nullachtsechzehn 3/2011

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nullachtsechzehn.at

Nummer 2011 03

Gratiszeitung fĂźr Kunst und Kultur

Š Gerry Jindra/Fuss by Chilli Wasabi

nullachtsechzehn

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picapica Gerhard ABA A schene Leich Schattenboxen Faust


2/Kolumne

08/16 Das Team

03/2011/nullachtsechzehn.at

Ein garstiges x für garstige szenen Unserer Kinder wegen sollten statt Filme eher Nachrichten mit einem X gekennzeichnet sein.

Geschafft! Nach ­ Monaten harter Arbeit und ei­ ner gesunden Portion Idealismus ist es uns doch gelungen, die hier vorliegende dritte Aus­ gabe der Gratiszeitung für Kunst und Kultur, 08/16, zu finanzieren bzw. herauszubringen. Dem fulminanten Start im September und im Oktober 2010 folgten ­ leider schwierigere Zeiten, in denen es nicht möglich war, den geplanten monat­ lichen Erscheinungs­ rhythmus zu halten. Dies hatte verschiedenste Gründe, vor allem aber lag es an den fehlenden finan­ ziellen Mitteln für den Druck. Umso mehr ­ möchten wir daher all jenen danken, die 08/16 trotz der zum Teil widrigen Umstände bzw. des Nicht­ ­ erscheinens der letzten Monate das Vertrauen schenkten und die Nr. 3 somit ermöglichten. Aber auch das tolle Feedback unserer Leser und Lese­ rinnen hat uns ­ beflügelt und das Seine dazu bei­ getragen. Aus diesem Grund arbeiten wir auch schon an der Planung der vierten Ausgabe, die noch im Spätsommer erscheinen soll. Wer uns dabei unterstützen möchte – ob ­ ­ finanziell oder als Autor bzw. Ideengeber –, kann dies gerne tun; es würde unser Vorhaben enorm erleichtern. ­ redaktion@nullachtsechzehn.at

Heinz Conrads war ein toller Gastgeber. Es ist schon eine Weile her, dass sein legendärer Gruß „Guten Abend die Damen, guten Abend die Herren, griaß eich die Madln, servas die Buam“ erklang. Dann wurde launig unterhalten, es wurden Gäste begrüßt, es wurde getratscht, gesungen, Herr ­Conrads sang selbst noch ein Lied, und wenn er die Gewissheit erlangt hatte, dass alle ausreichend lieb gehabt wurden und vor allem auch ihn alle lieb hatten, war die Sendung wieder aus. Es floss viel Wasser die blaue Donau hinab seit dieser seligen Zeit. Das Land aber fläzt noch immer in einer Art Endlosschleife im Fernsehsessel und sieht im ORF immer noch Heinz Conrads. Am Donnerstag darf es am Abend dann kritisch-humorvoll sein, es lebe wieder auf der Hofnarr. Der Bildungsauftrag des ORF ist also gleichzeitig mit der Existenz von Conrads hinterher in Frage zu stellen. Jetzt ist es wohl nicht viel schlechter, aber dank eines kleinen Kästchens, ohne welches man den Staatsfunk gar nicht empfangen kann, erübrigt sich die Entscheidung, ob ORF geschaut wird oder nicht. Es ist anzunehmen, dass es nun erlaubt ist, ein Fernsehgerät zu besitzen und trotzdem keine Fernsehgebühren bezahlen zu müssen, sollte die österreichische Gesetzgebung Grundregeln der Logik befolgen. Wie die Beweislage tatsächlich ist, weiß ich nicht, es ist zu befürchten, dass vom Fernseh­ gerätbesitzer bewiesen werden muss, kein Empfangsgerät zu besitzen, wie immer das funktionieren soll. Ein Hoch der Hausdurchsuchung. Soll alles sein, muss man ja nicht aufdrehen. Einen Vorschlag habe ich dennoch mit Nachdruck anzubringen, aus Sorge um die Zukunft - nicht des Landes, soweit

bin ich noch nicht, nein, ich mache mir vor allem erstmal um dessen Gegenwart Sorgen, um die geschätzten Kinder und Jugendlichen: Vor Jahren wurde – gut gemeint – begonnen, Filme mit garstigen Szenen mit einem X zu versehen, damit die Kinder

sich so etwas nicht ansehen. (Damit die Kinder prahlen können, dass sie schon wieder einen Film mit X haben schauen dürfen.) Der Schuss ging, glaube ich, nicht einmal in eine falsche Richtung los, sondern verpuffte im Nirgendwo. Ich würde aber weniger die Filme mit den Kindern nicht zumutbaren Inhalten kennzeichnen, die bekommen sie schon woanders zu sehen, wenn sie das wollen. Ich würde große Teile der Nachrichten mit einem X versehen. Predigen wir unseren Kindern nicht beinahe jeden Tag, was sie nicht tun sollen und ­dürfen? Dass zum Beispiel Lügen verboten ist? Und Stehlen? Halten wir unsere Kinder nicht zur Solidarität an mit Schwächeren und Benachteiligten? Zu Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein? Bekommen sie anhand des österreichischen Staatsglaubens nicht zehn Gebote um die Ohren gefegt, deren Nichteinhaltung im Beichtstuhl gestanden werden sollte? Genau so geht es ihnen. In den Nachrichten, sollte jemand die Serie konsequent verfolgen, wird präsentiert, wie mit dem Brechen all dieser Eigenschaften sogar eine Menge Geld verdient wird und wie der Begriff „Verantwortung“ ad absurdum geführt wird. Eine Absolution kriegt man schon irgendwo her, und wenn nicht, auch wurscht. Also: Versehen wir die Nachrichten doch mit einem X. Die Kinder können ja auch mit diesem X ein wenig angeben, wenn sie trotzdem schauen dürfen. Die Nachrichten an sich können ja nichts für die Inhalte ihrer Sendungen, das muss man schon festhalten. Aber es macht vielleicht die Politik ein klein wenig attraktiver, wenn sie, wenn schon sonst nicht viel, wenigstens ein bisschen verboten ist. Kolumne von Walter Schaidinger

Impressum: Herausgeber: Kunst- & Kulturverein ebenedrei - www.ebenedrei.at bzw. www.nullachtsechzehn.at, 1160 Wien, Neulerchenfelder Straße 6-8, Atelier 8; Kontakt: redaktion@nullachtsechzehn.at; Tel.: +43.681.206.56.849; Verlagsleitung: Maximilian Kager; Chefredaktion: Ralf Peter; Redaktion: Sonja Tollinger, Pio, Armin Pecher, Alexander Svojtko, Martin Nechwetal, Martin Bart; Fotos/Fotoredaktion: Gerhard Aba, Gerry Jindra, u.a.; Gestaltung/Produktion: Gerry Jindra; Druck/Litho: REMAprint, Neulerchenfelder Straße 35, 1160 Wien; Erscheinungsweise: 6-mal jährlich. Der Nachdruck von Artikeln und Fotos ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Kunst- & Kulturverein ebenedrei gestattet.


3/Veranstaltung

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Fesch´markt – zweimal so Fesch Am 19. Juni war es wieder – bereits zum zweiten Mal – so weit: Der Fesch'Markt, das Flaggschiff der Initiative Fesch, öffnete seine Pforten in der Ottakringer Brauerei. Rund 70 Jungdesigner und Künstler stellten dabei ihre Werke aus. mat in nähe der Brauerei war geplündert. All jene, die selbst kreativ tätig sein wollten, begaben sich in die Workshop Area, wo sie sich mit Töpfern, Polaroid und Siebdruck beschäftigen konnten. Für Ruhesuchende war das Fesch'Markt-Kino des Filmarchivs Austria. Vorgeführt wurden Stummfilme aus den 1920er Jahren – etwa von Charly Chaplin & Co. Den Veranstaltern ist aber auch die lange Verweildauer der Besucher positiv aufgefallen. Dies führen sie vor allem auf die gute Atmosphäre, die Location selbst und die Hungerzone zurück, die begeistert aufgenommen worden sei. Mit Steckerlfisch, Krabbenbrötchen und Bio-Eis war auch bestens für das leibliche Wohl gesorgt. Neu war auch die Afterparty in der Ottakringer Brauerei. Ab 20 Uhr konnten die Gäste des Fesch'Markts bei freiem Eintritt sich den Beats des DJ Roulettes – Bernhard Tobola (Tingel Tangel), Tiga Lily (Cirque Rouge), le Kid (topform, Susi Klub), laminat (Schönbrunner Techno), felix.fuhrberg (f.u.c. berlin, koffiklub) – hingeben. Die Fesch-Crew ist überzeugt, mit diesem Projekt, den richtigen Mix aus Verkaufsveranstaltung und Freizeitevent gefunden zu haben. www.feschmarkt.at

© Feschmarkt Katrin Hofmann

Am 19. Juni war es wieder so weit: Nach dem erfolgreichen Start im Oktober 2010 öffnete der Kunst und Designmarkt nun unter dem Namen »Fesch'Markt«, zum zweiten Mal seine Pforten in der Ottakringer Brauerei. Rund 70 Jungdesigner und Künstler bekamen hier die Möglichkeit sich und ihre Werke zu präsentieren, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und im besten Fall auch noch etwas zu verkaufen. Darunter waren Künstler wie Mark Mayer, Oliver Christl, Scott Malcom, Taping mit SvenX, Marek Firek und Beata Heltman, mediaapparat mit einer LivePerformance sowie die Installationen von Textile Texte. Besonders der eigens zugehäkelte vintage Mini Cooper war der gelungene Wegweiser zum Fesch'Markt. »Wir möchten jungen Ideen unabhängig von ihrer Herkunft eine Chance geben. Deshalb finden sich Absolventen von Kunsthochschulen direkt neben Amateuren und Autodidakten. Denn es geht uns um die Liebe zum kreativen und handwerklichen Prozess - und um alles, was daraus erwächst«, erläutert Katrin Hofmann von Fesch die Idee. Der grosse Besucherandrang und das durchwegs positive Feedback scheint ihr recht zu geben. Im Marktbereich herrschte reges Treiben sowohl bei den Ausstellern, ihre Kreationen erklärten und verkauften, als auch bei den Besuchern. Manche von ihnen seien nach Hause gefahren, um Geldnachschub zu holen, berichtet das Fesch-Team. Gerüchten zu folge dauerte es nicht lange und Geldauto-

Ein Mini in ungewöhnlicher Aufmachung war der Eyecatcher des zweiten Fesch´Markts.

Text: Martin Bart

ins_08_16_ebene_drei.pxd_ins_08_16_ebene_drei 27.06.11 17:13 Seite 1

www.wienenergie.at/fernwaerme


4/Treffpunkt

03/2011/nullachtsechzehn.at

,Nicht funktionieren müssen' im Mo.ë Valerie Bosse, Christoph Hoffmann, Max Bogner und Hanna Menne vom Verein picapica am Standort mo.ë geht es darum, Künstler unterschiedlicher Disziplinen zusammenzuführen und die Basis für interdisziplinäre Arbeit zu schaffen.

etwas gehört hat. Der erste Eindruck dieses Stilllebens ist, dass hier Brücken geschlagen werden. Dieser Eindruck soll sich im Laufe des Gesprächs noch weiter erhärten. Der Fokus – Konzept und Vision Interdisziplinäre Zusammenarbeit steht im Mittelpunkt der Arbeit der Initiative. Der Raum bietet den formellen, wenn auch nicht formalen Rahmen, innerhalb dessen die Grenzen zwischen bildnerischer Kunst und Musik, Philosophie und Wissenschaft verschwimmen. Es wird ein Angebot erbracht, ein Konglomerat unterschiedlichster Medien erstellt, um den BesucherInnen die Möglichkeit der Wahl zu bieten, mit welcher Form von Kunst, von Gedanken sie sich auseinandersetzen, von welchen Medien sie sich inspirieren lassen, in welcher Form sie partizipieren (oder auch nicht). Die BesucherInnen werden nicht als Konsumenten wahrgenommen. Es besteht kein Zwang, weder zur Partizipation noch zur Konsumation, es gibt nur Möglichkeiten. Dabei sind passive Zuschauer genauso willkommen wie jene Menschen, die sich aktiv einbringen möchten.

Einen Katzensprung westlich vom Gürtel liegen die Schaltzentrale, die Veranstaltungshalle und das Herz des Vereins picapica am Standort mo.ë. Wir betreten die Räume, die dieser außergewöhnlichen Initiative ein Zuhause bieten, durch die Einfahrt einer alten Mietskaserne und treffen uns mit Valerie Bosse, Christoph Hoffmann und Max Bogner, die gemeinsam mit Hanna Menne zum innersten Kern dieses Projektes zählen, um uns über Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, Konzept und Vision sowie den politischen Anspruch des Vereines zu unterhalten. Wir sitzen im glasüberdachten Innenhof an einer alten Schulbank, auf der diverse Produkte eines Elektronikherstellers (mit dem Obst in seinem Logo) liegen, und trinken tschechisches Bier einer Marke, von der hierzulande noch kein Mensch

Geschichte – Vergangenheit – Wurzeln Hanna Menne und Valerie Bosse trafen sich vor einigen Jahren in New York, um im Rahmen der dortigen Künstlerszene ihre Zusammenarbeit zu begründen. Inspiriert von der Energie und dem Fluss der Kreativität der Menschen, in deren Kreis sie sich bewegten, beschlossen sie, ein Stück dieser Atmosphäre in ihre Heimat Wien mitzubringen. Durch glückliche Fügung fanden sich dann auch die Räumlichkeiten, die heute den Verein beherbergen. Sie beschlossen, die damals leer stehenden Gemäuer wieder zu aktivieren, für elektrischen Strom zu sorgen und aus der damaligen Ruine eine Oase der Kreativität und Inspiration zu schaffen, in deren Rahmen die eingangs erwähnte interdisziplinäre Zusammenarbeit wie auch Konfrontation heute rege und produktiv stattfinden. Der Ort wurde mo.ë benannt. Von der ersten Inspektion bis zur Eröffnungsausstellung im Mai vorigen Jahres dauerte es ein halbes Jahr. In dieser Zeit stießen immer mehr aktive und kreative Köpfe zu der Gruppe und verließen sie auch wieder. Die Fluktuation der Ideen trägt sicher viel zum Charakter und Charme dieses Vereins bei. In langen Diskussionen


5/Treffpunkt

wurden Konzepte erörtert, scheinbar Unvereinbares unter einen Hut gebracht und natürlich renoviert. Den Fragen des Umgangs mit dem Raum und mit der Geschichte wurden in dieser ersten Phase viel Gewicht beigemessen. Die Geschichte des Ortes wird in dem Buch »Die Ewigkeitsgasse« von Frederic Morton erzählt. Eine Geschichte von Vertreibung, Arisierung und Restitution, deren Echos von den Wänden der alten Werkstatt widerhallen, erzählt von jenem Mann, an den der ehemalige Betrieb restituiert wurde. Bisherige Veranstaltungen kann man grob in zwei Kategorien einteilen, nämlich solche, die vom Verein picapica selbst kuratiert wurden, und jene, wo man mo.ë anderen Veranstaltern zur Verfügung gestellt hat. Dabei wurde immer Bedacht auf die Einhaltung des interdisziplinären Konzeptes gelegt. Der Erfolg gibt der Gruppe recht. Die Initiative kommt bis dato ohne offizielle Förderungen aus. Aus unserer Sicht ist das bemerkenswert, verdient Lob und Anerkennung und gibt dem Verein und dessen Veranstaltungen eine Glaubwürdigkeit und Legitimität, von der anderen Aktionen, die oberflächlich betrachtet auf ähnlichen Säulen basieren, nur träumen können.

ist als die Summe seiner Einzelteile. Max Bogner erwähnt als vergleichendes Beispiel das Netzwerk, das sich Anfang der 1990er um die amerikanische Band Sonic Youth gebildet hat. Assoziationen zu Andy Warhols Factory liegt hier auch nicht fern. Videoprojektionen, Exponate, Musik, Musik, Musik und Workshops, geplante Filmscreenings, all das weckt beim interessierten Interviewer Erinnerungen an die 1960er/70er, an Velvet Underground, an avantgardistische Subkultur und den Anspruch, nicht auf Biegen und Brechen anders sein zu wollen, sondern aus dem Kern heraus eigenständig zu sein. Das Adjektiv »visionär« liegt nicht weit. Chaos ebenso. Das Gesamtbild entsteht, die Veranstaltung entwickelt sich. »Das Medium ist die kreative Arbeit. Musik, Theater, Tanz, bildnerische Kunst. Das ist alles eins.« Die Feinheiten der einzelnen Elemente können selektiv wahrgenommen werden. Ein Brückenschlag zwischen rotem Faden und Überforderung. Der Prozess ist nicht abgeschlossen. »Der Punkt von Kunst ist, dass sie ein Entwicklungsprozess ist.« Dieser findet auch im Ausnutzen der Gegebenheiten Ausdruck.

Gegenwart - Der Kolektivakt Max Bogner, Kurator des Vereines für den Bereich Musik und selbst aktiver Gitarrist, kuratiert diese regelmäßige Veranstaltung. Gegen die Bezeichnung »Musikveranstaltung« wehrt er sich jedoch vehement. Der Fokus dieser Veranstaltung liegt laut Bogner auch hier wieder im ­interdisziplinären Networking. »Es geht darum, dass Künstler unterschiedlichster Disziplinen zusammenkommen und die Basis für interdisziplinäre Zusammenarbeit schaffen«, erzählt er uns. Wieder finden im Raum unterschiedlichste Kunstrichtungen ihren Platz und bilden als Gesamtes ein Konglomerat, das mehr

Nahe Zukunft – Brave new World Im Herbst wird im mo.ë ein mehrtägiger ­Kongress stattfinden, in dessen Brennpunkt die Auseinander­setzung mit dem Thema Utopie und deren Kritik, wie sie in Aldous Huxleys Roman »Brave New World« erörtert wird, stehen soll. Das Spannungsfeld zwischen Mensch und ­Technologie sowie die Frage »Wieviel Utopie braucht der Mensch eigentlich?« werden in Form von Vorträgen teilweise namhafter Wissenschaftler wie Konrad Paul Liessmann ebenso angeboten wie die Möglichkeit, sein iPhone auslesen zu lassen. Eingebettet in das Konzept einer freien Akademie wird vom ersten Augenblick auf die Möglichkeit der haptischen Interaktion Wert gelegt. Christoph

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Hoffmann erzählt uns auf die Frage, ob denn das Konzept dieses Kongresses nicht zu zu elitär sei, dass bei der Planung und Gestaltung Schnittstellen zur Interaktion nie aus den Augen gelassen werden. Dass Kunst und Philosophie im Allgemeinen das Problem haben, zu avantgardistisch zu sein, dessen sei man sich bewusst, und man achte sehr genau darauf, auch Besuchern ohne akademischen Background Berührungspunkte zu liefern. Hier ist die Message nicht Selbstzweck, sondern Inhalt, dessen Medium aktiven Charakter hat, um auch wahrgenommen zu werden. Der Mensch steht im Mittelpunkt. Der politische Anspruch Valerie Bosse: »Unser politscher Anspruch bleibt unausgesprochen, besteht jedoch im Wesentlichen darin, uns nicht den wirtschaftlichen Strukturen, die sich im Laufe der letzten Jahre entwickelt haben, zu fügen.« Menne und Bosse sind geprägt von dem Gegensatz, der sich in New York zum einen ergab aus ihrer Arbeitssituation an angesehenen Kulturforschungsinstituten in Manhattan, wo sie unter hochprofessionellen und formalen Gegebenheiten ihren Berufen nachgingen, und

zum anderen aus ihrer Wohnsituation in einer LoftWohngemeinschaft in Brooklyn, die von Künstlern bewohnt, bespielt und belebt wurde. Dort wurde, wie eingangs erwähnt, auch die Idee zu der nun bestehenden Initiative in Wien geboren. Ausprobieren können, Freiraum, sich nicht eingliedern und vor allem nicht funktionieren müssen sind die Schlagworte, in denen sich der politische Anspruch von picapica/mo.ë manifestiert, jedoch ohne ein gedrucktes Manifest zu haben. Anarchistisch? »Gar nicht anarchistisch. Vielleicht chaotisch, Strukturen selber im Zuge eines Prozesses erarbeiten und nicht Bestehendes nutzen, nicht zu denken aufhören«, sagt uns Valerie Bosse. Inwieweit besteht der Anspruch, die Gesellschaft zu verändern? »Ich denke, dass das automatisch passiert, einfach weil wir eine offene Gruppe sind, weil Menschen herkommen, weil wir nach außen ­kommunizieren. Den Anspruch, die Gesellschaft zu verändern, stellen wir nicht, wir sind ja keine 16 mehr. Kleine Schritte passieren nichtsdestotrotz. Zu denen kann man einen Beitrag leisten. Die kulturelle Arbeit ist ein Schwerpunkt, in deren Folge man sich mit der Gesellschaft auseinandersetzt. Ein Beispiel sind unsere Nachbarn. Das ist Arbeit, die auf einer ganz elementaren Ebene stattfindet.« Was mo.ë so spannend macht, ist die Realisierung des interdisziplinären Anspruchs. Ein Grund mehr also, die vielfältigen Aktivitäten des ambitionierten Projekts weiterhin interessiert zu begleiten. picapica/mo.ë gehört gehört, gesehen, gefühlt und ausprobiert.

Das Gespräch führte Maximilian Kager und Pio Text: Pio Fotos: Attribution License by mo.ë


6/Porträt

03/2011/nullachtsechzehn.at

Von der Vorliebe für das Unvollkommene Seit jeher waren es gerade jene Menschen, die nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprechen, denen der Fotograf Gerhard Aba in seinem Werk ganz besondere Aufmerksamkeit schenkte.

Portrait von derzeitiger Ausstellung zum Thema Mechanic zu sehen bis September 2011 in der Galerie »Part of Art« Atelier Spitzer Windmühlgasse 17, 2070 Retz (NÖ)

© Matheo

Faszination für die Beine einer Frau bin ich leider oft völlig falsch interpretiert und als Fetischist abgestempelt worden. Ich habe auch erst 1980 begonnen, meine Bilder auszustellen. Danach kam das Rad allmählich in Bewegung. Gleich ein paar Monate später wurde ich eingeladen, an der ersten internationalen Ausstellung auf Wiener Boden teilzunehmen. Das war eine sensationell gute Schau mit Fotografen wie Ernst Haas, Joel-Peter Witkin, Robert Mapplethorpe und Helmut Newton.

Schon im zarten Kindesalter hatte der 1954 in Wien geborene Fotograf und Künstler Gerhard Aba das leidenschaftliche Verlangen, seine kreative Seite in vollen Zügen auszuleben. Ein genetisch überliefertes Bedürfnis, das ihm wohl von seinem Großvater, einem ungarischen Erfinder und Künstler, in die Wiege gelegt worden sein dürfte. Nach Nichtaufnahme an der Höheren Graphischen Bundes-Lehrund Versuchsanstalt trotz erfolgreich absolvierter Aufnahmeprüfung beschloss Aba, sich das Handwerk der Glas- und Porzellanmalerei in Form einer Lehre anzueignen. Erst viel später sollte sein Interesse für die Fotografie geweckt werden, als ihm nämlich sein Vater seine erste Spiegelreflexkamera zum Geburtstag schenkte, eine russische

Zenit. Das fotografisch-handwerkliche Rüstzeug gab Aba Wladimir Narbutt-Lieven Ende der 1970er Jahre mit auf den Weg, der damals die Fotoabteilung des Wiener Museums für angewandte Kunst (MAK) leitete. Als Narbutt-Lievens Assistent lernte Aba die Fotografie von der Pike auf und begann mit der Camera obscura bewaffnet, Aus- beziehungsweise Abschnitte des Raum-Zeit-Spektrums »einzufrieren«, um sie der Nachwelt und sich selbst zu erhalten. Die Malerei trat als dann allmählich in den Hintergrund. Zuletzt waren Abas Arbeiten im Rahmen des Fotofestivals »Eyes On – Monat der Fotografie« letzten Herbst im Art.com zu sehen. Das Thema der Ausstellung: »Makellos«.

08/16: Herr Aba, was hat Ihren Werdegang als Fotograf am meisten geprägt? Gerhard Aba: Mit Sicherheit die Schule eines Wladimir Narbutt-Lieven. Er war einer der wenigen in Österreich, die sich schon damals mit experimenteller Fotografie befassten – seine Arbeiten waren hervorragend. Durch ihn bin ich erst so richtig auf den Geschmack gekommen. Im Gegensatz zu ihm wollte ich allerdings immer schon Menschen ­fotografieren – vorzugsweise Frauen. Kein Mensch gleicht dem anderen und jeder transportiert eine andere Geschichte, die man entweder sofort sieht, oder die erst auf dem Foto zum Ausdruck kommt. Ein Mensch ist für mich eine Art ­Abenteuerlandschaft, in der ich mich bewege. Durch meine spezielle

08/16: Konnten Sie sich danach beruflich ganz der Fotografie widmen? Aba: Nein, noch nicht. Als Narbutt-Lieven in Pension ging, habe ich selbst die Fotoabteilung im MAK zwei Jahre lang geleitet. Irgendwann hatte ich allerdings das Gefühl, zum Leibeigenen des Hauses zu werden, zum Beamten. Deshalb habe ich beschlossen, Pressefotograf zu werden (u.a. für den »Wiener«). Dadurch bin ich auch in verschiedenen Krisen- bzw. Kriegsgebieten unterwegs gewesen – zum Beispiel in Rumänien, als Nicolae Ceausescu gestürzt und zusammen mit seiner Frau hingerichtet wurde. Auch das Massaker auf dem Platz der Oper in Temeswar habe ich miterlebt. Im Jugoslawienkrieg haben ein paar Wahnsinnige eine Scheinhinrichtung mit mir veranstaltet. Diese Bekanntschaft mit der Kalaschnikow war für mich ein derartiger Schock, dass ich den Job nur noch an den Nagel hängen wollte. 08/16: Woher kommt Ihr Faible für Menschen mit Behinderung, der sich ja wie ein roter Faden durch Ihr gesamtes Werk zieht? Aba: Es hat eigentlich bei meinen Einsätzen in den Krisengebieten begonnen. Dort haben mich vor allem Menschen mit Kriegsverletzungen oder Behinderungen interessiert. Außerdem war ich zwölf Jahre mit einer bein- und armamputieren Frau zusammen. Damals habe ich meine Vorliebe für das Unvollkommene entwickelt. Es war auch ein notwendiger Ausgleich zu den Schönen und den Adabeis, mit denen ich in meiner Ära als Pressefotograf gearbeitet habe. Für mich waren diese


7/Porträt Lisa Bufano, aus dem Charme des Markels (2007)

03/2011/nullachtsechzehn.at Caliber 9 mm (2005)

Hannya (2003)

Frauen, die nicht unbedingt dem Schönheitsideal der Hochglanzmagazine entsprechen, immer schon interessanter. Behinderte Frauen haben ganz andere Probleme als diese gestylten Tussen, und mit welcher Leichtigkeit sie diese bewältigen, hat mich beeindruckt. Das ist auch heute noch der Schwerpunkt meiner Arbeit. 08/16: Diese Fotos waren ja eigentlich nie für die Veröffentlichung bestimmt, wie kam es dann doch dazu? Aba: Ich wurde Anfang 2000 eingeladen, ­meine Arbeiten mit Versehrten auszustellen. Die Reaktionen waren super. Da habe ich gewusst, ich bin auf dem richtigen Weg. So ist dann schließlich auch mein Film »Vom Charme des Makels« entstanden, der im ORF gezeigt wurde. Und im Leopold Museum hängt seither auch eines meiner Fotos aus dieser Serie. Reinhold Sturm (Galerist) hat mich 2007 auf die Art Peking gebracht, wo meine Bilder ausgestellt wurden. Das war ein totaler Erfolg und eines meiner schönsten Erlebnisse.

Metamorphose I (2011)

08/16: Wann ist ein Foto ein Kunstwerk? Aba: Das ist eine heikle Geschichte. Zu Beginn habe ich mir wirklich schwer getan, die Fotografie als Kunstrichtung zu akzeptieren. Heute sehe ich das ganz anders. Ein Foto ist für mich dann ein Kunstwerk, wenn ich davor stehe und hineinkippe, eine Reise in dieses Bild mache und Dinge entdecke, die auf den ersten Blick gar nicht sichtbar sind. Und wenn es eine Geschichte erzählt, vor meinem geistigen Auge ein Abenteuer entsteht,

dann ist es Kunst. Die technische Qualität ist dabei gar nicht so wichtig. Mit einer 30.000-Euro-Kamera kannst du natürlich perfekt ausgeleuchtete Fotos machen, aber im Grunde reicht eine Schuhschachtel mit Loch, um ausdrucksstarke Fotos zu machen. 08/16: Apropos Equipment: Wie haben Sie den Übergang von der analogen zur digitalen Fotografie erlebt? Aba: Am Anfang hatte ich so meine Schwierigkeiten. Die ersten Digitalkameras waren aber auch noch nicht wirklich brauchbar. Mit den ersten Spiegelreflexkameras wurde es dann interessant. 08/16: Hat sich dadurch die Fotografie an sich verändert? Aba: Heute fotografieren viel mehr Menschen als im analogen Zeitalter. Und, es ist nicht mehr notwendig, beim Film zu sparen. 08/16: Inwieweit hat sich die künstlerische Qualität des fotografischen Outputs durch die Digitalisierung verändert? Aba: Es gibt sicher noch Sammler und Liebhaber des analogen Fotos. Aber ich finde, dass sich jeder Fotograf mit dieser neuen Technologie auseinandersetzen muss. Wir leben im digitalen Zeitalter, das ist das neue Medium. Auch mein damaliger Lehrmeister Narbutt-Lieven hat in den frühen 1980ern begonnen, den Computer für die experimentelle Fotografie einzusetzen. Ich habe das nicht so recht verstanden, bis er mir gesagt hat: »Ich als 65-Jähriger möchte mir von keinem

Zwölfjährigen erklären lassen, wie ein Computer funktioniert; ich will es selbst lernen.« Dieser Zugang hat mich seither immer begleitet. Und wenn ich mir ein analoges Dia oder ein Negativ ansehe, dann muss ich schon sagen, die digitalen Bilder sind knochenscharf. Außerdem kann ich bei Lichtverhältnissen arbeiten, die mit einer analogen Kamera sicher nicht zu bewältigen sind. Der wirkliche Vorteil ist aber, ich kann mir das Foto anschauen und gleich noch einmal machen, wenn es mir nicht gefällt. Bei der analogen Fotografie habe ich mich oft geärgert, dass ich wieder einmal am Material gespart habe. 08/16: Schmälert die Möglichkeit der elektronischen Nachbearbeitung den künstlerischen Wert eines digitalen Fotos? Aba: Nein, wieso denn. Am Computer mache ich nichts anderes als damals in der Dunkelkammer. Nur stehe ich nicht bei 40° Celsius im Dunkeln, atme die ganze Zeit giftige Dämpfe ein und weiß nicht, ob gerade Tag oder Nacht ist. Die ­Fotografie an sich hat sich nicht wesentlich verändert. Der Datenträger ist ein anderer, und ein paar technische Hilfen wie Autofokus oder Belichtungsautomatiken sind dazugekommen – da fehlt eigentlich nur noch eine Motivklingel (lacht). Aber das fotografische Auge ersetzt das alles nicht. Das Gespräch führte Ralf Peter Fotos Matheo Artworks by Gerhard Aba


8/Malerei

03/2011/nullachtsechzehn.at

Markus Wiltsche, Rebell zwischen dali und Manga »Kein Staatliches Sanctus nötig, um Farbe auf eine Leinwand zu bekommen « i was - alive - once (Triptychon Öl auf Leinen)

Akt (Öl auf Leinen)

so much to say (Öl auf Leinen)

Markus Wiltsche, geboren am 12. November 1975 in Klagenfurt, als Einzelkind auf dem Land aufgewachsen, begann sich bereits in frühester Kindheit mit der Malerei und dem Zeichnen auseinanderzusetzen. Schon früh war damals klar, wie man den jungen Markus beschäftigen kann: »man gab mir Stift und Papier und Friede war im Haus.« In seiner Jugend wurde er von den Werken Salvador Dalis und H.R. Gigers beeinflusst. Mit der Zeit fand er aber seinen eigenen Stil und befreite sich von vorgegebenen Normen und Zwängen. Nach abgeschlossener Lehre als Werkzeugmacher und

Automechaniker begab er sich vom »Dorf« in die »große Stadt«. Dort angekommen, wollte er Malerei studieren. Nach nicht bestandener Aufnahmeprüfung an der Angewandten bzw. der Akademie der bildenden Künste beschloss Wiltsche, ohne »staatliches Sanctus« seine künstlerische Laufbahn autodidakt weiterzuverfolgen. Als Kaffeetester, stellvertredender Oberaufseher der Albertina, Vorführer im Hadynkino und bis vor Kurzem auch als Zugbegleiter verdiente er seine Brötchen – »für den Künstler ein wichtiger Aspekt, da er in solchen Jobs mit sehr facettenreichen, sozialen Komponenten in Berührung kommt und diese seine Arbeit sehr beeinflussen«, meint Wiltsche. Nach einigen experimentellen Phasen, beim Versuch der eigenen Kunst Ausdruck zu verleihen, fand er seine Leidenschaft in den japanischen Mangas. Diese Technik mit der Ölmalerei zu verbinden, macht für Wiltsche den Reiz dabei aus. Immer intensiver beschäftigte sich der Künslter mit der japanischen Geschichte und ihren Mythen. Im Laufe der Auseinandersetzung mit der fernöstlichen Kultur fand er schließlich Gefallen an der alten Kunst der japanischen Kalligrafie - dem Shodo. Bei dieser einzigartigen Kunsttechnik, Körperbewusstsein und Geist auf eine Ebene und den »perfekten Strich« zu Papier zu bringen, wird nicht vorgezeichnet. Diese Philosophie sollte letztlich zu seinem eigenen Credo werden. Die zweite große Leidenschaft des Künstlers ist das Gestalten von Comics und Storyboards. Mit letzteren hat er auch schon den einen oder andern Euro verdient. Einziges Manko seiner Comics sei, so Wiltsche selbstkritisch, sein mangelndes Potenzial als Geschichtenerzähler. Aus diesem Grund ruft er hiermit alle guten Geschichtenerzähler auf, mit ihm über die 08/16-Redaktion (redaktion@nullachtsechzehn.at) in Kontakt zu treten. Zurzeit arbeitet Markus Wiltsche an einen Zyklus japanischer Fabelgestalten im Comic-Stil. Text: Gery Jindra

my freedom (Öl auf Leinen)


29.3.2011 –15.10.2011 Felderstraße 6-8, Wien 1 (neben dem Rathaus) www.musa.at Di-Fr 11.00–18.00, Do 11.00–20.00, Sa 11.00–16.00

Eintritt frei


10 / M o d e

03/2011/nullachtsechzehn.at

Lila Rome 2011 Schon seit Gründung des Labels interessiert sich die Designerin Lisi Lang für die undefinierten Grenzen zwischen Herren- und Damenbekleidung. So bewegt sich auch die neue Herbst-/Winter-­ Herrenkollektion in Richtung Androgynität, die auch für Frauen gut tragbar und ansprechend ist. Und da der Laden am Yppenplatz eindeutig zu klein für die Präsentation beider Linien ist, muss im Herbst ein zweiter eröffnet werden. Pro Jahr bringt das Label zwei Damenkollektionen heraus, die in Österreich, Deutschland und in der Schweiz verkauft werden. Das Hauptaugenmerk bei den schicken, gleichzeitig verspielten und klaren Streetwear-Modellen liegt auf dem Material, welches immer angenehm zu tragen ist. Meist wird Baumwolle oder Viskose zu Pullovern und Kleidern sowie Shirts und Röcken verarbeitet. Mäntel wiederum gibt es aus feinstem Loden oder Wollstoffen. Tragekomfort, Weiblichkeit und Ungezwungenheit stehen bei lila ganz oben. Außerdem Spontaneität, Wandlungsfähigkeit und grazile Einfachheit. Die Mode fällt aus dem Rahmen, da sie mit einfachen Mitteln Grenzen überschreitet

Kollektion: »Rome« Fotos Katarina Soskic www.katarinasoskic.net Models Anna Schwarz, Louise Riegler (motheragency.at) Julia Ion (stellamodels.com)

und trotzdem immer im Alltäglichen brauchbar ist. Diese Mittel sind überlange Krägen und Ärmel, asymmetrische Reißverschlüsse, eine der weiblichen Form schmeichelnde Schnittführung sowie eine Material- und Farbauswahl. In Rom wurde die aktuelle Sommerkollektion fototgrafiert und auch gleich nach der Ewigen Stadt benannt. Die Betonung liegt dabei auf Hemden, Jacken und Mänteln in klaren Farben, die mit verspielten Röcken und weiten Pullovern kombiniert werden. Die Frage nach der Entstehung der Kollektionen kann nicht so einfach beantwortet werden, da die Ideen überall und immerfort hervorsprudeln und sofort umgesetzt werden wollen. Ständig skizziert Lisi Lang neue Modelle, um nach zirka sechs Monaten eine Kollektion herauszubringen. shop yppenplatz 5, 1160 wien sa 11.00-18.00 www.lila.cx office@lila.cx

L i s i L ang Lisi Lang, geboren 1982 in Graz, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft. Arbeitete als Regie-, Bühnenbild- und Kostümassistentin sowie als Requisiteurin am Jugendstiltheater, Theater des Augenblicks und dieTheaterKünstlerhaus. Beschäftigt in der Fotogalerie Westlicht und als Tutorin am theaterwissenschaftlichen Institut der Universität Wien 2005/06. Gründung des eigenen Modelabels lila 2006, zwei Damenkollektionen pro Jahr, ab 2011 zwei Herrenkollektionen pro Jahr, eigener Shop am Yppenplatz 5, Wien 16. Intensive, permanente Auseinandersetzung mit dem Thema Kleidung und Intimität, Weiblichkeit, Wandelbarkeit, Ungezwungenheit, Verfremdung. 2007 Entwicklung und Umsetzung der Kostüme für bombenlegen/küchenliegen von theaterProcedere im Ragnarhof Wien. Initatorin des Modeprojekts collection:slippy im Forum Stadtpark Graz 2006 bis 2010.

Cherry Shirt // B-Dress


11 / M o d e

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Oben Cherry West // Cherry Pullover // Miss Sonette Skirt // Romeo & Juliet Trousers Triceratops Coat Triceratops Coat // Cassy Blue Dress Unten Flourishing B-Dress 2x


12 / M u s i k

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Schattenboxen auf der Bühne Die nächste Musikrevolution kommt aus dem Spielesektor – und lässt vielleicht sogar Musikinstrumente ganz verschwinden.

Im Februar 2011 wurde die zuvor immens erfolgreiche Musikspielreihe »Guitar Hero« aufgrund massiver Umsatzeinbrüche eingestellt. Der große Plastikgitarrenhype dürfte also fürs erste vorbei sein, aber die Verknüpfung von Unterhaltungssoftware bzw. Games und Musik befindet sich längst in einer neuen Phase – und zwar weitab vom simplen Nachspielen hundertmal gehörter Rockhits. Die Verknüpfung von Spiel und Musik ist ein alter Hut in der Musikhistorie – von Johann Sebastian Bach über David Bowie bis hin zu John Cage – doch in der Ära der Videospiele wurde das spielerische Prinzip zu einer handfesten, sprich technischen Okkasion. Zwar würde sich kaum jemand ernsthaft mit einer Plastikgitarre auf die Bühne stellen, mit einem Gameboy aber offenbar schon. Seit 2002 gibt es etwa den – von Wolfgang Kopper und Herbert Weixelbaum initiierten – Wiener Gameboymusicclub. Dessen Motto: Man nehme ein »Kinderspielzeug« und mache damit Musik. Sei es, indem man Game-Soundtracks synthetisiert und remixed, oder sei es durch Musikspielesoftware wie »Nanoloop«, »Littlesound-DJ« oder den »Korg DS-10«. Auch das ist nicht neu, siehe etwa die Stücke für »toy piano« von John Cage oder das »Kinderspielinstrumentarium« von Kraftwerk auf »Computerwelt«. Anfangs nur ein Kinderspielzeug? Für Kopper ist das Kinderspielzeug Gameboy »ein heilsames Kontrastmittel der Simplifizierung und Reduktion«, doch zur Reduktion braucht es kein Kinderspielzeug, und dieses ist auch längst keines mehr, zumindest nicht ausschließlich, denn auch der »Korg DS-10« findet auf dem Nintendo seinen halbwegs erwachsenen Meister. Und selbst wenn die Musik auf rein spielerische Weise entsteht, wie bei dem entzückenden Kultgame »Elektroplankton« von Toshio Iwai, bei dem der Spieler kleine Soundsporen in zehn Levels auf musikalische Reisen schicken darf, so wird diese Musik bei ihrem Live-Einsatz eben doch mit herkömmlichen Mitteln gekreuzt, durch Synthesizer geschickt, geloopt, rückgekoppelt etc. Aus dem elektronischen »Spielzeug« wird auf diese Weise ein Instrument oder zumindest das ­»Material«, an dem man sich ernsthaft abarbeitet. So führte etwa der zeitgenössische Komponist Alex Nowitz auf seiner CD »Homo Ludens« eine WiiRemote bei den verwendeten Instrumenten an. Einen viel relaxteren Weg geht die junge Partyband The Smashers. »Anfangs«, so Andreas Rieger, »haben wir mit dem Gameboy herumgespielt, vor

Links: Die Smashers bei der Probe, viel Elektronik und ein Nintendo DS. Oben: ein Kinect-Hack im Minority-Report-Style.

Feature »Kinect«, eine Kamera mit zwei zusätzlichen Infrarotsensoren, die es weitaus präziser als je zuvor erlauben, die Bewegungen der Spieler abzutasten. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Kinect-HackVideos auf YouTube auftauchten. Findige Geister fanden schnell heraus, dass man diese Technologie auch auf konkrete Anwendungen umlegen kann. Wer den Spielhintergrund gegen eine Pianotastatur austauscht, kann sich vor die Kamera stellen, die Hand heben und im freien Raum Klavier spielen. Ohne irgendein Instrument zu berühren. allem mit dem Korg-Modul, aber mit der Zeit wurde es überflüssig, weil es zu klein, zu verspielt ist, die Möglichkeiten zu begrenzt sind. Es gibt genügend Software, die dasselbe kann und via Laptop besser zu steuern ist.« Sein Kollege Bartlomiej S ­ zatkowski teilt die Entstehungsgeschichte der Smashers überhaupt in die Zeit vor und nach dem Kauf eines MS-20 ein. Erst mit dem »echten« Korg wurde aus den Soundspielereien ein live-taugliches Konzept, das die Smashers in kleinem Rahmen schon in Wien, Linz und Litauen erfolgreich umgesetzt haben. Ein flaches Ding, das alles kann Was die Smashers dem altgedienten Wolfgang Kopper voraus haben, ist ihre schlafwandlerische (weil jugendliche) Nähe zu Innovationen an der Schnittstelle des Gamer- und Musikkosmos. »Das nächste heiße Ding sind sicher die Tabloid-Apps«, so Szatkowski. Gemeint sind die Applications für iPhone und iPod, die durch das iPad erstmals praktikable Bedienbarkeit erlangt haben. Bei der App »Seline HD« etwa kann man durch zwei virtuelle Joysticks vielfältige Soundkaskaden erzeugen, diese überlagern und so binnen kürzester Zeit einen kompletten Orchestersound erzeugen. Es wurden sogar schon erste Straßenmusiker damit gesichtet. »ELECTRIFY« wiederum ist eine virtuelle Groovebox für den iPad, die »Presonus Studio Live Remote« schickt aku-

stische Eingangssignale (etwa ein Mikrofon) via WiFi direkt an ein professionelles Studiomischpult, so dass man mit dem iPad jederzeit ein komplettes Aufnahmestudio der Extraklasse mitführt (für alle Freaks von field recordings quasi ein neuer heilger Gral). Apps für den Korg, den Moog oder den legendären Fairlight Synth und viele andere Musiktools schließen sich hier an. »Wesentlich daran ist«, so Szatkowski, »dass diese Apps einen Bruchteil dessen kosten, was die Originalstudiogeräte gekostet haben und heute immer noch kosten.« Was hier passiert, ist nichts weniger als ein Runterfahren der Zugangsbeschränkungen für professionelle Musikproduktion, natürlich unter der Voraussetzung, dass man sich einen iPad überhaupt leisten kann. Aber wer das kann, kann mittlerweile alles, was auch ein Profistudio anbieten könnte. Natürlich sind das keine Spiele mehr, aber sie werden oft genug noch als solche belächelt. Dennoch könnten wir bald Bands erleben, die mit vier iPads bewaffnet die Bühne betreten, zumal bereits ein »StudioDock« erhältlich ist, das dem iPad professionelle Anschlüsse verpasst (z.B. »Alesis WINTER NAMM 2011«). Ein Klavier für Geister Aber es geht noch radikaler. Im Herbst 2010 präsentierte Microsoft zu seiner XBOX 360 das Zusatz-

Wer das nicht glauben will, wird auf YouTube fündig – oder sieht sich den in diesem Zusammenhang unermüdlich erwähnten »Minority Report« von S ­ teven Spielberg nochmals an. Auf diesem Level könnte diese Technologie in wenigen Jahren tatsächlich stehen, nur dass statt der klassischen Benutzerober­ fläche Musikinstrumente im freien Raum stehen. Dann erwarten uns womöglich die ersten Bands, die ohne sichtbare Instrumente auf die Bühne kommen. Das Rockkonzert als Schattenboxen-Event? Warum nicht? Obwohl es bis dahin wohl noch ein Weilchen dauern wird, sind »Kinect« und professionelle MusicApps trotzdem die nächste wirkliche Revolution in Sachen Musik. Wie beim Laptop geht es primär um eine technologische Revolution. Ob die neu erzeugten Soundwelten wirklich neue Musik erzeugen, wird sich erst noch herausstellen. More Info www.gameboymusicclub.org soundcloud.com/thesmashers Oder ganz einfach »Kinect-Hack« bzw. die Namen der erwähnten Apps googeln.

Text: Curt Cuisine Fotos: Curt Cuisine, Robot Locomotion Group


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Kunst – Chancen für die Zukunft Die Kunst ist die Kunst! Und der Kunstmarkt ist der Markt! Dass die beiden nicht immer viel miteinander zu tun haben und mitunter ein recht ambivalentes ­Verhältnis zueinander haben, dürfte sich auch immer mehr herumsprechen. Da gibt es einerseits die Künstler, die nichts mit dem Vermarkten von Kunst zu tun haben wollen; dann jene, die sich davon den großen kommerziellen Durchbruch erhoffen und dazwischen sehr viele, die mit einem skeptischen Auge auf den Markt schauen, aber für ihr wirtschaftliches Überleben eben doch die eine oder andere künstlerischen Arbeit auch verkaufen müssen. Die ersten werden heute als Idealisten eher belächelt und öffentlich kaum wahrgenommen. Die zweiten produzieren in guter marktwirtschaftlicher Manier möglichst präzise für ihre Zielgruppe. Jedenfalls hat die Ikonisierung des Kapitals die Diskussion angeheizt, ob Kunst nicht generell besser gestellt wäre, wenn sie sich unabhängig von Quadratzentimeterpreisen und Weltranglisten entwickeln kann. Wir haben das auch schon in anderen Bereichen erlebt. In der Musikindustrie (welch treffendes Wort!) beispielsweise gehen viele interessante Künstler zu IndependentLabels oder bauen ihren Eigenvertrieb auf. Die großen Vertriebsstrukturen wählen nur noch nach Verkaufszahlen aus. In gewisser Weise wird das auch noch begünstigt durch die zunehmende Unsicherheit, was denn Kunst überhaupt sei. Es scheint, je mehr uns Qualitätskriterien abhanden kommen, desto so stärker gewinnen die Verkaufszahlen an Bedeutung. Da stellt sich dann die ketzerische Frage, ob die Mehrheitsmeinung hier immer die »Wahrheit« ist; wie das ein österreichischer Kulturpolitiker unlängst wieder proklamierte. Vor diesem Hintergrund ist eine junge Initiative besonders bemerkenswert. Eine Gruppe bildender Künstler hat gemeinsam mit ihrem Galeristen einen Verein gegründet; also eine Plattform zwischen Kunstschaffenden und Kunstverkäufern geschaffen, die sich – ausdrücklich – gegen den Mainstream und für Vielfalt einsetzen will. »Friends and artists of art-com gallery« zählte bereits bei ihrer Gründungsvernissage mehr als 40 Mitglieder. Das ist besonders beachtlich in einem Bereich, der eher von Individualismus geprägt ist als von Gemeinschaft. Ganz spannend ist auch das harmlos wirkende Wort »friends« am Anfang des Namens. Wer sind diese Freunde? Das sind eben auch die Kunstliebhaber, also die potenziellen Käufer und Sammler. Vielleicht kommen ja in Zukunft auch noch Vertreter der Kulturpolitik hinzu? Jedenfalls treffen hier unterschiedliche Repräsentanten der zeitgenössischen Kunstszene aufeinander, tauschen sich aus, arbeiten gemeinsam an Projekten. Die Galerie art-com ist dafür ein Möglichkeitsraum.

Hier kann Kultur gelebt werden. Das Konzept gibt Anlass zur Hoffnung, dass diese Plattform einiges umsetzt, was man von institutioneller Seite oft vermisst: eine Vermittlung zwischen ideellen und kommerziellen Aspekten, eine klare Formulierung der Bedürfnisse der Kunstschaffenden in unserer Gesellschaft, einen Diskurs zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst auf Augenhöhe. Eines ist schon klar: Die Ergebnisse einiger Studien, die die Wichtigkeit zeitgenössischer Kreativarbeit für unsere weitere Entwicklung in den Wissenschaften, der Forschung, den Wirtschaftsstrukturen und dem Sozialgefüge klar und mit Fakten belegen, sind bei vielen noch nicht angekommen. Diese Erkenntnis, dass ohne schöpferische Tätigkeit unsere Gesellschaft in der Sackgasse landet, muss sich erst verbreiten. Natürlich verlangt die Auseinandersetzung mit Kunst in erster Linie Bereitschaft und Aufmerksamkeit. Das fällt vielen in den traditionellen Bereichen leichter. Mit der Zeit haben unsere Seh- und Hör­gewohnheiten die etablierte Kunst »leichter verdaulich« gemacht. Wir dürfen aber nie vergessen, dass auch das, was wir jetzt als vertraut und »schön« (unmöglich zu objektivierender Begriff) empfinden, anfangs oft irritierend wirkte. Eben darin liegt aber die Kraft des zeitgenössischen Schaffens, Denkstrukturen aufzubrechen, neue Impulse zu setzen, verborgene Zusammenhänge aufzudecken und Verbindungen zu schaffen. Was wir uns nicht vorstellen können, kann nicht Wirklichkeit werden. Die Fantasie ist das Experimentierfeld des Gehirns, und die muss sich in jeder Dimension frei bewegen können. Eine kompetente und engagierte Vermittlung zwischen den Künstlern und den Betrachtern, Zuhörern scheint notwendig. Jede Plattform, die sich dessen annimmt, wird feststellen, dass die Grenzen ­fließend sind. Deshalb ist ein Verein, dessen Mitglieder aus allen Bereichen kommen, so wünschenswert. Die Kunst ist nicht nur der kommerzielle oder mediale Megahype einzelner und sie ist auch nicht das gönnerhaft behandelte Schattendasein »weltfremder Idealisten«. Die Kunst ist die Kunst! Und sie ist für uns alle! Die interessierten Besucher waren sich einig: im art-com kann Kultur gelebt werden. Zudem scheint es doch möglich zu sein, zwischen ideellen und kommerziellen Aspekten zu vermitteln.

Text: Gerhard Flekatsch (bildender Künstler) Fotos: Matheo


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Leichen pflastern seinen Weg Weitgehend abseits des etablierten Kunstbetriebs beschäftigt sich der Künstler Harald Koeck seit bald 25 Jahren mit einem einzigen Thema: dem menschlichen Körper; dem toten menschlichen Körper.

stet, und da sind die ersten Leichenzeichnungen entstanden.« Dass er mit dem leblosen Körper sein ­ureigenes Thema gefunden hatte, wurde Koeck dann auf der Akademie der bildenden Künste klar, als er nach dem Kurs »Anatomie für Künstler« vom legendären Gerichtsmediziner Hans Bankl auf das pathologische Institut in St. Pölten eingeladen wurde. Daraus entstand schließlich der Zyklus »Leib ohne Seele«. Zwei Jahre später – genauer 1990 – dann die erste große Ausstellung: »Leib ohne Seele«. Ausgerechnet im traditionsreichen Palais Palffy. »Das hat natürlich für Aufregung gesorgt und mir gleich einige Gegner eingebracht; die haben da ganz erbost von Leichenschändung gesprochen. Für manche Leute bin ich bis heute wie eine Infektion. Natürlich bin ich mit meinen Bildern an Grenzen gegangen, das war schon so etwas wie ein Tabubruch. Unsere Gesellschaft lebt ja nach wie vor mit zwei Tabus: Der Tod und die Sexualität sind ja weitgehend evakuiert. Beide finden normalerweise hinter verschlossenen Türen statt, werden mehr oder weniger weggesperrt.« Klar, gibt Harald Koeck zu, habe sich diesbezüglich in den letzten Jahren etwas zum Besseren geändert. Nicht zuletzt TV-Serien, wie die ganzen CSI-Geschichten, hätten das Publikum dazu gebracht, etwas genauer hinzuschauen. »Aber«, Koeck verwendet das große Aber, »das ist andererseits auch wieder nur eine oberflächliche Themenöffnung; man ist da im Film schnell wieder an der Tabugrenze zur Sexualität und zum Tod, weil man alles abdeckt. Auf dem Seziertisch gibt es in Wirklichkeit keine zugedeckte Leiche.«

Zugegeben, einen Friedhof sucht man im siebten Bezirk vergebens. Dennoch hat Gevatter Tod, der alte Schnitter, in Neubau eine Art Dependance, die sich in keinem anderen Stadtteil findet. Wir betreten einen unscheinbaren Altbau in der Zieglergasse und steigen in den ersten Stock, wo sich das Atelier von Harald Koeck befindet: Es ist dies eine Art schaurig-skurriler Reliquienkammer; ein makaberes Kuriositätenkabinett, in dem Totenschädel zwischen anatomischen Studien ihre Zähne blecken. »Ich kenne Leute, die bei mir waren und nachher schwerste Depressionen bekommen haben«, sagt Koeck grinsend. Eine Erfahrung, die vielleicht auch der oder die Übeltäter machen mussten, die unlängst ins

Atelier eingebrochen waren; gestohlen wurde nichts, wie sich herausstellte: »Die Kripo hat beim Lokal­ augenschein gemutmaßt, dass die Täter Angst bekommen hätten. Die hätten wahrscheinlich geglaubt, dass sie in der Wohnung eines Massenmörders sind«, erzählt der Heimgesuchte lachend, während er Bier und Wodka auftischt. Dass der Wodka dabei in kleinen Plastikbechern ausgeschenkt wird, wie man sie in Spitälern für Medikamente verwendet, ist dem ganzen Ambiente angemessen. Fragt man Koeck nach seiner Berufsbezeichnung, sagt er, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt: »Leichenmaler. Das ist für mich nichts anderes,

als wenn sich jemand Akt- oder Landschaftsmaler nennt.« Dass derlei beim Gegenüber zuweilen eine gewisse Irritation auslösen kann, könne er noch nachvollziehen; was ihm sauer aufstoße, sei, »dass manche die Bezeichnung Leichenmaler herabwürdigend verwenden. Das ist natürlich idiotisch, weil dieselbe Person, die mich so herabwürdigen will, ja früher oder später selbst zu einer Leiche wird.« Diesen Übergang konnte Koeck das erste Mal hautnah als Zivildiener im Rettungswagen studieren, das war Mitte der 1980er Jahre. Freunde, die damals Medizin studierten, nahmen ihn später mit auf das anatomische Institut: »Da habe ich herumgeta-

Freilich, den Seziertisch kennt der Mann, der dem Tod ein Gesicht gibt; immer wieder wird Koeck an ein pathologisches oder anatomisches Institut eingeladen, um vor Ort zu recherchieren. Insofern hat er es immerhin leichter als Da Vinci oder Michelangelo, die sich die Objekte ihrer anatomischen Studien noch in finsterer Nacht von den Friedhöfen holen mussten. »Der Einsatz aller Sinnesorgane ist wichtig für die künstlerische Umsetzung«, erklärt Harald Koeck und schenkt Wodka nach: »Das Sehen, das Schmecken, das Tasten. Auch der Geruch schlägt sich letztendlich im Bild nieder.« Während der Pathologe rein analytisch vorgehe, baue er eine Beziehung zur Leiche auf. Moment – das klingt doch irgendwie schräg: »Beziehung zu einer Leiche«. Doch das gehe, das müsse


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sogar so sein, ist Koeck überzeugt. Denn: »Jeder Mensch stirbt seinen ganz individuellen Tod. Und der hinterlässt im und am Körper ganz individuelle Spuren. Man erlebt im Seziersaal immer wieder eine Überraschung, weil kein Fall dem anderen gleicht. Die Vielfalt und die Bandbreite sind da eigentlich unendlich.« Von wegen, dass im Tod alle gleich seien! Erst, wenn es soweit sei, dass Asche schluss­endlich zu Asche und Staub letztlich wieder zu Staub geworden seien, »aber nicht vorher. Der Tod ist individuell. Meine Bilder sind sozusagen die letzten Eindrücke, die dieser Mensch auf dieser Welt hinterlassen hat und die er auf mich gemacht hat.«

Abgesehen von der Leichenstarre ist der Tote im Vergleich dazu natürlich; man sieht: er hat etwas losgelassen. Dazu kommt eine zweite Ambivalenz – und zwar die des kalten Körpers und der warmen Farben. Wenn der Tote geöffnet wird, ist er farbenprächtig: Er zeigt alle möglichen Töne von Rot, Orange und Braun!«

Vor den Atelierfenstern ist aus einem trüben Spätwinternachmittag mittlerweile finsterer Abend geworden, aber innerhalb dieser Art von Leichenschauhaus, die das Atelier darstellt, wird der Maître de maison inmitten von Skeletten, Bildern geöffneter Brustkästen und eingelegten Nierensteinen immer lebendiger. »Es geht mir darum, jemanden darzustellen, der nicht schläft, sondern der ­definitiv etwas verloren hat.« Leichen würden genau das sehr genau ausdrücken, man müsse nur genau hinsehen: »Sonst könnte ich ja Akte malen. Da wird in verkrampften Stellungen der unnatürlichen Art Modell gestanden.

Dementsprechend hat sich Harald Koeck im Lauf der Jahre von den ersten Bleistiftzeichnungen über Kohle immer mehr zur Farbigkeit hinentwickelt: »Hauptsächlich arbeite ich in einer Mischtechnik aus Acryl und Pastell.« Zuletzt bediente er sich im Rahmen einer Theaterproduktion der Decalcomanie, einer Abklatschtechnik: Dazu packte er Skelettmodelle, wie sie im Unterricht verwendet werden, in Plastikfolie, bestrich diese mit Farbe und wickelte sie zu guter Letzt in Leichentücher aus einer Linzer Palliativstation. Es wird sicher nicht am Wodka liegen, wenn dem Interviewer da das berühmte Turiner Leichentuch in den Sinn kommt. Dass sich Koeck auf dem etablierten Kunstmarkt nicht so etabliert hat, wie es so manch weniger konsequente Vertreter seiner Zunft getan hat, tut der Künstler – im Brotberuf »Zeichenlehrer« am BG/

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BAG Purkersdorf – mit einem Schulterzucken ab: »Ich habe meine Leute, die an meinem Werk interessiert sind. Und ich male ja auch nicht, um auf Biegen und Brechen zu verkaufen. Mir ist schon klar, dass meine Kunst eine Nischenkunst ist.« Umso erstaunter war er dieser Tage, als eine Einladung zur Barbara-KarlichShow ins Haus flatterte: »Das habe ich eher als Beleidigung empfunden, das ist ja unseriös. Ich habe schon mit dem ZDF und anderen gearbeitet, aber das waren ernste Reportagen. Oder auch für »Rest In Peace«, der kürzlich in den Kinos war. Aber den Pausentrottel für die Karlich-Show spiele ich sicher nicht.« So. Vor lauter Aufregung – der bei Koeck allerdings noch immer ein Hauch vom Phlegma eignet – haben sich beide Gesprächspartner einen abschließenden Wodka verdient. Ob er selber, der sich seit bald einem Vierteljahrhundert intensiv mit dem Tod beschäftigt, Angst habe vor dem Moment, da sein letztes Stündlein geschlagen hat und der Sensenmann seine knochige Hand unwiderruflich auf seine Schulter legt? »Vor dem Tod selber habe ich eigentlich nie Angst gehabt. Es ist mehr der Sterbens­ prozess selbst, über den ich mir Gedanken mache. Das eventuelle Leiden und die Schmerzen, die damit

verbunden sein können. Aber der Tod selbst ist für mich ein Naturakt – ein systemimmanenter Betriebsunfall.« Nichtsdestoweniger hegt der Leichenmaler künstlerische Ambitionen, die über seinen letzten Schnaufer hinausgehen: »Ein Bekannter von mir, ein Pathologe, der auch malt, darf mich aufschneiden. Wenn er mich dann malt.« Bis dahin gilt für uns Sterbliche: »Lieber vom Leben gezeichnet, als vom Koeck gemalt.« Text: Alexander Svojtko Fotos: Thomas Wenrich

H arald K O E C K Atelier: Zieglergasse 31/16, Wien 7 www.harald-koeck.com Ausstellungen: 1990 »Leib ohne Seele«- Palais Palffy 1993 »Sepuralkultur« - Kassel (BRD) 1994 »Body without Soul« - New York 1996 »Little Blue Man« - 10 Jahre Tschernobyl - Minsk, Belarus 2007 »exitus.tod.alltäglich« Künstlerhaus Wien 2007 Videoclip: »100 Jahre Bestattung Wien«


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Vernetzung mittels Stammtisch für Filmschaffende »Das perfekte handwerkliche Können ist zwar eine gute Voraussetzung, aber ohne die richtigen Kontakte kocht jeder in seiner eigenen Suppe«, ist Nino Leitner, Filmemacher aus Wien-Ottakring, überzeugt. Die Werbung betrachtet er als solide Einkommensquelle; seine künstNino Leitner bewegt sich gekonnt in digitalen Welten. Kein Wunder, ist er doch Absolvent der Medien-FH in Salzburg und in den einschlägigen Online-Communities gründlich vernetzt. In der realen Welt lebt der Inns­brucker seit drei Jahren in WienOtta­kring. Im Zuge seines Multi­Media­Art-Studiums hat er in Southampton (Solent University – UK) gelernt und dort auch an­schließend seinen ersten Doku­men­tarfilm gemacht. »Every Step You Take« zeigt, wie stark CCTV – also die Kameraüberwachung im öffent­lichen Raum – in Großbritanniens Alltag verankert ist. Der Film wirft aber auch einige Fragen über diese permanente Kontrolle auf: Fühlen sich die Bürger dadurch sicherer oder eher bedroht? Hat die Überwachung einen ­kriminal­istischen Nutzen oder gar prä­ventiven Effekt? Gibt es dazu überhaupt konkrete wissenschaft­liche oder empirische Funda­ mente? Wie werden die aufge­zeich­neten oder ausgewerteten Daten verwendet? Von wem? Der Film – es war Leitners Diplom­arbeit – wurde bislang auf vier­zehn internationalen Festivals gezeigt und hat zu vielfältigen Diskus­sionen geführt. Bei der Grazer Diagonale wurde sein Film vom Publikum aus 42 zur Wahl stehenden Langfilmen zu einem der beliebtesten fünf des gesamt­en Festivals gewählt. Wobei sein Film als einziger zur Gänze ohne Förder­ungen und ohne Produk­tionsfirma entstand. Online lässt sich zu dem breiten und positiven Medienecho einig­es nachvoll­ziehen (www.EveryStepYouTake.org). Der Zeitpunkt für seine Pro­duktion fiel zufällig in eine Periode erhöhter Aufmerksamkeit im UK – Stichwort »Rucksack­bomber«. Dadurch zeigten sich viele Protagonisten aus der Poli­tik oder der Sicherheitsszene ge­sprächiger, wie z. B. der Vize­chef der brit­ischen Transport-Police. Nino Leitner avancierte mit einem Schlag zu einem Experten für Online-Überwachung und hat daher auch zahlreiche Ein­la­dungen zu Diskussions­ver­an­ stal­tungen erhalten, denen er ver­ständlicher Weise nicht immer nachkommen kann. Der Film wurde unlängst auch in den Ver­trieb des deutschen Langen­ scheidt-Verlags als Lehrmaterial für Englischlehrer übernommen. Sowohl die Wege der Ver­öffent­lich­ung als auch die Ver­triebswege für Filme haben sich in den letzten Jahren gewandelt. Neben Festivals für ein Fach­ publikum werden breitere Publi­kums­schichten über Kabel-TV-Sender oder Online-TV erreicht. Kleinere, autonome Produktionen können am leichtesten direkt über das Internet bezogen werden. Leitners Film war in Österreich auf dem nicht­kommerziellen

TV-Sender Okto zu sehen. Unlängst hat der Filmemacher einen Vertriebspartner in Hong­kong gefunden, der seine DVD promotet. Leitner kennt auch beide Welten in Bezug auf Foto und Video. Neben der Ausbildung in Salz­burg hat er als Assistent bei einer Fotografin gearbeitet und zuletzt Erfahrungen im Rahmen einer Holly­wood-Kinoproduktion bei Dreh­arbeiten im Mai 2010 in Prag ge­sammelt. Eine spannende »Lehr­stelle«, die er auf Einladung des er­fahrenen britischen Ka­mera­manns Philip Bloom be­kommen hat. In Innsbruck hat Nino Leitner einige Werbefilme gedreht, da­runter für Baufirmen, für Mobil­funk, die Caritas oder Fahr­schulen; in Wien arbeitete er bis zu­letzt an einem Werbefilm für einen Back­ warenhersteller und aktuell an einem Schulungsfilm für ein österreichisches Transport­unter­nehmen. Außerdem hat er mit 24 weiter­en Regisseuren – Kollegen aus den USA, Indien, Australien und Süd­amerika – an einem Epi­so­den­film für das Kino mitgewirkt. Nino Leitner nutzt momentan – neben an­ge­mietetem Equipment – so­wohl seine Sony Full-HD-Video­kamera als auch die eigene ­digit­ale Spieg­elreflexkamera für Film­auf­nahmen. Der Vorteil der DSLR liegt seiner An­sicht nach im de­zent­eren Auf­treten, der höheren Licht­em­pfind­lich­keit und im »kino­film-artigen Bild«, allerdings sei es für Kunden mitunter noch etwas be­fremdlich, da es eben nicht den gängigen Erwartungen entspricht. Für die Verbreitung dieser neuen Film­technologie hat Leitner ein paar wesent­liche Beiträge gesetzt, beispielsweise als weltweit Erster seine Erfahrungen

mit der EOS 550 von Canon für Full-HD-Filme in den Online-Foren zu ver­öffent­lichen. Mittlerweile gibt er sein Wissen an interessierte Foto­grafen bzw. Videofilmer in Semi­nar­en weiter. Die Werbung ist für Leitner ein wichtiger Faktor seiner Arbeit, er sieht dies als solide Einkommens­ quelle. Seine Ideen für Dokus und die künstlerischen Visionen wird er künftig nebenher um­ setzen, wie er hofft. Zur Ver­netz­ung von Künstlern im Medien­bereich hat er – ausgehend von der Facebook-Plattform »Film­schaf­fende Österreich« – einen Wiener Stammtisch geschaffen, bei dem sich Produzenten, Regis­seure, Requisiteure, Kamera­ leute und Schauspieler persönlich treffen und austauschen können. Im Jahr 2010 sind an bislang sechs Abenden jeweils rund 90 bis 150 Kreative diesem Aufruf ge­folgt und haben im Anschluss an die Präsentationen oder Show­reels ihre Pläne und Ideen be­sprochen. Das jüngste Stelldichein für ­Filmemacher – die Nr. acht – fand Anfang statt. »Das perfekte hand­werkliche Können ist zwar eine gute Voraussetzung, aber ohne die richtigen Kontakte kocht jeder in seiner eigenen Suppe«, meint Nino Leitner abschließend. Bleibt zu hoffen, dass ihm erneut eine wohlschmeckende Komposi­tion gelingt. Text: Armin Pecher

Kontakt: http://ninofilm.net/ www.facebook.com

Screens von Nino Leitners ersten Dokumentarfilm »Every Step You Take«


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stumme Adaption – Philipp Hochhausers »Faust«-Verfilmung Eine DVD soll es nächstes Jahr geben. Seit kurzem steht der Film als Video-E-Book bei iTunes zum Kauf zur Verfügung.

Ein Stummfilm in Farbe, mit fantasievollen Animationen und ohne übertriebene Gesten – genau das hat in fünfjähriger Arbeit und unter den schweren Low-Budget-Bedingungen der 28-jährige Philipp Hochhauser mit »Faust« vollbracht. Er verlieh dem Werk von Johann Wolfgang von Goethe (Tragödie 1.Teil) ein neues und sehr eigenständiges Gesicht – hergestellt von Faust Film, eine ­Filmproduktion, die Hochhauser gemeinsam mit Benjamin ­Swiczinsky und Bernhard Nicolics-Jahn gründete. Für die mühevolle detailreiche Arbeit ­versammelte Hochhauser ein kleines, engagiertes Team um sich. Gedreht wurde hauptsächlich im Jahr 2004, in Niederösterreich bzw. in Wien. Darauf folgten zahlreiche Nachdrehs und eine nicht weniger aufwendig gestaltete Postproduktion. Der Zuschauer taucht in eine längst vergangene Zeit ein, dessen Inhalt jedoch zeitlos geblieben ist. Diesen Film spürt man förmlich. Er lässt die Vorlage so neu auferstehen, dass sogar der Stummfilm von F. W. Murnau aus dem Jahr 1927 dabei nicht immer mithalten kann. Die Figuren tragen alle weißes Make-up, das mit schwarzen Linien und Kreisen kontrastiert wird. Die Farbgebung vermeidet grelle und helle Töne weitgehenst. Von Kameramann Bernhard Nicolics-Jahn wird eine sehr düstere, in Sepiatönen gehaltene Stimmung heraufbeschworen. Dazu die musikalische Untermalung des Filmkomponisten Alexander Zlamal,

die hier ihr Filmdebüt vorlegte. Unheimlich und elegant zugleich tritt der 1,90 große Ramin Nikzad als Mephistopheles in Erscheinung. Hochhauser konnte bereits zuvor wichtige Erfahrungen in der Filmbranche sammeln. So werkte er sieben Jahre bei der bekannten Film-und Fernsehproduktion DoRo. Nach einigen Kurzfilmen wagte er den Sprung zum Langfilm. Obwohl »Faust« ursprünglich nicht als solcher geplant war. Eine »Faust«-DVD wird es aber erst nächstes Jahr geben. Wer nicht so lange warten will, dem sei das seit kurzem erhältliche Video-E-Book bei iTunes empfohlen. Faust der Film http://www.faustderfilm.com Video E-Book http://itunes.apple.com Text: Martin Nechwetal

der einen eindringlichen, klassischen Score komponierte und äußerst kraftvoll mit der Unterstützung des Kammerorchesters Robert Stolz umsetzte. Einige Szenen und Sequenzen werden mit liebevollen und ausdrucksstarken Animationen von Benjamin Swiczinsky veredelt oder auch vollkommen alleine getragen. Besonders hevorzuheben: die sehr dämonisch und lüsternde WalpurgisnachtSzene, in der um ein großes Lagerfeuer gevöllert

und gevögelt wird. Gesprochen wird der Gehörnte von niemand Geringerem als vom DrahdiwaberlMastermind Stefan Weber. Seinem Gegenpart, der himmlischen Seite, verleiht der bekannte Sänger Georgij ­Makazaria der Band Russkaja Gestalt mit markant-tiefer Stimme. Der »alte« Faust wird von Bernhard Paumann verkörpert; der »junge« Faust von Richard Tanzer. Das Gretchen mimt die junge Anita Groissmeyer,

C red i ts Buch und Regie Philipp Hochhauser Kamera, Schnitt und Postproduktion Bernhard Nicolics-Jahn Produktion Faust Film Musik Alexander Zlamal

Anmeldung für das Studienjahr 2011/12

27. Juni bis 10. Juli / 21. August bis 30. September / 9 –15 Uhr

kunstschule.at

lazarettgasse 27, 1090 wien tel: 01/ 409 43 42 fax: 01/ 402 58 33 wiener@kunstschule.at www.kunstschule.at zvr-zahl: 101995590


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Wurmvoll Glücklich! Warum Wurmstichigkeit wohltuend literarisch ist und was ein Zeitzoo alles kann. Die Würmer in den Köpfen von Lesern und Leserinnen zum Leuchten bringen, genau das ist das Ziel des Wiener Kleinverlags Zeitzoo. Wobei Kleinverlag ja eigentlich noch eine Vergrößerungsform ist, als Kleinstverlag bezeichnet das Team rund um Nikolaus Scheibner das eigene Projekt gerne. ›Kleinst‹ wiederum ist ein Wort welches bitte nicht falsch zu verstehen ist: gemacht wird genug; das halbjährlich erscheinende Literaturflaggschiff »Zeitzoo«, die hauseigene edition zoo, in welcher unter andrem schon Größen wie Ilse Kilic und Fritz Widhalm erschienen sind, die eigene Hörbuchreihe Audiobeans, regelmäßig ausgetragene Literaturveranstaltungen wie beispielsweise die »Zeitzonenlesung«, die Biennale stattfindende Ottakringer-Welt-LiteraturKunst-Biennale »OttakOttak« und neuerdings, die in der Neulerchenfelder Strasse, im Kunst und Kulturzentrum Werk angesiedelte Vereinsevolutionsbibliothek samt eigenem kleinen Veranstaltungszeitraum. Bei alle diesen Betätigungsfeldern gibt es einen gemeinsamen Nenner, der da lautet: nicht groß aber artig – großartig eben. Aber alles der Reihe nach. Zeitzoo das sind neben Nikolaus Scheibner primär Grzegorz Kielawski, Rudolf Stueger, Albin Nagel und Sonja Tollinger. Zu diesem Kernteam gesellt sich eine Präsidentin Namens Biber, welche zwar wie der Name bereits verrät Fellträgerin ist, Wasser allerdings scheut und als Katze auch sonst mit Bibern nicht sonderlich viel gemein hat. Der ZZOO Verein für Leguminosen und Literatur besteht allerdings aus weit mehr als nur den oben genannten. Mitglied kann jeder und jede werden, so er oder sie Interesse zeigt. Interesse an zeitgemäßen, zeitlosen, avantgardistischen, eben großartigen Künsten aller Art. Die genauen Moden der Mitgliedschaft wiederum bedürfen einer genaueren Untersuchung, sicher ist nur teuer ist sie nie. Von einer Mitgliedschaft hat man dann je nach Modus eben auch verschiedenste Vorteile im Leben. Zutritt zur Hauseigenen Bibliothek bekommt man immer, inklusive Stempelgutschrift für Kaffee, Tee oder Biergenuss vor Ort. In eben dieser besagten Bibliothek erwartet einen dann bei weitem mehr als nur die Überraschung, dass es Bibliotheken inklusive Biergenuss gibt. Allein das liebenswerte Raumdesign prägt sich ein. Haben sich die Vereinsorgane doch Besonderes ersonnen, und betritt man doch über eine (nur mit Schutzhelm erlaubte) Wendeltreppe ein ganzes Buch. Wie man sich das genau vorstellen kann oder muss, soll jeder selber herausfinden. Was einen in der Bibliothek erwartet, steht auf einem anderen

Blatt. »Handverlesene Literatur« so bezeichnet der Obmann Nikolaus Scheibner, was hier geboten wird. Kleinverlage aus dem deutschsprachigen Raum sind hier in einer Vollständigkeit anwesend wie vielleicht nicht einmal in der Nationalbibliothek. Damit allerdings nicht genug: Auch wahre Einzelstücke, Handsigniertes und hoffnungslos Vergriffenes kann hier gefunden und vor Ort sogar gelesen werden. Die Nicht-Einzel-Exemplare hingegen sind für eine Frist von sechs Wochen ausleihbar und somit auch zuhause zu genießen. Handverlesen gilt auch für Literatur welche, in der liebevoll »Unser ZZOO« genannten Literaturzeitschrift erscheinen. Wobei große Namen nicht so wichtig (wenn auch keineswegs selten) sind wie große Literatur. Diese wiederum kann von jedem kommen, und so gibt es auch die Möglichkeit für jedermann/frau Texte einzusenden. Eine strenge und genaue Redaktion sind dann allerdings das Um und Auf einer guten Zeitschrift für Literatur und bildende Kunst. Und gut – soviel ist sicher – ist hier zu schwach, da braucht es schon ein Superlativ: »für die ›besserste‹ Zeitschrift«, sagt Scheibner scherzfrei. Und wer nicht lesen will, kann ja immer noch hören: Audiobeans ist das Zauberwort. Mit bereits fünf Neuerscheinungen im heurigen Jahr, das häufigst erscheinende Medium innerhalb des ZZOOs, deshalb aber keineswegs das kurzlebigste. Auch hier versammeln sich allerlei spannende Namen; Waltraud Haas, Christine Huber, Thomas Havlik, Lisa Spalt, Andrew Underbirch, um nur einige zu nennen. Wer wirklich alles rund um das Betätigungsfeld des Vereins für Leguminosen und Literatur (Bei Leguminosen handelt es sich übrigens um Bohnen, so klug ist die Redakteurin mittlerweile) wissen will, dem seien mindestens drei Dinge ans Herz gelegt: Erstens die Hompage www.zeitzoo.at, zweitens ein Besuch der Evolutionsbibliothek in der Neulerchenfelder Strasse 6-8, 2. Stock, letzte Tür, immer montags, mittwochs und sonntags zwischen 14 Uhr und 21 Uhr. Und, zuallerletzt, der Besuch der Zeitzonenlesung, das nächste Mal am 20. Juli, um 19.30 Uhr mit Thomas Havlik und Lisa Spalt im Werk-Café, selbe Adresse, Erdgeschoß. In diesem Sinne: Mögen die Würmer in euren Köpfen leuchten!

Text: Sonja Tollinger


19 / E v e n t k a l e n d e r

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Juli|August/2011 Fr. 01/07 Electrode Party Start: 22:40 Das Werk Erdwerk Neulerchenfelder Straße 6-8, 1160 Wien www.daswerk.org Sa.02/07 Fernwärme Open Air 2011 Am 2. Juli wird beim Fernwärme Open Air 2011, das im Rahmen des Jazz Fest Wien stattfand, die Abfallbehandlungsanlage in der Spittelau wieder zum Schauplatz eines außergewöhnlichen Musikspektakels. Als Top-Act wurde mit Sergio Mendes der vielleicht wichtigste Popularisierer der Bossa Nova verpflichtet. Wien Energie Fernwärme, 1090 Wien, Spittelauer Lände 45 www.fernwaermewien.at Literatur im Ground Xiro Start: 20:00 Pazmanitengasse 15, 1020 Wien http://www.facebook.com Mo.04/07 Konzert Trans Am USA Eintritt: Vorverkauf: 15, Abendkassa: 17 Chelsea, Lerchenfelder Gürtel, U – Bahn-Bögen 29-30 täglich geöffnet von 18-4h www.chelsea.co.at www.transband.com Di. 05/07 Viele Freaks eine Sprache: RAP! mit Steril­one, LAR, Yasmo MC und Schwaboss Eintritt: Vorverkauf: 7, Abendkassa: 9 Chelsea, Lerchenfelder Gürtel, U – Bahn-Bögen 29-30 täglich geöffnet von 18-4h www.chelsea.co.at Mi. 06/07 dirty : d´n´b party Start 22:00 Das Werk Erdwerk Neulerchenfelder Straße 6-8, 1160 Wien www.daswerk.org The WORLD of OTGO Erste Einzel­ ausstellung der mongolischen Künstlerin in Wien! Malerei, Zeichnungen, Druckgrafik & mehr Start: 19:00 Vernissage im Club International C.I. Payergasse 14, 1160 Wien Ausstellung bis 6. August täglich von 10 bis 2 Uhr früh www.galeriestudio38.at/OTGO Kochbuchpräsentation bei der Vernissage SCHENK, Amélie: Königshuhn & Stutenmilch. Eine Reise durch die Kochtöpfe der Mongolei. mandelbaum verlag 2011 www.mandelbaum.at/books/763/7304 INSTALLATION Institut für Alltagsforschung Start 18:00 KONZEPT Lars Schmid / Jörg Thums

WUK Hof Währinger Straße 59, 1090 Wien www.wuk.at PARTY, PERFORMANCE Jacuzzi Some days of performance, party & public Start 18:00 Das Festival Jacuzzi findet im Juli 2011 zum 2. Mal statt, und präsentiert in einem stark verdichteten Zeitraum von 4 Tagen ein Programm aus Performances, Live – Musik, Interventionen und partizipativen Partyformaten. Während des gesamten Festivalzeitraums wird der Hof im WUK zum public LIVING ROOM. WUK Währinger Straße 59, 1090 Wien www.wuk.at Do. 07/07 Konzert Kompadres Muerdos (Mexiko) Eintritt: Vorverkauf: 10, Abendkassa: 12 Chelsea, Lerchenfelder Gürtel, U – Bahn-Bögen 29-30 täglich geöffnet von 18-4h www.chelsea.co.at www.kompadresmuerdos.com PARTY, PERFORMANCE Jacuzzi Some days of performance, party & public Start 18:00 Wetterstein Blues Art Start 21:00 Felsenkeller Eintritt Freie Spende oder Wetterstein Cd um 10,Concerto Neulerchenfelder Gürtel 53 1160 Wien www.cafeconcerto.at Fr. 08/07 HOuse sound recording Start 23:00 Market Linke Wienzeile 36, 1060 Wien www.marketvienna.com PARTY, PERFORMANCE Jacuzzi Some days of performance, party & public Start 18:00 Sa. 09/07 freespace kunstfestival Start 20:00 Das Werk Erdwerk Neulerchenfelder Straße 6-8, 1160 Wien www.daswerk.org Battle of the Wackest Start 19:00 Einbaumöbel - 1bm Gürtelbogen 97, 1090 Wien www.1bm.at PARTY, PERFORMANCE Jacuzzi Some days of performance, party & public Start 18:00 Do. 14/07 My Glorious/Tyler Eintritt: Vorverkauf: 8, Abendkassa: 10 Chelsea, Lerchenfelder Gürtel,

U – Bahn-Bögen 29-30 täglich geöffnet von 18-4h www.chelsea.co.at www.myglorious.com www.official-music.com Fr. 15/07 Musik Musik Start 22:30 Dj. Andres F. Lindermayer Wintergarten Concerto Neulerchenfelder Gürtel 53 1160 Wien www.cafeconcerto.at Mo. 18/07 theater: art for ken Start 19:00 Das Werk Erdwerk Neulerchenfelder Straße 6-8, 1160 Wien www.daswerk.org Di. 19/07 Jazzsession mit Headmovie and Friends - ein Abend der Abläuft wie ein Film im Kopf Start 21:00 Felsenkeller Eintritt Freie Spende Concerto Neulerchenfelder Gürtel 53 1160 Wien www.cafeconcerto.at

Fr. 29/07 Afrika Tage Wien Highlights im Afrika Tage Musikprogramm sind neben afrikanischen und internationalen top acts Musiker, Tänzer und Gruppen, die der afrikanischen Musik, Kultur und Geschichte verbunden sind. Guem/Mamadou/Diabate & Percussion Mania/GENTLEMAN & The Evolution Layori/JIMI TENOR & Kabu Kabu feat. Tony Allen/Jenny Bell/Makossa & Megablast /IYASA- Streets of Africa/Kalan, Back to the Roots/Ras & Roots/Chalaban/Famara /Äl Jawala/Los Dos Y Companeros /JAYASRI/Courtney Jones & The Funky / Calypso Band/Jobarteh Kunda/Nomad SoundSystem/Nkulee Dube & Band /3plus2international/JAMARAM/Ökumenischer Gottesdienst mit Gospelchor/ Marla Glen & Band SA. 30/07 sturm & drang : technopartY Das Werk Erdwerk, Start 22:00 uhr Neulerchenfelder Straße 6-8, 1160 Wien www.daswerk.org Di. 09/08

Vom Reisen... bilder.worte.töne: 20:00 Osteria Allora Wallensteinplatz 5-6 1200 Wien http://www.facebook.com

Ausstellung Sight stories AbsolventInnen der Klasse für künstler­ ische Photographie Wien DI-SA: 16.00 - 20.00 Uhr mit Werken von Mirela Baciak, Theresa Gregor, Daniel Heuchert, Elke Liberda, Sophie Pölzl, Arnold Pöschl, Sarah Irina Skrutl, Martina Stapf, Judith Stehlik, Caroline Tertsch, Claudia Cornelia Trink, Johanna Urban, Astrid Wagner, Hans Weiss Fotogalerie Wien WUK Währinger Straße 59, 1090 Wien www.wuk.at

Do.21/07

Fr. 12/08

World/Inferno Friendsipsociety (USA) Eintritt: Vorverkauf: 12, Abendkassa: 14 Chelsea, Lerchenfelder Gürtel, U – Bahn-Bögen 29-30 täglich geöffnet von 18-4h www.chelsea.co.at www.worldinferno.com

L'arte di pellegrinaggio Florian Köhler (Carbonarus) Start 18:00 Cafe Club International C.I. Payergasse 14, 1160 Wien

Mi. 20/07 lesung: zeitzoo Start 19:30 Das Werk Erdwerk Neulerchenfelder Straße 6-8, 1160 Wien www.daswerk.org

Fr. 22/07 susi klub : technoparty Das Werk Erdwerk, Start 22:00 Neulerchenfelder Straße 6-8, 1160 Wien www.daswerk.org Songwriters Night Start 21:00 Open Stage Felsenkeller Eintritt Freie Spende Concerto Neulerchenfelder Gürtel 53 1160 Wien www.cafeconcerto.at

Sa. 20/08 Sono pellegrino Florian Köhler (Carbonarus) Start 18:00 Vernissage 2 ab 19 Uhr und Lesung „Carbonarus schreibt Steppenwolf“ im Rahmen von „bilder.worte.töne“ art. wallensteinplatz Osteria Allora Wallensteinplatz 5-6, 1200 Wien Ausstellungsdauer bis Mitte September 2011 www.galeriestudio38.at/CARBONARUS

Laufende Veranstaltungen World/Inferno Friendsipsociety Die 60er Jahre: Eine phantastische Moderne 29.03.2011 – 15.10.2011 Mit den 60er Jahren setzt das MUSA seinen chronologischen Gang durch die Sammlungsgeschichte zeitgenössischer Kunst der Stadt Wien fort. Ab 1951 wurden die Bildenden Künste besonders durch Ankäufe von Werken aus den Ateliers von Wiener Künstlerinnen und Künstlern gefördert. MUSA Wien 1., Felderstraße 6-8 (neben dem Rathaus) 1082 Wien www.musa.at INSIDE OR OUTSIDE IS THE QUESTION 16. June. - 21. July 2011 Drawings, paintings, prints, photography and installation by Manuel Gras / Christian Eisenberger / Nina Engeln / Dorothee Golz / Udo Hohenberger / Franco Kappl / Thomas Nemec / Ingo Nussbaumer / Eva Schlegel / Erwin Wurm Gallery AREA 53 Gumpendorferstrasse 53 1060 Wien www.area53.name DAvid Meskhi Eternal distance 15. 06. - 10. 09 2011 Durch die anika handelt Galerie weht ein warmer Sommerwind: Junge Sportler fliegen durch die Luft, Skater drehen sich um die eigene Achse, Seifenblasen steigen in die blaue Unendlichkeit. Der georgische Fotograf David Meskhi hat diese Augenblicke eingefroren, meist in Schwarz-Weiß, immer im richtigen Moment. Öffnungszeiten Dienstag - Freitag 14:00 - 18: 00 im August nach Vereinbahrung anika handelt Galerie Yppenplatz 5/4 1160 Wien www. anikahandelt.com 08/16 Tipp Two Days a Week festival 2011 02. 09. - 03. 09 2011 Ottakringer Arena Wiesen Schöllingstraße 7203 Wiesen www.oeticket.com powered by


Bücherwurm.

Leseratte.

Zeit und Muße verbinden. In Wiens Freibädern. Warum in die Ferne schweifen? Die Wiener Freibäder sind die Sommerfrische direkt vor Ihrer Haustüre. Hier trifft sich Groß & Klein, Alt & Jung zu Freizeit, Sport und Spiel. Oder einfach nur zum angenehmen Nichtstun und Mit-der-Seele-baumeln. Wann schauen Sie vorbei? Infos unter www.wienerbaeder.at oder unter (01) 601 12-8044.


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