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Vorwort

Den Advent 2017 verbrachte ich mit meiner Frau in Berlin Schöneberg, wo wir uns irgendwo zwischen traditionellen Berliner Kneipen und einer Sardinenbar in einem Altbau einquartiert hatten. An einem kalten Winterabend fand ich in der Wohnung, die wir von einer kurzzeitig verreisten Diplomatin gemietet hatten, ein kleines Wandversteck. Dort lag ein handgeschriebener Brief eines gewissen Bruno Breguet, eines Landsmanns von mir, wie sich bald herausstellen sollte. Das war der Beginn von jahrelangen Recherchen, die letztlich zu diesem Buch führten.

So zumindest würde dieses Vorwort beginnen, wenn die vorliegende Biografie nicht akribisch der historischen Wahrheit verpflichtet wäre, sondern sich gelegentlich journalistische Zuspitzungen erlauben würde. Zwar hatte Breguet tatsächlich einst im selben Berliner Haus (wenn auch nicht in derselben Wohnung) gelebt, in dem ich damals Weihnachten und Neujahr feiern durfte. Das war vor gut vier Jahrzehnten, als Leute wie David Bowie und Iggy Pop das bohemehafte Viertel der geteilten Stadt in Beschlag nahmen. Davon sollte ich allerdings erst viel später erfahren, zu einem Zeitpunkt, als ich längst einen Buchvertrag unterschrieben hatte. In Wirklichkeit stiess ich 2017 auf keinerlei Spuren des (Anti-)Helden dieser Geschichte.

Das Leben von Bruno Breguet ist ohnehin viel verrückter, spannender und rätselhafter als jede Fiktion. Es ist eine Geschichte von (verlorenen) Idealen und (fehlgeleitetem) Idealismus, von Recht und Gerechtigkeit, von Freiheit und Gefangenschaft, von Loyalität und Verrat. Die Vita des Tessiners führt uns zudem in die verborgenen, sich häufig berührenden Welten von Terrororganisationen und Geheimdiensten. So erfährt die Leserschaft etwa, wie Diplomatinnen und Spione in Ost und West terroristische Gruppen infiltriert und zerschlagen, mit ihnen bisweilen aber auch geheime Verhandlungen geführt oder sie sogar unterstützt haben. Nicht zuletzt kreist dieses Buch aber auch um eine Frage, die bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüsst hat: Was bewegt einen jungen Menschen, den Weg der politischen Gewalt einzuschlagen?

Vielen Leuten bin ich zu Dank verpflichtet, weil ohne sie dieses Buch nicht in dieser Form zustande gekommen wäre. Vorneweg dem Historiker Thomas Skelton-Robinson, der mir Zugang zu einem wichtigen Quellenbestand im Hamburger Institut für Sozialforschung ermöglicht hat. Corina Bucher, Robert Wolff und die Journalistenlegende Thomas Scheuer haben mir ebenfalls grosszügig Kopien von Quellenmaterial zur Verfügung gestellt. Helmut Stalder, der Verlagsleiter von NZZ Libro, hat seit dem ersten Moment an dieses Projekt geglaubt. Im Weiteren danke ich den Zeitzeugen, die mir ihre mitunter sehr berührenden Erinnerungen anvertraut haben: Magda Bianchini, Marina Berta, Giorgio Bellini, Olivier de Marcellus, Mauro Cavagna, Sergio Mantovani, Jean-Pierre Garbade und einige mehr haben mir geholfen, Bruno Breguet besser zu verstehen und das aus den Archivquellen gewonnene Bild von ihm zu schärfen. Besonders hervorheben möchte ich drei Persönlichkeiten, mit denen ich stundenlange Gespräche führen durfte und die mich darüber hinaus mit wertvollen Kontakten und Dokumenten unterstützt haben: Breguets Locarneser Freund Gianluigi Galli, sein Schulkamerad und Banknachbar Gianni Quattrini und sein Bruder Ernesto Breguet.

Nicht zuletzt mit Blick auf Familie und Freunde ist mit diesem Buch auch ein Funke Hoffnung verbunden: Vielleicht lässt sich über das Schicksal Breguets nach seinem geheimnisvollen Verschwinden im Jahr 1995 doch noch Klarheit gewinnen.

Abb. 1: Der Nahe Osten aus der Feder von Bruno Breguet, gezeichnet 1977 für ein frühes Manuskript seiner Gefängnismemoiren.

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