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STORY RETAIL
from textilrevue 01/21
KONSUMVERHALTEN: PLÖTZLICH IST ALLES ANDERS
Das Konsumverhalten und die Kundenbedürfnisse haben sich deutlich verändert. Inwiefern genau? Und was davon wird bleiben? Fakt ist: Die Corona-Pandemie hat vor allem solche Strömungen beschleunigt, die bereits zuvor erkennbar waren.
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(Text) Stefanie Hütz
Üblicherweise entwickeln sich Konsumausgaben sehr stetig über die Zeit, weiss man beim Staatssekretariat für Wirtschaft SECO. Aber 2020 war alles anders: «Der Konsum ist im ersten Halbjahr 2020 in einem historischen Ausmass zurückgegangen, um sich im dritten Quartal kräftig zu erholen», so Antje Baertschi, Leiterin Kommunikation. «Insbesondere der Fashionbereich wurde durch den nationalen Slowdown und kantonale Lockdowns empfindlich getroffen», berichtet die Swiss Retail Federation, der grösste Detailhandelsverband der Schweiz, via Medienmitteilung und ergänzt, dass zwischenzeitlich wenig Käufe ausserhalb des Grundbedarfs getätigt und Innenstädte sowie Flaniermeilen gemieden wurden. Die Novemberstudie von GfK Switzerland ergab: «45 Prozent der Befragten möchten Shoppingcenter vermeiden.» Insbesondere Frauen zieht es erkennbar weniger dorthin. Matthias Weber, CEO der Deelux Trading AG, die neben dem Agenturgeschäft auch eigene Stores bewirtschaftet (Zooloose, NN07 sowie Nudie Jeans Flagshipstores), stellt fest: «Unsere Kundschaft hat hohen Respekt vor grossen Menschenansammlungen, was auch anhand der Lagen unserer Fachgeschäfte deutlich wird: Unsere Peripherielagen haben weniger Umsatzeinbrüche.» Insgesamt entwickelten sich die Kundenfrequenzen laut Swiss Retail Federation phasenweise deutlich zweistellig rückläufig. Marc Unterbrink, Senior Manager Benchmarking und Controlling bei der Bielefelder Unternehmensberatung Hachmeister + Partner, spricht für Deutschland sogar von einem Frequenzrückgang von mehr als 20 Prozent. «Wobei die Zahl der Kunden weniger stark zurückging als die der Besuchenden, was zeigt, dass gezielter gekauft und weniger gebummelt wurde.» Doch eine erfreuliche Erkenntnis verkündet der Branchen-Marktforscher auch: «Der Teile-Verkauf und die Bons je Kunden stiegen.» Was man bei Jelmoli genauso registrierte. CEO Nina Müller: «Wir beobachten, dass die Verweildauern teilweise kürzer sind, aber pro Einkauf mehr Artikel gekauft werden.»
PRODUKTE FÜR DAS ZUHAUSE UND DIE NATUR
Die Menschen haben ausserdem, wie Antje Baertschi, SECO, es ausdrückt, «ihren ‹Konsum-Mix› an die aussergewöhnliche Situation angepasst». Seitens GfK Switzerland heisst es hierzu: «Von allen Trends hat sich das ‹Arbeiten von zu Hause› als am einflussreichsten erwiesen.» Dass es kaum noch Anlässe und Geschäftstermine gibt, hat die Nachfrage nach Formalwear erheblich eingebremst. «Und zwar in der HAKA und in der DOB, vom
Anzug über die Kombination bis hin zu Hemd und Bluse», bestätigt Marc Unterbrink. Hachtmeister + Partner betreibt ein Panel, in das Daten von über 900 Mode-POS, darunter auch Schweizer Standorte, einfl iessen. Zusammen repräsentieren sie mehr als 7,5 Milliarden Euro Einzelhandelsumsatz. Zudem werden Panels des Schuh- und Sporthandels, von Monomarken-Stores, des E-Business sowie ein Kundenkartenportal betrieben, das anonymisiert das Kaufverhalten von über 2,8 Millionen Konsumentinnen und Konsumenten abbildet. Und welche Stil- und Warengruppen entwickelten sich demnach vergleichsweise gut? «Die Stilgruppen Trendy und Modern Premium haben am wenigsten eingebüsst. Produktseitig wurden positive Zahlen aus den Segmenten Kindermode, Bodywear – Herrenwäsche verkaufte sich noch besser als die für Damen –, Sport – vor allem für Radsport und Running –, sowie Wirkwaren mit dem Topseller Sweat gemeldet.» Der ohnehin vorhandene Trend zur Casualisierung der Mode erhielt einen weiteren Schub, bemerkt auch Judith Dommermuth, Gründerin und Geschäftsführerin der Marke Juvia: «Wir haben seit unserer Gründung 2013 grossen Erfolg mit unseren lockeren, bequemen Styles, ganz unabhängig von Corona. Aufgrund von Homeoffi ce und ausgiebiger ‹Zuhause-Zeit› haben sie jetzt aber nochmals einen anderen Stellenwert bekommen.» Ähnlich äussert sich Janine Weiz-Bühler, Director Brand & Product bei Calida: «Loungewear als Kategorie ist nun überall angekommen. Mit einem Plus von bis zu 30 Prozent sind unsere Wachstumsraten in diesem Segment durchweg positiv. Unsere bequemen und zugleich optisch anspruchsvollen Teile lassen sich auch zur normalen Garderobe kombinieren. Daneben hat sich gezeigt, dass qualitativ hochwertige Wäsche krisenstabil ist, insbesondere Calida-Basics performen aktuell sehr gut.»
ES GAB AUCH UNERWARTETE AUFSTEIGER
Spannend auch, wie die Bilanz bei E-Commerce-Spezialist Zalando ausfällt: «Im Vergleich zum letzten Jahr kaufen die Kunden doppelt so viele Sweatshirts und Jogginghosen bestimmter Marken. Am beliebtesten sind bei uns Sweatshirts von Adidas, Nike, Tommy Jeans sowie Even and Ott. Ein Modeprodukt, das unerwartet populär geworden ist, sind Socken. Ihre Verkäufe haben sich seit Beginn der Corona-Pandemie verdoppelt. Dabei traten vor allem Turnschuhsocken von Nike und Adidas, aber auch farbenfrohere Varianten wie jene von Happy Socks hervor», analysiert Catherine Westphal, Corporate Communications.
Es sich zu Hause schön machen: Von diesem Konsumbedürfnis profi tiert u.a. Schlossberg.
Stichwort Aufsteiger: Die Natur wurde in hohem Mass als Rückzugs- und Auftankort wiederentdeckt. Damit einher ging ein Aufschwung bei Outdoorbekleidung und -equipment. «Anfangs boomten Homesportprodukte. Im Sommer folgte dann ein enormes Wachstum in den Bereichen Wandern und Fast Hiking. Wander- und Trekkingschuhe verzeichneten bei uns Rekordzahlen», freut sich Jonas Wittwer, Head of Corporate Communication bei Mammut. Matthias Weber, Deelux Trading, steuert bei: «Wir verkaufen nach wie vor ein breites Sortiment. Gute Umsätze erzielen wir mit Denim, Flanellhemden und ganz bestimmten Jackenmodellen. Ebenfalls angesagt sind Wohnaccessoires.» Kein Wunder: Die Menschen machen es sich in diesen Zeiten zu Hause gemütlich. Dazu Alexandra Willmann, Wholesale Marketing/PR bei Schlossberg: «Wir stellen über alle unsere Distributionskanäle hinweg – die eigenen Boutiquen, den Onlineshops und unsere Fachhandelspartner – eine erhöhte Nachfrage unserer Produkte für Bett und Bad fest.» Bei Onlineanbieter Digitec Galaxus verglich man den Herbst 2019 mit dem Herbst 2020. Ergebnis: «Heimtextilien schlugen mit einem Plus von 100 Prozent und Sportbekleidung sogar von 150 Prozent zu Buche», so Senior PR Manager Alex Hämmerli. Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe.