FRANZISKA ROGGER
<<WIR WERDEN AUF DAS STIMMRECHT HINARBEITEN!>> DIE URSPRÃ&#x153;NGE DER SCHWEIZER FRAUENBEWEGUNG UND IHRE PIONIERIN JULIE RYFF (1831-1908)
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2021 NZZ Libro, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel Bildnachweis Umschlag: Oben: Sitzung des ‹International Council of Women ICW› 1906 in Paris. Rechts aussen mit Federhut: Pauline Chaponnière-Chaix, Photo-Argus, in: L `Illustration, Paris 23.6.1906. / Unten: Julie Ryff-Kromer, Ausschnitt, Bild Emil Vollenweider z.V.g. von Marie-Thérèse de Haller. / Schrift: Gosteli-Stiftung AGoF Nr. 109_01_03 Frauen-Comité Bern, 26.9.1891 Lektorat: Andrea Schüpbach, Bern Umschlag: Rudi Design / Kathrin Strohschnieder, Oldenburg Gestaltung Inhalt, Satz: Claudia Wild, Konstanz Lithografie: Fotosatz Amann, Memmingen Druck, Einband: BALTO Print, Litauen Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN 978-3-907291-22-1 www.nzz-libro.ch NZZ Libro ist ein Imprint der Schwabe Verlagsgruppe AG.
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Inhalt
PROLOG: «Agissons nous-mêmes!» 11
I.
Julie Ryff – ein nicht ganz traditionelles Frauenleben, gespiegelt an der schweizerischen Frauenbewegung 15 Die Vorboten der schweizerischen Frauenbewegung und Julie Ryffs Jugend «Sind Weibspersonen auch Menschen?»
15
Julie Ryffs fruchtbare Ehe, ein früher Tod und ihr aufsehen erregender Sieg vor Gericht «La tranquillité remarquable de Madame Ryff»
18
Eine nachhaltige schweizerisch-amerikanische Frauenbegegnung «She had a brain that made her a storm-centre of two continents»
22
Bedeutender Start: Comité et Union des femmes de Genève «Pour développer l’esprit de solidarité entre les femmes»
29
Liebe, Frust und Leidenschaft im nüchternen Frauenverbund «Dass Menschen, auf die man traute, über Nacht so wanken und anders werden können»
37
Der internationale Impuls: Frauen-Weltausstellung in Chicago mit Women’s Building und Board of Lady Managers «Women as a competing class, as a power, and not as a sex»
39
Das Schweizer Comité éxécutif pour l’Exposition Féminine à Chicago «The Board of Lady Managers hopes for the sympathetic co-operation» 44
5
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6
Nach dem Aufruf: die tatkräftige Julie Ryff «Agissons nous-mêmes! Handeln wir selbst!»
47
Gründung des Frauen-Comités Bern «Von der Wichtigkeit der Aufgabe überzeugt»
54
Ryffs Umfragen und Kompetenzen zur nationalen Enquête «Man wird Frau Ryff gewiss nur dankbar dafür sein»
60
Eidgenössisches Einmischen: Chicago, Bundesbern und die Frauen-Enquête «Ein Kulturbild darzustellen gereicht dem Vaterland zur Ehre und seinem Volke zum Nutzen»
65
Julie Ryffs Wutbrief zum Abseitsstehen der Gemeinnützigen «Nie hätte ich gedacht, dass sich der SGF in solcher Weise verhalten würde»
69
Carl Schenk, Ratgeber der Frauen-Comités und Retter des Subventionsgelds «Für die unserem Unternehmen bezeugte Sympathie sind wir sehr zu Dank verpflichtet»
71
Ein neuer Plan für das grosse Vorhaben: eine Enquête für die Landi in Genf statt für Chicago «Es soll kein Werk oder Verein zu gross oder zu klein geachtet werden, um nicht in dem Verzeichnis genannt zu sein»
74
Die ferne Weltausstellung in Chicago – beinahe ohne Schweizerinnen «Kein Swiss Room im Women’s Building»
76
Ein Mann in der Rolle des schweizerischen Frauendelegierten «Herr Boos vertritt die Damenwelt»
80
Der internationale Frauenkongress in Chicago und Emilie Kempins nicht gehaltener Vortrag «Our debt to Zurich»
85
In der Schweiz: Frauenbewusstsein dank Julie Ryffs Fragebogen «Wir fangen ja erst an zu kämpfen»
89
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Julie Ryffs unbeirrtes Arbeiten für die Genfer Landesausstellung von 1896 «Je suis très heureuse comme vous le pensez bien»
93
Öffentlichkeit für 100 000 tätige Frauen «Vom verborgenen Arbeiten stiller Frauen ganz ohne Berichte und Protokolle»
98
Eine allzu dezent ausgestellte Enquête in Genf «Sie wird das Publikum nicht durch äussere Reize anlocken, aber Leute von Herz und Verstand»
102
Julie Ryffs Programm für den 1. Schweizerischen Kongress für die Interessen der Frau «Grau ist alle Theorie, grün des Lebens goldner Baum»
106
Julie Ryffs Auftritt: Rede am 1. Schweizerischen Kongress für die Interessen der Frau Zahlenbelege jenseits «alle[r] Romantik und schöne[r] Redewendungen»
113
Rosige Aussichten am 1. Frauenkongress «Dann kann endlich die hinkende Menschheit aufatmen»
119
Zufriedener Rückblick auf den 1. Frauenkongress «Je vous félicite de votre succès et de vos lauriers»
121
Julie Ryffs Beitrag für eine bessere Frauenbildung – auch in der Buchführung «Wir bitten nicht um Macht, sondern um Gleichberechtigung»
124
Julie Ryffs Forderung am International Congress of Women 1899 in London «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit»
126
Die grosse Tat: Zusammenschluss im Bund Schweizerischer Frauenvereine «Bezweckt sind Verständigung, Schlagkraft und Repräsentation»
131
7
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Gerangel um Macht, Einfluss und Interessen unter den Frauenvereinen «Den Männern ist mit der Uneinigkeit der Frauen am besten gedient»
138
Verhältnis und Abgrenzung von Julie Ryffs Comité zum Bund Schweizerischer Frauenvereine BSF «Que votre tête ait un corps»
145
II. Julie Ryffs Gesetzesinitiativen: Wirkung ohne Auftrag 149
8
KUVG: Julie Ryffs Beschäftigung mit den Hilfsgesellschaften für die Kranken «Pourquoi n’êtes-vous pas Chef de bureau au palais fédéral?»
149
KUVG: die Frauenvereine und das Kranken- und Unfallgesetz «Mit diesem Gesetz wird eine neue Zeit für die Schweizerfrauen anbrechen»
153
ZGB: weibliche Bemühungen um das Zivilgesetzbuch «Wenn sich die Frauen mehr um die Rechtszustände bekümmerten, wären sie weniger unglücklich»
157
Das Frauenbild des ZGB-Schöpfers Eugen Huber «Der Mann bildet eine Schale, in welche er sein liebes Weib, wie einen wohlschmeckenden Kern hineinlegt»
158
ZGB: Ryffs vorzeitige Studien und ihre Konfrontation mit Eugen Huber «Für die Ebenbürtigkeit der Frau gegenüber dem Mann»
162
ZGB: der Juristentag 1894 in Basel und Julie Ryffs Frauenpetitionen «Machen Sie Ihren Einfluss geltend für ein Güterrecht, das des freien und gerechten Schweizers würdig ist»
166
ZGB: Emilie Kempins Vortragstournee und die alltäglichen kleinen Widrigkeiten «Auch die Frau hat ein Recht auf Anerkennung ihrer Menschenwürde»
169
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ZGB: handlungsfähige Ehepartner oder wildfremde Geschäftsleute? «Julie Ryffs Rapport, digne d’un juriste»
173
Gelungene Rechtsvereinheitlichung und die Verständlichkeit des neuen ZGB «Wie nötig es ist, dass auch Laien die Gesetze verstehen»
175
Nach Julie Ryffs Appell: Flut von Wünschen ans neue ZGB «Durch unsere Versorgungshäuser haben wir eine reiche Erfahrung gewonnen»
177
ZGB: schwieriger Weg zur Kollektiveingabe vieler Frauenverbände «Julie Ryffs Büro soll keine grössere Verantwortung in der Sache übernehmen» 180 Julie Ryffs drängende und Helene von Mülinens geheime Worte zum ZGB «Mit Frau Ryff sollten wir helfen vorwärtsstürmen»
184
Letzte ZGB-Schlacht: freiheitliches Rechtssystem oder frauenbewegte Alltagserfahrung «Gesetz für Frauen, die himmlische Rosen ins irdische Leben flechten»
189
ZGB: Triumph für Eugen Hubers Einheitsgesetz, Trauer um Linas Tod «Ich kann nicht ausdrücken, was mich für Gefühle beherrschten»
195
Reaktionen auf das neue Zivilgesetzbuch ZGB «An Euch ihr Frauen wird es nunmehr sein, die Gütertrennung populär und beliebt zu machen»
198
Gratisabgabe des ZGB an jeden stimmberechtigten Mann «Uns Frauen bleibt nun nur die tiefe Erbitterung über diese erneute Zurücksetzung»
199
StGB: das neue Strafgesetzbuch «Wir wollen eine andere Moral»
202
9
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III. Julie Ryffs spät erfüllten Wünsche 207 Das Frauenstimm- und -wahlrecht I «Die Gleichberechtigung hat ihre volle Anwendung auf das Volksleben noch nicht erfahren»
207
Das Frauenstimm- und -wahlrecht II «Wir werden auf das Frauenstimmrecht hinarbeiten»
210
Julie Ryff und das Denkmal der Stauffacherin «Die Stauffacherin ist die Inspiratorin des eidgenössischen Bündnisses»
217
Julie Ryffs Tod und ihr Wunsch nach einem schweizerischen Frauensekretariat und Archiv «Würden sich die Frauen so stramm organisieren wie die Arbeiter, dann wäre ihre ganze Angelegenheit bald allen Leuten klar!» 226
EPILOG: «Agissons nous-mêmes!» 235 ANHANG 239 Frauenvereine und Comités. Auswahl
239
Eingaben des Frauen-Comités Bern und weiterer Frauenvereine. Auswahl
242
Literatur und Quellen
245
Abkürzungen 277
Dank 287 Anmerkungen 289
10
Über die Autorin 330
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PROLOG: «Agissons nous-mêmes!»
50 Jahre Frauenstimm- und -wahlrecht sind 2021 zu feiern. 50, nein 100 Jahre haben die Frauen, einzeln und in Verbänden, für dieses Recht gekämpft. Das vorliegende Buch gibt Antworten auf die Frage, wie die Schweizerinnen vor 100 Jahren überhaupt auf die Idee kamen, dieses Recht zu fordern. Es zeichnet aufgrund Hunderter authentischer Quellen die entscheidende Vorgeschichte auf, die bis anhin nur rudimentär skizziert worden ist. Während in anderen europäischen Ländern das Frauenwahlrecht – stets in Ausnahmesituationen – vom Parlament eingeführt wurde, mussten die Schweizerinnen für ihr Recht, das auch das Stimmrecht umfasste, die Mehrheit der stimmberechtigten Männer und der Stände gewinnen. Zwar formulierten sie im 19. Jahrhundert ihre Forderungen ebenso wie die internationalen Frauenorganisationen, doch bei der Taktik, wie sie die Mehrheit aller Männer und aller Kantone überzeugen konnten, waren sie auf sich selbst gestellt. Aufmüpfige «Weiber» richteten bereits um 1850 viele Bittschriften an die Obrigkeit und fragten, ob Frauen auch Menschen seien. Ihre Wünsche um konkrete Erleichterungen im Alltag hatten kaum Erfolg und ernteten teilweise nur höhnisches Lächeln. Als sie mit ihren Gesuchen nicht weiterkamen und erkannten, dass verbesserte Zustände nur mit frauenfreundlicheren Gesetzen erreicht werden konnten, griffen die Engagiertesten mit Eingaben an Politiker, mit Zeitungsartikeln und Reden von aussen in die Gesetzgebung ein – während der Ausarbeitung des Zivilgesetzbuchs –, so gut es für politisch Ausgegrenzte eben ging. Dabei merkten sie schon nach 1900, dass 11
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Gesetze nur mitgestalten konnte, wer das politische Stimm- und Wahlrecht hatte. Auch begriffen sie, dass man die Reihen schliessen und vereint agieren musste. In der Folge liefen sich die engagierten Schweizerinnen die Füsse wund, um Unterschriften für Petitionen, Motionen und Initiativen für ein nationales, ein kantonales, ein lokales oder ein partielles Frauenstimm- und -wahlrecht zu sammeln. Immer wieder – und über Jahrzehnte hinweg. Auch suchten die Schweizerinnen mit Vorausleistungen zu beweisen, dass sie auf jedem Gebiet mit den Männern mithalten konnten, nicht nur beim Steuernzahlen. Frauen bauten in der Schweiz eine Pflegerinnenschule und ein Spital auf, sie eröffneten Berufsschulen und alkoholfreie Restaurants. 1928 und 1958 präsentierten sie in der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit, genannt SAFFA, wozu sie fähig waren. All diese Vorausleistungen führten nicht zum Frauenstimm- und -wahlrecht. Es mussten neue Wege begangen werden, um zu zeigen, dass es ohne Frauenrechte nicht ging. Die beiden Weltkriege hätten Gelegenheit geboten, sich zu verweigern – aber um welchen Preis? Also forderten die organisierten Frauen nichts, sondern halfen und schufteten. Politische Reife bewiesen sie einmal mehr, als sie 1933 frühzeitig in öffentlichen Versammlungen vor Nationalsozialismus und diktatorischen Gefahren warnten. Nachdem all ihre Anstrengungen und Vorausleistungen nichts gefruchtet hatten, fanden sie zur zielführenden Taktik: Sie widersetzten sich den Wünschen männlicher Politiker, sie sagten «Nein!» Ein erstes Mal in den 1950er-Jahren, als sie sich weigerten, von den Schweizer Männern obligatorisch in den Zivildienst eingereiht zu werden, ein zweites Mal Ende der 1960er-Jahre, als sie sich dagegenstellten, dass der Bundesrat die europäische Menschenrechtskonvention mit dem Vorbehalt unterzeichnet, dass die Frauen nicht mitgemeint seien. Die so erzwungene zweite Abstimmung brachte am 7. Februar 1971 den Sieg und das schweizerische Frauenstimm- und -wahlrecht. Hätten mutige Schweizerinnen und einige draufgängerische Schweizer nicht 100 Jahre zuvor begonnen, auf die undemokratischen 12
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politischen Defizite hinzuweisen und hätten ihre Nachfolgerinnen nicht immer wieder auf ihre grundlegenden Rechte gepocht und dafür gekämpft, so hätten vor 1971 die konservativsten unter den «hinterhäbigen» Männern nicht das Gefühl bekommen, es sei nun genug mit diesem «Gschtürm» und das Frauenstimm- und -wahlrecht sei halt endlich zu akzeptieren. Angestossen hatten diese zwar langatmige, aber letztlich erfolgreiche Geschichte der Schweizerinnen einige wenige Frauen, die über ihre nicht immer schönen Erfahrungen im Privatleben sowie ihre rechtliche und wirtschaftliche Benachteiligung nachdachten, ihre Gedanken pragmatisch in theoretische Forderungen überführten und mit internationalen Postulaten abglichen. Eine dieser Frauen war die bis heute völlig ignorierte Julie Ryff, eine Mutter von 13 Kindern, eine Witwe, die mit fünfjährigen Gerichtshändeln die Auszahlung der ihr zustehenden Lebensversicherung erstritt, eine Stellenlose, die sich als Buchhaltungslehrerin neu erfinden musste und die sich ans Motto «Agissons nous-mêmes!» hielt. Das Porträt von Julie Ryff mit ihrer in die Frühzeit der Schweizerinnengeschichte eingebetteten Lebensgeschichte bezweckt zweierlei: Erstens soll das Lebensschicksal einer eifrigen, tatendurstigen und politisch aktiven Frau aus dem späteren 19. Jahrhundert vorgestellt und mit zeitgleichen Ereignissen der Schweizer Frauengeschichte verglichen werden. Zweitens soll gezeigt werden, wie Schweizerinnen in früheren Jahren ihre Erfahrungen pragmatisch und über viele juristische und vereinspolitische Wege zu politischen Forderungen verdichteten, auf dass 100 Jahre später das Frauenstimm- und -wahlrecht errungen werden konnte und heute als Meilenstein einer letztlich erfolgreichen Schweizerinnengeschichte gefeiert werden kann.
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I. Julie Ryff – ein nicht ganz traditionelles Frauenleben, gespiegelt an der schweizerischen Frauenbewegung
Die Vorboten der schweizerischen Frauenbewegung und Julie Ryffs Jugend «Sind Weibspersonen auch Menschen?» Als Julie Catharina Kromer am 16. Oktober 1831 in Basel geboren wurde, war sie «nur ein Mädchen». Sie war also gesellschaftlich, rechtlich und politisch gesehen minderwertig. Zwar verfocht schon zu dieser Zeit der freisinnige Bernburger Beat von Lerber ein Gleichheitsideal. Eine gute Verfassung, meinte er, sollte «nicht bloss den Männern das Eigenthum ihrer Selbstheit» geben, «sondern auch den Weibern». Er zeigte sich überzeugt, dass die Frauen von Natur aus «so gut zum Regieren fähig seien als die Männer, wie so viele Kaiserinnen u. s. w. bewiesen haben, die das Hängen, Köpfen, Foltern, Betriegen verstanden». Als Julie zwei Jahre alt war, proklamierte auch der radikale Zürcher Johann Jakob Leuthy in seiner für Frauen und Jungfrauen redigierten Zeitschrift das Recht der Weiber.1 In der Familie Kromer dürfte man sich wenig um solche Theorien bekümmert haben, man hatte alltägliche Überlebensprobleme. Die Stadt Basel stand mit der Basler Landschaft im Krieg. Julies Vater Jakob Christoph Kromer kämpfte als Weinhändler, Commis und Pintenschenk damit, seine Familie durchzubringen, und Mutter Susanna Margaretha Kübler musste den frühen Tod dreier Kinder verarbeiten und die überlebenden drei aufziehen. Mit einem Bruder und einer Schwester wuchs Julie Kromer im Schatten der Basler Stadtmauer im Petersplatzgässli, im heutigen Spalengraben, auf.
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Als Neunjährige kam Julie 1840 wohl kurz auf den Gurnigel, da ihr Vater und ihr Onkel das dortige international frequentierte Kurbad übernahmen.2 Es war ein Bad, das auch Demokrat Leuthy «entzückend» fand. Wenig später kaufte Julies Vater die «Couronne» in Tavannes. Julie lernte Französisch. Das spektakulärste Ereignis in ihren Jugendjahren war zweifellos die Brandnacht vom 15. auf den 16. September 1846. Die 15-jährige Julie musste miterleben, wie der elterliche Gasthof mit zwei Nebenhäusern in Schutt und Asche gelegt wurde. Nicht nur das. Obwohl Julies Vater sein Leben aufs Spiel setzte, um seine Gäste zu retten, starben deren sechs in den Flammen.3 Die «Couronne» wurde wiederaufgebaut, diesmal im spätklassizistischen Stil und aus Stein. Julies Eltern nahmen eine grosse Anleihe auf und schlossen – wen wundert’s – eine beachtliche Brandversicherung ab. Es ist bemerkenswert, dass das neue Wirtshaus beiden «Ehegenossen» gehörte. Die «Krone» war mit einem grosszügigen Umfeld ausgestattet und ihre Lage an einer Transitachse versprach lukrative Geschäfte.
Julie Ryffs Eltern führten die «Couronne» in Tavannes. Die Vignette von 1848 zeigt das nach dem Brand neu erstellte «Hôtel» und betont die komfortablen Verkehrsverbindungen «près Pierre-Pertuis». Gravure tirée de l’ouvrage d’Ernest Schuler, 1848. Repro: Mémoires d’ici.
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Julies Mutter war offensichtlich von zupackender Art und wusste ihren Besitz zu wahren. Es gab in dieser Zeit viele robuste Frauen, die in zweckgebundenen Ad-hoc-Zusammenschlüssen ihre Rechte reklamierten. Rosina Meyer-Hüni wehrte sich 1846 mit 147 gleichgesinnten Bernerinnen dagegen, als unverheiratete oder verwitwete Frauen bevormundet zu werden. Und im folgenden Jahr stellte Witwe Anna Hess-Braun mit 15 anderen Rüderswilerinnen dem Grossen Rat gegenüber fest: «Die Frage über die Emanzipation des Weibes läuft in die andere hinaus, ob die Weibspersonen auch Menschen seien.»4 Wie notwendig es für eine Frau werden konnte, auf eigenen Füssen zu stehen, erfuhr Julies Mutter sechs Jahre später. Vater Jakob liess sich nämlich 1852 nach 25 Ehejahren scheiden, schrieb das gemeinsame Zuhause zum Verkauf aus und heiratete als knapp 60-Jähriger die gut 20-jährige Elisabeth von Niederhäusern. Die Stiefmutter war
Julie Catharina Kromer wurde
Im Handelsmann Frédéric Ludwig Ryff
als Tochter eines Pintenschenks
(1827–1879) fand sie ihren Ehemann
im Basler St. Petersplatzgässli geboren.
und lebte mit ihm im Berner Jura.
Foto J. Enard, Delémont,
Foto J. Enard, Delémont,
z. V. g. von Jean Bauer.
z. V. g. von Jean Bauer.
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vier Jahre jünger als Julie. Mutter Susanna fand sich allein in einem Kramladen am Basler Barfüsserplatz wieder, nicht weit von ihrem Mann entfernt, der mit neuer Frau und neuen Kindern die Wein- und Speisewirtschaft zum Braunen Mutz führte. Das war ein harter Schlag und dürfte Julies Einstellung zu frauenwidrigen Einrichtungen und diskriminierenden Gesetzen nachhaltig geprägt haben. Immerhin war sie bei der elterlichen Trennung bereits gut 20 Jahre alt und im Begriff, den in Biel geborenen Frédéric Ryff zu heiraten, der als Handelsmann im Berner Jura zwischen Biel und Basel unterwegs war und wohl auch in der «Couronne» abstieg.5
Julie Ryffs fruchtbare Ehe, ein früher Tod und ihr aufsehen erregender Sieg vor Gericht «La tranquillité remarquable de Madame Ryff» Handelsmann Frédéric Ryff und seine Julie heirateten am 20. August 1853. Bis 1858 lebten sie im Berner Jura, erst in Corgémont, dann in Sonceboz. Julie bekam vier Kinder: Fanni, die nur wenige Tage alt wurde, dann Mina, Fritz und Emilia. Frédéric Ryff war stets auf der Suche nach grösseren Wohnungen und besseren Einkünften. Als ihm 1858 die Stelle eines Ohmgeldbeamten sichere Nebeneinkünfte garantierte, zog er mit Julie und den Kindern ins basellandschaftliche An genstein, um von hier aus für den Kanton Bern die Umsatzsteuer auf Wein und andere geistige Getränke einzutreiben. In Angenstein gebar Julie fast jedes Jahr ein Kind und so wuchs die Familie zwischen 1859 und 1872 um weitere neun Mitglieder: Louise, Rudolf, Bertha, HansOtto, Charles, Maria, Martha und die im Säuglingsalter verstorbenen Fanny und Sophie.6 Julie Ryff-Kromer war zweifellos von Familienpflichten absorbiert und hatte in den 1860er- und 1870er-Jahren weder Zeit noch Luft, sich um irgendwelche Frauenforderungen zu kümmern. Die wenigen lokal vernetzten Schweizerinnen – und vereinzelten Schweizer –, die zumeist in Zeiten von Verfassungsrevisionen mit partiell geäusserten Forderungen den Frauenalltag leichter und lohnender zu machen und die rechtliche Situation der Frauen zu verbessern such18
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ten, kämpften mit Zeitmangel, gegen Verleumdung und Verhöhnung. Die «Frau aus dem Volk», die 1869 während der Zürcher Verfassungsdiskussion «Wahlberechtigung und Wahlfähigkeit für das weibliche Geschlecht» forderte, betonte, keine Musse für grosse Bittschriften zu haben. Gerne hätte sie ihrer Eingabe noch vieles beigefügt, «aber meine Hände haben keine Zeit». Sie schrieb im Namen mehrerer Frauen, die «Sclavendienste umsonst thun müssten», und sie schrieb anonym, da sie «ihren Namen nicht der Spottlust böser Zungen preisgeben» wollte. Dazu hatte sie allen Grund. Beim Sechseläutenumzug von 1870 rollte ein Wagen voller «emanzipierter» Frauen vorbei, die als Männer verkleidet rauchten, Zeitungen lasen und am Rednerpult gestikulierten, während ihre beklagenswerten Gatten kochen und Kinder wickeln mussten. Baselbieterinnen nahmen sich 1862 in der selbstbewussten An nahme, dass auch die Frauen «zum Volk gezählt» würden, das Recht zu einer Eingabe an den Verfassungsrat heraus. In Basel-Stadt und Genf wurden gewerkschaftlich orientierte «Weibersektionen» gegründet. 1868 rief die Genferin Marie Goegg-Pouchoulin die Association
Marie Goegg-Pouchoulin mit ihrem zweiten Sohn Egmont. Als sie 1868 in Genf die Association Internationale des Femmes gründete, war Julie Ryff im Berner Jura mit ihrem 13. Kind schwanger. Bild um 1858, SozArch, F Ka-0002-011.
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Internationale des Femmes ins Leben. Von den freiheitlichen Ideen des 1848er-Kämpfers Armand Goegg beeindruckt, war sie aus ihrer ersten Ehe ausgebrochen und dem Revolutionär gefolgt. Auch ideologisch. Während der Totalrevision der Schweizer Bundesverfassung, die 1872 zur Abstimmung kam, verlangten sie und die Bernerin Julie von May von Rued mehr demokratische Freiheit und die zivilrechtliche Gleichstellung der Frauen. Die Eingaben hatten nicht den Hauch einer Chance. Marie Goeggs radikaler Kurs führte 1873 zur Auflösung der Association Internationale. Auch ihre Nachfolgeorganisation Solidarité löste sich bald wieder auf. Ein bitteres Ende. Zudem liess sie Revolutionär Goegg mit drei Söhnen sitzen.7 Julie Ryff war 1872 mit ihrem 13. und jüngsten Kind niedergekommen, und Ehemann Frédéric Ryff träumte vom grossen Aufbruch. Er wollte als Handelsmann expandieren und sicherte sich schliesslich 1877 auf der Maltière in Delémont, dem aufstrebenden Bahnknotenpunkt, Land, Wohnraum und Bauplatzreserve im Wert von 83 000 Franken. Die Familie zog wieder um. Ryffs hofften und glaubten an eine glückliche wirtschaftliche Zukunft. Doch in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 1879 verunglückte Frédéric Ryff in der Schlucht von Court tödlich. Er war mit Pferd und Wagen auf dem Heimweg von seiner Ohmgeldtour.8 Madame Ryff habe die Nachricht vom Tod ihres erst 52-jährigen Gatten stoisch, «avec une tranquillité remarquable» entgegengenommen. Nun stand die 48-jährige Julie Ryff 1879 mit zehn Kindern allein da. Erst Mina, Fritz und Emilia zählten mehr als 20 Jahre und hielten ihr Leben, zumeist im Ausland, in eigenen Händen. Sie beanspruchten ihre Mutter kaum mehr, wenn man davon absieht, dass Kinder immer Sorgen und Ängste bereiten. Louise, Rudolf, Bertha, Hans-Otto, Karl und Maria waren jünger und Martha, ihr jüngstes, war erst sieben Jahre alt. Für Julie Ryff-Kromer begannen harte Jahre. Sie waren umso quälender, als sie fünf Jahre lang vor verschiedenen Gerichten prozessieren musste, um die Lebensversicherung ihres Manns ausbezahlt zu bekommen. Ob die Versicherungsanstalt Winterthur ihren Kampf 20
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ebenso konsequent durchgezogen hätte, wenn die Gegenpartei keine Frau gewesen wäre, lässt sich nicht beantworten. Julie Ryff tat jedenfalls gut daran, sich von bekannten Anwälten vertreten und verteidigen zu lassen. Schliesslich entschied das Obergericht am Samstag, dem 4. Oktober 1884, nach einem sechsstündigen Marathon grundsätzlich in ihrem Sinn. Die Richter urteilten ex aequo et bono, nach Recht und Billigkeit. Der Gerichtsentscheid im Fall Ryff erregte Aufsehen. Der Richter habe ein gerechtes Urteil gesprochen, ohne sich an das Recht zu halten, meinte der radikale Démocrate. Le Jura rechnete erstaunt vor, dass Ryffs bei einer Prämie von jährlich 50 Franken ganze 50 000 Franken zurückbekommen hatten.9 Julie Ryffs Begegnung mit der Justiz endete erfreulich. Die Freude wurde allerdings getrübt, weil kurz vor Prozessende ihr erst 18-jähriger Sohn Charles ums Leben kam. Julie blieb auch ein weiterer Schicksalsschlag nicht erspart. Nachdem Louise einen tragischen Unfall erlitten hatte, musste ihr der Schädel geöffnet werden, und diese Trepanation überlebte sie geistig nicht unbeschadet. Sie lebte fortan in der psychiatrischen Klinik Waldau in Bern und musste bevormundet werden. Wie Julie Ryff die Prozessjahre finanziell überstanden hat, ist nicht klar. Zum einen konnte sie einige Zeit in der Nachfolge ihres Manns als Steuereintreiberin arbeiten, zum anderen hielt sie offenbar einen kleinen Handel aufrecht. Allerdings meldete sie zwischenzeitlich Konkurs an. Zudem entschloss sie sich, einen neuen Beruf zu er lernen. Sie bildete sich – wohl autodidaktisch – zur Buchhaltungslehrerin aus. Nachdem sie ihr Mobiliar in Delémont verkauft hatte, zog sie 1885 nach Genf, wo sie an der Académie junge Frauen in die Buchhaltung einführte. Mit ihr kam Tochter Marie, die hier Medizin studierte.10 Julie Ryff war nicht die Einzige in Genf, die ihr Leben umkrempelte und die entschlossen war, ihre Lebenssituation als Frau zu verbessern. Die Initialzündung zu einer Neuorientierung und zum Zusammenstehen gleichgesinnter Frauen hatte vier Jahre zuvor ein zufälliges Zusammentreffen dreier Frauen gegeben. 21
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Eine nachhaltige schweizerisch-amerikanische Frauenbegegnung «She had a brain that made her a storm-centre of two continents» Es war frauenhistorisch betrachtet eine wundersame Begegnung, als sich 1881 im berühmten Walliser Kurort Leukerbad die in Boston (USA) praktizierende englisch-australische Ärztin Harriet Clisby und die unglücklich verheiratete Schweizerin Emma Pieczynska-Reichenbach trafen. Bäder dienten der Heilung und Kräftigung, waren aber auch Brennpunkte des gesellschaftlichen Lebens. Die in Genf, Paris und im Waadtland aufgewachsene Waise Reichenbach hatte in jugendlicher Begeisterung für die polnische Revolution im Herbst 1874 den Grafen Pieczynski geheiratet. Doch dann litt sie auf den polnischen Gütern unter dem Klima, der Kinderlosigkeit und der ihr zugedachten untätigen Rolle. Ihre Gesundheit war instabil,
Ob sich Harriet Clisby und Emma Pieczynska im «Intérieur des bains de Louëche» trafen oder draussen auf den Wanderwegen von Leukerbad, ist unbedeutend. Wesentlich ist, dass sie sich begegneten und sich zusammen aufmachten, den Frauen ein glücklicheres Leben zu bieten. Carte Postale, Julien frères, Phot. Editeurs, Genève, 2.6.1906. PA FR.
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und so war sie oft zur Kur. 1881 suchte sie Erholung in Leukerbad, wo ihr Stiefbruder Edouard als Badearzt wirkte und wohin sie ihre Freundin, die schwächelnde Emilie Lasserre, begleitete. Die wohlhabende Mademoiselle Lasserre war eine begabte Pianistin und man kannte sich von Genfer Musikvereinigungen her.11 Als die beiden Harriet Clisby begegneten, war diese eine erfahrene, weit gereiste 51-jährige Ärztin. Sie hatte in London und New York Medizin studiert, aber nur einen bescheidenen Abschluss erlangen können, da das gleichwertige Frauenstudium damals nur in Zürich, Genf, Bern und Paris möglich war. Bestimmt sprach Clisby in Leukerbad über die ungleichen Chancen der Frauen. Sicher erwähnte sie ihre wegleitende Women’s Educational and Industrial Union, die sie 1877 in Boston gegründet hatte, um Bildung und Arbeitsbedingungen, wirtschaftliche Situation und Selbstbewusstsein der Frauen zu verbessern.
Die mit einem polnischen Gutsbesitzer unglücklich verheiratete Schweizerin Emma Pieczynska-Reichenbach (links) und die in Boston (USA) praktizierende Ärztin Harriet Clisby begegneten sich 1881 in Leukerbad. Mit weitreichenden Folgen für die Schweizer Frauenbewegung. Portraits SAFFA 1928, SNB Krq-19-Res_2. Repro: SNB. Regard S. 88 f.
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Über die Autorin
Foto: Yoshiko Kusano
Dr. Franziska Rogger Kappeler (*1949 in Luzern, lebt in Hinterkappelen BE) studierte in Bern und Berlin Geschichte, arbeitete als Journalistin, führte Forschungsaufträge aus, konzipierte Ausstellungen und leitete 20 Jahre lang das Archiv der Universität Bern. Heute schreibt die Mutter zweier erwachsener Söhne Bücher, arbeitet für Radiosendungen, Filme und Zeitschriften. Themenschwerpunkte sind Frauenbiografien und die Geschichte der Schweizerinnen. Zuletzt erschienene Publikationen • Fritz Ryff. Der liberale Patron und seine strickenden Arbeiterinnen. Zürich: Verein für Wirtschaftshistorische Studien, 2018. • Marthe Gosteli – Wie sie den Schweizerinnen ihre Geschichte rettete. Bern: Stämpfli Verlag, 2017. • Kinder, Krieg und Karriere. Selbstbildnisse aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Bern: Stämpfli Verlag, 2016. • «Gebt den Schweizerinnen ihre Geschichte!», Zürich: NZZ Libro 2015. • Einsteins Schwester: Maja Einstein – ihr Leben und ihr Bruder Albert, Zürich: NZZ Libro 2005. • Der Doktorhut im Besenschrank: das abenteuerliche Leben der ersten Studentinnen – am Beispiel der Universität Bern. Bern: eFeF-Verlag 1999/2002.
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Ein aufschlussreiches Buch zum Schweizer Frauenstimm- und -wahlrecht, das vor 50 Jahren endlich eingeführt wurde. Es bildet die Grundlage für «Hommage 2021», die verdiente Ehrung der Unentwegten, die am Anfang der Bewegung standen.
hommage2021.ch
www.nzz-libro.ch
<<WIR WERDEN AUF DAS STIMMRECHT HINARBEITEN!>>
Eine zentrale Figur der frühen Bewegung war Julie Ryff (1831-1908). An ihrem persönlichen Leben ist abzulesen, was die herrschenden Verhältnisse anrichten konnten und wie lebensnah damalige Schweizer Frauen ihre Forderungen stellten und konkret vorwärtstrieben. Ryffs Leben prägten 13 Kinder, Witwenschaft, Prozesse, berufliche Selbständigkeit, Ringen mit Behörden und Politikern.
FRANZISKA ROGGER
Das Buch erzählt erstmals und mit neuen Fakten, wie Schweizer Frauen Ende des 19. Jahrhunderts gegen die patriarchale Ordnung kämpften und sich zu diesem Zweck organisierten. Franziska Rogger untersucht, wie sie sich national und international zusammenschlossen – zuerst in kaum bekannten Komitees und Gruppen in Genf und Bern. Anfänglich hatten engagierte Schweizerinnen die gnädigen Herren in Bittschriften um konkrete Verbesserungen ihrer Lebensumstände gebeten. Schliesslich wurde klar, dass für nachhaltige, fühlbare Reformen Gesetzesänderungen notwendig waren. Als nicht stimmberechtigt waren Frauen von der Gesetzesarbeit ausgeschlossen. Als deshalb Helene von Mülinen 1902 das Aktivbürgerrecht einforderte, war das keine abstrakte ideologische Forderung, sondern ein Resultat schmerzlicher Erfahrungen. Bis es durchgesetzt werden konnte, brauchte es mehrere Anläufe mit verschiedenen Taktiken und lange Jahre.
FRANZISKA ROGGER
<<WIR WERDEN AUF DAS STIMMRECHT HINARBEITEN!>> DIE URSPRÜNGE DER SCHWEIZER FRAUENBEWEGUNG UND IHRE PIONIERIN JULIE RYFF (1831-1908)