Daniel Ryf, geboren 1988, hat internationale Beziehungen in Genf und Sicherheitspolitik in Madrid studiert und spezialisiert sich seit 2015 an der Universität Buenos Aires in Menschenrechtsfragen.
Simon Geissbühler, Daniel Ryf «Dieses Buch dokumentiert die Suche nach Ernst, meinem Ururgross onkel. Am 28. November 2014 beschliesse ich, einfach so, die Spurensuche zu beginnen. Wir wissen ja nicht immer, weshalb wir wann etwas Neues anfangen, manchmal tun wir es einfach. Aber ich will nun endlich mein Versprechen an mich selbst einlösen, der Geschichte von Ernst nachzugehen. Ich habe einen Namen, ein Geburtsdatum, eine Berufs- und Ortsbezeichnung – mehr nicht.» Simon Geissbühler Dieses Auswanderer-Buch schlägt eine Brücke zwischen dem Emmental und Argentinien. Es erzählt eine berührende Familiengeschichte mit einem unerwarteten Ausgang.
ISBN ISBN978-3-03810-197-0 978-3-03810-197-0
9 783038 101970
www.nzz-libro.ch
Der einarmige Auswanderer. Eine Spurensuche vom Emmental nach Argentinien
Simon Geissbühler, geboren 1973, Dr. rer. soc., hat an der Universität Bern und in den USA studiert. Er ist Historiker, promovierter Politologe und seit 2000 Diplomat. Seit 2013 ist er stellvertretender Chef der Abteilung Amerikas des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Er publiziert regelmässig zu verschiedenen Themen.
Simon Geissbühler, Daniel Ryf
Der einarmige Auswanderer Eine Spurensuche vom Emmental nach Argentinien
Verlag Neue Zürcher Zeitung
«Ernst, geboren 1868, Farmer, Buenos Aires.» Dieser mysteriöse Eintrag im Stammbaum der Familie Geissbühler löst eine abenteuerliche Suche vom Emmental in die argentinische Pampa aus. Wer war dieser Auswanderer? Warum verliess er 1889 das heimische Studen im Seeland? Wurde er wegen seiner Behinderung ausgegrenzt? Wollte er in Argentinien ein neues Leben aufbauen? Wie erging es ihm in Südamerika? Das Buch dokumentiert diese Spurensuche. Tagebuchartige Einträge formulieren Gedanken und Erlebnisse dieser Entdeckungsreise. Dazwischen eingestreut sind objektive Fakten, auf Recherche in Quellen und Literatur abgestützte Aussagen. Das Buch ist ein Beitrag an die Geschichte der Schweizer Überseeauswanderung und regt zum Nachdenken über Heimat, Freiheit und Glück an.
((Logo Sponsoren: Die Mobiliar, ev. weitere)) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2016 Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich
Lektorat: Ulrike Ebenritter, Gießen Umschlag: GYSIN | Konzept + Gestaltung, Chur Gestaltung, Satz: Gaby Michel, Hamburg Druck, Einband: ••••••• Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetz lichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN 978-3-03810-197-0 www.nzz-libro.ch NZZ Libro ist ein Imprint der Neuen Zürcher Zeitung ((Logo FSC-Papier))
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Inhalt Einleitung 9 Der Stammbaum, ein Versprechen und die Suche 11 Eine kleine Geschichte der Schweizer Auswanderung nach Übersee 19 Das Goldene Zeitalter Argentiniens 25 Die Schweizer Auswanderung nach Argentinien 32 Der einarmige Auswanderer 37 Berner Tagebuch I 39 Tagebuch Buenos Aires I 46 Von Studen im Seeland nach Buenos Aires 58 Tagebuch Buenos Aires II 64 Berner Tagebuch II 75 Tagebuch Buenos Aires III 77 Nach 126 Jahren: Rosana G. in der Schweiz 119 Das Leben von Ernst G. in Argentinien 123 Berner Tagebuch III 128 Eine Reise auf den Spuren des einarmigen Auswanderers 131 Schluss 147 Anmerkungen 161 Weiterführende Literatur 165 Bildnachweis 170 Dank 171
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3 Das Stöckli von 1727 auf der Oberen Schwand beim Geissbühl (Stammhaus der Familie Geissbühler).
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4  Passagierliste der Pampa, die am 4. Dezember 1889 Le Havre verliess. Ganz unten vermerkt: Geissbßhler Ernst, Bienne.
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7  Einwanderer am Hafen von Buenos Aires (1908).
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Einleitung
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Der Stammbaum, ein Versprechen und die Suche «Ernst, geboren 1868, Farmer, Buenos Aires.» Dieser mysteriöse Eintrag im Familienstammbaum, den ich jeweils bei den Besuchen bei meinen Grosseltern bestaunte, faszinierte mich bereits als Jugendlicher. Warum verliess mein Ururgrossonkel das heimische Studen im Seeland? Wahrscheinlich war er, so dachte ich mir, ein Abenteurer. Wie erging es Ernst in Argentinien? Ich sagte mir schon damals, dass ich der Geschichte von Ernst eines Tages nachgehen würde. Das war mein Versprechen. Seit einigen Jahren hängt der Stammbaum der Familie Geissbühler bei uns im Kinderzimmer. Er reicht zurück bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts und umfasst 13 Generationen. Unser Stammvater ist Peter, der um 1635 geboren sein muss und eine Verena Schenk heiratete. Von Lauperswil kommt unsere Familie, unser Stammhaus ist die Obere Schwand in Zollbrück im Emmental. Hans Geissbühler hat das Haus 1727 erbauen lassen und wählte den Leitspruch: «Ich hab mein Sach Got hin gestelt/er mach mit mir was syn gefelt.» Das ursprüngliche Stammhaus auf der Oberen Schwand steht nicht mehr, aber das Stöckli von 1727 sehr wohl. Es gibt auf den ersten Blick nichts Aussergewöhnliches an diesem Stammbaum. Die Geissbühler waren währschafte, mit der Scholle verbundene Emmentaler Bauern. Ich stelle sie mir als stolz, eher schweigsam und stur und verlässlich vor. Im Berner Münster finden sich zwei Hans Geissbühler im Verzeichnis mit den eingemeisselten Namen der Gefallenen von Neuenegg und Grauholz, die Bern 1798 vor den französischen Truppen zu verteidigen versuchten. Es waren wahrscheinlich nicht direkte Vorfahren von mir, die gefallen sind, denn auf meinem Stammbaum sind sie nicht aufgeführt, aber auch Geissbühler von Lauperswil. 11
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Erst meinen Urururgrossvater Johannes, geboren 1832, der fünfte Sohn des Hans Ulrich und der Barbara (Aeschbacher), zog es weg aus dem Emmental. Er war Streckenwärter in Studen im Seeland an der Eisenbahnlinie zwischen Bern und Biel. Von den fünf Söhnen von Johannes und seiner Frau Sophie (Born), die das Erwachsenenalter erreichten, wurden gemäss Stammbaum drei Lehrer. Meine Geissbühler-Vorfahren der letzten vier Generationen waren also keine Bauern mehr, und sie waren keineswegs «bildungsfern»: Mein Ururgrossvater war Seminarlehrer, mein Urgrossvater Sekundarlehrer, der Grossvater Kaufmann und mein Vater Lehrer und Universitätsdozent. Einen Diplomaten gibt es in diesem Stammbaum vor mir aber selbstverständlich nicht. Ich bin – so scheint es – auch der erste Geissbühler in 13 Generationen, der eine Ausländerin geheiratet hat. Meine Schwester behielt nach ihrer Heirat den Namen Geissbühler, eine Undenkbarkeit noch für meine Grosseltern. Aber all das beeindruckt mich wenig und wäre auch keiner Erwähnung und sicher keines Buches wert: ein Stammbaum einer Schweizer Familie wie Tausende andere, ein Stammbaum, auf den man vielleicht ein bisschen stolz sein kann, weil er so weit zurückgeht, der einem einen Anhaltspunkt gibt, wer man ist und woher man kommt – aber eben nichts Besonderes. Meine Aufmerksamkeit gilt eben dem einen rätselhaften Eintrag im Stammbaum, einem ganz spezifischen Geissbühler, dem Aussenseiter, dem Exoten, dem Glücksritter, vielleicht dem schwar zen Schaf: Ernst, das fünfte Kind des Johannes, laut Stammbaum geboren am 17. Mai 1868. Bei seinem Namen ist einzig vermerkt: «Farmer – Buenos Aires.» Und der Stammbaum hält fest, dass Ernst verheiratet war und zwei Söhne gehabt haben soll. Die Namen der Söhne und derjenige von Ernsts Ehefrau sind indes nicht überliefert. Warum zieht mich Ernst seit vielen Jahren magisch an? Ist er 12
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eine Projektionsfläche meiner Wünsche? Möchte ich mich selbst in Ernst sehen? Auch ich packe immer wieder meine Sachen, verlasse die Heimat. Nicht für immer, aber für ein Jahr in die USA, für ein Jahr nach Mexiko, für fast vier Jahre nach Rumänien und für beinahe drei Jahre nach Polen. Steckt in uns beiden, in Ernst und mir, ein «Wanderer-Gen», die Sehnsucht nach der Ferne, die Heimat ist, weil die Heimat nicht Heimat sein kann? Bewundere ich Ernst für seine Radikalität, für seinen Mut, diese teure, gefährliche und ungewisse Reise gewagt zu haben? Vielleicht sehnte sich Ernst nach mehr Freiheit, nach der «Freiheit des Geschmacks und der Studien, [der] Freiheit, einen Lebensplan, der unseren eigenen Charaktereigenschaften entspricht, zu entwerfen und zu tun, was uns beliebt, ohne Rücksicht auf die Folgen und ohne uns von unseren Zeitgenossen stören zu lassen – solange wir ihnen nichts zuleide tun» – wie es John Stuart Mill 1859 in Über die Freiheit so schön gesagt hat.1 War Ernst ein Rebell, dem man nahelegte, nach Argentinien «abzuhauen», wenn es ihm hier nicht passe? War ihm Studen, war ihm die Schweiz zu klein geworden? Ich bin nur ein Temporärauswanderer. Wenn ich im Ausland arbeite, komme ich regelmässig für Ferien zurück in die Schweiz, und nach ein paar Jahren auf einem Aussenposten diene ich als Diplomat wieder an der Zentrale des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in Bern. Ernst aber wanderte für immer aus – zumindest vermute ich das. Er liess alles zurück. Er baute sich eine neue Existenz auf. Ja, das möchte ich manchmal auch: ein zweites Leben, ein neues Leben – beides ist natürlich eine Illusion –, all das, was sich über die Jahre als Ballast angesammelt hat, abwerfen und ein freier Mensch werden. «Es zieht», schreibt Andrzej Stasiuk.2 Mich zieht es auch. In einem Leben ohne Kompromisse oder wenn mein Bankkonto prall gefüllt wäre, würde ich morgen meinen Rucksack packen. Die Orte, die mich anziehen, werden den meisten nichts sagen. Und das ist 13
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sehr gut so. Die Orte, wo Menschen hingehen, oder sagen wir besser, wo viele Menschen hingehen, sagen mir wenig. Ich brauche keine Kanaren, kein Mallorca, keine Emirate, keine Malediven. Ich war da auch schon. Alles schön, alles gut, aber meine Orte sind anderswo. Sicher spielt bei meiner Vorliebe für ausgefallene, vergessene und verlassene, für «andere» Orte der Drang eine Rolle, «das zu tun, was die anderen nicht tun, oder, wenn sie es tun, es auf eine mir eigene Weise zu tun» (Bernard-Henri Lévy) 3, aber auch pure Neugier sowie ein tief empfundener Individualismus und das Grausen vor den Massen und dem «Rausch des Kollektiven» (Imre Kertész).4 Ich möchte zurück ins Brighton Beach der Russen und in den Boro Park der Bobover Chassidim, nach Cârlibaba, wo unser Auto den Geist aufgab, nach Medschibisch zur Burgruine, zu den Gänsen in den Strässchen, zum Baal Schem Tov, nach Ozarintsy natürlich und vor allem nach Vadul-Rashkov zum Dniester, zur Stille, zu den Ziegen und Pferden auf dem vergessenen gigantischen jüdischen Friedhof. Diese Orte möchte ich wieder besuchen, ich kenne sie, ich weiss, wo ich bleiben und mich hinsetzen würde bei Regen oder bei Sonnenschein – und eine Stunde oder zwei würde ich warten auf nichts. Ich setze mich manchmal vor die Weltkarte und suche nach Orten, einfach so, Orte, die ich sehen möchte, phantastische Orte mit phantastischen Namen, und ich würde gehen, ich würde nicht lange bleiben, denke ich zumindest. Ich habe das schon gemacht als Elfjähriger, als ich von meinem Götti einen Weltatlas zum Geburtstag geschenkt erhalten habe. Ich habe mit dem Bleistift die Orte umkreist, die ich einmal besuchen wollte, Orte, die jenseits des Eisernen Vorhangs lagen, 1984 (ja, es war 1984) also unerreichbar für mich, ein Traum halt: Lublin, Zamość, Dubno, Riwne, Lemberg, Czernowitz, Winnyzja. Mehr als 15 Jahre später habe ich fast alle diese Orte besucht, und meine Frau kommt aus einer der Städte, die ich 1984 auf der Weltkarte umkreist hatte. 14
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Heute heissen meine Orte Trout Creek, South Fork oder Fort Apache. Und ich möchte nach Paraguay, die haben dort Städte und Dörfer mit besonders bizarren Namen wie Mariscal José Félix Estigarribia, General Bernardino Caballero, General Artigas oder Coronel Martínez (aber vielleicht lebt es sich gut an einem Ort, der nach einem grossen Kriegshelden benannt ist), mit schönen, anmutigen wie Santa Rosa del Aguaray oder San Pedro del Ykuamandyju und mit eher unsympathischen wie Nueva Germania oder Neuland. Vor allem aber möchte ich die Orte in Argentinien besuchen, wo Ernst gelebt hat – falls er denn tatsächlich in Argentinien ankam und blieb. Dieses Buch dokumentiert die Suche nach Ernst, meinem Ururgrossonkel. Am 28. November 2014 beschliesse ich, einfach so, die Spurensuche zu beginnen. Wir wissen ja nicht immer, weshalb wir wann mit etwas Neuem beginnen, manchmal tun wir es einfach. Aber ich will nun endlich mein Versprechen an mich selbst ein lösen, der Geschichte von Ernst nachzugehen. Ich habe einen Namen, ein Geburtsdatum, eine Berufs- und Ortsbezeichnung – mehr nicht. Aber ich habe Unterstützung: Mein früherer Arbeitskollege Daniel Ryf ist ab Ende Januar 2015 wieder in Argentinien. Er wird sich um die argentinische Seite der Nachforschungen kümmern, ich mich um die schweizerische. Wenn wir etwas finden, wenn wir genug finden, werde ich vielleicht nach Argentinien reisen. Das ist unser zugegebenermassen etwas vager Plan. Ob sich daraus etwas ergibt, wissen wir nicht. Vielleicht verliert sich die Spur von Ernst im Nichts. Ich vermute, dass sich einige Leserinnen und Leser jetzt Folgendes fragen: Warum schreibt jemand ein Buch über seinen Ur urgrossonkel, eine unwichtige Person, die – soweit ich am 28. No vember 2014 weiss – nichts zurückgelassen hat, keine Briefe, schon gar keine Memoiren, von der es nicht einmal eine Fotografie gibt, die keinen Einfluss auf die Weltgeschichte hatte, einer von Millio15
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nen, die aus Europa nach Übersee ausgewandert, einer von Tausenden von Schweizerinnen und Schweizern, die nach Südamerika emigriert sind? Nein, dieses Buch ist nicht das Buch über ein grosses Leben – auch nicht über das Leben eines wichtigen Schweizer Auswanderers. Es geht hier nicht um Weltpolitik, nicht um grosse, möglicherweise psychopathische Männer und grosse Schlachten, nicht um schweizerische Emigranten mit grossen Namen wie Leonhard Euler, Karl Bodmer, César Ritz oder Louis Chevrolet. Ich erzähle wieder einmal die Geschichte von einem einfachen Leben.5 Aber darf ein solches Leben nicht erzählt werden? Vielleicht sagt uns ein solches Leben viel mehr und ist uns viel näher als das eines Staatspräsidenten, Generals, Sport- oder Filmstars. Warum soll das Leben von Ernst Geissbühler nicht genauso wertvoll und erzählenswert sein wie dasjenige eines Politikers oder Wirtschaftsführers? Eine Weisheit aus dem Talmud sagt, dass jemand, der ein Leben rettet, die ganze Welt rettet. Und wer den Wert des Lebens erkennt, der wird auch nicht weiter begründen müssen, weshalb er die Geschichte seines Ururgrossonkels erzählt. Dieses Buch ist denn auch getrieben von einem tiefen «Interesse an Menschen mit Namen und unterscheidbarer Geschichte» – ein Interesse, das die Geschichtswissenschaft vor ein paar Jahrzehnten «wiederentdeckt» hat.6 Diese Geschichte von Ernst Geissbühler ist langsam. Sie ist die Dokumentation einer Suche. Eine solche Suche mit so wenigen Ausgangsinformationen braucht viel Zeit und Geduld. Es gibt keine Subito-Erfolge bei diesen Nachforschungen. Aber wer sich auf sie einlässt, dem tun sich neue Welten im Kleinen, neue Erfahrungen und Eindrücke auf. Die Geschichte führt uns ein in die Vielfalt menschlicher Existenzen. Indem wir diese Vielfalt der Individualitäten begreifen und schätzen, öffnen sich uns neue Horizonte. Wir beginnen, unsere eigene Realität und Identität, ohne sie aufzugeben, an anderen 16
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Realitäten und Identitäten zu spiegeln. Dadurch wird für uns deutlicher, wer wir sind, woher wir kommen und was wir wollen. Und ist dieser Wunsch, die Vergangenheit im Allgemeinen und unsere verästelte Herkunft im Besonderen (besser) zu verstehen, nicht auch verständlich, ja logisch angesichts der Beschleunigung der Gegenwart und der Dynamik der Modernisierung? Tatsächlich ist in der Geschichtswissenschaft eine Zeit lang «über der systematisierten Erforschung von Strukturen und Prozessen der Mensch aus der Geschichte verschwunden».7 Was bei vielen Historikern8 zählte und zum Teil noch heute zählt, waren grosse Theorien, theoretisch abgestützte historische Darstellungen, «bei der historische Quellen» im Wesentlichen dazu d ienten – wie es Oliver Zimmer so schön geschrieben hat –, «die Vorzüge eines konzeptuellen Laufgitters zu demonstrieren»9. Mittlerweile hat die Geschichtswissenschaft, oder wenigstens ein Teil davon, die Bedeutung des Alltäglichen, des «Normalen», des «Einfachen» aber wieder erkannt. Strukturen, Institutionen und Prozesse sind wichtig. Aber wir dürfen das Individuum nicht vergessen. Die Geschichte eines «einfachen» Menschen sagt uns eben manchmal mehr als die Über-Sicht, die Über-Perspektive des angeblich allwissenden Historikers im Elfenbeinturm. Die Suche beginnt. PS: Zwei Bemerkungen zu Stil und Aufbau sind zu Beginn angezeigt. Im Folgenden ist die Berichterstattung zu unseren Nachforschungen in der Schweiz und in Argentinien und sind unsere Erlebnisse und Gedanken, also alles Subjektive, in einer anderen Schrift gesetzt als die objektiven Passagen, also das, was wir als Fakten beziehungsweise als durch Quellen, Literatur und Recherche belegte Aussagen bezeichnen können, wie auch der Reise bericht, obschon dieser auch Subjektives weitergibt, ein separates Kapitel ist. Die tagebuchartigen Einträge sind nicht nachträglich beschönigt oder umgeschrieben worden. Nicht ganz alle unsere Thesen 17
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und Ideen, die wir in den entsprechenden Passagen formuliert ha ben, haben sich später als völlig zutreffend erwiesen. Aber wir wollen den Forschungsprozess und unser Herantasten an die Geschichte von Ernst G. und sein Leben und Nachleben möglichst authentisch darstellen.
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10  Postkarte der Calle Florida in Buenos Aires (um 1910).
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11 Ernst um 1895.
12 Elisa um 1895.
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13  Hochzeit um 1895.
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16 «Hotel der Immigranten», wo Einwanderer – auch Ernst – nach ihrer Ankunft in Buenos Aires untergebracht wurden.
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Nach 126 Jahren: Rosana G. in der Schweiz 22. Juni 2015: Wie begrüsst man ein «verlorenes» Familienmit glied? 126 Jahre nach der Auswanderung ihres Urgrossvaters steht Rosana auf dem Perron Nummer 4 im Hauptbahnhof Bern. Ein kurzes «Rosana» meinerseits, ich habe sie an den lockigen Haa ren und ihrer dunkel gerahmten Brille erkannt, eine rasche Umar mung, sie lacht. Es ist gut. Rosana ist 44 Jahre alt, verheiratet, sie hat zwei erwachsene und zwei kleine Kinder. «Alle vier vom gleichen Mann», fügt sie hinzu. Sie designt Kleider und hat eine Sommelière-Ausbildung hinter sich, ihr Mann ist Elektriker. Es ist das erste Mal, dass sie ihre beiden kleinen Kinder so lange allein lässt. «Allein sind sie aber nicht. Sie haben für jeden Tag einen Plan, die Grosseltern, Verwandte und Bekannte hüten sie», sagt Rosana. Auch Rosanas Mann stammt von Schweizer Einwanderern ab. Er heisst Marcelo Gubler.36 Gubler? Den Namen hatte ich doch schon im Immatrikulationsregister des schweizerischen Konsulats in Rosario de Santa Fé von 1885 bis 1921 angetroffen. Auch das wäre also eine Geschichte, eine Spur. Über ihren Mann spricht Rosana wenig. Ich habe eine Vermu tung, weshalb dem so ist. Rosana bestätigt mir später, als sie längst in Argentinien zurück ist, dass ihre Ehe seit Jahren zerrüttet ist. Wir fahren vom Bahnhof zum Neufeld, ich zeige ihr «mein» Gymnasium Bern-Neufeld, das Neufeld-Stadion des FC Bern, wo mein älterer Sohn Fussball spielt, das Institut für Sportwissen schaft, wo mein Vater gearbeitet und das mein Grossvater gegrün det hat. «Es ist grün hier. Wie bei uns», meint Rosana. Ich fahre mit ihr durch Herrenschwanden. Man sieht die wolkenverhange nen Alpen. Es ist ein ruhiger, schöner Abend. 119
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Rosana wirkt nicht müde, nur die leicht rot unterlaufenen Au gen zeigen, dass sie eine sehr lange Reise hinter sich hat. Der Flug von Córdoba nach São Paulo wurde kurzfristig abgesagt, Rosana musste über Buenos Aires fliegen, wo sie vom nationalen zum in ternationalen Flughafen wechseln musste. Von São Paulo flog Ro sana nach Frankfurt, dort nahm sie den Zug nach Basel. In Basel stieg sie in den Zug nach Bern um. Und jetzt ist sie hier, in dem Land, das ihr Urgrossvater vor 126 Jahren verliess. Die Begrüssung bei meinen Eltern ist emotional. Die sprachli che Barriere ist hoch – Rosana spricht nur Spanisch, meine Eltern sprechen kein Spanisch –, tut der Freude aber keinen Abbruch. Schon nach ein paar Minuten meint meine Mutter: «Es ist, als hätten wir Rosana schon immer gekannt.» Rosana hat ein Geschenk für mich. Es sind drei Fotografien. Irgendwo auf einem Estrich hat die Familie sie «ausgegraben». Wieder ein unglaublicher Fund, wieder ein Puzzleteil: eine Foto grafie des jungen Ernst, mit Zigarre in der Hand, kurz nach der Ankunft in Argentinien, eine Fotografie der jungen Elisa und eine der ganzen Familie wohl aus der Zeit um 1910. 24. Juni 2015: Wir besuchen die Kirche in Lauperswil, erbaut 1518, in der mehrere Generationen unserer Vorfahren in der Predigt ge sessen haben dürften, dann das Stammhaus der Geissbühler auf der Oberen Schwand. Rosana ist eine starke Frau, die nicht zu emo tionalen Ausbrüchen neigt. Aber hier ist sie sprachlos. Am Abend zeigt mir Rosana noch mehr Fotografien, vom jun gen Paar bei der Hochzeit und von der ganzen Familie mit den er wachsenen Kindern. Sie gibt mir auch kopierte Seiten aus der Ortsgeschichte von General Deheza mit einigen sehr interessanten Informationen.37 Zum Beispiel bestätigt sich, was ich von Anfang an gedacht hatte: Elisa «Asburger» hiess Elisa «Augsburger». Rosana klagt, nur ein bisschen, über Argentinien, und sie hat die eine oder andere ironische und durchaus auch selbstironische 120
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Bemerkung über sich und ihre Landsleute parat. Sie verhehlt nicht, dass sie für ihre Kinder – zumindest im Moment – in Argentinien kaum Zukunftsperspektiven sieht. Die Inflation, eine aus ihrer Sicht korrupte politische Elite, Probleme im Bildungsbereich sind negative Trends, die Rosana beschäftigen. Ihren Sohn Gerónimo möchte Rosana daher gerne in der Schweiz oder anderswo in Eu ropa Biologie studieren lassen. 27. Juni 2015: Nach Studen müssen wir natürlich noch, zur Kirche in Aegerten, wo Ernst getauft wurde. Es findet an diesem Morgen ein Gottesdienst für Kinder statt. Die Katechetinnen meinen zu erst, wir kämen wegen der Feier. Rosana ist ein bisschen verunsi chert. Sie scheint Mühe zu haben, zu begreifen, dass Ernst als Protestant getauft wurde. Die argentinischen Geisbühler sind na türlich Katholiken. Rosana selber ist sozial und kirchlich sehr en gagiert als Katechetin der katholischen Kirche von Villa General Belgrano. Ich erzähle ihr, dass die Walliser Kolonien in Argentinien ka tholisch geprägt gewesen seien, aber viele Schweizer Einwanderer aus anderen Landesgegenden seien reformiert gewesen. Einige die ser Einwanderer und die meisten ihrer Nachfahren dürften sich irgendwann – wohl oft stillschweigend – dem Katholizismus zu gewandt und sich in offiziellen Dokumenten als Katholiken be zeichnet haben. Jetzt fragt mich Rosana, ob Ernst vor seiner Emi gration nach Argentinien im Wallis gelebt habe und dort Katholik geworden sei. Da haben mir wohl meine Spanischkenntnisse einen Streich gespielt: So war es natürlich nicht gemeint. Ich insistiere aber nicht weiter. Wir fahren zum Zoo Seeteufel in Studen, damit Samuel und Noah auch noch etwas von diesem Ausflug haben. 29. Juni 2015: Nach einer Woche reist Rosana weiter. Sie will unbe dingt an den Chiemsee nach Bayern. Irgendjemand – wohl deutsch stämmige Bekannte in Villa General Belgrano – hat ihr diesen Floh 121
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ins Ohr gesetzt. Was sie dort wirklich will, weiss ich nicht, und ich frage Rosana auch nicht. Sie ist alt genug. Nur die Bemerkung, in der Schweiz gebe es auch viele schöne Seen – sie habe ja schon den Thunersee gesehen –, kann ich mir nicht verkneifen. Und dann nimmt Rosana den Zug, fährt weg. Am 1. Juli fliegt sie von Mün chen nach Granada, wo sie eine argentinische Kollegin trifft, mit der sie während drei Wochen Spanien bereisen wird. Ob Rosana je in die Schweiz zurückkommt? Die Reise ist für sie sehr teuer. Weder die Sache mit der Schweizer Staatsbürgerschaft noch die Idee, ihr Sohn könnte in der Schweiz studieren, ist realis tisch. 27. Juli 2015: Wegen einer starken Bronchitis steckt Rosana in Gra nada fest. Sie musste ihren Rückflug nach Argentinien um eine Woche verschieben. Und das Geld ist ihr auch ausgegangen. Kurz fristig muss ihr Neffe dritten Grades in der Schweiz einspringen. Heute Mittag werde ich ihr mit Western Union Geld schicken. Fa miliensolidarität. 7. August 2015: Eine E-Mail von Rosana: «Ich bin kurz davor, eine wichtige Entscheidung zu treffen. Du bist der Erste, der davon er fährt. Ich würde sehr gerne mit meiner Familie in Europa leben – und zwar in Spanien. Klar wäre es wunderschön, in die Schweiz zu kommen. Aber wegen der Sprache ist Spanien halt doch die bes sere und realistischere Option. Bevor ich nach Argentinien zurück flog, habe ich mir alles genau angeschaut, die Hauspreise, die Ar beitsmöglichkeiten, die Schulen. Wir wären ja auch in Spanien ganz in der Nähe von euch und könnten euch öfters besuchen. Meine Familie in der Schweiz bedeutet mir sehr viel. Ihr seid nicht so wie die Geissbühler in Argentinien, die sind wie eine Wolke, die manch mal auftaucht und rasch wieder verschwindet. Ich hatte mir im mer gewünscht, in Europa zu leben. In Europa haben meine Kinder eine Zukunft. Meine Reise hat mich in dieser Einsicht bestärkt.» 122
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Das Leben von Ernst G. in Argentinien Nach seiner Ankunft in Buenos Aires Ende 1889 blieb Ernst nur für kurze Zeit in der argentinischen Hauptstadt. Dann zog es ihn in die Pampa, nach Cañada de Gómez in der Provinz Santa Fé. Was unerklärlich bleibt, ist die Tatsache, dass im Taufregister der ang likanischen Kirche San Bartolomé in Rosario der Wohnort San Jerónimo vermerkt ist: Cañada de Gómez liegt nur rund 70 Kilometer westlich von Rosario. San Jerónimo Norte hingegen liegt 150 Kilometer nördlich von Cañada de Gómez. Hatte Ernest kurz in San Jerónimo gelebt, bevor er nach Cañada de Gómez weiterzog? Aber das ergibt wenig Sinn, denn Ernst hatte Elisa in Cañada de Gómez kennengelernt. Weshalb hätte er von Cañada de Gómez nach San Jerónimo und kurze Zeit später wieder zurück nach Cañada de Gómez ziehen sollen? Ist der Eintrag im Taufregister einfach falsch? Nur weil etwas in einem Taufregister steht, muss es ja noch lange nicht wahr sein. Oder gab Ernst bewusst San Jerónimo als Wohnort an? Cañada de Gómez war erst 1884 zum Dorf erklärt worden, während San Jerónimo als eine der ersten und wichtigsten Schweizer Kolonien in Argentinien älter war und deutlich mehr Einwohnerinnen und Einwohner zählte. Drei Fotografien aus den ersten argentinischen Jahren von Ernst geben uns einen Eindruck, wer Ernst war und wie er lebte. An der Fotografie von Ernst, die wenige Jahre nach seiner Ankunft in Argentinien aufgenommen wurde, sticht sofort der fehlende linke Arm hervor. Die rechte Schulter hängt ein bisschen. Ernst ist schmächtig. Er wirkt unnahbar. Er strahlt eine gewisse Unsicherheit aus, ein Unwohlsein, vielleicht mit dem Posieren, vielleicht mit seiner in Argentinien noch nicht gefundenen Rolle. Sein Blick geht in die Ferne. Ein dünner Oberlippenbart ist zu erkennen. 123
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Ernst ist herausgeputzt, frisch frisiert, trägt eine Krawatte. Die Zigarre als Accessoire soll wohl eine gewisse Lässigkeit zum Ausdruck bringen. Die Fotografie ist natürlich inszeniert, im Hintergrund ist ein Kind zu erkennen, das nicht rechtzeitig aus dem Bildausschnitt verschwunden ist. Wann und unter welchen Umständen Ernst Elisa kennengelernt hat, wissen wir nicht. Es kann nicht unmittelbar nach der Ankunft von Ernst in Argentinien gewesen sein, denn Elisa war 1889 erst 13 Jahre alt. Ernst hat also mehrere Jahre allein gelebt. Wenn die Information über die Taufe 1897 in Rosario stimmt, wäre Elisa damals 21 Jahre alt gewesen. Sie hätte demnach Ernst um 1895 geheiratet. Da Elisas Familie in Cañada de Gómez lebte, dürfte Ernst seine zukünftige Ehefrau auch dort getroffen haben. Elisas Familie kam auch aus der Schweiz. Die Fotografie von Elisa zeigt eher ein Mädchen als eine Frau. Sie muss auf der Fotografie rund 18 Jahre alt sein. Elisa ist schlank und, wie Ernst, frisch frisiert. Sie trägt ein einfaches, aber klassisches langes Kleid. Auch ihr Blick ist in die Ferne gerichtet. Auffällig ist, dass vor ihren Füssen eine Topfpflanze platziert wurde, die auf der Fotografie von Ernst noch gefehlt hatte. Wiederum ist am Bildrand der Rock des Mädchens zu erkennen, das sich schon in Ernsts Fotografie verirrt hat. Und dann die Fotografie bei der Hochzeit: Das Paar wirkt jung, reserviert und unsicher. Der Altersunterschied beträgt acht Jahre. Elisa ist klein. Ernst dreht seine linke Körperhälfte zur Seite, sodass der Betrachter den fehlenden Arm nicht sehen kann. Elisa hält ihre rechte Hand auf Ernsts Schulter. Während Ernst in die Kamera blickt – durchaus sicher diesmal –, geht Elisas Blick wieder in die Ferne. Reich war das Paar sicher nicht, aber es hat sich, so gut es eben ging, für die Fotografie zurechtgemacht. Wir wissen nicht sicher, welchem Beruf Ernst unmittelbar nach seiner Ankunft in Argentinien nachging. Wahrscheinlich war er Aushilfslehrer und hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. 124
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Bildnachweis
Bundesarchiv Bern: 4, 5, 6 Fotosammlung «Buenos Aires anteayer» (Buenos Aires 1983): 7, 8, 9, 10 Simon Geissbühler: 3, 16, 17, 18, 22, 23, 24, 25, 26 Privatbesitz (Simon Geissbühler): Titelbilder, 11, 12, 13, 14, 15 Daniel Ryf: 19, 20, 21 Michael Tessmer: Vorsatz, 1, 2
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Daniel Ryf, geboren 1988, hat internationale Beziehungen in Genf und Sicherheitspolitik in Madrid studiert und spezialisiert sich seit 2015 an der Universität Buenos Aires in Menschenrechtsfragen.
Simon Geissbühler, Daniel Ryf «Dieses Buch dokumentiert die Suche nach Ernst, meinem Ururgross onkel. Am 28. November 2014 beschliesse ich, einfach so, die Spurensuche zu beginnen. Wir wissen ja nicht immer, weshalb wir wann etwas Neues anfangen, manchmal tun wir es einfach. Aber ich will nun endlich mein Versprechen an mich selbst einlösen, der Geschichte von Ernst nachzugehen. Ich habe einen Namen, ein Geburtsdatum, eine Berufs- und Ortsbezeichnung – mehr nicht.» Simon Geissbühler Dieses Auswanderer-Buch schlägt eine Brücke zwischen dem Emmental und Argentinien. Es erzählt eine berührende Familiengeschichte mit einem unerwarteten Ausgang.
ISBN ISBN978-3-03810-197-0 978-3-03810-197-0
9 783038 101970
www.nzz-libro.ch
Der einarmige Auswanderer. Eine Spurensuche vom Emmental nach Argentinien
Simon Geissbühler, geboren 1973, Dr. rer. soc., hat an der Universität Bern und in den USA studiert. Er ist Historiker, promovierter Politologe und seit 2000 Diplomat. Seit 2013 ist er stellvertretender Chef der Abteilung Amerikas des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Er publiziert regelmässig zu verschiedenen Themen.
Simon Geissbühler, Daniel Ryf
Der einarmige Auswanderer Eine Spurensuche vom Emmental nach Argentinien
Verlag Neue Zürcher Zeitung
«Ernst, geboren 1868, Farmer, Buenos Aires.» Dieser mysteriöse Eintrag im Stammbaum der Familie Geissbühler löst eine abenteuerliche Suche vom Emmental in die argentinische Pampa aus. Wer war dieser Auswanderer? Warum verliess er 1889 das heimische Studen im Seeland? Wurde er wegen seiner Behinderung ausgegrenzt? Wollte er in Argentinien ein neues Leben aufbauen? Wie erging es ihm in Südamerika? Das Buch dokumentiert diese Spurensuche. Tagebuchartige Einträge formulieren Gedanken und Erlebnisse dieser Entdeckungsreise. Dazwischen eingestreut sind objektive Fakten, auf Recherche in Quellen und Literatur abgestützte Aussagen. Das Buch ist ein Beitrag an die Geschichte der Schweizer Überseeauswanderung und regt zum Nachdenken über Heimat, Freiheit und Glück an.