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TOKYO 2020: Zwei Asse trumpfen auf
Seit 2016 ist der Para-Triathlon als eine von 22 Sommersportarten Teil des paralympischen Programms.
Die Einteilung erfolgt dabei nach dem Grad des Handicaps des jeweiligen Sportlers. In Tokio wird es bei den Herren mit PTWC (Wheelchair), PTVI (Visual Impairment) und PTS4 bzw. PTS5 zu vier Medaillenevents kommen. Österreichs Hoffnungen auf Spitzenplätze liegen dabei auf dem Oberösterreicher Florian Brungraber (PTWC) sowie auf dem zweifachen Paralympics-Sieger in der Leichtathletik, dem Salzburger Günther Matzinger (PTS5). Wir haben die beiden Asse zum Doppel-Interview gebeten.
War der olympische Traum schon immer einer, den ihr geträumt habt?
Florian: Nein, dieses Ziel hat sich vielmehr aus den Leistungen und Ergebnissen in den letzten Jahren ergeben. Nach ein paar Jahren im Triathlon wollte ich mich einfach auch mit anderen Rollstuhlfahrern matchen. Das war dann der Einstieg zu den Weltcuprennen, aus denen sich dann mein weiterer Weg bis hin zu den Paralympics ergeben hat.
Günther: Zu Beginn noch nicht, da habe ich einfach Sport betrieben, weil ich mich bewegen und auspowern wollte. Als ich dann besser wurde und zum ersten Mal die Möglichkeit bekommen habe, international zu starten, war Olympia natürlich schon das große Ziel. Und auch heute motiviert mich der Gedanke an die Spiele und ein volles Stadion in jedem Training.
Wann war es euch bewusst, dass ihr dieses Ziel erreichen könnt? War da ein bestimmtes Ereignis, ab dem es realistisch war?
Florian: Dass es realistisch ist, wusste ich schon länger. Die Schwierigkeit war letztendlich, Startplätze zu bekommen, um mit den Resultaten die Leistung im Punkteranking abbilden zu können. Ein Meilenstein war mit Sicherheit der zu diesem Zeitpunkt völlig unverhoffte Startplatz bei der EM in Valencia im Herbst 2019. Der dritte Platz dort öffnete mir die Türen für die ausschlaggebenden Quali-Bewerbe.
Günther: Zwischendurch hatte ich schon Zweifel, ob ich die Qualifikation auch im Triathlon schaffe, weil ich bei einigen Punkterennen aufgrund meiner Weltranglistenplatzierung keine Starterlaubnis bekommen habe. Ohne diese Rennen kommt man in der Weltrangliste aber nicht nach vorne – ein Teufelskreis sozusagen. Der Schlüssel war dann das World-SeriesRennen in Tasmanien im Februar 2020, das letzte Rennen vor Covid-19. Dort habe ich gewonnen und extrem wertvolle Punkte geholt und war mir daraufhin fast sicher, dass das für die Quali reicht.
Wie fühlt es sich jetzt an, die Qualifikation geschafft zu haben?
Florian: Ich persönlich sehe es als sehr großen, wichtigen Zwischenschritt am Weg zu den Spielen. Das fühlt sich natürlich super an, diesen geschafft zu haben.
Günther: Für mich ist es vor allem eine große Erleichterung und gleichzeitig eine Motivation, jetzt in den letzten Wochen noch mal gut zu trainieren und somit perfekt vorbereitet an den Start zu gehen.
Wie zufrieden seid ihr mit euren Ergebnissen auf der „Road to Tokyo“?
Florian: Mit meinen Ergebnissen aus der Qualifikationsphase kann ich mit Sicherheit sehr zufrieden sein: Das sind drei Siege und zwei dritte Plätze, die ich erreichen konnte – und das stets bei Top-Besetzung!
Günther: Das erste Rennen war etwas gemischt, da habe ich beim Schwimmen einfach zu viel Zeit verloren. Der Weltcup in Frankreich war dann aber sehr gut und jetzt starte ich noch bei ein bis zwei Bewerben in Österreich, um die Wettkampfform herauszukitzeln.
Wie schwierig war die covidbedingte Verschiebung der Spiele auf das Jahr 2021 mental für euch?
Florian: Ich denke, dass ich am Ende davon profitieren konnte. Nicht nur körperlich, sondern eben auch in mentaler Hinsicht. Im vergangenen Jahr konnte ich viel besser realisieren, welche Ausmaße die „Road to Tokyo“ hat.
Günther: Es hat ein paar Wochen gedauert, bis ich mich mental damit abgefunden und neu fokussiert habe. Danach habe ich es als Chance gesehen, als Triathlon-„Neuling“ noch ein zusätzliches Jahr am Schwimmen und Laufen zu arbeiten.
Wie geht ihr generell mit Rückschlägen um? Habt ihr dazu einen Tipp für die Leser*innen?
Florian: Letztendlich habe ich mich nach Rückschlägen immer wieder auf das konzentriert, was mir am meisten Spaß macht: das Training. Es muss ja weitergehen. Das würde ich auch allen anderen empfehlen: Rückschläge möglichst schnell hinter sich lassen und wieder nach vorne schauen!
Günther: Rückschläge wird jeder Athlet früher oder später erfahren, als Außenstehender sieht man das oft gar nicht. Mir hilft das Bewusstsein, dass ich an dem bereits Geschehenen nichts mehr ändern kann, und ich blicke immer nach vorne. Das nächste Ziel, und das kann auch ein kleines sein, motiviert mich weiterzumachen. Und wenn mal ein Training oder ein paar Tage schiefgehen, dann darf man nicht zu hart mit sich selbst sein. Ich weiß ja, dass ich mein Bestes gegeben habe.
ZEITPLAN
29. August, 06:30 Uhr (23:30 Uhr am 28.08. MESZ): Start PTWC und anschließend PTS5
Günter, während es für Flo die ersten Paralympics sein werden, bist du als bereits dreifacher Medaillengewinner (2 x Gold in London mit Welt- bzw. Europarekord und 1 x Bronze in Rio) ja alles andere als ein Rookie. Siehst du das als Vorteil?
Die neue Sportart macht es wieder spannend, es fühlt sich fast so an wie bei meinen ersten Paralympics. Viele der Abläufe waren in Peking, London und Rio aber natürlich sehr ähnlich. Ich gehe davon aus, dass das in Tokio auch so sein wird und ich mich dadurch noch besser auf den Wettkampf konzentrieren kann.
Flo, was bedeutet es dir, als Triathlet bei den Paralympics teilzunehmen?
Für mich ist es eine ganz große Ehre, Österreich in Tokio repräsentieren zu dürfen. Und irgendwie ist es für mich selbst immer noch beeindruckend, dass ich es so weit gebracht habe, dass ich mich tatsächlich auf dem Weg dorthin befinde.
Wie sieht jetzt die letzte Vorbereitung für Tokio aus?
Florian: Bei mir findet derzeit noch ein Trainingsblock zu Hause in meinem gewohnten Umfeld und auf den gewohnten Trainingsstätten und -routen statt. Gleichzeitig wird das Equipment auf Vordermann gebracht, damit auch in dieser Hinsicht am Tag X nichts schiefgehen kann.
Günther: Auch ich stecke gerade noch in einem intensiven Trainingsblock, den ich mit dem Start bei der Sprintdistanz beim Mostiman beenden werde. Danach geht es dann eigentlich schon in die unmittelbare Vorbereitung und wir werden die Umfänge etwas reduzieren und mit einigen Schlüsseleinheiten und entsprechendem Tapering versuchen, Ende August top vorbereitet zu sein. Aktuell versuche ich noch ein Trainingscamp in Japan oder der Umgebung für die Tage vor dem Check-in im olympischen Dorf zu organisieren.
Was können wir von euch erwarten und welchen Rennverlauf wünscht ihr euch? Wie schätzt ihr eure Stärken/Schwächen ein?
Florian: Ich erhoffe mir ein perfektes Rennen, mit dem sicherlich ein sehr gutes Ergebnis möglich wäre. Bei den letzten Bewerben konnte ich meine große Stärke am Rennrollstuhl und gleichzeitig auch eine Schwäche beim T1-Wechsel erkennen. Die Radstrecke in Tokio könnte für meinen Geschmack durchaus ein wenig hügeliger sein.
Günther: Das ist schwer zu sagen. Es ist kein Geheimnis, dass ich im Schwimmen vergleichsweise am schwächsten bin und normalerweise beim Laufen ganz vorne mitmischen kann. Ich werde versuchen, beim Schwimmen möglichst wenig auf die Spitze zu verlieren. Wenn ich den richtigen Wasserschatten erwische, wird das auch viel ausmachen. Der Radkurs ist flach und kurvig, da erwarte ich ein enges Rennen und bis auf ein paar Ausreißer sehr ähnliche Zeiten. Auf der Laufstrecke hoffe ich, mein Trainingstempo durchziehen zu können, auch wenn das bei den Temperaturen richtig hart wird. Aber wo, wenn nicht bei Olympia, kann ich körperlich an meine absoluten Grenzen gehen?
Habt ihr ein Geheimrezept gegen die feuchten und sehr warmen Bedingungen in Tokio?
Florian: Nein, ich vertraue vielmehr darauf, dass ich auch in den letzten Jahren bei heißen Bedingungen immer sehr gute Leistungen abrufen konnte, und trainiere auch aktuell teilweise bewusst in der Mittagshitze, um mich optimal vorzubereiten.
Günther: Aus meiner Sicht wird vor allem eine frühzeitige Anreise wichtig sein, ansonsten bin ich gerne für weitere Vorschläge offen! (LH)