nullachtsechzehn 5/2012

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Nummer 2012 05

© Gerhard Aba

Zeit für Kunst und Kultur

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falsche therapien biwi 2356 S. CARNEIRO HACKELNDE KUNST

2/Kolumne 05/2011/nullachtsechzehn.at

08/16 Das Team

Die Pathologie des Sparzwangs Eine Problemerörterung möglicher psychischer Beeinträchtigungen im Falle einer Vermögensverringerung im einstelligen Prozentbereich.

nullachtsechzehn !NEU! im Netz. Mit unserer fünften Ausgabe möchten wir mit einer völlig umgestalteten und einembenutzerfreundlicheren Auftritt unsere Zeitung im Netz präsentieren.

Alle Themen unseres Printmediums sind übersichtlich unter dem Punkt Ausgaben aufgelistet. Weiters wollen wir mit dem Punkt Aktuelles völlig unabhängig von der Printausgabe über Neues aus der Welt der Kunst berichten. Mit dem Bereich Veranstaltung halten wir Sie/Dich als unsere LeserInnen über Ausstellungen, Lesungen, Kinovorführungen, etc am laufenden.

Ein großer Dank gilt Andrea Peregrini, die mit uns die Seitengestaltung ausgearbeitet hat und für die Programmierung der Seite verantwortlich ist.

Außerdem hat 08/16 ab dieser Ausagbe den QRCode auf Seite 2(im Impressum). Diesen Code einfach mit dem Smartphone per App scannen und direkt auf die Seite www.nullachtsechzehn. at gelangen.Wir hoffen, dass euch diese Ausgabe Spaß bereitet Wer uns bei unserer Arbeit unterstützen m ­öchte – als Autor bzw. Ideengeber –, oder finanziell,kann das gerne tun; es würde unser Vorhaben enorm ­erleichtern. redaktion@nullachtsechzehn.at

Das neue Jahr ist angebrochen, die Nachrichten haben noch die gleiche Reihenfolge: Schlagzeilen, Ratingagenturbericht, Wetter. Aus dem Ratingagenturbericht ergibt sich eine angebliche Sparnotwendigkeit, die für einen Teil der Regierung ausschließlich ausgabenseitig zu bewerkstelligen sein muss.

In diesem Land wird, sobald eine Idee den Zustand einer Artikulation erreicht hat, zuallererst österreichisch analysiert, d.h. es folgt eine sehr lange Liste von Dingen, die nicht funktionieren werden oder können. Eine Idee, die es schon lange gibt, die logisch erscheint und als eine der am heftigst diskutierten gilt, ist eine höhere Besteuerung von Vermögen. Diese Sache muss einer gründlichen Analyse zugeführt werden. Diese Analyse wird nun weder eine volkswirtschaftliche noch eine betriebswirtschaftliche. Es wird vielmehr eine Psychoanalyse. Nennen wir es Problemerörterung möglicher psychischer Beeinträchtigungen im Fall einer Vermögensverringerung im einstelligen Prozentbereich bei Eurovermögen ab einem siebenstelligen Bereich. Wie viel Geld lukriert und flüssig gemacht werden könnte, ist im Großen und Ganzen bekannt, das muss hier nicht erwähnt werden. Es ist in jedem Fall sehr viel Geld.

Nehmen wir also eine schöne runde Zahl, zum Beispiel fünf Millionen Euro, in Zahlen: 5.000.000,00 € (in Schilling, wenn wir den Vergleich strapazieren wollen und mit der alten Formel von 13, 76 öS = 1,00 € umrechnen: 68.800.000,00 öS, in Worten: 68 Millionen achthunderttausend Schilling). Man bräuchte in Euro ebenso wie in Schilling ziemlich lange, um das Geld zu zählen. Ausgeben kann man es in dieser Zeit wohl auch nicht. Werden von diesen fünf Millionen nun ein paar hunderttausend subtrahiert, blieben immer noch über mehr als gut vier Millionen übrig. Wie wir wissen, bringt eine ordentliche Wirtschaftskrise ein interessantes Phänomen mit sich: Wenn nämlich alles kracht, Jobs verloren gehen, Staaten Banken unterstützen, damit diese nicht über den Jordan gehen müssen, die Staaten ihrerseits anschließend von Ratingagenturen wie Rotznasen geschnäuzt werden und überhaupt alles den Bach runtergeht, vermehren sich Vermögen immer noch. Ein bisschen langsamer

vielleicht, aber doch. Das heißt zugleich, dass der Abzug von einem nicht wirklich fassbaren Anteil eines Vermögens höchst wahrscheinlich nach gar nicht langer Zeit gar nicht mehr bemerkbar wäre.

Zusätzlich kann festgehalten werden, dass ein derartiges Fortbestehen von Einkünften nicht in direktem Zusammenhang mit Arbeit stehen kann: Wenn nämlich alles stagniert, nur ein Haufen Geld immer noch größer wird. Die Frage, die zu stellen ist: Welche Schmerzen oder Angstzustände können in Menschen entstehen, die so viel Geld besitzen, dass es nur möglich erscheint, höchstens Bruchteile davon tatsächlich sinnfüllend auszugeben, wenn es daran ginge, ein paar Bruchteile davon abzugeben, um etwas zum Allgemeinwohl beizutragen? Welche Art von Angst entsteht dabei?

Es gibt angeblich verschiedene Sorten von Gier.

Diese Äußerung wurde getätigt im Zusammenhang mit Börsenspekulationen, die mitunter von Menschen getätigt werden, die eine spezielle Sorte Gier treibt. Eine Gier, die aber im Vergleich zu uns Gier-Laien bisher einzigen bekannten Gier, keinesfalls als eine niederträchtige betrachtet werden darf, die etwa Maßlosigkeit oder sonst was Verwerfliches als Beweggrund hätte. Es ist vielmehr eine Gier, die aus der Dynamik des Wachstums entsteht. Diese ist auch wieder total nachvollziehbar und einfach nicht böse gemeint. Auch wenn vieles rundherum zugrunde geht. Woher sollen das die an den Börsen Tätigen denn auch wissen oder ahnen? Wir lernen: Die richtige Gier ist verständlich und verzeihlich. Und nicht nur das: Wahrscheinlich ist diese spezielle Art von Gier mit schuld an einer speziellen Art von Existenzangst, die dem herkömmlichen Angstlaien ähnlich unzugänglich bleiben wird wie die Spezialgier. Was sollten auch Menschen, die trotz Vollbeschäftigung nicht genug Geld haben, schon für eine Ahnung von Existenzängsten haben? Welche Ahnung sollten Menschen von echten existenziellen Bedrohungen haben, die keine Arbeit finden, weil sie alleine nicht mehr schaffen, was zwei Personen machen sollten? Was für eine Ahnung haben solche Leute tatsächlich von der Angst vor der Möglichkeit, eine Summe Geld hergeben zu müssen, die vielen Familien über viele

Jahre eine Existenz sichern würde, und dann noch immer ein Vermögen übrig bliebe, dass eine Existenzangst definitiv als unbegründet zu bezeichnen ist? Wahrscheinlich, weil sie schon vergessen oder gar nie gewusst haben, dass es ein gesichertes und würdiges Leben auch geben kann.

Stefan Quandt, BMW-Erbe und Spross der Industriellenfamilie Quandt, die während der NS-Zeit etwa 50.000 Zwangsarbeiter beschäftigte und das bereits vorhandene Vermögen und ihren Einfluss weiter vergrößern konnte, hat es in einem Interview in der deutschen Wochenzeitung »Die Zeit» ganz gut beschrieben, wie schwierig es ist, reich zu sein.

Auf die Frage, was die Familie mit einer Jahresdividende von zuletzt 365 Millionen Euro eigentlich macht, lautete die Antwort: »Wir verwenden das Geld, um das Vermögen zu stabilisieren. Ich habe keinen großen Geldspeicher wie Dagobert Duck.« Aha. Daraus erkennen wir den Kern des Problems und schließen unsere Augen demütig nach deren einleuchtender Öffnung: Es geht um die schlichte Existenz des Vermögens an sich. Auch wenn es sich nicht ausschließlich um reelle Werte handelt wie Münzen, in denen gebadet werden kann, geht es um die Aufrechterhaltung von Zahlen auf Papier oder digital, die sich durch die richtigen Vorzeichen zum Sein und zum Glück der Besitzenden als ausschlaggebend herausstellen. Würden diese Zahlen zum Leben erweckt und zum Fließen gebracht, könnte also viel Gutes geschehen. Das wird aber weitestgehend vermieden, wenn man Phrasen wie diesen ungläubig folgt und die Gewissheit erlangt, dass sie gänzlich ernst gemeint sind. Keine Spur von Ironie. Dieser Zustand ist pathologisch und wird mit aller Kraft als richtig verteidigt. Das ist auch pathologisch.

Text: Walter Schaidinger Foto: www.architektur.kaywa.ch

Impressum: Herausgeber: Kunst- & Kulturverein ebenedrei, Neulerchenfelder Straße 6-8, 1160 Wien, Atelier 8; Kontakt: redaktion@nullachtsechzehn.at; Tel.: +43.664.64.34.136; Verlagsleitung: Maximilian Kager; Chefredaktion: Ralf Peter; Redaktion: Alexander Svojtko, Patrick Spannbauer, Monica Pari, Allesandro Barberi, Martin Bart, Anja Slupek; Fotos/Fotoredaktion: Gerhard Aba, Gerry Jindra, u.a.; Gestaltung/Produktion: Gerry Jindra; Druck/Litho: REMAprint, Neulerchenfelder Straße 35, 1160 Wien; Erscheinungsweise: 6-mal jährlich. Der Nachdruck von Artikeln und Fotos ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Kunst- & Kulturverein ebenedrei gestattet. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln. www.nullachtsechzehn.at

3/Aktion 05/2012/nullachtsechzehn.at

»kalt? mir nie! doch, saukalt sogar!« Wiener Kunst- und Kulturverein unterstützt Obdachlose im Kampf gegen die Eiseskälte.

Vergangenen Winter hat der Kunstverein ebenedrei eine Hilfsaktion der besonderen Art eingeleitet: Unter dem Titel »Kalt? Mir nie!» klopfte ebenedreiObmann Gerry Jindra bei allen möglichen Sportartikel- und Outdoor-Händlern sowie bei Army-Shops und Berufsbekleidungs-Geschäften an und bat darum, obdachlose Menschen im Großraum Wien bei ihrem Kampf gegen die beißende Kälte zu unterstützen. »Die Bereitschaft, diese Aktion mit Sachspenden mitzutragen, war enorm», freut sich der »Kalt? Mir nie!»-Initiator, der auf diese Weise insgesamt rund 60 Schlafsäcke, ca. 80 Pullover, unzählige Jacken und Decken sowie Handwärmer zum Nulltarif entgegennehmen durfte.

Besonderer Dank für die warmherzige Großzügigkeit gebührt vor allem Sport 2000, Hervis, Bergsport Schwander, ASA Arbeitsbekleidung , Army Shop im Generali-Center und privaten Spendern. Die für die meisten von uns selbstverständlichen wärmespendenden Gaben wurden dann der Caritas Wien, dem Flüchtlingsverein Ute Bock und den Streetworkern von Sam Flex übergeben, die sie dann ihrerseits unter den Bedürftigen verteilten. Zitat Ute Bock: »Wir sind dankbar für die Aktion, wie jene des Kunstvereines ebenedrei. Vor allem im Winter ist es für viele Hilfesuchende schwer, zu warmer Kleidung zu gelangen. Über unser Kleiderlager konnten wir die Kleidung gut verteilen, um die Leute mit dem Notwendigsten zu versorgen, denn wir versuchen uns um jene zu kümmern, für die sich sonst niemand mehr zuständig fühlt.« Und ein Zitat von der

Caritas Wien: »Die Solidarität der Menschen während der Kältewelle im Februar war wirklich überwältigend! Die Winterkleidung, die vielen Decken und Schlafsäcke, die bei uns in der Gruft abgegeben wurden, waren für die obdachlosen Menschen eine große Hilfe. Aktionen wie die von ebenedrei machen deutlich, dass in unserer Gesellschaft nicht egal ist, wie mit den Schwächsten umgegangen wird. Wir sind sehr dankbar für diese wärmenden Spenden,« bedankt sich Judith Hartweger, die Leiterin des Caritas-Betreunngszentrums Gruft für die Sachspenden.

Der Verein ebenedrei hofft, mit seiner Aktion eine Art Solidarisierung innerhalb der Bevölkerung bewirkt zu haben. »Kalt? Mir nie!« will er aber auch als Appell an die Politik verstanden wissen. »Es ist höchst an der Zeit, dass die verantwortlichen politischen Akteure die nötigen Maßnahmen ergreifen, die ein Abdriften in die Obdachlosig-

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keit von vornherein verhindern. Und wenn es in Einzelfällen doch nicht zu verhindern ist, muss diesen Menschen die größtmögliche Unterstützung zuteil werden. »Die Gesellschaft insgesamt ist genauso stark wie ihr schwächstes Glied!« Aufgrund des großen Erfolgs der Aktion »Kalt? Mir nie!« ruft ebenedrei auch kommenden Winter dazu auf, bedürftigen Mitmenschen tatkräftig zur Seite zu stehen. Denn: die nächste Kälte kommt bestimmt.

Traurige Gewissheit ist aber auch, dass wieder zahlreiche Menschen gezwungen werden sein, die kalte Jahreszeit großteils im Freien zu verbringen, da die Notschlafstellen teilweise überbelegt sind. »Menschen, welche kein Obdach haben, sind bei diesen Temperaturen gefährdet, Erkältungen, Erfrierungen oder gar den Tod zu erleiden. Wer ihnen hilft, rettet Leben«, betont Jindra.

Obwohl ebenedrei mit der Aktion »Kalt? Mir nie!« Einiges bewirken und zahlreichen Obdachlosen

links: Obamann Gerry Jindra bei Bergsport Schwander mitte: Das Team von Ute Bock rechts: 08/16 Herausgeber Maximilian Kager mit einen Mitarbeiter der Caritas Wien

helfen konnte, macht der Verein keinen Hehl daraus, dass natürlich nicht alle Bedürftigen versorgt werden konnten. Daher nun der Aufruf auch an jene, die an der Aktion diesen Winter nicht teilgenommen haben: Heuer mitwirken! Damit so vielen Menschen wie nur möglich geholfen werden kann - und am besten nicht nur im Winter, sondern das ganze Jahr über.

Text: Ralf Peter Fotos: Gerhard Aba, Gerry Jindra, Martina Pocza

4/Krankes System

05/2012/nullachtsechzehn.at

Richtige Diagnose, falsche Therapie Gemeinwohl-Ökonomie, Mikrokredite und Tauschringe. Mit »neuen« Unternehmenskonzepten und »alternativen« Wirtschaftsmodellen wird am Krankenbett des Kapitalismus herumgedoktert.

Franz Hörmann als Teil der Occupy-Bewegung.

Hörmann wurde jüngst als Lehrender der WU Wien suspendiert, weil er wiederholt den Holocaust zu relativieren suchte; zudem gründete er gemeinsam mit einem Schweizer Neo-Nazi die »Human Way»Bewegung, die unter anderem im Finanz- und Wirtschaftssystem des Dritten Reiches durchaus Lobenswertes zu finden weiß. Darüber hinaus gibt es enge Kontakte zum prominenten deutschen Braunesoteriker Jo Conrad, der für das Elend dieser Welt nicht nur »alles kontrollierende, reptiloide Aliens«, sondern auch bösartige »jüdische Gedanken« verantwortlich macht, und sich dabei nicht entblödet, zur Untermauerung seiner kruden Thesen die ominösen »Protokolle der Weisen von Zion« heranzuziehen. (Für März hatten diese »Kapitalismuskritiker« einen Kongress, der unter dem Titel »Wahre Alternativen« in Bruck/Leitha stattfinden hätte sollen, geplant; die Herrschaften wurden zuletzt durch die Stadt aber »ausgeladen«.) Das ist das Eine.

Athen, Griechenland, 13./14. 2. 2012: Die ohnehin ohnmächtige Regierung beschließt ein von der EU-Troika oktroyiertes neues brutales Sparpaket (das wievielte eigentlich?). Im Zuge der heftigen Proteste kommt es zu Ausschreitungen, 40 Gebäude gehen in Flammen auf.

Lissabon, Portugal: Zeitgleich gehen im Westen der EU 300 000 Menschen auf die Straße, um gegen die geplanten Kürzungs- und Sparmaßnahmen zu demonstrieren. Es kommt zu regelrechten Straßenschlachten mit der massiv aufgebotenen Polizei.

Wien, Österreich: Die Bundesregierung präsentiert am 10.2. ihr 26,5 Milliarden Euro schweres »Konsolidierungspaket«. Vor dem Ort des Geschehens, demBundeskanzleramt, finden sich gezählte sechs

AktivistInnen ein – hierzulande wird den Zumutungen und Grauslichkeiten des kranken Systems Kapitalismus anders zu Leibe gerückt. »Kern dieser Krankheit«, schreibt der Wirtschaftspublizist und Attac-Österreich-Mitbegründer Christian Felber in seinem Bestseller »Gemeinwohl-Ökonomie«, sind »die Bindungsschwäche und geringe Beziehungsfähigkeit vieler Menschen zu sich selbst, zu anderen Menschen, zu ihrer natürlichen Umwelt und zum großen Ganzen.

Heilung kann darin bestehen, diese Beziehungen wiederaufzunehmen, zu pflegen und zum Blühen zu bringen, was der sicherste Weg zum Glück ist. Zahllose Menschen aller Kulturen berichten, dass eine intensive, wertschätzende Beziehung zur Umwelt, den Lebewesen, Flüssen, Felsen

und Himmelserscheinungen Menschen zu heilen vermag (…) Wer eine tiefe Verbindung mit der Natur erfährt, für den/die verlieren das Einkaufszentrum, die Börse und vielleicht auch das Auto an Attraktivität«. Ja, die Kapitalismuskritik schreitet zuweilen in absonderlichen Gewändern einher. Ob die immer zahlreicher werdenden Anhänger der Gemeinwohl-Ökonomie und ähnlicher alternativer Wirtschaftsmodelle nun »Spinner, Weltverbesserer oder beides zusammen?« seien, fragt dann auch Standard-Redakteur András Szigetvari im Portfolio vom Dezember 2011.

Eine derartig esoterisch angehauchte »Kapitalismuskritik« öffnet freilich auch Weltverschwörungstheoretikern aus dem rechten und rechtsextremen Spektrum die Tür: So sieht sich etwa

Das Andere ist, dass gemeinwohl-ökonomische Konzepte und andere solidar-wirtschaftliche Ansätze erstens so neu nicht sind, wie ihre Propagandisten gerne glauben machen wollen, und dass sie zweitens am System des Kapitalismus im Wesentlichen festhalten. »Aber«, schreibt Peter Zudeick in »Tschüss, ihr da oben«, »wie wäre es mit der schlichten Überlegung, dass der Kapitalismus keinen Ewigkeitsanspruch hat. Auch wenn wir alle nichts anderes kennen, aber das heißt ja nichts.

Es gibt ihn in dieser Form seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, er hatte seine Blüten, seine Krisen, seine Weiterentwicklungen, hatte viele Möglichkeiten, seine unglaubliche Elastizität zu beweisen, und nun erstickt er an sich selbst. Er hat ausgedient, Zeit für einen Wechsel.« Genau für diesen Wechsel stehen Gemeinwohl-Ökonomie, Mikrokredite, Tauschringe usw. eben nicht.

Freilich, manches, was die Apologeten dieses laut Süddeutscher Zeitung »dritten Weges zwischen Kapitalismus und Kommunismus» vertreten, besticht auf den ersten Blick. Aber nur auf den ersten.

Beispiel Mikrokredite: Im Jahr 2006 erhielt der Ökonom Muhammad Yunus den Friedensnobel-

5/Krankes System

05/2012/nullachtsechzehn.at

Der schöne Schein eines kollabierenden Systems: Notgeld aus 1920/21

preis. Er hatte 1983 in Bangladesh die »Grameen Bank« gegründet, die Mikrokredite gewähren sollte. Seine Überlegung: Die meisten der »armen Menschen« bräuchten nur wenig Kapital, um – etwa als Handwerker - wirtschaftlich erfolgreich sein zu können. Felber schreibt: »Er vergab Kredite an Personengruppen – fast ausschließlich Frauen -, die füreinander bürgen. Erst wenn die ersten zwei Gruppenmitglieder ihren persönlichen Kredit eine Weile regelmäßig zurückgezahlt hatten, erhielten die nächsten ihrerseits ein Darlehen, sodass eine pünktliche Rückzahlung im Interesse aller war.

Heute werden 98,35 Prozent der vergebenen Kredite zurückgezahlt«. Mehr als 100 Millionen Menschen erhalten derzeit nach dem Vorbild der Grameen Bank Mikrokredite: Kein Wunder, dass dieser alles in allem lukrative Markt mittlerweile von den Großen der Finanzwelt erobert worden ist – so etwa von der Weltbanktochter FTC, dem Soros Economic Development Fund oder dem resonsAbilityGlobal Microfinance Fund, an dem unter anderen die Credit Suisse Group beteiligt ist. »Anders als noch vor einigen Jahren gilt Mikrofinanzierung heute nicht mehr als Wohltätigkeit, sondern muss profitabel sein«, hält die Austrian Development Agency. Ein Systemwechsel sieht anders aus.

Beispiel Genossenschaften: Als leuchtende Exemplare florierender Unternehmen wie auch als erstrebenswerte anti-kapitalistische Alternative führen die Gemeinwohl-Ökonomen immer wieder genossenschaftlich organisierte Betriebe an: So die 1956 gegründete baskische Mondragón Corporación

Cooperativa, heute die weltgrößte Genossenschaft mit 95 000 Beschäftigten in neunzehn Ländern, mit 256 Betrieben und einem Jahresumsatz von fünfzehn Milliarden Euro. Oder die Migros, 1925 als genossenschaftlicher Einzelhandel in Zürich gegründet: Mittlerweile ein marktbeherrschendes Unternehmen mit 601 Standorten, und mit 84 000 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber in der Schweiz – Umsatz: zwanzig Milliarden Franken. Das klingt alles sehr eindrucksvoll, ist es ja auch, aber allein der stolze Hinweis auf stets steigende Beschäftigten-, Standort- und Umsatzzahlen macht deutlich, dass auch hier das Wachstum – eine heilige Kuh des Kapitalismus – das Maß aller Dinge ist: Weil MCC wie Migros eben INNERHALB des herrschenden Systems funktionieren (müssen); sonst gebe es sie nicht (mehr). Und dass die genossenschaftliche Organisation von Betrieben und Unternehmen allein überhaupt kein Garant für nicht-kapitalistisches Wirtschaften ist, zeigt ja auch nahezu täglich aufs Neue der Raiffeisen-Konzern; nicht zu Unrecht wird er gerne »Bauernmafia« genannt. Ein Systemwechsel sieht anders aus.

Beispiel Tauschringe und Lokal- oder Regionalwährungen: »Kann man die Finanz- und Produktionssphäre in unserem System tatsächlich voneinander trennen?«, fragt der Historiker John Evers in Vorwärts vom Feber 2012: »Und wann war Widerstand gegen dieses System zumindest punktuell erfolgreich? Waren es jene, die regional abgekopplete Gemeinwirtschaftsmodelle vertraten, oder jene, die versuchten, Verteilungskämpfe zu organisieren und

sich dabei ebenfalls international vernetzten?«.

Tauschringe basieren auf dem Motto: »Ich arbeite eine Stunde in deinem Garten, dafür arbeitest du eine Stunde an meiner kaputten Waschmaschine«.

Das Problem: Es hat halt nicht jeder einen Garten, und es ist die Waschmaschine auch nicht immer kaputt. Ein direkter Tausch von Arbeitszeit ist also nur in den selteneren Fällen möglich – es muss also ein Äquvivalent her zur geleisteten Arbeitsstunde, die sich auch bei einem dritten einlösen lässt: Voilá, dies ist die Geburtsstunde eines Gutscheinsystems – ob man diese Alternativwährung »Talente« nennt oder »Waldviertler« ist egal -, das logischerweise nur auf die lokale, bzw. regionale Ebene beschränkt bleiben muss. Und wie misst man den »Arbeitswert«? »Sind fünfzig Arbeitsstunden eines Verwaltungsbeamten tatsächlich gleichwertig mit fünfzig Stunden, die ein verschrobener Tüftler mit großer Hingabe an seiner – gesellschaftlich möglicherweise ziemlich unbedeutenden – Verbesserung des Kugelschreibers arbeitet?«, fragt Peter Zudeick. Zuguterletzt bleibt die Frage offen: Wie verfährt ein solches System mit jenen, die keine markttauglichen Fähigkeiten anzubieten haben?

Christian Felber hält fest: »Der Erwerbszwang ist in der Gemeinwohl-Ökonomie nicht abgeschafft (…)

Wer ein gutes Leben haben möchte, muss dafür etwas tun«. Ein Systemwechsel sieht anders aus. »Politische Ökonomie«, bemerkt Joseph Vogl in »Das Gespenst des Kapitals«, »hat seit jeher die Neigung zur Geisterkunde gehegt und sich mit unsichtbaren Händen und anderem Spuk den Gang

des Wirtschaftsgeschehens erklärt«. Die moderne Finanzökonomie versuche »eine Welt zu verstehen (…), die durch sie selbst hervorgebracht wurde«.

Solange alternative, solidarische, gemeinwohlwirtschaftliche Konzeptionen an der Idee des »Marktes« festhalten – und das tun sie -, solange doktern sie nur am Krankenbett des Kapitalismus herum. Doch der Patient ist nicht therapierbar – aktive Sterbehilfe ist gefragt.

Text: Alexander Svojtko Fotos: Thomas Wenrich

Literatur FELBER, Christian »GemeinwohlÖkonomie. Das Wirtschaftsmodell der Zukunft«, Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien 2010 GRUSCH, Sonja »Mikrokredite – Das zynische Konzept des Neoliberalismus«, Broschüre der Sozialistischen LinksPartei (Hg.), Wien 2012 VOGL, Joseph »Das Gespenst des Kapitals«, Diaphanes, Zürich 2010/2011 ZUDEICK, Peter »Tschüss, ihr da oben – Vom baldigen Ende des Kapitalismus«, Westend Verlag Frankfurt/Main im Piper Verlag GmbH, München 2009

6/Porträt 05/2012/nullachtsechzehn.at

Sisyphos und die Frage nach dem Sinn des Lebens Best International World Icon, kurz BIWI. So der Name des Linzer Künstlers Hans Lechner, der sein menschen- und völkerverbindendes »Logo« seit den späten 1980ern rund um den Erdball trägt. Erst im Jahr 2356, exakt 400 Jahre nach seiner Geburt, wird die Menschheit seine Botschaft verstehen, ist BIWI überzeugt.

© Gerhard Aba

BIWI 2356 - Best International World Icon, ein Symbol, das die Menschheit erst 400 Jahre nach seiner Geburt, im Jahr 2356 eben, verstehen wird, ist der Linzer Künstler Hans Lechner überzeugt. In den späten 1980ern hat er der universellen Frage nach dem Sinn des Lebens ein Symbol verliehen und so sein eigenes Logo entwickelt (siehe Bild, linker Oberarm!). An den Wiener Ufern der Donau fand er schließlich 1986 einen rund 15 Kilogramm schweren Stein, der von vorne betrachtet einem menschlichen Fuß gleicht. Bemalt mit seinem Logo begann BIWI selbigen um den Erdball »zu rollen« und mit den unterschiedlichsten Menschen gemeinsam fotografisch abzubilden. Das weltumspannende Concept Art-Projekt »Der gemeinsame Nenner – The Rolling Stone« war geboren. Auch in der Bestrafung Sisyphos, der dazu verdammt war, einen Felsblock immer und immer wieder einen steilen Hang in der Unterwelt hinaufzurollen, sieht der Künstler einen alle Menschen und Völker verbindenden »gleichen Nenner«: »Wir alle bewegen uns rastlos von einem Bedürfnis zum nächsten.« Im Gespräch mit 08/16 plaudert er aus dem Nähkästchen und gibt einen kleinen Ausblick auf seine nächsten Kunstprojekte.

08/16: Das Reisen hatte schon immer einen zentralen Stellenwert in Ihrem Leben. Welche Bedeutung hat es für Sie als Künstler?

BIWI: Wir alle sind Reisende – von der Geburt an.

Wobei es dabei nicht immer um die Reise von A nach B geht. Ich war immer schon auf der Suche nach irgendetwas in meinem Leben, das mich stabilisiert. Früher waren es die Frauen, und zwar nur die Frauen. In den 1970ern – damals war ich gerade 19 Jahre jung – lockte mich der Brief eines Freundes mit der Aussicht auf >mandeläugige Schönheiten‹ auf die Philippinen. Dort habe ich auch geheiratet und bin fünf Jahre geblieben.

Ein Schiffsunglück auf der Überfahrt von der Insel Cebu nach Manila, bei dem 15 Menschen starben, brachte dann die entscheidende Wendung in meinem Leben. Ich habe mich entschieden, nach Europa zurückzukehren, um den Kunstmarkt hier zu erobern. Meine Frau habe ich seither nie wieder gesehen. Wieder in Österreich begann ich Kunstgeschichte zu studieren. Ein halbes Jahr vor dem Abschluss habe ich das Studium aber abgebrochen, da es begann, zunehmend uninteressant zu werden.

08/16: Was hat nun die gesuchte Stabilisierung in ihr Leben als Künstler gebracht, wenn es nicht die Frauen waren?

BIWI: Eines Tages, im Jahr 1986, bin ich in die Freudenau gefahren, um die Stille an der Donau zu genießen. Auf einer Schotterpyramide sitzend habe ich dann diesen 15 Kilogramm schweren Stein entdeckt, der von der richtigen Seite betrachtet aussieht wie ein Fuß, mit Zehen. Ich war immer schon ein Finder. Schon als kleiner Bub habe ich alles umgedreht und in jede Kiste geschaut. Es war gerade die Zeit des Grafitti-Booms in Wien, und auch ich habe damals viel in diese Richtung gemacht. Diese Arbeiten haben sich recht gut verkauft. Der Stein hat mich neu inspiriert und ich habe mir überlegt, was ich auf ihn malen könnte. Dabei bin ich draufgekommen, dass es bis dato kein Symbol für die menschen- und völkerverbindende Frage nach dem Sinn des Lebens oder für die Vergänglichkeit gab. Also habe ich selbst ein Zeichen dafür entwickelt – mein Logo, mit dem ich den Stein bemalt habe.

08/16: Mit dem Fund des Steins war dann auch die Idee für das Projekt »Der gemeinsame Nenner – The Rolling Stone« geboren ...

BIWI: Richtig. Ich wollte den Stein mit dem menschenverbindenden Symbol in alle Erdteile bringen, um ihn gemeinsam mit den unterschiedlichsten Menschen zu fotografieren. Ich habe den Stein an den tiefsten Ort der Welt gebracht, zum Toten Meer, auf den höchsten Punkt, den Mount Everest, habe ich es mit dem 15-Kilo-Brocken im Rucksack nicht geschafft. Nach einem Höhenkoller auf 5.400 Metern Seehöhe war mir klar: nie wieder Himalaya. Eines Tages wollte ich den großen Stein nicht mehr mit mir herumschleppen und habe begonnen kleinere Exemplare mit meinem Logo zu bemalen und auf unserem Planeten zu verbreiten – einen wollte ich sogar auf den Mond bringen lassen, aber das ist mir nicht gelungen (lacht). Inzwischen sind es 15.000 Steine, die ich verschenkt habe, in Galerien oder auf Reisen liegen gelassen habe.

Auf einem Foto steht Helmut Zilk mit dem Stein in der Hand vor der österreichischen Fahne. Auch von Dennis Hopper mit dem Stein gibt es ein Foto; schön wäre noch eines mit den Rolling Stones oder mit Bob Dylan (»Like A Rolling Stone«), aber das ist nicht mein Lebensziel. Ich jage keinen Prominenten hinterher, heute interessieren mich eher die Übersehbaren.

7/Porträt 05/2012/nullachtsechzehn.at

»Rolling Stone«

08/16: Eines Ihrer Projekte heißt »Die Engel«, ein anderes trägt den Namen »Jeder besitzt ein Stück vom Himmel«. Sind Sie ein religiöser Mensch?

BIWI: Ich habe überhaupt nichts mit Religion zu tun, sondern verwende nur die Symbolsprache unserer Kultur. Irgendwann habe ich mir einfach gedacht, die Menschheit braucht mehr Engel. Wir leben ja nach wie vor in der Steinzeit und können immer noch nicht verhindern, dass es Kriege und Leid gibt. Diese Arbeit war mein Geschenk an die Stadt Los Angeles, die Stadt der Engel, wo ich regelmäßig bin, und wo es auch einige Unterstützer meiner Kunst gibt. Bei »Jeder besitzt ein Stück vom Himmel« steht der blaue Koffer dafür, dass wir alle möglichst viele Dinge besitzen möchten, obwohl wir sie nicht mitnehmen können, wenn wir sterben. Ich habe mir gedacht: okay, wirklich besitzen kann man nur etwas, das unendlich vorhanden ist. Das Universum, symbolisch der blaue Himmel über uns. Der Koffer stellt ein Stück Himmel dar, mit dem ich insgesamt 38 Länder der Welt bereist habe. »Blue Suitcase«

08/16: Was ist drin im Koffer?

BIWI: Alles, was der Mensch heute weiß, alles was er braucht. Alle seine Bedürfnisse werden befriedigt, wenn er den Koffer öffnet.

08/16: Als welche Art Künstler würden Sie sich selbst bezeichnen?

BIWI: Viele Kollegen sind Fans von mir, viele sind es aber auch nicht. Ich möchte mit der Kunst etwas Positives bewirken, weil ich weiß, dass die Menschen diese Sprache verstehen. Darin sehe ich auch die Aufgabe der Kunst. Und ich möchte frei arbeiten – das möchte ich nie verlieren. Mit ganz wenigen Elementen sehr viel aussagen; am liebsten wäre es mir, mit einem Punkt ein ultimatives Erlebnis beim Betrachter auszulösen. Leider lebt das Werk vieler Kollegen allzu oft von einer Theorie, und man muss einen Roman gelesen haben, um zu verstehen, was das Schwarz auf dem Bild, an dieser Stelle, zu bedeuten hat. Das liegt mir nicht. Ich möchte die Menschen erreichen. Ich mag das kalte, eigentlich entmenschlichte Galerien- und Vernissagendasein

überhaupt nicht. Damit habe ich nichts zu tun.

Erhabene Schnösel reden sinnlos über irgendwas und schauen ... Das entwertet das Kunstwerk oder die Kunst. Ich gehe so gern auf Ausstellungen, aber das Publikum verdirbt es mir jedes Mal. 08/16: Welche Projekte stehen nun an?

BIWI: Zurzeit arbeite ich an einem ultimativ genialen Projekt, zu dem mich Gerhard Aba animiert hat. Vor einiger Zeit hatte Aba eine Ausstellung im Weinviertel. Als er so über den Retzer Hauptplatz schreitete, gekleidet in feinstes Tuch und mit chinesischen Schlapfen, reißt plötzlich ein Schlapfen und er schleudert ihn quer über den gesamten Platz und geht ohne weiter. In Los Angeles habe ich die ganze Zeit an diese Gaudi denken müssen und gleich zwei rosa Schlapfen gekauft. Dann habe ich Gerhard mit seinem wallenden Haar gezeichnet – auf dem Bild steht die Aufschrift ›Abas Schuach‹. Inzwischen gibt es zahlreiche Fotos von Personen mit ›Abas Schuach‹. Auch mit aufgeblasenen Kondomen habe ich den Schlapfen fotografiert (lacht). Und ein Foto

zeigt eine Klapperschlange in Angriffstellung auf dem Schlapfen. Mittlerweile habe ich schon fünf Schlapfen in unterschiedlichen Farben. Die Absicht ist natürlich auch, das einmal öffentlich darzustellen – so nach dem Motto: ›Die Sandale Abas‹.

Außerdem wollte ich immer schon ein Buch schreiben, das die Menschen wirklich lesen möchten, ein ehrliches Buch: »Der Weg des Sisyphos« – die Version für Amerika ist schon fertig. In Österreich wird es auch bald erscheinen.

Das Gespräch führte Ralf Peter Fotos: Gerhard Aba, BIWI

mit freundlicher Unterstützung von

8/Straßenkunst 05/2012/nullachtsechzehn.at

Broken Fingaz in Vienna – Sreetart Inoperable

mauertiere im Grossstadtdschungel

Broken Fingas eine Streetart-Crew aus Israel war nun für eine Vernissage zu Gast in Wien.

Eingeladen von der Galerie Inoperable präsentierten die Ausnahmekünstler ihre Arbeiten und zeigten uns ein Comic-ähnliches Paralleluniversum. Mit skurrilbizarren, grell–bunten Gemälden sind die Streetartists aus Haifa wohl das beste Aushängeschild für Streetart und urbane Kunst.

Begonnen hat alles mit Graffiti und mit den ersten »Tags« in den Straßen Ihrer Stadt. Heute reist das Künstlerkollektiv rund um den Erdball und bringt Farbe und etwas Leben in den monotonen Großstadtdschungel. Mit schrill-bunten Wandgemälden ziehen die Broken Fingaz den Betrachter in Ihren Bann und zeigen ihm eine andere Realität. Auch bei uns hinterließ die Crew bleibenden Eindruck.

Bewusst vermeiden die Künstler soziale oder politische Themen. Die Situation im eigenen Land ist kompliziert, und so möchten die Artists aus Haifa das Publikum einfach in Ihre Welt entführen. Fernab von Schwierigkeiten und Problemen.

Obwohl sich erst vor ca. 10 Jahren in Israel eine Szene begonnen hat zu entwickeln, gilt das Land heute als absolute Graffiti – Destination.

Auf Grund der Situation Israels können junge Künstler, wesentlich entspannter und von der Polizei größtenteils in Ruhe gelassen, ihrer Inspiration Ausdruck verleihen. Andere Probleme wiegen einfach

Aus der großen Vielfalt hervorragender Straßenkunst sticht der aus Gent/Belgien stammende junge Street-Art Künstler ROA heraus. Seiner Leidenschaft zu reisen haben wir es zu verdanken, dass seine meist in Schwarzweiß gehaltenen Hasen, Vögel, Ratten oder Fische mittlerweile in Metropolen wie New York, London, Paris, Berlin usw zu bewundern sind. Der Künstler, der in seiner Kindheit laut eigener Aussage stark von Tieren geprägt wurde, sieht dieses auch als zentrales Thema in seinen Werken. Seine oft als Skelett dargestellten oder halb verwesten Tiere sollen die Vergänglichkeit des Lebens darstellen. ROA, der durch Freunde zur Street-Art kam, begann mit klassischen »Tags«, entwickelte sich aber schnell weiter und begann, der Umgebung - hauptsächlich graue und triste Industrielandschaften - mit seinen markanten Arbeiten Leben einzuhauchen.

Die künstlerische Mischung aus Malerei und Graffiti macht seine Arbeiten einzigartig.

In Wien hat ROA in Zusammenarbeit mit der Galerie inoperable zum ersten Mal im Sommer 2011 auf sich aufmerksam gemacht. Auf der Westbahnstrasse Nr. 13, in einem Haus der Premium Immobilien AG ,welches spätestens im Herbst 2012 der Abrissbirne zum Opfer fallen wird »malte« er das sehr aussagekräftige Mural in Darstellung des »jagenden Fuchs« auf den »kleinen verängstigten

schwerer – offensichtlich anders als hierzulande.

Aus dieser Streetart – Bewegung entwickelten sich schon einige Talente und fanden ihren Weg in internationale Galerien. Auch in Israel selbst erfreut sich die Bewegung immer größerer Aufmerksamkeit. Dies zeigte 2011 die Ausstellung »Inside Job: Street Art in Tel Aviv« im Tel Aviv Museum of Art. Bei Streetart scheiden sich die Geister und in der breiten Öffentlichkeit finden die KünstlerInnen noch immer nicht die Anerkennung, die sie vielleicht verdienen. Ist ein Projekt von politisch und medialer Unterstützung, so ist es »Kunst im öffentlichen Raum«; ist etwas einfach aus einer Idee und einem Impuls entstanden, so hört man leider nur allzu oft Worte wie »Vandalismus« oder »verschandelt« !

Manchmal finden sich sogar noch einige wenige, die zweifelnd und gleichzeitig kopfschüttelnd die Frage in den Raum stellen, ob denn Streetart wirklich Kunst sei?! »Sieht man die Arbeiten von Broken Fingaz, gibt es keinen Zweifel und, es steht außer Frage: Streetart ist Kunst – und wahrscheinlich eine der stärksten Ausdrucksformen überhaupt!« Broken Fingaz noch bis 4.8.2012 zu sehen in der Galerie Inoperable, Burggasse 24, 1070 Wien Text: Martin Bart Fotos: inoperable www.brokenfingaz.com

Hasen«. Im Sommer 2012 kam er auf Einladung der Galerie inoperable wieder, um das Gebäude der ehemaligen Künstlerischen Volkshochschule in der Lazarettgasse Nr. 27 auf einer 23 Meter Wand mit seinen Urban Jungle Werk zu verzieren.

In seinen zahlreichen Ausstellungen unter anderem in London, New York, Berlin, Paris, Warschau und Amsterdam, stellt der Künstler seine Werke, die er auf den verschiedensten Oberflächen wie Leinwand, zusammen getackerte Holzbretter oder klassische Backsteinwände »malt« aus. »Kunst ist vergänglich«. Diese Aussage trifft wohl am besten auf den Ausnahmekünstler aus Belgien zu: denn seiner Kunst am Gebäude ist meist nur ein kurzes Leben beschert. Doch dank des Internets wird wohl auch diese Kunst in gewisser Weise konserviert.

Bleibt nur noch zu hoffen, dass nicht eines Tages das Netz ausfällt.

Text: Anja Slupek Fotos: inoperable www.roaweb.tumblr.com/

9/Cross-Medien Kunst

05/2012/nullachtsechzehn.at

Die zyklisch-lineare Welt der Simone Carneiro Eine dreiteilige Cross-Media-Inszenierung über das Primitive und die Zivilisation Simone Carneiro eine austro-brasilianische CrossMedien Künstlerin, lebt und arbeitet in Wien. Als Absolventin der Malerei und Grafik an der Akademie der Bildenden Künste liebt sie es, verschiedene Elemente und Arbeitstechniken wie eben Malerei, Collagen, audio-visuelle Performances, Video, Film, Animation und Installationen in ihrem Schaffen zu verbinden.

Ihr Hauptinteresse liegt in der konsequenten Zusammenführung verschiedener Einflüsse und dem Experimentieren mit unterschiedlichen Medien und deren Zusammenwirken, die sie auf vielschichtige Ebenen und Milieus überträgt.

Ihre Werke sind bis jetzt im öffentlichen Raum, sowie auf Medienfestivals, in Theatern und Museen haupsächlich in Österreich und Brasilien präsentiert worden. Ihre Arbeit befasst sich vor allem mit den menschlichen Aspekten und unterschiedlichen Verflechtungen, wo unser Blick in die Realität verschiedenste Formen und Farben annimmt.

Was als persönliche Reise beginnt, wandelt sich in eine Cross-Media-Inszenierung, die das Wachstum und die Entgleisung des Menschen neu darlegt; welche durch das Publikum mitschwingt und so Fragen aufkommen lassen, was die eigenen Motivationen sind. Carneiro versucht auch stets, ihr Publikum in ihre Erzählungen einzubinden, indem sie den kreativen Prozess beschreibt.

Politischer Anspruch Nachdem ihre Arbeit Eingebungen und Ideen der Menscheit versucht zu beantworten, kann man ruhig sagen, dass ihre Arbeit sehr wohl auch politische Dimensionen annimmt, ohne jedoch zu werten oder zu verurteilen. Mit ihrer öffentlichen Installation in »A Bolha« (2005), die vor dem Nationalkongress in Brasilia präsentiert wurde, versuchte sie auf die ungleiche Verteilung des brasilianischen Reichtums anzuspielen.

Die Trilogie, ein historischer Ansatz In dieser Arbeit wird eine kontrastreiche – zyklische und lineare – Herangehensweise an die Geschichte begonnen und genauestens zusammen mit dem Puplikum untersucht. Eine Ausstellung,die gegenteilige Ideen nebeneinander stellt, um deren Konflickt zu lösen.

Auf diese Weise können zwei widersprüchliche Konzepte der Vergangenheit - primitiv einerseits und zivilisiert andererseits - in dieser dreiteiligen Serie von Installationen und Performences koexistieren.

Dabei handelt es sich um eine dialektische Fragestellung, in der Simone Carneio erkundet, ob die

Geschichte auf einer übersinnlichen Erfahrung basiert, oder nur auf eine Ursache in der Gegenwart.

Ein Beispiel sei in diesem Zusammenhang angeführt: Der Mythos der ewigen Wiederkehr ist auch als Theorie des großen kosmischen Zyklus – der »Big Bang« (Urknall) bis zum »Big Crunch« (Gegenstück zum Urknall) – in der Wissenschaft wiederzufinden.

Die einzelnen Teile der Triologie, die miteinander verknüpft sind, spielen auf verschiedene Ebenen der menschlichen Geschichte an und reflektieren sowohl lineare wie auch zyklische Ansätze. Eine historische Zirkularität, die unweigerlich die lineare Vorstellung von Geschichte in Frage stellt, ohne sie jedoch zu widerlegen.

Triologie Teil 1: »Post hoc« Im ersten Teil der Performance nimmt Simone Carneiro Stellung zur Überhöhung der primitiven Unschuld.

Video Dokumentation www.bit.ly/dN08J2 Fotos www.bit.ly/fSDfez Arbeitergebnisse www.bit.ly/gqgG1u

Triologie Teil 1: »Post hoc« links: »Post hoc 1« Edition: 25 prints rechts: »Post hoc 2« Edition: 25 prints

Triologie Teil 2: »Affluenza» links: »Well, well now« 106 cm x 120 cm

Triologie Teil 2: »Affluenza« Im zweiten Teil bezieht Simone Carneiro Stellung und zeichnet Parallelen zwischen der Entstehung und des Zerplatzens spekulativer Blasen. (dot.com Firmen) Video Dokumentation www.bit.ly/fZUHZQ Fotos www.bit.ly/gtHQ6f Arbeitergebnisse www.bit.ly/dRrvhp Triologie Teil 3: »The One Big One« Im dritten Teil der Triologie wird Simone Carneiro über die blutige Ebbe und Flut der menschlichen Ereignisse reflektieren.

Konkret wird sie ein Turnier im Rahmen einer Paintball Schlacht mit Schauspielern inszenieren. Der Hintergrund bildet die utopisch aussehende Landschaft von Bohunice in der Slovakei. Die Hürden, die teilweise mit Leinwand abgedeckt sind, werden dann mit Farbe beschossen und erzeugen so die fertigen Kunstobjekte. Das Ganze wird wird per Video dokumentiert und danach für eine abstrakte Videoarbeit verwendet.

www.simonecarneiro.net carneiro.simone@gmail.com

rechts: »Liquid« 50cm x 50 cm

Triologie Teil 3: The One Big One

10 / M a l e r e i 0 5 / 2 0 1 2 / n u l l a c h t s e c h z e h n . a t

»Malerei ist eine Haltung. Eine generelle!« Im Atelier »Gerberhof« im oberösterreichischen Ried/Innkreis werkt Günter Patoczka als »hackelnder Künstler«. Dabei verstört und versöhnt er sein Publikum gleichermaßen.

Zuerst zünden wir uns freilich eine Zigarette an. Zur Beruhigung. Denn beim Interview mit dem Autor dieser Zeilen scheint der 1956 in Gmunden geborene bildende Künstler Günter Patoczka ein wenig aufgeregt zu sein – wie auch der Interviewer selbst, der sich nur eher schlecht als recht auf das Gespräch vorbereiten konnte. Mörderischer Zeitdruck und so.

Beider Nervosität ist freilich gänzlich unbegründet.

Denn der oberösterreichische Maler hat genug zu erzählen. Dass er am Salzburger Mozarteum von 1972 – 1977 Bühnenbild, Kostümentwurf und Bühnenmalerei studiert hat etwa. Dass er sieben Jahre lang als technischer Leiter am Wiener Schauspielhaus, am Staatstheater München und am Grand Theatre Genéve tätig war. »Ich habe da ja spitzenmäßig verdient«, erzählt Patoczka, »aber das hat sich umgepolt.« Wir zünden uns eine neue Zigarette an. »Meine kleine Tochter«, sagt er, »hat zu mir damals Onkel gesagt, weil ich nie zuhause war. Da wird dir dann klar: Ich kriege gar nichts mehr mit!

Und die Freundschaften waren nur welche vom oder am Theater. Und dann geht man zusammen saufen und redet erst wieder nur über die Arbeit.« So war dann 1983 Schluss mit der Tretmühle und Günter Patoczka ging das Wagnis »Freischaffender« ein. Nicht zuletzt auch aus persönlichen und fami-

liären Gründen. Und seither werkt er im zeitweise luftleeren Raum der Kunst. »Es gibt schon Zeiten, wo ich sagen kann: ich kann gut davon leben. Aber es gibt auch Zeiten, wo ich 6000 € im Jahr umsetze.« Das hat allerdings auch damit zu tun, dass er sich nicht verbiegen lassen will: »Klar hat es da auch schon Galerien gegeben, die gesagt haben `Mach das! Und geh in die und die Richtung, dann nehmen wir dir 50 Bilder ab´! Aber ich wehre mich dagegen, dass jemand glaubt, ein Bild bestellen zu können.« Die Kraft dazu und den nötigen seelischmoralischen Rückhalt, sagt er, bevor wir die nächste Zigarette rauchen, gebe ihm die Familie: »Hinter jedem Künstler steckt eine Frau.« (Klingt wie eine Liebeserklärung; ist wahrscheinlich auch eine.)

Jedenfalls sind seither jede Menge Projekte, Events und Ausstellungen entstanden und veranstaltet worden, die das Publikum im ersten Moment zwar leicht befremdet haben, letztlich aber auch versöhnend und befriedend wirkten. Das Schulprojekt »Feuerturm« aus 1992 etwa, in Aurolzmünster; da wurde zunächst ein fünfzehn Meter hoher Turm aufgeschichtet und schließlich abgefackelt. »Da kommt natürlich der örtliche Musikverein«, erzählt Patoczka, »und die Freiwillige Feuerwehr. Die waren damals dort aber total verfeindet. Schließlich war das dann aber ganz einfach ein riesiges Fest mit 1500

Leuten und am Schluss haben sich alle vertragen.

Auch der Musikverein und die Feuerwehr.« Oder das Projekt mit den Tonobjekten, die Patoczka zwei Tage lang in einer Lehmgrube gebaut hat; da wussten die Leute anfangs auch nicht, was von dem Mann, der da im Gatsch herumbaut und schwitzt und schuftet zu halten ist. Bis sie gesehen haben, dass das was wird. »Ich bin einer, der zum Angreifen ist«, sagt der Künstler, »es ist für mich ganz wesentlich, dass die Leute wissen: der kann auch hackeln. Das, was der da macht, ist Arbeit«.

Das Zentrum dieser Arbeit ist freilich die Malerei.

Ein gemaltes Bild sei lesbare Schrift, gleichsam ein Seelenspiegel: »Deshalb sind meine Arbeiten im eigentlichen Sinne nicht abstrakt, sondern gegenstandslos«, erklärt der Oberösterreicher. »Für mich ist die größte Strafe eine leere Leinwand. Wenn die aber umfällt, und da ist ein Schmutz drauf, dann ist schon was da.« Damit könne man auch weitermachen. Günter Patoczka arbeitet laut Eigendefinition nicht intellektuell, sondern geht emotional an die Sache heran: »Das Bild zeigt mir, was es will.« Es gehe auch darum, assoziativ zu sein und innere intellektuelle Schranken und Grenzen zu überwinden: „Ich gehe davon aus, dass wir alle irrsinnig viele Türen in uns tragen. Es geht darum, diese Türen zu öffnen. Aber man muss tunlichst diese Türen

beizeiten wieder schließen; sonst kriegst´ ein ganz windiges Haus…“ Wir zünden uns eine letzte Zigarette an. „Ich arbeite nur mehr mit Acryl!“ Aha. Wieso? „Ich rauche wie ein Schlot – und das hat sich mit den Ölfarben und den ganzen Lösungsmitteln nicht mehr vertragen“.

Gut zu wissen. Demnach fliegen wir heute also nicht in die Luft…

Text: Alexander Svojtko

G ü nt e r P atoczka Atelier: »Gerberhof«, Vogelweg 1 4910 Ried i. Innkreis g.patoczka@yahoo.de Aktuelle Arbeiten: Serie »Tor« Serie »Part Of« Ausstellungen: Hipphalle Gmunden MUFUKU - Galerie, Weibern Ausstellungsbrücke,NÖ Landesreg.

Insgesamt 160 - 170 Ausstellungen/ bzw. -beteiligungen seit 1983

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Sminfinita Fashion for female freethinkers Seit ihrer frühen Jugend war die Kreation von Mode und die Individualisierung durch Kleidung die Leidenschaft von Jasmin Schaitl. Unter dem Namen Sminfinita kreiert sie nun urbane Mode, die durch ihre Farbintensität, ihren Minimalismus an Mustern und Schnitten, als auch durch ihre eigenwillige Kombination an Stoffarten auffällt.

Das Resultat: Ein sichtbarer Mix aus Eleganz, Sportlichkeit und der Betonung des Körpers. Jedes Stück ist ein Einzelteil, jedes in seinem Farbsetting individuell und meist auch variabel tragbar.

Durch die Verarbeitung hochwertiger Jersey- und Viskosestoffe ist ein hoher Tragekomfort bei gleichzeitiger Körperbetonung möglich. Die Zusammenführung davon mit sportlichen Stoffsorten prägt die Ästhetik von Sminfinita und vermittelt eine Stärke, um die weibliche Figur zu unterstreichen.

Jedes Teil Modestück wird von Jasmin Schaitl handgefertigt. Inspiriert wurde sie bei ihrer neuesten Kollektion Techno insbesondere durch ihren

J asmin S chait l Jasmin Schaitl, geboren in Wien, studierte an der Universität für Angewandte Kunst Wien bei Barbara Putz-Plecko Kunst und kommunikative Praxis sowie Textil–Kunst, Design, Stiles. Im Zuge ihres Studiums beschäftigte sie sich immer mehr mit Performance Art. Abseits der Modewelt ist sie mit ihrer Performancekunst international aktiv und gewann 2012 u.a. den Preis Roter Teppich für junge Kunst.

Ihr Modestil wurde durch ihre Arbeit im Kunstkontext kontinuierlich bereichert und weiterentwickelt.

www.jasminschaitl.com

mehrmonatigen Aufenthalt in der lebendigen und kreativen Stadt Berlin. Viele Teile von Techno können mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllen: Sie sind sowohl als Kleid, Rock als auch als Oberteil tragbar, da durch ein Tunnelsystem die Länge des Kleidungsstückes individuell immer wieder aufs Neue, schnell und einfach verändert werden kann. »Über die Mode kommunizieren wir, wer wir sind und wer wir sein wollen. Veränderung und Anpassung sind Teile des urbanen Lebens und sollen auch nicht in der Mode fehlen.« Sminfinita steht für kreative Denkerinnen, selbstsichere Persönlichkeiten und Ausdrucksstärke. »Sminfinita is fashion for female freethinkers.« Sminfinitas Mode ist beispielsweise bei Sack&Pack, Margaretenstrasse 50, 1040 Wien; im Aurinshop, Kirchengasse 25, 1070 Wien, sowie über weitere Kooperationen auch in anderen Läden erhältlich.

www.sminfinita.com

13 / M o d e

05/2012≠/nullachtsechzehn.at

14 / U n k u l t u r 0 5 / 2 0 1 2 / n u l l a c h t s e c h z e h n . a t

Zur Verknappung der Lebenswelt(en) Je weiter die Schere der Ungleichheit auseinandergeht, desto klarer wird, dass das Prekariat und Kognitariat an Aktualität und Realität gewinnt. und -bestimmung an den Universitäten und in den Betrieben entsprach dabei eine nachdrückliche Machtkritik an den bestehenden Verhältnissen und – vor allem im deutschsprachigen Raum – die bohrende Frage, was denn die Väter so im Krieg getan.

Unter den Talaren, der Muff von tausend Jahren.

In den letzten Jahren machte sich indes ein eigentümliches 68er-Bashing in den deutschsprachigen Feuilletons, Redaktionsstuben, Parteien und Bildungsanstalten breit: die langhaarigen Linken hätten durch die Infragestellung der Familie und mit der sexuellen Revolution die (konservative) Keimzelle der Gesellschaft zerstört; sie hätten mit ihrem individualistischen Hedonismus den Neoliberalismus vorweggenommen; sie hätten mit ihrer Klassenkampfrhetorik direkt in den Terrorismus geführt und ob ihrer Ideologie den bereits damals gescheiterten Sozialismus befördert. Überhaupt sei alles obsolet, woran die 68er »damals« geglaubt hätten, obwohl sie – fast wie Bruno Kreisky – gleichzeitig an allem schuld sein sollen.

Tina Mendelsohn: Herr Boltanski, Sie attackieren auch die 68er-Bewegung. Sie sagen, es sind Werte durch die Attackierung des Bürgerlichen und des Bürgertums verloren gegangen. Ist es das, was diese meritokratische Revolution dann auch zerstört hat?

Luc Boltanski: Nein, ich meine, das ist ein Missverständnis, dass ich die 68er angreife. Ich habe einen sehr großen Respekt vor dem, was in den 68erJahren erreicht wurde. Man könnte im Gegenteil das intellektuelle und politische Leben der letzten dreißig Jahre als einen Versuch der reaktionären Kräfte beschreiben, sich der Bewegung der 68er und der Werte der Emanzipation zu entledigen.

kurzer Auszug aus einem bezeichneten Interview in 3sat-Kulturzeit.

Interview unter: www.3sat.de/mediathek/mediathek.php?obj=25963&mode=play

3sat-Kulturzeit: Luc Boltanski und Tina Mendelsohn, © 3sat

Kein anderes Ereignis des 20. Jahrhunderts hat für die Nachgeborenen und dabei für die internationale Linke eine so einschneidende Bedeutung gehabt wie die Weltrevolution der Neuen Linken im Jahr 1968. Black Power, Hippies und Antikriegsbewegung in Amerika, die Maiunruhen in Paris, die Märzunruhen in Polen, die studentischen Zengakuren in Japan, generalstreikende ArbeiterInnen in Frankreich

und Italien, die außerparlamentarische Opposition in Deutschland, die Frauenrechtsbewegung und aktionistische KünstlerInnen, der Globuskrawall in der Schweiz und der Prager Frühling standen im globalen Kontext des Kalten Krieges. In Frankreich wurde der Staat erschüttert, in Deutschland kam es zu Straßenschlachten und selbst in Österreich bündelten sich diese Ereignisse und Strömungen in der so genannten »Uni-Ferkelei«. Mit all diesen Aktionen und revolutionären Ereignissen war dabei auch eine Erweiterung der gesellschaftlichen und demokratischen Lebenswelt(en) verbunden, die sich den konservativen, verstockten und faschistoiden bis faschistischen Verhältnissen der 50er und 60er-Jahre entgegenstellten. Kleidungsvorschriften wurden dabei genauso in Frage gestellt wie bürgerlicher Habitus, Sexualität, Wohngewohnheiten und Redeweisen. Radikaldemokratischen und antikapitalistischen Forderungen nach Mitsprache

Demgegenüber lässt sich indes mit allem Nachdruck behaupten, dass die 68er – und gerade sie! – uns bis heute hervorragende theoretische und praktische Mittel hinterlassen haben, um den derzeitigen Weltzustand der deregulierenden Globalisierung zu begreifen. Werfen wir also einen Blick auf die innere Funktionsweise und die Produktionsbedingungen des aktuellen Kapitalismus, um kursorisch auszumachen, wie genau unsere Lebenswelten seit 30 Jahren systematisch verknappt werden, was französische Intellektuelle scheinbar leichter sehen können als deutsche Redakteurinnen.

Prekarisierung, Verschwinden des Mittelstands und Finanzmärkte

Fight Club, David Fincher (1999), ©: Fox 2000

Entgegen der neoliberalen Doktrin der Deregulierung wurde das kapitalistische Gesamtsystem in einer noch nie zuvor gesehenen Art und Weise ky-

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bernetisch durchreguliert, um auch noch die letzte Pore des Sozialen und der Gesellschaft zu besetzen bzw. auszumerzen. Deleuze und Guattari hatten diese Bewegung des global integrierenden und auf allgemeine Äquivalenz zulaufenden Gott-Kapitals als Territorialisierung aller (minoritären und molekularen) Lebensbereiche bereits zu Beginn der 70er diagnostiziert. Eine Zeit, in der auch Jürgen Habermas den von Husserl und Schütz übernommenen Begriff der Lebenswelt – wohl auch in Erinnerung an Marxens Lebenskraft – gegen die systemtheoretische Vereinnahmung durch Steuerungsmedien in Stellung brachte. Sowohl deutsche als auch französische 68er haben mithin das begriffliche Rüstzeug hergestellt, um auf das zu reagieren, was heute mit der breiten Prekarisierung der Gesellschaft und dem Verschwinden des Mittelstands vor Augen steht.

Nämlich ein immer weiteres Auseinanderdriften von Kapital und Arbeit, dem ein buchstäblicher Wirtschaftskrieg noch in den zivilisiertesten Gegenden und Räumen entspricht. Je weiter also die Schere der Ungleichheit auseinandergeht, je mehr Menschen also erneut in Lohnarbeitsverhältnisse gedrängt werden (und es waren in der Geschichte des Kapitalismus noch nie so viele wie heute!) desto klarer wird auch, dass die Kategorie des Proletariats – auch als Prekariat und Kognitariat – wieder an Aktualität und Realität gewinnt, nachdem sie ganz gezielt von konservativer und reaktionärer Seite her delegitimiert wurde, um Gewerkschaften und linke Radikalökonomien bis hin zur (historischen und gegenwärtigen) Unkenntlichkeit zu schwächen und zu zerstören. Ein Wiener Bezirksrat brachte jüngst diese Phraseologie des Neoliberalismus auf den Punkt: »Proletarier aller Länder, vereinzelt Euch!«

Fundamentalismen, weil der Kapitalismus nicht nur aus der Religion stammt, sondern tatsächlich – wie Benjamin mit Marx festhielt – eine Kultreligion ist, die es rational aufzuklären und im Blick auf den Sozialismus zu überwinden gilt. Oder es explodieren eben – wie am Ende von Fight Club (David Fincher, 1999) – die Hochhäuser und Zentralen aller Kreditkartenunternehmen und Bankster, um sämtliche Konten entschuld(ig)end auf null zu stellen. Ach, die linke Gewaltbereitschaft, die sich immer schon gegen Schwächere gerichtet hat!

Mag es dahingehend auch sein, dass in Westeuropa – in den USA kann man sich da wahrlich nicht mehr sicher sein – die Menschen im Durchschnitt noch genügend zu essen haben. Wohl ist aber aus soziologischer Sicht eine innere, eine psychische Verelendung zu konstatieren, die ökonomisch ganz klar damit zu tun hat, dass die auf den Finanzmärkten zirkulierenden Werte keine realwirtschaftliche Entsprechung mehr in der sozialen Wirklichkeit der Menschen haben. Eigentümlich, dass der von den 68ern so verehrte Karl Marx auch hier wieder Recht behält: Denn wenn die Geldwerte (G-W-G’) vollständig von den Warenwerten (W-G-W’) abgekoppelt werden (G-G’-G’’), deliriert der Kapitalismus sich paranoisch nur mehr selbst und wirft alle Akteure in einen unaufhebbaren Schuldzustand, den der Proto-68er Walter Benjamin die völlige Verschuldung Gottes nannte. (Genau diese Tendenz steht mit der Rettung der Banken nach der letzten Finanzkrise vor Augen, die streng genommen nichts anders war als eine breit angelegte Bevölkerungsenteignung und d.i. Bevölkerungsbeschuldigung.)

Den letzten zwanzig Jahren entspricht daher gerade deshalb ein Aufleben verschiedenster religiöser

Permanente Taktung durch digitale Sozialdisziplinierung

Lawrence Summers & Brooksley Born in Inside Job, Charles H. Ferguson (2007), © Sony Pictures Classic

Der genannten Fiktionalisierung der Werte (G-G’G’’) auf den Finanzmärkten entspricht dabei eine kapitalistische Ökonomisierung und Verknappung aller gesellschaftlichen Felder und Lebenswelten im digitalen Semiokapitalismus. Um diese betriebswirtschaftliche Taktung aufrechterhalten zu können, ist es schon in der Fabrik des 19. Jahrhunderts auf breiter Ebene notwendig geworden, die »gelehrigen Körper« (Foucault) verschiedenen Formen der Disziplinierung zu unterwerfen. Über Taylorismus und Fordismus hinaus hat die dritte, die digitale industrielle Revolution aber auch neuartige Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine implementiert, die gleichzeitig einem radikalen Abbau von Arbeitsplatzsicherheit, Lebensqualität und Lebenserwartung entsprechen. Die (überaus fragwürdige) neoliberale »Freiheit« der Ich-AG besteht ja genau genommen nur in der permanenten Bereitschaft der proletarisierten Wissensarbeiter (cognitarians) ihr Know-How weltweit und stundenweise von zuhause aus (Outsourcing!) auf den Markt zu werfen.

Gänzlich beschleunigte und getaktete Lieferung der Hirnware korreliert dann mit gänzlich kapitalisierten und digitalisierten Niedrigstlöhnen. Also eigentlich kein Wunder, dass die Ich-AG vier bis sechs Verträge als »freie« Dienstnehmer haben und doch nicht über die Runden kommen. Aber die neoliberale Ideologie verlautbart und hämmert ein: »Geht’s mir selbst gut, geht’s der Wirtschaft gut!« Dieser gezielten Zerschneidung der individuellen und damit auch kollektiven Sozialkörper im Spätkapitalismus entspricht dabei ein fataler Abbau der Demokratie (Habermas), da er die Individuen hoch-

gradig isoliert, von anderen abkoppelt und so jede Form von Mitsprache schon im Keim erstickt. Und miteinander reden ist nun mal eine kollektive Sache zwischen Ich und Du, die sich nicht auf eine Robinsonade zurückführen lässt. Eben dieser egoistischen Individualität eines vermeintlich rationalen homo oeconomicus folgen indes unsere akademischen Ökonometrien. Kein Wunder also auch, dass an der Wiener Wirtschaftsuniversität die radikale Ökonomie abgeschafft wurde und sich Larry Summers, der lächerliche und gefährliche ehemalige Präsident der Harvard University, auf das Härteste gegen die Regulierung der Finanzmärkte stemmt, wie in dem herausragenden und vom Titel weg bezeichnenden Dokumentarfilm Inside Job (Charles H. Ferguson, 2010) nachgewiesen wurde. Die emanzipatorischen Werte der 68er bzw. der ArbeiterInnenbewegung (Freiheit, Gleichheit, Solidarität oder auch Kooperation statt Konkurrenz) werden eben punktgenau und angeblich »wissenschaftlich« auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen und oft genug als romantisch stigmatisiert, weil sie angeblich ein Gemeinsames unterstellen, dass nicht eingeholt werden kann. Komisch nur, dass sich so viele (auch und vor allem ältere) Menschen daran erinnern können, dass sich im Sozial- und Wohlfahrtsstaat Inseln des Gesellschaftlichen etabliert hatten, aus denen Demokratie allererst entstehen konnte. Dabei war der Sozial- und Wohlfahrtsstaat faktisch nur die Hälfte des Möglichen. Oiso, losst’s ma de oidn leit in ruah!

Spaltung der Linken und deutsche Ideologie(n)

Deutschland im Herbst, R.W. Fassbinder,

auch die etablierten Standards des Sozial- und Wohlfahrtsstaates. Jeder Gedanke an die Gemeinde (man denke an die Pariser Commune von 1789 und 1871) und an gemeinsames oder öffentliches Eigentum wurde mit dem Hinweis auf den Totalitarismus fast schon unter Strafe gestellt, wodurch auch die sozialdemokratischen Parteien dem Sozialismus abschwören sollten und dies auch taten. Obwohl in den 90er-Jahren mit den Debatten zum Kommunitarismus im angelsächsischen Raum eben dieses Gemeinsame auf dem diskursiven Spiel stand, dürfte erst durch die letzte Finanzkrise dahingehend ein Wandel eingesetzt haben. So hatte die Occupy Wall Street Bewegung einen Spruch kreiert, der das hier Diskutierte hervorragend zusammenfasst und im Grunde auch über Hardt und Negri hinausgeht, da die multitude nun wieder Gemeinsames sucht: We find Communality in our Diversity!

Demgegenüber schaffen es neoliberale deutsche Ideologen wie Peter Sloterdijk allen Ernstes, Steuern abschaffen zu wollen, weil auch ihnen noch der Geruch des totalitären Übergriffs auf die unendliche Freiheit des (philosophisch und d.i. ökonomisch spekulierenden) Individuums anhaftet. Lassen wir uns an diesem Punkt nicht täuschen: Die Deregulierung aller Märkte setzt keine Lebenswelten frei, sondern reguliert kybernetisch erst Recht im Sinne des kapitalistischen Totalitarismus der Finanzmarktdiktatur, die mehr und mehr vor Augen steht und – etwa mit dem AMS oder Hartz IV – schmerzhaft in die Körper der Menschen eingreift, um sie zu takten, zu normieren, zu (re-)sozialisieren und ökonomisch wiederverwertbar zu machen. Vorsicht ist auch geboten, wenn aus Michel Foucaults linker Widerstandsfigur einer Sorge um Sich eine psychotische und kapitalistische Sorge ums Ich wird. Man soll auch schon deutsche Professoren und Beamte gesichtet haben, auf deren kulturwissenschaftlicher Agenda die gänzliche Absage an die Aufklärung und den Gesellschaftsbegriff ganz oben steht und zum buchstäblichen Programm erhoben wurde. Im Grunde bleibt da in unseren verknappten Lebenswelten nur Eines zu sagen:

A. Kluge et.al (1974), © Filmverlag der Autoren

Es ist deshalb mit allem Nachdruck daran zu erinnern, dass die letzten zwanzig Jahre in der Geschichte der ArbeiterInnen- und StudentInnenbewegung einen defensiven Tiefpunkt darstellen.

Nach dem Niedergang der realsozialistischen Staaten sackten auch im Westen die linken und progressiven Parteien ideologisch ein, obwohl sie dies kaum nötig gehabt hätten. Im Sinne der soeben skizzierten Neoliberalisierung wurden nach der Wende alle Begriffe und Konzepte, die das Gemeinsame oder Gesellschaftliche betrafen, durch die Fortsetzung eines marktschreierischen Antikommunismus zerschlagen und delegitimiert. Mit dem Kommunismus fiel daher auch das Soziale in der sozialen Marktwirtschaft des Westens und mithin

La lotta continua! La lutte continue!

Der Kampf geht weiter!

Wobei dieser Satz in den romanischen Sprachen nicht so sehr nach Mord und Totschlag klingt wie im Deutschen. Man denkt an Deutschland im Herbst (Rainer Werner Fassbinder, Alexander Kluge, Volker Schlöndorf et. al., 1974) Und im freundschaftlichen Gruß an Luc Boltanksi rufen wir aus: Willkommen in der Vorhölle!

Text: Alessandro Barberi Foto: www.lcr-lagauche.be

16 / B e w e g u n g 0 5 / 2 0 1 2 / n u l l a c h t s e c h z e h n . a t

Wir bleiben Alle!

Von der Hausbesetzung in der Lindengasse/ Wien-Neubau im heißen Herbst 2011

Hausbesetzungen sind in Wien mittlerweile ein selten gewordenes Phänomen. Zwar passierten sie in den letzten zwei Dekaden dann und wann, aber meist waren es nur kurze Episoden von wenigen Stunden, oder, wie im Sommer 2011 im Lobmeyerhof eine knappe Woche.

Als am 13.Oktober 2011 die Häuser Lindengasse 60-62 besetzt wurden, dachte wohl noch niemand daran, dass diese Aktion zur längsten Hausbesetzung in Wien seit 20 Jahren auswachsen würde.

27 Tage konnten die Häuser gehalten werden, 27 spannende Tage, in denen sich allerhand getan hat.

Ich hatte, zusammen mit meinem Kollegen Florian Höllerl, den Auftrag von der Ö1 Redaktion »Hörbilder« ein Feature über die Besetzung zu machen.

Zum Thema passend, hatten wir wenige Wochen zuvor schon ein Hörbild über die Arenabesetzung 1976 gemacht. Anfangs waren wir noch etwas skeptisch, ob sich die Besetzung lange genug halten würde, um eine lange Geschichte darüber machen zu können. Aber der überwältigende Eifer der Aktivisten und Aktivistinnen belehrte uns bald eines besseren. Innerhalb weniger Tage verwandelten sie die leerstehenden Gebäude in ein buntes Zentrum libertären Denkens.

Der heisse Herbst 2011 - weltweite Proteste und Umwälzungen Im Fahrwasser der weltweiten Proteste und Umwälzungen besetzte eine zunächst kleine Gruppe autonomer Aktivisten und Aktivistinnen und Menschen aus dem Umfeld der »Uni brennt« - Bewegung pünktlich zur weltweiten »Occupy« - Demo am 15. Oktober (die ja auch in Wien stattfand) die Häusergruppe 60-62 in der Lindengasse. Man wollte gewappnet sein für den Fall, dass auch in Wien Menschen sich dazu entschließen könnten, im schon relativ kalten Wetter öffentliche Plätze zu besetzen, ähnlich wie das schon in anderen Großstädten der Fall war. Daher fand die eigentliche Besetzung schon 2 Tage vor der Großdemonstration statt, um die Räume für die Aktivisten und Aktivistinnen schon einmal vorzubereiten. Die Häuser waren in gutem Zustand. Strom und Heizung funktionierten.

Die Wahl der Häuser war aber nicht zufällig.

Der Eigentümer BUWOG, im Herbst 2011 fast täglich im Zusammenhang mit den Korruptionsvorwürfen im Zuge der Privatisierung unter dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser in den Medien, eignete sich hervoragend als Synonym für undurchsichtige Machenschaften neoliberaler Politik. Der Plan der BUWOG war es, die Häusergruppe abzureissen und an deren Stelle ein mehrstöckiges Wohn-

haus mit Tiefgarage zu bauen. Dazu sollte noch ein Teil des Grundstückes einer öffentlichen Grünfläche gewidmet werden. Richtig los ging es mit der Besetzung am 14.Oktober. Nach einer »Reclaim the Streets« Veranstaltung versammelten sich ca.

300-400 Leute auf dem Gelände der Lindengasse 60-62, dem »Epizentrum«, wie das Projekt von nun an heißen sollte. Hunderte Leute tummelten sich in den unzähligen Räumen, es wurde aufgelegt,

musiziert und diskutiert. Im Hof versammelten sich die Menschen um brennende Feuertonnen, zudem fand eine beeindruckende JonglagePerformance statt. Die Polizei registrierte zwar das Treiben, hielt sich aber zurück.

Am 15.Oktober, am Tag der »Occupy« Demo kamen aufgrund der verteilten Flyer auch wieder einige hundert Menschen ins Epizentrum. Es war anzunehmen, dass es nach dem Wochenende zu einer

Räumung kommen würde. Nachdem diese aber ausblieb, wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den neuen Freiraum mit Leben zu füllen.

Ab diesem Zeitpunkt war für die meisten klar: Wir bleiben. Der Ort war wie geschaffen für ein autonomes Kulturzentrum. Unzählige Räume und Hallen, die nur darauf warteten bespielt zu werden.

In diesen ersten Tagen stand das gesamte Gelände unter Strom. Wenn man das Gelände betrat, konnte man eine unglaubliche Geschäftigkeit spüren - in Plena wurde über die Raumaufteilung diskutiert, eine Bar wurde gebaut, ein Infoladen entstand, an allen Ecken und Enden wurde gewerkt. Der Kost-nix Laden zog ein. Die freie Uni begann Vorlesungen zu organisieren und eine Armada von Graffiti Artists begann dem gesamten Gelände einen adäquaten Look zu verleihen. Polizei und BUWOG agierten auch jetzt noch zurückhaltend. Für die Medien war die Besetzung nicht mehr als eine Randnotiz. Nach relativ kurzer Zeit war man bereits im Web präsent: Unter http://epizentrum.noblogs.org/ konnte man sich von nun an stets über die Aktivitäten im Epizentrum am Laufenden halten. Die Seite ist nach wie vor noch im Netz.

Beeindruckend war, wie schnell sich innerhalb selbstverwalteter Strukturen die verschiedensten Bereiche organisieren. In kürzester Zeit gab es eine Volxküche die mit »gedumpsterten« Lebensmitteln täglich groß aufkochte, Räume wurden eingerichtet. Ein Medienraum entstand, der quasi das Herz des »Epizentrum« darstellte. Von hier aus wurde sämtliche Medienarbeit abgewickelt, bis spät in die Nacht wurde mit Laptops an Aussendungen und an der Webseite gearbeitet. Einer der Höhepunkte im Epizentrum war zweifellos der Einzug der Critical Mass Demo am 21.10. Critical Mass ist, für all jene die das nicht wissen, eine monatliche Fahrraddemo, die quer durch die ganze Stadt führt. Diesmal war das Ziel das Epizentrum. An jenem Abend waren fast 1000 Menschen im Epizentrum, es herrschte eine Superstimmung. Im Hof brannten die Tonnen,

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ausgelassenes Treiben am allen Ecken und Enden, es wurde kommuniziert, musiziert, gekifft, getrunken und an Fahrrädern herumgeschraubt. Der Ort hatte das Flair einer befreiten Stadt in der offenbar alles möglich war. Vom Dach des zweiten Gebäudes, der ehemaligen Heimat der »Neuen Sentimental Film«, aus konnte man dieses surreale Bild im Hof gut überblicken. Außerhalb der Mauern des Geländes herrschte die übliche Normalität, innerhalb der Mauern entstand ein Universum, dass offenbar dazu in der Lage war, nach ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten zu existieren. Im Haus spielten an jenem Abend die Band »Traumwandler«, ein Duo, bestehend aus einem gitarrespielenden Didgeridoospieler und einem Schlagzeuger, explosive Musik.

Explosiv war auch ein anderer Umstand: Im Infoladen herrschte Rauchverbot aufgrund eines Gaslecks!

Wenige Tage später tauchten dann Leute von der Stadt Wien und der BUWOG auf, um die Rahmenbedingungen für eine mögliche Zwischennutzung zu postulieren. Kernpunkte waren, dass die BUWOG nicht für Unfälle auf dem Gelände haftet, Beteiligung der BesetzerInnen an Strom und Gas – und – von einer permanenten Besetzung, so wie auf der Webseite verlautbart – in Hinkunft Abstand zu nehmen. Ein Treffen zwischen Besetzern und BUWOG an einem neutralen Ort scheiterte aufgrund eines fehlgeleiteten Emails. Zu einem weiteren Treffen sollte es auch nicht kommen, stattdessen wurde von der BUWOG ein Ultimatum ausgesprochen, die Häuser bis zum 2. November, 18h zu räumen. Die Probleme mit dem ausströmenden Gas wurden behoben, allerdings wurde auch gleich die Gaszufuhr zum Haus abgedreht.

Für Montag, den 31.Oktober wurde eine Pressekonferenz anberaumt. Ganz im Sinne Halloweens waren die Besetzer bunt verkleidet - und - vermummt. Die Veranstaltung war gut besucht, sowohl von Journalisten als auch von Sympathisanten.

Von einer Pressekonferenz kann man in diesem Zusammenhang eigentlich gar nicht sprechen, das Ganze glich eher einem dadaistischen Theaterstück. Überall verteilt im Raum standen vermummte Gestalten. Zum üblichen Frage und Antwort-Spiel kam es erst garnicht, vielmehr wurden einfach Forderungen lautstark klargemacht.

Die Heterogenität der Gruppe zeigte sich hier sehr deutlich. Am Ende der Pressekonferenz wußte man zwar nicht viel mehr als vorher, war aber um ein skurriles Erlebnis reicher. Überraschenderweise berichtete der ORF in »Wien heute«, sowie auch über den ganzen Zeitraum hinweg, sehr wohlwollend über die Besetzung und auch die »Pressekonferenz« kam recht gut weg dabei.

Am nächsten Tag, dem 1.11. war eine sehr interessante Veranstaltung - Arena 1976 Besetzerin und nunmehrige Leiterin der »Wiener Musik Galerie« Ingrid Karl und der Sozialwissenschafter und Aegidigasse-Besetzer Robert »Fuzi« Foltin waren eingeladen, um von ihrer »Besetzer«-Vergangenheit zu erzählen. Ein Veteranentreffen im wahrsten Sinne des Wortes - an diesem Abend fanden sich aus allen Dekaden österreichischer Gegenkultur Menschen ein. Für mich war dieser Abend, neben der obenerwähnten legendären Nacht des 21.10. der absolute Höhpunkt im Epizentrum, weil es zeigte, dass es viele Menschen in unserer Stadt gibt, die ein autonomes Kulturzentrum heutiger Prägung für notwendig erachten. Am darauffolgenden Tag, Mittwoch, vormittag wurde der Strom endgültig abgedreht - das Ultimatum zur freiwilligen Räumung war für 18h anberaumt.

Eilig wurden Dieselgeneratoren herbeigeschafft, um wenigstens noch die wichtigsten Räume, wie etwa den Medienraum mit

Strom zu versorgen. Die Stimmung im Haus war düster. Es war November, draußen war es kalt und es wurde, der Jahreszeit entsprechend, früh dunkel. Im ganzen Haus wurden Teelichter aufgestellt. Gegen 18h, also zum Ablauf des Ultimatums kamen viele Menschen. Vor dem Haus, an der Kreuzung beobachtete die Polizei und der Verfassungsschutz das Treiben. Für 20h wurde ein Plenum zur Besprechung der weiteren Vorgangsweise angesetzt. Die Stimmung im Haus war konspirativ. Im großen Raum im Erdgeschoß versammelten sich etwa 100 Leute. Im Kerzenschein wurde über Möglichkeiten der Verteidigung des Hauses diskutiert. Die Spannung im Raum war spürbar. Man hatte das Gefühl in einer Festung zu sitzen, kurz vor der Erstürmung. Etwas lockerer ging es in der Bar zu. Es gab zwar keinen Strom, aber dafür Getränke gegen freie Spende und eine kleine Jamsession. Der Abend und die Nacht gingen dann ohne Räumung vorüber. Auf der Webseite wurde noch weiter Programm angekündigt, doch es war klar: In den nächsten Tagen wird es zu einer Räumung kommen.

Am 8.11. war es dann soweit. Der Bereich um die Lindengasse wurde von der Polizei weiträumig abgesperrt, etwa 150 Polizisten, davon ca. 50 Wega-Beamte waren im Einsatz. Über dem siebten Bezirk kreiste ein Hubschrauber. Ein gepanzertes Räumfahrzeug wurde aufgefahren. Journalisten und Schaulustige versammelten sich vor dem Haus und in den anliegenden Gassen. Statt der befürchteten Häuserschlacht begrüßten die Besetzer die Polizei mit Kaffee und Kuchen. Die Beamten verschafften sich innerhalb kürzester Zeit Zutritt zum Gelände. Nacheinander wurden die verbliebenen 25 Besetzer aus dem Haus geleitet. Während die Räumung eher unspektakulär verlief, formierte sich währenddessen vor dem Epizentrum ein größere Gruppe (vielleicht 150 Leute) von Aktivisten und Sympathisanten zu einer Spontandemo. Die Demo führte von der Zieglergasse, über die Mariahilferstrasse und endete schließlich eingekesselt von der Polizei in der Neubaugasse. Für den Abend war noch eine Spontandemo angesetzt und diese endete ebenso mit einer Einkesselung am Getreidemarkt in den späteren Abendstunden.

Einige Wochen später wurden die Objekte in der Lindengasse abgerissen - eigentlich schützenswerte Häuser -, markierten sie doch den Bereich des historischen Bezirksteils »Schottenfeld« aus der Gründerzeit.

Wer in der Lindengasse war, wird bestätigen: Schade um die Häuser. Gerade das Haus der Lindengasse 62, in dem die »Neue Sentimentalfilm« jahrelang beheimatet war, war ein tolles Gebäude mit großartiger Architektur und hätte für Projekte und Veranstaltungen aller Art einen großartigen Background abgegeben.

Doch die Umstände waren keine guten und die Gebäude nicht langfristig zu halten. Als Signal war das Epizentrum hingegen ein deutliches - es soll und muss in Wien wieder neuen selbstverwalteten Freiraum -und auch ganz wichtig:-, einen Raum ohne Konsumzwang geben.

Unsere Radiodokumentation »Lindengasse: Szenen einer Hausbesetzung» ging am 11.Februar 2012 in der Reihe Hörbilder auf Ö1 auf Sendung. Unter http://soundcloud.com/ingo-tisch/ lindengasse kann die Sendung nachgehört werden.

Text/Fotos: Patrick Spannbauer

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Umgesetzt von der ÖSB Consulting GmbH in Kooperation mit der Austria Wirtschaftsservice GmbH.

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»Das ist eigentlich nur Wahnsinn!« Über die Lust am Experimentieren, kollektives Bewusstsein und das Zauberhafte am Kino – Ein Besuch im »Tonkino Saalbau«, Wiens Undergroundkino und DIY-Filmlabor

Man muss den sperrigen Charme des Wiener Arbeiterbezirks Rudolfsheim-Fünfhaus nicht erst zu schätzen lernen, um einen guten Grund zu haben hierher zu kommen. Ich bin auf dem Weg zu einer Live-Filmvertonung im »Tonkino Saalbau« - Wiens one and only Undergroundkino! Ein fixes Programm gibt es nicht, zumindest noch nicht. Hier finden Kurzfilmpremieren und IndependentfilmProjektionen statt, doch vor allem ist hier Raum für filmische Experimente.

Und das ist Paul Krimmer zu verdanken, der sich 2006 in eine ehemalige Tischlerei einmietete. In Eigenregie und mit helfenden Händen wurden aus dem Erdgeschoß und dem Keller ein Kinosaal und ein Filmlabor geträumt, gestemmt, gehämmert, getischlert.

100 Jahre zuvor eröffnete sein Urgroßvater Hans Krimmer das erste Kino Vorarlbergs – das »Saalbau Lichtspiele Feldkirch«, das von 3 Generationen betrieben wurde, dann verpachtet und 1991 schließlich vollständig abbrannte.

Nach der Matura kam Paul von Vorarlberg nach Wien und fing an zu studieren: »Die Struktur tat meinem Geist nicht gut. Ich brach das Studium ab und fing an mich voll und ganz der Kunst zu widmen - ich begann Skulpturen herzustellen und habe viel gemalt. Kevin, ein guter Freund, und ich haben uns gefragt wie es weiter gehen soll im Leben. - Irgendwo ein großes Atelier, etwas fürs Leben, ein Ort zum Arbeiten eben!« Das Budget reichte für die alte Tischlerei im Hinterhof – leistbar, aber komplett verfallen. »Wie eine Wand zu bauen ist, lernte ich, indem ich sie zuerst

kaputt machte, um sie dann wieder aufzubauen. So gelang es mir mit Elektrizität umzugehen, Wände zu verputzen, Böden zu verlegen, selbst den Keller trocken zu legen, eben eine ganze Infrastruktur aufzubauen.« Diesen DIY-Charme versprüht das »Tonkino Saalbau« immer noch. Es ist ein Ort, der zum Machen und Experimentieren einlädt.

So war das auch bei Markus Steinkellner, der mittlerweile mehrere Filmvertonungen im Saalbau musikalisch begleitet hat: »Der Ort hat mich dazu inspiriert. Ich habe miterlebt, wie Paul das Studio hier gestartet hat. Er hat angefangen Sachen zu

projezieren - für uns, für Freunde. Vor 3 Jahren habe ich ihm gesagt, ich würde gerne live zu einem Film spielen.« Mittlerweile spielt er mit Bernhard Höchtel, Robert Pockfuß und Leon Leder regelmäßig Sessions vor Publikum: »Das ist eine ganz eigene Erfahrung!

Bernhard ist Pianist und spielt auf einem Synthesizer, auf dem er sehr elektronische Sounds spielen kann. Robert spielt E-Gitarre und hat Effektgeräte dazu geschalten. Leon spielt elektronisch, über Laptop, bedient mit einem Keyboard-Midi diverse Synthesizer und Sounds, die er gebastelt hat. Ich spiele E-Gitarre, Effekte und lass das über den Laptop laufen und kann so noch Effekte drüber legen. Ein Mikro steht mir auch zur Verfügung. Ich sehe den Film nicht alleine, sondern zu viert in einem kollektiven Bewusstsein, das wahrnimmt und reagiert.« An diesem Abend empfängt Paul Krimmer seine Gäste in einem samtenen, roten Blazer á la Zirkusdirektor. Ein Raum, der gleichzeitig Vorführkabine, Produktionsraum und improvisierte Bar ist, füllt sich mit kunstaffinem, urbanem Publikum. Unter ihnen sowohl Independent-Filmemacher als auch Personen des renommierten Filmbetriebs – Pauls Experimentierlabor ist längst kein lupenreiner Geheimtipp mehr.

Die Teilnahme am Programm der Wiener Festwochen dürfte dazu noch weiter beitragen.

Im Tonkino wurden als Teil der Programmschiene »Into the City 2012 – Gran Lux« Arbeiten europäischer Filmemacher und diversen Filmlabors gezeigt, darunter auch Arbeiten, die im Tonkino produziert wurden.

In der Zwischenzeit hat sich der Kinosaal gefüllt, der Vorraum geleert. Dort sitzt nun Paul, ganz Filmzirkusdirektor, um den Projektor zu starten. »Tijelo (The Body)«1 und »Bez Reči (Film ohne Worte)«2, zwei Filme der »Schwarzen Welle«, einer avantgardistischen Gegenbewegung zu den kommunistischen Partisanenfilmen in den 60er/70er Jahren des damaligen Jugoslawien, werden ohne Originaltonspur projiziert und neu vertont. Beide Filme stammen aus der privaten Sammlung Petra Popovićs, einer äußerst aktiven Autorin, Filmproduzentin und Kuratorin: »Ich habe ein Interesse an etwas, das lebendig ist, das atmet, das nicht tot in einem Filmmuseum landet. Es geht nicht nur um die Avantgardefilme, sondern dass durch deren Vertonung etwas Neues entsteht. Hier trifft beides auf einander: Musik, die aus Österreich kommt und Filme vom Balkan, das ist einmalig. Diese Abende sind einmalig - darauf beruht der Zauber vom

Kino.« Die Bilder der 16mm-Filmrollen werfen sich an die Leinwand, vermischen sich mit den Klängen der im Kinosaal sitzenden Musiker, die – und das ist Teil des Konzepts – die Filme selbst zum ersten Mal sehen. »Du bist in diesem Fluss drinnen. Der Film hat einen Rhythmus – ein gut geschnittener Film hat einen Rhythmus. Durch das Spielen merkt man, wie der Film funktioniert, was ihn ausmacht.

Das würde man als normaler Zuschauer gar nicht mitbekommen«, ist Markus Steinkellner von der Auseinandersetzung mit der Filmstruktur fasziniert. »Filmvertonungen funktionieren am besten.« Paul kann mittlerweile auf mehrere Jahre Erfahrung zurückgreifen, »das löst Magie aus, der Moment ist unmittelbar. Der Filmprojektor als Instrument, als imaginiertes Notenblatt einer phantastischen Gedankenwelt, in direkter Konfrontation mit der Jetztzeit der Musiker – da bebt die Bude!»

Die Bilder verschwinden von der Leinwand, keines kommt mehr nach - der Film ist zu Ende. Die Musik klingt ab, die Vorstellung atmet langsam aus. Die so entstandene Stille wird von Applaus und johlenden Zurufen abgelöst.

Und wie geht es mit dem »Tonkino Saalbau« weiter?

Paul sieht es als ein Ort, wo Filmemacher ohne Distribution ihre Filme zeigen können, mit Schwerpunkt analoger Produktion.

Jedoch eine Institution zu werden, das möchte Paul Krimmer nicht: »Das Kunstwerk ist vom Künstler losgelöst. Deshalb will auch ich machen, was ich will; die Freiheit haben, das Tonkino ein halbes Jahr, Jahr zu zusperren, bis ich wieder zurückkomme oder ein Freund macht inzwischen weiter.« So wirklich kann ich mir das Tonkino ohne Paul und umgekehrt jedoch nicht vorstellen. »Innerhalb einer Wirtschaftlichkeit steht das alles ganz fern von allen Dingen - das ist eigentlich nur Wahnsinn. Wahnsinn... das gönn ich mir!« Und wer sonst würde so viel davon reinstecken? »Tijelo (The Body)«, Regie: Ante Babaja , 1965, 12 Min. ² »Bez Reči (Film ohne Worte)«, Regie: Miloš Radivojević, 1972, 80 Min. 1

Text/Fotos: Monica Parii Tonkino Saalbau Flachgasse 25 – 1150 Wien kino@saalbau.at. www.saalbau.at www.facebook.com/saalbau

19 / V e r a n s t a l t u n g e n 0 5 / 2 0 1 2 / n u l l a c h t s e c h z e h n . a t

O-töne: literatur im Museumsquartier

© o-töne

© daswerk

Das Werk wird 6, und wir gratulieren!

Für all jene, die Ihre Zeit nicht länger in Coktailbars und Bobo – Spots verbringen wollen. Das WERK ist ein Kunst- und Kulturverein, der im August 2006 von Stefen Stürzer in Wien gegründet wurde. In den folgenden Jahren entwickelte sich ein internationales Netzwerk, das KünstlerInnen aus den Bereichen Musik, Bildende Kunst, Literatur, Theater, Performance, Film und Medienkunst zusammenbringt und eine Plattform der Vernetzung und des künstlerischen Austauschs bietet.

Im Dezember 2009 begannen auf einem ehemaligen Fabriksgelände in der Neulerchenfelder Straße 6-8 die Umbauarbeiten für eine Institution, die fernab von Zwängen und Klischees der Kunst Raum bieten sollte. Mittlerweile beherbergt das WERK 22 Ateliers mit mehr als 70 Künstlern und KünstlerInnen. Im Erdgeschoß mit Zugang zum Innenhof hat sich ein Kulturcafé für Theater, Lesungen, Kinovorführungen und dergleichen etabliert. Im alten Gewölbekeller, der sich unter beiden Häusern und dem Innenhof erstreckt, können Partywütige ihrem Treiben freien Lauf lassen. Mit Live-Konzerten, Fremdveranstaltungen und regelmäßigen organisierten Events hat sich das Werk in den letzten Jahren eine fixe und ständig wachsende Fangemeinde aufgebaut und ist aus dem Wiener Kulturkalender nicht mehr weg zu denken.

Um seinem Namen alle Ehre zu machen nimmt das Kunst- und Kulturzentrum »das Werk« sein 6-jähriges Bestehen zum Anlass, um wieder einmal richtig abzufeiern.

Und Ihr seid herzlich eingeladen!

programm 11:00 Kinderprogramm: Plantschbecken,

Schminken, Schatzsuche 13:00 Kinderprogramm: Kasperltheater

»Tener Salidas« 15:00 Eröffnung mit Akustik-Konzerten im Hof ab 15:00 WERKSCHAU in den Ateliers, der Evoluti

onsbibliothek und im Werkerei-Café 20:00 Kurzfilm-Screening in der Werkerei ab 20:00 Party im erdWERK Keller mit

elektronischen Live-Acts und DJ-Lineup

WERKSCHAU ab 15:00 Arbeiten aus den folgenden Bereichen werden gezeigt: Medienkunst, Installation, Interaktive Digitalkunst, Illustration, Fotografie und VideoAnimation. Bei dem Screening werden verschiedene Kurzfilme gezeigt.

LIVE-KONZERTE im Hof ab 15:00 Gesang und Piano (Laura Lek Mun), Wienerlied mit Akkordeon (Stefan Sterzinger), Gameboy und Atari »Chiptunes-Musik« (Markus Schrodt), Rock (Ash My Love), Nu Jazz (Stefan Oberthaler aka Keyminator) und The Late Dollhouse Parade.

PARTY im erdWERK ab 20:00 Live: Logic Circle, ab Mitternacht Techno-DJ-Lineup mit: NikolJae, EE1, Fabian Moos, Lupo, Curley Sue, Tim Simenon, Georg Light. Visuals: TagTool , Nanolack, Mottenlicht, Phono/Video.

Details Termine 4. August 2012 Ort daswerk Neulerchenfelderstr. 6-8

Das O-Töne Literaturfestival hat seit 2004 einen fixen Platz in der heimischen Szene. Bei dem alljährlich stattfindenden Festival dreht sich alles um zeitgenössische österreichische Gegenwartsliteratur. In der einmaligen Atmosphäre des MuseumsQuartier erwartet die Besucher bei freiem Eintritt Literaturgenuss auf höchstem Niveau.

Diesen Sommer wird aufgrund der großen Publikumsnachfrage das Festival von acht auf neun Veranstaltungen erweitert, darunter finden sich sechs Buchpremieren. Das breite Spektrum der AutorInnen reicht von Newcomern bis hin zu bekannten Größen.

Eines der Highlights der heurigen Veranstaltung ist sicherlich die junge, mit dem Ingeborg Bachmann Preis 2012 ausgezeichnete, Schriftstellerin Cornelia Travnicek. Sie liest am 19. Juli 2012 aus Ihrem neuen Buch »Chucks« Bei den beiden Abschluß Lesungen präsentieren die heurigen O-Töne zwei mit großer Spannung erwartete Titel des kommenden Bücherherbstes: Am 23. August wird Clemens Setz, Träger des Leipziger Buchpreises, erstmals aus seinem Roman »Indigo« lesen. Am 30. August folgt ihm zum Festival-Finale Wolf Haas, der seinen neuen Roman »Verteidigung der Missionarsstellung« vorstellen wird.

Programm programm 19. Juli, Hof 7 Staatsratshof

20.30 Uhr: Cornelia Travnicek: »Chucks«

Einleitung: Bernhard Fetz 26. Juli, Hof 8 Boulebahnen

20.30 Uhr: Julya Rabinowich:

»Die Erdfresserin«

Einleitung: Daniela Strigl 2. August, Hof 7 Staatsratshof

20.30 Uhr: Lilian Faschinger:

»Die Unzertrennlichen«

Einleitung: Stefan Gmünder 9. August, Hof 8 Boulebahnen

20.30 Uhr: Walter Grond:

»Mein Tagtraum Triest«

Einleitung: Katja Gasser 16. August, Hof 8 Boulebahnen

20.30 Uhr: Olga Flor: »Die Königin ist tot«

Einleitung: Klaus Nüchtern 23. August, MQ Haupthof

20.30 Uhr: Clemens Setz: »Indigo«

Einleitung: Klaus Kastberger 30. August, MQ Haupthof

20.30 Uhr: o-töne- Abschlussveranstaltung

mit einer Lesung von Wolf Haas aus seinem

Buch "Verteidigung der Missionarsstellung" Details Termine 5. Juli bis 30. August 2012, jeden Donnerstag Ort an verschiedenen Plätzen im 7., Museumsquartier; bei Schlechtwetter finden die Lesungen in der Arena 21 auf dem Gelände des MQ statt. freier Eintritt

GAGA-GAU

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(GAU: GröSSter Anzunehmender Unfall)

Ab 11. April zeigt das Wien Museum am Karlsplatz die Ausstellung »BESETZT«. Hausbesetzerszene und autonome Kultur- und Kommunikationszentren sind das Thema.

Von der Arenabesetzung 1976, über Amerlinghaus, GAGA (Gassergasse), Rosa Lila Villa und WUK, bis hin zur Gruppe Freiraum, findet alles Aufmüpfige Platz in diesem engagierten Projekt. Christian Schreibmüller, einer der wesentlichen Aktivisten der GAGA erinnert sich der Kamera.

Unsere »Fotozelle Rote Linse«, eigentlich in einer WUK-Erkämpfungs-Initiative engagiert, geriet Ende März 81 eher beiläufig unter AktivistInnen, die sich eingefunden hatten, das Gebäude einer ehemaligen städtischen Großküche quasi in soziokulturellen Betrieb zu nehmen. Wie die Meisten stürmten wir die Treppe hoch und riefen im 2. Stockwerk: »Hier!» Gute Wahl, hinsichtlich Dunkelkammern, Ausstellungs-, Kommunikations- und Büroräumen.

Offiziell sollte das Haus bereits einen Monat später eröffnet werden. Trotz noch ausstehender interner Organisationsform und Renovierung. Während quälender Dispute wurde plötzlich quer über eine Wand geschrieben: »Man kann auch ein eben erst erkämpftes Kulturzentrum kaputtbesitzen.« Derjenige, der damals den Ton angab, wollte übrigens zur Eröffnung ein Polizeiblasorchester aufspielen lassen. Als dann der große Eröffnungstag, der 1. Mai 1981, mit der Ermordung des Wiener SP-Stadtrats Heinz Nittel anhob, erschien gleich auch noch die Staatspolizei und nahm ihn in die Mangel, während im Hof das Polizeiblasorchester geräuschvoll loslegte. Mit rund 3000 Gästen war die Eröffnung jedoch ein voller Erfolg. Parallel dazu lief allerdings eine Hausbesetzung in der Windmühlgasse. Geschlagene Häuserkämpfer trudelten, völlig ermattet, gegen Abend ein.

Die ersten Monate, geprägt von Idealismus und Zement, zeitigten riesige Plenumskonflikte: Einerseits Alternativschulen, Musiker, Maler, Fotografen, Fahrradwerkstatt und Beisl, angewiesen auf funktionierende Substruktur. Andererseits eine Druckerei, eine »Arbeitsgruppe Schweigen«, Anarchos, die den Staat entweder unter Druck setzen oder aber ohne Geld von ihm durchkommen wollten, ergo ohne Heizung, Strom und Telefon. Die Spannung stieg. Man suchte nach Ausgleich und wählte mich im Herbst 81 zum Vereinsobmann. Und dies trotz meines Kinobauprojekts und damit verbundener Sachzwänge, ähnlich denen der Musiker, die eine Veranstaltungshalle bauten. Ich musste geradezu die Anarchos enttäuschen. Worauf sie mir das zu drei Vierteln fertige Kinoprojekt stoppten, das aber bereits so viel gekostet hatte, dass ich auch noch Angestellte feuern lassen musste, die ich mir damit ebenfalls zu Gegnern machte.

Zur Spannungsklimax kam es, als für den 5. 12. 81 eine Veranstaltung angesagt war, mit einem Palmers-Entführer und einer Punk-Band unter dem auf den erschossenen Stadtrat zielenden Namen »The Dead Nittels«. Die Gemeinde stand Kopf und sperrte die Subvention: Ich solle den Event vereiteln! Da

geigte gleich Hansi Lang auf mit »Keine Angst!« Und in einem Proberaum übte ein junger Sänger die Nummer »Der Kommissar« oder so. Das alles klang nach Warnung. Zumal nun Anarchos meinen Bautrupp flugs zur Fascho-Schlägertruppe umetikettierten, werkten in ihm doch, im Zuge unserer Arbeit mit Haftentlassenen, zwei Doppelmörder mit.

Die Räume unserer »Fotozelle Rote Linse« wurden nachts über und über besprayt: »Die Gemeinde schaut durch die 'Rote Linse'«.

Da stießen, entscheidende Wende, so an die 30 junge Punks zu uns, geschasst aus der ARENA, und anfangs auch bei uns bedroht. Wegen allgegenwärtiger Gewaltbereitschaft hatten ja soeben Schwule die GAGA verlassen und sich die »Rosa Lila Villa« geschaffen. Dennoch gelang es, die Punks zu integrieren, frische Leute mit fetziger Musik und neuen Farben. Anderswo als Störfaktor vertrieben, waren sie bald eine ganz wesentliche Gruppe der GAGA. War man anfangs nicht sicher, ob nicht einige von

ihnen hinter bedrohlichen Streichen steckten, – Lagerfeuer auf dem Dachboden, Auslaufenlassen von Heizöl/schwer, – so achteten auch sie schließlich darauf, dass all das nicht geschah. Die Streiche verübten ganz Andere. Zum Beispiel schlug, als ich für das Linzer Museum Nordico eine Fotoausstellung über unsere Alternativschulen vorbereitete, einer meiner Gegner die Fensterscheiben unserer Dunkelkammer ein. Worauf ich mich prompt mit gleichen Mitteln revanchierte und sämtliche Fenster des Beisls zerdrosch.

Wegen eines Spitalsaufenthalts stellte ich mich im Herbst 82 nicht mehr der Wiederwahl und widmete mich danach der Vorbereitung der Fotoausstellung »Wiener Szene 1972 – 1982« in der Secession. Trotz höchster Geheimhaltungsstufe erreichte mich im Dezember die Nachricht, dass für den 13. oder 14.

Jänner 1983 eine Drogenrazzia geplant sei. Also blieb ich in der Nacht vom 13. auf den 14. in der Gaga. Von einem Freund in San Francisco, mit

dem ich frühmorgens telefonierte, verabschiedete ich mich mit den Worten: »Ich muss jetzt Schluss machen, das Haus ist umstellt.« Im Nebenzimmer fickte gerade ein baumlanger Kerl, ich riss ihn aus seiner Freundin: »Siehst du, was ich sehe?!« Mit einem Riesenständer stand er am Fenster und brüllte: »Bullen!!!« Dann splitterten schon die Türen, Bullen stürmten herein, riefen was von »Häfen« und »Schmoizz« (Haft). Ich reagierte geradezu amüsiert und bat sie, doch Platz zu nehmen: »Wolln’s a an Kaffee?« Leicht verdutzt setzte sich der Einsatzleiter tatsächlich. Meinen Kaffee getraute er sich aber nicht zu trinken.

Falls sie »was zum Rauchen suchen«, sagte ich, sollten sie ein bestimmtes Filmdöschen öffnen, doch bitte ja nicht die Packungen mit unbelichtetem Fotopapier! So rettete ich die Fotoausstellung mitten in einer Razzia, bei der 13 Menschen und ein Hund (!) verhaftet wurden. Der zerriss später alle

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Wer sich an die 1980er erinnern kann, war nicht dabei! Heißt es. Deshalb gibt es ja Fotos, und man kann Ausstellungen damit bestücken - die Ausstellung "Besetzt" ist noch bis 12. August im "Wien Museum" am Karlsplatz geöffnet.

Hosen, die in Stiefeln steckten, die an Polizistenstiefel erinnerten. Während des anschließenden Soli-Konzerts entdeckte ich unter den Zuschauern den berühmten deutschen Barden Wolf Biermann.

Er griff sich eine Gitarre und gab uns glatt ein kleines Konzert in der Fahrradwerkstatt.

Im Frühling 1983 koalierte die SPÖ mit der FPÖ.

Plötzlich kamen so Forderungen an wie: Die Radikalsten sollten lieber heute als morgen ins Ausland verschwinden. Ein führender Neonazi tauchte auf und behauptete, man hätte es nur ihm zu verdanken, dass die »Rosa Lila Villa« noch nicht erstürmt worden sei. Er beschwichtige ja seine Mannen immer mit dem Satz: »Das sind ja Kranke!« Er bot auch eine Art Waffenstillstand an,

zwischen linken Punks und rechten Skinheads, was das Plenum natürlich verwarf. Zu allem Überfluss ließ sich damals ein führender »Gagaist«, aus dem Gefängnis ausgebrochen und polizeilich gesucht (!), offiziell in den Vorstand wählen und unterzeichnete das Schreiben an die Polizeidirektion mit seinem richtigen Namen. Worauf wir ewig keine Amtsbestätigung erhielten. Als sie dann endlich eintraf, wurde er verhaftet. Trotz seiner eigenen Eselei stand aber plötzlich ich, zum Obmann wiedergewählt, irgendwie unter Verdacht, trat zurück, holte die wesentlichen Besitztümer der »Fotozelle« aus der Gaga und behob 60.000 ö. S. Restgeld für die Ausstellung, das der Fotogruppe von den Wiener Festwochen auf das Gaga-Konto überwiesen worden war. Obwohl

all das uns gehörte, retournierten wir es auf Druck des Plenums. Trotz alledem wurde verbreitet, wir hätten die Gaga beraubt – und nicht umgekehrt.

Als ich dem Büro der Vizebürgermeisterin meinen Rücktritt meldete, wurde mir lakonisch angedeutet: »Sie wissen, was das bedeutet.« Und als ich dann mit drei anderen Leuten aus der Gaga zu Vernetzungsgesprächen nach Berlin fuhr, erreichte mich in den frühen Morgenstunden, obwohl wir uns erst nachts ein Quartier gesucht hatten, unter der wildfremden Berliner Festnetznummer ein Anruf des österreichischen Innenministeriums: Die Gaga sei Geschichte. Aktivisten hätten brennende Matratzen quer über den Wiener Gürtel geschmissen. Vieles darf man einer Autofahrernation antun. Nur die

Stadtautobahn darf man ihr nicht blockieren.

Nicht zuletzt einem guten Einvernehmen mit der Vizebürgermeisterin hatte ich es zu verdanken, dass die Freigabe der Häuser für die »Rosa Lila Villa«, die »Spalo« und »Ägidi« prompt klappte. Schon während der guten Zeit der Gaga waren Quartiere für Sonderprojekte und Unterstandslose nötig geworden, und erst recht nach dem Abriss. Die Musiker schufen sich dann das »Rockhaus«, die Punks das »Chelsea«, die Künstler das »Zentrum Zieglergasse«, und die Schulen bekamen ein Gebäude in der Hofmühlgasse. Auch wenn es kein gutes Ende nahm mit der Gaga, konnte sie sich doch vermehren.

Text/Fotos: Christian Schreibmüller

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Drei flammende Krimis Drei unorthodoxe Kriminalromane sind in zwei Wiener Verlagen erschienen. Sie beschäftigen sich mit sehr spezifisch österreichischen gesellschaftlichen Verhältnissen, Verfilzungen, Jagdgesellschaften und Lobbies.

Die so genannte »höhere, ernst zu nehmende Literatur«, so heißt es, spiele sich zunehmend im Kriminalroman ab. Kein Wunder übrigens, angesichts des realen Agierens aller jener ebenfalls »Höheren«, die die Unschuldsvermutung gepachtet haben und durch Gier und Inkompetenz eine Krise nach der anderen aus dem Ärmel schütteln. Verbrechen, die »unten« begangen werden, werden ja nicht selten von »oben« ausgelöst.

Unkonventionell sind solche Szenarien und Motive freilich noch nicht. Und ziemlich konventionell kommt auch die Konstruktion und Erzählweise von Stephan Dorfmeisters Krimi »Stadtschlösslleichen« daher, dessen Plot bereits in der Nazizeit ansetzt und bis in brandneue EU-Problematiken hineinreicht. Ein stilistisch nicht ganz ausgereiftes Erstlingswerk, doch nichts desto weniger ein süffiger, rasanter Krimi, voller Einblicke in die Welt der (Öster-)Reichen und Mächtigen, vermittelt vom sachkundigen Autor, einem Unternehmensberater. Und eben jene Rasanz, knisternde Spannung und profunder Einblick machen jenes für österreichische Verhältnisse Unkonventionelle an diesem Krimi aus.

In puncto »Spiel mit Konventionalität« setzt Andreas Plammer mit »Fauler Zauber« da scheinbar noch eins drauf, indem er die Erzählsprache, in bester Wolf Haas-Manier, so klingen lässt, als erzählte da ein guter Bekannter Haralds, der Hauptfigur, in nicht sehr gewandter Umgangssprache. Und eigentlich schlendert und stolpert in diesem Halbwelt-Krimi jener Harald zwischen zwei Nachtbars in einem Leben herum, dem er schon aus lauter Antriebslosigkeit nicht entkommt. Wodurch er aber auch unfreiwillig zum nicht ganz unbeteiligten Zeugen und »Zusammenreimer« von Verbrechen wird. Doch gerade jene in Wirklichkeit virtuos ausgefeilte Gossip-Erzählsprache und die Tatsache, dass da ein an seiner Umgebung, an seinem Leben sogar, erstaunlich

Plammer, Andreas: »Fauler Zauber.

Milena Verlag, Wien, 2011

Uninteressierter durch diesen Schelmen-Kriminalroman führt, erlauben grandiose Abschweifungen ins Wesen handelnder Personen, des Personals der Rotlicht-Szene, und machen seinen enormen Reiz aus.

Den dritten Roman dieses Trios, »Hanno brennt«, – vom Titel her anklingend an »Lola rennt« und, sicher nicht zufällig, an »Uni brennt«, – versteht sein Autor Markus Köhle gar nicht als einen Kriminalroman, obwohl darin nicht wenige Verbrechen geschehen – allerdings vonseiten des Staates und seines undurchschaubaren behördlich-justiziellen Filzes. Ein inverser Kriminalroman gewissermaßen. Infolge von Computerbespitzelung und allzu paranoider staatspolizeilicher Recherchen geraten, siehe »Tierschützerprozesse«, junge Menschen in den Verdacht, eine terroristische Vereinigung gegründet zu haben. Wegen geringfügiger Späßchen und Zufälligkeiten sowie juristischer Sophismen – Kafka, schau owa! – werden sie in eine so humorwie verständnislose Maschinerie hinein gezogen, aus der sie sich erst nach langem, mühevoll und beschädigt, wieder befreien. »Hanno brennt« – ein harter Schlag auf jenen täglich aus den Radionachrichten quellenden Filz aus Politikern, hohen Beamten und Lobbyisten, für welche natürlich die Unschuldsvermutung gilt. Während junge Menschen verfolgt, ihrer Freiheit und Existenzgrundlage beraubt werden, denen man höchstens übersteigerten Idealismus vorwerfen könnte. So schließt sich der Kreis zu Dorfmeisters Krimi, dessen brutale Vorgeschichte zurück in eine Zeit reicht, in welcher der Staat bei geringstem Verdacht sofort brutal zuschlug

Text: Christian Schreibmüller

Köhle, Markus: »Hanno brennt».

Milena Verlag,Wien, 2012

Dorfmeister, Stephan: »Stadtschlösslleichen».

Quasi Modo Publishing, Wien, 2012

Theresa, 20 Studentin

Nepomuk, 29 Soziologe

Theresa und Nepomuk gehen gern ins Kino. Als Film-Studentin weiß sie natürlich, wer heuer die Goldene Palme bei den Film-festspielen von Cannes gewonnen hat. Besonders gern sieht sie europäische Produktionen in Originalfassung. Nepomuk liebt anspruchsvolle Filme, die zum Nachdenken anregen – mit einer Extraportion Popcorn. Unsere Stadt hat für CineastInnen viel zu bieten. Der Filmfonds Wien unterstützt nicht nur das vielfältige Filmschaffen, sondern auch die Programmkinos. Das macht Wien für Film-Aficionados zur Stadt fürs Leben.

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Mehr Infos unter www.fi lmfonds-wien.at oder www.wien.at/kultur/kino

Wien.

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