Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 Dätwyler Stiftung & Dätwyler Holding AG, Altdorf, sowie Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich Herausgeberinnen: Dätwyler Stiftung, Altdorf, und Dätwyler Holding AG, Altdorf Projektleitung: Marianne Karlsen-Dätwyler, Meggen Redaktionsteam: Max Dätwyler, Altdorf; Marianne Karlsen-Dätwyler, Meggen Guido Unternährer, Altdorf Lektorat: Regula Walser, Zürich Bildredaktion: Roger Zoller, Zürich Produktion: Christoph Zurfluh, Muri AG Gestaltung und Satz: baumann, fryberg, tarelli., Altdorf Bildbearbeitung und Druck: Druckerei Odermatt, Dallenwil Einband: Buchbinderei Burkhardt AG, Mönchaltorf Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN 978-3-03810-031-7 www.nzz-libro.ch NZZ Libro ist ein Imprint der Neuen Zürcher Zeitung
Verlag Neue Zürcher Zeitung
DIE KRAFT DER UNSCHEINBAREN DINGE 100 JAHRE DÄTWYLER
INHALT Zukunft braucht Herkunft
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Hightech – ganz diskret
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Ein Bergkanton kämpft ums Überleben: Uri am Rand des Staatsbankrotts «Ein Dreissigjähriger Krieg»: der ewige Kampf des oppositionellen Martin Gamma Vom Regen in die Traufe: der Kanton Uri um die Jahrhundertwende Das Geheimnis des Kupfers Was sind schon ein paar Millionen? Gute Frage! Die (Finanz-)Macht im Hintergrund: Dätwylers Syndikatsmitglieder
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Erfolg trotz Krieg und Krise dank antizyklischem Verhalten Ehrgeiz, Disziplin, Familiensinn Adolf Dätwyler und Otto Suhner: das bittere Ende einer Freundschaft Im Zweiten Weltkrieg sorgt die Armee für steigende Beschäftigtenzahlen Gute Geschäfte auch in der Kriegszeit
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Die Schweizer Firestone-Fabrik: gegen den Zeitgeist der Verzagtheit Ein Umfeld in Schockstarre Alle gegen einen: Szenen eines wirtschaftspolitischen Nahkampfs
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Expandieren ohne zu investieren: die goldene Idee mit den Lizenzen
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Wachstum in jeder Beziehung: die Blütezeit der Nachkriegsjahre
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In geheimer Mission über den Atlantik: Peter Dätwyler als «Industriespion» «Frau Direktor» Selina Dätwyler und ihr Engagement für Uri Kritischer Blick von aussen: der Verwaltungsrat
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Die volle Wucht des Wettbewerbs: Druck und Faszination der Märkte Auf der Achterbahn der Industriegeschichte: Dätwyler-Bodenbeläge Die bewegte Geschichte der Stahlrohr AG Rothrist Name, Marke, Logo: die Geschichte der Dätwyler Corporate Identity
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Dätwyler und der Handel: die ganz andere Geschäftskultur Schicksalsschläge, Führungskrise, Doppelspitze Internationalisierung in kleinen Schritten
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«Das Unternehmen war uns nur anvertraut»: von Erbe und Besitz Peter Dätwyler: oft lächelnd, immer unter Druck Die Härte des Lebens, das späte Glück des Gelingens: ein Lebensbild von Max Dätwyler Strikte Trennung von Macht und Kapital: die Dätwyler-Nachfolgeregelung «Auch für die Töchter unserer Mitbürger»
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Yyseri Guumi (unsere Gummifabrik): Dätwyler und der Kanton Uri
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Internationalisierung, Fokussierung: der Weg zum globalisierten Konzern Mutiger Schritt nach Asien: Dätwyler in China TECO Asia führt Produkte-Regie Gesellschaftliche Verantwortung als Teil der Firmenkultur
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Reportagen: der Erfolg wohnt in den Nischen Kabelfabrik in Altdorf, Schweiz: dünn wie Menschenhaar oder dick wie ein Seil Gummifabrik in Schattdorf, Schweiz: das Kleinste und das Grösste, so nah beisammen! Pharma-Gummifabrik in Alken, Belgien: Millimetergeschäft mit Potenzial für die Zukunft Zentrales Logistikzentrum in ’s Hertogenbosch, Holland: wo Menge auch Qualität bedeutet
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201 203 207 211
«An Herausforderungen wachsen!» Paul Hälg zur Zukunft von Dätwyler
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Dätwyler Holding AG: Verwaltungsrat Dätwyler Holding AG: Konzernleitung Dätwyler Cabling Solutions AG Stiftungsrat der Dätwyler Stiftung Verwaltungsratspräsidenten der Dätwyler Holding AG Verwaltungsratsmitglieder Chronologie der Ereignisse
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Register Literaturverzeichnis Bildnachweis Die Autoren Dank
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HIGHTECH – GANZ DISKRET Dätwyler erzeugt, wird in die Produkte anderer Firmen eingebaut; es löst sich daIn Tausenden von Produkten steckt ein Stück Dätwyler – von der Pharmaverpa-
der Welt stehen Dätwyler-Kabel erfolgreich im Einsatz – von der Allianz-Arena in
ist das Unternehmen in seiner 100-jährigen Geschichte eher selten mit eigenen Produkten und Marken in Erscheinung getreten, etwa mit Bodenbelägen oder den nehmen hat seine Wurzeln dort, wo niemand sie erwarten würde: fernab von allen
heute viele wachstumsstarke Nischen in industriellen Zukunftsgebieten bewirtschaftet: Dichtungstechnik, Pharmaverpackungen, Handel mit elektronischen Komverbundene Kabeltechnik gehört seit Ende 2012 nicht mehr zur börsennotierten Dätwyler Holding AG, ist aber nach wie vor ein fester Bestandteil des Dätwyler-
ren entwickelt hat, diente der technischen Sicherheit und dem industriellen Komfort in Schlüsselbereichen wie Energie- und Datenübertragung, Pharmaverschlüsse und zieht sich auf vier elementare menschliche Bedürfnisse: Kommunikation, Gesund-
sellschaften und 7500 Mitarbeitende mit Verkäufen in 100 Ländern der Erde! Da-
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Höchste Präzision In Milliarden von Produkten versteckt sich Hightech von Dätwyler. Im Bereich Pharma Packaging (Bild) ist Dätwyler heute die starke Weltnummer zwei.
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WACHSTUM IN JEDER BEZIEHUNG DIE BLÜTEZEIT DER NACHKRIEGSJAHRE strasse in Altdorf. Unternehmer und Unternommene bitten als grosse, harmonische Fabriken arbeiten wie gewohnt. Jedenfalls der weibliche Teil der Urner Bevölkerung,
Industriebetrieb im Lande.
hilft ihr galant beim Einsteigen. Hinter der Kutsche reihen sich die Festgäste ein, einen Kilometer weit bis zur Pfarrkirche St. Martin, die an diesem Tag mit Blumen -
Gardemass, gertenschlank, Jurist und Sohn des langjährigen Geschäftspartners hat. In den Jahren vor seiner Heirat war der Bräutigam als Verkaufsleiter Firestone Familie in Festlaune Selina und Adolf Dätwyler-Gamma mit ihren Kindern Max, Peter und Verena (v. l.) am 1. August 1941 im Garten der Direktorenvilla an der Altdorfer Bahnhofstrasse – bereit für die 650-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft auf dem Rütli am Urnersee.
studierte Musik am Konservatorium Winterthur. Nach der Trauzeremonie und der Wieder stehen Hunderte von Schaulustigen am Strassenrand. Man hört Applaus und Bravorufe. Die ganz normale Welt der Familie Dätwyler
mondäne Interlaken aus; sie inszenierten sich bewusst vor ihren Mitarbeitenden und
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Grosses Talent Die Eltern fÜrderten die musische Begabung von Verena, die am Konservatorium in Winterthur Musik studieren durfte. Adolf Dätwyler, so heisst es, habe bei Auftritten seiner Tochter nicht selten Tränen in den Augen gehabt.
Art von bescheidenem Stolz zeigen, wer sie sind und was sie haben. Ansonsten waren suchten die Volksschule wie alle anderen Kinder und tollten mit ihren Freunden aus der Nachbarschaft herum. Zu Hause herrschte zwar der strenge Geist der Unterordnung. Vaters Wort war
und fordernde Art des Vaters muss ihnen manchmal kalt und unvertraut vorgekommen sein. Zugleich sei er aber ein liebevoller, besorgter Vater gewesen, betont er in den Ferien in Lugano auf der Seepromenade Mundharmonika, und wir Jungen und der angehende Schwiegersohn gingen mit dem Hut herum und sammelten bei
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Feudaler Einzug Als Verena Dätwyler und Robert Bult am 23. Juni 1955 im Zweispänner zur Altdorfer Pfarrkirche gefahren wurden, säumten Hunderte von Schaulustigen den Weg – auch ein Zeichen des Respekts gegenüber der Fabrikantenfamilie.
kalten Winter in Skihosen zur Schule und wurden prompt nach Hause geschickt.
Nebelspalter diese Posse. Nachholbedarf und Aufschwung
einem Markt, in dem der Lieferant die Ware zuteilen konnte, waren Preise kein Thema. Aber das Altdorfer Werk war auch technologisch auf der Höhe. 1945 wurde
Brugg und Cortaillod, seine Stellung im Hochspannungsmarkt sicherte. diente Geld blieb in der Firma und wurde in deren Ausbau investiert, aber auch in neue Unternehmungen. Priorität hatte der Ausbau der bestehenden Wertschöpfungsketten.
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«Mehr Doktoren» Bei Dätwyler, scherzte man an den Urner Stammtischen, arbeiteten mehr Doktoren als im Kantonsspital. Tatsächlich engagierte das ingenieurgetriebene Unternehmen schon unter Adolf Dätwyler (vorne) viele Akademiker für seine Forschungsabteilung.
Die zweite Generation im Schatten des Kirchturms
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die katholisch-konservative Mehrheitspartei die politischen Geschäfte. Und am -
geprägten, mehrheitlich streng katholischen Urnervolk ohnehin enge Grenzen gesetzt. wegen der Mischehe ihrer Eltern im konfessionellen Niemandsland siedelten, aber
machten sie sich Sorgen um das Seelenheil ihres Vaters.
geltende Kantonsschule nach Trogen im Kanton Appenzell Ausserrhoden, wo es im Gegensatz zu den Innerschweizer Klosterschulen schon den naturwissenschaftlich
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Neue Rollenverteilung Mit seinen viel leichteren PolyäthylenHochspannungs-Kabeln besetzte Dätwyler zu Beginn der 1950erJahre – praktisch unbemerkt von der Konkurrenz – eine Marktnische: Kabelverlegung 1952 auf 2500 Metern über Meer.
daher jedesmal mit der Bitte um einen kleinen Zustupf. Nur wenige ihrer Klassen-
Vertrauensleute aus der Verwandtschaft
durchliefen. Zwischen Studium und Militär arbeiteten sie immer wieder in der vä-
bel hergestellt wurden, seinen Basteleien nachzugehen. Im Jahr nach seinem Studienabschluss wurde Peter Assistent des technischen Betriebsleiters Karl Maurer,
Ernst Naef sen., der schon 1917 in die Firma eingetreten war, war ein Schwager. Er wurde unter anderem engagiert, weil er die englische Sprache beherrschte, was
aufgenommen; Letzterer, ein studierter Veterinär, arbeitete lange Zeit als techni-
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AUSSENSEITER FINDET AUSSENSEITER-KUNDEN Totale Freiheit Woran die Tüftler der Dätwyler-Forschungsabteilung arbeiteten, wusste oft niemand so genau. In den 1950erund 1960er-Jahren herrschte CampusAtmosphäre in Altdorf. Die Ingenieure und Techniker genossen das Vertrauen der Geschäftsleitung und viel Freiraum. Sie revanchierten sich immer wieder mit bahnbrechenden Entwicklungen.
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Mit den Hochspannungskabeln aus Poly-
RTV-Aufschiebe-Silikon-Endverschluss für
äthylen war Dätwyler zwar weltweit der
Hochspannungskabel unter dem Produkte-
Erste. Doch Abnehmer waren bei den
namen IXOSIL auf den Markt. 1980 folgten
grossen Schweizer Elektrizitätswerken, den
IXOSIL-RTV-Endverschlüsse für gasisolierte
Dätwyler-Stammkunden, trotzdem nicht
Schaltanlagen und in Freiluftausführung
zu finden. Deren Einkäufer gingen auf Num-
(mit Stützereigenschaften), 1993 die IXOSIL
mer sicher und scheuten jedes Risiko. Den
RTV-Silikon-Aufschiebemuffen.
Grundstein zum Erfolg legten deshalb kleine, kostenbewusste Werke, die innovativer und vor allem schneller im Entscheiden waren.
Als in den Neunzigerjahren im heimischen Markt ein neues Kostenbewusstsein um sich griff, gerieten die Kartelle unter Druck,
Um die Qualität nachhaltig zu sichern, wur-
zuerst von der Europäischen Union, dann
den neue Prüfmethoden entwickelt, und um
vom verschärften Wettbewerbsrecht her.
funktionierende Komplettlösungen anbie-
Doch Dätwyler behauptete sich auch im
ten zu können, konstruierten die Dätwyler-
Export und konnte im Jahr 2000 den Ge-
Techniker das nötige Zubehör für die Kabel-
schäftsbereich Ixosil an den deutschen
abschlüsse, die damals einmalig waren auf
Pfisterer-Konzern verkaufen, der ihn in den
dem Markt. 1974 brachte Dätwyler als Welt-
alten Räumen in Altdorf unter dem Namen
neuheit den ersten vorgefertigten, flexiblen
Pfisterer Ixosil erfolgreich weiterführt.
Frühe Erkundungsmission in Indien In diesen Zusammenhang passt die Anekdote, dass Ernst Naef sen. im Auftrag
wirtschaftlichem Stillstand und Kleinmut gekennzeichneten Jahren 1932/33 statt-
Naefs Tochter Marly Baumann-Naef berichtet, reiste Ernst Naef von Genua mit dem Produkte aus Altdorf in Indien so lange keine Chance hätten, als sie mit dem Uristiererfolgen nach dieser Reise wurde nichts bekannt. Später Abgang erfreuen. Aber trotz gesundheitlicher Warnzeichen dachte er noch lange nicht ans
folge zu regeln. Es brauchte allerdings den ernsten Zuspruch von Frau Selina, bis verfasst hatte. Vor allem zwei Aussagen sollten sich dabei als problematisch herausstellen. Es
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Ehefrau und Tochter gemäss den gesetzlichen Bestimmungen zusammen doch
welche sich auch die Machtverhältnisse im Firmenverband klar regeln liessen. Holding-Gründung als Wettlauf gegen die Zeit -
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feier wurde aus der kleinen reformierten Altdorfer Kirche, die direkt neben der -
der konfessionellen Gegens채tze. -
10 Prozent Kapitalrendite als Minimum chef bei Firestone in Pratteln die schwierigen Beziehungen unter den Sozialpartnern
Trautes Paar Im Juni 1957 sorgte Peter D채twyler mit seiner Hochzeit mit Steffi Diethelm f체r Glamour am Urnersee. Es war auch einer der letzten grossen Auftritte von Adolf D채twyler (hier nach der Schifffahrt mit Ehefrau Selina). Im Oktober 1958 starb er.
Im Lauf der Jahre wurde Edmund Hohl der engste Mitarbeiter und Berater von Peter Edmund Hohl konzentrierte sich auf das betriebliche Rechnungswesen. 1964
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«FRAU DIREKTOR» SELINA DÄTW YLER UND IHR ENGAGEMENT FÜR URI Man nannte sie nur «Frau Direktor», und sie
tungsbewusstsein für Führungsauf gaben.
hörte es nicht ungern. Selina Dätwyler war
Beides zusammen macht sie zur guten
eine Dame von vornehmer Zurückhaltung
Gefährtin ihres Mannes, auch wenn dieser
und ausgeprägtem Sinn für Stil und Ästhetik.
nur wenig von dem preisgibt, was ihn als
Sie drängte sich nie in den Vordergrund, aber
Fabrikdirektor umtreibt. Und Selina wird zur
sie machte sich auch nie klein. Auf ihren
guten Seele des Unternehmens. Sie führt
Spaziergängen durch das Dorf wurde sie
eine Angestelltenkartei, um jederzeit zu
überall ehrfürchtig gegrüsst. Ihr Heim an der
wissen, wer ein Jubiläum feiert. Und Frau
Bahnhofstrasse in Altdorf war ein Treffpunkt
Direktor höchstpersönlich ist es, die den
für Bekannte und Freunde, und sie war die
Jubilaren eine Glückwunschkarte schreibt
perfekte Gastgeberin.
und Geschenke besorgen lässt.
Am 20. November 1902 kommt Selina als
In den Kriegsjahren 1939 bis 1945 sucht sie
viertes Kind von Emma und Martin Gamma-
den Kontakt zu den Frauenorganisationen
Linherr in Altdorf zur Welt. Der Zeitungs-
von Altdorf und nützt ihre Beziehungen bis
redaktor und spätere Landammann Gamma
in die obersten Etagen der Bundesbehörden,
freut sich sehr über die Geburt seiner dritten
um der Idee der Soldatenhilfe in Uri ideell
Tochter, die das «glückhafte vierblättrige
und materiell zum Durchbruch zu verhelfen.
Kleeblatt» komplett macht. Selina wächst
Unter ihrer Leitung entsteht ein Netz von
in einem Umfeld auf, das geprägt ist vom
Ortsgruppen, was schliesslich zur Gründung
aufreibenden Kampf ihres Vaters gegen das
des Freiwilligen Frauenhilfsdienstes des
erzkonservative Regime und für das Über-
Kantons Uri führte. Sie organisiert die Hilfe
leben der Zeitung, die er als Herausgeber,
für die internierten ausländischen Wehr-
Drucker und Redaktor verantwortet. Hier,
männer, sorgt für besinnliche Soldaten-
bei der Gotthard-Post, macht sie auch eine
weihnachten und ruft Hilfsaktionen für
kaufmännische Ausbildung – und lernt Adolf
Kriegsgeschädigte ins Leben. Sie fördert
Dätwyler kennen, den sie am 13. September
den grossen Urner Künstler Heinrich Danioth
1924 heiratet.
und sammelt dessen Werke. Zusammen mit
Etwas bekommt Selina Dätwyler-Gamma
gerrecht der Gemeinde Altdorf, der Korpo-
ihrem Gatten erhält sie 1953 das Ehrenbürsozusagen in die Wiege gelegt: ihren Sinn für
ration und des Kantons Uri. Am 4. Juli 1993
das Unternehmerische und ihr Verantwor-
stirbt Selina Dätwyler im Alter von 91 Jahren.
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Dame von Welt Selina Dätwyler war sich ihrer Position als «Frau Direktor» wohl bewusst. Dennoch vergass sie nie, woher sie gekommen war. Sie engagierte sich leidenschaftlich für die Mitarbeitenden, aber auch für die Anliegen der Frauen und die Bedürfnisse der Notleidenden.
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«DAS UNTERNEHMEN WAR UNS NUR ANVERTRAUT» VON ERBE UND BESITZ
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Nur nicht übermütig werden …
ein Jahr später wurde auch der Verwaltungsrat neu konstituiert. Geteilte Verantwortung Mit ihrer Marktnischenstrategie bauten Peter und Max Dätwyler das Unternehmen ihres Vaters erfolgreich zum weltweit tätigen Konzern aus. «Sie teilen sich das Erbe brüderlich», schrieb die Zeitschrift Politik und Wirtschaft 1987 anerkennend, «und haben die Chancen genutzt.»
Werner Niederer ein Aussenstehender, eine starke und unabhängige Persönlichkeit.
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Wirtschafts-Establishments an. Es war ihm durchaus recht, wenn der Börsengang
Der Börsengang: «für die Firma elementar»
Als die Börse 1982 einen Taucher machte, liess man vorerst die Finger davon.
brauchten dringend handelbare Titel im Hinblick auf ihr Ausscheiden oder Sterben. Ausserdem musste die Firma Möglichkeiten haben, sich am Markt Mittel zu ver-
das mit dem Börsengang in die Firma käme, auf lange Sicht zu teuer sei. Bis dahin
Aufschwung nach der Krise: die «roaring eighties» «Roaring eighties» Die boomende Wirtschaft sorgte in den 1980er-Jahren zeitweise auch für ein Hoch an den Börsen – nicht nur in Zürich (Bild).
empfunden wurden. Angeheizt von einer internationalen Politik, die auf Steuer-
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Schweizer Wirtschaft. Vor allem die Maschinen- und die Chemieindustrie verzeichder Schweizer Wirtschaft wieder Arbeitslosenzahlen auf europä ischem Niveau Arbeitslosenrate von 5,2 Prozent entsprach.
Weniger Schulden, mehr Liquidität stalt und Edmund Hohl, auf ein schnelles Vorgehen. An der Verwaltungsratssitzung besser gewesen. Schulden könnten abgebaut und die Liquidität des Unternehmens verbessert werden. Ausserdem habe das Going Public eine disziplinierende Wirkung Grosses Vorbild Die deutsche Unternehmensgruppe Bosch inspirierte Peter und Max Dätwyler 1990 zur Nachfolgeregelung. Was bei einem Weltkonzern mit damals annähernd 200 000 Mitarbeitenden funktionierte, sollte auch in der Schweiz möglich sein: die Trennung von Kapitalbesitz und unternehmerischer Verantwortung. Bild: Das Plakat des Grafikers Julius Klinger zeigt die belgische Rennlegende Camille Jenatzy, den «roten Teufel» (um 1910).
Verständnis.
Edmund Hohl zuzuschreiben, dass sich der Verwaltungsrat ein halbes Jahr später
sollte ein Stimmenverhältnis zwischen Namen- und Inhaberaktien von 5 zu 1 gelten.
deutliches Zeichen der Verbundenheit des Unternehmens mit dem Kanton Uri. genommen und stiess auch innerhalb des Unternehmens auf Verständnis, nicht
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Am 4. November 1986 war das mit einem Bankenkonsortium unter der Leitung der Schweizerischen Kreditanstalt ausgehandelte Going Public perfekt. Und es
Kapitalerhöhung stiess beim Verwaltungsrat nun aber auf Unverständnis. Man sollte, erklärte dieser seine ablehnende Haltung.
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Die Zeit der «Heuschrecken»
aber diese erklärte schon in jungen Jahren mit Bestimmtheit, nicht ins Unternehmen einsteigen, sondern eigene Wege gehen zu wollen. -
auf die Jagd nach unterbewerteten Konzernen mit hohen Reserven gingen. Mit geliehenem Kapital sicherten sie sich nach und nach das Aktienkapital, bis sie die
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Vom Jäger zum Gejagten Praktisch über Nacht wurde Werner K. Rey (im Bild 1988) für die einen zum Feindbild, für die anderen zum cleveren Financier: Mit seiner Omni Holding nahm er nach dem «Bally-Coup» auch Schweizer Wirtschaftsmonumente wie Sulzer ins Visier. Reys Karriere endete im Gefängnis.
Firmenteile verkauft. Und weg waren sie wieder, die sogenannten Sanierer. Seit der unbekannte Werner K. Rey 1976 den Bally-Konzern, ein Monument der Schweizer Wirtschaft, erobert hatte, war das Thema in vielen Verwaltungsräten bedrohlich aktuell. Gegen überhebliche Firmenführer alter Schule
Angriffiger Aktionär Über seine BZ Bank kaufte Martin Ebner meist verdeckt Aktien grosser Firmen, bis er das Management ausbooten konnte. Auf seiner Einkaufsliste stand zeitweise sogar die Grossbank UBS. Das Bild entstand 1999. Damals wurde Ebners Vermögen auf 4 bis 5 Milliarden Franken geschätzt.
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Hugo ausgeliehen hatte. Wobei das Gute, das Ebner und seinesgleichen bewirkten,
der alten Schule in Unruhe und weckten das Interesse der immer zahlreicher werdenden privaten Anleger. Ausserdem wurden die mächtigen, aber bislang eher passiven institutionellen Anleger mobilisiert, vor allem die Verantwortlichen der
Mit seiner BZ Bank mischte Martin Ebner die Schweizer Wirtschaft im amerikanischen Stil auf. Er kaufte, meist verdeckt, so lange Aktien von Unternehmen, bis er das Management angreifen konnte. Zu wenig Rendite, lautete jeweils der Vorwurf. Auf seiner Einkaufsliste standen selbst traditionsreiche Grosskonzerne von der Bank
Mehr als Angebot und Nachfrage -
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der Schweizer Wirtschaft erst- und bis heute einmalig ist.
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Soziales Engagement Seit ihrer Gründung 1990 hat die Dätwyler Stiftung rund drei Viertel ihrer Zuwendungen im Kanton Uri ausgeschüttet – beispielsweise für das Heilpädagogische Zentrum Uri, das mit seiner Architektur international für Aufsehen sorgte.
«Gralshüterin» der Dätwyler-Aktien: die Dätwyler Erben & Co. -
lief ganz klar auf eine Stiftungslösung hinaus. Nachfolgeprobleme zu lösen. Bald wurde klar, dass bei einer reinen Stiftungslösung -
rung der Kern der Lösung sein.
Grosses Theater 31 Aufführungen erlebten die berühmten Altdorfer Tellspiele zwischen August und Oktober 2012. Die Inszenierung von Volker Hesse sorgte für Furore. Die Dätwyler Stiftung engagiert sich mit wesentlichen Beiträgen am Theater Uri.
Das «Dätwyler-Modell» bedeutet Verzicht
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Ein schönes Geschenk Sein Elternhaus an der Altdorfer Bahnhofstrasse liess Max Dätwyler zwischen 1995 und 1997 für die Musikschule Uri zum «Haus der Musik» umbauen. Die Dätwyler Stiftung stellt es heute der Leitung der Musikschule zur Verfügung, die den Einsatz von fast 100 Lehrerinnen und Lehrern für rund 1200 Schülerinnen und Schüler in 19 Gemeinden koordiniert.
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Ein Garten voller Poesie Rund um das «Haus der Musik» befindet sich heute eine öffentliche Parkanlage, veredelt mit kleineren und grösseren Plastiken – so beispielsweise dem Brunnen «Wassermusik» des Schweizer Künstlers Paul Gugelmann, der vor allem durch seine «poetischen Maschinen» bekannt wurde.
«Lediglich zur Führung anvertraut»
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Generationenwechsel Auch nach seinem altersbedingten Rückzug aus dem Verwaltungsrat der Dätwyler Holding AG blieb Max Dätwyler dem Unternehmen eng verbunden. Seine Nichte Marianne Karlsen-Dätwyler bestimmt als Mitglied des Stiftungsrates den Kurs der Dätwyler Stiftung aktiv mit.
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YYSERI GUUMI (UNSERE GUMMIFABRIK) DÄTWYLER UND DER KANTON URI
Keine Männersache Innerhalb von 40 Jahren steigerte Dätwyler seinen Personalbestand von rund 60 auf 1200 im Jahr 1955. Die meisten Mitarbeitenden wurden im Kanton Uri beschäftigt – darunter auch viele Frauen wie diese Fabrikarbeiterin an der Flechtanlage für Gummischlaucheinlagen in Altdorf.
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Arbeiten im Traumpanorama D채twylers Herz schl채gt in den Bergen: Von Altdorf aus eroberte der heutige Konzern die Welt. Fabrikanlagen, Verwaltungsgeb채ude und Firmenwohnungen liegen, gesch체tzt vom Altdorfer Bannwald, idyllisch am Rand der Reussebene, im Hintergrund der Urnersee, flankiert von Oberbauen (2121 m) und Niederbauen (1927 m).
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Das Ende der Säumerei Die Gotthardbahn ruinierte das traditionelle Saumwesen; viele Urner mussten auswandern. Bild: Beim Bau des Gotthardtunnels (1872–1882) konnten nur feuerlose Lokomotiven eingesetzt werden. Ein grosser Druckluftkessel lieferte die nÜtige Betriebsenergie.
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GESELLSCHAFTLICHE VERANTWORTUNG ALS TEIL DER FIRMENKULTUR Als Adolf Dätwyler 1933 mitten in der Welt-
baute er für seine Angestellten eine Werk-
wirtschaftskrise begann, günstigen Wohn-
kantine. Und mehr als dreissig Jahre bevor
raum für seine Angestellten zu bauen, tat
Pensionskassen in der Schweiz gesetzlich
er dies nicht einfach aus Grossherzigkeit:
vorgeschrieben waren, hatte das Urner Un-
Es war für ihn eine Frage des gesunden
ternehmen bereits eine solche.
Menschenverstandes. Solange es sich die Firma leisten kann, soll sie sich über das
Seine Söhne Peter und Max setzten das
gesetzlich vorgeschriebene Mass hinaus
gesellschaftliche Engagement fort, etwa mit
für ihre Mitarbeitenden engagieren. Loyali-
dem Bau eines modernen Personalhauses
tät, so die Überzeugung des Patrons, kann
inklusive Schwimmbad. Ausserdem bauten
man sich nicht einfach mit hohen Löhnen
sie Tennisplätze und weitere Wohnungen für
erkaufen. Loyalität entsteht, wenn man für
die Angestellten, die man immer öfter von
seine Mitarbeitenden ein Umfeld schafft,
auswärts holte und denen man preiswer-
das ihnen Sicherheit, Zufriedenheit und eine
ten Wohnraum bieten wollte. Die interne
Zukunft bietet.
Techniker-Schule wurde zur eigentlichen «Volkshochschule» für Mitarbeitende und
Adolf Dätwyler hat den Beweis dafür immer
deren Familien.
wieder erbracht: Seine Mitarbeitenden blieben dem Unternehmen oft ein Leben lang
Mit der zunehmenden Internationalisie-
treu. Und dies, obwohl er nie bekannt war
rung des Unternehmens stieg das Bedürf-
dafür, besonders grosszügig zu sein bei
nis, die über die Jahrzehnte gewachsenen
den Gehältern. Aber er war hoch geachtet
Standards in klaren Richtlinien zusammen-
dafür, dass er seine soziale Verantwortung
zufassen. So führte Dätwyler 2008 einen
jederzeit wahrnahm.
Verhaltenskodex ein, der weltweit für alle
1919 – Adolf Dätwyler hatte die Schweize-
Unternehmensgruppe gilt.
Mitarbeitenden an allen Standorten der rischen Draht- und Gummiwerke erst zwei Jahre vorher übernommen – schuf er als
Ein Jahr später publiziert die Dätwyler Grup-
Antwort auf die ärmlichen Verhältnisse,
pe den ersten Nachhaltigkeitsbericht nach
die damals im Kanton Uri herrschten, eine
den Standards der Global Reporting Initiative
Betriebskrankenkasse. Kaum waren 1933
und tritt dem UN Global Compact bei. Damit
die ersten Personalwohnungen bezogen,
verpflichtet sich Dätwyler, sich weltweit für
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Politik und Wirtschaft Peter Dätwyler schaffte es immer wieder, die Verbindung zwischen Unternehmen und Politik herzustellen. Am 50-Jahr-Jubiläum gab sich sogar Bundesrat Ludwig von Moos die Ehre. Links im Bild: der Urner Ständerat Ludwig Danioth, ganz rechts Mutter Selina Dätwyler-Gamma.
die Menschenrechte sowie gegen Korrup-
umzusetzen. Damit leistet das Unternehmen
tion und Diskriminierung einzusetzen. 2013
an vielen Orten einen Beitrag zur lokalen
hat Dätwyler die über die Jahrzehnte ge-
Entwicklung. Ein konkretes Beispiel für die
wachsene Unternehmenskultur in offiziellen
ökologische Verantwortung ist das Holz-
Werten festgehalten. Wie der Verhaltensko-
heizwerk am Standort Schattdorf. Damit
dex gelten die Werte an allen Standorten auf
reduziert Dätwyler den CO2-Ausstoss um
der Welt und sorgen für ein gemeinsames
rund 1300 Tonnen pro Jahr.
Verständnis und ein einheitliches Handeln. Neben vielfältigem Nutzen hat die WahrnehDätwylers Sinn für gesellschaftliche Verant-
mung der gesellschaftlichen Verantwortung
wortung kommt nicht von ungefähr: Viele
auch ihren Preis. Dank ihrer Finanzkraft
Produktionsstätten befinden sich seit Jahr-
hat die Dätwyler Gruppe heute aber den
zehnten am gleichen Standort. Diese loka-
Spielraum, weit über die gesetzlichen Min-
le Verbundenheit verpflichtet. So werden
destanforderungen hinaus nachhaltig zu
beispielsweise beim Einkauf wenn immer
agieren und sich als attraktiven Arbeitgeber
möglich lokale Anbieter bevorzugt.
und Partner zu positionieren.
Gesellschaftliche Verantwortung bedeutet aber auch ökologische Verantwortung. Dätwyler ist bestrebt, an allen Standorten einen einheitlichen ökologischen Standard
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REPORTAGEN
DER ERFOLG WOHNT IN DEN NISCHEN
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CHRONOLOGIE DER EREIGNISSE Die Ära Adolf Dätwyler 1902 Gründung der Zürcher Draht- und Kabelwerke A.G.
1915 Gummiwerke per 31.3.1915 schliesst mit einem Verlust von 1 821 544.64 Franken. Am 1. April 1915 beginnt die Ära Dätwyler.
1909 UR einen Produktionsbetrieb und ändern in diesem Zusammenhang den Firmennamen in Schweizerische Draht- und Gummiwerke. 1912 Die Schweizerischen Draht- und Gummiwerke verlegen ihren Sitz nach Altdorf UR. Die Ersparniskasse Uri den Willen der Regierung. 1913 Der Oppositionspolitiker und spätere Landammann Martin Gamma warnt in seiner Zeitung zum wiederholten Mal vor den undurchsichtigen Geschäften der Ersparniskasse: «Wer zahlt, wenn es schief geht?», fragt er im Juni 1913 besorgt. 1914 licht ihre vernichtenden Berichte über die Verhältnisse bei der Ersparniskasse Uri und den Schweizerischen -
1916 Die Compagnie Générale d’Electricité, Paris unterbreitet dem Kanton Uri ein Übernahmeangebot. Adolf Dätwyler überzeugt den Urner Landrat davon, nicht zu verkaufen und führt die Schweizerischen Drahtund Gummiwerke erstmals in die Gewinnzone. 1917 Für 2,25 Millionen Franken gehen die Schweizerischen Draht- und Gummiwerke an Adolf Dätwyler, der das Unternehmen dank der Beteiligung einiger Finanzinvestoren kaufen kann. 1918 Einrichtung einer Betriebskrankenkasse. 1920 Einrichtung eines Wohlfahrts- und Fürsorgefonds. 1924 Adolf Dätwyler heiratet Selina Gamma, die Tochter von Landammann Martin Gamma.
ler wird zum Direktor gewählt. 1928 Der Umsatz der Schweizerischen Draht- und Gummistiegen, die durchschnittliche Angestelltenzahl von 50 auf 400.
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1930 Aufnahme der Produktion von Gummibodenbelägen. 1933 In Altdorf entstehen die ersten 36 Firmenwohnungen. 1934 Unterzeichnung eines Lizenzvertrags mit der Firestone Tire & Rubber Company, Akron, Ohio (USA), beland). Die Schweizerischen Draht- und Gummiwerke beginnen in Altdorf mit der Herstellung von technischen Gummiartikeln.
1945 Die Schweizerischen Draht- und Gummiwerke entwinungskabel. 1946 Die Schweizerischen Draht- und Gummiwerke werden umbenannt in Dätwyler AG, Schweizerische Draht-, Kabel- und Gummiwerke, Altdorf-Uri (DAG). 1947 an der 1933 gegründeten Stahlrohr AG Rothrist. 1948
1935 Firestone Pratteln geht in Produktion. 1939 Zum 25-Jahr-Jubiläum spenden die Schweizerischen Draht- und Gummiwerke der Gemeinde Altdorf Einrichtung der grössten Schweizer Gummi-Mischanlage. 1940 Auf Wunsch des Bundes entsteht in Altdorf das erste schweizerische Regenerierwerk für Altgummi. tion vorübergehend einzustellen.
1949 Übernahme der Gummi Maag AG Zürich (später Maagtechnic) und Einstieg in den Handel mit Gummiteilen. 1950 Einrichtung eines Fürsorgefonds. 1951 Peter Dätwyler wird Verwaltungsrat der DAG (ab 1959 Delegierter). 1954 Erste Auslandbeteiligung bei den Delmenhorster Presskorkwerken in Bremen.
1941 Beginn der Produktion von Fahrradreifen zur Sicherstellung des schweizerischen Bedarfs während des Zweiten Weltkrieges. 1944 Beginn der Produktion von Hochfrequenzkabeln.
1956 Gründung der Arbeiterkommission. Peter Dätwyler wird stellvertretender Direktor der DAG sowie Verwaltungsrat bei Firestone und bei der Stahlrohr AG. Max Dätwyler wird Verwaltungsrat bei der DAG.
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1957
Die Ära Peter und Max Dätwyler
Verwaltungsrat der Firestone AG. Einrichtung der Ausbildungsstiftung der DAG.
1959 Peter Dätwyler übernimmt die operative Leitung der DAG und wird Delegierter des Verwaltungsrats. Gleichzeitig wird er Verwaltungsratspräsident der Stahlrohr AG. Max Dätwyler wird Präsident der Dätwyler Holding AG.
1958
Dätwyler übernehmen die operative Leitung, die sie bis 1990 innehaben.
1963 Ein Grossbrand zerstört am 8./9. Mai das neue Fabri-
1964 Peter und Max Dätwyler werden 100-prozentige Eigentümer der DAG und der Dätwyler Holding AG, die sie grundlegend umstrukturieren. 1965 Gründung der Adolf und Selina Dätwyler-GammaStiftung. Herausgabe des Buches «Uri – Land am Gotthard» und Einweihung des Dätwyler Personalhauses zum 50-JahrJubiläum. Die Produktion der Fahrradreifen Bullcord wird eingestellt. Übernahme der deutschen Haacke Algostat AG & Co. in Celle mit 250 Angestellten. 1967 In einer intern als «Oktober-Revolution» bezeichneten Aktion wird die Dätwyler AG umstrukturiert in die Bodenbeläge. Die Dätwyler Holding AG beteiligt sich an der österrei-
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1969 Die kleine Abteilung für Pharmagummi wird später ausgegliedert. 1972 Gründung der Rothrist Rohr GmbH, Bottrop (D). 1973 Baubeginn der Gummifabrik in Schattdorf (Uri), das
1985 Einstieg in die Fertigung von Lichtwellenleitern. 1986 Letzte Generalversammlung der Dätwyler Holding AG im «Familienkreis» vor dem «going public». Mit dem Publikumsaktionären. Peter und Max Dätwyler halten weiterhin die Kapitalmehrheit. 1987
Die Fabrik für Firestone-Produkte AG, Pratteln, wird an die Firestone Tire & Rubber Company (USA) verkauft. Fünf Jahr später stellt diese den Betrieb ein.
land, und Übernahme der italienischen Pharmagummifabrik Selgas SpA.
1975 Gründung der Helvoet Pharma N. V. Alken (Belgien) zur Produktion von Verschlüssen aus Gummi und Alumi-
1988 Verkauf des gesamten Algostat-Bereichs in Deutschland und der Roland-Werke in Achim an die deutsche Schwenk-Gruppe. Übernahme des italienischen Alucaps-Herstellers Fiscem SRL, Mailand.
1977 Ein Hochwasser überschwemmt die neue Gummifabrik in Schattdorf und zerstört das Warenlager. 1979 Kauf der Aumann AG und deren Tochtergesellschaft Distrelec AG, womit die Basis für den Fach- und Versandhandel mit elektronischen Komponenten gelegt wird. 1981 Übernahme der Kimble Rubber (USA) und Umbenennung in Helvoet Pharma USA. 1983 Die Dätwyler Holding AG wird Alleineigentümerin der Stahlrohr AG Rothrist.
1989 Gründung der Basix für Elektronik AG, Zürich, durch die Fusion von Leitgeb, Wüthrich, Baerlocher und Aumann. 1990 Peter und Max Dätwyler sichern die Kontinuität für Eigentum und Führung durch eine neuartige Beteiligungsstruktur. Sie übergeben die Führung dem bereits bestehenden Konzernleitungsteam. Als wesentlicher Bestandteil der Nachfolgekonstruktion wird die Dätwyler Stiftung gegründet.
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Die Zeit nach 1990 1993 Tod von Peter Dätwyler und Selina Dätwyler. Beginn des systematischen Ausbaus und der Internationalisierung des Handelsgeschäfts im Konzernbereich Technische Komponenten. 1998 Übernahme der deutschen Fähnle Technic GmbH in Göppingen. Expansion nach China: Gründung der Zhongtian Dätwyler Cable Co., Ltd., China als Joint Venture mit der Zhongtian Optical Fibre Group Ltd., Rudong (Dätwyler: 60 Prozent). Dätwyler Electronics entsteht aus dem Zusammenschluss von Basix und Fenner. 1999 Max Dätwyler tritt altershalber aus dem Verwaltungsrat der Dätwyler Holding AG zurück und wird Ehrenmitglied. Schliessung der Sommer-Dätwyler-Produktion für Bodenbeläge. 2000 Die Dätwyler Gruppe erwirtschaftet erstmals einen Umsatz von mehr als 1 Milliarde Franken. 2001 Übernahme des deutschen Elektronikhandelshauses Schuricht. 2004 Übernahme der italienischen Seal Line S. p. A. im Konzernbereich Pharma Packaging. 2005 Ein Jahrhundert-Hochwasser überschwemmt die Gummi fabrik in Schattdorf. 2006 Übernahme des pharmazeutischen Elastomergeschäfts der Hospira Inc. in den USA.
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2007 Dätwyler verkauft den Konzernbereich PräzisionsStahlrohre an das deutsche Unternehmen Benteler. Mit der Integration der französischen Revol Gruppe wird Maagtechnic international. 2008 Übernahme der schwedischen Elfa-Gruppe (OnlineKatalogdistribution). Ein konzernweit gültiger Verhaltenskodex wird eingeführt und der erste Nachhaltigkeitsbericht nach den Richtlinien der Global Reporting Initiative publiziert. 2009 Beitritt zum «Global Compact» der Vereinten Nationen. keiten und Strategien nach zehn universell anerkannten Prinzipien aus den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung auszurichten. 2010 Übernahme der deutschen Reichelt Elektronik (Online-Katalogdistribution). 2012 Schritt in den Grosshandel durch Übernahme der holländischen Nedis Gruppe. Übernahme der chinesischen Zhongding Sealtech und der koreanischen Hankook Sealtech, die Dichtungskomponenten für die Automobilindustrie herstellen. Verkauf des Konzernbereichs Cabling Solutions an die Mehrheitsaktionärin der Dätwyler Holding AG, die Pema Holding AG, sowie Zusammenführung der beiden Konzernbereiche Pharma Packaging und Sealing Technologies zum Konzernbereich Sealing Solutions. 2014 Verkauf der Fachhandelssparte Maagtechnic. 2015 Die Dätwyler Holding AG feiert das 100-Jahr-Jubiläum des Unternehmens gemeinsam mit der Dätwyler Stif-
DIE AUTOREN Karl Lüönd Karl Lüönd, geboren 1945 in Flüelen, hat Dätwyler während seiner Schulzeit als dominierendes Industrieunternehmen erlebt. Als 1963 die Fabrik brannte, schwänzte er das Gymnasium, um als Jungreporter über die Katastrophe berichten zu können. Nach Jahren als freier Journalist in Luzern und als Mitglied der Redaktionsleitung des Blick (1974–1980) wurde er Chefredaktor des und – nach dessen Verkauf – Mitbegründer der , Chefredaktor und zeitweiliger Verleger bis rischen und medienpolitischen Themen verfasst. 2007 erhielt er den Zürcher Journalistenpreis.
sein erstes Geld während der Schulferien als Hilfsarbeiter in der «Guumi». Sein Studium an der Universität Zürich schloss er mit einer Dissertation über das Urner Pressewesen ab. Er war Reiseredaktor und Reporter und schrieb für die wichtigsten Printmedien des Landes. Seit bald 20 Jahren arbeitet er als Texter, Konzepter und Autor, seit 2010 ist er Mitinhaber der Corporate-Publishing-Agentur «Die Magaziner». -
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