball zu tun, mit dieser Faszination, auch mit dieser Männ lichkeit, die da ritualisiert wird, das spielt alles eine Rolle. Es ist ja auch so, dass ein Verein, die Anhänger von St. Pauli zum Beispiel, die explizit als links gelten, totale Exoten sind. Und natürlich immer, überall wo sie hin kommen, damit rechnen müssen, dass ihnen dieses Linkssein in Form von Sprechchören bis hin zu tätlichen Angriffen vorgeworfen wird. Das ist Standard. Lange Zeit war es auch so, dass der DFB und die regionalen
erbände das völlig ignoriert haben V und das Thema nicht ernst genommen haben. Mittlerweile ist es ja so, dass jedenfalls in den oberen Ligen es von den Vereinen häufiger Statements gibt gegen Diskriminierung, also dass sich da auch ein Wandel vollzieht, dass es mittlerweile auch in der DFBNationalmannschaft möglich ist, dass farbige oder türkischstämmige Spieler spielen. Das war bis vor ein paar Jahren überhaupt nicht denkbar. Das heißt, dass auch die Nationalmannschaft als ein nationales Konstrukt irgendwie hergehalten hat und auch politisch es so war, dass Leute, die links von der Mitte stehen, damit nichts anfangen konnten. Das hat sich so etabliert in den letzten Jahrzehnten, und deswegen glaube ich, fehlt da so eine Diskus sion. Das ist jetzt nicht dem oder der einzelnen vorzuwerfen, sondern das ist eine Entwicklung, die in den letz ten Jahrzehnten stattgefunden hat. Beispiele dafür gibt’s mehrere: Ich war zum Beispiel in Vorbereitung auf eines der Projekte der Ausstellung letztes Jahr nach diesen Juden-Jena-Rufen bei einem Türkiyemspor-Spiel im Sta dion und hab mir das angeguckt, das erste Mal seit langer Zeit. Und da hab ich mit verschiedenen Leuten gespro chen, und es war das Gefühl: Wir müssen jetzt hier still halten, wir dür fen jetzt hier nicht irgendwas rufen. Aber nicht, weil sie plötzlich begriffen haben, dass Rassismus einfach Unsinn ist und menschenverachtend, und dass man Leute nicht danach beurteilen sollte, wo sie herkommen, sondern weil sie Angst hatten, dass ihr Verein stärkere Sanktionen zu erwarten hat, wenn sie es tun. So ähnlich waren auch die Diskussionen mit den Ultras im Rahmen des Theaterstücks. Wenn man die fragt, seid ihr poli tisch, dann sagen sie natürlich nein.
209 Wenn man dann genau nachfragt, wie war denn das mit diesen Juden-JenaRufen – ich hab ja nach der einen Vor stellung noch mit den Leuten persön lich diskutiert – dann hat man schon den Eindruck, dass ihnen klar war, dass das jetzt nicht besonders cool war. Sie haben aber nicht verstanden, warum. Sondern es kam immer wieder diese Schutzbehauptung, dass es das schon immer gab, dass es das sogar schon zu DDR-Zeiten gab. Und ich hab konkret einen von ihnen gefragt, ob er sich vorstellen kann, wie sowas vielleicht auf jüdische Überlebende der Shoah wirkt, und er meinte, naja, bestimmt nicht so toll. Ja, aber warum ist Jude für euch ein Schimpfwort? Ja, weil das schon immer so war. Das heißt, es gibt eine viel zu geringe Aus einandersetzung mit dem, was sie eigentlich selber verkörpern. Und ich habe ihm in diesem Gespräch auch gesagt und glaube das auch, dass das nicht bewusst antisemitisch war, es war aber eben doch antisemitisch, weil ihnen überhaupt nicht klar war, was die Bedeutung eigentlich ist. Wenn ich »Jude« als Schimpfwort benutze, dann impliziert das was negatives. Und da fehlt einfach eine Auseinandersetzung damit, was im Nationalsozialismus angerichtet wurde. Das war auch immer wieder eine Frage, die wir ziemlich von Anfang an gestellt haben. Also genau das: Wieso Jude, warum ist das für euch ein Schimpfwort? Wir waren abends mal dort im Fanhaus, und da hat Dirk Laucke aus Quatsch gesagt, hört mal zu, ich bin selbst auch Jude. Und da war ein Schweigen, die wußten überhaupt nicht, wie sie damit umgehen sollten, weil sie wirklich, da kann ich dir nur recht geben, nicht darüber nach
denken. Das ist eben so schon immer gerufen worden und deshalb macht man das. Ich hatte mich mal mit je mandem von der FDP unterhalten, der HFC-Fan ist, und der sagte dann auch, naja, zu DDR-Zeiten h aben wir das schon gerufen, was ist denn da dabei? Es wird also offenbar auch von außen unterstützt. Wenn die Ultras mit anderen Leuten reden, ohne dass die Öffentlichkeit dabei ist, wenn die also im Stadion miteinander quatschen, und das muss jetzt kein Ultra sein, das ist dann latent durchaus ein Argu ment, wo auch weiter überhaupt nicht mehr diskutiert wird. Es wird gar nicht mehr hinterfragt. Und das ist es eben, das ist meine Analyse: Es fehlt dort in der Szene ein deutig an Auseinandersetzung. Es gibt so einen Grundkonsens, dass bestimmte Sachen einfach okay sind, weil sie schon immer okay waren. Und außerdem, das hab ich in den letzten Jahren immer wieder beobach tet, wenn es dann irgendwelche Vor fälle gab, ist das Reaktionsmuster immer das gleiche: Das ist die Presse oder i rgendwelche Leute von außer halb, die wollen uns angreifen, und deswegen müssen wir besonders zusammen halten. Immer dieser Ab wehrmechanismus, der dann irgend wann auch dazu führt zu sagen: Okay, das machen wir jetzt nicht mehr. Aber es gibt keine Diskussion darüber, warum eigentlich, es gibt überhaupt kein Verständnis dafür, warum Leute von außen sowas thematisieren. Zum Beispiel dieser Angriff auf einen farbigen Spieler von Chemie Leipzig, der geschlagen wurde auf dem Rasen von »Fans«, der ist gerechtfer tigt worden damit, dass er ja den Hitlergruß gemacht hat. Dann kamen die Argumente, wenn wir das machen, kriegen wir ne Anzeige und wer der das macht, ist das wohl okay? Dass das
210 eine Reaktion auf ihre rassistischen Rufe war die ganze Zeit, das ist ihnen überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Dass sich jemand deswegen vor den Fanblock stellt und den Hitlergruß macht, um ihnen zu zeigen, ihr seid Nazis, ihr provoziert mich ununter brochen und wenn ihr das witzig findet, mir Bananen- oder Affenlaute hinter her zu rufen, dann ist das nicht witzig, sondern das ist rassistisch. Und da gibt’s eine Traditionslinie in Deutsch land, es gab eine Zeit, wo so etwas eben Staatsdoktrin war und so weiter. Und da fehlt eben ein Verständnis d afür. Da würde ich gern anknüpfen. Du sagst ja, da fehlt das Verständnis dafür. Wenn wir mal hier in der Region bleiben, die Stadt Halle hat ja gesagt, okay, wir bezahlen jetzt eine Personal stelle im Fanprojekt. Es gibt diese Stelle ja. Wäre es eine Aufgabe vom Fanprojekt, kann ein Fanprojekt sowas überhaupt leisten oder sollte das viel mehr besser ein Verein wie eurer über nehmen? Wie schätzt du das ein? Das ist schwierig. Ich finde den Ansatz des Fanprojekts zumindest unterstüt zenswert, also das, was ich mitbe komme, ist, dass es da zumindest eine relativ große Offenheit gibt für Ko operationen, für Inhalte. Es gibt zum Beispiel eine Haus ordnung im Fanprojekt, die offen ras sistische und N S-Propaganda verbie tet, was ja schon mal wichtig ist, weil es eben nicht gängig ist überall. Und es gibt ja auch bundesweit Streit darüber, wie in den Stadien mit diesen Dingen umgegangen wird. Insofern finde ich das prinzipiell okay. Fakt ist, so ein Fanprojekt erreicht immer nur einen Teil der Fans. Und auch dort ist es so, dass es zu wenig wirkliche D iskussionen gibt. Das Pro blem ist: Vieles findet ja in den Stadien statt und auf dem Weg dort
hin. Das ist ja ein Umfeld, wo ein bestimmter Codex vorherrscht, das heißt, da finden keine politischen Diskussionen statt. Das Zentrum der Fankultur sind aber nun mal die Spiele. Ich hab so ein bißchen den Eindruck, dass auch bei Veranstaltun gen dort, wo es um solche Ausein andersetzungen ging, dass wenn über haupt Leute hingekommen sind, es so eine Aufwärmphase braucht, bis man überhaupt mit den Leuten reden kann, bis sie überhaupt bereit sind, sich tatsächlich mal auseinander zu setzen. Was natürlich nicht heißt, dass sie einem dann sagen sollen, so ich bin jetzt links, seid ihr jetzt zufrieden? Sondern das ist ein Denkprozess, der eben sehr schwer ins Rollen kommt. Wir haben ja auch lange gebraucht. Wir wussten schon, dass wir nicht ein fach ins Fanhaus gehen können und übermorgen haben wir dann die Gruppe zusammen. Wir hatten dann ja eine Gruppe von neun dieser Ultras, es waren ja längst nicht alle, das sind ja vierzig oder fünfzig, da bei der Saalefront. Und das, was du jetzt beschreibst, also das Rankommen an die Leute, das dauert eine ganze Zeit. Also bis sie Vertrauen fassen, merken, dass man sie nicht von vornherein abstempelt, denn das passiert ganz schnell. Klischees und schwarz-weißDenken gibt’s ja auch vom Umfeld her, also von außen. Und da denke ich, dass Dirk das ganz schön aufbrechen konnte. Ich kann mich erinnern, dass wir viele politische Diskussionen hatten, harte Diskussionen, in denen die Ultras gesagt haben, Mann, so viele Diskussionen, wir können es gar nicht mehr hören. Und da denke ich, dass das ein guter Weg war um einen Schritt zu machen in Richtung: Wir können das Ganze mal inhaltlich thematisieren. Also nicht nur, auf
211 elchem Platz jetzt der HFC ist und w wo das nächste Spiel ist und was da wieder los war, sondern eben auch po litische Diskussionen mit denen füh ren zu können. Obwohl natürlich viele ausgestiegen sind, gesagt haben, mir ist das zu viel, die schalten dann ab, ein Schalter legt sich um und die sagen, ich will damit nichts zu tun haben, Politik interessiert mich nicht. Genau das ist es, was sie mit »unpoli tisch« meinen: Sie wollen keine politi schen Diskussionen. Ja, und ich glaube eben, ihnen gehen irgendwann auch die Argumente aus. Sie fühlen sich unsicher und machen dann die Schotten dicht. Und da müßte man eben gegen steuern. Die sollen sich nicht als Opfer sehen. Das sind junge Männer, ich meine, wären das so fünfzig-, sechzigjährige Typen, würde ich sagen, okay, der Zug ist abgefahren. Aber das sind junge Männer, so ab 18 oder 16, naja es gibt ja sogar diese J ugendbande, die sind 14. Ich hab das Gefühl und es ja auch so beobachtet, dass die Stadt diesen Jungs hilflos g egenüber steht und der Verein eben auch, der ist nur immer sauer wegen der Strafzahlungen. Die Ultras nehmen sich da zurück, sagen sie wollen dem Verein ja nicht schaden, dann kommt noch die Polizei mit rein – also das ist schon ziemlich vielschichtig und offensichtlich fühlt sich jeder missverstanden. Um es mal ganz platt zu sagen. Und wenn du sagst, es wird zu wenig diskutiert, dann frag ich mich: Okay, wir hatten jetzt hier dieses Projekt, aber wer könnte denn jetzt noch mal an einen Tisch kommen und diskutieren? Ich hab immer gesagt, gut das kann jetzt nicht mehr Auftrag des Theaters sein, denn es gibt eben die Fanprojekte, es gibt einen großen Verband, aber es gibt eben keinen Verband der Ultras, die
sind in solchen Diskussionen immer nicht vertreten, sondern nur die Fanprojekte. Das ist das Problem. Ich glaub, dass es immer wieder wichtig ist, von außen Probleme zu thematisieren. Und um es noch mal klar zu sagen: Für mich sind Ultras oder Fans nicht per se rechts oder rechtsextrem. Ich glaub nur, dass es da Einstellungsmuster gibt, dass zumindest verschiedene Formen von Diskriminierung – über Sexismus und Homophobie brauchen wir da gar nicht erst reden, das ist ja noch ein viel größeres Problem – einfach Standard sind. Und deswegen wird’s schwierig, weil in bestimmten Situationen jede Thematisierung von außen als potenti eller Angriff angesehen wird. Da braucht man wirklich viel Zeit, um überhaupt an den Punkt zu kom men, dass sie ernsthaft mit einem re den. Mit zu wenig Diskussion meine ich, dass es intern zu wenig Diskussion gibt. Es wird sich eben viel zu schnell damit zufrieden gegeben, dass der ge meinsame Nenner heißt: Wir sind un politisch. Das heißt aber nicht, dass sie unpolitisch sind, sondern sie akzeptie ren schlicht den rechten Mainstream, so nenn ich das jetzt mal, den es an Einstellungspotentialen eben gibt. Und sie verstehen eben nicht, dass ein Teil der Leute von außen g enau damit ein Problem haben, dass Diskriminierung so sehr Standard ist. Das ist das Problem und deswegen finde ich es wichtig, immer wieder, wie wir das ja auch als Verein machen und was ich auch persönlich versuche, immer wieder punktuell mit den Ressourcen, die da sind, gegen zu steuern. Aus stellungen zu machen, auf Vereinsebene mit Leuten zu diskutieren, und auch auf der Fanebene. Aber wichtig wäre eben irgendein Prozess, der in den Leuten selber stattfindet, dass sie ein fach verstehen, dass die Welt nicht so ist.
212 Aber wie soll der angestoßen werden? Du sagst jetzt, die interne Diskussion findet nicht statt. Ich glaube, dass die interne Diskussion gar nicht statt finden kann, weil sie von denen selbst nicht los gestoßen werden kann. Sie machen das eben einfach nicht. Klar, aber dafür war ja das Projekt schon ein wichtiger Punkt, glaube ich. Also dass sie sich, leider nicht beim ersten Abend, aber bei den nächsten Vorstellungen, also insgesamt sieben mal, dieser Diskussion stellen muss ten. Und man hat genau gesehen, dass sie das auf der einen Seite wollten, und es ihnen auf der anderen Seite nicht ganz wohl dabei war. Weil man das Gefühl hatte, es gehen ihnen die Argumente aus. Und trotzdem sind sie immer wieder mit Fragen konfrontiert wor den, die sie sich sonst einfach nicht anhören, und wo sie sich innerhalb der Fanszene sonst viel zu schnell mit solch einfachen Erklärungsmustern geben: wir sind nicht rechts, wir sind nicht politisch, und außerdem sind wir sowieso prinzipiell immer Opfer. Wenn irgendjemand Scheiße gebaut hat, gibt es keinen Diskussions prozess, sondern es wird gesagt, wir werden wieder von außen angegriffen. Jetzt wollen die uns wieder schlecht machen. Aber nochmal zu diesem Punkt der internen Diskussionen: Glaubst du, dass es einen einzigen Ultra gibt, der sagt, wir müssen jetzt mal darüber diskutieren? Aus der Gruppe heraus? Es ist eine Hoffnung. Die sind ja nicht dumm, das hat man ja auch gemerkt, sie sind viel unterwegs und verbringen unglaublich viel Freizeit miteinander. Ich kann natürlich nur vermuten, wie das da intern läuft. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass so ein Projekt irgendwas auslösen könnte. Ob es das
hat, weiß ich nicht, da bin ich mir nicht sicher. Na, es hat schon zu Verwirrung ge führt bei dem so genannten Anführer der Gruppe. Das ist ja auch hierar chisch organisisert, und diese beiden »Chefs«, Dirk Laucke hier und dieser Typ da, das ergab schon Reibung. Dirk hat das diskutiert, der Anführer der Ultras hat eben nicht diskutiert … Naja, eigentlich sagt der eben sonst, wo es lang geht, und hier haben die sich im Prinzip ein Stückweit auch emanzipiert von ihren eigenen hierar chischen Strukturen. Und schon das ist ein Vorteil. Weil eben solche hierar chischen Strukturen immer geeignet sind, solche Diskussionen nicht zu führen. Ein Teil des Problems liegt ja in der Struktur der Szene, dass es solche Hierarchien gibt, wenig Indivi dualität gibt, dass es zu wenig darum geht, dass ich jetzt das möchte oder das. Auch in den Aktionen im Stadion, und teilweise in den gewalttätigen Aktionen. Dass es also dem Einzelnen, der sagt, ich find das jetzt wirklich nicht so toll, schwer fällt sich durchzu setzen oder zumindest in einer Dis kussion zu fragen: Habt ihr darüber schon mal nachgedacht? Das findet nicht statt oder zu wenig. Ich will denen ja nicht unrecht tun, aber ich glaube, zu wenig und das sieht man ja auch an den Reaktionen nach außen. Von den neun Ultras, die bei uns mitgemacht haben, waren fünf dabei, die gesagt haben, wenn es zu irgend welchen Sprechchören kommt beim Spiel bzw. meistens passiert das ja vorher und vor dem Stadion, dass die sich dann schon einmischen und sagen, ihr habt ja ne Meise und jetzt lasst das mal sein. Es ist aber auch die Frage, wer das macht.
213 Und wenn du sagst, die Hoffnung ist die interne Diskussion und dass die Kraft der Vernunft aus der Gruppe herauskommt, dann hab ich sowas eben an solchen Beispielen gesehen, wo sie mir sowas erzählt haben. Ich war ja nicht dabei, aber vielleicht gibt’s ja dann doch eine Kraft, die darüber nachdenkt. Das ist ja nicht alles. Ich denke, es macht Sinn, immer wieder über solche Veranstaltungen, über solche Projekte, es zu versuchen. Sowas ist zeitlich begrenzt und auch ressourcenbegrenzt, das ist so. Es muss ineinander greifen – auch der Verein muss die Verantwor tung wahrnehmen. Das ist ja ein sehr funktionales Verhältnis. Beim HFC war es bisher so, dass wenn die auf alle problematischen Fans verzichten würden, würden die eben vor fast leeren Rängen spielen, und das macht keinen Spaß. Das heißt, natürlich haben die ein Inter esse daran, sich die Fans irgendwie zu erhalten. Auf der anderen Seite haben sie natürlich ein Problem, wenn sie Strafen zahlen müssen, Sanktionen bekommen und vielleicht auch noch Punkteabzug, was wirklich weh tut, wenn die mal wieder über die Stränge geschlagen haben. Das ist sehr funk tional. Und wie es eben auch beim DFB jahrelang gedauert hat, bis es da ein Umdenken gab, dass es jetzt einen Präsidenten gibt, der das Thema per sönlich sehr ernst nimmt, was früher nicht so war, hoffe ich eben auch auch sowas. Der Präsident Schädlich war in dem Projekt gesprächsbereit, auch in dem Ausstellungsprojekt vorher, ich glaub zumindest, dass man mit ihm reden kann. Die Frage ist eben nur, in welcher Struktur findet das eben statt. Zum Beispiel die Reaktion der Spieler des HFC, die ja den Ultras sehr per sönlich gesagt haben, was sie von ih
ren Spielchen halten. Das sind wichtige Schritte, um dieser Szene, die ja teil weise sehr sehr hermetisch abgerie gelt ist, zu sagen: Es gibt auch eine Wahrnehmung von außen von euch, und die ist teilweise sehr sehr unter schiedlich zu der, die ihr selber habt. Und natürlich ist es in so einer Fan szene, die sich massiv auf diesen Ver ein bezieht, was sehr wichtiges, wenn die Spieler selber – so hilflos das teil weise auch war – sagen, wir wollen das nicht. Wir wollen nicht, dass ihr uns auf diese Art unterstützt, denn das ist keine Unterstützung. Ich denke also, dass es durch so viele verschie dene Puzzleteile möglich ist. Auf der anderen Seite gibt es aber auch andere Einflüsse. Es gibt zum Beispiel eine Fan freundschaft zu Lok Leipzig, wo klar ist, in bestimmten Auswärtssituatio nen gibt es ein gemeinsames Agieren mit Leuten aus Leipzig, von denen man sehr wohl sagen kann, dass sie nicht nur so ein bißchen rassistisch sind, sondern dass es Rechtsextreme sind. Und auch da gibt’s eben keine Distan zierung. Es gibt die Fanfreundschaft, das ist wichtig, und es ist eben nicht so wichtig zu gucken, wer sind denn die Leute eigentlich, was machen die eigentlich im Fußball und warum benutzen die Fußball, um zu versuchen, ihre rechte Propaganda los zu werden? Und auch gewalttätig bestimmte Sachen zu machen. Die Polarisierung ist ja in Leipzig viel viel schärfer durch die unterschiedlichen Fußball vereine, die es da gibt. Das ist in Halle ja viel harmloser. Aber da gibt’s eben Einflüsse, die das alles wieder konterkarieren. Da merkt man, da gibt es Freundschaften zu Leuten, mit denen sie eigentlich, wenn sie ihre Statements ernst nehmen würden von wegen »wir sind weder poli tisch noch rassistisch noch sonst
214 i rgendwas noch rechtsextrem«, über haupt nichts zu tun haben dürften. Darauf angesprochen reagieren sie auch nicht, das heißt auch da fehlt eine Auseinandersetzung. Es gibt eben zu wenig Abgrenzung zu Diskriminie rungsformen welcher Art auch immer, und das merkt man eben. Und warum machen das die Ultras? Also warum gehen die so unkritisch in so eine Gruppe? Das ist die Frage. Ich glaube, weil es im gesamten Fußballumfeld zu wenig solche Auseinandersetzungen gibt. Ich habs ja vorhin schon gesagt: Ich glaube, dass sich da über einen länge ren Zeitraum so ein rechter Main stream etabliert hat. Das hat ja auch viel mit übersteiger tem Nationalismus zu tun, überstei gerter Standortgefühle, Heimat ist un glaublich wichtig – und das sind eben alles Stichpunkte, die bei den Nazis auch wichtig sind. Da gibt es Über schneidungen und teilweise gibt es be wusste Beeinflussungen von rechten Organisationen, die versuchen, die Szene für sich zu gewinnen und zu in strumentalisieren. Teilweise gibt es da Abgrenzungen, aber teilweise gibt’s da auch Ultras, die auch im Umfeld von Nazi-Demos zu sehen sind. Könnte es nicht auch eine einfachere Erklärung dafür geben? Wenn ich mich zurück erinnere, wurde ja die Ultra-Bewegung in Halle als Familie bezeichnet. Oder es wurde gesagt, naja, eh ich zu Hause meine Fliesen zähle – ich habe 46 an der Zahl – komme ich doch hierher, ich fühl mich wohl. Mir kamen die eben immer vor wie so eine Jungsbande, die was zu sammen machen, sich wohl fühlen, die miteinander quatschen und die viel leicht auch nichts anderes haben. Wenn dann nämlich Familie kommt,
sich einer verliebt, ein Kind kommt, dann ist meistens auch eine Abnabe lung zu erkennen. Es wird vielleicht auch zuviel reininterpretiert, von we gen nationalistisch, rechtsextrem und so, weil das dann vielleicht doch nicht unbedingt der Grund ist, sondern es ist eben die Gruppe an sich, das zumFußball-gehen und Choreographien machen. Und dass das andere, was du gerade beschrieben hast, dass das erst an zweiter Stelle auftaucht? Na, das ist doch völlig klar, es geht prinzipiell um das Soziale, den Zusammenhalt, Freundschaft, also sie nennen es ja meist Kameradschaft, natürlich ist das der Hauptpunkt. Das ist vielleicht nochmal ganz wichtig zu sagen, wenn es darum geht, wie ich jetzt die Hallesche Szene einschätze: Es ist glücklicherweise so, dass rechte oder organisierte Nazis in Halle rela tiv wenig Einfluss haben. Es gibt einzelne Beispiele dafür, wo die das auch versucht haben und es teilweise auch Überschneidungen mit der Ultras-Szene gibt, aber das hält sich in ziemlich deutlichen Gren zen. Das heißt, die Ultras in Halle sind definitiv keine rechte Organisation. Das ist völlig klar. Also es ist nicht so, dass die sagen, wir sind rechts, also organisieren wir uns, gehen wir doch einfach zum F ußball. Es ist vielmehr ein Zusammenhalt, wie eine Clique, das spielt natürlich eine große Rolle, und der Verein und das zum-Fußballgehen ist natürlich der eigentliche Grund, gemeinsam Freizeit zu verbrin gen. Wenn es keinen Fußballverein gäbe, vielleicht würden sie dann zum Badminton gehen, was weiß ich. Da wo es aber problematisch wird, ist das, was wir vorher schon hatten: Dass es in dieser Szene einen Grund konsens gibt, dieses Ausgrenzen, schwarz-weiß-Denken und so. Und dass dann eben wenig Impulse aus
215 nderen Richtungen kommen. Wenn a zum Beispiel in einem Jugendclub, in dem Leute tendenziell rechts sind, die aber mit anderen zu tun haben, sich austauschen und so, dann gibt’s viel leicht auch Bewegung und die Leute sagen vielleicht: Ja stimmt, das ist alles vielleicht nicht so einfach. Da aber gibt’s ein hermetisches Abschotten nach außen. Deshalb tun sie sich ja auch so schwer mit solchen Diskussio nen. Man hat immer das Gefühl, man muss erstmal eine dicke Blase durch brechen, um überhaupt an die Leute ranzukommen, dass sie einem über haupt zuhören und sie über das, was man sagt, überhaupt nachdenken. Es gibt auch eine sehr selektive Wahrnehmung, wie Konflikte über haupt bewertet werden. Das ist das Problem, und das haben nicht die Ult ras erfunden, das gibt’s in anderen Gruppierungen auch. Aber da ist es besonders deutlich. Auch deshalb, weil Fußball eine bestimmte Funktion hat, als der populärste Sport, als Mas senereignis. Und auch wenn es sich hier um hunderte Leute handelt, oder wenn es gut läuft, um tausende, ist es ja trotzdem ein Gefühl von Stärke, von Ausdruck, von Männlichkeit, also da gibt es soziologische Studien darü ber, warum Fußball so wichtig ist für bestimmte Leute. Das führt jetzt si cher zu weit. Aber das alles zusammen führt eben dazu, dass da eine Ausein andersetzung so schwierig ist und dass es so ein ganz zäher Prozess ist, sich mit diesen L euten auseinander zu setzen. Und dazu kommen dann auch noch gesellschaftliche Prozesse, dass es in den letzten Jahren eher so eine Krisensituation gibt, Finanzkrise und steigende Arbeitslosigkeit, eine prin zipielle Perspektivlosigkeit und das findet sich da natürlich auch alles wieder. Oder die Unsicherheit darü ber, wo die Globalisierung hingeht
und so weiter. Und deshalb würde ich aus meiner Perspektive sagen, dass es ohnehin eine Verschiebung nach rechts gab, und das auch in der Halle schen Fanszene in den letzten Jahren. Und das hat viel mit den Einflüssen von außen zu tun, die dann sehr eigen interpretiert werden. Wie bewertest du das am Thalia Theater gelaufene Projekt ULTRAS, die Reaktion der Medien und der Politik? Das sind ja unterschiedliche Sachen. Das eine ist erstmal, dass ich das Projekt prinzipiell und auch im Vor feld sehr gut fand, auch den Ansatz super fand. Darüber haben wir schon gesprochen. Und ich fand die Idee, so ein Rahmenprogramm zu machen, sehr gut, und auch die Zusammenar beit, fand dann aber die Umsetzung schwierig. Bzw. die Umsetzung nicht, die war ja in Ordnung, sondern viel mehr, die Rahmenbedingungen durch diese seltsame Konstruktion der Theater GmbH so waren, dass offen sichtlich für die Sachen, die mit Förder geldern finanziert wurden und wo sich Leute ja wirklich Gedanken gemacht haben und wo sehr gute Referenten und Referentinnen da waren … Ich fand das Programm war gut, aber es gab viel zu wenig Werbung dafür. Auf mich hat es den Eindruck gemacht, als würde es ein Stück boykottiert werden, und dadurch wurde einfach viel zu wenig davon Kenntnis genom men. Die Konstruktion war ja so, dass das Rahmenprogramm vor dem eigent lichen Stück war, was aus verschiede nen Gründen auch nicht anders ging; und die Diskussion nach der Premiere ja eigentlich gezeigt haben, wie wich tig es gewesen wäre, in diesem Rahmen programm Fragen zu stellen und zu diskutieren. Genau das war ja der Hintergrund. Das ist ein großes Manko und da würde ich sagen, auch die
216 edien haben aus welchem Grund M auch immer, das viel zu wenig wahr genommen. Denn genau das, was dann öffentlich diskutiert wurde, war das, was in diesem Rahmenprogramm dis kutiert werden sollte, ohne noch mal genau zu sagen, was in dem Stück ei gentlich läuft. Man müsste vielleicht selbstkritisch fragen, ob man das Rah menprogramm vielleicht doch hätte parallel oder danach hätte laufen las sen müssen, wobei das natürlich schwierig ist, wenn die Vorstellungen laufen, sollte nicht gleichzeitig das Rahmenprogramm laufen. Da müsste man vielleicht nochmal drüber nach denken. Aber es ist eben leider nicht so angenommen worden, wie es ge dacht war. Trotzdem muss ich sagen, war es inhaltlich gut und richtig und sinnvoll. Die zweite Frage, wie ich jetzt das Stück bewerten würde, ja da hatten wir ja auch schon einige Diskussio nen. Ich war erschrocken. Ich hab mir ja die Premiere angeguckt und ein bißchen in den Wochen vorher mitbe kommen, dass die Zusammenarbeit mit den Protagonisten nicht ganz unproblematisch war. Wo, glaube ich, auch die Rolle nicht ganz klar war, so dass ich sagen würde, einige der Protagonisten haben diesen Titel »Die Bühne gehört uns« zu ernst genommen. Und kritisch aus einer Außen perspektive würde ich dann auch sa gen, es ist ihnen dabei von euch auch ein bisschen zu leicht gemacht wor den. Ich hab den Eindruck, die müs sen das auch so sehen. Und ich war eben erschrocken über das Stück an sich, weil ich es unglaublich unkri tisch fand, weil ich die Inhalte, über die dann gestitten wurde öffentlich, nicht hinnehmbar fand, zum Beispiel diese peinlichen Vergleiche mit dem Zigeunerschnitzel, also Juden-JenaRufe sind deswegen okay, weil man
sich ja auch nicht aufregt, wenn auf einer Speisekarte ›Zigeunerschnitzel‹ steht. Und es sind ganz viele Sachen angebracht worden, wo ich den Ein druck hatte, da fand keine Auseinan dersetzung statt im Stück. Und des halb fand ich zum Beispiel auch den Bericht, den es in der MZ gab und der die öffentliche Diskussion so angekur belt hat, richtig. Den hätte ich an die sem Tag komplett unterschrieben. Das war genau mein Eindruck, auch ich bin aus dem Stück raus, hatte einen Kloß im Hals und dachte, das kann doch nicht wahr sein, das ist nicht das Stück, was ich mir vorgestellt habe. Ich hatte gehofft, dass es in der Ent wicklung des Stückes das gibt, wor über wir gerade gesprochen haben, also eine stärkere Auseinandersetzung darüber, warum es eigentlich Vor würfe von außen gibt, wie die Ultras eigentlich so agieren und so weiter. Ich hatte den Eindruck, dass haben die Protagonisten überhaupt nicht umgesetzt, so wie sie das Stück ja zum großen Teil mitbestimmt haben. Und ich hatte den Eindruck, dass offenbar auch der Regisseur des Stücks Dirk Laucke zu naiv war. Das war mein Eindruck an dem Tag. Und noch ein gewichtiger Eindruck, weil ja auch die Frage war, wie ich das Verhalten der Medien fand und der Politik: Ich hatte den Eindruck, dass ich bei der Premi ere einer von relativ wenigen Leuten war, die so einen Kloß im Hals hatten. Es war tolle Stimmung, auch bei Frau Szabados zum Beispiel, die dann später eine der größten Kritikerinnen war in der Woche danach, saß klat schend drei Reihen vor mir und hat, während das Stück lief, nicht das Ge fühl vermittelt, dass sie da irgendwas als störend empfindet. Auch danach, es gab ja eine Premierenfeier, war noch eitel Sonnenschein, alle waren froh, die Protagonisten und ihr Um
217 feld waren überdreht, das kann ich verstehen, das ist ja das normalste von der Welt. Die Lokalpolitik hätte aller dings durchaus etwas differenzierter das Stück beurteilen können. Da fand ich zum Beispiel diese kurze Rede von Schädlich bemerkenswert. Der hat ge sagt, tolles Stück, Glückwunsch an euch, dass ihr das geschafft habt, und das war es ja auch wirklich, ich glaub, es war wirklich bemerkenswert, das zu schaffen, die zu so einer Inszenie rung zu bringen. Aber, so ungefähr hat er das gesagt, es gab auch Sachen, die sind so nicht hinnehmbar. Ich weiß es nicht mehr wortgenau, aber er hat es jedenfalls geschafft, in dieser Eu phorie, die da herrschte, zu sagen, da ist was gelaufen, was nicht in Ord nung war. Das fand ich bemerkens wert, das fand ich wichtig als Signal. Andere kritische Stimmen hab ich da nicht mitbekommen. Also, ich war schockiert, wirklich. Ich war dann ja erstmal weg für ein paar Tage und hab die Aufregung nur von außen mit bekommen und fand das wie gesagt berechtigt, aber auch viel zu einfach. Also zum Beispiel fand ich es völlig absurd, eine Absetzung des Stücks zu fordern, und noch viel absurder, eine Kündigung von Frau Hahn, der Inten dantin zu fordern. Ich kann ja ein Stück kritisieren und auch sagen, ich finde es nicht gelungen, aber man muss ja auseinanderhalten, was wir als Verein gemacht haben und auch ich persönlich: Ich fand den Versuch auch nach der Premiere richtig, ich fand es richtig, das Stück zu machen. Ich fand es schlecht umgesetzt, aber das ist eine andere Geschichte. Aber es war vollkommen klar, dass es ein richtiger und ernst gemeinter Versuch war. Es gab ja die strategische Ent scheidung, die Publikumsdiskussion bei der Premiere wegzulassen, und das war ein Fehler. Ich denke, es wäre
sehr wichtig gewesen. Es gab einige Leute, bei denen ich es auch gesehen habe und von denen ich es danach auch gehört habe, dass sie diesen Kloß im Hals hatten. Das zu artikulieren wäre mir wichtig gewesen. Das ging in dieser Situation nicht, weil da auch diese Euphorie war, super-Stück, toll und wir haben hier was geschafft und so, was ich für die Protagonisten wirklich nachvollziehen kann, das ist überhaupt keine Kritik. Aber ich glaube, dass sie sich das auch an diesem Tag schon hätten anhören müssen, und das wäre besser gewesen. Das sagen die ja auch selbst inzwischen. Um es mal zu erklären: Eine Premiere ist immer was ganz besonderes, da herrscht eine ganz besondere Stim mung, man ist ganz besonders auf geregt und ist dann einfach nur froh, wenn man es geschafft hat. Und danach wollte man nur noch feiern. Ja, das kann ich total nachvollziehen. Und dass das ein Fehler war, haben wir mittlerweile auch gesagt. Es war blöd, dass wir es nicht gemacht haben. Die Diskussion kochte ja dann ziem lich hoch. Inhaltlich hatte man dann auch schnell wieder das Gefühl, es wird überhaupt nicht über das Stück an sich diskutiert, sondern es wird versucht, schmutzige Wäsche zu waschen. Und das finde ich immer ab surd, so Sachen durcheinander zu schmeißen. Eine inhaltliche Kritik an dem Stück fand ich absolut berech tigt, eine Kritik an der Intendanz oder an der Idee des Projekts an sich fand ich unsinnig, denn die war unsachlich, so wie sie formuliert wurde. Ich fand es dann auch ganz gut, wie ihr als Theater reagiert habt, mit einer relativ klaren Öffentlichkeit eben und auch damit, dass bis zur letzten Vorstellung dann die Publikumsdiskussionen da
218 waren, auch mit VertreterInnen von euch, also das fand ich gut. Ich hab mir dann auch das Stück nochmal angeguckt, bei der letzten Vorstellung und dann auch mit der Diskussion. Da fand ich es dann auch ein biß chen differenzierter, und war mir dann insgesamt sehr unsicher: Die Vorwürfe von der Premiere fand ich immer noch berechtigt, aber ich hatte den Eindruck, es ist trotzdem ein richtiger Versuch gewesen. Und auch rückblickend würde ich sagen, das Ganze, und eben auch das Stück selbst, war ein richti ger Versuch. Ich denke, bei einer ver gleichbaren Konstellation müsste man sich nochmal genauer Gedanken dar über machen, was man eigentlich will und was man nicht will. Vielleicht ist das zu wenig gemacht worden, aber da hab ich auch die internen Diskussi onen nicht mitbekommen, auch den Entstehungsprozess des Stücks nicht. Im Nachhinein wurden ja einige der Probleme in den Diskussionen auch schon klar, auch das angespannte Ver hältnis dann zwischen dem Regisseur und den Protagonisten teilweise. Da hätte man vielleicht schon eher sagen müssen, nee, so kann es nicht gehen. Wir haben ja vorher schon drüber ge sprochen, was Ultras sind. Dass die also so eine hermetisch abgeriegelte Gruppe sind und dass man da nicht so einfach rein kommt. Ein Stück mit d enen zu entwickeln, in dem man dann zeigt, dass die alles verarbeitet haben und da dann politisch korrekte Sachen von sich geben, das ist eben unrealistisch. Ja, das ist unrealistisch, das ist klar. Und Dirk Laucke hatte eben den Anspruch zu zeigen, wie die wirklich sind. Und dass man da einen Kloß im Hals hat, wenn auch noch der ganze Saal lacht und klatscht, das kann ich auch gut verstehen.
Klar, das ist auch so. Aber es gibt auch ein Argument dagegen: Wenn ich mir die Ultras angucken will, wie sie wirk lich sind, dann kann ich ins Stadion gehen, da muss ich nicht ins Theater gehen. Das finde ich nachvollziehbar. Aber das ist eine Diskussion über Sinn und Unsinn des Theaters. Eigentlich muss Theater einen künstlerischen Umgang damit finden. Das war es ja natürlich auch, es war eine Inszenie rung, es gab ein Bühnenbild und so. Aber nicht jeder geht ins Stadion. Ich als Frau dürfte da zum Beispiel gar nicht stehen im Ultras-Block. Ja, da ist was dran. Aber ich fand es nachvollziehbar zum Teil, dieses Argument, auch weil ich das Gefühl hatte, die haben diesen Titel zu ernst genommen. Das kann man jetzt in so einem Interview auch nicht erschöp fend machen, aber einen Punkt würde ich schon gern drin haben: Ich glaub, dass teilweise die Kritik zu einfach war. Also nur zu sagen, die spielen sich ja selbst, ist ja scheiße, was soll ten sie denn auch sonst spielen? Und natürlich, das ist mir klar, hätte man auch in so einem Entstehungsprozess nicht so eine Reflexion erwarten kön nen, das wäre unrealistisch. Auf der anderen Seite: Du hast ja vorhin den Vergleich gebracht zu »Silberhöhe gibt’s nicht mehr« oder »Opferpopp«, was ja ein Stückweit vergleichbar ist. Da ist das passiert, dass in der Insze nierung Leute sich miteinander kon frontieren mussten, von einander was lernen mussten. Das war vielleicht der Fehler, dass es hier so eine UltrasGruppe gab, die dann doch ein recht homogener Haufen war. Man hätte vielleicht verschiedene Ultras nehmen sollen. Das hätte sicher zu anderen Ergebnis sen geführt. Also zu sagen, Magde burg-Fans sind auch Menschen, die
219 mögen ihren Verein, ich mag meinen, ich muss die deswegen nicht mögen und die mich auch nicht, aber dass diese Freund-Feind-Konstellation total peinlich ist, das hätte man den Leuten vielleicht vermitteln können. Die Frage ist nur, ob dann irgendwas dabei herausgekommen wäre. Ich würde sagen nein. Vier oder fünf ver schiedene Ultras aus verschiedenen Städten, das wäre ja auch am Auf wand gescheitert, und deshalb sind das alles theoretische Ideen, wie man da hätte was anders machen können Ich glaub, da gibt’s einiges, und ich bleib auch bei der berechtigten Kritik an der Umsetzung, aber wichtig ist eben auch noch mal und darum muss man das auch deutlich sagen: Das überhaupt zu machen und auch den Mut zu haben, so ein Thema auch mal anders anzugehen als diese üblichen Reaktionsmuster – es gibt ein Prob lem, wir suchen Schuldige und wenn die nicht gefunden werden, dann su chen wir den nächsten und außerdem haben wir es in zwei Wochen sowieso vergessen – hier fand ich gut, dass das Theater versucht hat, das zu durch brechen. Und deswegen würde ich es insgesamt auch als positiv bewerten. Aber trotzdem sind da die Schwie rigkeiten mit der Umsetzung, aber auch die mit dem Rahmenprogramm, es hat also vieles nicht gestimmt in dem Gesamtkonstrukt. Aber auf der anderen Seite haben wir ja vorhin auch gesagt, wie vielschich tig das Ganze ist. Es gibt zu wenig wissenschaftliche Untersuchungen dazu, es gibt zu wenig Diskussionen, und wir als Theater haben uns dann auch irgendwann im Stich gelassen gefühlt, seitens der Politik, aber auch seitens der Medien. Wo ich dann auch ganz klar sagen muss: Politik und Medien haben die Chance einer
inhaltlichen und thematischen Aus einandersetzung verpasst. Irgendwann hat Frau Hahn ja auch gesagt, wir spielen den Ball ab und warten auf die Politik und so, und es gab überhaupt keinerlei Reaktion drauf. Wo ich dann sage, okay, wir sind jetzt nicht das nonplusultra, wir haben auch nicht das Geheimrezept, wir wollten was an stoßen, wollten das Thema vom Stadion auf die Bühne heben. Ich weiß nicht, wie du das siehst, haben Politik und Medien eine Chance verpasst oder nicht, sich zumindest in der Region Halle damit auseinander zu setzen? Es war ja immer Thema im Präventions rat, und dass man sich dann einfach so zurück gezogen hat und gesagt hat, wir wollen, dass das Stück abgesetzt oder geändert wird, oder man sich nochmal hinstellt und es für das Pub likum sagt, das ja dumm ist und nicht weiß, was dokumentarisches Theater ist, also man nochmal ein Schild hoch hält und sagt, Achtung liebes Publi kum, das hier ist dokumentarisches Theater – also das waren ja so Sachen, die sie von uns abgefordert haben. Es ist schwierig, ich habs ja gesagt: Ich fand diese Verharmlosung im Stück auch unerträglich. Ich finde auch den Besuch in einem Konzentrationslager unerträglich. Trotzdem mache ich es, weil ich denke, es ist Teil einer Aus einandersetzung. Insofern ist immer die Frage, mit welchen Erwartungen man ran geht. Fakt ist, dass ein Verbot oder ein Absetzen natürlich über haupt nichts bringt. Das hätte oder es hat ja auch die ganzen Klischees eher wieder bestätigt. Es ist immer die Suche nach möglichst einfachen Lösun gen. Die es aber eben in so einem komplexen Problem nicht gibt. Und das hat ja das Stück gezeigt. Und das ist ja auch ein SuperSchlusswort.
220 spieler
Dank
Martin Klement Robert »Oberröblingen« Hübner Tom Bergmann Christoph »Chrille« Achilles Robert »Börti« Schütz Marcel Batke Steffen »Pansen« Panse Enrico »Roco« Siol Matthias »Matze« Baumgarten Steven »Billy Scheithauer« Michl
Unser Dank gilt in erster Linie den Spielern, die den Mut und die Kraft bewiesen haben, sowohl die d iskussionsreiche und zeitaufwändige Probenzeit als auch die turbulente Aufführungszeit durchzustehen.
Team Buch & Regie . . . . Dirk Laucke Dramaturgie . . . . Patricia Nickel-Dönicke Bühne & Kostüm . . . . Simone Wildt Musik . . . . Timm Völker Video . . . . Stephan Busch/Dirk Laucke Schauspielcoach . . . . Richard Barrenberg Inspizienz . . . . Andreas Pietrek Regieassistenz . . . . Matthias Hlady Ausstattungsassistenz . . . . Ulrike Dassé Produktionspraktikant . . . . Stephan Busch Projektleitung . . . . Kathrin Westphal Technische Leitung . . . . Daniel Schreiner Technische Einrichtung . . . . Thomas Koch Beleuchtung . . . . Henryk Drewniok Ton . . . . Sven Ziegler Ankleider . . . . Sonja Bach, Bettina Thalmann Maske . . . . Heidi Lange, Antje Noch, Ines Dönicke-Wätzold Requisite . . . . Susanne Schaub, Peter Degen Kuratoren des Rahmenprogramms: Anett Krause, Torsten Hahnel, Kathrin Westphal
Wir bedanken uns bei Ronny K auffmann, der nach verletzungsbedingtem Ausfall von „Roco“ k urzfristig eingesprungen ist und eine Vorstellung gesichert hat. Ein besonderer Dank geht an den HFC-Präsidenten Dr. Michael Schädlich, den Vizepräsidenten Jörg Sitte sowie an Julia Sitte für deren offenes Engagement und die wertvolle Unterstützung in a llen Phasen des Projektes. Unser Dank gilt den Kuratoren des Rahmenprogramms Anett Krause, Torsten Hahnel und Kathrin Westphal. Für die mühsame Transkription der Interviews d anken wir Anett Krause, Cora Hegewald, F ranziska Stephan und Matthias Westphal. Matthias Hlady und Steven Michl danken wir für die vielen G eschichten und ihre Liebe für’s Details in Sachen Fußball. Steven Michl danken wir a ußerdem für seinen Mut, als FCM-Fan mit neun Ultras vom HFC auf der Bühne zu stehen. Ein Dank gebührt all den Institutionen und Personen, die das P rojekt finanziell oder ideell unterstützt haben, allen voran der Kulturstiftung des Bundes, dem Halleschen Fußballclub e.V. – HFC, der Stadtwerke GmbH, Steffen Kluge vom Fanprojekt Halle, T orsten Hahnel vom Verein M iteinander e.V., dem Verein W erkleitz e.V., Wolfgang Burkart und Torsten Raab vom PuschKino und Matthias Golinski vom TanzKlub Drushba. Ganz besonders danken wir Thomas Kupfer von Radio Corax, der uns beim Aufkommen der Idee für dieses Projekt mit seinem fachlich äußerst breitem Wissen über Fußball in langen Gesprächen beraten hat. Sein so plötzlicher Tod hat uns alle sehr e rschüttert.
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Gefördert im Fonds Heimspiel der
Herausgeber Theater Oper und Orchester GmbH, Thalia Theater Halle, Intendantin: Annegret Hahn Redaktion & Konzeption Kathrin Westphal Lektorat Anett Krause
Mit freundlicher Unterstützung der
Interviews Kathrin Westphal Transkription Interviews Anett Krause, Cora Hegewald, Franziska Stephan, Matthias Westphal Fotos Gerd Kiermeyer und Thalia Theater Halle Zeichnungen Neue Gestaltung GmbH, Sebastian Schichel Visuelle Konzeption Neue Gestaltung GmbH, Pit Stenkhoff, Nina Odzinieks Druck Brandenburgische Universitätsdruckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH, Auflage: 1000 Theater Oper und Orchester GmbH, Thalia Theater Halle, Universitätsring 24, 06108 Halle/Saale www.buehnen-halle.de ISBN 3-9810362-5-5
In Kooperation mit
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»Am Thalia Theater Halle ist eine Stückentwicklung über die FußballFanszene an Vorwürfen des Antisemitismus und politischer Inkorrektheit gescheitert.« Theater der Zeit, November 2009
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