Gschwend: Aufbruch. Die Officina, das Tessin und die Gotthardbahn.

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AUFBRUCH

DIE OFFICINA, DAS TESSIN UND DIE GOTTHARDBAHN

Hanspeter Gschwend

HANSPETER GSCHWEND

HANSPETER GSCHWEND

L’OFFICINA E IL TICINO

FLEISS UND

•••••••••••

STORIA E STORIE DALL’INIZIO A OGGI DELLA “GOTTHARDBAHN”

Verlag Neue Zürcher Zeitung VERLAG NEUE ZÜRCHER ZEITUNG

INDUSTRI

DIE “OFFICINA”, DAS TESSIN UND DIE GOTTHARDBAHN


Die Publikation dieses Buches wurde durch die SBB ermöglicht.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 SBB AG, Bern und Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich Lektorat: Regula Walser, Zürich Umschlag, Gestaltung, Satz: Carlo Berta, Bellinzona Druck: Fontana Print SA, Pregassona Einband: Buchbinderei Burkhardt, Mönchaltorf Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN 978-3-03810-105-5 www.nzz-libro.ch NZZ Libro ist ein Imprint der Neuen Zürcher Zeitung


ZU DIESEM BUCH

D

ie Officina von Bellinzona ist mehr als nur eine Eisenbahnreparaturwerkstätte. Sie ist ein Meilenstein der Industrialisierung der italienischen Schweiz, ein Denkmal und Prüfstein der wechselseitigen Solidarität der Landesteile diesseits und jenseits des Gotthards und ein Wahrzeichen der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Region. Das vorliegende Buch zeichnet in Text und Bild die Geschichte der Officina in diesen weiteren Zusammenhängen nach. Die einzelnen Kapitel bestehen aus zwei Teilen: einem Einstieg, der als mosaikartige Erzählung auf der Basis von Dokumenten auf anschauliche Weise in die

Thematik des jeweiligen Kapitels einführt, und einem Faktenteil. Details zu den Personen und Umständen im erzählenden Teil sind erfunden. Der Faktenteil schildert die Entwicklung von 1874 bis heute. Die Beschreibung stützt sich auf unveröffentlichte Dokumente, die im Dachstock des Industriewerks gefunden wurden, auf Gespräche mit Zeitzeugen sowie auf Publikationen zum Thema. Im Interesse der Lesbarkeit wird in der heutigen Schreibweise zitiert. Um den Leserinnen und Lesern zu ermöglichen, je nach Lust nur den ersten oder nur den zweiten Teil der Kapitel zu lesen, sind grundlegende Fakten gelegentlich in beiden Teilen erwähnt.



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I N H A LT

INHALT 1

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MITTELALTER IN DER NEUZEIT Schilderung der Lebensumstände und Infrastruktur des Verkehrs in der Südschweiz vor dem Bau der Gotthardbahn als Voraussetzung für das Verständnis der Umwälzungen, die durch die Eisenbahn auf der Alpensüdseite stattfanden

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BRÜCHE, ABBRÜCHE UND AUFBRÜCHE Der Ausbruch aus der Vergangenheit durch den Bau und die Eröffnung der Gotthardbahn; die damit zusammenhängende Befreiung der Stadt Bellinzona aus den mittelalterlichen Mauern

KAPITEL 3.

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KAPITEL 3.

45

3

47

DIE INKUBATIONSZEIT DES WERKSTÄTTEN-VIRUS Die ersten Vorstösse von Tessiner Gemeinden als Werkstattstandort; Pragmatik und Hinhaltetaktik der Gotthardbahngesellschaft

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4

EIN GNADENLOSER KONKURRENZKAMPF Die Bewerbungen, Angebote und gegenseitigen Diskreditierungen der Hauptkonkurrenten um den Werkstattstandort; das Pokern der Gotthardbahn; der Vertrag mit Bellinzona

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I N H A LT

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«BEIM PFIRSICHBAUM» UND «STALINGRADO» Plan und Ausführung der neuen Hauptwerkstätte in Bellinzona; die Bedeutung des Wassers als Antriebskraft; die urbanistischen Veränderungen

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ARBEITSPLÄTZE, ARBEITSKAMPF UND «MENNERKHOR» Das neuartige Angebot industrieller Arbeitsplätze; politisches und apolitisches Vereinswesen unter dem Einfluss italienischer und deutschsprachiger Arbeiter; der Streik von 1901; der Einfluss deutscher Bräuche und Sprache auf die Italianità

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MIT VOLLDAMPF ZU DEN SBB UND ZUR ELEKTRIZITÄT Die Verstaatlichung der Gotthardbahngesellschaft; das Aufkommen der Elektrizität in der Region generell und in der Officina im Besonderen; Ausbau und Neuorganisation der Werkstätten im Gefolge der Elektrifizierung

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WACHSTUM, KRISEN, KRIEG UND ALLTAG Dauerkrisenproblematik im Kanton; die Bedeutung der Gotthardbahn als Transportachse Nord-Süd, die Auswirkungen auf die Arbeit der Officina; der Beginn des «Regimes» aus Bern, interne Probleme Personal/Gewerkschaften/Direktion Officina

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9

I N H A LT

9

193

DAS GOLDENE ZEITALTER UND DESSEN SCHATTEN Prekäre Aufschwünge im Kanton; Goldenes Zeitalter versus Produktivitäts- und Mentalitätsprobleme in der Führung des Industriewerks

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SEIN ODER NICHTSEIN Sanierungsansätze und die Pläne von SBB Cargo und der Generaldirektion SBB; Probleme im Vorfeld des Streiks von 2008; Verlauf des Streiks, Gründe für die kantonale Solidaritätswelle; der Erfolg der Streikenden ein Erfolg für die Zukunft der Officina?

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RUNDE TISCHE, RUNDE NULLEN, NEUE PERSPEKTIVEN Die grossen SBB-Baustellen, die Tavola Rotonda, das Centro di Competenze, die neue Situation im Industriewerk und die Strategie für die Zukunft

EPILOG UM MITTERNACHT Sindaco Molo und Sekretär Fratecolla über das neue Bellinzona, die Zukunftschancen und die Problematik TessinDeutschschweiz

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VORANGEHENDE DOPPELSEITE:

Bau des Bahnhofs Bellinzona, 1873–1876.


KAPITEL 2

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BRÜCHE, ABBRÜCHE UND AUFBRÜCHE

G

iovanni hastet über den alten Talweg, der den Fluss Moësa entlang durch Kastanienselven aus dem Misox ins Tessin führt. Er will möglichst bald weit weg von zu Hause sein, damit er ja nicht umkehrt. Zugleich weiss er, dass nichts schlimmer wäre als ein Schritt zurück. Bald regnet es heftig, bald sticht eine heisse Sonne. Die Moësa führt Hochwasser, die Bergbäche sind aus ihren Betten getreten, überschwemmen den Weg und haben ihn stellenweise aufgerissen, sodass Giovanni von Stein zu Stein springen muss. Er ist völlig durchnässt. Seit sechs Stunden ist er unterwegs. Er hat noch nichts gegessen, doch er ist weder hungrig noch müde, und die Aufbruchstimmung ist stärker als die Angst vor dem Neuen. Bis zum Einbruch der Nacht will er weiter den Fluss Ticino entlang Richtung Gotthard gehen und dann in einem Stall oder noch lieber in einer Kirche verborgen übernachten. Bei Arbedo, wo die Moësa in den Ticino mündet, bleibt Giovanni erschrocken stehen. Der Weg verliert sich in einer breiten Wüstenei aus Kies und Geröll, in der an die hundert Männer einen Damm aufschütten. Mit Pickeln reissen sie Material auf, schaufeln es in flache Rollwagen, die von Kärrnern auf improvisierten Schienen zusammengeschoben werden. Ochsen und Pferde schleppen grossrädrige Karren heran, beladen mit Granitblöcken. Mit Flaschenzügen werden die Blöcke zu einer Stützmauer aufgeschichtet. Auf mehreren Pfeilern überquert eine Eisenbrücke die Moësa.

2


KAPITEL 2

Der Bau der Gotthardbahn erforderte tief greifende Einschnitte in die Landschaft des Tessiner Haupttals.

30

Giovanni hat so etwas noch nie gesehen. Das also ist ein Teil des unerhörten Eisenbahnprojekts durch den Gotthard, an dem sein Vater, einer unter Tausenden, als Steinmetz mitarbeitet! An Ostern, als er nach Hause gekommen war, hatte er erzählt, dass schon bald von Dampfkraft auf Eisenschienen gezogene Wagen Menschen und Waren von Bellinzona nach Biasca und Locarno tansportieren würden. Doch Giovanni konnte sich nicht vorstellen, wie das aussehen und vor sich gehen würde. Langsam nähert er sich den Arbeitern, unsicher, ob er sich freuen würde, wenn er den Vater unter ihnen entdeckt. Kurz vor Ostern war Giovannis 15. Geburtstag gewesen – wir sind immer noch im Jahr 1 8 7 3 –, und in einem Gespräch unter Männern hatte sein Vater bestätigt, dass auch er einmal sein Brot würde auswärts verdienen müssen. Doch es sei noch zu früh, hatte der Vater gesagt. Giovanni hat Angst, dass er ihn zur Mutter zurückschicken würde.


KAPITEL 2

31

Neugierig erklimmt er den Damm. Von der Brücke her sind nach Süden bereits schwere Schienen gelegt. Giovanni folgt mit den Augen der lang gezogenen Kurve Richtung Bellinzona. In der Ferne sieht er die Burgen, die er wie die Stadt nur vom Hörensagen kennt. Die Wolken haben sich verzogen, die Sonne steht tief über den Zinnen, und Giovanni beschliesst, nicht irgendwo in einem Dorf zu übernachten, sondern in dieser Stadt, die bald Knotenpunkt der stählernen Strassen von einem Meer zum anderen, vom Hafen von Genua zum Hafen von Hamburg sein würde! Er setzt sich hin, schlüpft in die Schuhe, denn der Schotter schmerzt die nackten Füsse, und marschiert dann, gespannt, was er sehen würde, auf dem Bahndamm der Stadt zu. Das Schotterbett wird breiter, ein Bautrupp ist gerade dabei, eine Weiche einzusetzen. Ein Wächter schaut zu, sieht Giovanni und herrscht ihn an, was er hier suche. Giovanni stottert etwas, der Wächter reisst ihm die «troca» vom Rücken und schnürt die Tasche mit seinen wenigen Habseligkeiten auf. «Wir haben genug von den Vaganten, die Schrauben und Werkzeug stehlen! Wo hast du die Sachen versteckt?», schreit er. Da richtet sich ein junger Arbeiter des Bautrupps auf. Er strahlt, kommt heran und versichert dem Wächter, dass dieser Bursche ganz sicher kein Dieb, sondern nur ein gänzlich unerfahrener und neugieriger Junge aus seinem Dorf sei. Francesco Pàpa heisst der Arbeiter. Er ist etwas älter als Giovanni, ein Cousin zweiten oder dritten Grades, sie haben aber nur selten miteinander gesprochen. Francesco freut sich offensichtlich, den Verwandten aus Augio zu sehen. «Warte auf mich, gleich habe ich Feierabend», sagt er, «du musst den Bahnhof sehen, und ich will dir die Stadt zeigen.» «Das ist ein Bahnhof?!», ruft Giovanni, als sie vor einem imposanten Rohbau stehen. Die Kirche im Nachbardorf Santa Domenica war das imposanteste Bauwerk, das er je gesehen hatte. Dieses Gebäude hier jedoch hätte ohne Weiteres sämtliche Kirchen des Calancatals schlucken können. Zwanzig hohe Arkaden gliedern die stolze, schier endlose Fassade. Eine schlanke Balustrade umsäumt das flache Dach, auf dem sich in der Mitte nochmals eine Baute erhebt,


KAPITEL 2

Schon vor der Vollendung der durchgehenden Gotthardbahn konnten 1874 die Linien Bellinzona–Biasca, Bellinzona–Locarno und Lugano–Chiasso eingeweiht werden. Hier die Feier im Bahnhof Bellinzona.

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grösser und herrschaftlicher als der Palazzo des Landammanns. «Wie das Schloss auf der Postkarte des Onkels aus Frankreich, die auf dem Kaminsims steht!», erinnert sich Giovanni. «Das Schloss in Frankreich, das ist Vergangenheit», sagt Francesco, «das war für die Herren. Das hier, das ist ein Schloss der Zukunft, und die gehört uns!» Er dreht sich um und zeigt auf eine Baracke jenseits der Geleise. «Und dort wird das Depot mit Werkstatt für den Unterhalt der Lokomotiven gebaut. Dort werden wir Arbeit finden, Leute wie du und ich, in anständigen Berufen. Schlosser, Schmiede, Mechaniker – nicht Taglöhner, die durch fremde Länder ziehen. Wir werden bei der Familie leben, am Morgen zur Arbeit gehen und am Abend zur Familie zurückkehren, den Gemüsegarten pflegen und im Herbst in unseren Bergen Gemsen jagen. Und am Ende jeden Monats werden wir einen anständigen Lohn abholen. Wenn all die Schienen gelegt sind, 232 Kilometer von Luzern bis Chiasso, dann werde ich mich als Schlosser in der Reparaturwerkstatt bewerben und heiraten.» Im Geleisebau arbeite er zwei Schichten am Tag, erklärt Francesco, und er teile mit einem Kollegen ein


KAPITEL 2

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Zimmer in Daro, dem Dorf über dem Bahnhof. «Du kannst in seinem Bett schlafen», sagt er, «er hat Nachtschicht.» «Wo ist denn die Stadt?» Die beiden sind um das Bahnhofsgebäude herumgegangen und stehen wieder vor einem Bauplatz, von dem aus ein Schotterbett sich in der Dämmerung verliert. Giovanni blickt sich verwundert um. «Dort unten», sagt Francesco und weist zu den drei Burgen, die in der Ferne zur dunklen Silhouette geworden sind. Man habe sich in der Stadt entrüstet, dass der Bahnhof nicht beim Zentrum gebaut werde, doch das hätte bedeutet, dass man die Trasse hätte tiefer legen müssen. Dann wäre die ohnehin schon schwierige Steigung zum Monte Ceneri noch länger geworden. «Dabei ist es doch gut, dass der Bahnhof hier oben gebaut wird. Man muss keine Häuser abreissen, kann einen schönen Platz bauen, auf dem die Droschken warten und die Reisenden aus aller Welt auf einer prächtigen Bahnhofstrasse in die Stadt fahren werden. Und dort, wo jetzt die Bauhütte steht, wird bald das Albergo Internazionale die vornehmen Gäste aus der ganzen Welt beherbergen!» Giovanni hat Mühe, sich all das vorzustellen. Die beiden folgen durch Weinberge und Obstgärten dem Verlauf der zukünftigen Chaussée, die das neue mit dem alten Zentrum verbinden soll. Das Schotterbett kommt Giovanni vor wie eine Wunde, die in die blühende Landschaft gerissen wird. Doch das muss wohl sein, denkt er, wenn die Zukunft kommen soll, die Francesco beschrieben hat. Am Fuss des Burghügels, der hinter den Stadtmauern aufragt, gelangen die beiden zu einem alten Gebäude mit drei übereinanderliegenden Loggiengängen und den Überresten einer herrschaftlichen Gartenanlage. «Das war das Kloster der Benediktiner», erklärt Francesco. «Die Mönche sind schon vor einiger Zeit vertrieben worden, und bald wird auch der Bau abgerissen. An seiner Stelle werden stolze Geschäftshäuser die Bahnhofstrasse säumen.» Sie gehen noch einige Hundert Meter weiter, bis eine hohe Mauer den Weg versperrt. «Die Stadtmauer!», seufzt Francesco. «Ich dachte, sie wäre schon aufgebrochen. Hier wird die Bahnhofstrasse in die Piazza Grande münden, den grossen Stadtplatz vor der Kollegiatskirche. Wir müssen zurück und um das Kloster herum zur Piazza Giardino gehen. Dort führt die Gotthardstrasse in die Stadt.»


KAPITEL 2

34

Bellinzona von Norden, 1834. Vor dem Bau der Gotthardbahn war die Stadt ein von Mauern umgebener mittelalterlicher Ort von knapp 4000 Einwohnern. Durch die Gärten im Vordergrund wurde 1873 die Bahnhofstrasse gebaut.

Durch die Bresche in der Stadtmauer führte ab 1874 die Bahnhofstrasse ins Stadtzentrum.

Es ist schon dunkel, als die beiden Männer durch die engen Gassen gehen. Es riecht nach Unrat, eine Katze verfolgt eine Ratte, an einer ratternden Kette zieht eine Frau einen Kessel Wasser aus einem Sodbrunnen. An der Mauer der Piazza Grande, die notdürftig von Petroleumlampen erhellt wird, wachsen Tomaten und Gemüse, und Giovanni erkennt staunend einen Hühnerstall. «Wie zu Hause», denkt er, «wenn nicht die prächtigen Palazzi, die schmiedeeisernen Balkone und die breite Treppe zur Kirche wären.» Er blickt hinauf zur hohen Fassade und stolpert über einen Haufen Sand. «Du musst aufpassen, wo du hintrittst», sagt Francesco, «die Gefangenen aus der Burg oben müssen die Strassen reinigen. Sie sind an


KAPITEL 2

35

Eisenkugeln gekettet und haben nicht viel Lust zum Arbeiten.» Im Caffè Federale neben der Kirche herrscht Hochbetrieb. In einer Ecke streiten sich angetrunkene Bauarbeiter. Doch Giovanni, ermüdet von dem ereignisreichen Tag, mag kaum hinsehen, und noch weniger versteht er, warum ein Mann sie beide in ein Lokal in der Hintergasse führen will, wo es Frauen geben soll.

FA K T E N

Das Rathaus von Bellinzona an der Piazza Nosetto wurde 1924 abgerissen und durch den heutigen Bau im lombardischen Stil ersetzt.

en Bahnhof, einem Symbol und Hoff-

Ausbruch aus der Vergangenheit

nungsträger der Neuzeit, verbinden. Bis dahin, schreibt der Historiker Plinio Grossi, sei Bellinzona «una città del pas-

Zwei Jahre vor der Eröffnung der

sato», eine Stadt der Vergangenheit ge-

Gotthardlinie für den regulären Eisen-

wesen; selbst die Piazza Grande habe ei-

bahnverkehr, am 29. Februar 1880 um

nen rustikalen Charakter gehabt.

11.15 Uhr, wurde das Gotthardmassiv

Eingeschlossen in den Stadt-

durchbrochen. Damit begann für die

mauern und beherrscht von den teils

Schweiz südlich der Alpen die Neuzeit.

verfallenen drei Burgen, die wie Ku-

Sechs Jahre zuvor, 1874, hatten

lissen aus den dicht gedrängten Häu-

Bauarbeiter in Bellinzona eine Bresche

sern, Kirchen und Gassen ragten, leb-

in die Mauer geschlagen, die den Haupt-

te die Bevölkerung schlecht und recht

platz, die Piazza Grande, von der Aus-

von Kleingewerbe, Handel und Waren-

senwelt trennte. Durch diese Öffnung

transport. Ein Beispiel für den Geist, der

sollte in Zukunft der Viale Stazione die

in der Stadt herrschte: Bis 1879 waren

mittelalterliche Stadt mit dem neu-

in Bellinzona Fahrräder verboten.


KAPITEL 2

Mit dem Bau der Zentralwerkstätte 1886–1889 entstand auch das neue Wohnquartier San Giovanni.

36 Es gab allerdings auch einige in-

ale, ein verkleinertes Abbild der Mai-

itiative Bürger. 1834 gründete die Fa-

länder Scala. Gebaut 1847 als Treff-

milie Paganini im nahen Prato Carasso

punkt der städtischen Gesellschaft,

eine grosse und sozial fortschrittliche

wurde das Teatro bald ein Ort rau-

Seidenspinnerei. 1851 initiierten füh-

schender Feste.

rende Freisinnige den Circolo degli

Bellinzona war die einzige rund-

Operai, ein Arbeiterhilfswerk mit Be-

um befestigte und somit im histori-

gegnungszentren, kostenloser Schu-

schen Sinn «richtige» Stadt im Tessin,

lung und der Gründung von Genossen-

doch sie war weder die bedeutends-

schaften. 1852 tickte in Bellinzona der

te noch die grösste Gemeinde. 1870

erste Telegraf des Kantons. 1861 grün-

zählte sie 3950 Einwohner, während

dete man eine Bank mit dem irrefüh-

damals in Lugano, dem urbanen Zen-

renden Namen Banca Cantonale Tici-

trum des Sottoceneri, fast doppelt so

nese. Es war keine Kantonalbank mit

viele Menschen lebten. Zudem gab es

Staatsgarantie. Im Krisenjahr 1914

eine ganze Reihe wirtschaftlich und

ging sie zusammen mit zwei weiteren

politisch wichtiger Orte, die fast so

Tessiner Bankhäusern bankrott und

gross wie Bellinzona waren: allen voran

vernichtete die Ersparnisse vieler Aus-

Locarno mit 2885 Einwohnern, dann

wanderer.

Mendrisio mit 2321, Biasca mit 1904,

Ein bleibendes Denkmal der

Airolo mit 1760, Chiasso mit 1756 und

bürgerlichen Initiativen aus der Zeit

der Grenzort Brissago mit 1327 Ein-

vor der Eisenbahn ist das Teatro Soci-

wohnern.


KAPITEL 2

Die Entwicklung der Einwohnerzahl zeigt, wie wichtig die Ankunft

37

lor zwischen 1870 und 1888 beinahe 10 Prozent der Bevölkerung.

der Eisenbahn für Bellinzona war. In den zwanzig Jahren vor 1870 wuchs die Stadt nur langsam um 20 Prozent, von 3209 auf 3950 Einwohner.

Eisenbahnfieber in der Schweiz

1888, sechs Jahre nach der Eröffnung der Gotthardbahn, lebten bereits 5553

Während 1830 erstmals eine

Menschen in Bellinzona. Der Zuwachs

Fahrstrasse über den Gotthard führ-

war mehr als doppelt so gross als in Lu-

te, dampfte in England bereits die Ei-

gano, und dies noch bevor die Hauptre-

senbahn zwischen Manchester und

paraturwerkstätte der Gotthardbahn

Liverpool. 1840 konnte man mit

eröffnet wurde. Nur in Chiasso stieg die

der Badischen Bahn von Deutsch-

Einwohnerzahl rasanter: Der einst ab-

land bis Basel fahren. Von dort muss-

gelegene Ort wuchs durch den Grenz-

te man mit Kutschen weiterreisen.

bahnhof um 61 Prozent auf 2841 Ein-

Die Waren wurden auf Fuhrwerke

wohner. Völlig anders war es in den

und Schiffe verladen, dann schaff-

Dörfern entlang der Trasse, denen die

ten Säumer sie über die Pässe. 1850

Bahn keine Arbeitsplätze bot. Quinto

schliesslich wurde zwischen Zürich

zum Beispiel, flächenmässig die gröss-

und Baden auf den 25 Schienenkilo-

te Gemeinde in der Leventina, ver-

metern der «Spanisch-Brötli-Bahn»

Die Bahnhofstrasse, der Viale Stazione von Bellinzona, wurde zur Geschäftsstrasse im Stil der Pariser Boulevards der Gründerzeit.


KAPITEL 2

Die Piazza Collegiata, früher Piazza Grande genannt, nach der Öffnung für die Bahnhofstrasse. Rechts das Caffè Federale, Treffpunkt der Geschäftswelt und Politiker.

38

die erste Eisenbahnfahrt auf Schwei-

Lukmanier, den Splügen oder den

zer Boden möglich.

Gotthard, begann man in Gösche-

Als 1852 ein Bundesgesetz den

nen und Airolo den Angriff auf das

Eisenbahnbau der privaten Initiative

Gotthardmassiv. Die Zeit drängte. Ab

überliess, brach ein wahres Fieber aus.

1867 verband die Brennerbahn Öster-

1864 waren bereits 1300 Schienenkilo-

reich und ab 1871 der Tunnel durch den

meter gelegt und mit den Netzen von

Mont Cenis Frankreich mit Italien. Die

Frankreich, Deutschland und Öster-

Schweiz drohte vom internationalen

reich verbunden. 1872 erhielt der Bund

Verkehr umfahren zu werden.

mit einem neuen Eisenbahngesetz grössere Kompetenzen zur Erteilung von Konzessionen. Nun durchzogen die Linien von fünf grossen und eini-

Erhöhte Temperatur im Tessin

gen kleineren privaten Eisenbahngesellschaften die Alpennordseite von Genf

Auch im Tessin wirkte der Er-

bis zum Bodensee und ins Wallis, von

reger des Eisenbahnfiebers, doch es

Basel bis Luzern und von Zürich bis Chur.

brach erst langsam aus. Die wirtschaft-

Das Tessin und damit die Ver-

liche Schwäche des Kantons, die inne-

bindung mit Italien blieben jedoch

re Zerstrittenheit, der Nachholbedarf

aussen vor. Erst 1873, nach erbitter-

im Strassenbau und das Fehlen initiati-

ten Kämpfen zwischen Verfechtern ei-

ver und finanzkräftiger einheimischer

ner Nord-Süd-Verbindung durch den

Unternehmer machten die Region


KAPITEL 2

39

von auswärtigen Investoren abhän-

schloss sich Sardinien-Piemont dem

gig. Dabei setzte man lange auf die fal-

Projekt an. Das damalige Königreich

schen Pferde. 1846 hatte der Kanton

war daran interessiert, seinen Hafen in

einem Mailänder Investor die Konzes-

Genua mit Zentraleuropa zu verbinden

sion für eine Bahn von Bellinzona via

und zu verhindern, dass Österreich die

Lugano bis zur italienischen Grenze er-

Warenströme durch den Brenner nach

teilt. Im selben Jahr erhielt eine lom-

Venedig zog. Venetien gehörte bis 1866

bardisch-piemontesische Gesellschaft

zur Donaumonarchie.

die Bewilligung für die Strecke Locar-

1853, als die erste Konferenz der

no–Olivone als Zufahrtslinie zum pro-

Deutschschweizer Gotthardkantone

jektierten Lukmaniertunnel. Doch es

sich beim Bundesrat für die Gotthard-

geschah nichts. 1851 verfielen die Kon-

bahn starkmachte, erteilte das Tessin

zessionen.

einer englisch-bündnerischen Gesell-

Auch in den Auseinanderset-

schaft die Konzession für eine Luk-

zungen um die Route für den Alpen-

manierbahn und die Verbindung von

durchstich stand das Tessin lange auf

Lugano nach Bellinzona. Auch die-

der falschen Seite. 1845 beteiligte sich

se Konzession – und es blieb nicht die

der Kanton am Vertrag mit Graubün-

letzte – verfiel wegen der Untätigkeit

den und Sankt Gallen für die Realisie-

der Konzessionäre. Trotzdem sprach

rung der Lukmanierlinie. Im selben Jahr

sich der Tessiner Grosse Rat 1860 wie-

Der Bahnhofplatz am oberen Ende des Viale Stazione. Die Gartenanlage links musste Parkplätzen vor dem Bahnhofsgebäude weichen. Rechts das Hotel Internazionale.




VORANGEHENDE DOPPELSEITE:

Beim Zusammenstoss der internationalen Expresszüge Basel und Zürich-Mailand bzw. Mailand-Dortmund am 23. April 1924 im Verschiebebahnhof San Paolo kamen 15 Menschen ums Leben. Nachkommen der Reparaturarbeiter erzählen noch heute von deren Schock.


KAPITEL 8

167

WACHSTUM, KRISEN, KRIEG UND ALLTAG

C

hiara schiebt den Wagen der Underwood Nr. 5 nach rechts und überfliegt wohlgefällig das Getippte. Seit Kurzem ist die neue Büroschreibmaschine eingetroffen; bis zu 84 Zeichen pro Zeile setzt sie gleichmässig, gestochen scharf und ohne die Buchstaben nach unten oder nach oben zu verrutschen auf das Papier, acht mehr als das Vorgängermodell, das Chiara ihrem Kollegen Emilio, dem Gehilfen des Bürochefs, überlassen hat. Vier Schreibmaschinen gibt es mittlerweile in der Officina; die Buchhaltung hat das Modell Underwood Nr. 3 mit Breitwagen für Tabellen im Querformat erhalten. Chiara schreibt mit Stolz und Freude mit der Maschine, und sie kann nicht begreifen, dass die Kollegen, die wie Emilio die Korrespondenzen, Protokolle und Statistiken in makelloser deutscher Kurrentschrift von Hand ausfertigen, sich gegen die neue Technik sperren. Vergeblich hat Chiara sie gewarnt, dass sie ihre Arbeit verlieren könnten, wenn sie sich nicht damit anfreunden. Noch immer ist sie die einzige Frau, die in der Officina arbeitet. Wir sind ins Jahr 1918 zurückgekehrt, und noch bis in die 1940er-Jahre wird die Verwaltungsarbeit und Rechnungsführung vorwiegend von männlichen Büroangestellten erledigt werden. Chiara aber, tüchtig, agil, offen für Neues und zweisprachig, ist bald zur unentbehrlichen Sekretärin des neuen Werkstättenvorstands – in heutiger Terminologie des Direktors – Jacques Pfaff aufgestiegen.

8


KAPITEL 8

168 Auch jetzt ist er auf ihre Hilfe angewiesen. «Was heisst non mossi lagno?», fragt er und schreitet nervös auf den knarrenden Eichenriemen seines Büros hin und her. Am Besprechungstisch sitzt, etwas verschüchtert und die Mütze in der Hand, der Arbeiter Marco Fraschina. Chiara unterdrückt ein Lächeln. So redet keiner, der Güterwagen repariert. Fraschina muss sich mit einem Juristen vorbereitet haben. «Er hat keine Klage vorgebracht», übersetzt Chiara. «Gut», sagt Pfaff, «schreiben Sie das!» Chiara tippt und Pfaff fährt, radebrechend, auf Italienisch mit der Befragung fort.

Am 22. Oktober 1926 entgleiste in Castione ein Personenzug. Schwer beschädigte Waggons wie dieser wurden teils abgewrackt, teils zu Güterwagen umgebaut.

Es geht um den Vorwurf, der Werkleiter Kronauer habe Marco Fraschina und seinen Kollegen Giovanni Luini gezwungen, im Freien bei eisiger Kälte einen ausrangierten Personenwagen zu demontieren, um ihn in einen Güterwagen umzubauen. Niemand habe ihn gezwungen, sagt jetzt Fraschina. Im Gegenteil, er habe die Arbeit gerne getan, denn sie habe ihm einen zusätzlichen Akkordverdienst gebracht. Er sei lediglich von Zeit zu Zeit in die Karrosserieabteilung gegangen, um sich aufzuwärmen. Das habe er dort dem Vorarbeiter Biaggio erklärt, und der müsse es der Gewerkschaft rapportiert haben.


KAPITEL 8

169

«Hat Ihnen jemand einen Vorwurf gemacht, dass Sie die Arbeit unterbrachen, um sich aufzuwärmen?», fragt Pfaff. Fraschina verneint und fügt bei, er habe auch erst um 8.30 Uhr mit der Arbeit anfangen müssen, als es weniger kalt geworden sei. «Gut. Haben Sie dem noch etwas beizufügen?» Fraschina schüttelt den Kopf, Chiara tippt «No», liest das Protokoll vor, Fraschina unterschreibt es. Dann ruft sie Luini herein. Pfaff stellt dieselben Fragen und erhält dieselben Antworten. Die Angelegenheit vergiftet seit Wochen die Atmosphäre im Betrieb. Gegen den Abteilungsleiter der Wagenreparatur sind gehäuft Klagen laut geworden, er behandle seine Leute auf beleidigende Weise und verlange unzumutbare Leistungen. Die Gewerkschaft hat die Vorkommnisse gesammelt und der Kreisdirektion in Luzern vorgelegt. Pfaff ist der Sache nachgegangen, hat die Beschwerden teilweise berechtigt gefunden und Massnahmen zur Wiederherstellung eines erspriesslichen Arbeitsklimas getroffen. Doch jetzt verlangt die Gewerkschaft, dass man den Abteilungsleiter aus seiner Funktion entferne. Als Luini gegangen ist, will Pfaff sich eine Zigarette anzünden. Chiara hält ihn zurück. «Tut mir leid», sagt sie, «gleich ist Besprechung mit den Vertretern der Krankenkassenkommission.» Pfaff knurrt, wirft das Zigarettenetui auf sein Pult und begrüsst mit ausgesuchter Freundlichkeit die beiden Herren im Besprechungszimmer. Auch sie sind wegen der Arbeit im Freien gekommen. Sie reden von Eiseskälte und gesundheitsschädigender Zumutung. «Wie soll ich das verstehen?», fragt Pfaff mit eiserner Ruhe. «Vor einem Jahr haben Sie verlangt, dass ich die Reinigung der Dampfkessel aus der Kesselschmiede ins Freie verlege, weil der Staub die Gesundheit der Arbeiter schädige. Dabei wissen Sie, dass die armen Kerle sehr bald frieren, denn im Inneren der Kessel können sie sich kaum bewegen und die schmutzige Arbeit nur kniend ausführen. Wenn sie hingegen Personenwagen abwracken, haben sie viel Bewegung. Es dürfte Ihnen bekannt sein, dass dies wärmt. Warum sollen sie jetzt plötzlich in der Halle arbeiten? Da werden sie nur schwitzen!» «Schwitzen ist gesund», bemerkt der eine der Krankenkassenkommissionäre. Pfaff beherrscht sich. «Seit Jahren», sagt er, «seit Jahren wird ausran-


KAPITEL 8

170 giertes Rollmaterial im Freien abgebrochen. Der Schmutz, der Staub, die Wrackteile belästigen die Arbeiter in den Hallen. Ausserdem besteht Verletzungsgefahr, wenn Nieten abspringen. Bisher haben Sie nichts daran zu bemängeln gehabt, dass im Freien abgebrochen wird. Wie kommt es, dass dies plötzlich nicht mehr möglich sein soll?» «Wir haben Beschwerden der Arbeiterschaft vorliegen.» «Ist mir bekannt. Doch soeben hat sich herausgestellt, dass sie dem Sachverhalt nicht entsprechen. Hingegen entspricht es dem Sachverhalt, dass die Arbeiter im Dampfkessel sich im Freien unterkühlen. Das kann ich nicht zulassen. Es genügt, dass sie den Staub einatmen.» «Die tragen doch hoffentlich Schutzmasken!» «Das ist Vorschrift», sagt Pfaff trocken, «doch ich kann nicht durch die Kesselwände sehen.» «Da kann man allerdings nichts machen. Doch es ist besser, ein bis zwei Arbeiter im Freien leiden zu lassen, als dass zwanzig in der Kesselschmiede in Mitleidenschaft gezogen werden.» Pfaff räuspert sich. «Meine Herren», sagt er, «ich bin gegenteiliger Überzeugung und weigere mich, Ihrer Aufforderung zu folgen. Die Kessel werden in der Wärme gereinigt. Und ich weigere mich, den Abbruch von Fahrzeugen in die Hallen zu verlegen. Ich trage die Verantwortung.» «Wir nehmen das zur Kenntnis», quittieren die beiden, stehen von ihren Stühlen auf und verabschieden sich. Pfaffs Hände zittern ein wenig, als die Herren gegangen sind. Endlich kann er die Zigarette anzünden. Dann öffnet er das Fenster. Trockene Winterluft strömt in den Raum. Pfaff atmet tief, Chiara fröstelt. «Es ist ein Kreuz mit dieser Dampfheizung», seufzt Pfaff, «bald ist es zu heiss, bald wieder zu kalt. Man sollte endlich ein ausgleichendes System erfinden! Man sollte überhaupt das ganze verdorbene Klima in diesem Betrieb wieder ins Gleichgewicht bringen! Aber es geht nicht, solange ein paar subversive Elemente die Kollegen aufhetzen!» «Jetzt haben Sie ja die Bestätigung bekommen, dass gelogen wird», besänftigt Chiara. «Man wird behaupten, ich hätte die beiden gezwungen!», ärgert sich der Werkstättenvorstand, «ich kenne diese Kerle! Es sind Drohnen wie dieser Vorarbeiter Rossi, der auf Kosten seiner Mitarbeiter Akkordlöhne kassiert hat, und jetzt ist


KAPITEL 8

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er Präsident der Arbeiterunion! Ich habe ihm goldene Brücken gebaut, als die Sache herauskam, und man behauptet, ich hätte ihn ausgetrickst!» «Sie sind zu geduldig», sagt Chiara. Sie erinnert sich, wie ihr Vater in der Zeit des Streiks vor fast zwanzig Jahren nach Hause gekommen war und sich gemartert hatte, weil er sich nicht vorbehaltlos hinter die Forderungen der damaligen Gewerkschafter stellen konnte. Sie hat seinen Gerechtigkeitssinn geerbt, aber anders als der Vater urteilt sie schneller, schärfer und kompromissloser, und jede Form von Hetze und Scharfmacherei ist ihr ein Greuel. «Ja, ich war geduldig», bestätigt Pfaff, «und die Kreisdirektion ist es auch. Aber das ist vorbei! Jetzt ist Klartext gefragt. Ich schliesse das Fenster, und Sie spannen bitte Briefpapier in Ihre geliebte Underwood! Schreiben Sie: ‹Es handelt sich bei der Eingabe der Gewerkschaft um eine Frage der allgemeinen Organisation der Arbeit, für die ich verantwortlich bin. Es geht um den Blick auf das Ganze und nicht um den gemeinhin egoistischen Standpunkt der Arbeiterschaft.›» Chiara schaut auf. «Wollen Sie das sagen, dass die Arbeiter egoistisch sind?» «Sind sie es nicht?! Das sind wir doch alle! Aber wir blicken weiter und tragen die Verantwortung.» Er drückt die Zigarette aus, dreht den Stummel mehrmals im Aschenbecher, besinnt sich. «Gut, dann schreiben Sie: Es geht um den Blick auf das Ganze und nicht um den tendenziösen einiger extremer Scharfmacher.» Chiaras Finger klopfen heftig auf die Tasten; das ist ganz in ihrem Sinn. Pfaff zündet sich eine neue Zigarette an, hustet, dann fährt er fort: «Wenn wir uns von diesen Leuten die Hände binden lassen, wären wir am Ende einer erspriesslichen und produktiven Arbeit angelangt. Für uns gibt es nur eine Stellungnahme gegenüber der Eingabe: die entschiedene Ablehnung jeder Einmischung der Gewerkschaft in Fragen der allgemeinen Arbeitsorganisation. Weil zwei Arbeiter sich an einem kalten Tag ab und zu einmal die Hände an einem Feuer erwärmten, dürfen wir nicht all den Schmutz und die Unordnung der Abbrucharbeiten in die Abteilung tragen. – Gut, das wars. Zeigen Sie!» Er liest den Brief im Stehen, legt ihn auf die Schreibtischplatte, nimmt die Feder, um zu unterschreiben und hält inne. «Es ist verrückt», sagt er. «Wenn ich denke, dass die Väter oder Grossväter dieser Männer im Winter mit nackten Füssen ihre mageren Kühe gehütet, mit klam-


KAPITEL 8

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FA K T E N

men Fingern im Februar die Reben geschnitten und mit krummem Rücken die Kartoffeln aus dem steinigen Boden gegraben haben, ohne zu murren – sagen Sie, Fräulein Pàpa, kommt der Mensch nur zur Vernunft, wenn es ihm schlecht geht?» Chiara stülpt die Haube über die Schreibmaschine und überlegt. «Ich glaube, der Mensch kommt nie zur Vernunft», sagt sie dann.

den Filzhüte fabriziert. Hinzu kamen

Aufschwünge und Abstürze

eine Papier- und eine Uhrenfabrik, eine Giesserei, eine mechanische Werkstätte und ein Grafikbetrieb.

Von den Investoren, Unterneh-

Bei einer Gesamtbevölkerung

mern, Geschäftsleuten und Ingenieu-

von 130 000 Einwohnern fanden gan-

ren, die mit dem Eisenbahnzeitalter ins

ze 1929 Personen in diesen Betrieben

Tessin kamen, versprachen sich die Be-

Arbeit, davon waren 1613 Frauen, die

wohner des armen Kantons eine bei-

meisten minderjährige Hilfsarbeiterin-

nahe schrankenlose wirtschaftliche

nen in den Seidenspinnereien. Bevor in

Entwicklung, und die wohlhabenden

den Depots und Reparaturwerkstätten

Touristen gaukelten das Traumbild ei-

der Gotthardbahn in nennenswertem

nes sorglosen luxuriösen Lebensstils

Mass industrielle Arbeitsplätze gebo-

vor. Vieles blieb Illusion, doch im End-

ten wurden, erwarben nur 316 Männer

effekt wurde das gesellschaftliche,

ihren Lebensunterhalt in einer Fabrik.

wirtschaftliche und politische Leben

Danach jedoch entfaltete sich

im Kanton revolutioniert, die besie-

eine ökonomische Dynamik, die nur

delte Landschaft völlig verändert, und

noch indirekt von der Gotthardbahn

die Bevölkerung erreichte einen Wohl-

abhing – mit Zeiten des Aufschwungs,

stand, der jenem auf der Alpennord-

aber auch geprägt von tiefen Abstür-

seite nicht nachstand. Doch der Weg

zen und einer anhaltenden generellen

dahin war beschwerlich und führte

Unsicherheit.

wiederholt zu Rückschlägen.

1924 entwarf der Politiker Anto-

Während der Bauperiode und

nio Galli ein ebenso konkretes wie be-

in den ersten Betriebsjahren war die

drückendes und über ihren Anlass hin-

Gotthardbahngesellschaft der einzige

aus gültiges Bild der Situation im Tessin

nennenswerte industrielle Arbeitgeber

nach dem Ersten Weltkrieg: «Die Sei-

im Tessin. Von den insgesamt 22 Fab-

denindustrie ist verschwunden oder

riken, die es 1882 im Kanton gab, waren

jedenfalls fast. Die grossen und blü-

16 eng mit der Landwirtschaft verbun-

henden Lucchini-Spinnereien verleg-

den: Seidenspinnereien, Tabak- und

te man nach Italien. (…) Bleibt noch die

Teigwarenfabriken, in Bellinzona wur-

kleine Sagoma-Seidenfabrik, die sich


KAPITEL 8

173

Der Brief des Granitstein-Lieferanten Antonini von 1919 an die Bauleitung der Reparaturwerkstätte ist nicht nur ein Beispiel für Auseinandersetzungen um die Qualität von Lieferungen und Preise, er zeugt auch von der Krise, in der sich manche Betriebe befanden.

aber nur als Filiale einer starken lom-

brik Lenz ging zugrunde. Und dasselbe

bardischen Industrie halten kann. Die

passierte mit der Stofffabrik Jacquard,

Tabakindustrie, die vormals florierte,

mit der Wagen- und der Keramikindus-

steckt in einer Krise; ebenso die Fabri-

trie. Die Fischer-Stahlwerke in Giubi-

kation von Uhrenbestandteilen, die ei-

asco haben schon vor Jahren die Tore

nen guten Teil der Arbeiter in der Ge-

geschlossen. Die Hutfabrik in Lugano

gend um Locarno, im Mendrisiotto

wurde zwar erbaut, aber nie in Betrieb

und im Val Maggia beschäftigte. Die

genommen. (…) Die Industrie in Bodio

Backsteinindustrie existiert praktisch

hat ebenfalls fast keine Arbeit mehr.»

nur noch in der Erinnerung, diejeni-

Das Tessin brauche frische Luft, emp-

ge des Granits ist nur noch ein Schat-

fahl der Autor dieser düsteren Bilanz,

ten – wenn überhaupt – dessen, was

offene Grenzen, weniger Bürokratie! Es

sie zwischen 1900 und 1910 gewesen

müsse den Kontakt zu den politischen

war. In der Schokoladenindustrie ist

und ökonomischen Zentren der Eidge-

gerade noch ein Drittel des Personals

nossenschaft verstärken und die Bezie-

von vor zehn Jahren tätig. Die Hotels

hungen zu den Zentren der Lombardei

auf dem Generoso und dessen Eisen-

vereinfachen.

bahn, deren Bau schon auf fast 3 Mil-

Im Jahr 1930 arbeiteten mit 37,1

lionen Franken zu stehen kam, wurden

Prozent erstmals mehr Menschen in In-

während des Kriegs für 650 000 Fran-

dustrie, Gewerbe und Handwerk als in

ken verkauft. Die Hotels und Villen

der Landwirtschaft, in der damals 31,1

in Serpiano sind seit fast einem Jahr-

Prozent der werktätigen Bevölkerung

zehnt geschlossen. Die Maschinenfa-

ihr Auskommen fanden. Und doch


KAPITEL 8

174 hielt eine Studie des kantonalen Wirt-

kurrierten Deutschschweizer Firmen

schaftsforschungsinstituts fest: «Trotz

Tessiner Unternehmen auch auf dem

des Gotthardtunnels und trotz ent-

Markt im eigenen Kanton, zum Beispiel

schiedener und mutiger Versuche ist

in der Nahrungsmittel- und Möbelin-

die Position des Tessins 1937 nicht viel

dustrie. Die erwähnte Wirtschaftsstu-

besser als 1882.» Auch die Nutzung der

die stellt fest: «Die grossen Fabriken der

Wasserkraft habe die technische Struk-

Deutschschweiz haben dank der Grös-

tur der Fabriken im Tessin nicht verän-

se ihres Markts geringe Spesen, nutzen

dert, hielt der Bericht fest. «Der Moto-

ihre fortgeschrittene technische Ratio-

risierungsgrad zeigt, dass die Tessiner

nalisierung und profitieren von einer

Industrie eine Tendez hat, auf hand-

starken Unterstützung durch das Ka-

werklichem Niveau zu verharren.»

pital und von ihrer geschäftlichen und

Damals gab es 287 Fabriken,

organisatorischen Erfahrung. Damit

doch der grössere Teil von ihnen bot im

können sie im Tessin nicht nur zu kon-

Schnitt nur dreissig Arbeitsplätze. Vie-

kurrenzfähigen, sondern zu tieferen

len Unternehmen, die in der Euphorie

Preisen verkaufen.» Nebst der Bauwirt-

nach dem Bahnbau gegründet worden

schaft blieb die Bekleidungsindustrie

waren, fehlten eine solide Finanzierung

der einzige Sektor, der sich über Jahr-

und Marktbasis, andere wurden das

zehnte entfalten und teilweise bis heu-

Opfer politischer Entwicklungen wie

te halten konnte.

zum Beispiel des italienischen Protek-

Das Schicksal des nebst der Of-

tionismus. Die den Export erschweren-

ficina Bellinzona lange Zeit einzi-

den Tarifzuschläge auf den Bergstre-

gen grossen Industriestandorts Bo-

cken der Gotthardbahn wurden 1925

dio zeigt eindrücklich die Folgen der

abgeschafft, doch die folgende Ta-

Abhängigkeit von auswärtigen Inves-

rifpolitik, die Vorteile für Grosskun-

toren und Unternehmen. Nachdem

den schuf, nützte den kleinen Tessi-

1911 das grosse Wasserkraftwerk der

ner Betrieben nichts. Hinzu kam, dass

Biaschina den Betrieb aufgenommen

manche Unternehmen Zulieferer be-

hatte, siedelten sich dort verschiede-

ziehungsweise Filialen von Firmen in

ne energieintensive Unternehmen an:

der deutschen Schweiz waren, beson-

die Diamantwerke, in denen Materi-

ders in der kurzzeitig florierenden Uh-

alien für Schleifmaschinen fabriziert

ren- und Schmuckindustrie. Wenn eine

wurden, die Gotthardwerke, die spe-

allgemeine Krisensituation entstand,

zielle Metalllegierungen herstellten,

wurden sie als Erste geschlossen. An-

die chemischen Anlagen der Firma Ni-

dere waren das Opfer von ausserkanto-

trium, welche Stickstoffderivate pro-

nalen Spekulanten. Man sprach in die-

duzierte, sowie zwei Karbidfabriken.

sem Zusammenhang von den «vampiri

1917 beschäftigten diese Betriebe

dell’industria ticinese», den Vampiren

über 1000 Arbeiter. Da ihre Produk-

der Tessiner Industrie. Ausserdem kon-

te für die Kriegsführung wichtig wa-


KAPITEL 8

175

ren, florierten sie während des Krieges. Danach gerieten sie wegen der sinkenden Nachfrage in Schwierigkeiten und verpassten die notwendigen Produktionsumstellungen. 1921 zerstörte eine verheerende Explosion der Nitrium beinahe das ganze Gelände, und die Fabriken, teilweise in deutschem und Deutschschweizer Besitz, wurden nicht mehr aufgebaut. 1947 bestätigte das Tessiner Stimmvolk Massnahmen der Regierung zur Förderung der darniederliegenden Wirtschaft: vollständiger oder teilweiser Verzicht des Kantons und der

wogen die Inhaber des piemontesischen

Gemeinden auf Besteuerung neu an-

Stahlunternehmens Società mettallur-

gesiedelter Unternehmen sowie Sub-

gica Cobianchi, in Bodio die Montefor-

ventionen für Betriebe in abgelege-

no-Stahlwerke zu gründen. Sie blieben

nen Gebieten. Dies und die geringen

bis 1966 steuerfrei. Die Zahl der Mit-

Kosten für die elektrische Energie be-

arbeiter – vorwiegend Italiener – stieg

Die verheerende Explosion der Stickstofffabrik Nitrium im Industrieareal von Bodio im Jahr 1921 zerstörte die Arbeitsplätze von gegen 1000 Personen. Der Niedergang der Industrieanlagen hatte jedoch schon nach dem Ersten Weltkrieg begonnen, da man nicht rechtzeitig Alternativen zur Kriegsproduktion gesucht hatte.


Das Grab des 1905 verstorbenen Sindaco Giuseppe Molo auf dem Friedhof von Bellinzona entspricht seinem bescheidenen Wesen.


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EPILOG UM MITTERNACHT

«F

ratecolla, schlafen Sie?» Sindaco Giuseppe Molo steht in der Vollmondnacht vom Mai 2015 vor einem Grab. Die ausgiebigen Regengüsse der letzten Tage haben die Erde getränkt, im Haar des verstorbenen Sindaco hängen winzige Tröpfchen und sein schwarzer Gehrock ist feucht. Ungeduldig klopft er mit dem Stock aus Ebenholz an den Grabstein, mit stechendem Blick wartet er darauf, dass das Grab sich öffnet. Endlich bricht die Erde auf, und Casimiro Fratecolla steht vor seinem Dienstherrn, schüttelt sich kurz und erklärt dann, er habe wenig Zeit, er habe private Verpflichtungen. «Ja, das kennen wir», sagt Molo, «einst waren es die Gastmähler der Schwägerin Stoffel, jetzt die Spaziergänge mit ihrer Lichtgestalt! Doch zuerst kommt die Pflicht, mein Lieber. Es heisst, der Bahnhof werde abgerissen! Das müssen wir sehen! Stellen Sie sich vor: der prächtigste Bahnhof des Tessins, der Stolz der einstigen Gotthardbahn und unserer Stadt Bellinzona!» Fratecolla wischt die Erdkrümel vom Ärmel und folgt dem Chef, der mit seinen 74 Jahren, die er vor seinem Tod am 16. April 1905 erreicht hatte, noch immer rüstig davonschreitet. Am majestätischen Grabmal des Advokaten Luigi Gabuzzi mit dem Obelisken bleibt er stehen. «Sollen wir ihn mitnehmen?», fragt er den einstigen Stadtsekretär, und antwortet sich gleich selbst: «Ach nein, das geht zu lange. Im Morgengrauen müssen wir zurück sein. Wir mussten ihn auch damals immer drängen, bis er sich endlich im Verwaltungsrat der Gotthardbahn für unsere Officina einsetzte.»



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Biografie

Der Autor beim Sichten der Dokumente, die er im Dachgeschoss des Verwaltungsgebäudes der Officina entdeckt hat.

Hanspeter Gschwend, geboren 1945, hat in Bern und Wien Geschichte und Germanistik studiert und mit dem Gymnasiallehrerdiplom abgeschlossen. 1972 bis 1978 war er Sekretär des Projekts einer Hochschule für Bildungswissenschaften im Kanton Aargau, danach bis 2012 Teilzeitmitarbeiter als Redaktor und Redaktionsleiter bei Schweizer Radio SRF in den Bereichen Politik, Gesellschaft und Kultur. 1970 begann er seine Laufbahn als Autor von bisher 14 Hörspielen, produziert von Radio SRF. Zudem schrieb er Theater- und Fernsehstücke, darunter 1984 sechs Folgen der ersten Schweizer Fernseh-Soap Motel.

Für das Hörspiel Feldgraue Scheiben erhielt er 1972 den Zürcher Radiopreis und für Der Olympiafähndler den Prix Europa als bestes europäisches Hörspiel des Jahres 1997. Im Jahr 2000 verlieh ihm die Schweizerische Schillerstiftung einen Preis für sein Hörspielschaffen. Ausserdem schuf er zahlreiche Radioporträts, schrieb Reportagen und Essays für Zeitungen und Zeitschriften sowie erzählende Sachbücher und Künstlerbiografien. 2009 erschien der Band Eisstrahlen mit Weihnachtsgeschichten. Seit seinem Rückzug aus der journalistischen Arbeit konzentriert er sich auf das Verfassen von Büchern sowie Theatertexten und ist zur Hörspielarbeit zurückgekehrt.


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