R. Sollberger: Jakob Kellenberger. Zwischen Macht und Ohnmacht.

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Jakob Kellenberger. Zwischen Macht und Ohnmacht

René Sollberger

Auf Augenhöhe mit den Mächtigsten der Welt «Ein Wort ist wie eine Mine, die explodieren kann», sagt Jakob Kellen­berger. Er weiss: Sprache ist Macht, und der Umgang mit Macht – und Ohnmacht – gehört zum Kern des Diplomatenhandwerks. René Sollberger zeichnet Kellen­ bergers Weg zu Brennpunkten des Weltgeschehens in Afghanistan, Israel, im Sudan und Irak nach. Er erlebt ihn auf einer Bergtour und besucht ihn in sei­ nem Refugium in den Waadtländer Alpen. Kellenberger spricht so offen wie noch nie über seinen langjährigen Einsatz als Präsident des IKRK und die Pro­ bleme, die er auf seinen vielen Reisen angetroffen hat. Er gewährt dem Autor Einblick in seine Tagebücher, in denen er Verhandlungen mit Kriegs­herren und Regenten reflektiert und mit Selbstzweifeln ringt. Das Buch schildert zudem, weshalb Kellenberger die Schweiz gerne «als Architektin» in der EU gesehen hätte, als er in den 1990er-Jahren in der Rolle des Staatssekretärs die bilateralen Verträge verhandelte.

René Sollberger

Jakob Kellenberger

Zwischen Macht und Ohnmacht Annäherung an einen Diplomaten

ISBN 978-3-03810-440-7

www.nzz-libro.ch

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© 2019 NZZ Libro, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel Lektorat: Corinne Hügli, Richterswil Umschlaggestaltung: Gysin [Konzept + Gestaltung], Chur Gestaltung, Satz: Gaby Michel, Hamburg Druck, Einband: Memminger MedienCentrum, Memmingen Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbe­son­ dere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von ­Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Verviel­fältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Ur­heberrechts. ISBN 978-3-03810-440-7 ISBN E-Book 978-3-03810-452-0 www.nzz-libro.ch NZZ Libro ist ein Imprint der Schwabe Verlagsgruppe AG.

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Inhalt Vorwort 7 1 Eine Nacht in Kandahar 11  2 Bergtour mit Popper, Sloterdijk und Fontane 35 3 Zerreissprobe in Washington 58 4 Im Chalet Les Trois Arolles 82 5 Im Bann des Sudan 99 6 Die innere Temperatur der Schweiz 126 7 In der Hölle des Heiligen Landes 164 8 Arroganz der Macht 186 9 Der Leidgenosse 201 Schauplätze 215 Zeittafel 216 Publikationen 219 Bildnachweis 221 Dank 222 Der Autor 223

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Vorwort Jakob Kellenberger ist ein unmöglicher Mensch. Unmöglich fleissig, ehrgeizig, diszipliniert, pflichtbewusst, loyal, kompetent und erfolgreich. Aber auch unmöglich schwierig, komplex und kompliziert. Zudem ist er unmöglich bescheiden, wenn es um seine Person geht, aber nicht, wenn es um die Sache geht. Dann ist er äusserst ehrgeizig. Er steht ungern im Mittelpunkt. Er scheut das Rampenlicht. Mit dieser Biografie hat er immer wieder gehadert, denn darin dreht sich naturgemäss alles um seine Person, um sein Leben und seine Karriere. Eigentlich wünscht er kein Buch über sich selbst. Geschickt verschiebt er im Gespräch den Fokus immer wieder auf Sachthemen wie die Integrations­politik der Schweiz in der EU oder auf die «Organisation», wie er das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) nennt. Eigentlich schreibt er am liebsten selbst, damit er selbst die volle Kon­ trolle hat. Jakob Kellenberger ist aber auch unmöglich freundlich und zu­ vorkommend und manchmal unmöglich geduldig. Ein Gutmensch? Nein, aber ein guter Mensch. Er sieht seit langem schon zehn Jahre ­älter aus als er ist, mit seinem weissbärtigen, hageren Gesicht, den tief liegenden Augen und den Sorgenfalten auf der Stirn. Nur wenn er schmunzelt oder ­lächelt – was selten vorkommt –, scheint er um Jahre verjüngt. Ein Por­trät vermag dem gebürtigen Appenzeller kaum gerecht zu werden. Aber einen Versuch ist es wert. Die vorliegende Biografie beobachtet anhand von Episoden und Begegnungen aus nächster Nähe das Handeln und – weit bedeutender – das Denken des 7

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ehemaligen IKRK-Präsidenten und Schwei­zer Chefdiplomaten. Aber es kommen Zweifel auf. Lässt sich ein derartig reichhaltiges Leben und Wirken auf 200 Seiten einfangen? Es war auf einer zweitägigen Bergtour im Berner Oberland, zusammen mit dem damaligen SBB-Chef Benedikt Weibel, als ich Jakob Kellenberger erstmals persönlich begegnete. Das war am 31. August 2002. Die Tour war anspruchsvoll, nicht nur wegen des steilen Geländes und des schlechten Wetters, sondern auch wegen der intensiven Gespräche über Literatur und Philosophie. Als Journalist hätte ich erwartet, mehr über Politik und Wirtschaft zu hören. Eines ist mir auf dieser Tour hingegen klar geworden: Sprache ist für Kellenberger wichtig, mehr noch: entscheidend. Seine frühere Funktion als Chefunterhändler des ersten Bündels ­bi­lateraler Verträge zwischen der Schweiz und der EU hatte der Spit­ zen­di­plomat im Januar 2000 gegen eine ganz andere Position eingetauscht: die des Präsidenten der weltumspannenden Hilfsorganisation IKRK in Genf. Nach seiner Einarbeitungszeit geschah etwas, das seine gesamte zwölfjährige Amtszeit prägen sollte: die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA. Dadurch verlagerte sich der Schwerpunkt der Arbeit der Organisation. Während früher die Bekämpfung der Folgen von Armut, Hunger, Naturkatastrophen und Bürgerkriegen vor allem in Schwarzafrika im Fokus stand, richtete sich das Augenmerk fortan auf die Kriege im Irak und in Afghanistan sowie auf die Rolle der USA und ihrer Verbündeten und die Rolle der Taliban und der Al-Kaida. Dazu kam – kurz vor dem Ende von Kellenbergers Amts­ zeit – 2010 der Arabische Frühling, während der Nahostkonflikt ein Dauerthema blieb. Im Sommer 2012, im Alter von fast 68 Jahren, verabschiedete er sich vom IKRK. Seither arbeitet er als Hochschul­dozent und Publizist. Das Buch erzählt reportageartig von den Treffen des ehemaligen Chefdiplomaten und IKRK-Präsidenten mit Verhandlungspartnern, Staats- und Regierungschefs, aber auch mit Anführern der Taliban, der 8

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Hamas, der Hisbollah und der Fatah. Berührungsängste kennt Kellenberger nicht. Grundlage des Porträts bilden neben vielen Gesprächen die ausführlichen Tagebücher, die er für diese Biografie erstmals zugänglich macht. Die detaillierten Aufzeichnungen erlauben es, Reisen und Begegnungen wie in einem Film nachzuzeichnen, insbesondere die zuweilen lebensgefährlichen Feldbesuche. Das Buch nimmt die Lese­rinnen und Leser mit, wenn der Diplomat mit den Machthabern im Weissen Haus und im Kreml Klartext redet oder seine Verhandlungskünste einsetzt. Die Szenen sind aussergewöhnlich, weil das IKRK nie öffentlich informiert, wie Verhandlungen ablaufen, was gesprochen wird und wer wie reagiert. In den Tagebüchern finden sich auch Gedanken und Schilderungen, die ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Darauf nimmt die vorliegende Biografie Rücksicht, soweit es Kellenberger wünscht. Denn er will keinesfalls Hypotheken für das IKRK schaffen. Er will auch vermeiden, dass sich Personen oder Organisationen übermässig kritisiert, angegriffen oder beleidigt fühlen. Jakob Kellenberger ist wohl der am meisten unterschätzte Aussenpolitiker der Schweiz. Das zeigen Kommentare von Weggefährten, darunter ehemalige Bundesräte. Unabhängig von der politischen Couleur sind sie des Lobes voll. Kaum einer hat in den Beziehungen zum Ausland so viel bewegt und erreicht wie er, zuerst als Chef des Integrationsbüros und Chefunterhändler für die Bilateralen, dann als IKRK-­ Präsident. Kaum ein anderer Schweizer wurde seit dem Zweiten Weltkrieg international derart beachtet, geachtet und ausgezeichnet. Er hat dem Bundesrat den Weg nach Europa aufgezeigt, bis hin zum EU-­Bei­ trittsgesuch von 1992, das aus seiner Feder stammt. Das Buch zeigt, was Kellenberger antreibt, was ihm wichtig ist, was ihn bedrückt und aufregt. Und warum er in praktisch allem, was er gemacht hat, erfolgreich war. Aber trotz seiner kritischen Haltung zu seinem Land ist er durch und durch Patriot. Das Porträt gibt nicht nur Einblick in die Arbeit des Spitzendiplo9

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maten und Kämpfers für das humanitäre Völkerrecht. Es enthält auch Geschichten aus seinem Privatleben, etwa über die schon in der Stu­ dienzeit geschlossene Ehe mit Elisabeth Kellenberger-Jossi – ebenfalls Akademikerin. Er hat ihrer ausdauernden und mitdenkenden Unterstützung viel zu verdanken, auch bei der Entstehung dieser Biografie. Das Buch erzählt weiter, wie es zu Hause in Kellenbergers Chalet in den Waadtländer Alpen aussieht, aber auch von seinen Auftritten als Gastdozent an der ETH in Zürich. Und obwohl Kellenberger nie ein politisches Amt innehatte, ist er doch ein sehr politisch denkender Mensch. Er erklärt, warum er – aus freisinnigem Haus – die Abzocker-­ Initiative unterstützte und kein Verständnis für die Mentalität der Grossbanken aufbringen kann. Mit seinen Ansichten steht er der pragmatischen Linken näher als dem offiziellen Freisinn. Schliesslich zeigt das Buch Kellenberger auch als Kenner und Lieb­ haber von Literatur und Philosophie. Gedichte zu rezitieren, hilft ihm in heiklen Situationen, zur Ruhe zu kommen. In der Literatur und Philosophie findet er Anleitungen für seine Arbeit und sein Leben. Ein kleines Buch über einen grossen Mann, dem die Schweiz viel zu verdanken hat. René Sollberger

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Bergtour mit Popper, Sloterdijk und Fontane

Das Postauto benötigt nur 20 Minuten von Gstaad nach Lauenen. Es ist Samstag, der 31. August 2002. Wir sind im Berner Oberland. Wir, das sind Jakob Kellenberger, seit zweieinhalb Jahren Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Benedikt Weibel, seit 1993 SBB-Generaldirektor, und ich, damals Journalist und Redaktor beim Wirtschaftsmagazin Cash. Es ist der Tag, an dem ich Kellenberger erstmals treffe. Ein Zufall. Der Schweizer Bergführerverband hat sich zum UNO-Jahr der Berge mit der Aktion «100 Gipfel» etwas einfallen lassen. Er hat Prominente und Journalisten zu einem Erlebniswochenende in den Alpen eingeladen. Bei der Anmeldung hatte man für die Wanderung die Wahl zwischen leicht, mittel und schwierig. Ich habe mich für mittel entschieden. Eine Seilschaft bestand in der Regel aus einem prominenten Gast aus ­Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft, geleitet von einem Bergführer und begleitet von einem Journalisten. In unserer Seilschaft hat SBB-Chef Weibel eine Doppelrolle: Er ist Spitzenmanager und zudem diplomierter Bergführer. Das Ziel der Aktion des Bergführerverbands: Einblicke in den alpinen Lebensraum mit seinen besonderen Herausforderungen gewähren. Unsere Wanderung beginnt als beschaulicher Spaziergang im Dorfzentrum von Lauenen auf 1250 Metern über Meer. Tagesziel ist die auf 2000 Meter gelegene Geltenhütte. Kellenberger trägt ein blau-weiss kariertes Hemd, eine hellbraune Manchester-Cordhose und – wie es sich für eine Bergwanderung gehört – festes Schuhwerk. Proviant, Regenjacke und Ersatzkleidung hat er in einem hellblauen Rucksack verstaut. 35

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Weibel geht im Profi-Look mit gutem Beispiel voran: Trekking­hose, rosarotes T-Shirt und Wanderstöcke. Wir folgen dem Lauf des Lauibachs durch das Naturschutzgebiet Rohr. Zeit, sich kennenzulernen. Ich erfahre, dass Kellenbergers Frau Elisabeth wegen einer Erkältung nicht dabei sein kann. In einem Waldstück stockt das Gespräch, denn es geht steil bergauf. Wir erreichen den Lauenensee, der in einer von Moorwiesen umgebenen Geländemulde liegt. Kurze Pause. Kellenberger klaubt seine Tabakpfeife hervor. Sie ist bereits gestopft. Kellenberger hat den SBB-Chef 1989 bei den Verhandlungen mit der EU über den Transitvertrag zum alpenquerenden Güterverkehr und den darauf folgenden EWR-Verhandlungen kennengelernt. Weibel: «Irgendeinmal gingen wir dann zusammen zum Mittagessen, was wir immer wieder getan haben, solange Jakob beim Bund arbeitete.» Ziel des Transitvertrags aus Schweizer Sicht war es, die 28-Tonnen-­ Limite für ausländische Lastwagen möglichst lange aufrechtzuerhalten, insbesondere im Alpenraum. Die beiden erinnern sich noch ganz gut an jene Zeit. «Die 28-Tonnen-Limite war damals für die Schweiz ein Heiligtum, ähnlich wie das Bankgeheimnis», so Kellenberger. Ziel der EU war es aber, mit 40-Tönnern im Transit durch die Schweiz zu fahren. Kellenberger legte sich quer und präsentierte im Gegenzug das Konzept der Schweiz, nämlich die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene. Und er setzte sich durch. «Es war eine seltsame Situation: Schweizer Lastwagen konnten in der EU mit 40 Tonnen fahren, aber nicht umgekehrt.» Das hatte seinen Preis: Die Schweiz verpflichtete sich, die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) mit zwei Basis­tunnel zu bauen, um die angestrebte Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene zu erreichen. Als Übergangslösung richtete sie einen Huckepackkorridor für Lastwagen auf der Lötschberg–Simplon-­ Achse ein. Die NEAT-Pläne wurden 1991 vom Parlament beschlossen und 1992 in einer Volksabstimmung bestätigt. Verkehrsminister Adolf Ogi hatte im Abstimmungskampf eindringlich vor einem Nein gewarnt: «Ohne NEAT und Transitvertrag mit der EU könnte man die 36

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Schweiz zwingen, die Strassen für 40-Tönner zu öffnen und das Sonntags- und Nachtfahrverbot aufzuheben.» Kellenberger, Weibel und Ogi arbeiteten damals eng zusammen. Bei den Verhandlungen über den Transitvertrag trafen sie sich ab und zu mit ausländischen Verkehrsministern, auch an der Gotthardlinie in Wassen, wo Ogi vor der berühmten Kirche den Gästen die Transitproblematik erläuterte. Berühmt ist die Kirche, weil Bahnpassagiere sie auf der alten Bergstrecke gleich drei Mal sehen können – wegen der Windungen und Schleifen der Gleise durch zwei Kehrtunnel. Einer dieser Tage – mit dabei war auch die niederländische Verkehrsminis­ terin Hanja Maij-Weggen – ist Weibel noch bestens in Erinnerung. «Nach der Besichtigung wechselten wir in einen Saal des Restaurants Alte Post, wo die Verhandlungen begannen. Am Tisch sassen etwa ein Dutzend Leute, ausser der holländischen Ministerin nur Männer. Kaum waren die ersten Voten gefallen, meinte sie mit maliziösem Lächeln, sie wolle mit Bundesrat Ogi unter vier Augen weiterverhandeln. Wir anderen wechselten in die Gaststube und hatten es fröhlich. Nur Jakob war es dabei sichtlich unwohl. Er hat es mir später erklärt: Wenn Bundesräte allein verhandeln, droht man den roten Faden zu verlieren.» Aber es ging alles gut, die NEAT konnte gebaut werden, und 1993 trat der Transitvertrag in Kraft. Kurz darauf begannen die bilateralen Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU. Kellenberger hatte als Chefunterhändler wiederum viel mit SBB-Chef Weibel zu tun, insbesondere im Dossier Landverkehr, eines von sieben Dossiers, die als Paket mit der Bezeichnung Bilaterale I in die Geschichte eingehen sollten. Das Landverkehrsabkommen als Teil der Bilateralen I löste später, ab 2002, den Transitvertrag ab. Tief unter uns, im Jahrmillionen alten Granit der Alpen, schreiten die Bauarbeiten am Basistunnel durch den Lötschberg plangemäss vor­­an. Er wird fünf Jahre später, im Dezember 2007, offiziell in Betrieb genommen. Hier oben, am Lauenensee, ist davon nichts zu merken. Wir lassen die Moorwiesen hinter uns zurück, den Blick auf die dunk37

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len Wolken gerichtet, die über den Bergen aufziehen. Bald zwängt sich der Pfad entlang des Geltenbachs durch eine enge Schlucht und wird steiler, bevor wir auf die Alp Feissenberg kommen. Hier erblicken wir erstmals den Geltenschuss, wie der imposante Wasserfall im Berner Oberland genannt wird. Schon sind 350 Höhenmeter geschafft. Aber das war erst der Anfang. Bergführer Weibel weiss, was uns noch erwartet. Wir machen uns aber nicht unnötig Sorgen und schreiten flott voran. Der Weg führt nun über saftige Alpweiden fast flach in ein Seiten­tal hinein. Noch ist der Puls ruhig, noch haben wir ausreichend Atem, um uns zu unterhalten. Längst geht es nicht mehr um die Inte­ grations- und Verkehrspolitik. Literatur ist angesagt, für Kellenberger ein Lebenselixier: «Literatur und Philosophie beeinflussen, was ich wichtig finde, wie ich handle, wie ich in der Welt stehe.» Auch seine «enorme Abneigung gegen Schwarz-­Weiss-Denken» hat sich durch Studium und Lektüre gefestigt. «Aus der Literatur und der Philosophie weiss ich, dass das Leben aus lauter Nuancen besteht.» Zur Erläuterung verweist er auf den deutschen Philosophen Hans-Georg Gadamer, international bekannt geworden durch sein Werk Wahrheit und Methode. Er hat Kellenberger stark beeinflusst. «Um zu einem möglichst sauberen, unabhängigen Urteil zu kommen, muss man Abstand halten, auch zu sich selbst. Das ist nicht einfach, man schafft das wohl kaum vollständig, aber man darf sich nie gehen lassen. Man darf sich nicht von Stimmungen gefangen nehmen lassen und sich dann in seinem Urteil täuschen. Man muss auf Distanz zur Stimmung gehen und beobachten. Das mache ich oft, ganz bewusst, was auch eine gewisse Einsamkeit bedeutet, ein gewisses Alleinsein. Das ist der Preis der Freiheit. Aber bei meiner beruflichen Verantwortung war es bestimmt zum Nutzen der anderen. Wenn man auf die Urteile zurückblickt, die ich bei meiner Arbeit gefällt habe, wird man nicht sehr grosse fahrlässige Schwankungen feststellen – und das sicher nicht nur wegen meiner Abneigung gegen Oppor­tunismus, sondern weil ich darüber nachgedacht habe. Distanz 38

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macht auch ziemlich immun gegen Demagogie. Das ist gerade für einen Posten wie das IKRK-Präsidium wichtig. Man darf sich nicht ­einlullen oder einschüchtern lassen. Man darf sich nicht in Gefühlen auflösen, selbst dann nicht, wenn man leidet. Man muss Abstand bewahren, um handlungsfähig zu bleiben und seine Pflicht zu erfüllen.» Und wie kommt diese Distanz in der Familie an? «Im Privaten macht mich dies nicht zu einem einfachen Menschen», räumt er ein. Und seine Frau würde ihm wohl mit einem Augenzwinkern beipflichten. Auch wenn er nach anstrengender Arbeit nach Hause kam, am Abend oder am Wochenende, versuchte er jeweils ein bis zwei Stunden der Philosophie oder Literatur zu widmen. «Dabei habe ich mir meine eigenen Gedanken gemacht und aufgeschrieben. Das ist ein Teil meiner Welt.» Warum hat er diesen Teil seiner Welt nicht zum Beruf gemacht und ist Professor für Literatur geworden? Nach seinem Studium wäre das naheliegend gewesen. «Die Frage stellte sich in einem gewissen Moment tatsächlich. Aber da gab es ein Hindernis, meine zweite Seele, und das ist der Macher. Ich wollte mitten im Leben stehen und etwas bewirken. Das andere ist eine Welt für sich.» Auch seine Frau, die ebenfalls Literatur studiert hat, war erstaunt. Die beiden hatten schon während des Studiums geheiratet. Als ihr Kellenberger eröffnete, er werde die Prüfung für die Diplomatenlaufbahn machen, konnte sie es kaum glauben. «Ich sagte ihr, dass ich etwas machen, etwas bewirken möchte. In der Diplomatie ist dies zugunsten des ganzen Landes möglich und nicht beschränkt auf eine Gruppe besonders Interessierter. Später beim IKRK kam dann noch etwas dazu: sich wenn immer möglich für die Schwächeren einsetzen. Das kann man doch, wenn man selbst stark und gesund ist.» Kurz: Ein Leben für die Literatur war keine Option. Aber ein Leben ohne Literatur auch nicht. Sprache ist zu Kellenbergers wichtigstem Werkzeug geworden. «Bei der Verwendung von Worten ist immer höchste Achtsamkeit geboten. Sogar die Entscheidung, ob, wo und wann man sich auf ein öffent­ liches Gespräch einlassen will, muss sorgfältig getroffen werden.» Und 39

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schon wieder ist er beim Philosophen Gadamer und dessen Gedanken zu Sprache und Gespräch angelangt: «Wenn Gadamer sagt, ‹die Sprache spricht›, dann meint er, Gespräche würden wir weniger selbst führen, als dass wir in sie hineingerieten, uns in sie verwickelten.» Kellenberger liest und schreibt gerne und viel. Und lieber schreibt er selbst, als dass er andere über sich schreiben lässt, und dies aus guten Gründen. «Es ist exakter, wenn ich es selbst mache. Und ich korrigiere nicht gern andere, die vielleicht denken, dass es aus ihrer Perspektive durchaus in Ordnung sei.» Er hat aber auch Zweifel, ob er mit Blick auf die Leser immer genau weiss, was am besten ankommt. «An sich gehe ich nicht a priori davon aus, dass ich immer recht habe.» Fest steht, dass er Angst vor Ungenauigkeiten hat. Das bekommen insbesondere Journalisten zu spüren, obwohl er auch mit ihnen äusserst liebenswert und korrekt umgeht und sich öffnet, sobald er Vertrauen fasst. Aber er ist streng. Er erinnert sich an ein Interview in einer Schweizer Zeitung, das gründlich schief herauskam. Er holt aus: «Mir fehlt es – typisch schweizerisch – etwas an Gelassenheit.» Man könnte etwas ja auch einmal stehen lassen, fünf gerade sein lassen. «Aber manchmal macht es einen fast krank.» So geschehen, als er das Ergebnis des Interviews sah – ein Interview, das er aus Dankbarkeit für eine langjährige und gute, professionelle Zusammenarbeit gewährt hatte. Er war überrascht. «Ich bin ja wirklich selbstkritisch, oft fast selbstzerstörerisch, aber manchmal gibt es dann doch eine Grenze, wo ich sagen muss: Der Fehler liegt nicht bei mir. Ich suche ja lange, manchmal quälend lange den Fehler bei mir, was mich nicht zu einem einfachen Menschen macht. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem ich sicher bin: Das habe ich nicht gesagt, es ist nicht möglich, vielmehr ganz unmöglich, dass ich einen bestimmten Zusammenhang hergestellt habe. Antworten zu vier verschiedenen Fragen waren zu einer einzigen verschmolzen. Dann stimmte nichts mehr.» Kellenberger ist streng, mit sich selbst und mit allen anderen. Journalisten, die er nicht persönlich kennt, haben Mühe, einen 40

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­ ermin zu bekommen. Nach dieser Bergwanderung genoss ich sein T Vertrauen. Die Tür beim IKRK in Genf stand für mich fortan offen. Und ich nutzte die Gelegenheit schon ein halbes Jahr später. Anlass war der Angriff der USA und einer «Koalition der Willigen» gegen den Irak, der in der Nacht zum 20. März 2003 mit der Bombardierung von Zielen in Bagdad begann. US-Präsident George W. Bush nutzte die Ter­roranschläge vom 11. September 2001 dazu, endlich den gehassten irakischen Staatspräsidenten Saddam Hussein loszuwerden. Die Welt war gespalten – nicht alle glaubten an die angeblichen Beweise für die Existenz von Massenvernichtungsmitteln. Zudem verletzte der Krieg das Völkerrecht und war auch humanitär eine Katastrophe. Für mich als Journalist Gründe genug, um mit dem IKRK-Präsidenten zu reden. Das Interview erschien eine Woche nach dem Angriff im Wirtschaftsmagazin Cash. Um mit etwas Lockerem in das ernste Thema einzusteigen, stellte ich ihm die Frage, ob er immer noch Coca-Cola trinke. Ich wusste, dass er es mochte. Ohne zu zögern, antwortete er: «Ja, und wie! Warum sollte ich nicht mehr?» Vielleicht, um ein typisches Produkt aus den USA zu boykottieren? «Für so etwas bin ich nicht empfänglich. Ich habe grosses Verständnis für Friedenskundgebungen, nicht aber für einen pauschalen Anti-Amerikanismus. Ich verhalte mich gern antizyklisch.» Im Interview ging es auch um Kellenbergers oft kritisierte Schweigsamkeit in der Öffentlichkeit und in den Medien. Scheut er die Öffentlichkeit? «Nein, und manchmal denke ich, ich sei in letzter Zeit schon fast etwas schwatzhaft geworden», entgegnete er mit Schalk. «Wenn es für unsere Institution [das IKRK] wichtig ist, trete ich sofort vor die Medien, so zum Beispiel letzte Woche, als der Krieg ausbrach. Aber mein Bedürfnis nach öffentlichen Auftritten hält sich tatsächlich in engen Grenzen. Mit den Kriegsparteien rede ich aber immer Klartext.» Bald schon sprachen wir über den heiklen Umgang mit Sprache. Seit der Bergwanderung wusste ich ja, wie wichtig ihm das Thema ist und wie viel er auch selbst schreibt. «Wenn man sich zum Schreiben zwingt, zwingt man sich zusätzlich zum klaren Denken. Ja, das Wort 41

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ist mir wichtig, auch das gesprochene. Dies ist vielleicht mit ein Grund, dass ich nicht zu viel rede und nichts von leicht dahingeworfenen Sprüchen halte. Ich habe mitunter ein fast schmerzliches Bewusstsein für das Gewicht der Worte, und das macht mich sehr vorsichtig im Umgang mit Sprache. Aber natürlich gibt es Situationen, in denen man öffentlich Stellung beziehen muss, auch für das IKRK. Dies kann aber ein sehr schwerer Entscheid sein, weil er das Ende einer Operation im Feld bedeuten kann.» Schon in seinem zweiten Jahr als IKRK-Präsident, im Juni 2001, referierte er an der sogenannten Zürcher Denkpause über «Reden und Schweigen in der humanitären Tätigkeit». Der Text erschien – leicht abgewandelt und ergänzt – 2005 auch als Aufsatz in der Reihe Infor­ mationsschriften des Deutschen Roten Kreuzes. Als Diplomat war ihm das Thema nicht fremd. «Ein Thema übrigens, bei dessen Behandlung das Gewicht des öffentlichen Wortes – schärfer noch, der öffentlichen Stellungnahme – bald überschätzt, bald unterschätzt wird. Unsere urteilsfreudige, meinungsäusserungsbegierige und doch eher redselige Zeit neigt zur Überschätzung ihrer Lagebeurteilungen.» Das war 2001, lange bevor sich im Internet die sozialen Netzwerke verbreiteten. Kellenberger hielt fest: «Die Tätigkeit des IKRK bringt es mit sich, dass es immer unter spezifischen Umständen redet und schweigt. Diese Umstände sind die emotionalen und irrationalen der Konfliktsituation, in der jedes Wort je nach Partei und Perspektive seine eigene Bedeutung und Ausstrahlung hat. In einer Organisation wie dem IKRK ist ein ­feines Gespür für das Wort und seine nicht immer leicht überschaubare, durch geschichtliche und aktuelle Vergleiche mitbestimmte Ausstrahlung kein Luxus. Diese Eigenschaften des Wortes kommen in Konfliktsituationen erst richtig zum Tragen.» Er verteidigt die Zurückhaltung in öffentlichen Meinungsäusserungen mit der Sorge um den Zugang zu Kriegsopfern: «Das Verhältnis des IKRK zur öffentlichen Rede wird nur verständlich im Wissen, dass dem Ziel, Zugang zu allen Opfern bewaffneter Konflikte zu haben, alle anderen ausser Sicher42

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heitserwägungen untergeordnet werden.» Darüber hinaus bezweifelt Kellenberger die Mobilisierungskraft öffentlicher Erklärungen. «Nicht ungern bleibt es bei einer Geste. Ich sage dies im vollen Bewusstsein des enormen Stellenwerts, den heutzutage das sogenannte Zeichensetzen geniesst. Das Problem ist lediglich, dass Zeichen in der Regel auf etwas hinweisen oder andere zu etwas auffordern. Opfer erwarten aber konkrete Hilfe und konkreten Schutz. Die Bedeutung, Stimm- und Rechtlosen eine Stimme zu verleihen, unterschätze ich nicht.» Dabei spielen für ihn auch die Medien eine wichtige Rolle: «Oft ist eine Mobilisierung der Regierungen nur über die Mobilisierung der Öffentlichkeit möglich. Das IKRK hat ein echtes Interesse daran, dass die Medien über bewaffnete Konflikte Bericht erstatten und sie damit aus der Vergessenheit herausholen.» Völlig ausgeschlossen seien für die Organisation jedoch einseitige Schuldzuweisungen – das IKRK sei kein Gericht. «In einer besonders urteilsfreudigen Zeit, wo die rhetorische Verurteilungs- und Betroffen­ heitsgebärde hohen Stellenwert geniesst, mag dies besonders befremden oder gar stören, weil es nicht in einen verbreiteten Erwartungshorizont hineinpasst. Es ist mehr die Weigerung, öffentliche Urteile zu fällen und einseitige Schuldzuweisungen vorzunehmen, die das IKRK charakterisiert, als eine allgemein übertriebene Verschwiegenheit.» Die «beschränkte Redseligkeit» des IKRK im öffentlichen Raum sei zudem nicht mit Schweigen zu dem, was es sehe, gleichzusetzen, nicht mit dem Verzicht auf den Einsatz der Sprache zur Verbesserung der Verhältnisse. Die Mitarbeitenden machten in Konfliktgebieten von der Sprache sehr deutlichen Gebrauch. Oft in abgelegenen Gebieten, wo sie Truppenkommandanten das geltende Recht erklärten und dessen Einhaltung forderten. «Das verlangt Mut und Rückgrat.» Und wieder bringt er den Philosophen Gadamer ins Spiel: «Sprache und Umfeld bestimmen über unsere Absichten hinaus mit, was von unserem Sprechen bleibt. Für eine humanitäre Organisation wie das IKRK, die fast immer in emotionalen bis irrationalen Umfeldern tätig ist, scheint mir 43

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diese Erkenntnis wichtig. Wir müssen uns nicht nur im Klaren dar­ über sein, was wir sagen wollen oder nicht, wir müssen uns auch gut überlegen, wann und wo wir uns in öffentliche Gespräche einlassen.» Man brauche ein feines Gespür für jenen Augenblick, in dem das IKRK seine Stimme öffentlich erheben müsse. «Wenig wünsche ich mir mehr, als im entscheidenden Augenblick dieses Gespür zu haben.» Zweifelsohne mag und kultiviert Kellenberger eine präzise, ausführliche, komplexe und dadurch manchmal komplizierte Ausdrucksweise. Er nennt sie gerne «geordnete Sprache». In der Einleitung seines 2010 erschienenen Buchs Humanitäres Völkerrecht sagt er über sich selbst: «Den Autor interessierte die Herausforderung, Erfahrungen und Probleme geordnet zur Sprache zu bringen.» Und fast entschuldigend fügt er an, dass «ab und zu der ehemalige Literatur- und Linguistikstudent durchschlagen mag», wenn es um Begriffliches gehe. Und wie! So legt er etwa grossen Wert auf die Unterscheidung zwischen sprachlicher und aussersprachlicher Wirklichkeit. «Daran glaube ich ganz fest, obwohl es etwas provokativ ist.» Und schon ist er beim Philosophen Karl Popper angelangt. Dieser beschreibt eine «wirkliche» oder «physische Welt» als eine vom Menschen unabhängig existierende Wirklichkeit. Für Kellenberger greift dieser Ansatz aber zu kurz: «Des Menschen Wirklichkeit besteht nicht nur aus dieser Wirklichkeit. Sie umfasst die Gesamtheit aller Kräfte, die auf ihn einwirken, sie ist in erheblichem Masse Wirkungsgeschichte. Die Sprache ist eine Kraft, die auf die Mitmenschen einwirkt.» Und er lässt es sich an dieser Stelle nicht nehmen, auf den ewigen Expertenstreit hinzuweisen, auf die offene Frage, ob sich der Sprecher der Sprache bedient oder die Sprache des Sprechers. «Die Sprache, mit ihrer Vielfalt, bestimmt in hohem Mass unsere Wahrnehmung und unsere Handlungsbereitschaft. Ich habe auch im IKRK immer ermahnt, die Wörter ernst zu nehmen. Ein falsches Wort im falschen Kontext ist wie ein Stück nicht explodierter Munition. Die Welt, wie wir sie sehen, ist eine Zusammensetzung aus persönlichem Erleben und aus dem, was wir studiert 44

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und gelesen haben, was im Grunde die über Jahrhunderte überlieferte Erfahrung von anderen ist.» So ähnlich habe das schon der Philosoph Giambattista Vico im 17. Jahrhundert gesehen, wenn er sinngemäss sagte: «Das Einzige, was der Mensch wirklich gut kennen kann, ist das, was er selbst gemacht hat.» «Dazu gehört insbesondere auch der geis­ teswissenschaftliche Bereich», präzisiert Kellenberger. «Ich träume manchmal vom Beitrag, den ein sorgfältiger und gewissenhafter Umgang mit Sprache zu wohnlicheren Verhältnissen in der Welt leisten könnte, nicht nur im Rahmen bewaffneter Konflikte.» Seine Liebe zum Systematischen und Exakten liess ihn bei der Studienwahl mit Mathematik liebäugeln. Tatsächlich hat er während ein paar Semestern «hineingehört». «Es war nicht leicht, zwischen Mathematik und Geisteswissenschaften zu entscheiden.» Nein, er betreibt keine Sprachakrobatik um deren selbst willen. «Die Frage, ob das humanitäre Völkerrecht diejenigen Begriffe, die im heutigen Konfliktgeschehen zählen, ausreichend definiert oder nicht, ist wichtig.» Er distanziert sich indes von einer «bedingungslosen Definitionsleidenschaft» und zitiert einmal mehr eine Aussage Poppers, die dieser in einem Diskurs über den Begriff Gleichzeitigkeit gemacht hat: «Ich denke, wir können daraus lernen, dass wir nicht versuchen sollten, Probleme zu lösen, bevor wir überhaupt in Schwierigkeiten geraten sind.» Aber ganz ohne Definitionen geht es eben auch nicht. Denn Ungenauigkeit – in Kellenbergers Augen heute weit verbreitet – ist seine Sache nicht. Er steht für messerscharfe Begriffe in Kombination mit diplomatischer Zurückhaltung. Um niemandem zu nahe zu treten oder nicht allzu absolut zu wirken, verwendet er oft eine doppelte Negation wie «nicht ungern». Oder anstelle von «unerfreulich» setzt er «weniger erfreulich». So auch bei seiner Kritik am herrschenden Zeitgeist: In der Auseinandersetzung über Konfliktursachen und die humanitären Folgen «treffen sich nicht ungern weniger erfreuliche Merkmale des Zeitgeists». Oder er greift bewusst zu ironisch anmutenden Untertreibungen, spricht von «­ Gleichgewichtsschwierigkeiten» 45

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der US-Regierung seit den Anschlägen vom 11. September 2001 und meint damit die Mühe, im sogenannten Krieg gegen den Terror die berechtigten Sicherheitsanliegen mit dem Grundsatz der Menschlichkeit in Übereinstimmung zu bringen – und das in einem Teil der Welt, der im Verhältnis zu anderen Teilen der Welt auch nach 9/11 vergleichsweise sicher und in der Geschichte selten so sicher gewesen sei. Er erinnert sinngemäss an eine Aussage des deutschen Kulturphilo­ sophen Peter Sloterdijk: «Im Dunstkreis des Schreckens geht jeder Verdacht unmittelbar in eine Verurteilung über.» Mit dem «Zeitgeist» scheint Kellenberger grundsätzlich zu hadern. Er beschreibt ihn in seinem Buch zum Völkerrecht verkürzt so: Geringschätzung der Genauigkeit, Unvermögen zu schweigen, wo es nichts oder noch nichts zu sagen gibt, hemmungslose Übertreibung neben unverantwortlicher Verniedlichung sowie oft auf anspruchslose Weise befriedigte Bedürfnisse nach Abgrenzung. Was ihn besonders stört, sind unausgegorene Schätzungen oder, wie er es formuliert, das «zeitgenössische Lieblingsspiel mit nicht oder dürftig abgeklärten grossen Zahlen». Auch die «Berufsprognostiker» bekommen ihr Fett ab. Er wirft ihnen auf die ihm eigene diplomatische Art vor, was sie bei Analysen oft ausblenden: die Anfälligkeit der Menschen für Angebote von «Eiferkollektiven» – seien es politische, wirtschaftliche oder reli­giöse –, die Mühe im Umgang mit Freiheit oder ungehemmte Urteilslust bei gleichzeitig fehlender kritischer Wachheit an den Tag legen. «Kenntnisnahme hätte in manchem Fall die Irrtumsspanne beschränkt.» Kellenberger macht es besser. Er befasst sich bewusst und eingehend mit anthropologischen Hintergrundannahmen, inspiriert durch die «humanitären Konstanten» des deutschen Sozialphilosophen Jürgen Habermas oder das, was Popper schlicht «menschliche Züge» nannte, ohne die soziale Bedingtheit, Offenheit und Lernfähigkeit des Menschen zu unterschätzen. Auch auf Sloterdijk und dessen Essay Du musst dein Leben ändern von 2009 kommt er in diesem Zusammenhang zu sprechen, obwohl dessen Thesen auf den ersten Blick konträr erschei46

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nen. Sloterdijk geht nämlich davon aus, dass sich der Mensch durch lebenslanges Üben selbst erschafft, was anstelle unwillkürlich erworbener Gewohnheiten zu einer eigenen, selbstgewählten Natur führe. Kellenberger schafft es, alles unter einen Hut zu bringen. Er sieht in Slo­ terdijks Ansatz das Vertrauen in die Offenheit des Menschen. «Dass absolute Beliebigkeit in der Auswahl der Übungen kaum das gesellschaftliche Idealziel sein kann, räumte Sloterdijk selbst ein.» Auch SBB-Chef Weibel, der jetzt auf dem Wanderweg etwas vor uns geht, ist der sorgfältige Umgang Kellenbergers mit Sprache und philosophischen Gedanken nicht entgangen. «Über seine öffentlichen Auftritte habe ich immer wieder gestaunt», sagt er. «Er ist das Gegenteil eines eloquenten Redners, er sucht oft mühsam nach Wendungen. Trotzdem – oder wahrscheinlich gerade deswegen – ist er überaus überzeugend und glaubwürdig. Er ist im besten Sinn des Wortes ein gebildeter Mensch. Ich schätze seine Art zu denken: Umfassend, analytisch, reflektiert, hartnäckig, mit hohem Respekt vor seinem Gegenüber. Der geborene Verhandler.» Der Pfad quert jetzt eine Geröllhalde. Trittsicherheit ist gefragt. Wir machen Pause und blicken zurück auf die Alpweiden. Die Atmung fällt nicht mehr ganz so leicht. Links von uns donnert der Geltenbach in die Tiefe, der Geltenschuss. Die Sonne ist verschwunden, es riecht nach Regen. Aber wir verdrängen die Gefahr, nass zu werden. Über den Optimismus gelangen wir zum deutschen Schriftsteller Robert Musil und dessen Auffassung von der historischen Distanz, die darin bestehe, dass von 100 Tatsachen 95 verloren gingen und sich die restlichen ordnen liessen wie man wolle. Kellenberger, nach einem weiteren Gedankensprung, meint: «Das Vernünftigste, was man tun kann, ist nichts auszuschliessen, mit allem zu rechnen.» In diesem Fall auch mit Regen. Unser Weg erklimmt im Zickzack eine fast senkrechte Felswand. Es ist die steilste und schwierigste Stelle. Wir bleiben stehen, um Atem zu schöpfen. Kurz darauf hinterqueren wir einen kleineren Wasserfall. Das Spritzwasser ist ein Vorgeschmack auf den bevorstehenden Wol47

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Auf einer Bergtour zur Geltenhütte im Berner Oberland tauschen sich SBBChef Benedikt Weibel und Jakob Kellenberger am 31. August 2002 intensiv über Literatur und Philosophie aus.

kenbruch. Bald haben wir die Steilwand überwunden und erreichen ein Hochplateau. Die Geltenhütte ist in Sicht. Kellenberger schwärmt jetzt von Theodor Fontane. «Er ist ein sprach­bewusster Schriftsteller.» In Fontanes Büchern gibt es ein paar Figuren, die ihm sehr sympathisch sind. Ganz oben auf der Liste steht der alte Stechlin aus dem gleichnamigen Roman. Es ist Kellenbergers literarische Lieblingsgestalt, in der er sich mit Nuancen selbst wiedererkennt. «Da kommt ein unprätentiöses, unpathetisches Wertebewusstsein zum Ausdruck, ein festes, aber nicht zur Schau gestelltes.» Fontane selbst beschreibt den alten Stechlin so: «Er ist von freund­ lichem Gemüt und hört gern eine freie Meinung, je drastischer und ex­tremer, desto besser.» Der Roman entsteht und spielt in den Jahren 1895 bis 1897. Die mit Sympathie gezeichnete Hauptfigur trägt Züge ihres Autors, der im Monat vor der Veröffentlichung stirbt. Dub­ slav von Stechlin, ein alter märkischer Landadliger, erkennt nach und 48

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nach, ohne sich dagegen aufzulehnen oder auch nur zu ereifern, dass er nicht mehr in seine Zeit, das späte 19. Jahrhundert, passt. Schliesslich stirbt er. In schier endlosen Gesprächen werden die alten, kon­ servativen Sichtweisen gegen neue, liberale und sozialdemokratische Tendenzen abgewogen. Kellenberger muss zugeben: «Es geschieht fast nichts, es ist einfach eine besondere Geschichte. Meine Frau findet mich manchmal einen Langweiler, wenn ich so ein Buch zum vierten Mal lese.» Auch Fontane selbst sagt – mit einem Schuss Ironie –, es passiere fast nichts: «Zum Schluss stirbt ein Alter, und zwei Junge heiraten sich; das ist so ziemlich alles, was auf 500 Seiten geschieht.» Kellenberger ist schon früh auf Fontane gestossen, als junger Diplomat in den 1970er-Jahren. Sein damaliger Vorgesetzter, Fritz Rudolf Stähelin, ein grosser Fontane-Liebhaber, hat zu ihm gesagt: «Jakob, das musst du lesen, den musst du etwas besser kennenlernen, der wird dir gefallen.» Kellenberger: «Und das war effektiv so.» Gleichsam bemüht um ein Lob für Fontane von unabhängiger Seite, verweist er auf einen anderen grossen Dichter, Thomas Mann. «Der konnte ja sehr kritisch sein, aber er mochte Fontane, er machte ihm ein Kompliment, das auch ich unterschreiben würde. Er attestierte ihm verantwortungsvolle Unabhängigkeit. Unabhängigkeit, aber nicht ‹pour n’importe quoi›, nicht einfach so.» Solche Eigenschaften schätzt Kellenberger. Der Roman handelt von einer Zeitenwende, die auch Fontane selbst zu schaffen machte. Im Buch finden sich Sätze von Protagonisten, die das Dilemma auf den Punkt bringen. So sagt die gut 30-jährige Melusine: «Alles Alte, soweit es Anspruch darauf hat, sollen wir lieben, aber für das Neue sollen wir recht eigentlich leben.» Der schon etwas ältere Pastor Lorenzen meint: «Nicht so ganz unbedingt mit dem Neuen. Lieber mit dem Alten, soweit es geht, und mit dem Neuen nur, soweit es muss.» Auch Kellenberger scheint hin- und hergerissen. Manchmal wirkt er wie ein Gelehrter aus längst vergangenen Zeiten. «Jakob, du hast gewisse Züge aus dem 19. Jahrhundert», sagte ihm unlängst ein befreundeter Professor. Politisch liegen Kellenbergers Wurzeln defini49

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tiv im Liberalismus von 1848. Zugleich ist er ein Visionär. Es steckt also ein Quäntchen Wahrheit darin, wenn er schmunzelnd über sich selbst sagt: «Ich bin ein Typ aus dem 19. Jahrhundert, der das 22. Jahrhundert vorwegnehmen möchte.» Inzwischen hat tatsächlich starker Regen eingesetzt. Wir haben unsere Jacken übergezogen. Bis zur Geltenhütte ist es nicht mehr weit. Und das verbleibende Wegstück ist nicht mehr steil. Kellenberger hat den Stechlin schon vor Jahren auch Weibel zur Lektüre empfohlen. Weibel erinnert sich: «Mit Jakob konnte ich über Gott und die Welt reden. Am intensivsten haben wir uns aber über Literatur ausgetauscht.» Doch auf den Stechlin hatte er lange keine Lust. Erst auf einer Velotour nach Dresden vertiefte er sich in den Roman, «mit zunehmendem Genuss», wie er heute sagt. «Umgekehrt hat mich Benedikt auf Hans Magnus Enzensberger gebracht», erzählt Kellenberger. Der deutsche Schriftsteller hat ihm insbesondere im Werk Aussichten auf den Bürgerkrieg von 1993 aus dem Herzen gesprochen. Es beschreibe «ausserordentlich intelligent und einfühlsam» das Wesen und die Entstehung von Bürgerkriegen. Kellenberger zitiert aus dem Buch: «Im Bürgerkrieg verdampft zuletzt jede abstrakte und rational komplexe Legitimation zur Gewaltanwendung.» Enzensberger dachte dabei vor allem an den Balkan. «Die Erscheinung ist aber leider verbreiteter», sagt Kellenberger. «Zudem erfährt der aus Europa im 17. Jahrhundert verschwundene private Kriegsherr in einem Umfeld zerfallender Staats­strukturen in vielen Konfliktgebieten eine Wiederauferstehung.» Oft übernähmen wieder lokale Stammesfürsten das Ruder. Das war nicht nur im ehemaligen Jugoslawien so, sondern auch in Ruanda, im Sudan und in Afghanistan. Kellenberger stellt grimmig fest: «Die Nach­­­folgeregelung Wallensteins scheint einfacher zu sein als die Schillers.» Albrecht von Wallenstein war ein gewiefter böhmischer Feldherr und Politiker des 17. Jahrhunderts, hin- und hergerissen zwischen der Loyalität zum Kaiser und den eigenen Zielen. Im Dreissigjährigen Krieg war er zwei Mal Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee. 50

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1634 wurde er des Hochverrats verdächtigt und von kaisertreuen Offizieren umgebracht. Der deutsche Dichter Friedrich Schiller hat 1798/99 den Niedergang des machthungrigen Feldherrn in einer Trilogie literarisch umgesetzt. Im Zentrum steht die Frage, ob der gute Zweck, zum Beispiel Frieden und Freiheit, die schlechten Mittel, zum Beispiel Krieg, heiligt. Zurück zu den heutigen Kriegsherren. Kellenberger hat die Leitung des IKRK am 1. Januar 2000 in einer schwierigen Zeit übernommen. In den 1990er-Jahren, und definitiv mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001, hat sich das Bild des Kriegs stark gewandelt. Eine Folge ist die zunehmende Missachtung des humanitären Völkerrechts. Mehr und mehr asymmetrische Konflikte greifen um sich. Die Gegner, staatlicher oder nichtstaatlicher Natur, sind nicht gleich stark, sind unterschiedlich ausgerüstet, setzen unterschiedliche Mittel und Methoden ein und verfolgen unterschiedliche Ziele. In den heute zahlreicheren internen bewaffneten Konflikten ergibt sich die Asymmetrie meist schon dadurch, dass der Staat über grössere militärische Mittel verfügt als nichtstaatliche, organisierte bewaffnete Gruppen – seien es Rebellen, Terroristen, private oder öffentliche Milizen, Aufständische, Dissidenten, mafiöse Organisationen, Guerillas oder Freiheitskämpfer. Vermehrt treten noch weitere Akteure auf, wie zum Beispiel Warlords, private Kriegsherren. Oft gibt es weder klar definierte Frontverläufe noch homogene Gebiete, in denen die eine oder die andere Konfliktpartei eine umfassende Kontrolle ausübt. «Daher hat sich das Arbeitsumfeld des IKRK in den letzten Jahren stark verändert. Regellosigkeit und schwer durchschau- und kontaktierbare Konfliktparteien prägen viele dieser sogenannten neuartigen Konflikte, die meistens Bürgerkriege sind.» Ein grosses Problem sei die Anwendung des humanitären Völkerrechts, das aus der Vorstellung traditioneller Kriege mit zwei sich gegenüberstehenden staatlichen Armeen entstanden ist. Diese Kriege waren weniger asymmetrisch, sie wurden von gleichartigen Ak­­teuren, Staaten mit einem eigenen Territorium, geführt. Heute sei 51

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es schwierig, die komplexen Konfliktsituationen den Konfliktkategorien des humanitären Völkerrechts zuzuordnen. Während das bestehende Recht hauptsächlich von territorialen Nationalstaaten ausgehe, spiele die Zugehörigkeit zu einer nichtstaatlichen Gruppe, wie etwa einer Ethnie, eine zunehmend wichtige Rolle. Die Parteien, mit denen es die IKRK-Delegierten zu tun hätten, seien vermehrt nichtstaatliche Konfliktparteien. «Diese ignorieren entweder schlicht das humanitäre Völkerrecht, oder sie stellen sich auf den Standpunkt, dass sie sich durch dieses Recht nicht gebunden fühlen, da es von den alten Machthabern geschaffen und ratifiziert worden sei.» Kellenberger war dieses Thema beim IKRK von Anfang an wichtig. Im April 2001 lädt er dazu eine Reihe von Journalisten sowie Hans Mag­nus Enzensberger, der gerade sein Buch Krieger ohne Waffen über das IKRK herausgebracht hat, nach Genf ein. Im Gespräch bezeichnet der Schriftsteller den heutigen Zustand des Kriegs als «molekulare

Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger ist am 27. April 2001 zu Gast bei Jakob Kellenberger in Genf. Anlass ist eine Gesprächsrunde mit Journalisten zu Krieger ohne Waffen, seinem Buch über das IKRK.

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Barbarei». Der Anlass wird von einem tragischen aktuellen Ereignis – der Ermordung von sechs IKRK-Mitarbeitenden am Vortag im Kon­ ­go – überschattet. Kellenberger zeigt sich schockiert über die Tatsache, dass zwar für beinahe alle Kriegshandlungen Regeln bestünden, für deren Respektierung sich die meisten Staaten verpflichtet hätten, dass aber trotzdem dauernd auf brutalste Weise dagegen verstossen werde. Dennoch sei es wichtig, gerade dort anwesend zu sein, wo sich keine anderen Hilfsorganisationen mehr hinwagten. Daher habe sich das IKRK entschlossen, auch die Arbeit in Tschetschenien wieder aufzunehmen, nachdem die Organisation 1996 nach dem Massaker an sechs Mitarbeitenden das Land verlassen hatte. Um Geiselnahmen vorzubeugen, würden dort die ausländischen IKRK-Delegierten nun von einer bewaffneten Eskorte begleitet, in Abweichung vom Prinzip, dass die Rot-Kreuz-Fahne allein den nötigen Schutz gewähren soll. Kellenberger rechnet damit, dass nichtstaatliche Konfliktparteien noch an Bedeutung zunehmen werden, wie er in seinem Aufsatz Reden und Schweigen in der humanitären Tätigkeit darlegt. Als Hauptgründe nennt er die sinkende Bereitschaft der Menschen, den Gesetzen eines Staats zu gehorchen und Autoritäten zu akzeptieren, den abnehmenden oder gar fehlenden Willen zum Gewaltverzicht sowie die Zer­ falls­erscheinungen sogenannter unnatürlicher Staaten und den Zerfall von Staatlichkeit überhaupt. Ferner macht er Verteilkämpfe mitverantwortlich, insbesondere Zugangskämpfe zu Energieträgern, Wasser und anderen vitalen Rohstoffen. Schliesslich verweist er auf Identitätskonflikte, «die in einem Umfeld wirtschaftlich-sozialen Elends, zerfallender Staatsstrukturen und tatsächlicher oder vermeintlicher Diskriminierung einzelner Volksgruppen besonders gedeihen». Hier ist er wieder, der «Typ» aus dem 19. Jahrhundert, der das 22. Jahrhundert vorwegnehmen möchte. Trotz – oder gerade wegen – all dieser Umwäl­ zungen legt Kellenberger Wert auf Realitätssinn: «Das IKRK ist auch eine Organisation, die sich darum bemüht, die übernommene Verantwortung in ein vernünftiges Verhältnis zu den eigenen Handlungsmög­ 53

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lichkeiten zu setzen. Es möchte – in Abwandlung eines Enzensberger-­ Satzes – nicht durch an sich selbst und andere gerichtete moralische Forderungen, welche in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten stehen, zum Streik der Geforderten beitragen.» So sehr er Enzensberger schätzt, unter den zeitgenössischen Philosophen setzt er sich lieber mit Sloterdijk auseinander, «der hervorragend und sehr originell schreibt, fast eine Nietzsche’sche Sprachgewalt hat. Man kann im Einzelnen mit ihm einverstanden sein oder auch nicht, aber er ist ein sehr scharfsinniger Denker, bei dem ich auch sagen würde, dass er das Ahnungsvermögen eines Dichters hat. Er wirkt oft kühl, aber er ist es eigentlich nicht. Ich habe mir gerade kürzlich einen typischen Satz von ihm herausgeschrieben, aus seinem Buch Zeilen und Tage, eine Art Notizbuch: ‹Was man Denkverbot nennt, ist meistens ein Deutlichkeitsverbot. Man möchte die Dinge wieder in die gewohnte Trübheit tauchen.› Solche Sätze sprechen mich tief an.» Philosophie und Literatur sind für Kellenberger also ein riesiger Schatz an Erfahrungen, auf den er zurückgreifen kann. Literatur sei – anders als etwa Religion – «ein Bündel von Orientierungshilfen». Die Philosophie tendiere dagegen manchmal etwas zum Rechthaberischen. «Literatur ist noch etwas lebensnäher als Philosophie, etwas ahnungs­voller, verfasst von Menschen grosser Qualität – jedenfalls geistig-intellektueller – und sehr wertvoll für Menschen, die sich wei­ ter­entwickeln wollen.» Er ist überzeugt, dass Sensibilität durch Lite­ra­ tur gefördert wird. «Ich will nicht idealisieren, aber grosse Schriftsteller und Dichter waren mit unglaublichem Feingefühl und Ahnungsvermögen ausgestattet. Ahnungsvermögen für das, was wichtig ist, und für das, was kommen könnte. Für mich ist Literatur eine Schule für nuancierte Empfindungsfähigkeit. Auch um zu lernen, dass es im Leben ganz unterschiedliche Perspektiven gibt. Und eine Einladung, alle ernst zu nehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Das ist für mich sehr wichtig.» Völlig durchnässt erreichen wir die Geltenhütte. Wolken und Nebel 54

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versagen uns die Aussicht auf umliegende Gipfel und das Tal. Dafür schmeckt das warme Essen umso besser. Der Hüttenwart entpuppt sich zur Freude von SBB-Chef Weibel als Lokomotivführer. Was Weibel auch bis heute in Erinnerung geblieben ist: «Wir mussten hinaus vor die Hütte gehen, in die kalte Nacht, damit Jakob seine geliebte Pfeife rauchen konnte. Da hat er erzählt, wie oft diese Pfeife sein ein­ ziger Halt war, wenn er etwa irgendwo im kolumbianischen Urwald mit den Farc-Rebellen zu verhandeln hatte.» Was Kellenberger unterwegs auch immer Halt gibt, ist ein kleines schwarzes Büchlein, das er mit seinen Lieblingsgedichten vollgekritzelt hat, aber auch mit Auszügen aus Goethes Faust und Schillers Wal­ lenstein. Er hat das Büchlein immer dabei. «Ich komme manchmal in sehr unwirtliche Gegenden und sehe nicht nur Schönes. Dann tut das gut. Die Gedichte helfen mir, mich zu sammeln, mich auf Wesentliches zu besinnen, mich einer anderen Logik als der Alltagslogik hinzugeben.» Er liest sie immer wieder, obwohl er sie längst auswendig kann. Er will sie aber vor sich haben. «Um ja keinen Fehler zu machen – etwa mit dem falschen Vers zu beginnen – oder zu riskieren, dass ein Ad­ jektiv herausfällt – dann würde plötzlich alles nicht mehr stimmen.» Mit Lyrik entflieht Kellenberger vorübergehend der brutalen Realität: «Wenn ich sie lese, kehre ich in eine andere Welt ein, in ein eigenes Haus, ins Haus meiner Gedichte. Es ist wohltuend, wie eine Rückkehr, es sind aussagekräftige Gedanken darin, die mir etwas bedeuten, und sie sind schön formuliert, sie sind gehaltvoll und haben nichts Konjunkturelles.» In den Gedichten findet er in kompakter Form so etwas wie eine ewige Wahrheit, ewig gültige Gefühle und Aussagen. Mitten in einem Kriegsgebiet ist es «ein Zurückkommen auf eine andere Welt von Dingen, die mir sehr wesentlich und wenig veränderbar scheinen». Einige Gedichte sind in der Sammlung, weil sie Kellenberger an etwas erinnern, darunter auch spanische und französische Verse, mit denen er sich seit seinen Studien in Granada und Tours verbunden fühlt. Manche Gedichte vermitteln ihm Geborgenheit, etwa Eduard 55

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Mörikes Auf eine Lampe von 1846, in dem der klassizistische Dichter einer längst vergessenen, wunderschönen Deckenlampe in einem Schlafzimmer huldigt, stellvertretend für das oft unbeachtete Kunstvolle auf der Welt. Andere Lyriker mag Kellenberger wegen tragischer Aspekte, so Federico García Lorca, «den Mahner», der 1936 zu Beginn des spanischen Bürgerkriegs von Putschisten ermordet wurde. Kellenberger greift nicht nur im Feld, sondern auch im Flugzeug gern zu seinem Gedichtband, wenn er nicht gerade arbeitet. Denn schlafen kann er auf den Flügen nicht, und er ist nicht ein Mensch, der Filme anschaut oder Magazine liest. Auch Musik hört er nicht, aber eher, weil er sich nicht mit der «komplizierten Technik» herumschlagen will. «Ab und zu schaue ich mir dann ein Gedicht an, oft primär nicht einmal, um es zu lesen, sondern um zu prüfen, ob ich es noch richtig auswendig kann.» Es ist spät geworden in der Geltenhütte. Wir beziehen das Massenlager, das wir allerdings mit niemand anderem teilen müssen. Weibel hat Ohrenstöpsel dabei, zum Schutz vor Schnarchern. Kellenberger und ich leider nicht. Der Sonntagmorgen begrüsst uns mit Nieselregen. Lagebesprechung beim Frühstück. Die Wetteraussichten sind durchzogen. Dennoch wollen wir wie geplant weiter auf das 2378 Meter hohe Iffighorn, um die Bergwanderung am Abend an der Lenk im Simmental abzuschliessen. Die Kleider konnten über Nacht trocknen, nur die Schuhe sind immer noch feucht. Gleich oberhalb der Hütte beginnt der Bergpfad wieder zu steigen. Wir sind noch keine Stunde unterwegs, als erneut starker Regen einsetzt. Schnell sind wir uns einig, nun doch auf dem kürzesten Weg ins Tal zurückzukehren. Die Wetterentwicklung gibt uns recht, der Regen hört nicht mehr auf. Wiederum völlig durchnässt erreichen wir am Nachmittag Lauenen, wo wir das Postauto zurück nach Gstaad nehmen. «Eigentlich hätten wir doch gestern Abend einen Jass klopfen können, das hätte ich fürs Leben gern gemacht», sagt Kellenberger. «Ich doch auch! Warum hast du nichts 56

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gesagt?», entgegnet Weibel. Ein denkwürdiges Wochenende geht zu Ende. Vielleicht blieb das Ziel des Bergführerverbands, Einblicke in den alpinen Lebensraum mit seinen besonderen Herausforderungen zu gewähren, etwas auf der Strecke. Über besondere Herausforderungen konnte ich mich allerdings nicht beklagen, auch wenn sie – genauso wie die Einblicke – ganz anderer Natur waren.

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Im FlĂźchtlingslager Gereida im Darfur, Sudan: Jakob Kellenberger hĂśrt sich am 18. Februar 2007 die Sorgen von Scheichs an, die hier das Sagen haben.

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Die Brücke über den Litani im Südlibanon ist zerstört, die Strasse von Beirut in die Stadt Tyre unterbrochen. Am 8. August 2006 balanciert Jakob Kellenberger auf einem Baumstamm über den Fluss – mit zwei Sechserpacks Mineralwasser in den Händen.

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In der Anfangsphase des Bürgerkriegs in Syrien, am 5. September 2011, spricht Jakob Kellenberger in Damaskus mit Präsident Bashar al-Assad. «Es ist nicht einfach, mit solchen Leuten umzugehen.»

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Die wichtigsten Schauplätze des Buchs

Jakob Kellenberger war als Staatssekretär und IKRK-Präsident viel unter­wegs. Die Karte zeigt die wichtigsten Schauplätze, die im Buch vorkommen. Darüber hinaus bereiste Kellenberger – abgesehen von vielen EU- und EFTA-­Staaten – unter anderem auch China, Indien, Japan, Kolumbien, Angola, Senegal, Eritrea und Uganda, zudem die ehemaligen Sowjet-Repu­ bliken Armenien, Aserbaidschan, Georgien und Kirgistan sowie BosnienHerzegowina und Mazedonien im ehemaligen Jugoslawien.

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Publikationen (Auswahl) «2291», in: Schweiz 2291, Weber Verlag, Thun 2018 «Friede ist nicht selbstverständlich», in: Obacht Kultur No. 30, 2018/1, Amt für Kultur, AR «Der EWR-Beitritt ist vor 25 Jahren gescheitert». Christoph Blocher und Jakob Kellenberger über die Folgen, Interview, NZZ, 6. 12. 2017 «Europäische Wirrnisse», NZZ, Meinung und Debatte, 8. 2. 2016 «Prioritäten im Verhältnis zur EU», NZZ, Meinung und Debatte, 13. 10. 2014 «Mit Unsicherheit leben lernen», NZZ, Meinung und Debatte, 19. 2. 2014 ­ ürcher Wo liegt die Schweiz? Gedanken zum Verhältnis CH-EU, Verlag Neue Z Zeitung, Zürich 2014 «The Role of the International Committee of the Red Cross», in: The Oxford Handbook of International Law in Armed Conflict, Oxford 2014, S. 20–34 «Confronting Complexity through Law: The Case for Reason, Vision and Humanity», in: American University International Law Review, ­Vol. 28, No. 2, Washington 2012, S. 355–371 «What are the future challenges for humanitarian action? Discussion with Dr. K. Georgieva, Member of the EU-Commission», in: International Re­ view of the Red Cross (IRRC), Vol. 93, No. 884, Dezember 2011, S. 899–913 Humanitäres Völkerrecht, Verlag Huber, Frauenfeld/Stuttgart/Wien 2010 «Eine Zukunft für die Allgemeinbildung», in: Gymnasium Helveticum Nr. 5/10, Bern 2010, S. 9–16 «Politicisation of humanitarian work?», in: The Humanitarian Response Index 2010, The problems of Politicisation, DARA, Madrid 2010 «The ICRC’s response to internal displacement: strengths, challenges and con­straints», in: IRRC, September 2009, Vol. 91, No. 875, S. 475–490 219

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«Verantwortung in einer solidarischen Weltgemeinschaft». Frank-Walter Steinmeier und Jakob Kellenberger im Gespräch, in: Mensch, wo bist Du? 32. Deutscher Evangelischer Kirchentag Bremen 2009. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2009 «Gespräch mit Hans Magnus Enzensberger (Die Lügner des Guten)», in: Robert Dempfer. Das Rote Kreuz. Von Helden im Rampenlicht und diskreten Helfern, Deuticke, Wien 2009, S. 204–222 «Europa um uns – Europa in uns», in: 60 Jahre Churchill-Rede in Zürich – Europa in der Globalisierung, Europa-Institut Zürich Band 82, Schulthess Juristische Medien AG, Zürich-Basel-Genf 2007 Der Einzelne und gesellschaftliche Ordnungen, Verlag der Liechtensteinischen Akademischen Gesellschaft, Schaan 2006 Jakob Kellenberger: Diplomat und IKRK-Präsident, im Gespräch mit Hansjörg Erny, Zytglogge Verlag, Bern 2006 Speaking out or remaining silent in humanitarian work, IRRC, Vol. 86, No. 855, September 2004 «Der politische und wirtschaftliche Stellenwert der sieben bilateralen sektoriellen Abkommen», in: Bilaterale Abkommen Schweiz-EU, Helbing & Lichtenhahn, Basel 2001, S. 3–12 «Platz und Rolle der Schweiz in Europa», in: Festschrift zum 60. Geburtstag von Bundesrat Arnold Koller, Verlag Paul Haupt, Bern 1993, S. 707–728 «EWR-Abkommen und schweizerische Aussenpolitik», in: EWR-Abkommen, Schulthess Polygraphischer Verlag, Zürich 1992, S. 27–33 «Bilan de la mise en place de la grande zone de libre-échange (1984–1988)», in: L’avenir du libre-échange en Europe: vers un Espace Economique européen, Schulthess Polygraphischer Verlag, Zürich 1990, S. 79–96 «Schlussbemerkungen», in: Die Europaverträglichkeit des Schweizerischen Rechts, hrsg. von Dietrich Schindler, Gerard Hertig, Jakob Kellenberger, Daniel Thürer, Roger Zäch, Schulthess Polygraphischer Verlag, Zürich 1990, S. 667–681 Calderón de la Barca und das Komische unter Berücksichtigung der ernsten Schauspiele, Europäische Hochschulschriften (Dissertation). Herbert Lang Bern, Peter Lang Frankfurt/M. 1975

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Bildnachweis Die Ziffern beziehen sich auf die Seitenzahlen. 25, 52, 61, 68, 95, 98 oben u. unten, 112, 117, 120/21, 122, 124, 174, 176/77, 178, 179, 203: © IKRK 48: René Sollberger 60: KEYSTONE/EPA/Susan Sterner 64 oben: KEYSTONE/EPA AFPI/Awad Awad 64 unten: KEYSTONE/AP/Anja Niedringhaus 79: © Pete Souza 85: KEYSTONE/Eddy Risch 97: ©Europäische Union 137: KEYSTONE/Karl-Heinz Hug 143: KEYSTONE/Rolf Schertenleib 163: KEYSTONE/Lukas Lehmann 172: KEYSTONE/AP/Vadim Ghirda 190/91: KEYSTONE/SANA 198: KEYSTONE/EPA/Anatoly Maltsev 202: KEYSTONE/Edi Engeler 213: KEYSTONE/Alessandro della Valle Umschlagfoto: KEYSTONE/Salvatore di Nolfi

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Dank Allen voran möchte ich Jakob Kellenberger und Elisabeth Kellenberger-Jossi für deren Geduld, Offenheit und Gastfreundschaft sowie für die guten Gespräche herzlich danken. Beide haben sich über mehrere Jahre immer wieder mit der Entstehung dieses Buchs auseinandergesetzt. Jakob Kellenberger ist bei der Lektüre des Textentwurfs grosszügig über seinen Schatten gesprungen und hat meist nur präzisierend eingegriffen, nicht aber Zensur geübt. Ohne den Input der alt Bundesräte Arnold Koller, Adolf Ogi und Moritz Leuenberger sowie des früheren SBB-Chefs Benedikt Weibel würde im Buch etwas fehlen. Auch ihnen sei gedankt, ebenso wie allen anderen, die etwas beigesteuert haben. Dank gebührt letztlich meinem persönlichen Umfeld. Immer wieder mussten Freunde, Bekannte und Familienmitglieder ungefragt meine Erzählungen und Episoden zum Buch anhören – ganz besonders meine Frau, Pilar Wolfsteller, die mich immer unterstützt und beraten hat. Nicht vergessen werden darf das Team von NZZ Libro, angefangen mit dem ehemaligen, langjährigen Verlagsleiter Hans-Peter Thür und dessen Nachfolger Urs Hofmann. Beide waren vom Projekt von Anfang an überzeugt. Vielen Dank auch an Katharina Blarer (Projekt­ leitung), Corinne Hügli (Lektorat), Sandro Malär (Korrektorat) und Gaby Michel (Gestaltung, Satz).

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© Martin Heimann, Arlesheim

Der Autor René Sollberger (* 1957) ist in Lengnau bei Biel aufgewachsen und hat an der Universität Bern Physik und Mathematik studiert. Nach zehn Jahren Lehrtätigkeit am Gymnasium folgte er seiner Berufung als Journalist und spezialisierte sich im Lauf der Zeit auf Wirtschafts­themen. Die wichtigsten Stationen waren: Berner Zeitung, Associa­ted Press, Cash, Basler Zeitung und Handelszeitung. Heute lebt er als Publizist in der Gegend von San Francisco und arbeitet regelmässig für Schweizer Medien.

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Jakob Kellenberger. Zwischen Macht und Ohnmacht

René Sollberger

Auf Augenhöhe mit den Mächtigsten der Welt «Ein Wort ist wie eine Mine, die explodieren kann», sagt Jakob Kellen­berger. Er weiss: Sprache ist Macht, und der Umgang mit Macht – und Ohnmacht – gehört zum Kern des Diplomatenhandwerks. René Sollberger zeichnet Kellen­ bergers Weg zu Brennpunkten des Weltgeschehens in Afghanistan, Israel, im Sudan und Irak nach. Er erlebt ihn auf einer Bergtour und besucht ihn in sei­ nem Refugium in den Waadtländer Alpen. Kellenberger spricht so offen wie noch nie über seinen langjährigen Einsatz als Präsident des IKRK und die Pro­ bleme, die er auf seinen vielen Reisen angetroffen hat. Er gewährt dem Autor Einblick in seine Tagebücher, in denen er Verhandlungen mit Kriegs­herren und Regenten reflektiert und mit Selbstzweifeln ringt. Das Buch schildert zudem, weshalb Kellenberger die Schweiz gerne «als Architektin» in der EU gesehen hätte, als er in den 1990er-Jahren in der Rolle des Staatssekretärs die bilateralen Verträge verhandelte.

René Sollberger

Jakob Kellenberger

Zwischen Macht und Ohnmacht Annäherung an einen Diplomaten

ISBN 978-3-03810-440-7

www.nzz-libro.ch

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NZZ Libro

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