Hans Peter Treichler: Schwesternwelten.

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Die «Löwenbraut»-Saga: Der Kreis schliesst sich Mit Schwesternwelten findet die monumentale Familienchronik, die mit dem Band Die Löwenbraut begann, ihren Abschluss. Das vorlie­ gende Buch folgt den Lebens­spuren von vier jungen Frauen durch das erste Drittel des 20. Jahrhunderts. Anhand zahlreicher hinter­ lassener Briefe zeichnet der Historiker Hans Peter Treichler die Schicksale von Paula, Frieda, Milly und ihrer älteren Schwester, der «Löwen­braut» ­Susanne Meisser, nach. Dabei legt er ein faszinieren­ des Beziehungsgeflecht frei: Liebe und Abneigung, Anteilnahme und Ablehnung, Wohlwollen und Eifersucht prägen das Verhältnis zwi­ schen den Schwestern. Letztlich obsiegt aber die Solidarität einer Generation, die den Schritt aus der Churer Kleinstadtenge wagt und zwei der Schwestern bis in die Pionierwelt der kanadischen Wälder führt. Schwesternwelten lässt sich als Teil der Trilogie oder als eigenstän­ diges Werk lesen.

Hans Peter Treichler

Hans Peter Treichler, geboren 1941, Dr. phil., Kultur- und Alltagshistoriker für Radio, Fernsehen und die Schweizer Nationalmuseen. Von ihm stammen zahlreiche historische Sachbücher, Hörspiele und Fernsehbeiträge. Er ist ein vielseitiger Vermittler von sozialund kulturgeschichtlichen Themen und Verfasser zahlreicher Publikationen, u. a. Die Löwenbraut (6. Auflage 2009) und Ein Seidenhändler in New York (2010).

Schwesternwelten

Hans Peter Treichler

Schwesternwelten

Spuren und Schicksale auf zwei Kontinenten

«Die tausend und mehr Briefe im Nach­ lass von Susi Streuli, die Aberhunderte von Postkarten an sie, die Telegramme, Todesanzeigen, Verlobungskarten und Geburtsmeldungen, die Souvenirs in Form von Menükarten, Konzertpro­ grammen, Diplomen, alten Reisepässen und Arbeitszeugnissen … Briefe adres­ siert an Hotels in der Westschweiz, an Arbeitgeber in England, an Grand­ hotels in Ägypten, Paris und Rom; Briefe aus Valparaíso, Philadelphia, Florenz und Granite Falls, frankiert mit fremden Poststempeln, bunten Marken: Sie ­landeten auf wundersame Weise wie­ der zu Hause in Chur, überstanden auch den Umzug ins neue Heim nach Bern, dann die Übersiedlung nach Horgen.» Aus einer überquellenden Fülle unver­ öffentlichter Dokumente erarbeitet Hans Peter Treichler die Chronik zweier ungleicher Familien: ein faszinierender Einblick in die Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts. Schwesternwelten verfolgt mittels ineinander montierter Lebensläufe die Schicksale vier junger Frauen, die einander in Freude und Schmerz, Entfremdung und Wieder­ annäherung verbunden bleiben.

Umschlagbild: Die fünf ältesten Geschwister der Familie Meisser in einem Churer Fotostudio (Foto 1886). Neben Susanne, der «Löwenbraut», ihr Bruder Leon, vorne (von links) ihre Schwestern Frieda, Milly und Paula. (Archiv Schulthess, Horgen)

ISBN 978-3-03810-200-7 ISBN 978-3-03810-200-7

9 783038 102007

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© 2016 Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich Lektorat: Ingrid Kunz Graf, Schaffhausen Umschlag: GYSIN | Konzept + Gestaltung, Chur Gestaltung, Satz: Claudia Wild, Konstanz Bildbearbeitung: Fotosatz Amann, Memmingen Druck, Einband: Kösel GmbH, Altusried-Krugzell Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN 978-3-03810-200-7 www.nzz-libro.ch NZZ Libro ist ein Imprint der Neuen Zürcher Zeitung


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I nha l t Chur 1908  Paula 1898–1900  Frieda 1899–1902  Frieda, Paula, Milly 1900–1904  Frieda, Paula 1904 –1907  Frieda 1907–1908  Paula 1908–1910  Milly 1908–1910  Frieda 1908–1912  Paula 1910–1913  Paula, Frieda 1913–1915  Susi, Milly 1914  Paula 1914 –1915  Paula, Frieda 1914 –1917  Susi 1915–1916  Paula 1915–1925  Paula, Frieda 1926–1928  Paula 1928–1929  Epilog  Nachwort  Anhang

7 15 45 59 79 103 111 147 169 177 187 197 207 221 241 249 261 293 307 319 321


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Abb. 2, 3: Werbeplakat für das um die Jahrhundertwende eröffnete Hotel Steinbock in Chur. Im verschwenderisch ausgestatteten Speisesaal feierte Susanne Meisser im Januar 1908 ihre Hochzeit mit dem Fabrikantensohn Emil Streuli.


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Chur 1 9 08 Die Hochzeitsfeier im noblen neuen Hotel Steinbock am Churer Bahnhofplatz gab viel zu reden, war das Stadtgespräch in diesem Januar 1908. Paula, die nächstjüngere Schwester der Braut, amüsierte sich: «Papa kommt oft mit den lustigsten Geschichten nach Hause.» Churerinnen und Churer erinnerten sich gegenseitig daran, die Verlobungszeit des Brautpaars Streuli-Meisser habe ein Halbdutzend Jahre und länger gedauert, mit inbegriffen viele Monate, in denen die Liebenden auf Anordnung beider Elternpaare auf jedes Treffen, selbst auf den Austausch von Briefen verzichtet hatten, verzichten mussten. Von Enterbung sei die Rede gewesen, was natürlich den Bräutigam betraf. Der Sohn eines schwerreichen Seidenfabrikanten aus Horgen hatte in Leipzig seinen Doktor der Juris­ prudenz gemacht. Wie es hiess, sollte er dereinst die Leitung der elterlichen Firma übernehmen, mit ihren gut tausend Arbeitern; ein Fabrikbetrieb lag im Zürichseedorf, eine weitere Fabrik im deutschen Rheinfelden. Aber dieser Emil Streuli junior hatte sich, als junger Student durchs Engadin wandernd, im Zuozer Hotel Concordia in eine Angestellte verliebt, hatte die schöne Churerin auch in den folgenden Jahren nicht aus den Augen gelassen, trotz wachsender Alarmstimmung in der Familie des Fabrikanten. Ja, auch hier wusste die Churer Fama Bescheid: dass die Horgener Eltern den undankbaren Sprössling zum Studium nach Leipzig beorderten, um möglichst viele Meilen zwischen ihn und Susanne Meisser, wie diese … Wäschemamsell hiess, zu legen. Als auch dies nichts fruchtete, habe der Seidenherr gar versucht, die so wenig willkommene Geliebte mit einem grösseren Geldbetrag zum Verzicht zu bewegen; über die Höhe der Summe kursierten wilde Gerüchte. Natürlich lehnte Susanne entrüstet ab, worauf das Ultimatum mit der Enterbung folgte: Zwei Jahre müsse jeder, aber auch jeder Verkehr zwischen den beiden unterbleiben, bevor ernsthaft über eine Verbindung diskutiert werde. Nur dass auch diese Frist hinfällig wurde, als der junge Emil Streuli, kurz vor Weihnachten 1906, in einem Pariser Hotel einen schweren Blutsturz erlitt. Susanne Meisser


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stieg nach Eintreffen der Nachricht in den nächsten Zug nach Paris, liess sich im Fünfsternehotel Burgundy in einem Nebenzimmer nieder und half aufopfernd bei der Pflege des Geliebten mit, bis dieser, begleitet von Arzt und Pfleger, die Rückreise antreten konnte. Das Fait accompli war geschaffen; wenige Wochen später gingen aus Horgen und Chur die Verlobungsanzeigen in alle Welt. Denn zur Erleichterung aller Beteiligten hatte sich der Blutsturz als vereinzeltes Symptom erwiesen, zeigte der Zürcher Labortest keine Spur der gefürchteten Tuberkelbazillen.

Diese bewegende und bewegte Geschichte schien geradezu einem Fortsetzungsroman in der damals so populären Zeitschrift Gartenlaube entnommen; auch heute noch würde sie als Plot für einen von Rosamunde Pilchers blumigen Liebesromanen taugen. Die Churerinnen und Churer hätten da viele bunte Details beizusteuern gewusst – beispielsweise, dass die Braut als eine der schönsten Churerinnen ihrer Zeit galt, aber gut fünf Jahre älter war als der Bräutigam. Zudem stammte Susanne Meisser aus einfachen Verhältnissen, hatte sich gleich nach der Volksschule als Dienstmädchen verdingt, darauf allerdings in der Hotelbranche eine Stufe nach der anderen erklommen. Zur Zeit der ersten Begegnung mit Emil, als 24-Jährige, wirkte sie im Concordia bereits als rechte Hand des Direktors. Also alles andere als die Wäschemamsell, die man in Horgen in ihr sehen wollte, vielmehr eine zielbewusste junge Frau, die fliessend englisch und französisch sprach und sich nach mehreren Wintersaisons in den Nobelhotels Ägyptens auch auf Arabisch zu verständigen wusste. Von Beginn weg hatte Susanne so viel wie möglich von ihrem Salär abgezweigt und nach Chur geschickt. Hier schlugen sich Archivar Simon Meisser und Gattin Pauline mehr schlecht als recht durch. Auf die 1875 geborene Susanne waren sieben weitere Geschwister gefolgt, unter ihnen fünf Mädchen. Und für die galt als Mindestanforderung einer bürgerlichen Erziehung der Welschlandaufenthalt: ein Jahr in einer Pension der Westschweiz, mit täglichem Französischunterricht und ergänzenden Lektionen im Nähen und allgemeiner Haushaltskunde. Wenn Paula, Frieda und die


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Jüngeren alle ihr Jahr in Neuenburg hinter sich brachten, so nur dank der Beiträge von Susanne und Leon, dem Zweitältesten. So wie die Schwester stieg auch Leon gleich nach Schulabschluss in der Hotelbranche ein, als Liftboy und Kellergehilfe; so wie Susanne erkletterte er eine Stufe nach der anderen, vom Etagenkellner zum Empfangschef zum Direktor.

Davon später – zurück nach Chur und zum 21. Januar, zurück zur Hochzeitsfeier im Steinbock, dem nobelsten Hotel der Stadt, das vor sieben Jahren mit dem modernsten Komfort eröffnet worden war, mit Aufzügen für Personen und Waren, einem Vestibül mit schweren Orientteppichen, Topfpalmen und samtbezogenen tiefen Polstersesseln und -sofas. Dass die Feier im anstossenden Grossen Saal manchen jungen Herren unter den Gästen besonders in Erinnerung blieb, hatte mit der Ausstattung aber wenig zu tun. Zum ersten Mal seit Jahren versammelte sie alle Töchter der Familie Meisser, sechs junge Frauen, von der 19-jährigen Elsy bis zu Susanne, der Anfangsdreissigerin. Glaubte man den jungen Herren, so war den Meisser-Mädchen allesamt dieses gewisse Etwas eigen, eine speziell Meisser’sche Töchteranmut. Sie zeigte sich in Ausdruck und Bewegung, in einer Art forscher Gelassenheit, unübersehbar selbst in den steifen Atelierfotos der frühen Jahre. Und hübsch waren sie, einige unter ihnen ausnehmend hübsch. Von der stattlichen Susi sollte einige Zeit später sogar der ehrwürdige Zürcher Bundesrat Ludwig Forrer schwärmen: «E schöni Frau!» Und Paula, die Nächstjüngere, war nach Ansicht einer englischen Gouvernanten-Kollegin «much too good-looking to run around alone». Und Frieda hatte, wie noch zu zeigen sein wird, dem jungen Sägerei-Erben Roy Morton auf den ersten Blick den Kopf verdreht, ohne irgendwelches eigenes Dazutun, wie sie selbst versicherte …

Nun ja, die drei Ältesten waren nach damaligen Begriffen «vergeben», mochten sich die jungen Herren sagen. Aber da sassen am Tisch des viel beneideten Vetters Peter Mettler, «wie Maikäfer um ihn herum», die drei jüngeren Schwestern Meisser, «da ging’s natürlich hoch zu und her», wie


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Paula im Brief an das schon früh abgereiste Hochzeitspaar berichtete. «Es wurde getanzt, um die Stühle gesprungen», dies zu den Klängen des Kurorchesters Rhätia unter Kapellmeister Schleidt, zu Waldteufels Walzer «Unterm Regenbogen», zur «Diplomaten-Polka» von Johann Strauss und Ziehrers immer gern gehörtem Galopp «Folle jeunesse». Wilma und Milly kamen kaum je zu einer Atempause, nur Elsy musste sich damit begnügen, den Takt mitzuklopfen; die Jüngste hatte sich im Dezember das Bein gebrochen und sass mit ihrem Gipsverband als Zuschauerin am Tisch. Auf der Kapelle Schleidt mit ihren sechs Musikern im Frack hatte übrigens der Bräutigamvater bestanden, der überdies trotz Sträuben des Archivars auch für den Blumenschmuck in der Kirche aufkam. Oh ja, die Horgener Vertretung schien sich hier durchaus wohlzufühlen, allen voran Seidenfabrikant Emil Streuli selbst, der hie und da ein Tänzchen wagte. Er teilte den Tisch mit den Eltern Meisser und seiner ältesten Tochter Alice sowie Schwiegersohn Cäsar Stünzi. So fiel etwas weniger auf, dass hier eindeutig eine Person fehlte: Mina Streuli, die Mutter des jungen Herrn Doktor. Von Unpässlichkeit der Fabrikantengattin war die Rede, daran mochte man gern glauben im Saal, obwohl sich der Gedanke nicht ganz verdrängen liess, dass die Frau Direktor sich am hartnäckigsten gegen Verlobung und Heirat gesträubt hatte. «Um elf Uhr sandten wir die Musikanten weg und setzten uns zu einem Schwatz ins Vestibül», heisst es weiter in Paulas Brief. «Papa und Hr. Streuli blieben aber noch lange im Saal sitzen», offensichtlich hatten die beiden Väter einige Gemeinsamkeiten gefunden, nicht zuletzt die Vorliebe für eine gute Zigarre und ein Glas Veltliner. Pfarrer Benedikt Hartmann, der die kirchliche Trauung vollzogen hatte, gesellte sich für eine Weile hinzu, auch er in bester Laune: «Pfarrer Hartmann hat scheint’s gesagt, diese Hochzeit wäre ihm eine Erholung gewesen. Es hätte ihn überhaupt sehr gefreut, da er Dich gekannt.» Um Mitternacht dann doch allgemeiner Aufbruch; nur ein kurzer Weg für die zwölf Gäste aus Horgen und Zürich, die allesamt im Steinbock reserviert hatten («140 Logirzimmer mit electrischer Beleuchtung, elec-


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trischer Aufzug»). Aber als sich das Jungvolk endlich aus den Samtpolstern des Vestibüls erhob, hatte auch die letzte Mietdroschke den Bahnhofvorplatz verlassen. Für Elsy mit ihrem Gipsbein wurde in aller Eile ein Schlitten organisiert; unter viel Gelächter zogen sie die Geschwister nach Hause. Man war sich einig: Die Millionäre aus Horgen hatten sich ausnehmend freundlich gezeigt, keine Spur von Herablassung. Besonders gefallen hatte Fabrikant Streuli selbst: «Er hat Wilma und Milly mehrere Male eingeladen, nächsten Sommer mit ihm nach Flims zu kommen. Er war überhaupt sehr, sehr nett.» Soweit Paula in ihrem Brief an Schwester Susi. Die frischgebackenen Eheleute, wie erwähnt, hatten sich gleich nach dem Hochzeitsmahl zu­­ rückgezogen, ohne grosses Aufsehen. Kurz vor dem Termin hatte der junge Herr Doktor eine Nervenkrise ausgestanden, sich dann aber aufgerappelt und die vielen Trinksprüche der Hochzeitstafel entgegengenommen, immer nur am Weinglas nippend. Vorsorglich hatte Mutter Mina Streuli noch gewarnt: «Das schlimmste ist das Weintrinken, denn Emil, welcher das ganze Jahr hindurch nur Wasser trinkt, kann nicht Alcohol zu sich nehmen, ohne dass er schlimme Folgen davon hätte.» In Caux, wo die Hochzeitsreise hinführte, drohte diese Gefahr kaum: Für die Flitterwochen hatten Susi und Emil im neu eröffneten, nach strengen Regeln geführten Kurhotel hoch über dem Genfersee Zimmer reserviert. Am nächsten Morgen dann grosse Verabschiedung am Bahnhof mit Paula und Frieda als Abordnung für die Churer. Erneut zeigte sich Direktor Streuli von der leutseligsten Seite, liess die Eltern Meisser «freundlichst grüssen», hatte übrigens an der Rezeption noch die Rechnung für das Hochzeitsmahl beglichen (1565 Franken für 36 Gäste, mit inbegriffen 65 Flaschen Wein). Anschliessend schauen die Schwestern nochmals im Steinbock hinein: «Wir haben grad schnell Deine Sachen, Brautkleid und Frackanzug verpackt.» Das Paket ging gleichentags per Post ab. Später stellte sich allerdings heraus, dass einer von Susis Schuhen fehlte. Hatte sie ihn, ganz wie Aschenputtel, beim hastigen Aufbruch auf der Hotel­ treppe verloren?


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Abb. 10: «Our ranch» in British Columbia. Ein Prospekt der Handelskammer ­N elson zeigt die Obstfarm von Paula und Christian Gansner mit Haupthaus und Nebengebäuden; im Hintergrund der Kootenay River mit der Taghum Bridge. Hier traf Paula im März 1908 ein.


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Pa ul a 1 908–1910 Die grossen Reedereien der Jahrhundertwende gaben ganze Serien von Ansichtskarten heraus, die ihre neuesten Überseedampfer zeigten – als Schwarz-Weiss-Foto von der Ausfahrt aus dem Hafen, im Vordergrund ein winziges Lotsenboot, oder als stimmungsvolles Aquarell: der Steamer auf hoher See, im Hintergrund die sinkende Sonne. Und so wie bei den heutigen Bewunderern der grossen Airliners, der Jumbojets und Airbusse, gab es auch hier Zehntausende Sammler in aller Welt, die sich jede neue Ansicht besorgten, gewissenhaft Buch führten über jede Neuerung. Über ihre Alben gebeugt, hielten sie Motorenstärke und Passagierzahlen fest, die Anzahl der Schornsteine und der Schrauben, natürlich auch die Reisegeschwindigkeit. Wie viele Knoten schafften die neuartigen Expansionsdampfmaschinen, wie lange dauerte die Überfahrt von Kontinent zu Kontinent, beispielsweise bei den neuen Steamern der Canadian Pacific Line, die, ihrem Namen zum Trotz, den Nordatlantik befuhr? Auch Emanuel, das Nesthäkchen der Meisser-Familie, trug seit 1906, seit der Reise nach Valparaíso, ein Album mit Bildern der Oceanliners mit herum. Auf der gemütlichen MS Ortega, unterwegs nach Buenos Aires, während der langen Tage auf dem Südatlantik, hatte er seinen Steamer von Bug bis Heck inspiziert, wusste Bescheid über die neuesten Ozeanriesen. 18, ja 19 Knoten schafften jetzt die ganz Grossen, das ergab … einiges über 35 Kilometer pro Stunde oder, auf den Tag hochgerechnet, volle 850 Kilometer. Müsste da die Nordatlantik-Passage, beispielsweise von Liverpool nach Quebec, nicht in sechs Tagen zu schaffen sein, vielleicht sogar noch etwas schneller? So Emanuel, der nur mit Mühe begriff, dass seine Schwester so gar nichts zu melden wusste von der RMS Empress of Britain, mit der sie am 6. März 1908 in Liverpool ablegte. War die Ortega Teil einer Flotte von behäbigen Auswandererschiffen, so gehörte die Empress eindeutig einer neuen Kategorie von Superdampfern an. Mit über 14 Bruttotonnen, einer Länge von 140 Metern und 20 Metern Breite war sie nur wenig


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Paula 1908– 1910

kleiner als die Deutschland – das «Traumschiff» der gleichnamigen populären Fernsehserie. Die Empress bot Raum für 1500 Passagiere; ihre zwei Dampfmaschinen mit Vierfach-Expansion leisteten fast 19 000 PS. Übertragen auf zwei Schrauben von gigantischen Ausmassen, verliehen sie dem Schiff eine Reisegeschwindigkeit von 18 Knoten oder 33 Kilometern pro Stunde; neuartige Stabilisatoren sorgten auch bei stürmischem Wetter für eine ruhige Fahrt. Natürlich nichts von all dem in Paulas Briefen. «Wir haben die besten Cabinen im besten Schiff», hatte sie geschrieben – war das alles, was es von der Empress zu melden gab? Zum Beispiel, dass ihr Dampfer auch als «Königliches Postschiff» zur Extraklasse gehörte? Denn das Präfix RMS bedeutete Royal Mailship; dank eines Vertrags zwischen den kanadischen Bahnen und dem Vereinigten Königreich beförderte die Empress die Post zwischen Mutterland und Dominion. Aber nein, stattdessen berichtete Paula von Traupapieren, von allerlei Hochzeitsfirlefanz. «Den Brautkranz brauchst Du nicht zu senden», erfuhr Susi. «Das ist auch besser, so hast Du doch Deinen.» Sorgen hatten diese Frauen! «Deinen Schuh wollen wir suchen», hiess es weiter – selbst der nach der Hochzeitsfeier vermisste Aschenbrödelschuh war wichtiger! Dann immerhin eine handfeste Auskunft: «Wir werden 7 Tage auf dem Wasser (Überfahrt Europa-Canada) sein.» Wenn überhaupt … hätte Emanuel berichtigt. Schon bei der zweiten Atlantiküberquerung hatte die Empress of Britain die Passage Liverpool– Quebec in fünf Tagen und 21 Stunden geschafft, schneller als je ein Schiff zuvor, und in einer späteren Fahrt hatte sie für die West-Ost-Richtung eine neue Bestzeit aufgestellt. Aber ob fünf, sechs oder sieben Tage – für Paula und die meisten Auswanderer auf der Empress zählten ganz andere Dinge. Seit sich die Canadian Pacific Railway auch als Reeder betätigte, ging alles viel leichter vonstatten. Die Gesellschaft bot jetzt Überfahrt und Bahnreise in der neuen Heimat als Gesamtpaket an; ja es gab Arrangements, die für Neusiedler auch gleich ein Grundstück oder eine Farm am Zielort mit einschlossen.


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Vorbei die Zeiten, als Paula die Reise nach England ohne Bargeld und ohne Kofferschlüssel antrat. Zwar fehlt auch dieses Mal ein wichtiges Requisit. Beim Zwischenhalt in Basel geht ein Eilbrief nach Hause ab: «Meinen Zwicker habe ich dummerweise im Studierzimmer liegenlassen»; ob der Archivar die Augengläser so schnell wie möglich nach Liverpool nachsenden kann? Von nun an aber keinerlei Zwischenfälle mehr, zwar raue See im Ärmelkanal, die Johannes und Paula aber keineswegs an einem Schläfchen hindert, ganz im Gegensatz zu einer Reihe kotzender Mitpassagiere: «Wir haben die Leute mit den Schüsseln vor sich ganz verächtlich angeschaut.» In London dann doch eine Reihe von Botengängen; hier muss Paula für den noch minderjährigen Johannes mit übernehmen. Es gibt Gutscheine und Reservationen einzulösen und zu bestätigen – wie gut, dass sie sich in der Stadt auskennt! «Meinen Check von der Churerbank musste ich selbst auslösen gehen. Ich fand die Bank dann trotz dem Winkelgässchen, in dem sie war; um das alles zu besorgen, musste ich aber in ziemlich viele Bureaus und wurde es 2 Uhr, bis alles fertig wurde.» Trotzdem, es reicht auf den Nachmittagszug nach Liverpool, dann die Droschkenfahrt zum Hafen, zum richtigen Pier, das sie zwar auch ohne Kutscher gefunden hätte. Kein anderer Dampfer ist auch nur annähernd so gross!

Heute käme niemandem in den Sinn, den Lieben zu Hause einen Flug nach Übersee genauer zu beschreiben; höchstens noch meldet eine SMS widrige Wetterbedingungen («böig», «die meiste Zeit angeschnallt»). Für die Generation um 1900 dagegen galt die Fahrt über eines der Weltmeere als Ereignis, als Erlebnis, das nur einem Bruchteil der Bevölkerung zuteil wurde. Paulas Brief, über mehrere Tage hinweg auf der Empress of Britain abgefasst und in Halifax aufgegeben, gehört in der Auswanderungsgeschichte zu einer langen Reihe ähnlicher Schilderungen, unterscheidet sich auch nur wenig von diesen Berichten. Eine Hauptrolle spielen fast überall das Wetter und der Seegang, damit einhergehend die Seekrankheit, dann die Unterbringung und die Mitpassagiere, die Begegnung mit der Besatzung, das Warten auf das lang ersehnte «Land in Sicht!».


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Abb. 21: «Dass Ihr unsere Gofen gerne auf Besuch hättet, ist lieb von Euch …»: Ein Schweizer Aufenthalt der älteren Gansner-Kinder wird wiederholt ins Auge gefasst, kommt aber nie zustande. Paulas Brief an Susi vom 16. Juni 1924 ­e nthält kleine Charakterporträts der Kinder, so von Elsi, der Drittältesten: «Sie ist ein kleines Hexli» (2. Blatt).


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Abb. 22, 23: Zwei Postkarten zeugen von Frieda Meissers Reise durch Kanada, auf der sie wahrscheinlich ihren späteren Ehemann Roy Morton kennenlernte. Die Familie Le Boutillier und ihre Gouvernante stiegen im vornehmen Hotel ­C hâteau Frontenac in Quebec ab; darauf folgte eine Reise ins Landesinnere.


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Abb. 27: Noch betont die Werbung den Kurortcharakter von Klosters. 1909, als Direktor Leon Meisser einen Hotelprospekt herausgibt, dominiert aber bereits der Winter- und Sommersport. In diesem Jahr wird auch die Renovation des Hauptgebäudes abgeschlossen, die unter anderem zwei neue Geschosse im Dachbereich bringt.

Abb. 28: Der Speisesaal mit den schmucken Leuchtern hält Zweier- und Vierer­ tische für die Gäste bereit – dies im Gegensatz zu den vorher üblichen langen Tafeln für die table d’hôte.


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Abb. 29: Das seit 1860 bestehende Hotel Silvretta dominiert den Ortsteil Klosters-­B rücke mit der über die Landquart führenden Brücke (Foto um 1920). Die beim Umbau neu errichteten Arkaden bieten Platz für Ladengeschäfte. Das alte Gasthaus Hirschen und mehrere Dependancen wie die Villa Hübel im Hinter­ grund bilden zusammen mit dem Hauptbau einen weitläufigen Hotelkomplex. Zu ihm gehört auch der hier nicht sichtbare Hotelpark jenseits des Flusses (siehe folgende Abbildung).


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Abb. 43: Horgen wird im zweiten Kriegsjahr zum neuen Lebensmittelpunkt für Susi und Emil Streuli und ihre beiden Töchter. Die Sicht vom Dach der von ihnen bezogenen Villa Madrisa zeigt das Hernergut der Familie Streuli mit Park­ anlagen östlich und westlich der Landstrasse. Das um 1840 errichtete Herren­ haus steht in einer Achse mit dem stattlichen Mammutbaum (Bildmitte) und dem im Schlösschenstil gehaltenen Badepavillon. Dieser krönt eine künstliche Insel, die Emil Streuli senior zur Jahrhundertwende aufschütten liess. Insel und Ufer sind mit einem Steg verbunden.


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Sus i 1 9 15–1916 Susi Meisser, besser Frau Dr. Streuli, Ehefrau des Juristen und Privatgelehrten Emil Streuli: Sie hat bisher diskret im Hintergrund gewirkt, soll in diesem zweiten Kriegssommer aber kurz ins Rampenlicht treten. 1915 ist für Susi ein markantes Jahr. Im Januar hat sie ihren 40. Geburtstag gefeiert, nach wie vor eine schöne und stattliche Frau, einen halben Kopf grösser als ihr immer etwas jungenhaft wirkender Gatte. Und bis Ende Jahr soll der Umzug von Bern nach Horgen über die Bühne gehen; die beiden suchen in den Antiquitätengeschäften von Bern schon emsig nach Möbeln, die in die gediegene Villa Madrisa passen. Denn das ist kein Dutzendhaus, vielmehr eine Art Landhaus in gehobenem Heimatstil mit Walmdach, schweren Kachelöfen und luftigen Ve­­ randen, dazu einer ausladenden Terrasse. Und von hier führen die Stufen direkt in den Park der elterlichen Villa: Emils Elternhaus. Seit dem Tod des Majors und Fabrikherrn bewohnt Mina Streuli die Villa Herner ganz allein mit den Dienstboten: Kein Wunder, sehnt sie sich nach Gesellschaft, nach Sohn und Schwiegertochter und den Enkelinnen, nach Suseli und Margritli, den beiden Chröttli, nach Kreischen und Lachen im Park am See, wo jetzt immer nur der bärbeissige alte Gärtner Honegger seine Gehilfen herumdirigiert … Oh ja, der Park! Wenn Gatte Emil noch einen Grund bräuchte für die Übersiedlung an den Zürichsee, so sind es diese herrlichen alten Bäume, die riesigen Sequoias, Blauzedern und Rotbuchen, die lauschigen Gartenwege rund um den Springbrunnen und die Brücke zur malerischen kleinen Insel mit dem Badehaus im Schlösschenstil. Und die Aussicht, hier nun endlich nach seinen eigenen Vorstellungen zu wirken. Noch von Bern aus bestellt Emil in der Grossgärtnerei Schröter eine ganze Reihe Pflanzbäumchen, hat in Gedanken bereits einen Platz für sie bereit: für die Hängende Silberlinde oder Tilia petiolaris, für die Gold­ tanne, Picea excelsa nurea magnifica, die es zu ersetzen gilt. Kurioserweise sind auch zwei Koniferen dabei, die eigentlich an der Pazifikküste von


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Su si 19 15– 1916

Oregon und British Columbia ihr Zuhause haben: die Felsentanne oder Abies lasiocarpa mit ihren bläulich schimmernden Nadeln, die spiralförmig um den Zweig stehen, weiter die Pazifische Silbertanne, Abies nobilis glauca. Eine kleine Verbeugung vor den Lieben am Kootenay River, ein Gruss nach drüben?

Über den Hernerpark wird noch zu berichten sein. Im Juni zog Susi mit den Mädchen für zwei Urlaubswochen nach Klosters ins Silvretta; Gatte Emil war als Hilfsdienst-Gefreiter im Postwesen vorläufig unabkömmlich. Eine denk- und merkwürdige Situation! Denn vor Jahren hatte Susi Seite an Seite mit Bruder Leon die Startphase des Hotels miterlebt und mitgeprägt. Jetzt weilte sie hier als Gast, liess sich vom Mittagsgong zum Essen in den fünf Meter hohen Speisesaal rufen, liess sich bei Regenwetter mit den Töchterchen in der Hotelhalle nieder. Geschichten wurden erzählt, Klein-Susi malte mit Farbstiften. Schien die Sonne, gab es draussen zu tun. Die Kinder durften mit zum Eiersuchen in den Hühnerställen des Silvretta, halfen dem Ziegenhirten bei der abendlichen Rückkehr der Geissen. «Und wenn auch die Kaninchen auf die Weide dürfen», erfuhr Emil, «dann gibt es zu tun (…), mit Tante Miggis Aufsicht als Oberhüterin, das reinste Gaudium!» Die Mädchen waren begeistert, wollten sich hier definitiv niederlassen; am Tag der Rückreise gab es Tränen. Vor allem aber rückte der Sommerurlaub in den Bergen das Kriegsgeschehen näher. In Bern hatten gelegentlich die Paraden auf dem Bundeshausplatz an die Zehntausenden von Wehrmännern erinnert, die irgendwo im Landesinnern oder an der Grenze Dienst taten. In Graubünden, im Prättigau, war das anders: unübersehbare Präsenz des Militärs. In Klosters seien 200 Mann vom Bataillon 75 stationiert, meldete Susi nach Hause, weitere 200 Mann lägen in Serneus und 400 Mann in Davos. Denn seit dem Kriegseintritt Italiens war die Südgrenze, war das Engadin in den Brennpunkt gerückt: neue Stützpunkte und Beobachtungsposten auf den Passhöhen, vom Bernina bis zum Stilfserjoch. Im Silvretta wurden Souvenirs herumgereicht, die Grenzsoldaten zurückgebracht hatten: «Wilma


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hat (…) ein krepiertes Schrapnell, das von den Italienern herrührt und auf die Schweizergrenze fiel.» Die Offiziere vom Bataillon 75, das ärgerte Susi gewaltig, hatten im benachbarten Grandhotel Vereina Quartier bezogen statt bei Leon im Sporthotel Silvretta. «Die wissen es schon zu richten», maulte sie im Brief an Emil: Für die Herren Offiziere war nur das Beste gut genug. Was Susi nicht daran hinderte, einige Tage später dann doch nähere Bekannt­ schaften zu schliessen. Am Samstag gab das Militärspiel ein Ständchen vor dem einen wie vor dem anderen Hotel, ein Soldatenchor gab Lieder zum Besten. «Es war sehr schön, und gesungen haben sie auch. Die Offiziere waren dann noch bis zwölf Uhr im Hotel, wir haben dann noch getanzt.» Über die einfachen Wehrmänner, die Soldaten und Gefreiten leider nur wenige Zeilen. Die Gemeinde hatte Kantonnements in Scheunen und Ställen bereitgestellt; hier wurde im Stroh geschlafen. Ende Juni stand der Heuet an, die Heuernte, und hier wurde die Truppe mit eingesetzt: «Die Soldaten, die hier sind, sind verteilt zum helfen heuen.» Über alles gesehen aber ein harmonisches, ein positives Nebeneinander von Urlaubern und Militär: «Auch die Offiziere und Soldaten finden es hier schön.»

Wie stand es damit? Ich habe die Zeit des Ersten Weltkriegs für mehrere Ortschroniken aufgearbeitet, vor allem natürlich auf lokaler Ebene. Und hier zeigten sich schwerwiegende Diskrepanzen, Unzulänglichkeiten auf allen Stufen. Die Wehrmänner erhielten keinerlei Ausfallentschädigung und nur einen dürftigen Sold. In den ländlichen Gemeinden führte das schon in den ersten Kriegswochen zu Engpässen: Erntearbeiten standen an, hier mussten Hilfskräfte engagiert und bezahlt werden. Reichten die finanziellen Mittel nicht aus, gab es die sogenannte Notstandsunterstützung. Die oblag den kantonalen Militärdirektionen, aber entsprechende Gesuche wurden oft verschleppt oder zurückgewiesen. Die Gemeindebehörden mussten für ihre Bürger nachdoppeln mit erneuten Eingaben, und die nahmen sich aus wie Almosengesuche: eine entwürdigende Situation.


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Abb. 45: Roy Morton quittiert bei der Kanadischen Handelsbank in Vancouver den Empfang einer telegrafisch übermittelten Geldsendung von 800 Dollar. Aus Horgen erhielt Friedas Familie in den 1920er-Jahren zahlreiche Unterstützungs­ zahlungen; nicht immer gerieten sie in die richtigen Hände.


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Pa ul a , Fri e d a 1926–1928 Seit Roys Rückkehr vom Krieg und dem Umzug in den Norden der Provinz hatte Frieda nur noch selten von sich hören lassen. Briefe von ihr trafen spärlich und in grossen Abständen ein – few and far between, wie der Ausdruck lautete, den sich Paula einst in London gemerkt hatte. Meist hätten Friedas Mitteilungen auch auf einer Postkarte Platz gefunden. Eine Ausnahme machte einzig ein Brief vom September 1920, und auch den hatte sie im Januar begonnen, im Mai weitergeführt und erst im Herbst abgeschlossen und weggeschickt. Er meldete im Wesentlichen, sie habe sich wegen einer «Frauensache» einer Operation unterziehen müssen, die zwar gut verlaufen sei, aber ein Heidengeld gekostet habe; die Ärzte seien hierzulande «unerhört teuer». Paula selbst meldete sich bei ihr zu den gewohnten Daten, auf Weihnachten oder auf den Jahresbeginn hin oder zu Friedas Geburtstag, erhielt aber nur selten eine Antwort, auch nicht auf den Bericht vom Brand des Kootenay Falls. «Es ist so lange, seit wir sie gesehen», erfuhr Susi, die über die Entfremdung zwischen den Schwestern nur verständnislos den Kopf schütteln konnte, «aber sie hat mir glaub ich nie verziehen, dass ich damals heim schrieb vor Jahren.» Das alles änderte sich kurz nach Neujahr 1926, als die Mortons ihr Häuschen in La Hâche verkauften und nach Vancouver zogen – Hals über Kopf, wie es Paula schien. Dieses Mal kam die Meldung von Roy, der eines Abends in Granite anrief und sich nach Frieda erkundigte: ob seine Gattin sich auf der Farm aufhalte? Frieda, so stellte sich heraus, hatte sich gegen den Umzug gesträubt, wollte auf dem Land bleiben, war eines Tages nicht mehr ins Haus zurückgekehrt und blieb seither unauffindbar. Aus Gründen, die Roy nicht näher erläuterte, steckte die Familie in argen Geldnöten; er habe bereits seiner Schwägerin Susi in Horgen telegrafiert und um ein Darlehen gebeten. Das Geld treffe in Kürze auf der Farm in Granite ein; die Gansners möchten es bitte umgehend per telegrafische Anweisung nach Vancouver weiterleiten.


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Paula, Fr ie da 1926– 1928

Ein starkes Stück! Frieda ein weiteres Mal unauffindbar, die Horgener wieder einmal angepumpt: 500 Dollar, die tatsächlich kurze Zeit später in Granite eintrafen. So konnte Christian die Sache nicht stehen lassen. Was er auf sein Nachhaken hin erfuhr, klang alles andere als beruhigend. Die Mortons hatten in Vancouver ein Haus gemietet, natürlich im billigsten und schäbigsten Quartier, der South Side. Aber die Kinder, von der siebenjährigen Betty bis zur 16-jährigen Pauline, haushalteten da ganz allein. «Roy senior ist nicht mehr in Vancouver», meldete Christian den Streulis, die sich über die Umstände des Dar­ lehens erkundigt hatten. «Er hat Arbeit, Telephonstangen zu fällen und will alle 2 Wochen nach Vancouver gehen.» Die Mutter auf wildem Urlaub, der Vater irgendwo in der Wildnis beim Fällen von Tele­ fon­stangen, zu Hause die Kinder ohne Aufsicht … eine saumässige Ordnung! Verständlicherweise leitete Christian das Geld nur mit den grössten Bedenken weiter, erhielt denn auch keinerlei Bestätigung von Roy, ge­­ schweige denn ein Wort des Dankes. Ebenso wenig dankte Frieda, die sich nach einigen Wochen aus Vancouver meldete, den Haushalt wieder übernommen hatte. Es sei «alles in Ordnung», kein Wort über das Warum und Wo ihres Wegbleibens.

Von der Farm in Granite haben wir ein Bild der Harmonie stehen lassen: eine gesellige Tafelrunde auf der Veranda, Freunde und Bekannte beim Plaudern und Essen, womöglich spielte das Grammophon, das seinerzeit für die Hotelgäste angeschafft worden war und für das die Lieben zu Hause gelegentlich Schallplatten mit heimischen Melodien beisteuerten. Sonntagabend unter den Obstbäumen der Farm, das Rauschen des Kootenay River übertönt vom «Munotglöcklein», und über das Pfeifen und Stampfen der Dampfloks legte sich der lüpfige Ländler einer Bündnerkapelle, vielleicht wurde auch getanzt … Die Gansners konnten jetzt auf einen bescheidenen Wohlstand zählen. Wie erwähnt, war ein Automobil angeschafft worden; zeitweise


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beschäftigte man über ein Dutzend Hilfskräfte, die man im Nebenhaus beherbergte und verpflegte. Die drei ältesten Kinder besuchten die Highschool in Nelson, Leo stand bereits vor der Abschlussklasse. Wenn alles klappte, würde er anschliessend zum Studium nach Vancouver wechseln, während Paula eine Lehre als Krankenschwester im Spital von Nelson anstrebte. Aus dem pummeligen Schulkind war ein stattliches junges Mädchen geworden, fast einen Kopf grösser als ihre Mutter. «Pass auf, die könnte Dir dann noch Konkurrenz machen!», frotzelte Paula im Weihnachtsbrief 1926 an Susi. «Aber ich glaube, dass sie eine ausgezeichnete Nurse werden wird. Sie ist so vorsorglich und lieb.» Die drei ältesten Kinder, so berichtete der Brief weiter, hatten in diesem Sommer eine eigene kleine Wohnung in Nelson bezogen, wenn auch unter völlig anderen Umständen als beim unordentlichen Haushalt der Mortons. Täglich vier Meilen von der Farm in die Stadt, oft zu Fuss, wenn sie nicht gerade Christian mit dem Automobil hinführte oder abholte – das hatte zu viel Zeit beansprucht. Meist konnte Paula es einrichten, einen Tag pro Woche in Nelson zu verbringen und das Nötigste in der Küche und mit der Wäsche nachzuholen; ohnehin versammelte sich die ganze Familie zum Wochenende wieder auf der Farm. «Aber Sorgen gibt es trotzdem genug», das musste Paula eingestehen. Mit Christians Fieberanfällen war es nicht besser geworden, im Gegenteil. In ebendiesem Sommer hatte ihn der Arzt für zwei Monate in die Mayo-Klinik beordert, nach Rochester in Minnesota, «dort hat er sich von den berühmten Mayo Brothers behandeln lassen». Jetzt setzte er die Behandlung zu Hause fort, unter Aufsicht von Doktor Hawkey in Nelson. Vor allem aber: «Friedeli macht uns grosse Sorgen. Sie hat sich seit letztem Frühling verändert. Es ist immer schlimmer geworden. Sie ist immer lieb und gut, aber spricht nur ganz wenig mehr, ist überhaupt nicht mehr das lebhafte, lustige Kindchen, und dabei ist nach Aussage der Ärzte gar nichts, das für sie getan werden kann.» Kurzum, vom Besuch in Vancouver, den sich Paula schon so lange vorgenommen hatte, konnte unter diesen Umständen keine Rede sein.


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An hang

B ildna c h we i s

Der Grossteil der hier wiedergegebenen Fotos, Postkarten und Dokumente stammt aus dem Familienarchiv Schulthess, Horgen (FAS); die Vorlagen sind den jeweiligen Brief- oder Dokumentendossiers zugeordnet. Cover  Porträt Kinder Meisser, Foto 1886 (Titel). FAS Dossier Familienporträts   1 Obstfarm in Granite (Vorsatz), Foto um 1908. FAS M.5   2 Werbeplakat Hotel Steinbock, Chur, um 1910. Staatsarchiv Graubünden, Chur; StAG FN IV 24/30 C 93  3 Speisesaal Hotel Steinbock, Chur, Foto um 1910. Staatsarchiv Graubünden, Chur; StAG FN IV 24/30 C 94   4 Park des Landhauses West Lodge, Barnet, Foto um 1895. Courtesy of Beales Hotels West Lodge Park  5 Landhaus West Lodge, Barnet, Foto um 1895. Courtesy of Beales Hotels West Lodge Park  6 Hotel Concordia, Zuoz, Foto um 1895. FAS M.6   7 Garten der Pension Friedheim, Chur. Werbekarte 1903. FAS Dossier Friedheim   8 Stadtzentrum Philadelphia, Foto 1905. Aus: Wolf, Edwin: Philadelphia. The Portrait of an American City. Philadelphia 1975   9 Postkarte aus Quebec, Poststempel 16.11.1908. FAS M.6 10 Obstfarm in Granite, Ausschnitt aus Werbeprospekt «Kootenay – your destination». Nelson B. C. um 1914 11 Schlittenpartie in Klosters, Foto um 1914. FAS M.18 12 Titelblatt Werbeprospekt mit allegorischer Figur, 1912. Aus: Hayes, Derek: British Columbia. A New Historical Atlas. Vancouver 2012 13 Studioporträt Christian Gansner, Foto 1908. FAS M.5 14 Studioporträt Paula Gansner-Meisser, Foto 1908. FAS M.5 15 Zeitungsausschnitt Nelson Daily News, 25.3.1908. FAS M.5 16 Geschwister Leo und Paula Gansner vor Farmhaus in Granite, Foto 1925. FAS M.11 17 Geschwister Norman und Elsi Gansner vor Farmhaus in Granite, Foto 1925. FAS M.11 18 Goldgräberstadt Rossland, B. C., Foto um 1890. Aus: Ormsby, Margaret: British Columbia: A History. Vancouver 1959 19 Perry’s Mining Map, Landkarte 1895. Aus: Hayes, Derek: Historical Atlas of British Columbia and the Pacific Northwest. Vancouver 1999 20 Satellitenbild Region Nelson, B. C. Google Earth 2015 21 Brief Paula Gansner vom 16.6.1924. FAS M.11 22 Postkarte Frieda Meisser vom 22.8.1906 mit Ansicht Quebec. FAS M.6 23 Postkarte Frieda Meisser vom 31.8.1906 mit Ansicht Indianercamp. FAS M.6 24 Studioporträt Milly Meisser, 1908. FAS M.18 25 Milly und Elsy Meisser im Gespräch, Foto um 1910. FAS M.18


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Erinnerung an die Mobilisation der Schweizerischen Armee 1914. Lichtdruck nach einer kolorierten Zeichnung von Frédéric Rouge (1867–1950). Graphische Sammlung und Fotoarchiv Zentralbibliothek Zürich 27 Titelblatt Werbebroschüre Hotel Silvretta, Klosters, 1909 28 Ansicht Speisesaal Hotel Silvretta, aus Werbebroschüre 1909 29 Hotel Silvretta, Klosters, Foto um 1920. FAS Dossier Silvretta 30 Gäste im Park des Hotels Silvretta, Foto um 1910. FAS Dossier Silvretta 31 Werbekarte Hotel Silvretta mit Ansicht Vestibül, um 1910. FAS Dossier Silvretta 32 Gäste vor Hotel Silvretta, Foto um 1912. FAS Dossier Silvretta 33 Paula Meisser und Schülerin auf Skipiste, Foto 1907. FAS M.5 34 Schlittenpartie auf Waldweg, Werbepostkarte 1909. FAS Dossier Silvretta 35 Bobsleigh-Wettbewerb auf Landstrasse Davos–Klosters, Foto um 1912. FAS M.18 36 Porträt Susanne Streuli, Foto um 1915. FAS Dossier Familienporträts 37 Frieda Morton-Meisser mit Kindern, Foto 1914. FAS M.5 38 Ansicht Kootenay Falls Hotel in South Slocan, Foto 1913. FAS M.11 39 Wohnstube mit Kindern Gansner-Morton, Foto 1914. FAS M.11 40 Milly Meisser mit Schweizer Soldaten, Foto um 1916. FAS M.18 41 Buben beim Soldatenspiel, Foto 1916. Ortsmuseum Richterswil, Album Heinrich Streuli 42 Frieda Morton und Paula Gansner mit Kindern, Foto 1914. FAS M.11 43 Park und Landhaus Herner in Horgen, Foto um 1905. FAS Dossier Herner 44 Geschwister Gansner vor Farmhaus in Granite, Foto 1925. FAS M.11 45 Quittung für Empfang Geldsendung, 20.7.1928. FAS M.11 46 Ansicht Vancouver aus der Vogelschau. Aus: Hayes, Derek: British Columbia. A New Historical Atlas. Vancouver 2012 47 Familie Meisser im Foyer der Pension Friedheim, Foto Frühling 1908. FAS Dossier Familienporträts 48 Familie Meisser (Vorsatz hinten): wie Nr. 47


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Vom selben Autor bei NZZ Libro erschienen:

Hans Peter Treichler

Die Löwenbraut F a milie n g e sc h ichte als Zeits piegel d e r Be lle E p o que 6. Auflage, 372 Seiten, gebunden ISBN 978-3-03823-491-3

Engadin, im Sommer 1899: Ein Student aus reicher Familie trifft auf eine junge Frau, die sich aus einfachsten Verhältnissen zur Hotelgouvernante emporge­ arbeitet hat. Aber die Liebe, die zwischen den beiden aufkeimt, muss sich gegen ­er­­bitterte Vorurteile behaupten …

«Der Historiker Hans Peter Treichler hat die bestens verbriefte Fami­ liengeschichte des grossbürgerlichen Horgener Seidenfabrikanten-Clans Streuli-Hüni und der mittelständischen Meissers in Chur über drei Generationen breit aufgefächert. Er ist ein gefragter Vermittler von Schweizergeschichte.» Tages-Anzeiger


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Vom selben Autor bei NZZ Libro erschienen:

Hans Peter Treichler

Ein Seidenhändler in New York Da s Ta g e b u c h des Emil Streuli 304 Seiten, gebunden ISBN 978-3-03823-596-5

New York 1858: Emil Streuli, Sohn eines Zürcher Seidenfabrikanten und ­späterer Schwiegervater der «Löwenbraut» beginnt sein Volontariat im ­schicken ­Seidenstore Ashman’s, unweit vom B ­ roadway …

«Streulis umfassendes, lebendiges, manchmal rührendes Tagebuch wächst bis zur Rückkehr an den Zürichsee auf 2000 Seiten an. Den unerschöpflichen Fundus hat Hans Peter Treichler zu einer historischen Reportage verdichtet, welche tausend Facetten des Molochs New York in den überraschend reifen Beobachtungen und Gedanken des jungen Mannes spiegelt und diesen zugleich feinfühlig porträtiert.» Neue Zürcher Zeitung


Die «Löwenbraut»-Saga: Der Kreis schliesst sich Mit Schwesternwelten findet die monumentale Familienchronik, die mit dem Band Die Löwenbraut begann, ihren Abschluss. Das vorlie­ gende Buch folgt den Lebens­spuren von vier jungen Frauen durch das erste Drittel des 20. Jahrhunderts. Anhand zahlreicher hinter­ lassener Briefe zeichnet der Historiker Hans Peter Treichler die Schicksale von Paula, Frieda, Milly und ihrer älteren Schwester, der «Löwen­braut» ­Susanne Meisser, nach. Dabei legt er ein faszinieren­ des Beziehungsgeflecht frei: Liebe und Abneigung, Anteilnahme und Ablehnung, Wohlwollen und Eifersucht prägen das Verhältnis zwi­ schen den Schwestern. Letztlich obsiegt aber die Solidarität einer Generation, die den Schritt aus der Churer Kleinstadtenge wagt und zwei der Schwestern bis in die Pionierwelt der kanadischen Wälder führt. Schwesternwelten lässt sich als Teil der Trilogie oder als eigenstän­ diges Werk lesen.

Hans Peter Treichler

Hans Peter Treichler, geboren 1941, Dr. phil., Kultur- und Alltagshistoriker für Radio, Fernsehen und die Schweizer Nationalmuseen. Von ihm stammen zahlreiche historische Sachbücher, Hörspiele und Fernsehbeiträge. Er ist ein vielseitiger Vermittler von sozialund kulturgeschichtlichen Themen und Verfasser zahlreicher Publikationen, u. a. Die Löwenbraut (6. Auflage 2009) und Ein Seidenhändler in New York (2010).

Schwesternwelten

Hans Peter Treichler

Schwesternwelten

Spuren und Schicksale auf zwei Kontinenten

«Die tausend und mehr Briefe im Nach­ lass von Susi Streuli, die Aberhunderte von Postkarten an sie, die Telegramme, Todesanzeigen, Verlobungskarten und Geburtsmeldungen, die Souvenirs in Form von Menükarten, Konzertpro­ grammen, Diplomen, alten Reisepässen und Arbeitszeugnissen … Briefe adres­ siert an Hotels in der Westschweiz, an Arbeitgeber in England, an Grand­ hotels in Ägypten, Paris und Rom; Briefe aus Valparaíso, Philadelphia, Florenz und Granite Falls, frankiert mit fremden Poststempeln, bunten Marken: Sie ­landeten auf wundersame Weise wie­ der zu Hause in Chur, überstanden auch den Umzug ins neue Heim nach Bern, dann die Übersiedlung nach Horgen.» Aus einer überquellenden Fülle unver­ öffentlichter Dokumente erarbeitet Hans Peter Treichler die Chronik zweier ungleicher Familien: ein faszinierender Einblick in die Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts. Schwesternwelten verfolgt mittels ineinander montierter Lebensläufe die Schicksale vier junger Frauen, die einander in Freude und Schmerz, Entfremdung und Wieder­ annäherung verbunden bleiben.

Umschlagbild: Die fünf ältesten Geschwister der Familie Meisser in einem Churer Fotostudio (Foto 1886). Neben Susanne, der «Löwenbraut», ihr Bruder Leon, vorne (von links) ihre Schwestern Frieda, Milly und Paula. (Archiv Schulthess, Horgen)

ISBN 978-3-03810-200-7 ISBN 978-3-03810-200-7

9 783038 102007

www.nzz-libro.ch

Verlag Neue Zürcher Zeitung


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