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Signifikante Geschlechterunterschiede beim unternehmerischen Handeln

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Der «Global Entrepreneurship Monitor 2022» ist die umfangreichste Studie im Bereich des Unternehmertums der Welt. Das ist die Quintessenz mit Blick auf die unternehmerisch aktiven Frauen in der Schweiz. Von Pascal Wild

Unternehmertum nach Geschlecht – global

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Weltweit gesehen gibt es keine Gleichstellung der Geschlechter im Unternehmertum. 10,4 Prozent der Frauen und 13,6 Prozent der Männer sind jungunternehmerisch aktiv – alleine, in Teams, fremd­ oder eigenfinanziert. 5,4 Prozent der Frauen besitzen und leiten ein etabliertes Unternehmen. Bei den Männern sind es 8,6 Prozent. Der Anteil der Frauen am Unternehmertum ist je nach Weltregion sehr unterschiedlich. Auf dem afrikanischen Kontinent südlich der Sahara und in Lateinamerika ist etwa eine von fünf Frauen Unternehmerin. Gerade in vielen afrikanischen Ländern südlich der Sahara, in denen sich das Unternehmertum häufig auf kleine und infor­

Unternehmertum nach Geschlecht – national

Die Abbildung veranschaulicht das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Jungunternehmern seit dem Jahr 2003. Die mit einer Linie verbundenen Punkte zeigen die Messwerte, während die (abgeschwächte) gerade Linie den Trend darstellt. In den Jahren 2011 bis 2014 hatte die Schweiz ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. Seit 2015 ist das Verhältnis wieder gesunken und bleibt auf dem Niveau, das vor 2010 gemessen wurde. Dies bedeutet, dass im Durchschnitt etwa zwei Unternehmer

Beweggründe für unternehmerisches

Handeln auf eine Unternehmerin kommen. Obwohl im vergangenen Jahr ein kurzfristiger Anstieg auf 0,9 Frauen pro 1,0 Männer zu verzeichnen war, liegt der Wert im Jahr davor bei 0,6 und bleibt damit näher an einem 1:2 als an einem ausgeglichenen Verhältnis. Der schwächere Anteil von Unternehmerinnen unter den Jungunternehmern und angehenden Unternehmern spiegelt sich auch in der Quote der etablierten Unternehmer wider. Während unter der männlichen Bevölkerung 9 Prozent Inhaber eines etablierten Unternehmens sind, gehören nur 5,1 Prozent der weiblichen Bevölkerung zu dieser Gruppe.

Unter den Jungunternehmerinnen und Jungunternehmern in der Schweiz wird jeweils nach den Beweggründen für ihre unternehmerische Aktivität gefragt. In der aktuellen Studie gaben die Männer etwas häufiger an, mit ihrem Unternehmen «etwas bewirken» (englisch «making a difference») oder viel Geld verdienen (englisch «making money») zu wollen. Frauen hingegen stecken tendenziell ihre Ziele etwas tiefer und begnügen sich häufiger damit, sich durch die unternehmerische Tätigkeit schlicht den «Lebensunterhalt» verdienen zu können.

Wertschätzung vs. Angst vor dem Scheitern

Geschlechtsspezifische Ungleichheiten wurden auch im Hinblick auf die Einstellungen und Wahrnehmungen der Schweizer Bevölkerung zum Unternehmertum gemessen, die Ergebnisse stammen aus dem Jahr 2022. Beim Erkennen von Geschäftsopportunitäten antworten weniger Frauen, dass sie in den nächsten sechs Monaten gute Möglichkeiten für eine Unternehmensgründung sehen, während die Männer tendenziell mehr Möglichkeiten erkennen. Deutlicher wird der Unterschied bei der Frage, ob die Befragten über die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkei­ melle Geschäftstätigkeiten beschränkt, gibt es sogar mehr weibliche als männliche Unternehmer. In den meisten europäischen Ländern sind Unternehmerinnen jedoch unterrepräsentiert. Gerade in den skandinavischen und baltischen Ländern, aber auch in Deutschland und Italien folgen im Durchschnitt auf eine weibliche zwei männliche Unternehmer. Einzig in Spanien gibt es ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis und in einigen osteuropäischen Ländern (etwa Rumänien, Weissrussland, Bulgarien) ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis. Gründe hierfür liegen zu grossen Teilen in den schlechteren wirtschaftlichen Bedingungen und der daraus resultierenden Notwendigkeit vieler Frauen, sich und ihre Familien mit kleineren und häufig informellen Geschäftstätigkeiten über Wasser zu halten. ten und Erfahrungen verfügen, um ein neues Unternehmen zu gründen. Die weiblichen Studienteilnehmer sind diesbezüglich deutlich selbstkritischer. Dieses enttäuschende Ergebnis wird durch die grössere Angst vor dem Scheitern bestätigt: 42 Prozent der Frauen würden deshalb kein Unternehmen gründen, während nur 34 Prozent der Männer angaben, dass ihre Angst vor dem Scheitern sie von der Gründung eines Unternehmens abhalten würde. Schliesslich zeigen diese seit Jahren unveränderten Tendenzen auch ein stark geschlechtsspezifisches Bild der tatsächlichen unternehmerischen Akti­ vitäten: 12,3 Prozent der Männer sind an unternehmerischen Aktivitäten in der Frühphase beteiligt, aber nur 7,2 Prozent der Frauen.

12,3 Prozent der Männer sind an unternehmerischen Aktivitäten in der Frühphase beteiligt, aber nur 7,2 Prozent der Frauen.

Weltweite Studie zum Unternehmertum

Der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) ist die umfangreichste Studie im Bereich des Unternehmertums der Welt. Seit 1999 werden in einer zunehmenden Anzahl Länder jährlich jeweils mindestens 2000 Personen zu ihrer Einstellung, Motivation und ihren Kompetenzen im Bereich Unternehmertum sowie zu den eventuell bereits getätigten unternehmerischen Aktivitäten befragt. Inzwischen hat man somit jährlich mehr als 200 000 Befragungen in rund 100 Ländern.

In der Schweiz hat die Universität St. Gallen (HSG) von 2002 bis 2007 viermal an der Studie teilgenommen, seit 2009 wird sie jährlich von der Hochschule für Wirtschaft in Freiburg (HSW­ FR) durchgeführt.

Gemäss der GEM­Methodologie sind Unternehmerinnen oder Unternehmer alle erwerbsfähigen Individuen (18 bis 64/65 Jahre), die eine unternehmerische Tätigkeit planen (Gründung in spätestens sechs Monaten) oder bereits seit maximal 3,5 Jahren unternehmerisch tätig sind (erste Ausgaben getätigt und eventuell Einnahmen verzeichnet).

Pascal Wild ist assoziierter Professor ander Hochschule für Wirtschaft in Freiburg (HSW-FR) und Co-Autor der Studie.

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