Adrian Vatter (Hrsg.): Das Parlament in der Schweiz

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Der Herausgeber

Ist das Parlament seinen Aufgaben noch gewachsen ?

Adrian Vatter, geboren 1965, Prof. Dr., ordent­

170 Jahre nach der Gründung des Bundesstaats stehen die

licher Professor für Politikwissenschaft

Schweizer Parlamente vor grossen Fragen : Können

mit Schwerpunkt Schweizer Politik und ­Direktor

sie ihre Kernaufgaben der Rechtssetzung, Wahl, Kontrolle

am Institut für Politikwissenschaft an der

und Repräsentation heute noch erfüllen ? Über wie

­Universität Bern. Seine Forschungsschwer­

viel Macht verfügt die Volksvertretung im Verhältnis zu

­politische Institutionen der Machtteilung und die vergleichende Demokratie­forschung.

­anderen ­politischen Akteuren heute noch ? Ist die Legislative im ­Prozess politischer Entscheidungsfindung

Adrian Vatter (  Herausgeber )

­einflussreich ? Oder gerät sie angesichts einer dominierenden Exekutive sowie der Mediatisierung und Internationalisierung ­politischer Prozesse zunehmend unter Druck ? ­Darauf geben ausgewiesene Politikwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler Antwort. Mit Beiträgen u. a. von Marc Bühlmann, Pirmin Bundi, Sarah Bütikofer, Sereina Dick, Rahel Freiburghaus, Sean Mueller, Fritz Sager, Daniel Schwarz.

Das Parlament in der Schweiz

der Schweiz, Wahlen und Abstimmungen,

Das Parlament in der Schweiz

Adrian Vatter

punkte umfassen das politische System

Politik und Gesellschaft in der Schweiz

In der Reihe « Politik und Gesellschaft in der Schweiz », herausgegeben von Markus Freitag und Adrian Vatter, analysieren namhafte Schweizer Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftler in mehreren Bänden die Entwicklungen der Schweizer Politik und Gesellschaft. ­Politisches Verhalten, Einstellungen gegenüber der Politik, Beschreibung politischer Zustände, Veränderungs­ prozesse von Institutionen und Aspekte des sozialen Zusammenlebens der Schweizer geraten dabei ins Blickfeld.

ISBN 978-3-03810-361-5

www.nzz-libro.ch

NZZ Libro


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Markus Freitag und Adrian Vatter (Hg.) Politik und Gesellschaft in der Schweiz Band 1: Markus Freitag (Hg.) Das soziale Kapital der Schweiz Band 2: Thomas Milic, Bianca Rousselot, Adrian Vatter Handbuch der Abstimmungsforschung Band 3: Markus Freitag und Adrian Vatter (Hg.) Wahlen und Wählerschaft in der Schweiz Band 4: Fritz Sager, Karin Ingold und Andreas Balthasar Policy-Analyse in der Schweiz Band 5: Fritz Sager, Thomas Widmer, Andreas Balthasar (Hg.) Evaluation im politischen System der Schweiz Band 6: Markus Freitag Die Psyche des Politischen Band 7: Adrian Vatter (Hg.) Das Parlament in der Schweiz Weitere Bände in Vorbereitung NZZ Libro


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Adrian Vatter (Hg.)

Das Parlament in der Schweiz Macht und Ohnmacht der Volksvertretung

NZZ Libro


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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2018 NZZ Libro, Schwabe AG Lektorat: Marcel Holliger, Zürich Umschlag: icona basel, Basel Gestaltung, Satz: Claudia Wild, Konstanz Druck, Einband: CPI books GmbH, Leck Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN 978-3-03810-361-5 ISBN e-Book 978-3-03810-393-6 www.nzz-libro.ch NZZ Libro ist ein Imprint der Schwabe AG. ®

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Inhalt

Vorwort

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Einleitung und Überblick: Macht und Ohnmacht des Parlaments in der Schweiz

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Adrian Vatter

1. Einleitung  2. Die Stellung des Parlaments im politischen System der Schweiz  3. Die Bundesversammlung im Wandel  3.1 Vom Rede- zum Arbeitsparlament  3.2 Vom Miliz- zum Halbberufsparlament  3.3 Vom Bürgerblock zur Anti-SVP-Allianz  4. Macht und Ohnmacht der Bundesversammlung  4.1 Der Einfluss des Parlaments bei der Rechtssetzung  4.2 Der Einfluss des Parlaments bei der Wahl der Regierung  4.3 Der Einfluss des Parlaments bei der Regierungs­ kontrolle  5. Die Arbeitsweise des Zweikammersystems  6. Die Volksvertretung: Wer wird im Parlament repräsentiert?  7. Macht und Ohnmacht der kantonalen Parlamente  8. Die Macht des schweizerischen Parlaments im internationalen Vergleich

17 18 20 20 21 24 29 29 36 38 41 44 49 55


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6  Inhalt   9. Schlussbetrachtungen  10. Literatur

57 60

Viele Vorstösse, wenig Wirkung? Nutzung und Erfolg ­parlamentarischer Instrumente in der Bundesversammlung

69

Jonas Brüschweiler und Adrian Vatter

1. Einleitung  2. Forschungsstand und Hypothesen  2.1 Die Nutzung der parlamentarischen Instrumente in der Bundesversammlung  2.2 Hypothesen  3. Operationalisierung der Variablen  3.1 Die zu erklärenden Variablen  3.2 Die erklärenden Variablen  4. Daten und Methodik  5. Analyse  5.1 Anfragen und einfache Anfragen  5.2 Interpellationen  5.3 Postulate  5.3.1 Häufigkeit und Erfolg von Postulaten  5.3.2 Erfolgsfaktoren von Postulaten  5.4 Motionen  5.4.1 Häufigkeit und Erfolg von Motionen  5.4.2 Erfolgsfaktoren von Motionen  5.5 Parlamentarische Initiativen  5.5.1 Häufigkeit und Erfolg von parlamentarischen ­Initiativen  5.5.2 Erfolgsfaktoren von parlamentarischen Initiativen  6. Schlussbetrachtungen  7. Literatur

69 70 70 72 74 75 75 76 78 78 80 82 82 84 84 85 88 89 90 92 94 97


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Inhalt

Regierung und Parlament im Clinch: eine Analyse gescheiterter Bundesratsvorlagen

101

Daniel Schwarz und Jan Fivaz

1. Einleitung  2. Theoretische Grundlagen und Forschungsstand  3. Eine Typologie des Scheiterns  3.1 Wie es zum Scheitern kommt: Regeln des parlamentarischen Verfahrens  3.2 Das Scheitern im Parlament  4. Die empirische Analyse gescheiterter Regierungsvorlagen  4.1 Das Scheitern im Zeitverlauf  4.2 Das Scheitern nach Parlamentskammer  4.3 Das Scheitern nach Parlamentsjahr  4.4 Das Scheitern nach Themenbereich  4.5 Das Scheitern als Erfolg  5. Schlussbetrachtungen  6. Literatur  7. Anhang

«Elite» gegen «Basis» – das spannungsreiche Verhältnis zwischen Parlament und Stimm­bürgerschaft

101 102 106 106 109 110 111 113 113 114 117 119 121 125

131

Marc Bühlmann

1. Einleitung  131 2. Die Nutzung der direkten Demokratie – zunehmende ­Überlastung des Systems?  133 2.1 Unterschiedliche Phasen der Nutzung direkter ­Demokratie  134 2.2 Zunehmende Nutzung – aber auch Überlastung? Zwei Klärungsversuche  145 2.2.1 Direkte Demokratie als Oppositionsinstrument  147 2.2.2 Zunehmende Gesetzestätigkeit im Parlament  150 3. Zunehmende Entfremdung der «Elite» von der «Basis»?  151 3.1 Nachkontrolle durch fakultative Referenden  152 3.2 Substanzielle Repräsentation bei Volksabstimmungen – der Graben wird kleiner  154

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8  Inhalt 4. Schlussbetrachtungen  5. Literatur

157 160

Parlamentarische Kontrolle: Parteipolitik oder Machtteilung? Die PUK-Anträge im Schweizer Parlament

165

Anna Storz und Sean Mueller

1. Einleitung  2. Typen parlamentarischer Kontrolle  2.1 Regierungssysteme im Vergleich  2.2 Entwicklung und Ausgestaltung der parlamentarischen Kontrolle in der Schweiz  3. Bisherige PUKs (1964–1995/96)  4. Gescheiterte PUK-Anträge (1995–2017)  4.1 Themen  4.2 Parteien  4.3 Debatten  5. Schlussbetrachtungen  6. Literatur

Ein grosser Scherbenhaufen? Einigungskonferenzen im schweizerischen Zweikammersystem

165 167 167 170 175 180 181 187 189 192 194

197

Rahel Freiburghaus

1. Einleitung  197 2. «Zankapfel Innenpolitik, entparlamentarisierte ­Aussenpolitik»?: deskriptive Auswertung der Einigungs­ konferenzen (1992–2017)  201 3. «Und dann plötzlich beide Seiten mit nichts zufrieden sind»? Qualitativ-vergleichende Analyse der gescheiterten Einigungsanträge (1992–2017)  209 3.1 Methodisches Vorgehen («csQCA»)  209 3.2 Herleitung der Bedingungen: gescheiterte Einigungs­ anträge zwischen Polity, Policy und Politics  211 3.2.1 Polity-Bedingung – Referendumsdrohung  211 3.2.2 Policy-Bedingung – Einigungsantrag  213


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Inhalt

3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.3

Zeitbezogene Bedingung  Politics-I-Bedingung – fehlender Problemdruck  Politics-II-Bedingung – «unheilige Allianz»  Ergebnisse der qualitativ-vergleichenden Analyse: drei Pfade des Scheiterns von Einigungsanträgen  3.4 Problematisierungen und Ausblick: Erfolgsfaktoren für die Annahme von Einigungsanträgen  4. Schlussbetrachtungen  5. Literatur  6. Anhang

214 214 215 216 220 222 224 230

Der Ständerat im Schatten der Volkskammer? Die Gesetzgebungsmacht der zweiten Kammer

233

Sereina Dick

1. Einleitung  2. Formalrechtliche Ausgestaltung und Forschungsstand der Machtverhältnisse  2.1 Machtverhältnis zwischen Ständerat und ­Nationalrat  2.2 Machtverhältnis zwischen Ständerat und ­Bundesrat  3. Daten, Methode und Operationalisierung  3.1 Datengrundlage  3.2 Deskriptive Analysen zum Machtverhältnis  3.3 Regressionsanalyse  4. Ergebnisse  4.1 Die Gesetzgebungsmacht des Ständerats gegenüber dem Nationalrat  4.2 Die Gesetzgebungsmacht des Ständerats gegenüber dem Bundesrat  4.3 Die Gesetzgebungsmacht des Ständerats gegenüber dem Bundesrat und dem Nationalrat  5. Schlussbetrachtungen  6. Literatur

233 234 234 239 242 242 243 243 244 245 251 256 256 260

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10  Inhalt Lobbying im Bundeshaus: der direkte Draht ins Parlament

263

Fritz Sager und Lyn Pleger

1. Einleitung  2. Was ist Lobbying?  3. Legislatives Lobbying  4. Legislatives Lobbying in der Schweiz: Besonderheiten und empirische Befunde  5. Die normative Einordnung des Lobbyings in der Schweiz  6. Drei Voraussetzungen für ein systemverträgliches Lobbying  6.1 Transparenz  6.2 Bewusstsein  6.3 Zugangsbeschränkung  7. Schlussbetrachtungen  8. Literatur

Oberste Gewalt in den Kantonen? Wahl-, Gesetzgebungsund Kontrollfunktion kantonaler Parlamente

263 264 265 267 278 280 281 282 283 284 284

289

Rolf Wirz

1. Einleitung  2. Die Ausgestaltung der Parlamentsfunktionen in den Kantonen  2.1 Ein Messkonzept für die Parlamentsfunktionen in den Kantonen  2.2 Wahlfunktion  2.3 Gesetzgebungsfunktion  2.4 Kontrollfunktion  2.5 Die Stärke der kantonalen Parlamente im Vergleich  3. Erklärungsfaktoren der Parlamentsfunktionen in den Kantonen  3.1 Theoretische Erklärungsansätze  3.2 Methodisches Vorgehen  4. Ergebnisse der Analysen  5. Schlussbetrachtungen  6. Literatur

289 292 292 294 295 296 299 301 301 302 304 309 311


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Inhalt

Zwischen Beruf und Politik: die Professionalisierung in den Parlamenten

315

Pirmin Bundi, Daniela Eberli und Sarah Bütikofer

1. Einleitung  2. Professionalisierung in den Parlamenten  3. Historische Entwicklung  4. Stand der Professionalisierung  5. Determinanten der Professionalisierung  5.1 Bundesversammlung  5.2 Kantonale Parlamente  6. Schlussbetrachtungen  7. Literatur

315 317 318 320 323 326 330 337 339

Institutionelle Regeln oder politische Kultur? Faktoren der ­parlamentarischen Mitgliederfluktuation in den Kantonen

345

Antoinette Feh Widmer und Adrian Vatter

1. Einleitung  2. Parlamentarischer Mitgliederwechsel in den Kantonen – Konzeptualisierung und Grundlagen  3. Erklärungsfaktoren für den parlamentarischen Mitgliederwechsel auf kantonaler Ebene  3.1 Politisch-institutionelle Einflussfaktoren  3.1.1 Wahlregeln (Modell 1)  3.1.2 Parlamentarischer Handlungsrahmen (Modell 2)  3.1.3 Politisch-institutionelle Stabilität (Modell 3)  3.1.4 Finanzielle Entschädigungen (Modell 4)  3.1.5 Politisch-kulturelle Einflussfaktoren (Modell 5)  4. Untersuchungsdesign und empirische Befunde  4.1 Befunde zu den einzelnen Modellen  4.2 Die Befunde zum Gesamtmodell  5. Schlussbetrachtungen  6. Literatur

345 347 350 350 350 352 352 353 354 355 356 359 361 363

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12  Inhalt Föderales Schwarz-Peter-Spiel? Der Einfluss der lokalen ­Politikerinnen und Politiker auf die kantonalen Parlamente

367

Tobias Arnold

1. Einleitung  2. Die Macht von Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitikern in Kantonsparlamenten  3. Empirische Befunde  3.1 Verbreitung und Determinanten von Doppelmandaten in den Kantonen  3.1.1 Anteil Gemeinden mit Präsidentin oder Präsident mit Doppelmandat  3.1.2 Anteil Doppelmandate im Kantonsparlament  3.2 Auswirkungen von Doppelmandaten: das Beispiel der Sonderschulen  4. Schlussbetrachtungen  5. Literatur

Mitentscheider oder doch nur Mitläufer? Kantonale Parlamente in der interkantonalen Zusammenarbeit

367 369 372 373 373 376 379 386 388

391

Alexander Arens

1. Einleitung  2. Interkantonale Vereinbarungen im politischen System der Schweiz  2.1 Historische Entwicklung des interkantonalen ­Vertragswesens  2.2 Aktueller Stand der vertraglichen Zusammenarbeit ­zwischen den Kantonen  3. Formale Beteiligung der kantonalen Parlamente an interkantonalen Vereinbarungen  3.1 Mitwirkungsrechte kantonaler Parlamente  3.2 Parlamentarisches Kommissionswesen  3.3 Regelungsebene der parlamentarischen Beteiligung  3.4 Ressourcenaufwand der Parlamente  4. Index der formalen parlamentarischen Beteiligung

391 393 394 399 401 403 406 408 410 413


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Inhalt

4.1 Indexbildung und Analyse  4.2 Befunde und Diskussion  5. Schlussbetrachtungen  6. Literatur  7. Anhang

413 415 418 420 424

Aus der Balance? Das Verhältnis von Parlament und Regierung im internationalen Vergleich

425

Martina Flick Witzig und Julian Bernauer

1. Einleitung  2. Vorhandene Ansätze zur Messung des Verhältnisses von Exekutive und Legislative  3. Der neue Messansatz  4. Untersuchungsanlage  5. Ergebnisse der Messung  6. Auswirkungen auf die Regierungsqualität  7. Das Verhältnis von Parlament und Regierung in der Schweiz und den USA  7.1 Schweiz  7.2 USA  7.3 Wertung  8. Schlussbetrachtungen  9. Literatur

425

Anhang

Abkürzungen Kantonsnamen  Abkürzungen Schweizer Parteien

455 456

Autorinnen und Autoren

426 431 434 435 440 442 442 445 448 450 452

455

457

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Vorwort Das vorliegende Buch geht 170 Jahre nach der Gründung des Bundesstaats und seiner Institutionen der Frage nach, wie weit das Schweizer Parlament angesichts der zahlreichen Herausforderungen seine Kernaufgaben heute noch erfüllt. Es liefert damit den ersten Überblick in Buchform über die schweizerische Parlamentsforschung seit über 25 Jahren mit zahlreichen empirischen Befunden aus verschiedenen Perspektiven. Dabei beschränken sich die Beiträge in diesem Band nicht auf die Bundesversammlung mit National- und Ständerat, sondern widmen sich auch den kantonalen Legislativen, die in der Forschung bisher oft vernachlässigt wurden. Das Buch entstand an der Universität Bern. All denen, die mir beim Zustandekommen dieses Bands geholfen haben, möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Ein ganz besonderer Dank geht an die zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Berner Instituts für Politikwissenschaft, die in den letzten Jahren in vielfältiger Weise zum schweizerischen Parlament geforscht haben. Ohne ihre Bereitschaft, die vorhandenen Forschungslücken zu füllen und ihre Beiträge entsprechend meinen Vorstellungen aufzubauen, wäre dieser Sammelband nicht zustande ge­­ kommen. Bedanken möchte ich mich auch bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Workshops im Oktober 2017 an der Universität Bern, die sich freundlicherweise bereit erklärten, die einzelnen Beiträge kritisch zu lesen, zu kommentieren und auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen. Namentlich erwähnen möchte ich Christina Bundi, Leiterin des Rechtsdiensts und stellvertretende Generalsekretärin der Parlamentsdienste des Grossen Rats des Kantons Bern; Martin Graf, Sekretär der Staatspolitischen Kommission der eidgenössischen Räte; Annina Jegher, stellvertretende Sekretärin des Nationalrats; Ruth Lüthi Blume, stellver-


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16  Vorwort tretende Sekretärin der Staatspolitischen Kommission der eidgenössischen Räte; Hans-Peter Schaub, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei den Parlamentsdiensten des Zürcher Kantonsrats; Mark Stucki, Bereichsleiter Information der Parlamentsdienste der eidgenössischen Räte; Walter ­Stüdeli, Geschäftsführer der Köhler, Stüdeli & Partner GmbH; Andreas Tobler, Projektmitarbeiter bei der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle der eidgenössischen Räte; und Patrick Trees, Generalsekretär der Parlamentsdienste des Grossen Rats des Kantons Bern. Ein ausserordentlicher Dank gebührt schliesslich Kerstin Nebel, die neben ihren zahlreichen Tätigkeiten am Berner Institut für Politikwissenschaft die Schlussredaktion des Buchs übernommen hat, sowie ­Alexander Arens, Nina Fink, Rahel Freiburghaus und Ladina Triaca, die sie dabei unterstützt haben. Für die konstruktive Zusammenarbeit danke ich dem Verlag NZZ Libro sowie der UniBern Forschungsstiftung und der Burgergemeinde Bern für die Bereitschaft, einen Teil der Druckkosten des Buchs zu übernehmen. Bern, im März 2018

Adrian Vatter


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Einleitung und Überblick : Macht und Ohnmacht des Parlaments in der Schweiz Adrian Vatter

1. Einleitung 1848 war die Schweiz das einzige Land in Europa, das über ein von der (männlichen) Bevölkerung gewähltes Parlament verfügte und nicht unter absolutistischer Herrschaft stand.1 Heute gehören Parlamente in Demokratien zu den zentralen politischen Institutionen, während autoritäre Regime in Europa kaum mehr anzutreffen sind. Trotz ihrer hohen Anerkennung entspricht die praktische Relevanz und politische Einflussnahme der Legislative allerdings nicht immer dem demokratietheoretischen Ideal. Seit Längerem wird etwa der vermeintliche Bedeutungsverlust von Parlamenten dahingehend kritisiert, dass die Gesetzgebungsarbeit der Legislative durch das Expertenwissen und den Informationsvorsprung der Exekutivbehörden marginalisiert werde. Dies trifft auch auf die Schweiz zu. Gerade in einem Milizsystem wie es hierzulande existiert, könne die Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Regierung nicht wirksam ausgeübt werden. Zudem stelle die Zusammensetzung des Parlaments auch nach der späten Gewährung des Frauenwahlrechts bis heute kein repräsentatives Abbild der Bevölkerung dar. Schliesslich wurde der Bundesversammlung bis vor Kurzem vorgeworfen, ihre Wahlfunktion lange Zeit kaum ernst genommen zu haben, obwohl sie bei der Bestellung der Exeku-

1

Die Grundlage der Ausführungen bilden die beiden Kapitel «Das Parlament» und «Das Zweikammersystem» aus meinem Buch Das politische System der Schweiz (2016), die stark überarbeitet, erweitert und aktualisiert wurden.


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18  Einleitung und Überblick tive und Judikative über einen sehr grossen Spielraum verfügt (Aubert 1998; Lüthi 2014; Vatter 2016). Das vorliegende Buch geht 170 Jahre nach der Gründung des Bundesstaats und seiner Institutionen der Frage nach, wie weit das Schweizer Parlament angesichts der zahlreichen Herausforderungen seine Kernaufgaben der Rechtssetzung, Wahl, Kontrolle und Repräsentation heute er­­ füllt. Im Mittelpunkt steht im Weiteren die Frage, über wie viel Macht die Volksvertretung im Verhältnis zu anderen politischen Akteuren wie der Exekutive, Interessenverbänden, Lobbyisten, Experten und der Stimmbürgerschaft verfügt. Ist die Legislative im Prozess politischer Entscheidungsfindung einflussreich oder gerät sie angesichts einer dominierenden Exekutive sowie der Mediatisierung und Internationalisierung politischer Prozesse zunehmend unter Druck? Ist die Volksvertretung immer stärker im Clinch zwischen aussenpolitischen Zwängen und den Vorgaben national ausgerichteter Volksentscheide? Sind wir auch in der Schweiz auf dem Weg zu einer postparlamentarischen Demokratie, wie das für andere Länder postuliert wird? Dabei beschränken sich die Beiträge und Analysen in diesem Band nicht nur auf die Bundesversammlung mit National- und Ständerat, sondern widmen sich auch den Parlamenten in den Kantonen, die in der Forschung bisher oft vernachlässigt wurden. Das Einleitungskapitel gibt einerseits einen zusammenfassenden Überblick über den Einfluss der Parlamente beim Bund und in den Kantonen in den verschiedenen Phasen der politischen Entscheidungsfindung wie auch in Bezug auf die Erfüllung ihrer Kernaufgaben. Andererseits fasst es die wichtigsten Befunde der einzelnen Beiträge in diesem Band zusammen (jeweils kursiv) und bettet sie in bestehende schweizerische Parlamentsforschung ein.

2.  Die Stellung des Parlaments im politischen System der Schweiz Der schweizerischen Bundesversammlung kommt eine verfassungsrechtlich starke und unabhängige Stellung zu (Graf et al. 2014; Lüthi 2006; Vatter 2008). So ist in der Schweiz im Gegensatz zu parlamentarischen Demokratien die personelle Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive verwirklicht. Darüber hinaus wird die Regierung nicht vom Volk, sondern vom Parlament gewählt. Die Regierung verfügt über


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2.  Die Stellung des Parlaments im politischen System der Schweiz

kein Vetorecht gegen die Beschlüsse des Parlaments. Hinzu kommt, dass die Mitglieder der Legislative ausgeprägte Informations-, Antrags- und Initiativrechte besitzen. Schliesslich darf das Bundesgericht die Erlasse des Parlaments nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit überprüfen. Insgesamt besteht damit eine rechtliche Vorrangstellung des Parlaments gegenüber Regierung und Justiz, was darin zum Ausdruck kommt, dass in der Bundesverfassung (BV) die Bundesversammlung als «oberste Gewalt» im Bund bezeichnet wird – allerdings seit 1874 unter dem Vorbehalt der Rechte von Volk und Kantonen (BV Art. 148). Seit der Bundesstaatsgründung lassen sich in Bezug auf das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative vier Phasen unterscheiden. In der ersten Phase von 1848 bis 1874 stimmten die formale und faktische Vorrangstellung der Bundesversammlung grundsätzlich überein. Das Parlament traf die wichtigen Entscheidungen, während der Bundesrat diese vollzog. In der zweiten Phase von der ersten Totalrevision der Verfassung bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs (1874−1914) verlor das Parlament einerseits Entscheidungsmacht an das Volk (Einführung des fakultativen Referendums und der Verfassungsinitiative), andererseits aber auch an die mit neuen Kompetenzen und Ressourcen ausgestatteten Bundesbehörden. Insgesamt zeichnete sich diese Etappe aber noch durch ein relativ ausgeglichenes Verhältnis zwischen den beiden Gewalten aus. Die dritte Periode von 1914 bis 1964 stand im Zeichen «der Herrschaft des Bundesrates» (Aubert 1998: 144). Die Vollmachten, mit denen die Regierung während der beiden Weltkriege ausgestattet wurde, die zunehmenden Aufgaben des Bundes im Zug des wachsenden Wohlfahrtsstaats sowie die Wahl starker Persönlichkeiten in den Bundesrat (z. B. Motta, Minger, Stampfli, Petitpierre) schwächten die Stellung und Handlungsfähigkeit des Parlaments nachhaltig. Die Mirage-Affäre Mitte der 1960erJahre sorgte für ein erstes «Erwachen» des Parlaments (Aubert 1998: 145) und läutete die vierte Phase ein, die bis heute anhält. Als Reaktion auf die Struktur- und Handlungsschwächen der Legislative wurden zunächst ihre Oberaufsichts- und Kontrollrechte ausgebaut. Zu einem «zweiten Erwachen des Parlaments» (Aubert 1998: 145) führte die Fichenaffäre Ende der 1980er-Jahre, die eine weitere Stärkung der Oberaufsicht des Parlaments zur Folge hatte. Die starke rechtliche Position der Legislative wurde in den letzten 25 Jahren mit der Reform des parlamentarischen Kommissionensystems (1991), der Mitsprache des Parlaments in der Aussenpolitik durch neue Konsultationsrechte (1991), der Modernisierung

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20  Einleitung und Überblick des Parlamentsrechts auf Verfassungsebene (1999), dem Mitwirkungsrecht bei wichtigen Planungen (2003) und generell mit dem neuen Parlamentsgesetz (2003) noch weiter ausgebaut (Graf et al. 2014). Dadurch hat die Bundesversammlung nicht nur ihre rechtlichen Einflussmöglichkeiten gestärkt, sondern mit Strukturanpassungen dafür gesorgt, dass sie ihre Rechte auch wirkungsvoller ausüben kann. Wie weit sich diese ausgebauten Rechte tatsächlich auch im realpolitischen Einfluss des Parlaments widerspiegeln, wird in den folgenden Abschnitten behandelt.

3.  Die Bundesversammlung im Wandel In einem ersten Schritt werden drei zentrale Veränderungen in der Arbeitsund Funktionsweise der Schweizer Legislative im Verlauf der Zeit behandelt, nämlich die Entwicklung vom Rede- zum Arbeitsparlament, der Weg vom ursprünglichen Miliz- zum heutigen Halbberufsparlament und der Wandel in den Koalitionsbildungen der Fraktionen im Parlament.

3.1  Vom Rede- zum Arbeitsparlament

In der Parlamentsforschung bildet die Unterscheidung von Rede- und Arbeitsparlamenten ein wichtiges Differenzierungsmerkmal, wie es in den Prototypen des britischen Unterhauses und des US-amerikanischen Kongresses zum Ausdruck kommt (Steffani 1979). Mit der anfänglich grossen Bedeutung der langen und unreglementierten Plenardebatten entsprach die eidgenössische Bundesversammlung im 19. Jahrhundert in ihrer Arbeitsweise in der Tendenz eher dem Typus des britischen Redeund weniger dem des US-amerikanischen Arbeitsparlaments, bei dem die parlamentarischen Funktionen primär durch dezentrale Ausschüsse erfüllt werden. Der Wandel hin zu Letzterem vollzog sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der zunehmenden Bedeutung der parlamentarischen Kommissionen. Die meisten wichtigen Geschäfte wurden allerdings bis Anfang der 1990er-Jahre noch von ad hoc bestellten Ausschüssen vorberaten, die sich nach Erledigung ihrer Aufgabe wieder auflösten. Der Systemwechsel von geschäftsbezogenen Fall-zuFall-Kommissionen zu ständigen Ausschüssen im Rahmen der Reform des Kommissionensystems von 1991 hatte für die Effizienz des Parlamentsbetriebs weitreichende Folgen. Er stellt einen weiteren wichtigen


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«Elite» gegen «Basis» – das spannungsreiche Verhältnis zwischen Parlament und Stimm­bürgerschaft Marc Bühlmann

1. Einleitung Die sich Anfang des 19. Jahrhunderts durchsetzende Idee der Repräsentation (z. B. Locke 1974 [1690]) verhalf der Demokratie zwar zu ihrem Siegeszug – Volksgesetzgebung wurde damit auch in grossen Flächenstaaten möglich und blieb nicht länger nur Utopie romantisch verklärter, längst vergangener Kleinststaaten (Buchstein 2013).1 Repräsentative Demokratie geht aber unweigerlich einher mit einer Dichotomie der beiden zentralen Akteursgruppen: den Repräsentierten auf der einen und den Repräsentierenden auf der anderen Seite – in reichlich populistischer Manier auch als Konflikt zwischen «Elite» und «Basis» oder zwischen «Classe politique» und «Volk» stilisiert.2 Dass das Verhältnis dieser beiden Akteursgruppen spannungsreich ist – wie im Titel des Beitrags angedeutet – ist eine Conditio sine qua non für eine funktionierende Demokratie. Harmonische – als Gegenteil zu spannungsreichen – Beziehungen zwischen Herrschenden und Beherrschten funktionieren entweder in romantischen oder dogmatischen

1

Für wertvolle Hinweise und weiterbringende Kritik bedanke ich mich herzlich bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Workshops zum Buch vom 20. Oktober 2017 in Bern. Ein besonderer Dank gebührt zudem dem Herausgeber sowie Anja Heidelberger.

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Die reichlich befrachteten Begriffe «Elite», «Basis», «Classe politique» oder «Volk» werden in diesem Artikel in Anführungszeichen verwendet.


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132  «Elite» gegen «Basis» Staatsideen oder werden in Diktaturen erzwungen. Real existierende, lernende – im Sinn von sich verändernden Umständen anpassende – demokratische Staatsgebilde sind hingegen auf ständigen und mitunter konfliktreichen Austausch von Argumenten angewiesen. Dies gilt insbesondere für das politische System der Schweiz: Mit der direkten Demokratie ist ein Kanal für den Austausch von unterschiedlichen Argumenten zwischen Stimmbevölkerung und Parlament auch zwischen den Wahlterminen institutionalisiert. Freilich findet das Adjektiv «spannungsreich» im medial vermittelten öffentlichen Diskurs eine weniger positiv konnotierte Verwendung. Etwas plakativ lassen sich zwei Narrative nachzeichnen (siehe Bühlmann 2015a, b), deren Virulenz in der Geschichte des schweizerischen Bundesstaats einen wellenförmigen Verlauf nimmt. Auf der einen Seite wird eine Überlastung der politischen «Elite», ja des politischen Systems als Ganzes durch zu grosse Ansprüche seitens der Bürgerinnen und Bürger beklagt (z. B. Koller 2014). In der Schweiz war und ist diese Kritik stark verknüpft mit der Nutzung direktdemokratischer Instrumente. Sie ist auch vor dem Hintergrund der Schwächung beziehungsweise Machthemmung des Parlaments durch direktdemokratische Vetomöglichkeiten zu verstehen (Vatter 2014: 375).3 Auf der anderen Seite wird das Verhältnis zwischen den beiden Gruppen als zu wenig eng kritisiert. Die Repräsentierenden nähmen die Anliegen der Repräsentierten nicht genügend wahr und würden deshalb nicht oder zu wenig responsiv handeln. Repräsentation, verstanden als substanzielle Vertretung von Präferenzen (Mansbridge 2003), werde von einer «Classe politique» unterlaufen, die den «Volkswillen» nicht mehr vertrete (für eine Übersicht siehe Merkel 2015; Merkel und Ritzi 2017). Sind diese Vorwürfe berechtigt? Kann tatsächlich eine Überlastung des Parlaments durch die direkte Demokratie festgestellt werden? Zeigt sich

3

Mit der Kritik der Überlastung des Systems ist häufig der Vorwurf einer Überforderung der Bürgerinnen und Bürgern verknüpft. Die Skepsis gegenüber der Kompetenz der Stimm- und Wahlbevölkerung basiert mindestens implizit auf der elitistischen Idee, dass politische Amtsträgerinnen und Amtsträger besser befähigt seien, Lösungen für politische Probleme zu finden (Brennan 2016). Da in diesem Beitrag das Parlament im Fokus steht, wird auf die Kritik an der Problemlösungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger nicht eingegangen.


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2.  Die Nutzung der direkten Demokratie

in der Tat ein immer grösser werdender Graben zwischen Repräsentanten und Repräsentierten? Oder lässt sich vielmehr ein zwar konfliktreicher, aber durchaus bereichernder Austausch zwischen (Stimm-)Bürgerschaft und Parlament beobachten, dessen Grad an Spannungsreichtum auch politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen geschuldet ist? Die Diskussion dieser Fragen ist Gegenstand dieses Beitrags. Sie stützt sich auf eine Beschreibung der langfristigen Entwicklung des Verhältnisses zwischen Parlament und Bevölkerung, wie es sich in direktdemokratischen Verfahren widerspiegelt. Mithilfe einer Analyse der Nutzung der Instrumente der direkten Demokratie wird vor allem die These der Überlastung des Parlaments untersucht, während die Entfremdung zwischen Repräsentierten und Repräsentierenden auf der Basis des Outputs von Urnenabstimmungen beziehungsweise der Interessenkongruenz im Sinn der substanziellen Repräsentation analysiert wird. Die Analysen zeigen, dass das Verhältnis in der Tat stets spannungsreich war, dass aber weder von einer Überlastung noch von zunehmender Entfremdung gesprochen werden kann: Die historische Betrachtung legt vielmehr den Schluss nahe, dass das Parlament selber auf unterschiedliche Weise die Nutzung direktdemokratischer Instrumente beeinflusst und diese sozusagen mitsteuert, dass dies aber nicht zu zunehmender Entfremdung, sondern im Gegenteil sogar eher zu grösserer inhaltlicher Übereinstimmung zwischen Parlament und Stimmbevölkerung geführt hat.

2.  Die Nutzung der direkten Demokratie – zunehmende Überlastung des Systems? Der nachfolgende Abschnitt dient erstens einer historischen Aufarbeitung der Nutzung der direkten Demokratie. Es lassen sich grob sieben Phasen unterscheiden, in denen die über die Zeit kontinuierliche Zu­­ nahme an direktdemokratischen Abstimmungen als Zeichen einer gesteigerten Nachfrage gedeutet werden kann, die sich durch gesellschaftliche, parteisystemische und politische Entwicklungen erklären lässt. Zweitens werden zwei alternative Erklärungsversuche der zunehmenden Nutzung direkter Demokratie diskutiert, die nahelegen, dass die Gleichsetzung der über die Zeit stark wachsende Zahl an Urnengängen mit einer Überlastung des Parlaments zu kurz greift.

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134  «Elite» gegen «Basis» 2.1  Unterschiedliche Phasen der Nutzung direkter Demokratie

Wie spannungsreich das Verhältnis zwischen Parlament und Stimmbevölkerung ist, lässt sich nicht zuletzt anhand der Nutzung des direktdemokratischen Instrumentariums eruieren. Als Indikator dient die Anzahl der Volksabstimmungen pro Jahr. Deren Zunahme gilt als Bestätigung für die aus einer elitistischen Demokratievorstellung (Schumpeter 2005 [1942]) vorgebrachte Warnung vor einer Überlastung des politischen Systems. Freilich lässt sich der Gebrauch des direktdemokratischen Instrumentariums auch vor dem Hintergrund des Vorwurfs an die politische «Elite», sich ohne Korrektiv über die Bevölkerung hinwegzusetzen, interpretieren. Je inkongruenter die Entscheidungen der «Elite» mit den Präferenzen der Bevölkerung sind, desto häufiger werden Korrekturen in der Form von direktdemokratischen Abstimmungen angestrebt. In der Tat ist in Abbildung 1 auf den ersten Blick zwischen 1848 und 2016 eine deutliche Zunahme der Abstimmungen pro Jahr festzustellen. In dieser Zeit kamen insgesamt 624 Vorlagen zur Abstimmung.4 Gab es im 19. Jahrhundert zahlreiche Perioden mit Jahren ohne Volksabstimmungen, nahm die Zahl der Urnengänge nach dem zweiten Weltkrieg – 1943 ist das letzte Jahr, in dem keine einzige Volksabstimmung stattfand – und insbesondere ab den 1970er-Jahren deutlich zu. Mit groben Pinselstrichen lässt sich Abbildung 1 in sieben Phasen unterteilen, die jeweils durch spezifische politische und gesellschaftliche Veränderungen und/oder durch für die Belange dieses Beitrags zentrale institutionelle Reformen geprägt werden (für eine fast identische Einteilung der Entwicklung des Parteiensystems siehe Gruner 1977 und Vatter 2014). Die Chronologie der Nutzung der direkten Demokratie während dieser sieben Phasen soll das angeblich spannungsreiche Verhältnis zwischen Parlament und Stimmbevölkerung skizzieren und der Frage nachgehen, wie sich der wachsende Gebrauch direktdemokratischer Instrumente erklären lässt. Leitende These ist, dass den jeweiligen Phasen inhärente, unterschiedliche politische und gesellschaftliche Prozesse mitursächlich sind für den zunehmenden Gebrauch direktdemokratischer Instrumente.

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Die Abweichung zu den Zahlen der Bundeskanzlei (BK; total 609 Vorlagen) erklärt sich durch den Umstand, dass die BK die Gegenentwürfe zu Volksinitiativen nicht als eigene Vorlage zählt.


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2.  Die Nutzung der direkten Demokratie Abbildung 1: Anzahl Abstimmungsvorlagen pro Jahr, 1848–2016 16 14 12 10 8 6 4 2 1852

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1860

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1993

1997

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2005

2009

2013

2016

1904

1848 1905 1961

0

16 14 12 10 8 6 4 2 0

16 14 12 10 8 6 4 2 0

Quelle: Swissvotes (2017).

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136  «Elite» gegen «Basis» Phase 1 von 1848 bis 1874: (Kultur-)Kampf um mehr Volksrechte

Es mag zunächst wenig erstaunen, dass in der Phase von 1848 bis zur ersten Verfassungsrevision von 1874 – erst dann wurde das fakultative Referendum eingeführt – kaum Volksabstimmungen stattfanden. Dass es allerdings unter der Oberfläche brodelte und die Beziehung zwischen Parlament und Bevölkerung alles andere als rosig gewesen zu sein scheint, zeigt der Umstand, dass lediglich eines der neun obligatorischen Referenden im Jahr 1866 von Volk und Ständen gutgeheissen worden war.5 Im Abstimmungskampf standen weniger die einzelnen Vorlagen als vielmehr die gesamten Revisionsbemühungen, die eine Zentralisierung zum Ziel hatten, im Mittelpunkt (Linder et al. 2010: 22 ff.). Die KatholischKonservativen, flankiert von den Radikalen und den Demokraten, kritisierten nicht nur die Abkehr vom Föderalismus, sondern auch, dass mit den Revisionen die immer lauter werdende Forderung nach einem Ausbau der Volksrechte nicht aufgenommen worden war. Um dem «Bundesbaronenthum eine deutliche, unzweifelhafte Antwort zu geben» (Nationalrat Wilhelm Klein, zitiert nach Linder et al. 2010: 23), wurde gar eine Unterschriftensammlung zur Abschaffung des Parlaments lanciert. Auf der anderen Seite äusserten die regierenden Liberalen, angeführt von Alfred Escher, ihre Skepsis gegenüber mehr direkter Demokratie: Gefährdet würde dadurch der «planmässige nationale Fortschritt» und die «geistige und materielle Entwicklung» (NZZ vom 10.1.1866, zitiert nach Linder et al. 2010: 23). Phase 2 von 1875 bis 1891: Das fakultative Referendum entpuppt sich als scharfe Waffe

Das 1874 mit der Verfassungsrevision dann doch eingeführte und durchaus als Kompensation für die zunehmende Zentralisierung gedachte Instrument des fakultativen Referendums entpuppte sich in der Folge als scharfe Waffe. Zwischen 1875 und 1891 – zur Zeit der «konservativen Referendumsstürme» (Vatter 2014: 519) – wurde an der Urne über 27 Begehren abgestimmt. Dabei wurden nurmehr zwei der acht obligatorischen Referenden abgelehnt, aber von den 19 fakultativen Referenden waren nicht weniger als 13 erfolgreich. Dies stellt eine Erfolgsquote (68 %) 5

Der Beschluss, die Festsetzung von Mass und Gewicht zur Bundessache zu erheben, wurde zwar von einer Bevölkerungsmehrheit angenommen, verpasste aber das Ständemehr.


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2.  Die Nutzung der direkten Demokratie

dar, die weit über dem Durchschnitt aller Jahre liegt (43 %). Dass das Konfliktpotenzial zwischen den politischen Repräsentanten und den sich langsam in Parteien organisierenden Repräsentierten also nach wie vor hoch war, zeigen zwei Umstände: Erstens stammten die Urheber der fakultativen Referenden überwiegend aus dem konservativen oder dem sich langsam entwickelnden sozialistischen Lager.6 Zweitens wurde in diesen 17 Jahren gegen jeden siebten dem Referendum unterstehenden Bundesbeschluss des Parlaments das fakultative Referendum ergriffen (siehe Abb. 4). Phase 3 von 1892 bis 1919: Die politische Polarisierung wirkt sich (noch) nicht auf den Gebrauch der direkten Demokratie aus

Obwohl die Volksinitiative im Jahr 18917 eingeführt worden war, wurde sie erst ab den 1920er-Jahren vermehrt genutzt. Dies hatte zum einen damit zu tun, dass für das fakultative Referendum eine unmittelbarere Wirkung vermutet wurde. Die Einsicht, dass sich mit Volksinitiativen – auch mit abgelehnten – Handlungsbedarf aufzeigen und Gesetzgebung anregen lässt, setzte sich erst allmählich durch. Zum anderen spielten gesellschafts- und weltpolitische Faktoren eine Rolle. Die Einbindung der Katholisch-Konservativen in den Bundesrat und das Erstarken der Sozialdemokratischen Partei (SP) führte zum Entstehen eines Bürgerblocks, der die politische Opposition mehr oder weniger der Linken überliess (Maissen 2015: 235). Die Katholisch-Konservativen verzichteten in dieser Phase auf fakultative Referenden (siehe Abb. 2). Zahlreiche 6

Bei 14 der 19 Referenden lassen sich die Urheber eruieren. Siebenmal war der Eidgenössische Verein am Referendum beteiligt, ein 1875 aus protestantisch-konservativen Kreisen gegründeter Verein, der sich für Glaubensfreiheit und gegen die Ausdehnung der Staatstätigkeit einsetzte (Moser 2002); fünfmal standen die Katholisch-Konservativen und dreimal der Grütliverein, der 1901 mit der SP fusionierte, Paten für ein Gesetzesveto. Genfer Bankiers, Zürcher Spinnereifabrikanten, Alkoholbrenner sowie Uhrenexporteure machten sich das fakultative Referendum in dieser Phase ebenfalls zunutze (siehe Tab. 1 und Abb. 2).

7

Bereits die 1872 gescheiterte Verfassungsrevision hätte eigentlich die Volksinitiative vorgesehen, aber die «Tradition einer Aufklärung von oben und das Misstrauen gegen die Emanzipation des Volkes» (Graber 2017: 177) liessen nur einen sehr zögerlichen Ausbau der Volksrechte zu (siehe auch Kölz 2004).

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138  «Elite» gegen «Basis» Arbeitskämpfe und Streiks sowie eine «zunehmend schrille Dämonisierung der Linken» (Tanner 2015: 101) leisteten zwar einer zunehmenden Polarisierung Vorschub, diese manifestierte sich aber vorerst nur bedingt in einer stärkeren Nutzung der direkten Demokratie. Es handelte sich bei fast der Hälfte (18) der 41 in dieser dritten Phase zur Abstimmung gelangten Vorlagen um obligatorische Referenden. Von den zehn zwischen 1892 und 1919 abgestimmten Volksinitiativen waren gleich deren drei erfolgreich (Schächtverbot, Absinthverbot und Einführung der Proporzwahl). Diese Erfolgsquote von 30 Prozent sollte später in keiner Phase mehr erreicht werden. Phase 4 von 1920 bis 1939: Die Volksinitiative gewinnt an Bedeutung und gerät sogleich unter Beschuss

Die stärkere Nutzung des direktdemokratischen Instrumentariums in der Zwischenkriegszeit fusste auf den wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Folgen des Ersten Weltkrieges. Mitursächlich waren die sich in den Landesstreiks kumulierenden Arbeitskonflikte und die Einführung der Proporzwahl. Zudem erhöhte sich durch die relativ rasch wieder prosperierende Wirtschaft der Fachkräftemangel, was zu vermehrter Zuwanderung und einem zunehmenden Gefühl der «Überfremdung» führte – ein Begriff, der 1912 von Bundesrat Ludwig Forrer erstmals verwendet wurde (Maissen 2015: 251). Gleichzeitig zog die Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre am Horizont auf. Zwischen 1920 und 1939 hatte die Stimmbevölkerung über 55 Vorlagen (20 Initiativen und 5 Gegenvorschläge; je 15 fakultative bzw. obligatorische Referenden) zu entscheiden. Die häufigere Nutzung der Volksinitiative wurde von den bürgerlichen Parteien stark kritisiert.8 In der Tat wurde das neue Instrument sowohl von xenophob-nationalistischen Kreisen (von den Republikanern, den Frontisten, 8

Bereits bei der Einführung der Volksinitiative wurde vor «hirnwütigen und überspannten Projekten» gewarnt (Linder et al. 2010: 71). Rund 30 Jahre später wurden zwei Motionen (Brügger, Maillefer) eingereicht, die den Bundesrat auffordern, den Missbrauch des Initiativrechts einzuschränken (AB NR, 1923: 39 ff.). Die Initiative sei nicht dazu da, «um als Plattform für sozialistische Propaganda zu dienen». Beide Motionen wurden im Parlament zwar abgelehnt, aber in seiner Botschaft zur Revision des Verfahrens bei Initiativund Referendumsbegehren kritisierte auch der Bundesrat 1935 eine «wahre Überproduktion an Volksbegehren» (BBl. 1935 II 489).


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2.  Die Nutzung der direkten Demokratie

den Faschisten oder der Heimatwehr) als auch von der Linken (Sozialdemokratische Partei, links-pazifistische Gruppen, Kommunistische Partei) benutzt. Zudem begannen auch die Verbände (Verkehrsverbände, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaftsbund) zunehmend mit Volksbegehren für ihre Anliegen zu werben (siehe Abb. 2). Der direkte Erfolg blieb zwar mit Ausnahme der beiden Spielbankeninitiativen – das 1920 per Volksinitiative beschlossene Verbot wird 1928 per Volksinitiative wieder aufgehoben – aus, allerdings wurden vier der fünf Gegenvorschläge angenommen. Die Suche nach einem Kompromiss zwischen Initiantinnen und Initianten auf der einen und Parlament auf der anderen Seite zeigte sich damit von Beginn weg als recht Erfolg versprechend für bestimmte Anliegen. Erfolg hatten in dieser Phase nach wie vor die fakultativen Referenden: elf der 15 bekämpften Bundesbeschlüsse wurden abgelehnt, drei dieser erfolgreichen Referenden waren von der Linken ergriffen worden; allerdings waren auch zwei der vier erfolglosen Referenden von der Linken lanciert worden. Die allerdings im Vergleich zu den Volksinitiativen eher schwächere Nutzung des fakultativen Referendums dürfte auch mit dem Dringlichkeitsrecht zusammenhängen, mit dem die Regierung und das Parlament zwischen 1919 und 1939 mehr als 150 Beschlüsse dem Referendum entzogen hatten. Gegen dieses Dringlichkeitsrecht wurden ab 1938 mehrere Begehren lanciert, aber erst 1949 wurde es dank einer Volksinitiative gänzlich abgeschafft (Linder et al. 2010: 184; Tanner 2015: 559). Dass sich allerdings langsam eine Beruhigung im Verhältnis zwischen Parlament und parteilich und verbandlich organisierter Stimmbevölkerung bemerkbar machte, zeigt sich bei den obligatorischen Referenden: Lediglich zwei der 15 Vorlagen wurden von Volk und Ständen abgelehnt. In diese Phase fiel die Einbindung des Bauernstands in den Bürgerblock. Diese war interessanterweise – anders als bei den Katholisch-Konservativen – kein unmittelbares Resultat der Nutzung der direkten Demokratie, sondern eher eines Blockdenkens, das Antisozialismus und ein «ausgeprägt nationales Selbstverständnis» (Maissen 2015: 253) kombinierte. Phase 5 von 1940 bis 1969: Konsens und Kompromiss dank «nationalen Schulterschlusses»

In der Zeit um den Zweiten Weltkrieg begann sich langsam abzuzeichnen, was Tanner (2015: 161) das «parteipolitische Kräfteparallelogramm» nennt, «dessen Vektor längerfristig und unterstützt durch die Mechanis-

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140  «Elite» gegen «Basis» men der direkten Demokratie in Richtung Konsens und Kompromiss zu wirken begann». Die klassengesellschaftliche Polarisierung nahm langsam ab, was bei der Suche nach «Alternativen zu Weltwirtschaftskrise (Kapitalismus), Revolution (Sozialismus) und gewaltsamer Gleichschaltung (Faschismus)» (Maissen 2015: 258) zu vermehrter Zusammenarbeit im Parlament führte. Der Beginn einer stabilen Sozialpartnerschaft, das Bekenntnis der SP zur Landesverteidigung und der Verzicht auf die Diktatur des Proletariats in ihrem Parteiprogramm (Tanner 2015: 230) führten nach einigen Hindernissen schliesslich auch zur Einbindung der Linken in die Regierungsverantwortung. Die schwache Nutzung der direktdemokratischen Instrumente zu Beginn dieser Phase ist dem «Burgfrieden» während der Kriegsjahre und der einenden Idee der geistigen Landesverteidigung geschuldet (Maissen 2015: 263): In den Kriegsjahren hatte die Stimmbevölkerung lediglich über sieben Vorlagen zu bestimmen. Zwei der vier fakultativen Referenden und keine der drei Volksinitiativen waren erfolgreich. Zwischen Kriegsende und 1970 wurde die Bevölkerung dann in wachsender Regelmässigkeit an die Urne gerufen. Von den 82 vorgelegten Vorlagen sind 35 obligatorische Referenden, die in fast drei Vierteln der Fälle angenommen wurden. Weniger Unterstützung erhielten die Behörden bei den 23 Bundesbeschlüssen, die in 14 Fällen erfolgreich mit dem fakultativen Referendum bekämpft wurden. Besonders erfolgreich erwies sich hier der Landesring der Unabhängigen (LdU, gegründet 1936), eine neue Oppositionskraft, die vor allem Konsumenteninteressen vertrat: Vier der erfolgreichen fakultativen Referenden gingen auf Bestrebungen des LdU zurück. Zum Vergleich: Die SP lancierte in dieser Phase lediglich einmal ein fakultatives Referendum, das ebenfalls Erfolg hatte. Wenig direkten Erfolg hatten die 18 Volksinitiativen, über die in dieser Zeit abgestimmt wurde. Lediglich eine fand Gehör bei Volk und Ständen: die von Waadtländer Freisinnigen und Liberalen angestrebte definitive Beseitigung der Dringlichkeitsrechte.9 Der LdU war auch bei der Nutzung der Volksinitiative aktiv. Viermal sammelte er erfolgreich Unterschriften. Auch die Linke nutzte das Volksbegehren – auch noch nach 1959, also nach der definitiven Einbindung in die Landesregierung und dem Beginn der sogenannten Zauberformel. Die SP war

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Die Volksinitiative «zum Schutz der Mieter und Konsumenten» erhielt das Volks-, nicht aber das Ständemehr.


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2.  Die Nutzung der direkten Demokratie

Urheberin von fünf und die Partei der Arbeit (PdA) und der Gewerkschaftsbund von je einem Volksbegehren. Gegen Ende der fünften Phase wurden zudem vom Bund für Naturschutz erste Umweltanliegen lanciert. Phase 6 von 1970 bis 1989: Unmut gegen Machtstrukturen bricht sich auch dank direkter Demokratie Bahn

Tanner (2015: 373 ff.) macht in der Nachkriegsphase ein durch Wirtschaftswachstum und kalten Krieg geprägtes «goldenes Zeitalter der wirtschaftlichen ‹Festung Schweiz›» aus: Die «Wirtschaftselite» war derart stark mit der Politik verflochten, dass «eine Kritik an der asymmetrischen Machtstruktur» praktisch nicht stattfand und dass die «linke Sichtweise (…) gegen die dominante Deutung eines bürgerlichen Erfolgsmodells Schweiz (…) nicht ankam» (siehe auch Kriesi 1980). In der Tat konzentrierte sich die «Macht auf eine kleine Gruppe von Akteuren»: Mit der «gleichzeitige(n) Ausübung von Führungspositionen in Wirtschaft und Politik – von Offizierspositionen in der Armee ganz zu schweigen» – wehrte sich diese «Wirtschaftselite» auch lange Zeit erfolgreich gegen eine Professionalisierung des Parlaments (Mach et al. 2017: 103; siehe auch Pilotti 2017). Damit staute sich aber auch ein «Unbehagen» auf (Tanner 2015: 376), das sich nicht nur in Protesten der 68er-Bewegung Bahn brach, sondern sich auch immer stärker institutionalisiert politisch und eben auch direktdemokratisch manifestierte. Die mit Modernisierung und Bevölkerungswachstum verknüpften neuen Probleme – zum Beispiel zunehmende Mobilität, gesteigerter Land- und Ressourcenverbrauch, wachsende Nachfrage nach sozialer Unterstützung und gesundheitlicher Versorgung – trugen zu einem wachsenden Meinungspluralismus bei und boten neuen «Protestkulturen» (Tanner 2015: 384) Nahrung. Umweltschutzanliegen (z. B. Waldsterben), wachsende Skepsis gegenüber technischer Machbarkeit (z. B. Atombewegung) oder Aufbegehren gegen alte Strukturen (z. B. Feminismus) liessen zahlreiche neue soziale Bewegungen entstehen, die sich zum Teil als neue Linke und als Grüne auch im Parteiensystem organisierten. Auch weil die seit dem Zweiten Weltkrieg präsente Links-rechts-Polarisierung vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs nach wie vor manifest war, kam es fast gleichzeitig zu einer «(Gegen-)Mobilisierung von rechts (…), die sich am Phantom einer ‹Überfremdung› der Schweiz kristallisiert» (Tanner 2015: 396). Die Wirkung dieser neuen Bewegungen wurde durch die Möglichkeiten der direkten Demokratie nachgerade befeuert (Kriesi 1995).

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142  «Elite» gegen «Basis» Es kann deshalb nicht erstaunen, dass in dieser Phase ein ausserordentlich starker Anstieg der Anzahl nationaler Volksabstimmungen zu verzeichnen ist. Gab es zwischen 1940 und 1970 noch Urnengänge zu 88 Vorlagen, wurde die Bevölkerung zwischen 1970 und 1990 für 148 Entscheide an die Urne gerufen. Am stärksten nahm in dieser Phase der Gebrauch der Volksinitiative zu, was angesichts der beschriebenen Interessen-Pluralisierung ebenfalls wenig überraschend ist. Im Vergleich zu Phase 5 konnten die Stimmbürger und neu auch die Stimmbürgerinnen dreimal häufiger zu Volksbegehren Stellung nehmen (Phase 5: durchschnittlich 0,7 Initiativen pro Jahr; Phase 6: durchschnittlich 2,4 Initiativen pro Jahr). Eine starke Zunahme ist auch bei den obligatorischen (Phase 5: 1,1; Phase 6: 3,0) und etwas weniger stark bei den fakultativen Referenden (Phase 5: 0,8; Phase 6: 1,4) zu verzeichnen. Ersteres ist auf den stark zunehmenden Regelungsbedarf zurückzuführen (Vatter 2014: 399 f.). Ein beredtes Zeichen für die starke thematische Ausdifferenzierung der direktdemokratischen Belange stellen die Resultate einer Analyse der Themen der Abstimmungsvorlagen dar.10 Standen in Phase 5 noch bei jeder vierten Abstimmung Wirtschaftsthemen zur Debatte (25 % aller in dieser Phase abgestimmten Vorlagen können dem Thema «Wirtschaft» zugeordnet werden), war dies zwischen 1970 und 1990 nur noch bei jeder siebten Vorlage der Fall (13,5 %). Jede zehnte Abstimmung (9,5 %) betraf neu allerdings Umweltanliegen – ein Thema, das vor 1970 praktisch gar nicht und vor 1950 überhaupt nicht vorkam. Eine starke Zunahme im Vergleich zur vorherigen Phase verzeichnet auch die Sozialpolitik (Phase 5: 5,7 %; Phase 6: 16,9 %), wobei hierzu auch die Migrationspolitik gezählt wird (9 von 25 Vorlagen betreffen Migrationsthemen). Von den total 47 Volksinitiativen und 28 fakultativen Referenden während dieser Phase stammten elf beziehungsweise sieben von der (neuen) Linken und sieben beziehungsweise eines von rechten Parteien. Aktiv waren aber auch verschiedene Verbände (15 Initiativen, 9 Referenden) und Komitees (13 Initiativen, 7 Referenden), die teilweise auch als sozi10 Die Auswertungen stützen sich auf die Themenzuteilung von Swissvotes. Unterschieden werden dort zwölf Themen: Staatsordnung; Aussenpolitik; Sicherheitspolitik; Wirtschaft; Landwirtschaft; Öffentliche Finanzen; Energie; Verkehr und Infrastruktur; Umwelt und Lebensraum; soziale Fragen – Sozialpolitik; Bildung und Forschung; Kultur; Religion und Medien (Swissvotes 2017).


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2.  Die Nutzung der direkten Demokratie

ale Bewegung verstanden werden können. Der LdU stand Pate für eine Volksinitiative und vier fakultative Referenden (siehe Abb. 2). Phase 7 von 1990 bis 2016: Meinungspluralismus und Professionalität nehmen bisher ungekannte Formen an

Ein grösser werdender Meinungspluralismus und eine Ausdifferenzierung von Präferenzen machten sich nicht nur im Parlament, sondern auch in der ausserparlamentarischen Arena bemerkbar. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte man vorwiegend wirtschaftliche, also klassisch eindimensional links-rechts polarisierende Kämpfe mit der direkten Demokratie ausgefochten. Zwischen 1970 und 1990 waren vor allem ökologische Themen hinzugestossen und ab den 1990er-Jahren erweiterte sich nicht nur die bisherige Eindimensionalität des politischen Raums, sondern nahm auch die Unterschiedlichkeit der insbesondere mit Volksinitiativen vorgebrachten Themen noch einmal zu (Leeman 2015). Die «noch nie dagewesene Skandalisierungskaskade» (Tanner 2015: 466) zu Beginn der 1990er-Jahre wirkte dabei zusätzlich dammbrechend. So betrieb die SVP «Empörungsbewirtschaftung» (Tanner 2015: 468) im Fall Kopp, und der Fichenskandal gab linken Gruppierungen Auftrieb, was sich etwa in der Armeeabschaffungsinitiative oder dem Kulturboykott bei der 700-JahrFeier zeigte. Der dadurch ausgehobene Graben, der den Wunsch einer modernen, offenen Schweiz vom konservativen Sonderfalldenken trennte, wurde durch den Umstand noch verbreitert, dass die Aussenpolitik in dieser Phase immer stärker in den Fokus politischer Auseinandersetzungen geriet (Klöti et al. 2005; Sciarini et al. 2002). Mehr als die Hälfte aller aussenpolitischen Abstimmungsvorlagen stand zwischen 1990 und 2016 zur Abstimmung. Vorher waren politische Fragen der Aussenpolitik «systematisch (…) in wirtschaftliche oder kulturelle, vor allem aber technische Probleme umgewandelt [worden], womit sie dann einer ‹unpolitischen› technokratischen Lösung zugeführt werden konnten» (Tanner 2015: 376). Die sich stark professionalisierende SVP organisierte nicht nur die neokonservative Strömung, sondern verknüpfte diese mit der Idee eines nationalen Alleingangs und einer neutralitätspolitisch verankerten Ab­­ schottung gegen alles Fremde (Kriesi et al. 2005). Der Kampf gegen die aussenpolitische Öffnung, aber auch gegen das als «Classe politique» verunglimpfte politische Establishment, der von der Volkspartei immer häufiger mit direktdemokratischen Mitteln geführt wurde, brachte der sich

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144  «Elite» gegen «Basis» nach rechts bewegenden SVP bisher so nicht für möglich gehaltene Wahlerfolge: Lag ihr Wähleranteil 1991 noch bei rund 12 Prozent, wählten 2015 fast 30 Prozent aller Wahlberechtigten die Volkspartei. Die «innenpolitischen Auseinandersetzungen darüber, wie die Schweiz auf äussere Herausforderungen reagieren soll» (Maissen 2015: 330), führten zu einer zunehmenden parteipolitischen Polarisierung und zu Machtverschiebungen in der Regierung. Die kurze Phase der Opposition der SVP nach der Nichtbestätigung von Christoph Blocher als Bundesrat (2007) beziehungsweise die Phase der Untervertretung in der Regierung (bis 2016) ging mit einer noch häufigeren Nutzung von Initiative und Referendum einher (Vatter 2014: 207). Als Folge davon, und die Polarisierung noch verstärkend, hielt auch die SP in dieser Phase nicht mit der Lancierung von Referenden und Volksbegehren zurück. Damit betrieben nun zwei Regierungsparteien fallweise Opposition. Schliesslich wurde die «basale transnationale Verflochtenheit nationaler Problemlagen (…) mit zunehmender Verrechtlichung und Forma­ lisierung verschiedener Lebensbereiche und Interaktionsfelder (noch) engmaschiger» (Tanner 2015: 550). Damit wuchs auch der Wunsch, diese Veränderungen – je nach ideologischer Position – mitzugestalten oder aber aufzuhalten. All diese Entwicklungen machten sich im Parlament bemerkbar. Ein beredtes Zeugnis dafür ist nicht nur die zunehmende Gesetztätigkeit, sondern auch die seit den 1990er-Jahren deutlich steigende Zahl an parlamentarischen Vorstössen (Bühlmann 2015b). Die zunehmende Professionalisierung des Parlaments (Pilotti 2017), die der seit den 1970erJahren immer deutlicher werdenden «Zeit-, Sachkunde- und Entscheidungsnot des Milizparlamentes» (Vatter 2014: 263) begegnete, fand Ausdruck in den umfassenden Parlamentsreformen der 1990er-Jahre. Diese stärkten die Stellung des Parlaments gegenüber der Exekutive (Lüthi 2009) und gaben den Repräsentierenden die notwendigen Mittel an die Hand, um den wachsenden inner- und ausserparlamentarischen Ansprüchen zu begegnen. Diese gesellschaftlichen und parteipolitischen Entwicklungen führten dazu, dass in dieser Phase mit Abstand am meisten Abstimmungen zur Entscheidung gebracht wurden: Im Schnitt hatte sich die Stimmbevölkerung im letzten Vierteljahrhundert über 9,7 Vorlagen pro Jahr zu äussern. Zum Vergleich: In der gesamten Zeitspanne, also zwischen 1848 und 2016, kommt der Jahresschnitt bei 3,7 Vorlagen zu liegen. Sowohl die 4,3 Volksinitiativen pro Jahr als auch die 3,1 fakultativen Referenden pro Jahr


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2.  Die Nutzung der direkten Demokratie

in dieser siebten Phase bedeuten einen Rekord, nicht aber die 1,8 obligatorischen Referenden und die 0,5 Gegenvorschläge (siehe Tab. 1). Eine genauere Betrachtung der Urheber und Urheberinnen der fakultativen Referenden und der Volksinitiativen zeigt, dass nach wie vor die SP virtuos auf der direktdemokratischen Klaviatur spielte: 20 Prozent der fakultativen Referenden und 18 Prozent der Volksbegehren stammten von den Genossinnen und Genossen. Zum ersten Mal mischte allerdings auch die SVP mit, die für fast 10 Prozent aller Initiativen und 7,5 Prozent aller fakultativen Referenden in diesen rund 25 Jahren verantwortlich ist. Obwohl sich in dieser Phase mit Ausnahme der BDP alle Parteien der direkten Demokratie bedienten, fällt die starke Nutzung der Oppositionsinstrumente durch Verbände und Komitees auf. Mehr als die Hälfte der Volksinitiativen und immerhin 45 Prozent der fakultativen Referenden wurden nicht von Parteien lanciert. Dies spricht gegen die weitverbreitete These, dass in jüngerer Zeit das direktdemokratische Instrumentarium vor allem als Plattform für Parteienanliegen ge- beziehungsweise missbraucht werde (siehe dazu auch Caroni und Vatter 2016). Bei der Betrachtung der Inhalte der Abstimmungsvorlagen in der siebten Phase zeigt sich, dass nicht nur die Aussenpolitik im Vergleich zu früher an der Urne eine stärkere Beachtung fand. Auch die Infrastrukturpolitik (Verkehr, Energie) sowie die Sozial- und Migrationspolitik standen zwischen 1990 und 2017 wesentlich stärker im Fokus als jemals zuvor. Auch für diese Politikfelder gilt wie für die Aussenpolitik: Mehr als die Hälfte der Abstimmungen zu diesen Themen fanden in der siebten Phase statt.

2.2  Zunehmende Nutzung – aber auch Überlastung? Zwei Klärungsversuche

Zwei Aspekte können den zunehmenden Gebrauch direktdemokratischer Institutionen zumindest partiell erklären und gleichzeitig ein dickes Fragezeichen hinter die These der zunehmenden Überlastung des Parlaments durch die direkte Demokratie setzen: Erstens generieren wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen neue Konfliktlinien, die von politischen Interessen aufgenommen und organisiert werden (Bartolini und Mair 1990). Diese Konflikte werden vom Parlament selber in unterschiedlicher Weise eingebunden oder eben nicht, was wiederum unterschiedliche Grade an Nutzung direkter Demokratie, insbesondere der Volksinitiative, aber auch des fakultativen Referendums nach sich zieht.

145


2 1875–1891 27 (1,6) 8 (0,5) 19 (1,1) –

5 1940–1969 88 (2,8) 35 (1,1) 26 (0,8) 21 (0,7) 6 (0,2) 3,8 14,3 0 0 3,9 28,6 0 0 38,5 28,6 23,1 23,8 30,7 4,8

4 1920–1939 55 (2,8) 15 (0,8) 15 (0,8) 20 (1,0) 5 (0,3) 6,7 0 0 0 20,0 20,0 0 0 13,3 30,0 20,0 30,0 40,0 20,0

0 0 0 0 10,7 12,8 0 0 32,1 27,7 32,1 31,9 25,0 27,7

6 1970–1989 148 (7,4) 59 (3,0) 28 (1,4) 47 (2,4) 14 (0,7) 2,5 0,9 1,3 1,8 20,0 18,0 7,5 9,9 23,8 9,9 30,0 35,1 15,0 24,3

7 1990–2016 253 (9,7) 48 (1,8) 80 (3,1) 111 (4,3) 14 (0,5) 2,2 1,9 3,9 2,9 15,6 18,7 3,3 5,3 26,1 17,2 26,1 32,5 22,8 21,5

Total 1848–2016 624 (3,7) 195 (1,2) 180 (1,1) 209 (1,2) 40 (0,2)

Anmerkungen: Lesebeispiele: * In Phase 1 (1848–1874) wurde total über zwölf Vorlagen abgestimmt (im Schnitt 0,4 Vorlagen pro Jahr); ** in Phase 3 (1892–1919) war die CVP (bzw. die Katholisch-Konservative Partei) Urheberin von 8,3 Prozent aller zwölf eingereichten fakultativen Referenden und von 40 Prozent der zwölf eingereichten Volksinitiativen. k. A. = keine Angabe: keine Zuordnung möglich (bei 17 der 180 fakultativen Referenden konnten die Urheber nicht eruiert oder nicht zugeordnet werden; diese 17 Fälle wurden der Kategorie Komitees zugeschlagen). Obl. = Obligatorische; Fak. = Fakultative; KK = Katholisch-Konservative. Quelle: Swissvotes (2017).

1 1848–1874 12 (0,4)* 12 (0,4) –

3 1892–1919 41 (1,5) 18 (0,6) Fak. Referenden 12 (ø/Jahr) (0,4) Volksinitiativen – 10 (ø/Jahr) (0,4) Gegenvorschläge – – 1 (ø/Jahr) (0,0) Urheber fakultative Referenden (in %)  Urheber Volksinitiativen (in %) FDP/Liberale – 0 0 – 0 CVP (KK) – 26,3 8,3** – 40,0 SP/Grütliverein – 15,8 16,7 – 30,0 BGB/SVP – 0 0 – 0 Andere Parteien – 15,8 33,3 – 0 Verband – 15,8 16,7 – 30,0 Komitee/k. A. – 26,3 25,0 – 0

Phase Jahre Anzahl Vorlagen (ø/Jahr) Obl. Referenden (ø/Jahr)

Tabelle 1: Anzahl und Anteil Abstimmungen sowie Urheber der fakultativen Referenden und der Volksinitiativen pro Phase

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146  «Elite» gegen «Basis»


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2.  Die Nutzung der direkten Demokratie

Zweitens sind diese gesellschaftlichen Entwicklungen auch ursächlich für eine stärkere Gesetzestätigkeit des Parlaments, was ebenfalls Einfluss auf die Anzahl Volksabstimmungen hat, wobei hier vor allem die Zahl an fakultativen und obligatorischen Referenden ansteigt. 2.2.1  Direkte Demokratie als Oppositionsinstrument

Vatter (2014: 359) bezeichnet die Volksinitiative und das fakultative Referendum als «kompensatorische ‹power-sharing›-Instrumente für ungenügend integrierte, aber organisations- und konfliktfähige Gruppen». Die direkte Demokratie dient der Opposition als Möglichkeit, in der politischen «Elite» nicht anerkannte gesellschaftliche Strömungen sicht- und hörbar zu machen. Opposition darf nicht nur mit Nichtregierungspartei gleichgesetzt, sondern soll auch als inhaltliche Gegenströmung zum Mainstream verstanden werden. Bei Betrachtung der Urheberinnen und Urheber von fakultativen Referenden und Volksinitiativen lässt sich nämlich die strukturbildende Funktion direkter Demokratie – also die These der Einbindung wichtiger Kräfte aufgrund ihrer direktdemokratisch begründeten Blockadefähigkeit (Neidhart 1970; Vatter 2014: 358) – nur bedingt nachzeichnen. Vielmehr zeigt sich, dass die Regierungsbeteiligung nur teilweise Anreiz zur Mässigung bietet (Bolliger 2007). Zwar zeigt sich für die Katholisch-Konservativen in der zweiten beziehungsweise dritten hier beschriebenen Phase durchaus ein Effekt der Einbindung durch Blockadedrohung. Die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) wurde aber auch ohne direktdemokratische Drohgebärden in die Regierung eingebunden. Die SP und seit den 1990er-Jahren auch die SVP verwenden die direktdemokratischen Instrumente trotz Regierungsbeteiligung relativ häufig. Beide benutzen also die «Arena der direkten Demokratie zur ‹fallweisen› Opposition» (Linder 2010: 420). Den Umweg über die Abstimmungsurne wählen auch die tatsächlichen Oppositionsparteien, denen eine Einbindung bisher nie gelang – als Beispiel seien die Grüne Partei und insbesondere der LdU angeführt. Nicht nur parteiliche, sondern vor allem inhaltliche Interessen, die im parlamentarischen System nicht genügend Aufnahme finden, verschaffen sich Gehör via direktdemokratisches System. Auf das Narrativ der Überforderung des Parlaments zugespitzt kann dies auch dahingehend interpretiert werden, dass das Parlament selbst darüber entscheidet, ob, auf welche Weise und wie rasch eine politische Kraft beziehungsweise eine neue politische Präferenz eingebunden wird und ergo selbst über

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148  «Elite» gegen «Basis» den Umfang direktdemokratischer Opposition befindet. Zugespitzt kann man behaupten, dass das Parlament durch sein Verhalten selber dafür verantwortlich ist, ob es überfordert wird oder nicht. Im Gegensatz zu rein repräsentativen Systemen, die neue Interessen erst einbinden, wenn eine dieses Interesse organisierende Partei stark genug ist, erhöht die direktdemokratische Komponente im halbdirektdemokratischen System der Schweiz den Druck, inhaltliche Interessen rascher zu verarbeiten. Ob dies gelingt, hängt stark von der Bereitschaft der (Regierungs-)Parteien für inhaltliche Zusammenarbeit und ihrem Gehör für neue Interessen ab. In seiner Analyse der Konkordanz in der Nachkriegszeit stellt Bolliger (2007: 483) den Parteien diesbezüglich kein gutes Zeugnis aus: Die Entwicklung von der Blüte der Konkordanz (1945–1970) hin zur herausgeforderten (1970–1985) und schliesslich zur entwerteten Konkordanz (ab 1985) haben «die Regierungsparteien (…) durch ihr zunehmend schlechteres Zusammenspiel zumindest in Kauf genommen, (…), indem sie sich in den polarisierenden Fragen unter dem Druck von politischen Herausforderern immer profilierter positioniert haben». Abbildung 2 bietet Grundlage für mindestens fünf Beobachtungen. Erstens scheint die Integration der Vorgängerin der CVP in der Tat eine Er­­ folgsgeschichte zu sein. Die Katholisch-Konservativen nutzten die direkte Demokratie nach ihrer Einbindung in die Regierung (ab 1891) effektiv überhaupt nicht mehr. Dies gilt zweitens allerdings nicht für die SP. Die Sozialdemokraten betreiben trotz Einbindung in die Regierung (definitiv ab 1959) immer wieder fallweise Opposition. Dies erklärt sich auch mit dem Umstand, dass der Linken zwar Regierungsverantwortung übertragen wird, sie aber in zahlreichen Themen keine Mehrheit findet und deshalb mehr oder weniger erfolgreich versucht, ihr wichtige Themen durch Anrufen der Bevölkerung und Umgehung des Parlaments auf die politische Agenda zu setzen. Diese Strategie findet in der letzten Phase – drittens – auch bei der SVP Anklang. Zwar stimmten viertens immer auch andere, linke wie auch rechte Oppositionsparteien in den Chor der Abstimmungsdemokratie mit ein – ins Auge sticht hier insbesondere auch der LdU. Die Verbände und verschiedenen Ad-hoc-Komitees spielen aber, fünftens, in den meisten Phasen eine wichtigere Rolle. Dies legt den Schluss nahe, dass direkte Demokratie in der Tat ein wichtiges Oppositionsinstrument ist. Wer sich von Parlaments- und Regierungspolitik ausgeschlossen oder übergangen fühlt, versucht sein Glück mit fakultativen Referenden oder Volksinitiativen. Wenn das Parlament keine inhalt-


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2.  Die Nutzung der direkten Demokratie Abbildung 2: Urheber von fakultativen Referenden und Volksinitiativen pro Phase Fakultative Referenden lanciert durch... (in % pro Phase) 40

40

30

30

20

20

10

10

0

2

3

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5

SP (Grütliverein) FDP (Liberale)

6

7

0

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CVP (KK) SVP (BGB)

3 Verband links

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5

LdU rechts

6

7

GP Komitee/k. A.

Initiativen lanciert durch... (in % pro Phase) 40

40

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20

10

10

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0 2

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SP (Grütliverein) FDP (Liberale)

5

6 CVP (KK) SVP (BGB)

7

2

3 Verband links

4

5

LdU rechts

6

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GP Komitee/k. A.

Anmerkungen: : k. A. = keine Angabe; Lesebeispiel: In Phase 2 lancierte die CVP (bzw. die KK) 26,3 % aller fakultativen Referenden und die SP 15,8 %; FDP und BGB nutzten dieses Instrument in dieser Phase hingegen nicht. Rechtsparteien und verschiedene Verbände lancierten je 15,8 % aller in dieser Phase abgestimmten Referenden und verschiedene Komitees waren verantwortlich für die Lancierung der restlichen 26,3 % aller fakultativen Referenden. Quelle: Swissvotes (2017).

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150  «Elite» gegen «Basis» liche Integration betreibt, dann dienen die Volksinstrumente nicht nur als Ventil, sondern auch als Erfolg versprechendes ausserparlamentarisches Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen. 2.2.2  Zunehmende Gesetzestätigkeit im Parlament

Gesellschaftliche und parteipolitische Veränderungen widerspiegeln sich auch im Parlament. Bei der Betrachtung der Anzahl vom Parlament be­­ schlossenen referendumspflichtigen Bundesbeschlüsse pro Jahr fällt eine Entwicklung ins Auge, die dem Trend zu einem stärkeren Gebrauch der direkten Demokratie sehr ähnlich ist.11 Von 1874 bis 1920 (Phasen 2 und 3) verabschiedete das Parlament durchschnittlich rund sieben dem Referendum unterstellte Bundesbeschlüsse pro Jahr (siehe Abb. 3). Diese Zahl stieg in allen folgenden Phasen an (1921–1939: 8,8 Bundesbeschlüsse pro Jahr; 1940–1969: 16,8) und erfuhr einen besonders starken Anstieg in den letzten beiden Phasen (1970–1989: 26,8; 1990–2016: 54,2). Die zunehmende Gesetztätigkeit des Parlaments ist wohl nicht nur den gesellschaftlichen und (partei-)politischen Veränderungen, sondern auch der legislativen Zentralisierung geschuldet (Mueller und Dardanelli 2017): Die Gesetzgebung wurde im Lauf der letzten rund 170 Jahre immer stärker auf nationaler Ebene wahrgenommen. Dies führte nicht nur zu einer starken Zunahme an politischen Entscheiden, sondern auch zu einer Zunahme der Nachkontrolle durch fakultative Referenden. Die Überlastung des politischen Systems – sollte es diese überhaupt geben – wäre also nicht alleine den Anforderungen von aussen geschuldet, sondern auch dem immer stärker wachsenden Elan von innen. Dass es nachgerade zynisch anmutet, dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier vor einer Überlastung des Systems durch eine «Initiativenflut» warnen, selber aber immer mehr Vorstösse einreichen, wurde an anderer Stelle ausgeführt (Bühlmann 2015a).

11 Eine einfache bivariate Korrelationsanalyse weist einen starken Zusammenhang zwischen Anzahl Abstimmungsvorlagen und Anzahl Bundesbeschlüssen pro Jahr nach: Pearson’s r beträgt 0,66.


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3.  Zunehmende Entfremdung der «Elite» von der «Basis»? Abbildung 3: Anzahl referendumspflichtige Bundesbeschlüsse pro Jahr, 1874–2016 80 70 60 50 40 30 20 10

2014

2004

1994

1984

1974

1964

1954

1944

1934

1924

1914

1904

1894

1884

1874

0

Quellen: Swissvotes (2017); Bühlmann (2018).

3.  Zunehmende Entfremdung der «Elite» von der «Basis»? Die historische Beschreibung des wachsenden Gebrauchs direktdemokratischer Instrumente vermag erste Schlaglichter auf eine wechselvolle und eben «spannungsreiche» Beziehung zwischen Repräsentierten und Repräsentierenden werfen. Mit einer alternativen Betrachtung des in der einschlägigen Literatur als «Elite-Voter Gap» (z. B. Dalton 1985; Miller und Stokes 1963) bezeichneten inhaltlichen Unterschieds soll das Licht der Scheinwerfer noch etwas heller werden. Die Idee der Ausmessung des Grabens zwischen Repräsentierten und Repräsentierenden beruht auf der Annahme einer sogenannten substanziellen Repräsentation (Pitkin 1967). Diese geht davon aus, dass die Repräsentierenden die Präferenzen der Repräsentierten effektiv vertreten und so in der Tat in deren Interesse, also responsiv, politische Entscheide fällen (Hug 2011; Miller und Stokes 1963). Es werden zwei Ansätze zur Messung von Responsivität gewählt, mit denen eine langfristige Entwicklung betrachtet werden kann und die wiederum auf die direkte Demokratie zurückgreifen: Erstens wird mithilfe der Anzahl fakultativer Referenden untersucht, wie häufig Entschlüsse des

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152  «Elite» gegen «Basis» Parlaments einer Nachkontrolle unterworfen werden. Ein fakultatives Referendum ist ein Zeichen für eine nicht gelungene oder zu schwache Kongruenz zwischen den Interessen der Bevölkerung und des Parlaments. Sie macht also sozusagen den Graben zwischen «Elite» und «Basis» sichtbar. Zweitens wird die Übereinstimmung des Abstimmungsentscheids zwischen Parlament und Stimmbürgerschaft bei Volksabstimmungen analysiert. Sind sich die beiden kollektiven Akteure einig und weisen keinen oder lediglich einen geringen Unterschied in der Unterstützung (gemessen am Ja-Stimmen-Anteil im Parlament beziehungsweise am Ja-StimmenAnteil an der Urne) einer Abstimmungsvorlage auf, kann von einem hohen Grad substanzieller Repräsentation und ergo einer geringen Entfremdung zwischen «Elite» und «Basis» ausgegangen werden.

3.1  Nachkontrolle durch fakultative Referenden

Das Parlament fällte zwischen 1874 und 2016 rund 3000 referendumsfähige Bundesbeschlüsse. Rund 94 Prozent aller parlamentarischen Beschlüsse wurden von der Stimmbevölkerung nicht hinterfragt, lediglich gegen 180 Beschlüsse wurde das Referendum ergriffen.12 Weniger als die Hälfte der ergriffenen Referenden waren erfolgreich (43 %), womit sich die implizite und explizite Legitimation parlamentarischer Beschlüsse auf rund 97 Prozent erhöht (siehe Bühlmann 2018). Der Grad an Legitimation nimmt mit der Zeit eher zu.13 Abbildung 4 zeigt, dass der Quotient aus der Anzahl Referenden in einem Jahr und der Anzahl in diesem Jahr gefasster Bundesbeschlüsse sinkt.

12 Es ist davon auszugehen, dass eine Reihe von weiteren Referenden ergriffen wurde, die aber die Unterschriftenhürde nicht schafften. Verbrieft sind deren 35, aber eine systematische Erfassung der nicht zustande gekommenen Referenden gibt es erst seit 1990. 13 Im Schnitt wird pro Jahr gegen 8,5 % der Bundesbeschlüsse ein fakultatives Referendum ergriffen. Differenziert nach den sieben Phasen zeigt sich, dass das fakultative Referendum insbesondere in Phase 2 als scharfe Waffe diente. 15,2 % aller Bundesbeschlüsse werden in den rund 15 Jahren nach der Einführung des fakultativen Referendums bekämpft. Auch in Phase 3 (8,5 %) und Phase 4 (12,8 %) wird diese Art der Nachkontrolle überdurchschnittlich häu-


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3.  Zunehmende Entfremdung der «Elite» von der «Basis»? Abbildung 4: Anteil Referenden pro gefasste Bundesbeschlüsse in einem Jahr, 1­ 874–2016 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 2014

2004

1994

1984

1974

1964

1954

1944

1934

1924

1914

1904

1894

1884

1874

0

Anmerkungen: Lesebeispiel: Im Jahr 1875 wurden vom Parlament zehn referendumsfähige Bundesbeschlüsse gefasst. Im gleichen Jahr wurde gegen zwei Vorlagen erfolgreich ein Referendum ergriffen (20 %). Im Jahr 2016 wurden vom Parlament 63 Bundesbeschlüsse gefasst. Im gleichen Jahr wurden an der Urne über vier fakultative Referenden abgestimmt (6,3 %). Gestrichelte Linie: geschätzter linearer Trend. Quellen: Swissvotes (2017); Bühlmann (2018).

Kam es vor dem Zweiten Weltkrieg vor, dass gegen alle Bundesbeschlüsse in einem Jahr ein Referendum ergriffen wurde, überstieg der Anteil nachkontrollierter parlamentarischer Entscheide in den letzten 30 Jahren nur noch selten den langjährigen Mittelwert von 8,5 Prozent. Berücksichtigt man zudem den Umstand, dass von den 196 obligatorischen Referenden 148, also mehr als drei Viertel (76 %), gemäss den Behördenempfehlungen ausfielen und auch hier ein deutlicher Trend hin zu mehr Kongruenz feststellbar ist, kann auf der Basis dieses Indikators ebenfalls nicht von einer Entfremdung zwischen Repräsentierenden und Repräsentierten ausgegangen werden.

fig verwendet. Dies beruhigt sich in Phase 5 (5,8 %) und Phase 6 (5,4 %), um in Phase 7 (6,1 %), insbesondere aufgrund der Referenden von 1992 wieder leicht anzusteigen.

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154  «Elite» gegen «Basis» 3.2  Substanzielle Repräsentation bei Volksabstimmungen – der Graben wird kleiner

Einer der nicht zu unterschätzenden Vorteile der direkten Demokratie im politischen System der Schweiz ist der Umstand, dass im Gegensatz zu rein repräsentativ-demokratischen Systemen auch zwischen den Wahlen ein Abgleich zwischen den Präferenzen der Repräsentierenden und der Repräsentanten möglich ist. Das Parlament muss zu allen Vorlagen Stellung nehmen (Bühlmann 2018) und es zeigt sich dann am Abstimmungssonntag, ob die Stimmbevölkerung dieser Stellungnahme folgt oder nicht. Zunächst wird mit einem grobkörnigen Indikator verglichen, ob und wie häufig sich die Haltung des Parlaments (Ja oder Nein) mit dem Ergebnis an der Urne (Annahme oder Ablehnung) deckt. Von Entfremdung von «Parlament» und «Stimmbevölkerung» kann in dieser Logik dann gesprochen werden, wenn sich zunehmende Diskrepanzen zwischen der Empfehlung der «Elite» und der Entscheidung der Wählerschaft zeigen. Abbildung 5 zeigt die jahrweise Entwicklung des ersten, gröberen Indikators. Im langjährigen Schnitt gab es in 28,6 Prozent aller Abstimmungen Divergenzen in den Stimmentscheiden von Parlament und Stimmbevölkerung. Eher gering war die so gemessene Kongruenz zwischen Repräsentierten und Repräsentierenden im 19. Jahrhundert. Vor der Einführung der Volksinitiative 1891 waren sich Parlament und Stimmbürger in fast der Hälfte aller Abstimmungen (46 %) nicht einig (Phasen 1 und 2). Dieser Wert sank bis zum Zweiten Weltkrieg auf 30 Prozent (Phasen 3 und 4). Zwar stieg er in der (Nach-)Kriegszeit noch einmal auf 34 Prozent an (Phase 5), fiel dann aber zwischen 1970 und 1990 (Phase 6) auf 20 Prozent und seit 1991 (Phase 7) gar auf 18 Prozent. Mit anderen Worten: Obwohl es seit den 1970er-Jahren zu immer mehr Abstimmungen gekommen ist, waren sich Parlament und Stimmbevölkerung immer häufiger einig. Verfeinert wird der Indikator, indem das effektive Resultat an der Urne (als prozentuale Unterstützung einer Vorlage an der Urne) mit der effektiven Haltung des Parlaments (als prozentuale Unterstützung einer Vorlage durch das Parlament an einer Schlussabstimmung) verglichen wird. Damit wird gleichzeitig darauf Rücksicht genommen, dass «Elite» und «Basis» nicht einfach zwei homogene Akteure sind, sondern substanzielle Repräsentation dann gegeben ist, wenn gewählte Parlamentsminderheiten und -mehrheiten möglichst deckungsgleich sind mit der entsprechenden Verteilung von Mehrheits- und Minderheitspräferenzen in der Gesellschaft. Für diesen feineren Indikator der Ja-Prozent-Differenz (siehe Abb. 6) lässt


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3.  Zunehmende Entfremdung der «Elite» von der «Basis»? Abbildung 5: Substanzielle Repräsentation I, 1848–2016 (Anteil Ja-/Nein-Divergenz ­pro Jahr) 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 2016

2004

1992

1980

1968

1956

1944

1932

1920

1908

1896

1884

1872

1860

1848

0

Anmerkungen: Lesebeispiel: 1866 (zweiter Eintrag nach 1848) empfahl das Parlament neun obligatorische Referenden zur Annahme. Die Stimmbevölkerung lehnte jedoch sieben davon ab. Die Divergenz beträgt in diesem Jahr entsprechend 77,8 %. 2016 wurde über 13 Vorlagen abgestimmt (neun Volksinitiativen, vier fakultative Referenden), bei denen die Stimmbevölkerung jedes Mal den Empfehlungen des Parlaments gefolgt ist. Die Divergenz liegt entsprechend bei 0. Keine Abstimmungen in den Jahren 1849–1865, 1867–1871, 1873, 1878, 1881, 1883, 1886, 1888, 1892, 1899, 1901, 1904, 1909, 1911, 1916, 1932, 1936 und 1943 (diese Jahre sind nicht abgebildet und wurden für die Analysen nicht berücksichtigt). Gestrichelte Linie: geschätzter linearer Trend. Quelle: Swissvotes (2017); eigene Darstellung.

sich eine ähnliche Beobachtung wie für den gröberen Indikator machen. Im Schnitt beträgt die mittlere Differenz der Ja-Prozent-Anteile zwischen Parlament und Stimmbevölkerung seit Beginn der Messung bis heute 26,2 Prozent. Dieser Wert wurde in den letzten 25 Jahren (Phase 7) lediglich zweimal knapp überschritten, nämlich 1995 und 2004. 1995 sagte die Stimmbevölkerung zu drei Vorlagen deutlich Nein, die das Parlament mit hohen Mehrheiten angenommen hatte. 2004 versenkte das Stimmvolk zwei Steuervorlagen und einen Bundesbeschluss – drei Vorlagen, die im Parlament noch hohe Zustimmung erhalten hatten. Zudem wurde eine Initiative entgegen einer deutlichen Ablehnung im Parlament an der Urne gutgeheissen. Die Differenz in diesen vier Vorlagen lag jeweils weit über 35 Prozent. Interessanterweise betrug die Differenz in Phase 7 noch 15,8 Prozent. Das ist eine deutliche Abnahme im Vergleich zu Phase 6 (26 %) und

155


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156  «Elite» gegen «Basis» Abbildung 6: Substanzielle Repräsentation II, 1875–2016 (Differenz der J­ a-Prozent-Anteile in Parlament und Stimmbevölkerung, pro Jahr) 60 50 40 30 20 10

2015

2005

1995

1985

1975

1965

1955

1945

1935

1925

1915

1905

1895

1885

1875

0

Anmerkungen: Lesebeispiel: 1875 betrug die durchschnittliche Differenz in den beiden abgestimmten Vorlagen zwischen dem Ja-Anteil des Parlaments und der Stimmbevölkerung 19,9 %. Mittelwerte der Differenzen pro Jahr; keine Daten zu Parlamentsabstimmungen für die Jahre 1848, 1866, 1872, 1874 und 1937; keine Abstimmungen in den Jahren 1849–1865, 1867–1871, 1873, 1878, 1881, 1883, 1886, 1888, 1892, 1899, 1901, 1904, 1909, 1911, 1916, 1932, 1936 und 1943 (alle diese Jahre sind nicht abgebildet und wurden für die Analysen nicht berücksichtigt). Gestrichelte Linie: geschätzter linearer Trend. Quelle: Swissvotes (2017); eigene Darstellung.

Phase 5 (33,5 %). In der Tat ist in dieser Phase in der Nachkriegszeit (1940 bis 1969) die geringste Kongruenz zu beobachten. Zwar beginnt hier die Konkordanz zu wirken, dies scheint allerdings noch keinen Effekt auf die Kongruenz zwischen Repräsentierenden und Repräsentierten zu haben. In den Phasen vor dem Zweiten Weltkrieg bewegte sich die mittlere Differenz nur zwischen 26,5 und 27,6 Prozent. Ist dies ein Anzeichen dafür, dass Konkordanz zwar im Parlament gelebt wird, die Bevölkerung aber den Unmut, der sich ab den 1970er-Jahren Bahn bricht, bereits vorher immer wieder an der Urne zum Ausdruck gebracht hatte? Der Befund der stärksten Kongruenz für die letzten 25 Jahre überrascht in Anbetracht des Umstands, dass in dieser Phase auch mit Abstand am meisten Abstimmungen stattgefunden haben. Die Behauptung, die auffallend häufigere Nutzung des direktdemokratischen Instrumentariums sei Ausdruck eines wachsenden Grabens zwischen Parlament und Stimmbe-


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4. Schlussbetrachtungen

völkerung, scheint also in Anbetracht der Entwicklung über die Zeit zu kurz zu greifen. Vielmehr kann vermutet werden, dass eine grössere Zahl an Abstimmungen zu einem besseren Abgleich der Präferenzen zwischen Repräsentierten und Repräsentierenden verhilft (ähnliche Befunde zeigen z. B. Gerber und Hug 2001 oder Hug 2011). Auch Hermann (2016), der die Haltungen zwischen Parlament und Bevölkerung bei Volksinitiativen zwischen 1995 und 2016 untersucht, findet eine Verkleinerung des «EliteBasis-Konflikts» im Verlauf der letzten rund 20 Jahre. Er führt diese Entwicklung auf eine Annäherung des sich auch aufgrund der Wahlerfolge der SVP verändernden Parlaments an die Haltung in der Bevölkerung insbesondere bei migrations- und aussenpolitischen Themen zurück.

4. Schlussbetrachtungen Mit historisch-deskriptiven Analysen beleuchtet dieser Beitrag das Verhältnis zwischen Stimmbürgerschaft und Parlament. Die Beziehung zwischen «Elite» und «Basis» wird als spannungsreich beschrieben, wobei dieser Begriff in dreifacher semantischer Bedeutung verwendet wird und so die Analysen strukturiert: Erstens wird die Behauptung, dass das politische System unter zu grosser Spannung stehe, es also durch zu viel direkte Demokratie einer Zerreissprobe mit ungewissem Ausgang ausgesetzt werde, einer Prüfung unterzogen. Untersucht wird zweitens, ob die Behauptung eines zunehmend breiter werdenden Grabens zwischen Repräsentierten und Repräsentierenden haltbar sei. Drittens kann mit den Befunden dem Begriff «spannungsreich» eine positivere Bedeutung attestiert werden. Die Analysen legen nämlich nahe, dass der durch die ausgeklügelte Konstruktion des politischen Systems als ausbalancierte Kombination von direktdemokratischen und repräsentativen Elementen nicht nur angeregte, sondern nachgerade erzwungene dauerhafte Austausch zwischen Repräsentierten und Repräsentierenden zwar Spannung(en) erzeugt. Gleichzeitig ist er aber auch immer wieder imstande, diese über längere oder kürzere Zeit zu lösen. Gesellschaftliche Veränderungen und dadurch verursachte politische Strömungen sind ursächlich für Spannungen und Differenzen. Die historischen Analysen legen aber nahe, dass diese immer wieder nicht trotz, sondern dank direkter Demokratie abgebaut wurden. Das spannungsreiche Verhältnis zwischen Parlament und Stimmbevölkerung steht der Lösungsfindung keineswegs im Weg – weder

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158  «Elite» gegen «Basis» kann eine Überforderung des Systems durch direkte Demokratie fest­ gestellt werden noch zeigt sich ein zunehmender Graben zwischen den beiden Antipoden –, vielmehr ist der direktdemokratisch organisierte Austausch Bedingung für eine breit abgestützte und akzeptierte Entscheidungsfindung. Mindestens zwei Beobachtungen können dieser positiven Konnotation von «spannungsreich» ein Fundament geben: Die erste Beobachtung bezieht sich auf den Gebrauch der direkten Demokratie: In der Tat zeigt die historische Betrachtung der letzten rund 170 Jahre eine stark zunehmende Nutzung der direktdemokratischen Instrumente. Die Analysen legen nahe, dass diese Zunahme – neben einer fortlaufenden Zentralisierung der Rechtssetzung – gesellschaftlichen Veränderungen geschuldet ist, die durch unterschiedliche Parteien und In­­ ter­ essenorganisationen aufgenommen und sowohl parlamentarisch als auch direktdemokratisch organisiert werden. Das Parlament kann die Nutzung der direkten Demokratie auf mindestens zweifache Weise mitsteuern. Einerseits können die Repräsentationsorgane durch Inklusion wichtiger Kräfte und Themen die Attraktivität der ausserparlamentarischdirektdemokratischen Bühne einschränken. Gelingt die Einbindung allerdings nicht beziehungsweise wird sie gar verweigert, so steigert dies die Attraktivität des Entscheidungskanals, mit dem das Parlament zumindest teilweise umgangen werden kann: Volksinitiativen und fakultative Referenden werden in diesem Fall nicht nur von Oppositionsparteien und nicht oder schwach im Parlament vertretenen Interessengruppen lanciert, sondern fallweise auch von Regierungsparteien selber. Neue oder nur schlecht berücksichtigte, in direktdemokratische Begehren verpackte Forderungen können also als Versuche der Repräsentierten aufgefasst werden, den Repräsentierenden eine Neujustierung der Politik aufgrund von als wichtig empfundenen gesellschaftspolitischen Präferenzen aufzuzwingen. Andererseits reagiert das Parlament selber ebenfalls auf die zunehmende Themenpluralisierung. Die stark zunehmende Zahl an referendumsfähigen Bundesbeschlüssen ist nur einer, aber für die Belange dieses Beitrags zentraler Indikator dafür. Beide Steuerungsmöglichkeiten des Parlaments zeigen die Bedeutung der direkten Demokratie: Das Parlament wird aufgrund der direkten Demokratie gezwungen, zu allen Interessen mindestens Stellung zu nehmen. Zudem kann die zunehmende parlamentarische Betriebsamkeit immer wieder durch Bevölkerungsvetos hinterfragt werden. Daher findet ein institutionell indizierter, fortwährender Austausch zwischen Repräsentierten und Repräsentierenden statt.


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4. Schlussbetrachtungen

Diese (erzwungene) Dynamik einer «interaktiven Demokratie» (Disch 2016) ist zwar spannungsreich, hilft aber in einem unablässigen und ab und an durchaus auch kreativen Interaktions- und Argumentationsprozess Präferenzen zu klären, zu deuten, auszutauschen und zwischen Parlament und Bevölkerung abzugleichen (Bühlmann und Fivaz 2016: 7). Direkte Demokratie ist also nicht einfach Überlastung, sondern hilft, die alleinige Möglichkeit der Sanktion in rein repräsentativen Systemen durch Formen der Interaktion zu überwinden. Spannungsreiche Auseinandersetzungen zwischen Parlament und Bevölkerung sind also nicht ein Zeichen von Krise, sondern vielmehr ein Hinweis darauf, dass diese Interaktion funktioniert. Zweitens ist eine zunehmende Kongruenz zu beobachten: Dass die Idee spannungsreicher und damit funktionierender Interaktion zwischen Repräsentierten und Repräsentierenden nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt die Analyse der Kongruenz zwischen Parlament und Stimmbevölkerung. Zum einen geniesst das Parlament sehr hohe implizite und explizite Legitimität: Eine Desavouierung parlamentarischer Gesetzesbeschlüsse findet nur überaus selten statt. Zum anderen zeigt die historische Betrachtung, dass die sich bei Volksabstimmungen messbare Übereinstimmung hinsichtlich der Einstellung gegenüber Abstimmungsvorlagen mit der Zeit vergrössert. Falls es einen Graben zwischen Repräsentierten und Repräsentierenden gibt, wird er scheinbar mit der Zeit und mit zunehmendem Gebrauch direktdemokratischer Instrumente insgesamt kleiner. Sozialwissenschaft verstanden als Krisenwissenschaft (Acham 2016: 86 ff.) ist nun allerdings zu Recht skeptisch gegenüber solchen «Alles-inButter»-Befunden. Wie lässt sich der Erfolg von mit dem «Elite versus Volk»-Narrativ mobilisierenden populistischen Parteien auch in der Schweiz erklären, wenn die Kongruenz zwischen Parlament und Stimmbevölkerung doch zuzunehmen scheint? Stösst der demokratische Staat nicht doch irgendwann an seine Grenzen, wenn «internationale Fi­­ nanzmärkte und Standortkonkurrenz (…) nationalstaatliche Demokratie aus[zehren]» (Tanner 2015: 550)? Ist dynamische Interaktion zwischen Repräsentierten und Repräsentierenden mit dem «Form- und Funktionswandel von Nationalstaaten in einer Phase beschleunigter Globalisierung» überhaupt noch möglich (Tanner 2015: 550)? Hält das System die Gleichzeitigkeit fallweiser Opposition von mehreren Regierungsparteien aus? Will Wissenschaft mehr sein als Kaffeesatzlesen, können diese Fragen nicht seriös beantwortet werden: Allerdings verhilft die Betrachtung der

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160  «Elite» gegen «Basis» bisherigen Geschichte zu Gelassenheit. Die dynamische und prozedurale Betrachtung des spannungsreichen Verhältnisses zwischen Parlament und Bevölkerung legt nahe, die beiden Akteure nicht als Kontrahenten, sondern vielmehr als Partner zu verstehen. Das repräsentativ- und direktdemokratische System Schweiz hilft mit, eine Balance zwischen den beiden zu finden. Die Verschränkung von «Elite» und «Basis» im Sinn von «checks and balances» (und eben nicht deren Trennung) ist Treiber fortwährenden Austauschs von Argumenten, der zu zwar nur vorläufigen, dafür aber stark legitimierten Entscheiden führen kann (Bühlmann 2015 a, b). Eines lässt sich dabei mit einiger Bestimmtheit sagen: Die Beziehung zwischen Parlament und Stimmbevölkerung wird auch in Zukunft spannungsreich bleiben.

5. Literatur Acham, Karl (2016). Vom Wahrheitsanspruch der Kulturwissenschaften. Studien zur Wissenschaftsphilosophie und Weltanschauungsanalyse. Wien: Böhlau. Bartolini, Stefano; Mair, Peter (1990). Identity, competition, and electoral availability. The stabilisation of European electorates 1885–1985. Cambridge: Cambridge University Press. Bolliger, Christian (2007). Konkordanz und Konfliktlinien in der Schweiz, 1945 bis 2013. Bern: Haupt. Brennan, Jason (2016). Against Democracy. Princeton University Press. Buchstein, Hubertus (2013). Moderne Demokratietheorien. In: ­Schmidt, Manfred G.; Frieder, Wolf; Wurster, Stefan (Hg.), Studienbuch Politikwissenschaft: 103–126. Stuttgart: Springer. Bühlmann, Marc (2015a). Reformbedarf in der direkten Demokratie? Elitistische Einsprüche, partizipatorische Ansprüche und prozedurale Gelassenheit. LeGes 26(3): 571–583. Bühlmann, Marc (2015b). Semidirekte Demokratie als Spiel. Zum Verhältnis zwischen Bürgerschaft und Parlament. Parlament. Mitteilungsblatt der Schweizerischen Gesellschaft für Parlamentsfragen 18(1): 4–15. Bühlmann, Marc (2018). «Leuchtturm der Hoffnung» oder Erzeugerin «irrationaler Ängste». Taugt die direkte Demokratie der Schweiz als Vorbild? In: Apelt; Andreas; Reimers, Dirk (Hg.), Repräsentative versus direkte Demokratie: Repräsentation in der Krise?: 100–121. Halle: Mitteldeutscher Verlag.


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5. Literatur

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162  «Elite» gegen «Basis» Linder, Wolf (2010). Direkte Demokratie und gesellschaftspolitische Konfliktlösung in der Schweiz. In: Waechter, Kay (Hg.), Grenzüberschreitende Diskurse. Festgabe für Hubert Treiber: 409–428. Wiesbaden: Harrassowitz. Linder, Wolf; Bolliger, Christian; Rielle, Yvan (2010). Handbuch der eidgenössischen Volksabstimmungen 1848–2007. Bern: Haupt. Locke, John (1974 [1690]). Über die Regierung (The Second Treatise of Government). In der Übersetzung von Dorothee Tidow. Stuttgart: Reclam. Lüthi, Ruth (2009). Die Schweizerische Bundesversammlung: Mit kleinen Reformschritten zu einer starken Institution? In: von Blumenthal, Julia; Bröchler, Stephan (Hg.), Müssen Parlamentsreformen scheitern?: 171–199. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Mach, André; David, Thomas; Ginalski, Stéphanie; Bühlmann, Felix (2017). Schweizer Wirtschaftseliten. Baden: Hier und Jetzt. Maissen, Thomas (2015). Geschichte der Schweiz. Stuttgart: Reclam. Mansbridge, Jane (2003). Rethinking Representation. American Political Science Review 97(4): 515–528. Merkel, Wolfgang (2015). Demokratie und Krise. Zum schwierigen Verhältnis von Theorie und Empirie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Merkel, Wolfgang; Ritzi, Claudia (2017). Die Legitimität direkter Demokratie. Wie demokratisch sind Volksabstimmungen? Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Miller, Warren E.; Stokes, Donald E. (1963). Constituency Influence in Congress. American Political Science Review 57(1): 45–56. Moser, Daniel V. (2002). Eidgenössischer Verein. In: Historisches Lexikon der Schweiz Online. www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D17385.php, Zugriff: 30.11.2017. Mueller, Sean; Dardanelli, Paolo (2017). Dynamic De/Centralisation in Switzerland. Publius: The Journal of Federalism: 1–28. Neidhart, Leonhard (1970). Plebiszit und pluralitäre Demokratie: Eine Analyse der Funktion des schweizerischen Gesetzesreferendums. Bern: Francke. Pilotti, Andrea (2017). Entre démocratisation et professionnalisation: Le Parlement suisse et ses membres de 1910 à 2016. Zürich: Seismo. Pitkin, Hannah F. (1967). The Concept of Representation. Berkeley: University of California Press. Schumpeter, Joseph A. (2005 [1942]). Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 8. Auflage. Tübingen: Francke. Sciarini, Pascal; Nicolet, Sarah; Fischer, Alex (2002). L’impact de l’internationalisation sur les processus de décision en Suisse. Swiss Political Science Review 8(3) : 1–34.


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5. Literatur

Swissvotes (2017). Integraler Swissvotes-Datensatz. Année Politique Suisse, Bern. https://anneepolitique.swiss/pages/swissvotes, Zugriff: 15.8.2017. Tanner, Jakob (2015). Geschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert. München: C. H. Beck. Vatter, Adrian (2014). Das politische System der Schweiz. Baden-Baden: Nomos.

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Autorinnen und Autoren Alexander Arens ist Doktorand am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. Tobias Arnold ist Doktorand am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. Julian Bernauer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung. Jonas Brüschweiler ist Mitarbeiter am Departement Finanzen und Ressourcen des Kantons Aargau. Er schloss sein Masterstudium am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern ab. Marc Bühlmann ist assozierter Professor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern und Leiter des Année Politique Suisse. Sarah Bütikofer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich und DeFacto-Redakteurin. Pirmin Bundi ist Assistenzprofessor für Politikevaluation am Institut für öffentliche Verwaltung (IDHEAP) der Universität Lausanne. Sereina Dick ist Mitarbeiterin der Parlamentsdienste der Bundesversammlung. Sie schloss ihr Masterstudium am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern ab. Daniela Eberli ist Doktorandin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich.


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458  Autorinnen und Autoren Antoinette Feh Widmer ist Leiterin der Abteilung Kommunale Kommunikation der Schweizerischen Post. Sie promovierte am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. Jan Fivaz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kompetenzzentrum für Public Management der Universität Bern und Co-Projektleiter der OnlineWahlhilfe smartvote und der Parlamentsanalyse-Plattform smartmonitor. Martina Flick Witzig ist Oberassistentin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. Rahel Freiburghaus ist Doktorandin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. Sean Müller ist Oberassistent am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. Lyn Pleger ist Projektleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Sie promovierte am Kompetenzzentrum für Public Management der Universität Bern. Fritz Sager ist ordentlicher Professor für Politikwissenschaft am Kompetenzzentrum für Public Management der Universität Bern. Daniel Schwarz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kompetenzzentrum für Public Management der Universität Bern und Co-Projektleiter der Online-Wahlhilfe smartvote und der Parlamentsanalyse-Plattform smartmonitor. Anna Storz ist Doktorandin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. Adrian Vatter ist ordentlicher Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Schweizer Politik am Institut für Politikwissenschaft der Univer­ sität Bern. Rolf Wirz ist Mitarbeiter beim Amt für Kultur des Kantons Basel-Landschaft. Er promoviert am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern.


Der Herausgeber

Ist das Parlament seinen Aufgaben noch gewachsen ?

Adrian Vatter, geboren 1965, Prof. Dr., ordent­

170 Jahre nach der Gründung des Bundesstaats stehen die

licher Professor für Politikwissenschaft

Schweizer Parlamente vor grossen Fragen : Können

mit Schwerpunkt Schweizer Politik und ­Direktor

sie ihre Kernaufgaben der Rechtssetzung, Wahl, Kontrolle

am Institut für Politikwissenschaft an der

und Repräsentation heute noch erfüllen ? Über wie

­Universität Bern. Seine Forschungsschwer­

viel Macht verfügt die Volksvertretung im Verhältnis zu

­politische Institutionen der Machtteilung und die vergleichende Demokratie­forschung.

­anderen ­politischen Akteuren heute noch ? Ist die Legislative im ­Prozess politischer Entscheidungsfindung

Adrian Vatter (  Herausgeber )

­einflussreich ? Oder gerät sie angesichts einer dominierenden Exekutive sowie der Mediatisierung und Internationalisierung ­politischer Prozesse zunehmend unter Druck ? ­Darauf geben ausgewiesene Politikwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler Antwort. Mit Beiträgen u. a. von Marc Bühlmann, Pirmin Bundi, Sarah Bütikofer, Sereina Dick, Rahel Freiburghaus, Sean Mueller, Fritz Sager, Daniel Schwarz.

Das Parlament in der Schweiz

der Schweiz, Wahlen und Abstimmungen,

Das Parlament in der Schweiz

Adrian Vatter

punkte umfassen das politische System

Politik und Gesellschaft in der Schweiz

In der Reihe « Politik und Gesellschaft in der Schweiz », herausgegeben von Markus Freitag und Adrian Vatter, analysieren namhafte Schweizer Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftler in mehreren Bänden die Entwicklungen der Schweizer Politik und Gesellschaft. ­Politisches Verhalten, Einstellungen gegenüber der Politik, Beschreibung politischer Zustände, Veränderungs­ prozesse von Institutionen und Aspekte des sozialen Zusammenlebens der Schweizer geraten dabei ins Blickfeld.

ISBN 978-3-03810-361-5

www.nzz-libro.ch

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