FIVE #169 - Das Michael Jordan Special

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BASKETBALL FOR LIFE

BE LIKE MIKE

06/2020

169

THE GRE ATEST

D A S M I C H A E L-J O R D A N - S P E C I A L

3,90 €

Österreich 5,00 € Schweiz 7,80 SFR BeNeLUX 4,60 € Italien 5,25 € Spanien 5,25 €

ISSUE 169 ISSN 1614-9297 WWW.FIVEMAG.DE




editorial

FIVE

IMPRESSUM

169

Redaktion: redaktion@fivemag.de Verlag: KICKZ.COM GmbH Landwehrstr. 60 80336 München Tel.: +49-89-324 781 70 Fax: +49-89-324 781 99 Chefredakteur: André Voigt (verantw.) Grafik: Patrick „Mochokla“ Ortega Fotos: Getty Images Lektorat: Thomas Brill

Fotos: Andrew D. Bernstein/Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

LIEBE FIVE-GEMEINDE, besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Während sich der Griff des Corona-Virus langsam lockert, bringen wir euch in diesem Monat das große Michael-Jordan-Special! Warum es so lange gedauert hat? Ehrlich gesagt: keine Ahnung. Sicher: Kobe Bryant und vor allem LeBron James übernahmen nach seinem endgültigen Rücktritt den Staffelstab von „His Airness“. Michael Jeffrey Jordan blieb aber bis zum heutigen Tag die überragende Lichtgestalt des Weltbasketballs … Er war der Nachfolger von Magic Johnson und Larry Bird, die die NBA in den 80er Jahren beherrschten und deren Rivalität quasi im Alleingang dafür sorgte, dass die Spiele der Association endlich auch im nationalen US-Fernsehen live zu verfolgen waren. Jordan übernahm als bester Spieler der Liga und hielt die NBA in einem bis heute beispiellosen Würgegriff. Sechs Titel in acht Jahren, der unangefochtene Status als bester Spieler und Scorer der Welt – „His Airness“ war in den 90er Jahren das Nonplusultra in der NBA.

Es gab auch andere Stars, aber nur einen MJ. Er kreierte einen Style auf dem Feld, der sportlich wie modisch Maßstäbe setzte. Zunge raus, Fadeaways, lange Shorts, Schweißbänder am Ellbogen, Gummikniebandagen, Sneakers – MJ setzte die Trends. Er gewann auch wie kein anderer in seiner Zeit, er war clutch wie kein anderer … ja, er flog wie kein anderer. Vielleicht ist es heute schwer zu vermitteln, aber allein die Flugshow, die der junge MJ ablieferte, machte ihn zur Legende. Dass jemand von der Freiwurflinie abhob und dunkte? Einfach undenkbar. Dass er über Sevenfooter dunkte, ewig in der Luft stand, akrobatische Korbleger leicht aussehen ließ, die jede Zehntelsekunde Hangtime ausnutzten … keiner war wie „Air“. Damals waren die krassesten Highlights nicht nur einen Klick entfernt. Es brauchte einen Kumpel/Verwandten, der aus den USA eine VHS-Kassette mitbrachte. MJs Dunks hatten keine Halbwertszeit von einigen Minuten … sie blieben im Kopf, sie wurden immer und immer wieder angeschaut, wurden zum Kult. Passend zur von ESPN und Netflix aufgrund der Corona-Krise vorgezogenen

BESTEN DUNK

nächste aUSGABE

Dré dunkt allen, die dafür sorgen, dass wir diese Krise überstehen – sowie allen, die zu Hause bleiben, sich an die Hygieneregeln halten und so dafür sorgen, dass bald wieder alles gut wird!

Die FIVE #170 erscheint am 10. Juli 2020 oder liegt schon bis zu vier Tage vorher bei allen Abonnenten im Briefkasten. Dann im Heft: die 100 besten Spieler aller Zeiten!

Ausgabe verpasst? Kein Thema. Scannt den nebenstehenden Code mit eurem Smartphone ein oder

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schaut auf www.kickz.com/de/five vorbei und ordert einfach nach.

Dokumentation „The Last Dance“ erscheint also jetzt dieses Special. Weil es in die Zeit passt, die so unwirklich, so verwirrend und manchmal auch entmutigend ist. Viele wird es mitnehmen in eine Zeit, in der sie sich in den Sport verliebt haben. Sie werden vielleicht auf der Heimanlage „Sirius“ von The Alan Parsons Project aufdrehen. Sie werden „The Last Dance“ schauen und dieses komische Gefühl im Bauch haben. Eine Mischung aus Klassentreffen, Wehmut und Gänsehaut. Sie werden irgendwie plötzlich wieder da sein, wo sie damals waren. Die anderen (Jüngeren) werden hoffentlich mit offenen Augen an die Person Michael Jeffrey Jordan herangehen. Die Faszination werden sie vielleicht nicht ganz begreifen können, aber seine Brillanz, seine unfassbare Qualität. Und hoffentlich werden alle auch die dunklen Seiten von MJ sehen … dass er nicht perfekt war, was ihn genau deshalb aber auch so spannend macht.

Mitarbeiter dieser Ausgabe: Christian Orban Marcel Nadim Aburakia Manuel Baraniak Peter Bieg Jens Leutenecker Ivan Beslic Martin Fünkele Ole Frerks Tobias Jochheim Robbin Barberan Aboservice: KICKZ.COM GmbH E-Mail: abo@fivemag.de Tel.: +49-89-324 781 70 Druck: Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG Frankfurter Straße 168 34121 Kassel Vertrieb: MZV GmbH & Co. KG Ohmstr. 1 85716 Unterschleißheim Für unverlangt eingesandtes und nicht mit einem Urhebervermerk gekennzeichnetes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Beiträge, die namentlich gekennzeichnet sind, geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Vervielfältigung, Speicherung sowie Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages. Gerichtsstand ist München.

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André Voigt

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FIVE

06

68

23 SECONDS

JORDAN RULES

Die Evolution des Michael Jordan, MJ-Facts, Jordans größte Rivalen, die MJ-Infografik etc.

Die Detroit Pistons waren MJs Nemesis. Doch was war so besonders an ihren „Jordan Rules“?

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72

ALS ICH JORDAN TRAF

TRIANGLE-OFFENSE

FIVE-Autor Martin Fünkele interviewte einst Michael Jordan in Hamburg. Es lief anders als geplant.

Sie gilt als Blaupause für den Erfolg der Bulls. Was ist die TriangleOffense? Welchen Effekt hatte sie?

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JORDAN INC.

JORDAN IN BILDERN

Michael Jordan war nicht nur auf dem Feld ein Superstar. Er ist der erste Spielermilliardär.

Von keinem Basketballer gibt es legendärere Bilder (bzw. Sneakers) als von MJ … hier findet ihr einige der besten.

32 ONEPAGER Ron Harper, Horace Grant, B.J. Armstrong und Steve Kerr hatten viel mit MJs Erfolg zu tun …

38 MICHAEL JORDAN Die beispiellose Karriere des Michael Jordan von Wilmington bis zum „Last Shot“, der keiner war.

58 THE FLU GAME Das „Flu Game“ hatte wohl nichts mit einer Grippe zu tun – trotzdem analysieren wir eines der größten MJ-Spiele aller Zeiten!

64

169

inhalt

94 IN-DRÉ-SSANT Michael Jordan war zwei Saisons lang ein Washington Wizard. Hat er damit sein Ansehen beschmutzt? Warum kam er überhaupt zurück?

96 WARENKORB Be like Mike! Mit den Styles im KICKZ-Warenkorb ist das zumindest optisch gar kein Problem!

98 IVAN BESLIC Der beste Mitspieler, den Michael Jordan je in einem wichtigen Spiel hatte? Eventuell könnte das Lola Bunny gewesen sein! Ein Blick zurück auf „Space Jam“!

BASEBALL Michael Jordan spielte zwischen seinen beiden Threepeats Baseball. Warum? Und wie gut war er?

05


23 SECONDS

Timeline

DIE MJTIMELINE Die Karriere von Michael Jordan ist eine Geschichte wie aus einem Hollywood-Film. Hier zur besseren Übersicht die wichtigsten Punkte seiner unfassbaren Laufbahn.

17.02.1963

63 pts

07.02.1988

06.02.1988

16.04.1987

20.04.1986

Wird zum ersten Mal All-Star-MVP.

Gewinnt den Slam-DunkContest in Chicago gegen Dominique Wilkins. Es ist Jordans zweiter Sieg.

Gewinnt seine erste NBA-TopscorerKrone – neun weitere folgen.

Erzielt 63 Punkte (NBA-Playoff-Rekord) im zweiten Spiel der Serie gegen die Boston Celtics.

13.05.1988

25.05.1988

07.05.1989

10.07.1989

Wird zum „Defensive Player of the Year“ gewählt.

Wird zum ersten Mal NBA-MVP.

72-10

06

Geburt in Brooklyn, New York.

Trifft den Gamewinner „The Shot“ über Craig Ehlo im fünften Spiel der Erstrundenserie gegen die Cleveland Cavaliers.

Die Bulls ernennen Phil Jackson zum Cheftrainer.

55 pts

Gewinnt seinen vierten NBA-Titel gegen die Seattle SuperSonics.

Chicago gewinnt gegen die Washington Bullets mit 103:93. Es ist der 72. Saisonsieg – NBA-Rekord bis 2015/16.

Die Bulls scheiden gegen die Orlando Magic in den Playoffs aus.

Erzielt 55 Punkte gegen die Knicks im Madison Square Garden und trägt dabei die Nummer 45.

16.06.1996

21.04.1996

18.05.1995

28.03.1995

13.07.1996

15.11.1996

11.06.1997

13.06.1997

Unterschreibt einen Einjahresvertrag über 30,1 Millionen Dollar bei den Bulls.

Der Film „Space Jam“ kommt in den USA in die Kinos.

Erzielt trotz Lebensmittelvergiftung 33 Punkte im fünften Spiel der NBA-Finals – das „Flu Game“.

Gewinnt seinen fünften NBA-Titel gegen die Utah Jazz.

Kauft sich die Mehrheit der Anteile an den Charlotte Bobcats.

Wird in die Basketball Hall of Fame aufgenommen.

Kauft sich Anteile der Charlotte Bobcats und wird dort Manager.

Wizards-Eigner Abe Pollin feuert Jordan als Manager.

17.03.2010

11.09.2009

15.06.2006

07.05.2003


Erhält ein Stipendium an der University of North Carolina (UNC).

Trifft im NCAA-Finale gegen Georgetown den entscheidenden Wurf.

Wird von den Chicago Bulls an dritter Stelle der NBA-Draft hinter Akeem Olajuwon und Sam Bowie gezogen.

1979

1981

29.03.1982

19.06.1984

29.10.1985

15.09.1985

16.05.1985

10.08.1984

Bricht sich bei den Golden State Warriors den Fuß und verpasst 61 Partien.

Jordans erster Schuh, der „Jordan 1“ von Nike, kommt in die Läden.

Wird zum „Rookie of the Year“ gewählt.

Gewinnt mit dem Team USA olympisches Gold bei den Spielen in Los Angeles.

Gewinnt seinen ersten NBA-Titel gegen die L.A. Lakers.

Trifft sechs Dreier in der ersten Halbzeit im ersten Finalspiel gegen die Trail Blazers und zuckt nur mit den Schultern.

Gewinnt mit dem Dream Team olympisches Gold bei den Spielen in Barcelona.

Die Bulls gewinnen ihren dritten Titel durch den Dreier von John Paxson gegen die Phoenix Suns.

03.06.1992

08.08.1992

20.06.1993

07.02.1994

06.10.1993

23.07.1993

Beendet seine NBAKarriere, schließt aber ein Comeback nicht aus.

Sein Vater James R. Jordan wird ermordet.

Wird bei Tryouts nicht in die erste Mannschaft seiner Highschool berufen.

10.06.1991

18.03.1995

Schickt ein Fax mit den Worten „I’m back“ an die Medien, mit dem er sein Comeback bei den Chicago Bulls verkündet.

Jordan unterschreibt als Free Agent beim Baseballteam Chicago White Sox und spielt für deren Farmteam.

Jordan wird zu einem der 50 besten NBA-Spieler aller Zeiten gewählt.

1997

Die Bulls statten Phil Jackson nur mit einem Einjahresvertrag aus.

Gewinnt seinen sechsten NBA-Titel gegen die Utah Jazz nach einem kleinen Schubser gegen seinen Verteidiger Bryon Russell. Es ist Jordans letzter Korb für die Bulls.

Beendet zum zweiten Mal seine Karriere.

24.07.1997

14.06.1998

13.01.1999

Fotos: David Madison/Andrew D. Bernstein/Andy Hayt/NBAE via Getty Images

I’m back

43 pts 16.04.2003

21.02.2003

25.09.2001

19.01.2000

Erzielt in seinem letzten NBA-Spiel 15 Punkte.

Erzielt im Alter von 40 Jahren und drei Tagen 43 Punkte gegen die New Jersey Nets. Kein 40-Jähriger knackte neben MJ bisher die 40-Zähler-Marke.

Unterschreibt als Spieler bei den Wizards.

Wird Mitinhaber und Manager der Washington Wizards.

07


SECONDS

5

MUST SEE MJ! Michael Jordan absolvierte in seiner NBA-Karriere 1.072 Spiele in der regulären Saison, 179 in den Playoffs und 35 Finalpartien. Hier sind die fünf besten Finals-Leistungen seiner Karriere!

3

. „THE SHRUG“ N B A - F I N A L S 1 . S P I E L

1 9 9 2 ,

Michael Jordan war nie ein Dreierschütze (28,8 3P% in den Jahren mit der langen Dreierlinie * ). Trotzdem stellte er in der ersten Partie der 92er Finals gegen die Portland Trail Blazers einen Rekord auf: 35 Punkte hatte noch niemand in einer Halbzeit eines NBA-Endspiels aufgelegt. Eine Bestmarke, die bis heute Bestand hat. Der zweite Rekord, den MJ an diesem Abend erzielte? Sechs getroffene Dreier in einer Finals-Halbzeit. Der letzte von ihnen führte zum berühmtesten Achselzucken (Shrug) der Sportgeschichte. Diesen Rekord ist Jordan aber mittlerweile los – Ray Allen traf 2010 als Boston Celtic sieben Dreier gegen die L.A. Lakers in einer Halbzeit. Am Ende waren es 39 Punkte für „His Airness“. Warum nur so wenige? Chicago gewann 122:89, Jordan absolvierte „nur“ 34 Minuten.

4

. DER HANDWECHSEL N B A - F I N A L S 2 . S P I E L

Das erste Spiel der NBA-Finals 1991 hatten die Bulls zu Hause mit 91:93 gegen die Lakers um Magic Johnson verloren. Es war MJs erste Finals-Partie überhaupt. Mit 0-2 in Rückstand zu geraten, war keine Option … jedenfalls nicht für Jordan. 15 Treffer aus dem Feld bei 18 Versuchen, 33 Punkte, sieben Rebounds und 13 Assists sorgten für einen klaren 107:86-Sieg. Und mit seinem legendären HandwechselKorbleger gab es noch ein Highlight für die Ewigkeit obendrauf …

1 9 9 3 ,

Die NBA-Finals 1993 drohten interessant zu werden. Nachdem Chicago die ersten beiden Partien in Phoenix gewonnen hatte, schlugen die Suns um Charles Barkley im dritten Spiel zurück. Würden die bilanzbesseren Western-Conference-Champions ausgleichen können oder schier aussichtslos 1-3 in Rückstand geraten? Barkley lieferte ein 32-Punkte-12-Rebounds-10-Assists-Triple-Double. Jordan? Warf 37-mal. Traf 21-mal. Verwandelte 13 von 18 Freiwürfen. Legte 55 Zähler auf. Chicago gewann 111:105 und in Spiel sechs den Titel.

08

1 9 9 8 ,

1 9 9 1 ,

. MIKE VS. CHUCK N B A - F I N A L S 4 . S P I E L

N B A - F I N A L S 6 . S P I E L

Die Bulls führten zwar 3-2 gegen die Utah Jazz, doch die Western-ConferenceChampions hatten Heimrecht in den letzten beiden Finalpartien. Sprich: Verlieren die Bulls die sechste Begegnung, droht ein siebtes Aufeinandertreffen in Salt Lake City. Dort hatte Chicago aber zwei seiner drei Partien in dieser Saison verloren. Mit 28 Zählern, aber einer Feldquote von nur 34,6 Prozent hatte der 35-jährige MJ im fünften Spiel verwundbar gewirkt. Egal … 45 Punkte, vier Steals und ein Wurf für die Ewigkeit brachten den Chicago Bulls den sechsten Titel in acht Jahren sowie den zweiten Threepeat.

1 2

. „THE LAST SHOT“

. „THE FLU GAME“ N B A - F I N A L S 5 . S P I E L

1 9 9 7,

Beim Stand von 2-2 müssen die Bulls in Salt Lake City ran. Problem: Jordan plagt eine Lebensmittelvergiftung (nicht die Grippe, wie sein Personal Trainer Tim Grover 15 Jahre später aufklären wird). Utah liegt schnell mit 16 Punkten vorn, dann kommt MJ. 17 Zähler legt er im zweiten Viertel auf, 15 im vierten – samt dem Dreier, der das Spiel vorentscheidet. In 44 Minuten produziert MJ 38 Zähler, sieben Rebounds, fünf Assists, drei Steals und einen Block. Die Bulls gewinnen den Titel im sechsten Spiel.

* Von 1994 bis 1997 verkürzte die NBA die Dreierlinie von 7,24 Meter auf 6,71 Meter. In dieser Zeit traf Jordan 40,4 3P%.

Fotos: Scott Cunningham/ NBAE/Andrew D. BernsteinScott Cunningham/Focus on Sport/Rocky Widner/NBAE via Getty Images

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finals


teammates

MICHAELS BULLS Die Chicago Bulls waren in Michael Jordans ersten NBA-Jahren lange eine One-Man-Show (sorry, Orlando Woolridge) … und wenig erfolgreich. Mit fähigen Mitspielern für MJ stellte sich jedoch der Erfolg ein. Wer die wichtigsten Spieler an der Seite von „His Airness“ waren? Schön, dass ihr fragt …

SCOTTIE PIPPEN, SMALL FORWARD Wer sonst? Pippen war der kongeniale Partner Jordans. 2,03 Meter groß, mit langen Armen und einer überragenden Athletik gesegnet, avancierte er zu einem der vielseitigsten Spieler der Liga. „Pip“ verteidigte auf elitärem Niveau, verteilte den Ball, reboundete, wusste, wo der Korb hing. In den ersten drei Threepeat-Jahren lieferte der Hall of Famer 19,1 Punkte, 7,5 Rebounds, 6,5 Assists, 2,1 Steals und 1,1 Blocks pro Spiel. Während des zweiten Titeldreiers legte der siebenfache All Star 19,7 Zähler, 6,2 Bretter, 5,8 Vorlagen, 1,8 Ballgewinne plus 0,7 Rejections auf.

HORACE GRANT, POWER FORWARD Grant ist so etwas wie der vergessene Star an MJs Seite. Wahrscheinlich weil er nur einmal All Star wurde (als MJ Baseball spielte) und 1994 bei den Orlando Magic anheuerte. Seine 13,4 Punkte, 9,3 Rebounds, 2,5 Assists, 1,2 Steals und 1,3 Blocks in den ersten drei Titeljahren waren aber unersetzlich. Er war der Mann fürs Grobe und konnte noch mehr. DENNIS RODMAN, POWER FORWARD „The Worm“. Drei Jahre lief er als Chicago Bull

auf. Drei Jahre jagte eine Eskapade die nächste. Doch das war abseits des Feldes. Auf dem Parkett gab Rodman den unermüdlichen (im Alter von 34 bis 36 Jahren) Malocher, der jeden Rebound greifen, jeden Block setzen, in jeden Kopf des Gegners wollte. Was Jordan als Topscorer war, war Rodman als Top-Rebounder: Sieben Jahre führte er in Folge die Association an. Als Bulle lieferte er 15,3 Bretter im Schnitt.

TONI KUKOC, SMALL FORWARD „The Croatian Sensation“ weinte, als er vor seiner Ankunft in der NBA von MJs erstem Rücktritt erfuhr. Als „His Airness“ dann zurückkam, lieferte der Best Sixth Man von 1996 als Bankscorer eine Vielseitigkeit, die kaum ein NBA-Profi dieser Jahre bieten konnte. Die „Spinne aus Split“ traf beim zweiten Threepeat mit 2,08 Meter Körperlänge seine Dreier (37,0 3P%), brillierte als Playmaker (4,0 APG) und scorte (13,2 PPG).

BILL CARTWRIGHT, CENTER Auch wenn einer seiner Spitznamen wegen der Verletzungen „Medical Bill“ lautete: Cartwrights Ankunft in Chicago brachte die Härte am Brett, die die Bulls in den Playoffs brauchten.

B.J. ARMSTRONG, POINT GUARD All-Star-Starter B.J. Armstrong? Ja, komplett gaga, aber 1994 war es so. „The Kid“ nahm John Paxson den Startplatz im Backcourt weg und spielte grundsolide. STEVE KERR, POINT GUARD Kerrs Dreier, der die Finals 1997 gegen Utah gewann, ist legendär. Auch beschreibt er Kerrs Beitrag zu den Bulls perfekt: 47,8 3P%. JOHN PAXSON, POINT GUARD Was Kerrs Dreier gegen die Jazz 1997 war, ist Paxsons Downtown-Winner gegen die Suns in den Finals 1993. Auch er war ein Shooter neben MJ ... obwohl er kaum warf. LUC LONGLEY, CENTER Der Bill Cartwright des zweiten Threepeats und der beste Center der Jordan-Bulls.

CHARLES OAKLEY, POWER FORWARD Der einzige Spieler, der keinen Titel mit MJ gewann, aber einer der besten Kumpels von Jordan wurde … und eben ein echt harter Kollege. „Oak“ schützte MJ gegen die Bad Boy Pistons. Er würde uns finden, wenn er nicht auf dieser Liste stehen würde.

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23 SECONDS

buchklub

Facts

MJ: DER BUCHKLUB Es gibt eigentlich nur drei Bücher, die ihr über Michael Jordan gelesen haben müsst. Den ganzen Rest braucht ihr dann nicht mehr.

„PLAYING FOR KEEPS“ A U T O R : D A V I D H A L B E R S TA M ( 1 9 9 9 )

„MICHAEL JORDAN: THE LIFE“

Jordan gewann sechs NBA-Titel, war 14-mal All Star, gewann fünf MVP-Awards, war der „Defensive Player of the Year“ 1987/88 und „Rookie of the Year“ 1984/85.

-

Jordan führte die NBA zehnmal bei den Punkten und dreimal bei den Steals an, wurde sechsmal Finals-MVP, stand in elf All-NBATeams und neun All-NBADefensive-Teams.

-

Jordan gewann zwei olympische Goldmedaillen mit dem Team USA: 1984 und 1992.

„THE JORDAN RULES“ AUTOR: SAM SMITH (1992)

AUTOR: ROLAND LAZENBY (2015)

„UM ERFOLGREICH ZU SEIN, MUSST DU EGOISTISCH SEIN, ODER DU ERREICHST NICHTS. UND WENN DU DANN AUF DEINEM HÖCHSTEN LEVEL BIST, MUSST DU SELBSTLOS SEIN. SEI ERREICHBAR. BLEIBE IN KONTAKT, ISOLIERE DICH NICHT.“ MICHAEL JORDAN 10

Lazenby lieferte 2015 wohl das umfassendste Buch über Jordan ab. Auf 720 Seiten beschreibt er dessen Karriere. Er lässt Interviews mit Weggefährten, Coaches und Jordan selbst einfließen. Lazenby schreckt außerdem nicht davor zurück, die dunkle Seite MJs auf und neben dem Court in den Vordergrund zu stellen, wo es nötig ist.

Smith war als Beatwriter der Tageszeitung „Chicago Tribune“ so nah an Jordan und den Bulls dran wie kaum jemand anders. Nach der Veröffentlichung 1992 schlug dieses Buch ein wie eine Bombe. Der Grund: Es thematisierte die Spannungen bei den Bulls, die Jordans Überehrgeiz hinter den Kulissen generierte, und wie hart er mit seinen Teammates umging.

Fotos: Ned Dishman/Andrew D. BernsteinNBAE via Getty Images

Das beste Buch über Michael Jordan ist ironischerweise das, für dessen Autor er nicht zur Verfügung stand. PulitzerpreisGewinner David Halberstam recherchierte sein Buch über Jordan, bevor er mit MJ über dessen Leben sprechen wollte, doch der stand dann nicht zur Verfügung. Trotzdem beschreibt kein anderes Werk Jordans Karriere mit solch einem breit gefächerten Blick auf die NBA und die Geschichte des Spiels, aber auch soziokulturelle Aspekte der USA. Es darf in keiner Sammlung fehlen.


movies

MJ: DIE FILME Über „Space Jam“ berichten wir in dieser Ausgabe an anderer Stelle, genau wie über die erst kürzlich erschienene Serie „The Last Dance“. Hier geht es um einige andere Dokus, die Michael Jordan zum Thema haben und die jeder halbwegs ernsthafte Basketballnerd gesehen haben muss. Das Beste daran: Die meisten gibt es auf YouTube!

Das ehemalige Staatsoberhaupt Nordkoreas, Kim Jong-il, war großer Jordan-Fan und lud ihn zu einem Besuch ein. MJ verzichtete, Kim bekam jedoch von US-Außenministerin Madeleine Albright einen von Jordan unterschriebenen Ball, der heute in der „Freundschaftsausstellung“ des Landes neben einer Krokodilleder-Handtasche von Fidel Castro und einem Gewehr von Wladimir Putin zu bewundern ist.

MICHAEL JORDAN‘S PLAYGROUND (1990) LINK: HTTPS://BIT.LY/MJPLAY

MJ selbst führt durch diese Doku, die den Bad Boy Pistons einen recht großen Teil widmet. Ob es Dunks gibt? Oh ja … und Jordans Gedanken in Sachen Defense. Ach ja … am Ende tanzt MJ. Es waren halt andere Zeiten …

MICHAEL JORDAN: COME FLY WITH ME (1989)

MICHAEL JORDAN TO THE MAX (2000)

30 FOR 30: JORDAN RIDES THE BUS (2010)

Die modernste Jordan-Doku vor „The Last Dance“. Als IMAX-Film gedreht, kommt sie in HD daher und erzählt mit den Finals 1998 als roter Faden die Karriere von MJ. Achtung: Stellenweise wird es sehr emotional – und ihr dann auch, wenn ihr ein Herz habt …

Vorweg: Diese „30 for 30“-Doku gibt es nicht auf YouTube (der Link führt zu einem längeren Trailer). 51 Minuten über das BaseballAbenteuer …. das mag ein bisschen viel erscheinen. Aber die investierte Zeit ist es mehr als wert. Denn „Jordan Rides the Bus“ räumt mit allerlei Mythen rund um Jordans Zeit bei den Birmingham Barons auf.

LINK: HTTPS://BIT.LY/MJTHEMAX

LINK: HTTPS://BIT.LY/MJRIDES

LINK: HTTPS://BIT.LY/MJFLY

Der Name sagt alles. Michael Jordan beschreibt zum Anfang seinen ersten Dunk, und dann geht es um … Dunks. Und um seine Karriere. Eine seiner Lehrerinnen erinnert daran, dass sie ihm riet, etwas mit „Mathematik zu machen, denn da ist das Geld“. Außerdem werden die Olympischen Spiele 1984 thematisiert.

11


23 SECONDS

topscorer

WILT, KOBE, DAVID, DAVID, ELGIN, DEVIN … Michael Jordan führte die NBA zehn Jahre in Folge als Topscorer an – wenn er die gesamte Saison absolvierte und nicht den Großteil des Jahres Baseball spielte. Trotzdem haben sechs Akteure mehr Punkte in einer Partie aufgelegt als MJ, der 1990 gegen die Cavaliers 69 Zähler erzielte. PUNKTE 100 81 78* 73 73 73 72 71 71 70 70 69**

NAME WILT CHAMBERLAIN KOBE BRYANT WILT CHAMBERLAIN DAVID THOMPSON WILT CHAMBERLAIN WILT CHAMBERLAIN WILT CHAMBERLAIN DAVID ROBINSON ELGIN BAYLOR WILT CHAMBERLAIN DEVIN BOOKER MICHAEL JORDAN

* Nach dreifacher Verlängerung

TEAM WARRIORS LAKERS WARRIORS NUGGETS WARRIORS WARRIORS WARRIORS SPURS LAKERS WARRIORS SUNS BULLS

** Nach Verlängerung

„ICH SPIELE, UM ZU GEWINNEN – IM TRAINING ODER IN EINEM SPIEL. UND ICH LASSE NICHTS ZWISCHEN MEINEN EHRGEIZ UND MICH KOMMEN.“ MICHAEL JORDAN

„ICH KANN ES AKZEPTIEREN ZU SCHEITERN. ABER ICH KANN ES NICHT AKZEPTIEREN, ES NICHT ZU VERSUCHEN.“ MICHAEL JORDAN

33,6 Punkte pro Partie markierte Jordan in seinen 35 NBA-Finals-Spielen im Schnitt.

12

Jordan ist laut Forbes.com der einzige Sportler, der mittlerweile Milliardär ist.

DATUM 02. MÄRZ 1962 22. JANUAR 2006 12. AUGUST 1961 04. SEPTEMBER 1978 16. NOVEMBER 1962 13. JANUAR 1962 11. MÄRZ 1962 24. APRIL 1994 15. NOVEMBER 1960 03. OKTOBER 1963 24. MÄRZ 2017 28. MÄRZ 1990

Jordan wollte eigentlich bei Adidas unterschreiben, doch die Firma machte ihm nie ein Angebot.

Als Jordan zum ersten Mal in Chicago landete, holte ihn niemand am Flughafen ab – die Bulls hatten es vergessen.


Evolution of Mike

EVOLUTION OF MIKE Michael Jordan war nach seiner zweiten NBA-Saison bis

selbst mit 35 Jahren noch 38,8 Minuten pro Partie ab

Vorruhestand ging, spielerisch nur noch wenig gemein.

zu seinem zweiten Rücktritt 1998 quasi durchgehend

und verließ die Chicago Bulls als sechsfacher Meister

Jordan passte sein Spiel und sogar seinen Körper immer

der dominante Spieler der Liga. Ein nicht zu stoppender

und amtierender Topscorer der Association.

wieder an. Schwindende Athletik konterte er mit einem

Scorer ohne nennenswerten Dreier (außer in den Jahren der verkürzten Dreierlinie von 1994 bis 1997). Er riss

Der Michael Jeffrey Jordan, der 1984 in die Liga kam, hatte aber mit dem, der 1998 in den

Chicago Bulls s lls cago Chi Bu icagoBull Ch

nicht zu verteidigenden Fadeaway. Hier sind die drei Versionen des Bulls-MJ.

1/23 23/ 23 1/23

CC HH II CC AA GG OO B B U U L L L L S S

Michael dan Mic Joran lJordan aeJord Shooting ich Guard Mhael Guard Shooting ting Guard

Michael Jordan Michael Jordan

Chicago Bulls Bull s Chic ago Bul ls Chi cag o

Guar Guard rd d Gua

AN MICHAEL JORD

Fotos: Rocky Widner/Frank McGrath /NBAE via Getty Images

Shoo

DER ÜBERATHLET

DAS KOMPLETTPAKET

DER PROFESSOR

ZEIT: 1984 BIS 1990

ZEIT: 1990 BIS 1993

ZEIT: 1996 BIS 1998

Scouting Report: Speed kills! Dieses Sport-Axiom gilt eigentlich im American Football. Vielleicht gerät deshalb in Vergessenheit, dass der frühe Jordan ein Athlet ist, den die NBA so noch nie gesehen hat. In Sachen Sprungkraft würde dies jeder sofort unterschreiben, vertikal extrem befähigte NBA-Profis gab es allerdings schon vor MJ. Im Gegensatz zu einem Julius Erving oder David Thompson ist Jordan aber gleichzeitig extrem schnell. Sein Antritt ist so explosiv, dass selbst der noch wackelige Sprungwurf sein Spiel nicht behindert. Der Verteidiger mag Abstand lassen, um Nummer 23 den Weg zum Korb zu nehmen, helfen tut es meist nichts. Gleichzeitig zehrt Jordan von einem schier unendlichen Energiereservoir. 1988 und 1989 spielt niemand mehr Minuten im Schnitt als er. Er punktet, verteidigt, assistiert, klaut und blockt sogar Bälle. Ruhepausen? Die gibt es nur im Sommer, denn Jordan ist der alleinige Grund, warum die Franchise von Teambesitzer Jerry Reinsdorf überhaupt die Playoffs erreicht. Wenn es etwas an dieser frühen MJVersion auszusetzen gibt, dann die Tatsache, dass er noch nicht gelernt hat, seinen Mitspielern zu vertrauen (was ein Stück weit auch der Unfähigkeit der anderen Bullen anzulasten ist). Außerdem löst er noch zu viele Probleme mit dem Drive. Den Sprungwurf aus der Mitteldistanz entwickelt er erst in der Folge. Muss er zu diesem Zeitpunkt allerdings auch nicht: Im Rest der Association hat die FitnessRevolution noch nicht Einzug gehalten, die Hilfe in der Defense kommt einfach zu oft zu spät – vor allem bei Jordan.

Scouting Report: Rein statistisch macht Jordan in dieser Zeit einen kleinen Schritt zurück. Der Grund dafür sind seine Mitspieler. Scottie Pippen und Horace Grant erarbeiten sich sein Vertrauen. John Paxson, B.J. Armstrong und Bill Cartwright füllen effektiv ihre Rollen aus. Die Last auf Jordan nimmt ab, gleichzeitig ist sein Körper dank eines rigorosen Kraftprogramms gestählter denn je, reift das Spiel in der Mitteldistanz auf Weltniveau. Bis zu seinem ersten Rücktritt ist er in der Lage, auf dem Parkett alles zu tun, wenn er es nur will. In diese Zeit fallen seine größten Spiele. Nicht die Partien mit den meisten Punkten, sondern die, in denen er selbst von der härtesten Konkurrenz einfach nicht zu stoppen ist. Die Liga mag athletisch aufgeholt haben, Jordan ist ihr dennoch meilenweit voraus. Keine Taktik greift mehr. Nicht die Prügeleien der Pistons oder Knicks, nicht der selbst ernannte JordanStopper Gerald Wilkins (Bruder von Dominique). Der Überathlet ist nicht mehr so schnell wie früher, dafür kräftiger, vor allem schlauer, ein besserer Basketballer. „Meine Aufgabe ist es, nicht ausrechenbar zu sein“, sagt Jordan 1993.

Scouting Report: Nach seiner Baseball-Auszeit beginnt Jordan im Alter von 32 Jahren seine erste volle Saison nach dem Titel 1993. Die Zeiten der nicht enden wollenden Hangtime sind vorbei. MJ weiß, dass er sein Spiel umstellen muss, um weiter zu dominieren. Er begibt sich jetzt immer häufiger an den Zonenrand. Wenn er zum Wurf in die Luft steigt, springt er nicht mehr nur in die Höhe, sondern oft von seinem Verteidiger weg. Der Fadeaway gleicht jegliches Abebben seiner athletischen Vorteile aus. Gleichzeitig profitiert er von der Verkürzung der Dreierlinie von 1994 bis 1997. Der Distanzwurf wird zu einer echten Waffe, 1995/96 trifft er 42,7 Prozent von Downtown bei 3,2 Versuchen pro Partie! Abstand kann keine Defense mehr lassen. Jordan denkt Basketball perfekt. Er versteht es – wie einst Larry Bird oder Magic Johnson –, die eigenen Mitspieler optimal in Szene zu setzen. Hier hilft ihm die Zeit beim Baseball, als er selbst die Rolle eines mindertalentierten Sportlers ausfüllte. Am erstaunlichsten ist Jordans Fähigkeit, in den wirklich wichtigen Momenten stets zu überragen. Er besitzt ein unglaubliches Gespür für die Big Points, hat immer eine Antwort. Keine Aufgabe scheint zu groß. Sei es das „Flu Game“ oder Spiel sechs der Finals 1998. Wenn Jordan den Sieg will, fährt er ihn ein.

Go-to-Move: „Stutter Steps“ im Dribbling, Drive in die Zone, abspringen, warten, bis alle anderen wieder landen, irgendwie den Ball reinlegen.

Go-to-Move: Jabstep, hartes Dribbling nach rechts, abspringen aus vollem Lauf, kerzengerade in der Luft stehen, abdrücken.

Jordan war nur in den Saisons 1996/97 (30,1 Millionen Dollar) und 1997/98 (33,1) der bestbezahlte NBA-Profi – in den anderen Spielzeiten verdiente er maximal 4,0 Millionen Dollar.

Go-to-Move: aufposten im Lowpost, den Hintern in den Gegner schieben, kurz zum Gegner umdrehen, Schulter-Täuschung, Drehung zur anderen Seite, nach hinten wegspringen (Fadeaway), abdrücken.

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23 SECONDS

rivalen

JORDAN UND DIE ANDEREN

Ein SalmonellenStamm ist nach Jordan benannt. Dr. Stanford Shulman entdeckte die Art 1993 und nannte sie „Salmonella mjordan“.

Michael Jordan, der ultimative Gewinner – dieses Bild wird oft gezeichnet. Doch wer waren seine größten Rivalen? Und hatte er vielleicht auch ein wenig Glück?

Fotos: Andrew D. Bernstein/ NBAE/Scott Cunningham/NBAE via Getty Images

M

ichael Jordan gewann ab der Saison 1990/91 mit den Chicago Bulls sechs Titel in acht Jahren. In dieser Zeit verlor er nur eine Playoffserie – das Aufeinandertreffen mit den Orlando Magic um Shaquille O’Neal und Penny Hardaway nach seiner Rückkehr vom Baseballfeld 17 Spiele vor Ende der regulären Saison 1994/95. In den 90er Jahren gewannen bis zu MJs Bulls-Abschied 1998 nur drei Hall of Famer einen Titel, die nicht Jordan oder Scottie Pippen hießen und in einer NBA spielten, in der „His Airness“ die gesamte Saison aktiv war: Isiah Thomas, Joe Dumars und Dennis Rodman (alle Detroit Pistons). Mit anderen Worten: MJ und Co. rasierten die Liga. Dabei strotzte die Association in den 90ern nur so vor Ausnahmetalent. Magic Johnson und Larry Bird – die prägenden Figuren der 80er – waren noch zu Höchstleistungen fähig, genau wie ihre Teams in Los Angeles und Boston. Die „Bad Boys“ der Pistons fungierten als Sinnstifter einer Defensividentität, die die Liga prägte. Center-Legenden wie Hakeem Olajuwon, David Robinson, Patrick Ewing sowie später die jungen Shaquille O’Neal und Alonzo Mourning bildeten gleichzeitig eine goldene Pivoten-Generation. Charles Barkley, Karl Malone, John Stockton, Clyde Drexler, Dominique Wilkins, Shawn Kemp, Gary Payton, Reggie Miller und einige andere All Stars spielten in klug zusammengestellten Kadern, die zum Teil zu Recht Titelambitionen hegten. Trotzdem gewannen von 1990/91 bis 1992/93 und 1995/96 bis 1997/98 nur Michael Jeffrey Jordan, Scottie Maurice Pippen und Co. den Titel … Fragt sich: Wer waren MJs größte Rivalen dieser Zeit? Wer kam dem Sieg gegen die „Unbeatabulls“ am nächsten? Und hatte „His Airness“ seine Dominanz am Ende auch ein paar Faktoren zu verdanken, die außerhalb der Seitenlinien lagen?

Das Ende der 80er

Die Hauptkonkurrenten MJs sollten in mehrere Kategorien aufgeteilt werden. Da wären die Pre-Titel-Rivalen, die der Meisterjahre und die, mit denen er gar nicht in Berührung kam.

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Auf dem Weg zu seinem ersten Titel 1991 gegen die Lakers arbeitete sich Jordan an der Crème de la Crème der 80er Jahre ab. Gegen die von Larry Bird geführten Celtics setzte es in zwei Serien zwei Niederlagen – die Bulls waren als Team einfach nicht talentiert genug, egal wie sehr MJ auch offensiv brillierte. Die Detroiter Bad Boys gingen in drei von vier Playoff-Duellen als Sieger vom Platz – zweimal in den Conference-

Finals. 1991 jedoch gewann Chicago in den Ost-Endspielen 4-0. Ein Sieg, der mehr war als der erste Finaleinzug der Franchise, mehr als die süße Rache für die vorangegangenen beiden Niederlagen in den Ost-Finals 1989 und 1990. Dieser Sweep bedeutete den Sieg gegen den von Jordan verhassten Isiah Thomas, das Ende der Bad Boys, die bereits 1993 nicht mehr die Postseason erreichten, aber auch das Meisterstück


des Kaders um Jordan, Pippen und Power Forward Horace Grant. Nach der Abfertigung seines härtesten Gegners war der Titelgewinn gegen Magic Johnson – dessen L.A. Lakers in den Finals von den Buchmachern favorisiert wurden – gleichbedeutend mit dem Ende der größten Figuren der 80er Jahre.

Unbeatabulls

Vor und während der Titeljahre scheitern vor allem Patrick Ewings Knicks und die Cleveland Cavaliers um Mark Price in den Playoffs immer wieder an den Bulls. New York verliert – trotz der von 1991 bis 1995 genutzten Bad-Boy-Taktiken von Coach Pat Riley – insgesamt fünf der sechs Serien, Cleveland alle fünf. Während Ewings Team 1994 gegen MJ-lose Bulls gewinnt, verlieren die Cavs auch in diesem Jahr, als Jordan Baseball spielt. Ansonsten gibt es keinen klaren Rivalen in der Eastern Conference. Das später von Pat Riley gecoachte Miami um Mourning oder die Atlanta Hawks von Steve Smith sind bei mehreren Duellen chancenlos. Ihnen fehlt es schlicht an Talent. In fast jeder Serie stellen die Bulls nicht nur mit Jordan den besten Spieler, sondern mit Pippen in der Regel auch den zweitbesten. Sie sind von Phil Jackson überragend gecoacht, vertrauen ihrem System und sind defensiv auf Topniveau – auch weil sie sich eine mentale Härte angeeignet haben, die niemand anders vorweisen kann. In den „Championship Years“ müssen die Bulls nur zweimal in ein siebtes Spiel: gegen die Knicks in der zweiten Runde 1992 (Chicago gewinnt 110:81) und im einzigen Aufeinandertreffen mit den Indiana Pacers 1998 im Conference-Finale (88:83). Im NBA-Osten kommen die Knicks den Bulls alles in allem über die Jahre am nächsten, doch am Ende fehlt den Knickerbockers neben Ewing der zweite Abo-All-Star – ein Status, den Publikumsliebling John Starks nie einnehmen kann.

Bilanz (S/N) Name 10-9 Olajuwon 9-10 Jordan

What if?

Sind am Ende die größten Konkurrenten Michael Jordans zwei Akteure, gegen die er nie in den NBA-Playoffs antrat? Wahrscheinlich ja. (H)Akeem Olajuwon und Len Bias stehen für die beiden vielleicht größten „Was wäre wenn?“-Träumereien in MJs Karriere. Olajuwon und seine Houston Rockets gewannen die beiden Titel 1994 und 1995, als Jordan Baseball spielte bzw. erst spät in der Saison 1994/95 zurückkehrte. Die Bulls und Rockets trafen mit den beiden Hall of Famern im Kader insgesamt 19-mal aufeinander. Die Texaner gewannen zehn dieser Partien, die Bullen neun. (siehe Statistiken unten) Was hätte „The Dream“ mit den hauptamtlichen Bulls-Centern des zweiten Threepeats (Luc Longley, Bill Wennington) angestellt, nachdem er ja selbst jemanden wie David „The Admiral“ Robinson mit dem „Dream Shake“ in den Playoffs seekrank spielte? Wäre eventuell Dennis Rodman mit der Bewachung Olajuwons betraut worden? Wäre der „Wurm“ effektiv gewesen? Unter Coach Rudy Tomjanovich spielten die Rockets zudem einen Vorläufer von Pace-and-Space. Power Forward Robert Horry nahm 3,5 Dreier pro Partie – eine Kategorie, die die Raketen mit 21,4 Versuchen pro Partie 1994/95 anführten (es waren andere Zeiten …) – und agierte an der Dreierlinie, damit der Weg für die Hilfe bei Olajuwon am Zonenrand so lang wie möglich war. Die Rockets waren außerdem ein erfahrenes Veteranenteam, welches vor dem zweiten Titel mit Clyde Drexler verstärkt wurde. Jordan brachte die Basketballwelt mit seinem ersten Rücktritt um das wohl interessanteste Duell der 90er Jahre.

FG% 51,0 48,0

3P% 10,5 24,1

FT% 77,1 86,8

RPG 11,3 6,0

APG 2,4 5,5

Er verpasste als Birmingham Baron die Chance, sich gegen Olajuwon zu beweisen, der für zwei Jahre das Nonplusultra war. „The Dream“ hätte der größte Rivale MJs werden können, wenn …

Len Bias

… Len Bias sich nicht mit einer Überdosis Kokain umgebracht hätte. An der University of Maryland hatte der 2,03 Meter große Forward 23,2 Punkte und 7,0 Rebounds pro Partie aufgelegt. Folgerichtig drafteten ihn die Boston Celtics 1986 an zweiter Stelle hinter Center Brad Daugherty (Cavaliers). Die Celtics hatten im Vorjahr 67 Spiele und den Titel gewonnen. Die späteren Hall of Famer Larry Bird (29 Jahre), Kevin McHale (28), Robert Parish (32), Dennis Johnson (31) und Bill Walton (33) standen alle noch im Kader. Bias hätte den Veteranen einen athletischen, hart arbeitenden, vielfach talentierten Scorer gegeben. Die Boston Celtics 1987 hätten das beste Team aller Zeiten sein können … Die „Original Big Three“ bestehend aus Bird, McHale und Parish hätte sich mehr Ruhepausen gönnen können, Bias wäre in ihrem Schatten zum Superstar gereift. 1987 drafteten die Celtics an 22. Stelle zudem mit Reggie Lewis einen 2,01 Meter langen Flügel, der vor seinem plötzlichen Tod (Herzversagen) im Jahr 1993 20,8 Punkte auflegte. Bias und Lewis wären Bostons Version von Jordan und Pippen gewesen. Wäre Bias zu den Celtics gekommen und Boston als legitimer Konkurrent der Bulls erwachsen – gut möglich, dass Jordans erster Threepeat nie stattgefunden hätte. Würde Michael Jordan dann heute als „G.O.A.T.“ gelten? Wir werden es nie erfahren …

SPG 2,1 3,1

BPG 3,6 0,8

TPG 2,8 2,8

FPG 3,5 2,5

PPG 23,3 32,9

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einwurf

EINWURF

SECONDS

Fotos: Focus on Sport/Robert Lewis/Anthony Neste/NBAE via Getty Images

K

MEHR ALS MJ

In seiner Kolumne „Einwurf“ schaut Christian Orban über den Spielfeldrand hinaus und schreibt über die weniger beachteten Aspekte der Basketballkultur. Text: Christian Orban

aum ein NBA-Team ist so eng mit dem Namen und Erfolg eines Ausnahmespielers verbunden wie die Chicago Bulls mit Michael Jordan. So zogen die Bullen in der Jordan-Ära (1984 bis 1998) stets in die Playoffs und dabei achtmal ins Ostfinale ein. Mit ihren beiden überlegen vorgetragenen Threepeats bildeten sie eine Dynastie, die die NBA der 1990er Jahre dominierte und ihresgleichen sucht. Seither gehören die weltbekannten Bulls zu den erfolgreichsten Franchises der NBA. Allein die Boston Celtics und Los Angeles Lakers haben mehr Meisterschaften gefeiert. Nur sechs Gründerteams sowie die San Antonio Spurs haben öfter an der Postseason teilgenommen. Ihr letztes Hoch verzeichneten die Bulls zu Beginn der Zehnerjahre, als in Chicago unter Coach Tom Thibodeau (2010 bis 2015) pausenlos Playoff-Basketball gespielt wurde. 2011 führte Lokalheld Derrick Rose ein grandioses Defensivteam als jüngster MVP der NBA-Historie zu 62 Saisonsiegen und bis in die Eastern Conference Finals. Außerdem erlebte die Franchise aus der „Windy City“ eine weitere Erfolgsphase, die der Ankunft von „MJ“ vorausging, aber weithin in Vergessenheit geraten ist. Die Rede ist von den Bulls der frühen 70er Jahre, die hier gewürdigt seien. 1966 gegründet, sind die Bulls Chicagos dritte NBA-Franchise. Denn 1949/50 existierten bereits die Stags sowie 1961/62 die Packers, die sich in Zephyrs umbenannten, 1963 nach Baltimore abwanderten und heute als Washington Wizards firmieren. Mit 33 Siegen und der direkten Playoff-Teilnahme in ihrer Debütsaison stellen die Bulls nach wie vor das erfolgreichste Expansion-Team der Liga-Geschichte. Zumal sie sich in den Folgejahren unter Trainerlegende Dick Motta (1968 bis 1976) als eine ernst zu nehmende Mannschaft etablierten, der jedoch der ganz große Wurf verwehrt blieb. So gewannen die Bulls mit methodischem, defensivfundiertem

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Teambasketball viermal in Folge mehr als 50 Partien und erreichten sechsmal in Serie die Postseason. Ihre 57 Siege aus der Saison 1971/72 blieben dabei bis 1991 ein FranchiseRekord – während die Motta-Jahre abseits der Jordan-Ära die erfolgreichste Zeit der Franchise beschreiben. Schließlich stand die Mannschaft um das Guard-Gespann Norm Van Lier/Jerry Sloan und das Forward-Duo Chet Walker/Bob Love 1974 und 1975 wiederholt in den Western Conference Finals (erst 1980 wechselten die Bulls in den Osten). 1975 unterlag das Team den späteren Champs der Warriors erst in einem siebten Spiel. Davor wurde die defensivstarke Herde mehrfach vom Superteam der Lakers um Jerry West und Wilt Chamberlain ausgebremst, wobei es zweimal in ein siebtes Spiel ging. Chicagos Teamidentität verkörperte seinerzeit kein Akteur anschaulicher als Defensiv-Ass Jerry Sloan. Mit bedingungslosem Einsatz und seiner Hartnäckigkeit führte „the Original Bull“ die Mannschaft in zehn Jahren (1966 bis 1976) achtmal in die Playoffs. Allein viermal wurde der zweifache All Star hierbei ins All-Defensive First Team berufen. Als Sloan 1976 verletzungsbedingt zurücktrat, hatte er für die Bulls im Schnitt 14,7 Punkte, 7,7 Rebounds, 2,6 Assists und 2,2 Steals erzielt. Verdientermaßen wurde seine Nummer vier 1978 als erste in der Franchise-Historie aus dem Spielbetrieb genommen. Überdies machte der legendäre Cheftrainer der Utah Jazz und zweifache FinalsRivale von Michael Jordan seine ersten Schritte als NBA-Headcoach in Chicago (1979 bis 1982). Indes mit eher mäßigem Erfolg. An der Seite des Illinoisan startete im Backcourt mit Norm Van Lier ein weiterer Edelverteidiger. Aufgrund seiner druckvollen Deckungsarbeit „Stormin’ Norman“ genannt, wurde der dreifache All Star von 1971 bis 1978 stets für ein All-Defensive Team nominiert. Wie Sloan war der flinke und gewandte 1,85-Meter-Mann mit den langen Armen indes

kein nennenswerter Scorer, aber dafür ein zuverlässiger Aufbau – 12,2 Zähler, 6,9 Vorlagen, 4,7 Bretter und 1,9 Ballgewinne –, der bis 2011 als bester Point Guard der Bulls galt. Den Kern von vier All Stars komplettierten Chet Walker und Bob Love, die ein formidables Flügel-Duo bildeten, das Chicago im Angriff trug. Besonders Hall of Famer Walker, 1967 Champ mit Philly, war selbst noch mit Mitte dreißig ein erstklassiger und effizienter Korbjäger, der Physis, Wurfstärke und eine ebensolche Fußarbeit vereinte. So markierte „The Jet“ in sechs Jahren als Bull (1969 bis 1975) 20,6 Zähler bei einem damals exzellenten True Shooting von 55,9 Prozent. Neben dem wohl zweitbesten Scorer der Franchise war es All-NBA-Teamer Love, der im Frontcourt beständig ablieferte und zeitweise individuell herausragte. „Butterbean“ bestach dabei als beidhändiger, wurfstarker Punktesammler (1968 bis 1976: 21,3 Zähler). Und da der 2,03-Meter-Mann aus Louisiana auch in der Verteidigung effektiv beitrug, gehörte er dreimal der Defensivauswahl der Association an. 1994 wurde Loves Trikot mit der Nummer zehn feierlich unters Hallendach des United Center gezogen. Eine Ehre, die außer ihm bis heute nur drei Bulls-Profis zuteilwurde: Sloan, Jordan und Scottie Pippen. Nach dem Ende der „Core Four“ war Hall of Famer Artis Gilmore der einzige Spieler, der in Chicago bis zum Neuaufbau um Jordan wirklich eine Rolle spielte und die Franchise halbwegs über Wasser hielt. So zählten die Bulls seinerzeit zu den schwächeren NBA-Teams und erreichten nur zweimal die Playoffs – was sie vor allem dem produktiven „A-Train“ zu verdanken hatten. Denn Gilmore zeigte von 1976 bis 1982 an beiden Enden seine Klasse: 20,1 Punkte bei 63,2 Prozent True Shooting, gepaart mit 11,5 Rebounds, 2,6 Assists und 2,2 Blocks. Was bleibt, ist die getitelte Erkenntnis, dass die Bulls „mehr als MJ“ und die Jordan-Ära zu bieten haben. redaktion@fivemag.de


sneakers

THE LOST JORDAN Michael Jordan und Nike – eine Traumehe! Ja, aber bevor MJ beim Swoosh zu „Air“ wurde, gewann er in Converse seinen ersten Titel. Grund: Die University of North Carolina hatte einen Ausrüstervertrag mit der Firma aus Boston. Deshalb traf MJ im NCAA-Finale 1982 im „Converse Pro Leather“ seinen legendären Gamewinner gegen Georgetown. Der „Pro Leather“ war also quasi der erste „Air Jordan“, der erste ikonische MJ-Schuh. Und Jordan wäre wohl auch bei adidas oder Converse gelandet, wenn Nike nicht so aggressiv um ihn geworben hätte ... den „Converse Pro Leather Mid“ sowie den „Pro Leather OG OX“ gibt es in verschiedenen Farben und Styles auf KICKZ.com. ILLUSTRATIONEN: VLADISLAV LAKSHE @LAKSHEPASSION

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Fotos: Ned Dishman/Rocky Widner/Randy Belice/Mitchell Layton/Scott Cunningham/NBAE via Getty Images

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Jordans helfer

SCHATTENMÄNNER

Jordans erster Spitzname war „Magic Jordan“, weil er MagicJohnson-Fan war. Den Namen ließ er auch auf das Nummernschild seines ersten Autos schreiben.

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Jordan rauchte ab 1993 täglich Zigarre und machte sich auch gern eine auf dem Weg zu Heimspielen im Auto an.

Jordans Mitspieler und Coach Phil Jackson sind untrennbar mit seinem Erfolg verbunden. Aber es gab auch die Männer im Hintergrund, die den Erfolg von „His Airness“ maßgeblich mitgestalteten … auch wenn MJ ihnen nicht immer wohlgesinnt war.

JERRY KRAUSE

TIM GROVER

DAVID FALK

GENERAL MANAGER

PERSONAL TRAINER

AGENT

Krause übernahm 1985 als Manager die Personalplanungen der Chicago Bulls. Zuvor war der untersetzte ehemalige Baseballscout als NBA-Talentspäher bei den Baltimore Bullets (heute Washington Wizards) unterwegs. Was ihm an eigener Erfahrung abging, glich er durch einen unfassbaren Arbeitseifer aus. Doch Krause gehörte nie wirklich zur NBA-Bruderschaft – er blieb zeitlebens ein Außenseiter. Dabei hatte er sofort Erfolg. In seiner ersten Offseason bei den Bulls holte er per Trade Rookie Charles Oakley und John Paxson. Er verpflichtete den Architekten der TriangleOffense, Tex Winter, als Assistant Coach. 1987 tradete er am Drafttag für Rookie Scottie Pippen und zog mit dem zehnten Pick Horace Grant. Vor der Saison 1987/88 holte er einen neuen Assistenztrainer in seinen Stab: Phil Jackson, den er später zum Headcoach machte. Krause tradete Oakley für Center Bill Cartwright, holte später Toni Kukoc und Dennis Rodman. Trotzdem war sein Verhältnis zu Jordan immer schwierig. MJ verzieh Krause den Trade Oakleys nicht – sein bester Freund im Team – und stichelte gegen den Manager aufgrund dessen oft mangelnder Körperhygiene. Das Verhältnis zu Jackson, mit dem Krause lange befreundet war, wurde über die Jahre immer schlechter. Der schwelende Disput zwischen Manager und Coach kulminierte in einem Streit vor der Saison 1997/98. Jackson hatte nur einen Einjahresvertrag angeboten bekommen. Nach der Unterschrift erklärte Krause, dass Jackson nicht als Trainer zurückkehren würde, selbst wenn die Bulls zum dritten Mal in Folge den Titel holen würden – mit College-Coach Tim Floyd stand der Nachfolger sogar so gut wie fest. „Mir ist es egal, ob wir 82-0 durch die Saison gehen, du bist danach verfickt nochmal weg!“, sagte Krause zu Jackson. Am Ende waren 1998 Jackson, Jordan, Pippen und Rodman weg. Die Bulls erreichten sechs Jahre in Folge keine Playoffs.

Tim Grover war 25 Jahre alt, als er die Chicago Bulls kontaktierte. Er hatte gelesen, dass Michael Jordan mit dem physischen Spiel der Detroit Pistons gegen ihn nicht klarkam und dass es ihm auch mental zusetzte. Die Bulls luden ihn ein, sich mit dem medizinischen Stab des Teams zu treffen. Grover skizzierte seinen Plan, um MJ auf ein neues Level zu bringen. Nach dem Meeting arrangierte die Franchise einen Termin mit dem damals schon besten Spieler der Welt. Jordan zeigte sich skeptisch. Wie sollte ein 25-Jähriger ohne NBAErfahrung ihm helfen? MJ gab Grover 30 Tage, um ihn zu überzeugen … Das gelang. Jordan wurde kräftiger. Grover beschränkte sich jedoch nicht auf die großen Muskelgruppen. Er ließ Jordan eine Menge Zeit in Verletzungsprophylaxe stecken und arbeitete auch im mentalen Bereich mit seinem neuen Musterschüler. Grover war auch verantwortlich für den „Umbau“ von Jordans Körper vor dessen Baseball-Abenteuer und die Transformation zurück in Basketballform.

Falk galt über Jahre als der zweitmächtigste Mann der NBA – nur Commissioner David Stern besaß mehr Einfluss. Als Agent steuerte er die gesamte Karriere Jordans und beriet in seinen besten Jahren über 100 NBA-Profis. Die Agentur ProServ, bei der er seine Karriere begann, nahm Michael Jordan vor der Draft 1984 unter Vertrag. Falk war es, der Jordans erste Werbedeals und den Ausrüstervertrag mit Nike aushandelte. Über die Jahre verstand er es meisterhaft, Jordan als Marke zu etablieren. Falk erfand den Begriff „Air Jordan“. Er erreichte sogar, dass MJ nicht mehr von der Liga – wie sonst alle anderen NBA-Profis – vermarktet werden durfte, er machte das einfach selbst. „Viele Menschen mögen David nicht, aber er ist der Beste auf seinem Gebiet“, beschrieb Jordan einst seinen Berater. „Er geht dir unter die Haut, wenn er mit dir verhandelt, weil er herausfindet, was deine Ziele sind. Er versteht den Markt, er versteht die Spieler. Er ist dreist, arrogant, egoistisch, aggressiv, was gut ist … denn wenn dich jemand vertreten soll, dann willst du, dass er es so macht.“

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NUR ZWEITE WAHL Laut der Website Deadspin war Michael Jordan in einer Hinsicht nicht die Nummer eins bei den Chicago Bulls. Und zwar soll der damalige Assistenztrainer des Teams, Johnny Bach, während eines Abendessens mit einem Freund aus dem Nähkästchen geplaudert haben … unter anderem in Sachen Rivalität zwischen Jordan und Scottie Pippen. „Scottie war untenrum ziemlich gut bestückt, und das machte Michael verrückt“, zitiert Deadspin. „Du hättest die Frauen sehen sollen, die auf Pippen warteten, egal wo wir spielten. Madonna holte Scottie jedes Mal in einer Limo mit eingebautem Whirlpool ab, wenn wir in Los Angeles spielten. Michael sagte Madonna, dass er sie besser befriedigen würde, aber sie antwortete nur: ‚Keine Chance!‘“ Sofern MJ aber doch anbandeln durfte, musste jede Kandidatin laut Deadspin erst mal eine Prüfung durch vier ehemalige Gesetzeshüter bestehen, bevor sie überhaupt in Jordans Nähe gelassen wurde.


gossip

PLEASE, DON’T BE LIKE MIKE! TEXT: MARCEL NADIM ABURAKIA

D

ebatten um den besten Basketballspieler aller Zeiten, den „G.O.A.T.“, sind so alt wie das Spiel selbst. Je älter es wird, desto schwieriger fällt es einem, die verschiedenen Generationen an Spielern miteinander zu vergleichen. Das galt, bis MJ kam. „Manchmal träume ich ... dass ich wie er bin ... wie Mike! Ach, wenn ich doch wie Mike sein könnte!“ Viele Fans nehmen die Jingles, die sie gehört haben, die Filme, die sie gesehen haben („Space Jam“, „Come Fly with Me“), und die Turnschuhe, die sie getragen haben, kombinieren sie mit den Auszeichnungen und multiplizieren sie mit Jordans Dominanz in den 90ern. Nach all dem kommen sie zu dem Schluss: Michael Jordan, ihr Held, ist zweifellos der beste Basketballer aller Zeiten! Und sind wir ehrlich, damit haben wohl wirklich wenige ein echtes Problem. Problematisch wird es erst dann, wenn vor lauter Glanz und Gloria die Schattenseiten missachtet werden. Denn Michael Jordan war ein phänomenaler Athlet mit beispiellosem Antrieb und Entschlossenheit. Seine Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsmoral suchen ihresgleichen. Er hat dazu beigetragen, die NBA zu einem Milliardenmarkt zu machen, und vor allem war er ein Siegertyp. Er war jedoch definitiv nicht perfekt. Schon zu College-Zeiten wurde aus Michaels Ehrgeiz Gehässigkeit oder sogar Rage. Dann wurde er ein richtiges Arschloch, eine Seite an ihm, die einige seiner Teamkollegen gehasst haben müssen. Das ging offenbar Bill Cartwright so. Über Jahre soll MJ ihn gemobbt haben. Er forderte seine Teamkollegen auf, den Ball in entscheidenden Situationen von Cartwright fernzuhalten, und beschimpfte ihn öffentlich. Bis er Cartwright so weit hatte, dass der ihm antwortete: „Wenn du jemals wieder so etwas machst, wirst du nie wieder Basketball spielen, weil ich dir beide Beine brechen werde.“ Mitspieler streiten sich wie Geschwister, wie Mitbewohner, wie Paare. Manchmal brennen in der Hitze des Gefechts die Sicherungen durch, und

dann findet man sich mitten in einer Schlägerei mit dem besten Spieler der Welt wieder. So erging es zumindest Steve Kerr: „Ich habe getrashtalked, und ich glaube nicht, dass Michael das geschätzt hat. Er ist zum Korb gezogen und hat mir einen Check auf die Brust gegeben, und ich habe ihn zurückgeschubst. Das Nächste, was ich weiß, ist, wie meine Mitspieler ihn von mir runtergezogen haben.“ Für Kerr gab es ein blaues Auge, aber stellt euch vor, LeBron James würde morgen einem seiner Teamkollegen eine ballern. Chaos würde ausbrechen, es wäre mit Sicherheit einer der größten Skandale der NBA-Geschichte, aber nicht so bei MJ. Für „His Airness“, das Lieblingskind der NBA, galten besondere Regeln, und er war bereit, über Leichen zu gehen. Wir schreiben das Jahr 1993. Jordan hat gerade seine ersten drei Titel und zwei MVP-Trophäen gewonnen und sich als das Gesicht der NBA etabliert. Er fährt fette Verträge ein und wird zum Weltstar. Dann der plötzliche Bruch: Wie aus dem Nichts tritt er zurück und versetzt die Basketballwelt in eine Art Schockstarre. Ein Rücktritt mit gerade einmal 30 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Karriere! Auf der Pressekonferenz erklärt er: „Ich habe immer betont, dass es Zeit für mich ist aufzuhören, wenn ich die Motivation verliere. Ich bin auf dem Höhepunkt und habe in kurzer Zeit viel erreicht. Ich habe nichts mehr zu beweisen.“ Jordans Ankündigung wirkt emotionslos, und es fehlt eine Endgültigkeit, die normalerweise einhergeht, wenn Sportgrößen ihre Karriere beenden. Schon damals gibt es viele Spekulationen, ob sein Rücktritt von der Liga forciert wurde. Denn Jordans größte Schwäche war seine extreme Spielsucht. Schon nach dem Gewinn seiner zweiten Meisterschaft wurde er 1992 aufgefordert, im Strafverfahren gegen James Bouler auszusagen, um zu erklären, warum Bouler, ein verurteilter Drogendealer und Krimineller, im Besitz eines von MJ unterzeichneten Schecks über 57.000 US-Dollar war.

Zunächst behauptete Jordan, dass es ein Geschäftsdarlehen gewesen sei, doch unter Eid gab er zu, dass es sich um eine Zahlung für Spielverluste an einem einzigen Wochenende handelte. Knapp 60.000 US-Dollar an nur einem Wochenende! Dann, Anfang 1993, enthüllte der Geschäftsmann Richard Equinas aus San Diego in seinem Buch „Michael und ich: Unsere Spielsucht … Mein Hilferuf“, dass er über 900.000 US-Dollar bei Golfwetten mit Jordan gewonnen hatte. Fast eine Million US-Dollar! Jordan wettete auf alles und jeden. Hauptsache, wetten! Die Liga leitete bald die erste von zwei Untersuchungen zu Jordans Glücksspielaktivitäten ein, obwohl deren Umfang begrenzt war. Wenige Monate später kam der plötzliche Rücktritt. Auf seiner Pressekonferenz beantwortete Jordan die Frage, ob er denn jemals zurückkehren würde, mit: „In fünf Jahren, wenn der Drang da ist, wenn die Bulls mich noch haben wollen und wenn David Stern mich zurück in die Liga lässt, kann ich mir das vorstellen.“ Das Wort „Stern“ in seiner Antwort lieferte erst richtig Feuer für eine der größten Verschwörungstheorien der Liga. Stern soll seinem Liebling Jordan eine geheime Sperre von 18 Monaten für die fragwürdigen Glücksspielaktivitäten gegeben haben. Es wurde gemunkelt, dass James Jordan, der Vater von Michael, ermordet wurde, um sich an MJs unbezahlten Spielschulden zu rächen, und dass seine Suspendierung eine Präventivmaßnahme war, um sowohl Jordans Ruf als auch den der Liga zu schützen. Knapp 20 Jahre später sprach Jordan mit Ed Bradley vom CBS-Nachrichtenmagazin „60 Minutes“ über seine Glücksspielsucht und gab zu, dass er einige rücksichtslose Entscheidungen getroffen hatte: „Ja, ich habe mich in einige Situationen gebracht, in denen ich nicht aufhören konnte, und ich habe es ausgereizt. Ist das zwanghaft? Ja, es hängt davon ab, wie Sie es sehen. Wenn Sie bereit sind, Ihren Lebensunterhalt und Ihre Familie zu gefährden, dann ja.“ Mehr Details wären Spekulationen, doch man muss kein Multimillionär sein, um sich das Ausmaß auszumalen. Ein Blick auf Jordans Verträge und Einnahmen reicht, um zu verstehen, dass es sich bei „Lebensunterhalt und Familie gefährden“ um einen sehr fetten Geldbetrag und möglicherweise auch um das Leben seines Vaters gehandelt haben muss. Daraufhin folgte ein Ausflug zum Baseball, einem Sport, den sein Vater geliebt hatte, und – nicht ganz unbedeutend – die zweite Meisterschaftsfolge Ende der 90er. Michael Jordan war zwar ein sehr, sehr talentierter Basketballspieler, aber er war nie ein herzensguter Mensch. Er entschied sich zu oft gegen die Familie, was in seiner Scheidung von Juanita Vanoy und einer Zahlung von 168 Millionen Dollar resultierte. Und er ließ zu oft persönliche Fehden die Überhand gewinnen. Zum Beispiel, als er sich gegen Isiah Thomas stellte, um ihm den Traum vom „Dream Team“ zu verwehren. Einfach nur, weil er ihn nicht mochte. Das alles vergisst man gerne, denn diese unschönen Dinge passen nicht mit unserer Vorstellung eines Helden zusammen. Daher sollten wir unsere finalen Gedanken zum „Greatest of All Time“ neu sortieren, denn LeBron James kann mit Jordans sportlichen Leistungen fast überall mithalten und übertrumpft MJ menschlich bei Weitem. Aber das ist eine Diskussion für ein anderes Mal …

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kollisionskurs - KOLLISIONSKURS -

ALARMSTUFE ROT

SECONDS UND JETZT ZUR WERBUNG …

Michael Jordan war und ist eine Werbe-Ikone. Seine Spots sind dabei so legendär wie einige seiner größten Highlights. Sucht euch eine ruhige Ecke und checkt die besten Spots! MICHAEL JORDAN’S FLIGHT SCHOOL L I N K : H T T P S : // B I T. LY/ M J _ F S Den „Air Jordan VI“ bewarb Jordan in diesem Werbespot mit Spike Lee als Sidekick Mars Blackmon, der selbst Chris Mullin Hoffnung auf mehr Hangtime machte. THE CHARLES BARKLEY SHOW L I N K : H T T P S : // B I T. LY/ C B S _ M J Wenig bekannt, aber geil: Der Werbe-Crossover von Mike und Chuck. Beide bewerben zusammen ihre Signature-Schuhe. ASTRONAUTICS L I N K : H T T P S : // B I T. LY/ D O Y O U K N O W Warum springt MJ so hoch? Do you know, do you know, do you know? Nach diesem Spot wisst ihr es … MAYBE IT‘S MY FAULT L I N K : H T T P S : // B I T. LY/ M AY B E F A U LT Vielleicht ist es MJs Fehler, dass du dachtest, dass das alles einfach ist … Gänsehaut! FAILURE L I N K : H T T P S : // B I T. LY/ F A I L U R E M J MJ, der Verlierer? Dieser Werbespot bringt sein vielleicht bekanntestes Zitat und einen weiteren Gänsehautmoment. WHAT IS LOVE? L I N K : H T T P S : // B I T. LY/ W H AT I S L O V E M J Ein 4:30 Minuten langer Werbespot? Genau, das hier ist die Extended Version des Spots, der damals im Fernsehen lief. FROZEN MOMENT L I N K : H T T P S : // B I T. LY/ F R O Z E N M J Wer kannte das damals nicht? Michael Jordan macht einen Move, und die Welt steht still … genauso wie hier. JOHNNY KILROY L I N K : H T T P S : // B I T. LY/J K I L R O Y Steve Martin versucht die Wahrheit herauszufinden: Hat MJ seinen Rücktritt nur gefakt? Oder ist er Johnny Kilroy? AIR JORDAN XX L I N K : H T T P S : // B I T. LY/ N E X T M I K E Für den „Air Jordan XX“ kam Spike Lee zurück und las das Märchen von Michael Jordan, bis er am Ende den Zuschauer fragte, ob dieser nicht selbst der „Next Jordan“ sei. 23 VS. 39 L I N K : H T T P S : // B I T. LY/ 2 3 V S 3 9 Das ultimative Eins-gegen-eins: Der 23-jährige gegen den 39-jährigen MJ, und am Ende kommt noch UNC-MJ! „Could’ve dunked …“ „Should’ve dunked!“ MJ VS. LARRY L I N K : H T T P S : // B I T. LY/ L A R R Y M J Michael Jordan gegen Larry Bird im ultimativen Shooting Contest um ein BigMac-Menü. „Through the window, off the wall, nothing but net!“ Ein Jahr später geht es übrigens weiter … und Charles will auch dabei sein (https://bit.ly/LarryMCSir).

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A

ls ich nach dem Bulls-Sieg in Spiel sechs und der damit verbundenen fünften Meisterschaft von Jordan & Co. am 13. Juni 1997 das United Center verließ, hörte ich die für Chicago typischen Klänge einer Bulls-Championship: Polizeisirenen. Knapp 6.000 Polizisten und 300 Soldaten der Nationalgarde wurden damals dafür abgestellt, Personen und Geschäfte während der „Feierlichkeiten“ zu schützen. Die „Windy City“ hatte aus den vier vorhergegangenen Meisterschaftsunruhen gelernt. Schießereien, geplünderte Geschäfte und ein hohes Maß an Gewaltbereitschaft standen an der Tagesordnung, wenn die Bulls die Championship holten. Nur ein Jahr zuvor – nach dem Finals-Sieg gegen die SuperSonics – wurde ein Teenager zu Tode getreten, weil er es wagte, in der Nacht, die den Bulls gehörte, eine Lakers-Jacke zu tragen. 650 Menschen wurden 1996 festgenommen und knapp 40 Läden geplündert. Das sollte sich nun ändern. Chicago war vorbereitet für den Bulls-Sieg. Alarmstufe Rot im wahrsten Sinne des Wortes. Das erste Anzeichen dafür, dass Chicago seine Meisterschaften anders feiert, stand in der Tiefgarage des United Center bereit. Der Bus, der knapp ein Dutzend Journalisten zurück ins Hotel fahren sollte, war nicht derselbe, mit dem wir gekommen waren. Dieser war weiß mit blauen Streifen und mit einer großen roten Aufschrift flankiert: CHICAGO POLICE. Ich musste sofort an die Szene im Film „Police Academy“ denken, wo die Rekruten in so einem Bus zu ihrem ersten Ernstfall gefahren werden und nicht wissen, was sie erwartet. So in etwa kam es mir vor.

Mir war damals nicht klar, wie leichtsinnig es war, das Media Hotel direkt an der Michigan Avenue zu buchen, DER Hauptstraße schlechthin in Chicago. Was die Leopoldstraße in München ist, wenn die Bayern gewinnen, ist die Michigan Avenue in Chicago – inklusive der brennenden Autos, der Pistolenschüsse und der zerbrochenen Scheiben einiger Geschäfte. Es dauerte auch nicht lange, bis wir den ersten Umweg fahren mussten, dann den nächsten und den nächsten. Bald waren wir nur noch auf kleinen Nebenstraßen unterwegs und umfuhren die Hauptstraßen völlig. Im Dunkeln kurvten wir mit unserem schneeweißen Polizeibus umher. Es war fast zum Lachen. Ich hätte in den SWAT-Bus einsteigen sollen. Der war schwarz. Nach einer Odyssee durch die Back Alleys von Downtown Chicago betraten wir schließlich unser Hotel über den Lieferanteneingang auf der Rückseite. Wir rannten auf unsere Zimmer. Ich verließ am nächsten Morgen die Stadt. Der Müll lag noch auf den Straßen. Und mit Müll meine ich: zerstörte Ampeln, abgeknickte Straßenschilder und ausgebrannte Mülltonnen. Der Taxifahrer sagte, im Jahr davor wäre es sogar noch schlimmer gewesen. Am Flughafen angekommen, sah ich die Bilanz der letzten Nacht in den Nachrichten. 2.218 Notrufe. Drei Tote. Eine NBA-Championship. Wie es ausgesehen hätte, wenn die Bulls die Finals verloren hätten, will ich mir gar nicht vorstellen. Robbin Barberan (Editor-in-Chief, KICKZ.com)


look

6 BILDER

Jordan soll bei den Bulls weitere Shorts gefordert haben, damit er seine North-Carolina-Trainingsshorts darunter tragen konnte.

-

Fotos: Tim Chapman/Liaison/Andrew D. Bernstein/Kent Smith/Ray Amati/Rocky Widner/Ethan Miller/Getty Images

Lange Shorts, Schweißband am Ellbogen, Kniebandage? Michael Jordan war auf dem Feld die absolute Stilikone – jeder wollte seinen Style! Abseits des Feldes? Seht selbst …

Jordan ist der einzige Spieler in der NBA-Historie, der im selben Jahr MVP und „Defensive Player of the Year“ wurde (1987/88).

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TRENDSETTER WIDER WILLEN Umso länger die Shorts von Jordan wurden, desto kürzer kam sein Haupthaar daher. In diesem Fall war der von ihm neu kreierte Trend allerdings nicht der „Friend“ von „His Airness“. MJ wurde Opfer der androgenetischen Alopezie, zu Deutsch: der sichtbaren Lichtung des Kopfhaars. 1990 wollte sich Jordan die Tatsache, dass seine Haarfollikel wohl nie mehr einen prallen Afro hervorbringen würden, noch nicht eingestehen … Nummer 23 kam zwar mit schnittiger Kürze daher, die Problemzone Stirn trat trotzdem klar sichtbar hervor. Erst zur Zeit seines ersten Titels 1991 gab sich Jordan der – in diesem einen Fall – genetischen Benachteiligung geschlagen. Anstatt an den Seiten wachsen zu lassen und fies über die Mitte zu kämmen, beschloss er den totalen Kahlschlag. Fortan legte er Woche für Woche selbst Hand an, kratzte sich die kümmerlichen Haarreste vom Schädel und inspirierte nachfolgende Athletengenerationen … also außer LeBron James.

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23 SECONDS (FAST) NUR JORDAN Diese Facts sind zwar keine Rekorde von Michael Jordan, aber deshalb nicht weniger krass … Jordan ist neben David Robinson der einzige Spieler, der in seiner Karriere „Rookie of the Year“, „Defensive Player of the Year“ und MVP wurde. MJ und Robinson sind die einzigen NBA-Profis, die in ihrer Karriere die Liga als Topscorer anführten und „Defensive Player of the Year“ wurden. 1987/88 wurde „His Airness“ zum einzigen Spieler, der jemals in einer Saison Topscorer, „Defensive Player of the Year“ und MVP wurde. MJ und Allen Iverson sind die einzigen Spieler, die die NBA jemals in derselben Saison als Topscorer und bei den Steals pro Partie anführten. Willis Reed, Shaquille O’Neal und MJ sind die einzigen Spieler, die jemals in einer Saison MVP, All-Star-MVP und Finals-MVP wurden. Jordan ist der einzige Spieler, der dieses Kunststück zweimal schaffte. Sieben Spieler gewannen Gold bei Olympia, einen NCAA- und NBA-Titel in ihrer Karriere: Clyde Lovellette, Bill Russell, K.C. Jones, Jerry Lucas, Quinn Buckner, Magic Johnson und Jordan. Michael Jordan ist der einzige NBASpieler in der Geschichte, der „Rookie of the Year“, „Defensive Player of the Year“ (einmal), MVP (fünfmal), AllStar-MVP (dreimal) und Finals-MVP (sechsmal) wurde. Jordan führte die Chicago Bulls 1995/96 zur besten Bilanz aller Zeiten, wenn die Partien der regulären Saison und Playoffs addiert werden: 87-13. MJ ist der einzige Spieler, der jemals in einem Playoff-Run mindestens 30,0 Punkte, 6,0 Rebounds, 5,0 Assists und 2,0 Steals auflegte – Jordan schaffte das sogar siebenmal.

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rekorde

DIE REKORDE Der Basketball hat sich seit Michael Jordans endgültigem Abschied 2003 gehörig verändert. Mehr Dreier und eine höhere Pace, besseres Spacing – dafür steht das NBA-Spiel seit Beginn der Pace-and-SpaceÄra. Doch auch wenn das Volumen von Ballbesitzen und damit von Würfen, Punkten, Rebounds etc. gestiegen ist, stehen viele von Jordans Rekorden bis heute. Das hier sind seine wichtigsten. REKORDE IN DER REGULÄREN SAISON

höchster Punkteschnitt in einer Karriere

NBA-Topscorer-Titel

Saisons mit mindestens 30,0 Punkten pro Partie

NBA-Topscorer-Titel in Folge (1987 bis 1993, gleichauf mit Wilt Chamberlain)

NBA-Scoring-Champ mit mindestens 100 getroffenen Dreiern (1995/96 und 1996/97 mit verkürzter Dreierlinie)

die meisten Spiele mit mindestens 30 Punkten

Jahre, 61 Tage – ältester Spieler, der die NBA als Topscorer anführte

Jahre, vier Tage – ältester Spieler, der je in der NBA 40 Punkte in einer Partie aufgelegt hat (dreimal)

Saisons mit den meisten getroffenen Feldwürfen der NBA (siebenmal in Folge, auch Rekord)

Saisons mit den meisten versuchten Feldwürfen in der NBA

getroffene Freiwürfe in einer Halbzeit (zusammen mit Devin Booker)

REKORDE IN DEN PLAYOFFS

Steals in einer Halbzeit

höchster Punkteschnitt in den Playoffs (Karriere)

Spiele mit mindestens acht Steals

die meisten Punkte in einem Spiel

Fouls in einem Viertel

die meisten Punkte in zwei aufeinanderfolgenden Spielen

Nominierungen zum NBAAll-Defensive-Team

Blocks von einem Guard (Karriere)

Blocks von einem Guard in einer Saison

höchstes Player Efficiency Rating aller Zeiten

höchster Box-Plus/MinusWert aller Zeiten

einziger NBA-Rookie, der sein Team in vier Kategorien anführte (28,2 PPG, 6,5 RPG, 5,9 APG, 2,4 SPG)

einziger Spieler mit mindestens 200 Steals und 100 Blocks in einer Saison

Spiele mit mindestens 10 Punkten (das ist MJs komplette Playoff-Karriere)

Punkte in einem PlayoffRun (1992)

Serien mit mindestens 35 Punkten in jeder Partie (Jerry West und Bernard King schafften es je einmal in ihrer Karriere)

getroffene Feldwürfe in einem Spiel Playoffs mit den meisten Punkten, ohne in die Finals einzuziehen (1989 und 1990)

Serien mit mindestens 40,0 Punkten pro Partie (niemand anders hat mehr als eine)

die meisten Spiele mit mindestens 50 Punkten

Spiele mit mindestens 50 Punkten in Folge

Spiele mit mindestens 40 Punkten

Spiele mit mindestens 30 Punkten

Spiele mit mindestens 20 Punkten

Spiele mit mindestens 20 Punkten in Folge

versuchte Feldwürfe in einer Halbzeit

Freiwürfe in den Playoffs (Karriere)

NBAFINALS

höchster Punkteschnitt in einer NBA-Finalserie (1993 gegen die Phoenix Suns)

Spiele mit mindestens 40 Punkte in Folge

Spiele mit mindestens 20 Punkte in Folge (das ist MJs komplette PlayoffKarriere)

getroffene Feldwürfe in einer Halbzeit (zweimal)

getroffene Feldwürfe in einem Spiel in Folge


Doku

THE LAST DANCE

Mit „The Last Dance“ kam 22 Jahre nach Michael Jordans letztem NBA-Titel die vermeintlich ultimative Doku über „His Airness“ heraus. Wurde die zehnteilige Serie diesem Anspruch gerecht?

Fotos: Rocky Widner/NBAE via Getty Images

S

ie war Balsam auf die geschundenen Basketballerseelen des Planeten: die von ESPN produzierte und in Deutschland auf Netflix laufende zehnteilige Dokuserie „The Last Dance“. Während die Basketballsaisons weltweit unterbrochen oder komplett abgesagt wurden, zog der US-Sportsender die für Juni geplante Ausstrahlung des letzten Tanzes kurzerhand in den April vor. Dabei war die zehnte Folge zu Beginn der Ausstrahlung noch nicht mal fertig geschnitten. Während der kompletten Saison 1997/98 hatte ein Kamerateam die Chicago Bulls auf Schritt und Tritt verfolgt. So sammelte die von NBA Entertainment beauftragte Crew exklusive Einblicke in die Spielzeit, in der das Ende der Dynastie in der „Windy City“ schon vor Saisonbeginn abgemachte Sache war. Die Bilder des letzten gemeinsamen Titellaufs von Michael Jordan, Scottie Pippen und Phil Jackson bilden den Unterbau, den roten Faden der Serie. Der Anspruch von „The Last Dance“ ist aber höher, als „nur“ die Geschichte der Chicago Bulls von 1997/98 zu erzählen. In Rückblenden wird die gesamte Karriere Michael Jordans und der wichtigsten dieser Bulls-Protagonisten, aber auch der Rivalen MJs bis 1997 nachgezeichnet. So stellen die ersten Folgen dem Zuschauer gekonnt Scottie Pippen, Jerry Krause, Dennis Rodman oder Phil Jackson, aber auch die „Bad Boy Pistons“ vor. Und auch wenn sich diese Episoden an den Teil des Publikums richten, der in den Neunzigern

noch nicht live dabei war, so bietet diese „Vorstellung“ auch für den älteren Zuschauer durchaus Neues und sorgt für dieses wohlig nostalgische Gefühl im Bauch. Allerdings sind diese Rückblenden die vielleicht größte Schwäche dieser Serie – auch wenn dieses Meckern auf extrem hohem Niveau stattfindet. Denn weil so viele Jahre, so viele ikonische Momente in die „nur“ zehn Stunden gepresst werden wollen und es eben noch diese Masse an starken Bildern aus 1997/98 gibt, wirkt „The Last Dance“ an vielen Stellen gehetzt und bleibt nur an der Oberfläche. So wird der erste Titel der Bulls in den NBA-Finals 1991 nur beiläufig gezeigt, die Episode mit Kobe Bryant bietet starke Bilder und Aussagen, lässt den Zuschauer aber mit dem Gefühl zurück, dass es da sicher noch mehr gab. In den späteren Folgen wird dann die vielleicht wichtigste Frage beantwortet, die sich viele im Vorfeld gestellt hatten: Wird der echte, wahre, ungeschminkte Michael Jeffrey Jordan zu sehen sein? Wie wird er sein? Ohne an dieser Stelle zu spoilern: Ja, das wird er, und das ist bemerkenswert. Denn ein Grund, warum diese Doku erst 22 Jahre nach 1997/98 realisiert werden konnte, war die Tatsache, dass Jordan seine Zusage verweigert hatte. Jetzt sitzt er in den Interviews da und erklärt, wie er war, warum er so war … und wahrscheinlich auch noch ist. Alles in allem wird „The Last Dance“ dem hohen Anspruch gerecht. Viele der Bilder

sind einzigartig, sie zeigen die Protagonisten ungeschminkt und damit auch „His Airness“ so, wie er in den vielen Werbespots oder Interviews nie zu sehen war. Wer mit viel Vorwissen in die Serie gegangen ist, wird sich eventuell mehr wünschen. Mehr Details, mehr Infos, mehr Tiefe an einigen Stellen … doch um in dieser Hinsicht perfekt zu sein, hätte diese Serie wohl 30 Teile haben müssen. „The Last Dance“ ist ein Monument, eine der besten Sportdokus aller Zeiten, vielleicht die beste. Sie ist das, was die Basketballwelt in dieser Zeit brauchte und braucht.

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SECONDS „TIP OFF“

Wenn ihr mehr über die verrückte Draft 1984 erfahren wollt, führt kein Weg am grandiosen Buch „Tip Off: How the 1984 NBA Draft Changed Basketball Forever“ von Filip Bondy vorbei. Der Schmöker ist derzeit für nicht mal 5 Euro zu haben.

ALS MJ NACH CHICAGO KAM … UND FAST NICHT Die NBA-Draft 1984 brachte für viele den besten Rookie-Jahrgang aller Zeiten in die Liga. Michael Jordan, Akeem Olajuwon, Charles Barkley, John Stockton und viele andere sehr solide Starter fanden in diesem Jahr den Weg in die Association. Doch nicht nur deshalb war diese Draft eine ganz besondere – und sie hätte auch ganz anders kommen können.

F

ünf Hall of Famer. Sieben All Stars. Die NBA-Draft 1984 war eine für die Ewigkeit. Dabei spielte einer, dessen Büste in der Ruhmeshalle des Sports in Springfield steht, nicht mal in der NBA – und der zweitberühmteste Rookie dieses Jahrgangs spielte noch nicht mal Basketball. Oscar Schmidt, mit dem 131. Pick von den New Jersey Nets gezogen, blieb lieber bei JuveCaserta Basket in Italien und ist bis heute der inoffiziell beste ewige Punktesammler der FIBA-Welt mit 49.737 Zählern (Klub und Nationalmannschaft). Carl Lewis hingegen gewann neun olympische Goldmedaillen im Sprint und Weitsprung sowie acht Weltmeistertitel – am nächsten kam er der NBA, als er 1993 bei den NBA-Finals die USNationalhymne sang … wenn auch so schlecht, dass das Ganze bis heute für Lacher sorgt. Doch das sind nicht die einzigen Fakten, die die Talentziehung von 1984 zu einem ganz besonderen Ereignis machten …

Die Ballade von Tom Owens

„EINIGE MENSCHEN WOLLEN, DASS ES PASSIERT, EINIGE WÜNSCHEN, DASS ES PASSIERT … ANDERE SORGEN DAFÜR, DASS ES PASSIERT.“ MICHAEL JORDAN 24

1984 gab es noch keine Lottery im eigentlichen Sinne. Zwischen den jeweils bilanzschlechtesten Teams aus der Eastern und Western Conference wurde per Münzwurf ausgeschangelt, wer als Erster wählen durfte. In diesem Jahr konnten sich die Portland Trail Blazers für Kopf oder Zahl entscheiden, und die Houston Rockets mussten die andere Option nehmen. Warum aber entschieden zwei Teams aus dem NBA-Westen unter sich, wer an erster und zweiter Stelle ziehen durfte? Das hatte mit Tom Owens zu tun. Die Indiana Pacers brauchten 1981 einen Center, um weiter eine Chance auf die Playoffs zu haben. Also tradeten sie ihren Erstrundenpick für Owens von den Trail Blazers, einen 31-jährigen Big Man. Owens spielte nur eine Saison in Indianapolis, in der er 10,5 Punkte auflegte … So standen also die Trail Blazers am Tisch, entschieden sich für „Zahl“. „Kopf“ kam, und an zweiter Stelle begrüßte Portland den Center Sam Bowie. Wie viele Punkte Bowie in verletzungsgeplagten vier Saisons für die Blazers lieferte? 10,5.

Sam Bowie Ja, Bowie war kein MJ und auch kein Akeem und kein Stockton etc. Hätten die Blazers das wissen müssen? Nun ja … Jordans Coach in North Carolina, Dean

Smith, und die nicht minder dekorierte Trainerlegende Bob Knight sprachen sich bei Blazers-Manager Stu Inman mit aller Vehemenz für Jordan aus. „Wir brauchen einen Center“, soll Inman gegenüber Knight gesagt haben. Die überlieferte Antwort: „Dann stellt Jordan halt als Center auf!“ Bowie war natürlich kein Blinder. Er stand im Kader von Team USA für die Olympischen Spiele 1980. Als die Vereinigten Staaten aufgrund der sowjetischen Invasion Afghanistans jedoch ihre Teilnahme absagten, absolvierte die aus CollegeJungs zusammengestellte Nationalmannschaft die „Gold Medal Series“, eine Reihe von fünf Freundschaftsspielen gegen NBA-All-Star-Teams. Obwohl in diesem Team spätere Stars wie Isiah Thomas, Rolando Blackman, Mark Aguirre, Buck Williams oder Rodney McCray standen, war Bowie zweitbester Scorer der Mannschaft, bester Rebounder und Shotblocker. Das Team USA gewann vier der fünf Partien. Trotzdem hätte Portland wohl vor allem Bowies Verletzungshistorie stutzig machen müssen. Die Blazers wussten natürlich um seinen Ermüdungsbruch im linken Schienbein. Deshalb ließ das Team ihn auch extra dort untersuchen. „Ich weiß noch, wie ihr Arzt einen kleinen Hammer nahm und mir auf das Schienbein schlug“, erinnerte sich Bowie Jahre später. „Ich sagte ihnen, dass ich nichts spüren würde, dabei hatte ich tief drinnen Schmerzen. Wenn das falsch und eine Lüge war … am Ende des Tages, wenn du geliebte Menschen hast, die dich brauchen … ich habe das getan, was jeder tun würde.“ Die Trail Blazers taten wohl am Ende auch das, was jeder (außer zwei sehr prominente Trainerfüchse) in einer Liga getan hätte, in der noch immer die Big Men regierten … sie nahmen Bowie. Hätte der allerdings gestanden, dass er nicht komplett fit war, wäre Jordan die Wahl gewesen.

The Last Pick Mit dem 228. Pick der Draft 1984 wählten die Boston Celtics Dan Trant von der Clark University. In die NBA schaffte es der Point Guard nie. Kein Wunder: Er spielte in der dritten Division der NCAA. Dort galt er zwar als All-American, brachte aber nur das Talent mit, um später in Irland und in der unterklassigen USBL auf Korbjagd zu gehen. Nach seiner Karriere arbeitete Trant als Anleihenhändler in New York City. Er war in seinem Büro im World Trade Center, als am 11. September

Fotos: Noren Trotman/Peter Read Miller/Dick Raphael/Brian Drake/NBAE via Getty Images

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draft 1984


2001 zwei Flugzeuge die Twin Towers trafen. Keiner der über 600 Angestellten seiner Firma überlebte den Anschlag.

MJ-Trades, die nicht waren … Trades werden rund um eine Draft immer und überall diskutiert … so auch 1984. Hier sind die krassesten, aus denen nichts wurde: Hakeem Olajuwon schreibt in seinem Buch „Living the Dream“, dass die Houston Rockets den Trail Blazers folgenden Deal vorschlugen: Ralph Sampson für den zweiten Pick und Clyde Drexler. So wären „The Dream“, „The Glide“ und „Air“ im selben Kader gelandet. Obwohl zu der Zeit Big Men das höchste Gut waren, sagten die Blazers dankend ab. Die Bulls hingegen waren mehr als offen, ihren dritten Pick zu traden! Zum Beispiel nach Houston, wohin sie für Ralph Sampson ihr Wahlrecht abgegeben hätten … Ein anderer Trade Chicagos – sie waren auf der Suche nach einem Big Man – involvierte die Bulls, Clippers und Mavericks. Terry Cummings (aufgewachsen in Chicago, zweifacher All Star) sollte in die „Windy City“ kommen, der dritte Pick in den Händen von (schluck) dem damaligen Clippers-Besitzer Donald Sterling landen, der händeringend nach einem Star suchte, der Magic Johnson in L.A. Konkurrenz machen konnte. Apropos Big Men: Die Bulls hatten neben Cummings noch zwei andere auf der Liste: Jack Sikma von den Sonics sowie Tree

Rollins aus Atlanta. Wegen beiden Centern fragten sie an, zogen am Ende aber keinen Deal durch. MJ weckte aber auch anderswo Begehrlichkeiten … zum Beispiel in Philadelphia bei den 76ers. „Ich dachte, ich hätte einen Deal mit dem damaligen Bulls-Mitbesitzer Jon Kovler für den dritten Pick“, erinnert sich der ehemalige Sixers-Besitzer Harold Katz gegenüber Pat Williams, der selbst als NBAManager arbeitete. „Aber der General Manager der Bulls, Rod Thorn, wollte nicht.“

Welchen Blockbuster-Deal Katz damals im Kopf hatte? Julius „The Doctor“ Erving für Michael Jeffrey Jordan. MJ erinnerte Katz an „Dr. J“ – ein Vergleich, der von vielen zur damaligen Zeit gezogen wurde, beide schmückten ja auch das Cover der legendären US-Sportzeitschrift „Sports Illustrated“. Und mit diesem Deal hätten die 76ers wohl nicht nur Jordan, sondern auch Charles Barkley in einen Kader geholt, in dem noch die Hall of Famer Moses Malone, Bobby Jones und Maurice Cheeks standen …

DIE DRAFT 1984 Hier die ersten 16 Picks der NBA-Draft 1984 in der Übersicht.

PICK 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

NAME AKEEM OLAJUWON SAM BOWIE MICHAEL JORDAN SAM PERKINS CHARLES BARKLEY MELVIN TURPIN ALVIN ROBERTSON LANCASTER GORDON OTIS THORPE LEON WOOD KEVIN WILLIS TIM MCCORMICK JAY HUMPHRIES MICHAEL CAGE TERENCE STANSBURY JOHN STOCKTON

HALL OF FAMER

POS. C C G/F F/C F C G G F/C G F/C C G F/C G G

TEAM ROCKETS BLAZERS BULLS MAVERICKS 76ERS BULLETS SPURS CLIPPERS KC KINGS 76ERS HAWKS CAVALIERS SUNS CLIPPERS MAVERICKS JAZZ

UNI HOUSTON KENTUCKY NORTH CAROLINA NORTH CAROLINA AUBURN KENTUCKY ARKANSAS LOUISVILLE PROVIDENCE CAL STATE FULLERTON MICHIGAN STATE MICHIGAN COLORADO SAN DIEGO STATE TEMPLE GONZAGA

ALL STARS

SECHS FÜR MJ Sechs Titel, sechs Finals-MVP-Trophäen, sechs … Fouls? Jep, exakt so viele kassierte Michael Jordan am 31. Januar 1989 … in einem Viertel. Die Bulls spielen gegen die verhassten Detroit Pistons. 68:66 führt Chicago nach drei Vierteln. Dann begeht Jordan ein Foul nach dem nächsten. Die Referees Joe Crawford, Ron Garretson und Rusty Herring hängen „His Airness“ einen Pfiff nach dem anderen an. Coach Doug Collins versucht seinen Superstar defensiv gegen den langsameren Adrian Dantley zu verstecken, doch der nimmt MJ mit an den Zonenrand. „Sie stellten Jordan gegen mich, weil sie wohl Sorgen wegen seiner Fouls hatten“, sagt Dantley später. „Da hatten sie wohl recht …“ MJ begeht drei Fouls gegen ihn, muss kurz vor Ende der Partie vom Feld, die Bulls verlieren nach Verlängerung 98:104.

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23 SECONDS

infografik - mj in zahlen

JORDAN IN ZAHLEN

Ihr habt über die Jahre den Überblick verloren, was Michael Jordans Karriere angeht? Kein Thema, wir auch – und deshalb haben wir diese Infografik für euch gemacht!

NUMMER:

23 / 45

GRÖSSE:

1,98 METER

GEWICHT:

98,8 KILO

GEBURTSTAG:

1 7. F E B R U A R 1 9 6 3

POSITION:

SHOOTING GUARD S M A L L F O R WA R D

COLLEGE:

4%

KÖ R P E R F E T TA N T E I L

UNIVERSITY OF NORTH CAROLINA

HIGHSCHOOL:

EMSLEY A. LANEY IN WILMINGTON, NORTH CAROLINA

SPITZNAMEN: MIKE AIR JORDAN MJ HIS AIRNESS MONEY BLACK CAT MR. JUNE G.O.A.T. SUPERMAN CAPTAIN MARVEL

CAREER-HIGHS IN EINEM SPIEL

69 10 PUNKTE

18 6 REBOUNDS

BLOCKS

17 9 ASSISTS

MEISTERSCHAFTEN OLYMPIA-GOLD NCAA-TITEL 26

STEALS

TURNOVERS

SEIT

2009 IN DER HALL OF FAME

1991 / 1992 / 1993 / 1996 / 1997 / 1998 1984 / 1992 1982


KARRIERE-STATISTIKEN 41.011 MINUTEN 32.292 PUNKTE 24.573 FELDWÜRFE 6.672 REBOUNDS 5.633 ASSISTS 2.514 STEALS

6 6 55

31. NBA 5. NBA 5. NBA 140. NBA 45. NBA 3. NBA

MEISTERSCHAFTEN

MVP

6 6 33

FINALS-MVP

$ 2,1

MILLIARDEN DOLLAR REINVERMÖGEN

90,2

MILLIONEN DOLLAR SPIELERGEHALT (KARRIERE)

A L L- S T A R - M V P

11 11

D E F E N S I V E P L AY E R

ROOKIE OF THE YEAR

14 14 10 10 A L L S TA R

500.000 DOLLAR PRO JAHR ROOKIE-VERTRAG MIT NIKE

100

MEHR ALS MILLIONEN DOLLAR* NIKE-GEHALT 2019

11 11 9 9

A L L- N B A T E A M

A L L- D E F E N S I V E T E A M

145

MILLIONEN DOLLAR* GESAMTEINNAHMEN 2019

22

S L A M - D U N K- C H A M P

*Quelle: Forbes.com

SAISONS ALTER TEAM 13 21-35 Bulls 2 38-40 Wizards

POS SP SG 930 SF 142

MPG FGM FGA FG% 3PM 3PA 3P% eFG% FTM FTA FT% RPG APG SPG BPG TPG PPG* 38,6 11,8 23,3 50,5 0,6 1,8 33,2 51,8 7,3 8,7 83,8 6,3 5,4 2,5 0,9 2,8 31,5 36,1 8,7 20,1 43,1 0,2 0,8 24,1 43,6 3,7 4,6 80,5 5,9 4,4 1,5 0,5 2,4 21,2

*POS – Position, SP – Spiele, MPG – Minuten pro Spiel, FGM – getroffene Feldwürfe, FGA – versuchte Feldwürfe, FG% – Feldwurfquote, 3PM – getroffene Dreier, 3PA – versuchte Dreier, 3P% – Dreierquote, eFG%– effektive Feldwurfquote, FTM – getroffene Freiwürfe, FTA – versuchte Freiwürfe, FT% – Freiwurfquote, RPG – Rebounds pro Spiel, APG – Assists pro Spiel, SPG – Steals pro Spiel, BPG – Blocks pro Spiel, TPG – Turnovers pro Spiel, PPG – Punkte pro Spiel

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Fotos: Ned Dishman/Richard Lewis/Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

N B A-T O P S C O R E R


MJ

Jordan-Interview

Wie Michael Jordan mir ein fettes Honorar bescherte, meine Jugendträume zerstörte und mich am Ende doch noch glücklich machte. Text: Martin Fünkele

Martin Fünkele ist heute selbst Ü40 und hat längst nichts mehr dagegen, bei einem Interview auch mal ein Glas Wein zu trinken. Dann ist die Sprachbarriere gleich nur noch halb so hoch.

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E

s klingt wie eine Geschichte von vor dem Krieg. Wie wenn ein Großvater seinem Enkel von damals erzählt. Von der Zeit, als er noch ein junger Hecht und überhaupt die Dinge viel besser waren. So hört sich das an, wenn ich von meiner Begegnung mit Michael Jordan erzähle. Wenn ich meinem Sohn diese zwei Tage in Hamburg und Berlin beschreibe – Emil wird im Herbst elf Jahre alt –, muss ich ganz weit ausholen. An der Garage vor unserem Haus hängt ein Korb, und in fast jedem Zimmer lässt sich ein passender Ball dafür finden. Trotzdem kennt Emil Michael Jordan nicht. Dirk ja, Per Günther auch – aber MJ? Nein. Eins noch, bevor ich davon erzähle, wie Michael Jeffrey Jordan mir am 20. Oktober 2006 in Hamburg die Hand geschüttelt hat – es war eine riesige Enttäuschung.

Fotos: Catherine Steenkeste/Getty Images/Simone Fünkele

Crème brûlée Bei MJ

Dabei fing es so gut an. Ein paar Monate vor meinem Handschlag mit MJ rief mich Ariane Massmann an. Frau Massmann arbeitete für Nike in Frankfurt, wo wir uns wenige Wochen später trafen. Ob ich Lust hätte, Michael Jordan zu interviewen, hatte sie mich am Telefon gefragt. 15 Minuten Zeit und ein ordentliches Honorar stellte sie mir in Aussicht. Dass ich bei unserem Treffen in einem schicken Restaurant in der Nähe des Frankfurter Bahnhofs das erste Mal in meinem Leben Crème brûlée gegessen habe, macht deutlich, wie wenig ich damals auf Jobs dieser Art vorbereitet war. Im Sommer 2006 war ich freier Journalist, hatte während des Sommermärchens ein paar Fußballgeschichten geschrieben und bereitete mich ansonsten auf die Basketball-WM in Japan vor. Es lief also ganz gut. Doch 1.000 Euro hatte mir noch nie jemand für einen Job geboten. Das Einzige, was Frau Massmann und Nike von mir erwarteten, war, dass ich meinen Bauchladen bediente. Ein Autor, der möglichst viele Abnehmer für seine Story finden sollte – schließlich würde außer mir nur noch die Bildzeitung einen InterviewSlot mit MJ bekommen. Aus heutiger Sicht kommt mir die Story selbst unwirklich vor. Nicht nur weil ich mittlerweile viele Details vergessen habe, sondern weil Nike heutzutage den erst dritten Auftritt seiner wertvollsten Werbe-Ikone in Deutschland sicher nicht in die Hände eines 30-jährigen Schreiberlings legen würde. Heute würden Influencer meinen Job machen. Sie würden auf einen Schlag ein Millionen-Publikum mit ihrer Insta-Story erreichen und nicht wissen, was sie in 15 Minuten mit „His Airness“ besprechen sollten. Damals war immerhin Patrick Owomoyela da. Der war mal Fußballnationalspieler und hat mir den

schönen Satz „Jordan ist nun mal der Popstar des Sports“ in den Block diktiert. Smartphones gab es damals noch nicht, weshalb ich tatsächlich mit einem Block und einem Diktiergerät unterwegs war. Die Mini-Kassette von diesem Abend habe ich verschlampt, und wenn ich sie finden würde, hätte ich kein Abspielgerät mehr dafür. Stattdessen gibt es ein MP3File mit dem Titel „Martin und der Meister“. Sven Simon, der damals noch für die FIVE arbeitete, hat mir die Tonaufnahme digitalisiert und sich den kreativen Namen ausgedacht. Viel zu hören ist darauf allerdings nicht. Wie in einem seltsamen Dancefloor-Mix wiederholen sich die Antworten von MJ mehrfach. Trotzdem habe ich mir die Datei in den letzten Jahren immer wieder angehört. Die Antworten, die Michael Jordan auf mein Fragenfeuerwerk parat hatte, waren banal. Wahrscheinlich waren meine Fragen aber auch einfach zu blöd, als dass der damals 43-Jährige an diesem Abend etwas verraten hätte, was er so noch nie gesagt hatte. Er fühle sich mental immer noch in der Lage, in der NBA zu spielen, Dirk würde schon noch einen Titel gewinnen, und seinen persönlichen Kick finde er jetzt im Motorsport und im Golf. So weit, so unspektakulär. Es reichte trotzdem für eine Geschichte auf Spiegel Online und ein Interview für die „Süddeutsche Zeitung“. Mein Job war erledigt, obwohl aus den vereinbarten 15 vor Ort plötzlich nur zehn Minuten Redezeit wurden. Egal, ich hatte schon nach der ersten Minute keine Lust mehr auf das Interview.

Air Whiskey

Wie alle Baller meiner Generation bin ich mit MJ groß geworden. Ich habe seine frühen Spiele dienstagabends nach dem Training gemeinsam mit meiner Mutter auf Eurosport gesehen und weiß noch heute, wo ich das „Flu Game“ geschaut habe (danke an Helge und Rebecca!). Ich bin sicher kein JordanJünger und weiß viele wichtigen Details seiner unfassbaren Karriere nicht. Doch wenn ich einen „FadeawayJumper“ versenkte – in meinem Fall braucht es die Anführungszeichen nicht wegen des Anglizismus, sondern wegen meiner überschaubaren Hops –, rief ich meinem Gegner immer ein laut vernehmliches „MJ“ zu. Selbstverständlich war ich auf das Interview mit diesem Giganten vorbereitet. Und wenn ich eines während meines Journalismus-Studiums an der Deutschen Sporthochschule gelernt habe, dann ist es: „Comment is free, but facts are sacred.“ Du kannst eine Meinung haben, aber die Fakten sind heilig! In meinem Fall hieß das: Du musst Bescheid wissen, improvisieren kannst du immer noch. Doch was machst du mit einem Gesprächspartner, der betrunken ist?

Jordan war nicht so richtig betrunken – aber doch genug, um den Wahnsinn, der ihn in Hamburg erwartete, zu ertragen. Am Abend davor hatte er dieselbe Show für seine Jordan Brand in Paris abgezogen und sich auf dem Flug nach Deutschland mal eben ein paar Gläser Whiskey genehmigt. Warum auch nicht? Aus heutiger Sicht würde ich das wohl genauso machen. Wie sonst hältst du die immer gleichen Fragen aus und die über 2.000 Leute, die sich wegen dir stundenlang die Hacken in den Bauch stehen? Mein Fanboy-Ich war trotzdem nicht auf diesen müden, alten Mann im schlammfarbenen Frottee-Jogginganzug vorbereitet. Ich hatte mich auf ein Interview mit „His Airness“ eingestellt, nicht auf ein Gespräch mit einem angeschickerten Public-Relations-Profi. Wenn ich mir heute das Interview anschaue, das am 24. Oktober 2006 mit der Überschrift „Ich könnte heute noch in der NBA spielen“ in der „Süddeutschen“ erschien, fällt mir vor allem ein Satz auf. „Ich vermisse es noch immer“, hat mir Jordan damals gesagt und damit die Intensität gemeint, die er als Spieler in einem Maße verkörperte wie kein anderer. Ohne seinen inneren Motor, seinen Siegeswillen und das Bedürfnis, es den anderen immer und immer wieder beweisen zu wollen, war Jordan eben auch nur ein ganz normaler 43-Jähriger. Dass meine Jordan-Geschichte doch noch ein versöhnliches Ende nahm, hatte nichts damit zu tun, dass ich am nächsten Tag in Berlin zunächst den Schauspieler Oliver Korittke auf dem Ku’damm und später Tinker Hatfield beim Jordan Classics in Charlottenburg traf. Korittke, den ich seit seiner Rolle in „Bang Boom Bang“ liebe, ist ein echter Sneaker-Nerd. Mehr als 850 Paar besitzt er. Das hatte er mir bei seinem PR-Auftritt in Niketown erzählt. Den Deutschen Filmpreis ließ er dafür sausen – Jordan war ihm wichtiger. Hatfield ist eine noch größere Nummer als Korittke, weil er viele der vom Schauspieler gesammelten Schuhe entworfen hat. Hatfield, der zwischen 1988 und 2010 alle „Air Jordan“-Modelle designt hat, war zu Gast beim JordanClassics-Turnier, das im ausverkauften Horst-Korber-Zentrum stattfand. Doch weder Korittke noch Hatfield konnten mich retten, das musste schon der „Meister“ selbst tun. Und das tat er auch. So wie MJ mit nur einem Satz die Karriere von Muggsy Bogues ruinierte, rettete er mit seinem tiefen Bariton meine Fanseele. Ganz am Ende der schwer verständlichen Tonaufnahme von 2006 hört man, wie der beste Basketballer aller Zeiten sagt: „Thank you, my friend.“ Hätte er mir dabei nicht die Hand gegeben, wäre ich wahrscheinlich umgefallen. redaktion@fivemag.de

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MJ

Jordans

Business

Nicht nur als Sportler hat sich Michael Jordan unsterblich gemacht. Auch als Marke und Unternehmer ist Jordan vielfach unerreicht. FIVE durchleuchtet die Finanzen und Einkünfte von MJ und fragt, ob sein wirtschaftlicher Erfolg auch mit mangelndem sozialen Engagement zu erklären ist. Text: Peter Bieg

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,1 Milliarden US-Dollar, das sind mehr als 10 Millionen Paar des neuen „Air Jordan XXXIV“, Listenpreis bei KICKZ.com: 184,95 Euro. Für über 125.000 VW Polo in Basisausstattung reicht diese Summe. Sie entspricht dem vierfachen Marktwert von Borussia Dortmund und dem Bruttoinlandsprodukt des Inselstaates Kap Verde.

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2,1 Milliarden US-Dollar, das ist das Vermögen von Michael „Air“ Jordan im März 2020, geschätzt vom nordamerikanischen Finanzmagazin „Forbes“. Eine Menge Geld. Denn Michael Jordan ist nicht nur der beste Basketballer aller Zeiten, ihm ist es auch besser als jedem Sportler zuvor gelungen, sich selbst zur lukrativen Marke zu stilisieren und extrem

wohlhabend zu werden – mit unserer Hilfe und dank klarer Prioritäten.

Die Säulen des Reichtums

Der Reichtum von Michael Jordan gründet auf mehreren Säulen: Die Gehälter, die er als Basketballer der Chicago Bulls und der Washington Wizards kassiert hat, spielen dabei kaum eine Rolle. Denn der beste Basketballer aller Zeiten war nur in zwei


seiner 15 Saisons auch der bestbezahlte Spieler der NBA! Sicher, die 63 Millionen US-Dollar, die Jordan für seine beiden finalen Saisons in Chicago (1996/97 sowie 1997/98) erhielt, sind eine Ansage. Doch sie stehen in Relation zu lediglich 93,3 Millionen USDollar, die Jordan über 15 Spielzeiten in der Association verdient hat. Umgerechnet aufs Jahr sind das 6,2 Millionen Dollar Gehalt für den „G.O.A.T.“. Das sind Zahlen, über die Spieler wie Shaquille O’Neal (Gesamtgehalt: 292 Millionen Dollar), Kevin Garnett (343 Millionen) oder Kobe Bryant (328 Millionen) – auch bereinigt um Faktoren wie Kaufkraft und Inflation – nur lächeln. Wie voll Michael Jordans Taschen wären, hätte seine NBA-Karriere etwas später begonnen, darüber lässt sich nur spekulieren. Warum er noch aktive oder bereits im Ruhestand befindliche Kollegen wie LeBron James (ca. 500 Millionen Dollar Vermögen) oder Dirk Nowitzki (ca. 140 Millionen) in Sachen Wohlstand weit hinter sich lässt, ist hingegen leicht zu erklären: Es sind einerseits seine Ausrüsterverträge und andererseits seine Mehrheitsbeteiligung an den Charlotte Hornets, die den gewaltigen Unterschied auf dem Bankkonto, im Wertpapierdepot und im Tresor begründen. Hanes (Bekleidung), Gatorade (Sportdrinks), Upper Deck (Tauschkarten) – drei prominente Beispiele großer Marken, die Michael Jeffrey Jordan seit teilweise mehreren Jahrzehnten sponsern. Auch mit den Großkonzernen Coca-Cola, McDonald’s, Chevrolet, Oakley (Sonnenbrillen), 2K Sports, Five Star Fragrances (Parfüm) und General Mills (Lebensmittel) hat(te) Jordan teils langjährige Werbeverträge. Mehr als ein Dutzend weniger prominente Firmen kommen dazu. Rund 1,7 Milliarden Dollar soll „Air“ abseits von seinen Spielergehältern verdient haben, seit er 1984 in der Association debütierte. Bei solchen Summen und über den Zeitraum mehrerer Jahrzehnte hatten längst auch Zinsen und Zinseszinsen erfreuliche Auswirkungen auf das meisterliche Vermögen. Aber auch in Sachen „laufende Einnahmen“ läuft es: 145 Millionen Dollar soll MJ im Jahr 2019 verdient haben, schätzt Kurt Badenhausen von „Forbes“. Mehr als zehn Millionen Dollar an Einkünften pro Monat, ohne dass die Ikone sich noch in der Trainingshalle oder im Fitnessstudio quälen muss! Ein hübsches „passives Einkommen“ für „His Airness“. Einen Anteil von lediglich 15 Millionen Dollar seines Jahreseinkommens machen die „kleineren“ Deals mit Hanes, Gatorade, Upper Deck und Co. aus. Hinzu kommen Einnahmen aus mehreren Autohäusern sowie Restaurants, die Michael Jordan betreibt. Der Löwenanteil jedoch kommt von uns Basketball-Fans: Denn wer von

uns nennt oder nannte keinen einzigen Jordan-Schuh sein Eigen? Keine Cap, keine Shorts, kein Trikot mit der Nummer 23 und dem ikonischen „Jumpman“-Aufdruck? Im Geschäftsjahr bis Mai 2019 generierte die Jordan Brand von Nike einen Umsatz von 3,1 Milliarden Dollar. Das bedeutet nicht nur ein Plus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr, sondern auch einen Geldsegen für Michael Jordan. Auf 130 Millionen Dollar schätzt „Forbes“ den Anteil, den Jordan im vergangenen Jahr aus den Nikebzw. Jordan-Brand-Gewinnen erhalten hat. Das ist das Vierfache dessen, was LeBron James, die Nummer zwei im Basketball-Sneaker-Markt, mit Schuhen und Ausrüstung einnimmt. Und das ist auch mehr als die 127 Millionen Dollar, die Lionel Messi im Jahr 2019 eingenommen hat – immerhin damit der bestbezahlte aktive Sportler der Welt … „It’s gotta be the shoes“. Was Spike Lee alias „Mars Blackmon“ in dem einen oder anderen unvergessenen Werbespot für die neuesten Jordans schon früh wusste, gilt auch für die Extra-Kohle, die Michael Jordan wohl bis an sein Lebensende mit ihnen einstreichen wird. Während diese Deals für den „Cash Flow“, also regelmäßige Zahlungsströme in der Ich-AG Michael Jordan sorgen, ist es sein Mehrheitsanteil am NBA-Klub Charlotte Hornets, der das Vermögen des „G.O.A.T.“ endgültig weit von der sportlichen Konkurrenz abhebt: 175 Millionen Dollar hat Jordan in die Hornets gesteckt. Schon als sie noch Charlotte Bobcats hießen, wurde der Ex-Spieler zum Mitbesitzer einer NBA-Franchise. Seit dem Jahr 2006 engagiert sich Jordan beim Klub aus Charlotte, seit dem Jahr 2010 ist er Mehrheitsbesitzer, ihm gehören mehr als 80 Prozent. Die Hornets werden inzwischen – insbesondere dank explosionsartig gestiegener TV-Verträge der NBA – mit mehr als 1,3 Milliarden Dollar bewertet. Damit ergibt sich für Jordan ein Gesamtvermögen, welches unaufhaltsam die Zwei-Milliarden-Dollar-Schallmauer durchbricht. Auch die Corona-Krise sollte daran auf lange Sicht wenig ändern können, da Jordan als Marke zwar global aufgestellt ist und funktioniert, aber sich insbesondere im Mutterland USA ungebremster Beliebtheit erfreut.

Scheidung? Hausverkauf? Peanuts!

Mit solchen Werten im Rücken lassen sich auch finanzielle Rückschläge mittlerer Größenordnung vergleichsweise entspannt verkraften: 168 Millionen Dollar soll die Scheidung von seiner ersten Frau Juanita Vanoy verschlungen haben. Mit Vanoy war MJ seit 1989 verheiratet, drei Kinder brachte das Paar auf die Welt. Ihre Scheidung im Jahr 2006 war die zum damaligen Zeitpunkt teuerste Promi-Trennung aller Zeiten. Ebenso wenig

Glück hatte „His Airness“ bislang mit dem geplanten Verkauf seines gigantischen Anwesens in Chicago: Seit dem Jahr 2012 versucht Jordan, der inzwischen in Florida lebt, seine Villa in Illinois zu veräußern. Weder der voll ausgestattete Basketball-Court noch die fette 23 am Eingangstor konnten potenzielle Käufer bisher überzeugen. Und das, obwohl Jordan den ursprünglich angedachten Verkaufspreis von 29 Millionen Dollar halbiert hat. Auch dass der Käufer inzwischen jeden der bisher erschienenen Air-JordanSneaker in der für ihn passenden Größe obendrauf bekäme, hilft nichts. Rund 100.000 Dollar pro Jahr kostet das Haus Jordan angeblich allein an Grundsteuern. Probleme eines sehr reichen Mannes … Gelegentlich wird auch Kritik laut, Jordans monetärer Erfolg sei durch einen Mangel an karikativem Engagement erkauft: So prangerte insbesondere die angesehene „Washington Post“ in einem Artikel aus dem Jahr 2016 an, der Größte aller Zeiten sei lange Zeit mehr am maximalen Profit als an gesellschaftlichem Einfluss interessiert gewesen. Und das, obwohl er als einer der populärsten Athleten in der Geschichte des Sports und mit noch immer zahllosen Fans und Followern einen gewaltigen Einfluss haben könnte. Jordan habe beschlossen, „Kontroversen aus dem Weg zu gehen“, so die „Washington Post“, die auch Kareem Abdul-Jabbar zitiert, welcher Jordan vorwarf, sich für „Commerce over Conscience“ – also Kommerz vor Gewissen – entschieden zu haben. Sicher ist: Michael Jordan ist als Philanthrop bei aller Kritik kein völlig unbeschriebenes Blatt. Regelmäßig veranstaltet er Golfturniere für wohltätige Zwecke. Kliniken, Schulen und Hurrikan-Opfer hat Jordan in den vergangenen Jahrzehnten mit Millionen-Beträgen unterstützt. Doch ebenso sicher ist auch, etwa im Vergleich mit einem LeBron James und dessen „More than an athlete“-Kampagne, dass von Jordan dennoch vergleichsweise wenig soziale oder gar politische Statements zu hören waren. In den vergangenen Jahren begann Jordan trotzdem, sich in bestimmte Debatten einzumischen. Er widersprach etwa rassistischen Äußerungen des damaligen ClippersBesitzers Donald Sterling im Jahr 2014. Auch gegen rassistisch begründete Gewalt gegen Afroamerikaner hat sich MJ mehrfach öffentlich ausgesprochen. Und – auch das hält die „Washington Post“ fest – vielleicht fängt Michael Jordan ja gerade erst an, sein politisches und soziales Gewicht zu realisieren. Zeit, sich zu engagieren und einzubringen, hat er im Alter von inzwischen 57 Jahren definitiv noch genug. Und Geld ohnehin. redaktion@fivemag.de

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B.J.

Armstrong

MEISTERSCHÜTZE B.J. Armstrong war ein wichtiger Spieler beim ersten Threepeat der Chicago Bulls und Mitte der 1990er Jahre einer der sichersten Dreierschützen der NBA. Text: Christian Orban

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iele kennen B.J. Armstrong heute als Spieleragenten. Schließlich vertritt der ehemalige Point Guard der Chicago Bulls seit jeher Derrick Rose, der 2008 von ebenjener Franchise an erster Stelle gedraftet wurde und 2011 in der „Windy City“ zum jüngsten MVP der NBAHistorie avancierte. Auch repräsentierte Armstrong über Jahre Draymond Green. 2015 verhalf er dem späteren All Star und „Verteidiger des Jahres“ zu einer hoch dotierten Vertragsverlängerung. Dabei pflegen die beiden Männer aus Michigan seit Greens Highschool-Zeit ein freundschaftliches Verhältnis. Im „Buddy-Business“ der NBA ist Armstrong nach einer erfolgreichen Spielerkarriere also angekommen. Zunächst machte der kleine Leichtbau-Guard (1,88 Meter, 79 Kilo) an der University of Iowa als wurfstarker Korbjäger (44,3 3P%) auf sich aufmerksam. Sodann in der 1989er Draft von den Bulls an 18. Stelle ausgewählt, fungierte Armstrong hinter Starter John Paxson zunächst als Backup auf der Eins. Anfangs fiel es ihm jedoch schwer, sich in Chicagos methodische, bewegungs- und passorientierte Offensive einzufügen. Der selbstbewusste Youngster forcierte zu viel (besonders den allzu furchtlosen Drive zum Korb) und wollte sich im ambitionierten Veteranen-Team um

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einen nicht minder anspruchsvollen Michael Jordan beweisen. Indes verdiente sich „the Kid“ mit der Zeit den Respekt seiner Kollegen, da er sich zusehends effektiv einbrachte und seine Rolle als Ergänzungsspieler gewinnend ausfüllte. So stiegen Armstrongs Spielanteile, während sich mit dem ersten Threepeat der Bulls (1991 bis 1993) der ultimative Teamerfolg einstellte. Besonders zum dritten Meistertitel trug Armstrong beachtlich bei. Denn zur Saison 1992/93 war er nicht nur zum Starter avanciert, sondern brillierte zugleich als sicherster Dreierschütze der Liga (45,3 3P% bei 139 Versuchen). Generell steuerte der flinke Aufbau in der Hauptrunde bei exzellenten Wurfquoten und hoher Ballsicherheit 12,3 Punkte und 4,0 Assists bei. Stabile Zahlen, die er in den Playoffs bestätigte – als er 21 seiner 41 Dreier einnetzte und obendrein gegen namhafte Ballführer überzeugende Defensivleistungen darbot. Vor allem Kevin Johnson machte Armstrong mit seiner engagierten und druckvollen Verteidigungsarbeit in den NBA-Finals das Leben schwer (gleichwohl blieb der Leichtbau-Einser körperlich angreifbar). Zudem streute er in den sechs Partien gegen die Phoenix Suns zehn von 19 langen Bällen ein und leistete sich bei 30 direkten Korbvorlagen nur fünf Turnovers.

Nachdem Jordan 1993 zurücktrat und erst im März 1995 aufs Parkett zurückkehren sollte, übernahm Armstrong in Chicago eine größere Rolle. Mit Erfolg: 1993/94 markierte er einen Karrierebestwert von 14,8 Punkten sowie die zweitbeste Dreierquote der Liga (44,4 3P%). Zur Belohnung wurde der Detroiter ins All-Star-Team berufen – und zwar als Starter. Ligaweit erhielten seinerzeit allein Shaquille O’Neal und Charles Barkley mehr Stimmen! Es folgte ein weiteres individuell starkes Jahr, aber trotz Jordans Wiederkehr ein erneutes Zweitrundenaus. Anschließend wurde Armstrong – der in sechs Spielzeiten bei den Bulls (10,9 PPG, 3,4 APG, 43,7 3P%) nur eine einzige Partie verpasste – 1995 in der Expansion Draft von den neu formierten Toronto Raptors ausgewählt. Doch weigerte sich der erfolgsverwöhnte Veteran, nach Kanada zu wechseln. So wurde er daraufhin zu den Golden State Warriors getradet, wo er mit 12,3 Punkten und 4,9 Assists 1995/96 ordentlich ablieferte. Zudem machte Armstrong später noch in Charlotte und Orlando Station, bevor er nach Chicago zurückkehrte und dort im Jahr 2000 seine Profikarriere beendete. Für die Bulls war er danach als Scout und im Front Office tätig. redaktion@fivemag.de


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Horace

Grant

ERFOLGSHELFER Wenn es um die Meistermannschaften der Chicago Bulls geht, wird ein Leistungsträger oft vergessen, den es zu würdigen gilt: Horace Grant. Text: Christian Orban

Fotos: Rocky Widner/Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

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ie Karriere-Statistiken von Horace Grant mögen nicht überwältigend sein. So erzielte der Mann aus Georgia über 17 Profijahre im Schnitt solide 11,2 Punkte (bei 50,9 FG%), 8,1 Rebounds, 2,2 Assists sowie je 1,0 Steals und Blocks. Indes war sein Einfluss auf den Erfolg seiner Teams ungleich größer. Gewiss, Michael Jordan und Scottie Pippen stehen zu Recht im Rampenlicht, wenn der erste Threepeat der Chicago Bulls besprochen wird. Auch verdienen Schützen wie John Paxson und B.J. Armstrong ihre Anerkennung. Zugleich wäre die Titelserie ohne Grant nicht möglich gewesen. Dennoch wird der leistungsstarke Teamplayer oft vergessen. „Vielleicht liegt es an seiner ruhigen Art“, sagte Meistertrainer Phil Jackson einst über den unaufgeregten Arbeiter. „Aber seid euch sicher: Seinen Mitspielern und mir ist sehr wohl bewusst, wie wichtig Horace war.“ Und zwar an beiden Enden des Feldes. Im sechsten Spiel der 1993er NBA-Finals war es etwa Grant, der den möglichen Gamewinner von SunsGuard Kevin Johnson blockte und damit den dritten Titel der Bulls sicherte. In Erinnerung geblieben ist dagegen Paxsons Dreier zur Führung. Wer dabei den offenen Schützen mit einem mustergültigen Swing-Pass bediente? Richtig, der verlässliche Vierer mit der markanten „Taucherbrille“.

Für Chicago war Grant seinerzeit sonach der wohl wichtigste Komplementärspieler. Wenn er an der Seite von MJ und „Pip“ auf dem Hartholz stand, avancierten die Bulls zu einer schier unaufhaltsamen Herde. 1987 an zehnter Stelle gedraftet, verpasste der vormalige Clemson Tiger in der NBA kaum Partien und lieferte vor allem in der Defensive beständig ab. Er zeigte stets vollen Einsatz und bestach als vielseitiger Verteidiger. Nicht zufällig wurde Grant in den 90er Jahren viermal in Folge ins All-Defensive-SecondTeam berufen. In die hocheffiziente BullsOffensive fügte sich der geschätzte Mitspieler ebenfalls gewinnend ein. Zuvorderst war der Zwillingsbruder von Harvey Grant (seinerseits elf Jahre in der NBA aktiv) ein exzellenter Rebounder, der zu seiner Blütezeit pro Partie vier Abpraller am offensiven Brett griff. Hinzu kam Grants Abschlussstärke in Korbnähe und aus der Halbdistanz: In seinen ersten zehn Jahren traf er mehr als 50 Prozent seiner Feldwürfe (1991/92 sogar 57,8 FG%). Obendrein konnte der mobile 2,08-Meter-Mann den Schnellangriff mitlaufen und besaß als fähiger Passgeber auch ein Auge für seine Nebenmänner. Seine individuell beste Saison absolvierte Grant 1993/1994, als Jordan pausierte und er in größerer Rolle zum

All Star avancierte. 15,1 Punkte, 11,0 Rebounds, 3,4 Assists, 1,1 Steals und 1,2 Blocks steuerte Grant damals bei. Auf dem Höhepunkt seines Schaffens schloss sich der dreifache Meister im Sommer 1994 den aufstrebenden Orlando Magic um Shaquille O’Neal und Penny Hardaway an. Als lukrativ vergüteter Zuarbeiter der beiden Jungstars verhalf Grant dem Team sogleich zum Finaleinzug, wobei in der zweiten Playoffrunde die JordanComeback-Bulls ausgeschaltet wurden. Indes kassierten die Orlando Magic in den 1995er Finals einen Sweep gegen die abgezockten Champs der Houston Rockets. Ein Jahr später erreichten die Floridianer das Ostfinale, mussten sich dort aber den „Unbeatabulls“ sieglos geschlagen geben – auch weil Grant in der Serie verletzungsbedingt kaum eingreifen konnte. 2001 gewann er dafür im Alter von 35 Jahren mit den „ShaKobe“Lakers seinen vierten Titel. Dabei wusste Grant als Starter in einer gewohnten Nebenrolle zu überzeugen und trug in 31,0 Einsatzminuten pro Abend respektable 8,5 Zähler sowie 7,1 Rebounds bei. 2004 ging der altbewährte Erfolgshelfer nach 17 Profijahren, 1.165 Saison- und 170 Playoffpartien schließlich in den verdienten Basketballruhestand. redaktion@fivemag.de

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Ron

Harper

EDELROLLENSPIELER Als wichtiger Ergänzungsspieler feierte Ron Harper fünf NBA-Meisterschaften. Davor agierte der talentierte Combo-Guard auf All-Star-Niveau. Text: Christian Orban

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986 an achter Stelle von den Cleveland Cavaliers gedraftet, gehörte Ron Harper seinerzeit in die AllStar-Konversation. So legte der ComboGuard über seine ersten acht Profijahre beachtliche Allround-Werte auf: 19,3 Punkte gepaart mit 5,2 Rebounds, 4,9 Assists, 2,1 Steals und 0,9 Blocks. Gerade Ende der 80er galt Harper als einer der aufregendsten jungen Spieler der NBA. Dabei bestach der „Ohio Flyer“ vor allem mit seinem Zug zum Korb und verdiente sich zahlreiche Ausflüge an die Freiwurflinie. Zugleich war der athletische 1,98-Meter-Mann ein versierter Verteidiger, der als Balldieb brillierte und selbst Michael Jordan viel abverlangte. Wiederholt mussten die Jordan-Bulls gegen die zeitgleich aufstrebenden Cavs in der ersten Playoffrunde über die volle Distanz gehen. „Cleveland hätte definitiv mehr Erfolg gehabt, wenn sie Ron Harper damals gehalten hätten. Denn er war einer der Jungs, die mir die größten Probleme bereitet haben“, gab MJ später anerkennend zu Protokoll. Die Cavs sahen dies Ende 1989 anders und verschifften Harper im Tradepaket für Danny Ferry zu den chronisch erfolglosen L.A. Clippers. Erschwerend schlug dann das Verletzungspech zu: Im Januar 1990 erlitt Harper einen Kreuzbandriss

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inklusive Knorpelschaden und musste ein Jahr lang pausieren. Obwohl er an Dynamik und Explosivität stark eingebüßt hatte, kam „Hollywood Harp“ erfolgreich zurück und zog mit den „Clips“ zweimal in Folge in die Playoffs ein, wo sich das Team gut verkaufte. Im Sommer 1994 schloss er sich als Free Agent schließlich den Bulls an. Doch während Jordan noch Baseball spielte, war Harper auf der Zwei nicht die Antwort. Vielmehr tat er sich schwer damit, sich in das neue System und eine kleinere Rolle einzufinden. Nach Jordans Rückkehr fand der langjährige 20-Punkte-Scorer bei den „Unbeatabulls“ indes seine Nische. Er rückte als Vollzeitstarter auf die Eins, wobei er sich als Defensivspezialist ein Stück weit neu erfand und diese Rolle mit Hingabe perfektionierte. 7,9 Zähler, 3,0 Rebounds, 2,6 Assists und 1,3 Steals, die Harper über fünf Jahre in Chicago in 25 Minuten pro Partie erzielte, beschreiben daher nur oberflächliche Werte. Entsprechend sagte „Air“ über seinen geschätzten Mitspieler: „Ron war ein sehr wichtiger Faktor.“ So trug Harper zum zweiten Threepeat der Bulls als zusätzlicher Ballhandler und Aushilfskorbjäger bei. Vor allem aber bildete er gemeinsam mit Jordan, Scottie Pippen und Dennis Rodman eine disruptive

Defensivformation, die bis heute ihresgleichen sucht. Trotz kaputter Knie war Harper dabei oft derjenige, der an der Speerspitze flinke Guards verteidigte, Fastbreaks stoppte und Jordan Verschnaufpausen verschaffte. Mit seiner Länge, Robustheit, dem cleveren Stellungsspiel und seinem Spielverständnis fungierte er als ideale Ergänzung zu MJ und „Pip“, die ebenso alle Außenpositionen deckten. Harper selbst konturierte seine Rolle wie folgt: „Es braucht Spieler, die die kleinen Dinge tun. Jungs, die sich in der Defense reinhauen und nach freien Bällen tauchen. Auch das sind wichtige Rollen. Es ist ein Teamsport. Es wird nicht immer der Topspieler sein, der punktet, auch wenn wir diesen Typen hatten. Es war wirklich gut, mit Jungs zu spielen, die dir einen Klaps geben und sagen, dass du ein super Spiel gemacht hast.“ Nicht zuletzt gilt das auch für Harpers Zeit bei den „ShaKobe“Lakers. Diesen schloss er sich 1999 als Free Agent an und gewann mit ihnen in ähnlicher Rolle zwei weitere Meistertitel. Als er 2001 im Alter von 37 Jahren nach 15 Profijahren abtrat, hatte der Edelrollenspieler demnach in sechs Spielzeiten fünfmal die Larry O’Brien Trophy in den Himmel gereckt. redaktion@fivemag.de


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Steve

Kerr

ERFOLGSMENSCH Steve Kerr ist einer der größten Gewinner in der langen Geschichte der NBA. Zugleich ist er bei allem Erfolg ein wacher Mensch geblieben. Text: Christian Orban

Fotos: Scott Cunningham/Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

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ach sechsjähriger Amtszeit gehört Steve Kerr bereits heute zu den erfolgreichsten Headcoaches der NBA-Historie. So haben überhaupt nur fünf Trainerlegenden – Phil Jackson, Red Auerbach, Pat Riley, Gregg Popovich und John Kundla – mehr Meistertitel als der „Coach des Jahres 2016“ verbucht. Bekanntlich hat der 54-Jährige die Warriors zu fünf konsekutiven Finalteilnahmen geführt und dabei in dominanter Manier drei Championships in den „Golden State“ gebracht. Die höchste Siegesquote in der Playoff-Geschichte (73,3 Prozent) ist daher nur folgerichtig. Trotz der Übergangssaison 2019/20 kann Kerr zudem mit der höchsten Siegesquote aller Übungsleiter aufwarten, die in der Liga mehr als zwei Jahre in der Verantwortung standen. Hierein zählt gewiss auch die rekordsetzende 73-9-Bilanz aus der Spielzeit 2015/16. Abseits aller Erfolgszahlen ist es indes seine Präsenz, die den smarten und weltgewandten „Players’ Coach“ so einnehmend macht. Nicht zuletzt lacht und scherzt Kerr viel. Mit den Profis pflegt er einen lockeren Umgang und besticht durch seine menschlich-motivierende Art. Zugleich ist Kerr einer derjenigen NBA-Akteure, die gesellschaftspolitisch Haltung zeigen und wiederholt ihre Stimme erheben, um in den USA

gegen systemische Großprobleme wie Waffengewalt anzukämpfen. Formativ waren dafür die Welterfahrungen, die Kerr schon in jungen Jahren machte. Geboren in Beirut, lebte er mit seinen Eltern und Geschwistern auch in Tunesien, Ägypten, Frankreich und Kalifornien. Am meisten gelernt habe er von seinem Vater Malcolm Kerr, einem anerkannten Nahost-Experten, der während des libanesischen Bürgerkrieges 1984 erschossen wurde: „Ich bin dankbar für die 18 Jahre, die ich mit ihm hatte. Ich spüre seinen Einfluss jeden Tag.“ Nach diesem Schicksalsschlag war Basketball „der einzige Weg für mich, nach vorne zu schauen“, betont Kerr zudem. So verbrachte er zunächst vier erfolgreiche Jahre an der University of Arizona, bevor er 1988 als Zweitrundenpick in die NBA kam. Von Phoenix gedraftet, erarbeitete sich der 1,90 Meter große Point Guard in Cleveland seine Nische als Schütze von der Bank. Nach einem weiteren Stopp in Orlando unterschrieb er 1993 in Chicago – wo er zu einem integralen Rollenspieler reifte und mit den Bulls den zweiten Threepeat feierte (inklusive 72-Siege-Saison 1995/96). Am einprägsamsten ist dabei wohl Kerrs Buzzerbeater aus Spiel sechs der 1997er Finals, als er nach einem Pass von Michael Jordan den Jumper

zur Meisterschaft versenkte. Und werfen konnte der Dreierspezialist wie kaum ein Zweiter: Über fünf Jahre traf er für die Bulls überragende 47,9 Prozent seiner 898 Versuche von Downtown und markierte in 23,2 Minuten pro Abend 8,2 Punkte. 1994/95 erzielte der Dreier-Champion von 1997 eine ligaführende Erfolgsquote von 52,4 Prozent – die in der NBA-Historie allein Kyle Korver überboten hat. Es mag daher nicht verwundern, dass Kerr bis heute mit 45,4 Prozent die höchste Karriere-Dreierquote vorweisen kann. Abgesehen von einem Zwischenstopp in Portland lief der Edelschütze alsdann für die San Antonio Spurs auf, mit denen er sich in kleinerer Rolle zwei weitere Meisterschaftsringe sicherte (1999 und 2003). Wie zuvor in Chicago und einst in Cleveland traf der spätere Coach auch in Texas auf einen prominenten Lehrmeister. So führt Kerr seinen Erfolg nicht zuletzt auf die Lehrjahre unter Lenny Wilkens, Phil Jackson und Gregg Popovich zurück. Nachdem er seine 15-jährige Profikarriere mit 37 Jahren beendete, war Kerr als TV-Experte sowie im Management der Phoenix Suns tätig. Im Mai 2014 startete der dreifache Familienvater seine Trainerlaufbahn in der Bay Area. Der Rest ist bekannte Erfolgsgeschichte. redaktion@fivemag.de

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Jordan

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Die Karriere des Michael Jordan in einem Artikel erzählen? Unmöglich. Wir haben es 2011 trotzdem versucht. Dies ist die Geschichte eines Jungen aus Wilmington, North Carolina, aus dem die globale Ikone MJ wurde. Eine Reise von der „Dixie Youth Baseball Association“ bis zum „letzten“ Wurf in Salt Lake City. Text: André Voigt

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Fotos: David Madison/Getty Images

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ichael Jordan. Der Name steht für Basketball wie kein anderer. Ohne ihn hätte es den großen Boom der 90er Jahre nie gegeben. Die NBA wäre hierzulande nur eine kryptische Buchstabenreihe. Wir würden auf dem Weg zum Korb nicht die Zunge rausstrecken, es gäbe keine langen Shorts, wir würden keine „Air Jordans“ tragen. Die Geschichte von MJ wurde schon oft erzählt. Vielleicht nicht ganz so oft wie die von dem Baby im Stall in Bethlehem, aber für Basketballer ist sie nicht minder wichtig … Michael Jeffrey Jordan wächst nicht in den typischen NBA-Verhältnissen auf. Während Mutter Deloris in einer Bank arbeitet, bringt Vater James gleich zwei Gehälter nach Hause: eines als Abteilungsleiter in einem Werk der Firma General Electric und seine Pension der U.S. Air Force, bei der Michaels Dad jahrelang gedient hatte. Die siebenköpfige Familie lebt in Wilmington, einer netten Kleinstadt an der Atlantikküste North Carolinas, weit weg von den Problemen der Ghettos in den US-Großstädten. Zwar existiert im Süden noch immer der latente Rassismus, die Jordans achten aber sehr darauf, dass Michael – den damals noch alle „Mike“ nennen – und seine Geschwister sich davon nicht beeinflussen lassen. Von den fünf Jordan-Kids wird im Haushalt viel erwartet. Sie helfen an allen Ecken und Enden, jeder hat seine Aufgabe. Auch Mike – doch der findet immer wieder einen Weg, sich das Leben etwas einfacher zu machen. Sei es durch geschickte verbale Manöver, oder indem er sich einfach mit ein wenig Taschengeld freikauft. Außerdem liebt Mike Sport, vor allem Baseball. 1975 wird er im Alter von zwölf Jahren zum „Mr. Baseball“ der „Dixie Youth Baseball Association“ gewählt. Der Sport mit dem Schläger und den Bases ist seine erste Liebe. Er spielt Pitcher oder steht im Outfield. Auch Basketball hat es ihm angetan. Mit seinem älteren Bruder Larry liefert er sich harte Duelle auf dem kleinen Basketballplatz, den James Jordan für seine Kids gebaut hat. Larry ist zwar nur 1,70 Meter groß, packt aber eine Menge Muskeln, Sprungkraft und Talent in seinen kleinen Körper. Es soll Jahre dauern, bis der Jüngere den Älteren im Eins-gegen-eins schlagen soll. Bis es so weit ist, wartet viel Frust auf den kleinen Mike. Er ist schnell, kann springen, gegen Larry reicht all das aber einfach nicht. Michael beschließt zu wachsen, um seinem Bruder den entscheidenden Vorteil in ihren Spielen zu nehmen. Immer wieder hängt er sich minutenlang an eine Reckstange – in der Hoffnung, so einen Zentimeter aus seinem Körper herauszukitzeln.

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Mike Begins …

Die Niederlagen im Hof entzünden ein Feuer in Michael Jordan. Dieses Feuer erhält jede Menge Zündstoff, während Mike in der zehnten Klasse an die Laney Highschool kommt. Pop Herring ist dort Trainer der ersten Basketballmannschaft. Er lädt Michael zusammen mit dessen Freund Leroy Smith zum Tryout ein. Als der Kader für das Team der Laney High später bekannt gegeben wird, ist Michael am Boden zerstört. Während Smith im Team ist, bleibt für Jordan nur die zweite Mannschaft. Er ist einfach körperlich noch nicht so weit, nur 1,80 Meter groß, während Smith schon seine 2,01 Meter in die Waagschale werfen kann. Fred Lynch, Assistenztrainer in Laney zu dieser Zeit, erklärt in David Halberstams Buch „Playing for Keeps“, warum Jordan es damals nicht ins Team schaffte. „Wir wussten, dass Michael gut ist“, sagt er. „Aber wir wollten, dass er mehr spielt, deshalb schien uns das zweite Team besser für ihn zu sein.“ Eine Meinung, die Mike nicht wirklich teilt. Die Absage treibt ihn nur noch weiter an. Fortan zerstört er regelrecht seine Gegner bei den Spielen der Reserve. Sein Killerinstinkt wird geboren. „Als Coach Herring mich nicht ins erste Team berief, begann alles“, erklärt Jordan später. „Das war eine Lehre. Ich musste härter arbeiten.“ Genau das tut er … Als Jordan in die elfte Klasse kommt, erlebt er einen Wachstumsschub. Er ist jetzt 1,90 Meter groß. Trotzdem hat ihn keine der großen Unis auf ihrem Talentsichtungsradar. Was auch nicht verwunderlich ist, spielt er doch erst seine Premierensaison in der Varsity der Laney Highschool. Es gibt kein Internet, keine TV-Übertragung von Schulspielen. Mundpropaganda und Zeitungsberichte sind die Informationsquelle der Colleges. Eine dieser Quellen ist Michael Brown, Athletic Director des Schulbezirks New Hanover. Früh in der HighschoolSaison 1979/80 ruft er Roy Williams an, der ein junger Assistent von Coach Dean Smith an der University of North Carolina (UNC) ist. Brown erzählt ihm von Mike Jordan, dem besten jungen Athleten, den er je gesehen hat. Williams arrangiert einen Trip zu einem Spiel der Laney High, den schließlich ein anderer Assistent namens Bill Guthridge antritt. Leider ist die Reise nicht sehr aussagekräftig. Jordan nimmt an diesem Tag zumeist Sprungwürfe. Immerhin fällt Guthridge auf, dass dieser Junge „einen Extra-Gang hat“. „Er wurde noch nicht gemolken“, antwortet er auf Dean Smiths Frage, was dieser Jordan für ein Spieler sei. Es ist seine Art zu sagen, dass in diesem Kerl eine Menge Talent steckt, das noch nicht durch Coaching in die richtige Form gebracht wurde. MJ fehlen zu dieser Zeit einfach noch die Fundamentals. Der

Trainerstab beschließt, Mike Jordan im Auge zu behalten und ihn zum jährlichen Basketballcamp von Dean Smith nach Chapel Hill einzuladen. „Michael kam damals an einem Sonntagnachmittag zu unserem Camp. Wir trainierten 20 Minuten, und ich bat ihn, noch weitere 20 Minuten zu bleiben“, erinnert sich Roy Williams. „Danach ging er den ganzen Weg bis zur Tür und schlich sich für eine weitere Einheit zurück. Damals dachte ich, dass er ein wundervolles Talent war. Niemand konnte aber ahnen, was aus ihm werden würde, weil niemand wusste, wie ehrgeizig er war, wie hart er an sich arbeiten würde – und wie viel Herz er hatte.“ North Carolina ist die erste Uni, die sich wirklich für MJ interessiert, und obwohl das so bleiben soll, beschließt Williams, Jordan ins renommierte FiveStar-Camp von Scout-Legende Howard Garfinkel zu bringen. Während Mike im Smith-Camp nur gegen regionale Talente brillierte, trifft er bei Five-Star auf die Top-Teenager der USA. Dunken ist dort verboten, es geht nur um Drills, die Technik in der Offense und Defense. Garfinkel braucht nicht lange, um zu sehen, dass dieser Mike Jordan etwas ganz Besonderes ist. „Eigentlich überzeugte mich ein einziger Spielzug“, erinnert sich „Garf“ in „Playing for Keeps“. MJ spielte Defense, klaute seinem Gegenüber den Ball und sprintete über das Feld für einen einfachen Korbleger. Eine alltägliche Aktion, sicher – doch der Antritt, den Jordan nach dem Ballgewinn zeigte, war der schnellste, den Garfinkel je gesehen hatte. Sehr zum Verdruss der UNC-Coaches war nach der Five-Star-Woche das Geheimnis um Mike Jordan von der Laney High gelüftet. Ein Star war geboren. In der Folge versuchten auch andere Unis, Jordan in ihr Programm zu holen. Virginia mit Center-Star Ralph Sampson war interessiert. Genau wie Maryland und South Carolina, wo selbst der Gouverneur des Staates die Jordans bei sich zu Hause empfing. Smith wurde unwohl bei dem Gedanken, dieses Talent zu verlieren – zumal er wusste, dass Mike nie ein Fan der Tar Heels gewesen war. „Er war ein Fan von North Carolina State“, verrät Roy Williams – also der Universität, die neben Duke zu den Hauptrivalen UNCs gehört. „Ich glaube, er wurde erst im Sommer nach seinem Junior-Jahr an der Highschool zu einem UNC-Anhänger, als wir anfingen, ihn zu rekrutieren.“ Um die Sache wasserdicht zu machen, stattete Dean Smith zusammen mit seinen Assistenten Eddie Fogler und Williams den Jordans einen Hausbesuch ab. Während sich die Erwachsenen auf Stühle setzten, hockte sich Mike mit einem Basketball daneben. „Du liebst den Ball wirklich, was?“, fragte Smith, und der 17-Jährige antwortete: „Auf jeden Fall!“


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UNC

Als Uni-Freshman wird von Jordan nicht viel erwartet, seine Kumpels zu Hause glauben sogar, dass MJ in Chapel Hill in den vier Jahren nicht viel spielen wird. „Du bist nur hier bei uns die große Nummer“, sagen sie ihm. „Du wirst dir den Arsch auf der Bank plattsitzen.“ Die Skepsis ist nicht unbegründet. North Carolina behält mit James Worthy, Sam Perkins, Matt Doherty und Jimmy Black vier Starter des Vorjahres. Coach Dean Smith lässt nicht gern Neulinge starten, doch trotz aller Schwierigkeiten hat der 1,93 Meter große Jordan eine Chance – weil er verteidigt. Seine Geschwindigkeit ist eine absolute Ausnahmeerscheinung. Sie passt perfekt in die aggressive Verteidigung der Tar Heels. Außerdem versteht MJ unheimlich schnell. Nach einmaligem Hinsehen hat er die meisten Prinzipien verinnerlicht, andere Freshmen brauchen dafür ein Jahr. Mindestens. Aber das ist nicht alles, was die Coaches beeindruckt. „Sein Siegeswille und seine mentale Stärke waren schon damals absolut einzigartig“, erklärt Williams. Zur Überraschung vieler startet MJ von Beginn an. Es wird eine Saison mit Höhen und Tiefen für den Freshman (13,5 Punkte und 4,4 Rebounds im Schnitt), Smith ist jedoch zufrieden. UNC erreicht das Finale des NCAA-Tournaments. Worthy und Perkins sind die Stars. Über das Duo soll es auch im Endspiel gegen Georgetown mit ÜberCenter Patrick Ewing gehen. Die Entscheidung fällt 32 Sekunden vor Schluss. Es steht 62:61 für Georgetown. North Carolina hat Einwurf in der Hälfte der Hoyas. „Wir sind in einer großartigen Ausgangsposition“, sagt Coach Smith, als seine Spieler in den

Huddle kommen. Er sagt die Spielzüge an, die im Falle einer Zone oder Manndeckung Georgetowns gelaufen werden sollen („Two“ und „B-Three für James“). Der Ball soll entweder zu Worthy an den Zonenrand gehen oder zu Doherty und Perkins an der Freiwurflinie. Bevor er seine Jungs wieder auf das Feld schickt, nimmt er Jordan kurz zur Seite. Smith hat das Gefühl, sein Gegenüber John Thompson würde James Worthy doppeln lassen. In diesem Fall würde Jordan fast zwangsläufig frei sein. „Wenn der Ball zu dir kommt, Michael, schieß ihn rein“, sagt er seinem Frischling, der später zugeben wird, dass sein Mund vor Nervosität ganz trocken war. Der folgende Einwurf geht zu Jimmy Black. Georgetown spielt eine Zone, und wie erwartet konzentriert sich die Verteidigung auf Worthy. Black täuscht einen Pass an, feuert den Ball über die gesamte Hälfte zu Jordan. Dieser springt ab, wirft, schließt seine Augen. Es ist DER Moment seiner College-Karriere – und Jordan sieht nicht, wie der Ball durch das Netz fällt. Er hört nur den Jubel und rennt zurück in die Defense … UNC 63, Georgetown 62. Die Hoyas haben den Ball. Fred Brown dribbelt nach vorne und sucht Guard Eric „Sleepy“ Floyd. Just als Brown passen will, sieht er, wie Jordan in den Passweg springt. In voller Bewegung und außer Balance dreht sich Brown um. Er sieht im Augenwinkel ein weißes Jersey. Georgetown hatte das gesamte Turnier über seine hellen Jerseys getragen. Instinktiv passt er auf den vermeintlichen Mitspieler. Es ist James Worthy. UNC trägt an diesem Abend Weiß – als höher gesetztes Team. „Big Game James“ dribbelt die Uhr herunter, wird gefoult und verwirft die anschließenden Freiwürfe. Ein Verzweiflungswurf Floyds aus 15 Metern gibt Georgetown noch einmal Hoffnung, doch es nutzt nichts mehr. Die University of North Carolina ist NCAA-Champion, zum ersten Mal unter Dean Smith – und Michael Jordan ist endgültig in der gesamten Basketballwelt bekannt. Die folgenden beiden Jahre bringen zwar keinen weiteren Titel für die Tar Heels, trotzdem entwickelt Jordan sein Spiel in einem atemberaubenden Tempo weiter. „Michael wurde jedes Jahr besser. Er wuchs vier Zentimeter zwischen seinem Freshman- und Sophomore-Jahr“, sagt Williams. „Michael wurde sogar schneller … größer und schneller, das ist eine ziemlich gute Kombination.“ Vor jeder Saison werden die UNC-Spieler gemessen und müssen sich einem Leistungstest unterziehen, in dem sie unter anderem einen 40-Yards-Sprint (36,5 Meter) absolvieren müssen. Als Freshman braucht Jordan für die Strecke 4,55 Sekunden, ein Jahr später nur 4,39, dabei ist er jetzt 1,98 Meter groß. Er zeigt eine Geschwindigkeit, die sonst nur Sprinter

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Die Eltern stellten ihre Fragen, und ihnen gefiel augenscheinlich, was sie hörten. Sie fragten, ob sie den Coaches das Haus zeigen sollten, und natürlich auch Mikes Zimmer, was diesem extrem peinlich war. „Ich erinnere mich daran, Michaels Zimmer war sehr aufgeräumt“, schmunzelt Roy Williams. „Woran ich mich aber besonders erinnere, ist, dass er während der ganzen zwei Stunden, die Coach Smith mit ihm geredet hat, einen Basketball in den Händen hielt.“ Nach dem Besuch war so gut wie klar: Mike Jordan wird ein Tar Heel. Um ein Haar wäre nach seiner letzten Highschool-Saison auch Deutschland in den Genuss gekommen, Mike Jordan zu sehen. Nachdem er für Laney 29,2 Punkte, 11,6 Rebounds und 10,1 Assists pro Partie auflegte, erhielt Jordan eine Einladung zum AlbertSchweitzer-Turnier in Mannheim, schlug diese aber aus. Jordan liebte Mathematik und hatte viel Respekt vor seinem Mathelehrer. Um seine Note durch die für die Reise erforderliche Abwesenheit nicht zu gefährden, blieb er lieber in Wilmington.


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oder Wide Receiver im Football bringen, die meist viel kleiner sind. Auch MJs Persönlichkeit entwickelt sich. Schon als Neuling hatte er sich nach außen selbstbewusst gegeben, gleichzeitig ist da aber unterschwellig immer diese Unsicherheit. Er weiß noch nicht, wie gut er wirklich sein kann. Das Führen des Teams überlässt er lieber den Älteren. „Als Freshman redete Michael nicht viel. Wir hatten erfahrenere Spieler im Team, die echte Anführer waren: James Worthy, Sam Perkins und Jimmy Black“, erklärt Roy Williams. „Als Sophomore sagte er dann schon mehr, und in seinem letzten Jahr bei UNC war er sehr laut.“ Nach seinem Gamewinner gegen Georgetown scheint bei Jordan ein Schalter umgelegt worden zu sein. Er beginnt mehr und mehr zu verstehen, dass er besser sein wird als alle anderen im Team – vielleicht sogar besser als alle Spieler in der NCAA.

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Getrieben

Bei den sommerlichen Pickup-Games in Chapel Hill, zu denen viele NBA-Profis kommen, dominiert er. Jordan bringt mehr und mehr Trashtalk, nicht um andere zu beleidigen, sondern um sich selbst Aufgaben zu stellen. Von Beginn an sucht er sich Herausforderungen, reale oder eingebildete. Er weiß: Wenn er das Maul aufreißt, muss er seinem Gerede auch Taten folgen lassen. Durch seinen Arbeitswillen versucht MJ, seine Mitspieler zu motivieren. Beim sogenannten „Explode Drill“ spielen zwei Mann fünf Meter vom Korb entfernt eins-gegen-eins. Nach jedem Training, in dem diese Übung gelaufen wird, geht Michael in die Kabine, schnappt sich ein Stück Kreide und schreibt die Namen seiner Gegenspieler an die Tafel, gefolgt von einer römischen Zahl – es ist die Anzahl der Dunks, die das jeweilige Opfer während des Drills einstecken musste … Michael Jeffrey Jordan zeigt aber auch eine andere Seite seines Ehrgeizes. Er kann nicht verlieren. Egal, ob es um eine Runde „H-O-R-S-E“ geht, Billard oder Golf. Wenn Jordan verliert, wird so lange gespielt, bis er gewonnen hat. Es ist eine einzigartige Kombination: Der beste Spieler in einem der besten Teams des Landes ist der härteste Arbeiter, getrieben von imaginären Herausforderungen. „Er war so ehrgeizig, dass er jeden antrieb. Wenn du weniger als 100 Prozent gabst, dann ließ er dich das wissen. Er trieb jeden an … bei jedem Ballbesitz“, bringt es Roy Williams auf den Punkt. „Wenn es im Training eine Wettbewerbssituation gab, trieb er jeden dazu, sein absolut Bestes zu geben. Einige Leute interpretierten das als aggressiv, Michael aber wollte, dass sie zu jeder Zeit das Maximum aus sich herausholten.“

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Jordans letzte Saison in North Carolina wird trotzdem zu einer großen Enttäuschung. UNC gilt als eines der besten Collegeteams aller Zeiten – und doch scheiden sie noch vor dem Final Four gegen die von Bob Knight gecoachten Indiana Hoosiers aus. Nach der Niederlage macht sich Dean Smith Gedanken über die Zukunft Jordans. Wie immer hat der Coach nicht das Beste für sein Programm, sondern für seinen Spieler im Sinn. Was soll Michael Jordan noch am College lernen? Andere Teams richten ihre ganze Taktik auf ihn aus. Jordan sieht fast nur Zonenverteidigungen und Triple-Teams. Smith beschreibt in seinem Buch „A Coach’s Life“, wie er die drei NBAKlubs, die 1984 die ersten drei Draftpicks besitzen, anruft. Zwischen Houston und Portland wird per Münzwurf entschieden, wer den ersten Pick hat. Portland wird auf jeden Fall entweder Akeem Olajuwon an Nummer eins oder Sam Bowie an Nummer zwei nehmen. Houston hingegen will Olajuwon an eins und Jordan an zwei verpflichten. Chicagos Manager Rod Thorn versichert, dass Mike an Nummer drei auf jeden Fall sein Mann ist. Smith bestellt die Jordans in sein Büro. Der Coach präsentiert die Szenarien, bleibt aber neutral. Jordans Vater will, dass der Junge geht. Seine Mutter möchte, dass er seinen Abschluss macht, genau wie die Assistant Coaches. MJ selbst weiß nicht, was er tun soll. Die Familie zieht sich zurück, um zu entscheiden. Am nächsten Morgen erklärt Michael, dass er in die NBA geht.

Chicago

Hätten die Bulls ihren Willen am Draft Day 1984 gehabt, es hätte „Stockalone“ nie gegeben. Während Michael Jordan an Nummer drei gesetzt ist, versucht Chicago, einen zweiten Guard durch einen Trade oder in der zweiten Draftrunde zu verpflichten. John Stockton ist den Scouts der Bulls aufgefallen, und da er an einer kleinen Uni spielt, machen sie sich berechtigte Hoffnungen, ein GuardDuo der Extraklasse in einer Draft zu bekommen. Dumm nur, dass Frank Layden, legendärer Coach der Utah Jazz, ähnliche Qualitäten in Stockton sieht und ihn in der ersten Runde verpflichtet. Michael Jordan kommt also alleine zu den Bulls, oder genauer: ohne wirkliche Hilfe. Chicago hatte 27 Spiele in der Saison 1983/84 gewonnen – und der einzige Draftpick, der in der Folge neben MJ sportlich für Furore sorgen soll, ist Sprintgott Carl Lewis, den die Bulls an 208. Stelle in der zehnten Runde wählen, der aber nie eine NBA-Partie absolviert. MJ merkt schnell, dass dieses Team schlecht ist. Mehr noch: Die ganze Franchise ist ruiniert. Die Trainingshalle

ist lange nicht so komfortabel wie die in Carolina. Trainingseinheiten laufen mitunter chaotisch ab. Einige seiner neuen Mitstreiter lassen ganz gern mal die Puppen tanzen – gern auch mal mit Substanzen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Mike erkennt, dass er nicht mehr in North Carolina ist, wo Basketball Religion ist. Auch die Stadt mag die Bulls nicht – das Herz Chicagos hängt am Football, den Bears der NFL und deren Running-Back-Gott Walter Payton. Zumindest letzteres soll sich ändern … Bereits in seinem dritten NBASpiel erzielt Jordan gegen die Milwaukee Bucks 37 Punkte. Wenige Tage später schlucken die Knicks im Madison Square Garden 33 Zähler, und San Antonio ist MJs erstes 45-Punkte-Opfer. Insgesamt siebenmal soll der Rookie die 40-Punkte-Schallmauer in dieser Saison durchbrechen. Für die Medien gilt Michael Jordan bald als neuer Julius Erving, die Wiederkehr von „Dr. J“. Kein Wunder, denn beide haben eine ähnliche Spielweise. Jordan ist wie gemacht für die NBA. Er ist schneller als seine Gegner, er springt höher. Es gibt keine Zonenverteidigung. Jeder, der ihn eins-gegen-eins deckt, ist ihm hilflos ausgeliefert. Früh steht fest: Michael Jordan ist der „Rookie des Jahres“ 1984. „Schon jetzt kann er auf dem Feld mehr Dinge machen, als ich das je konnte. Als ich ein Rookie war, konnte ich nicht, was er da macht“, adelt sogar Larry Bird, der ansonsten eigentlich nie gegnerische Spieler lobt. „Als Michael in die NBA kam, nahm er nicht oft den Sprungwurf. Er ging lieber jedes Mal zum Korb“, beschreibt Williams, der seinen Schützling – genau wie Smith – in der NBA genau verfolgte, das Spiel Jordans in dieser Zeit. „Wenn er zum Korb gezogen war, legte er aber auch auf andere ab.“ Im Gegensatz zu den Stars bei UNC gehören seine Mitspieler in dieser Liga nicht zu den Besten der Besten. Die Bulls gewinnen zwar elf Spiele mehr als im Jahr zuvor, scheiden aber in der Auftaktrunde der Playoffs gegen Milwaukee aus. „Nach seiner ersten Saison kam er nach North Carolina – und obwohl er ‚Rookie des Jahres‘ war, arbeitete Michael an seinem Sprungwurf“, blickt Williams zurück. Außerdem studiert Jordan weiter. Die Liga muss ihn zur Verleihung des „Rookie of the Year“-Awards vom UNCCampus in Chapel Hill einfliegen lassen, da er dort nach seinem ersten NBA-Jahr Seminare besucht. Auch wenn es niemand so recht bemerkt, Jordan läutet in seinem ersten Jahr ein neues Zeitalter ein. Sein eigener Schuh „Air Jordan“ bringt Nike 130 Millionen Dollar – und das, obwohl die Sneakers von der Liga verboten werden.


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Gott als MJ

1985/86 wird für Jordan zur Katastrophe. Gegen die Golden State Warriors springt er nach einem Rebound, verliert die Balance und kracht mit seinem linken Fuß auf das Parkett. Ein CAT-Scan zwei Tage später zeigt, dass das Kahnbein im linken Mittelfuß gebrochen ist. Die Schwere des Bruchs ist mit der damaligen Analysetechnik jedoch nicht festzustellen. Die Bulls gehen zunächst von sechs bis acht Wochen Pause aus – eine Prognose, die später revidiert werden muss. Die über Monate anhaltende Physiotherapie frustriert Jordan. Basketball ist alles für ihn. Er definiert sich über den Sport, er findet keinen Ersatz für den Wettkampf. Außerdem ist der Winter in Chicago hart, Jordan kennt kaum jemanden in der Stadt. In Absprache mit den Bulls absolviert er den Rest seiner Reha in Chapel Hill, wo er Freunde und ein Apartment hat. Stundenlang arbeitet Jordan in North Carolina an seinem Wurf. Und irgendwann spielt Jordan in Pickup-Games – ohne das Wissen der Bulls. Er hält es ohne Basketball

und ohne Wettkampf nicht mehr aus. In seinem Vertrag ist eine unübliche „Love for the Game“-Klausel verankert. Er darf auf jedem Freiplatz der Welt auftauchen und mitspielen. Chicago hatte sich erst geweigert, einen solchen Passus in den Vertrag mit seinem Rookie aufzunehmen – aus Angst, der angehende Star würde sich auf einem gottverlassenen Streetcourt verletzen. Jordan bestand jedoch darauf … aus Liebe zum Spiel. Am Ende setzt der Shooting Guard 64 Spiele der Saison 1985/86 aus. Sein zweites NBA-Jahr wird zum einzigen in seiner Karriere, in dem er mit einer schweren Verletzung klarkommen muss – in der Folge wird er in Chicago nie mehr als vier Partien einer regulären Saison verpassen. Die Bulls erreichen dennoch die Playoffs, wenn auch mit einer schmeichelhaften Bilanz von 30-52. In der ersten Runde warten die scheinbar übermächtigen Boston Celtics, deren 67-15-Bilanz ein Franchise-Rekord ist und die in der gesamten Saison nur eine Partie zu Hause verloren haben. Vor dem zweiten Spiel der Serie wird Jordan gefragt, ob ein Mann allein die Celtics schlagen könne. „Ich glaube, es braucht fünf Leute, die zusammenspielen und ein komplettes Basketballspiel bringen“, antwortet MJ. „Ich glaube nicht, dass ein Mann die Boston Celtics schlagen kann.“ Am Ende behält Jordan recht, er allein kann eines der besten Teams aller Zeiten nicht schlagen. Die Bulls, die an diesem Tag als Mannschaft alles tun, um ihrem Star den Ball in aussichtsreichen Situationen zu geben, sind aber nah dran. 131:135 verlieren sie nach zweifacher Verlängerung. Für die erste Overtime sorgt MJ selbst, als er zwei Freiwürfe im ohrenbetäubend lauten Boston Garden versenkt. Es sind zwei seiner 63 Punkte, die einen neuen NBA-Playoffrekord bedeuten und es bis heute sind. Jordan trifft 22 seiner 41 Feldversuche, 19 von 21 Freiwürfen. 13 seiner Sprungwürfe finden an diesem Tag ihr Ziel, siebenmal legt er nach einem Drive den Ball in den Korb, einmal dunkt er, einer seiner Körbe zählt aufgrund eines Goaltendings der Celtics. „Wenn ich den Ball habe und so gut drauf bin“, sagt Jordan später, „dann bist du mir ausgeliefert, dann gibt es nichts, was du tun kannst, um mich zu stoppen. An solchen Tagen fühle ich mich, als würde mir das Spiel, der Ball und der Gegner gehören. Ich spiele mit ihm, wie mit einer Puppe.“ „An diesem Tag liefen wir Gefahr, ihm einfach zuzuschauen, weil er einfach so gut war“, erzählt Danny Ainge, einer der Celtics, die an jenem 20. April 1986 Jordan decken sollten. „Als wir in die Partie gingen, wussten wir, dass Michael ein sehr guter Spieler war. Keiner von uns war sich jedoch bewusst, dass er einer der

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Fotos: Dick Raphael/NBAE via Getty Images

Grund: Die schwarz-roten Schuhe verstoßen gegen den Dresscode der Liga. Die NBA belegt Jordan für jedes Spiel, in denen er seine „Air Jordans“ trägt, mit einer Strafe von 5.000 Dollar – Nike strickt nur allzu gern eine eigene Werbekampagne um den Streit. Die Medien und Fans stürzen sich in der Folge auf Jordan. Sein Spiel ist anders. Es bringt Bewegungen und Dunks, die bis dato niemand gebracht hat. Außerdem hat er diese riesigen Hände: genau wie Bird, Magic und Erving. Mit ihnen kontrolliert er den Ball in der Luft perfekt. Zunächst weiß Basketballamerika gar nicht, was da in seinen Schoß gefallen ist. Die Älteren mögen den Hype um den Neuen nicht. Er erreicht (wenn auch verdient) zu früh zu viel. Beim All-Star-Game dieser ersten Spielzeit, so will es die Legende, organisieren Isiah Thomas, Magic Johnson und George Gervin den berühmtberüchtigten „Freeze-Out“. Shooting Star Jordan, der von den Fans in die Startformation des Ostens berufen wurde, soll den Ball nicht bekommen. Bis heute weiß niemand, ob es wirklich eine Intrige war. Gervin und Johnson spielen im West-Team, können also kaum Einfluss auf die Ballverteilung im Osten nehmen. Die vermeintlich Schuldigen streiten die Vorwürfe allerdings nicht unbedingt ab. Jordan schießt in seinem ersten All-StarGame zwei von neun und macht sieben Punkte. Thomas nimmt 14 Würfe und wird Topscorer des unterlegenen Ostens. Es wird Jahre dauern, bis Magic und Jordan dieses Ereignis vergessen und Freunde werden. Von einer Versöhnung zwischen Isiah und MJ kann keine Rede sein …


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besten Basketballer aller Zeiten werden würde. Wir waren gerade dabei, genau das zu verstehen, und dieser Nachmittag in Boston war ein guter Anfang.“ Larry Bird ging sogar noch einen Schritt weiter. Sein Zitat, welches er nach der Begegnung mit den Bulls den Reportern diktierte, wurde selbst weltberühmt: „Das war heute Gott, verkleidet als Michael Jordan.“ Ray Sons von der Tageszeitung „Chicago Sun-Times“ griff diesen Vergleich auf und schrieb: „Jordan malte sein eigenes Meisterwerk an die Decke der Sixtinischen Kapelle des Basketballs, und er brauchte kein Gerüst dafür … Michael kann fliegen.“ Jordan selbst ist freilich wenig angetan vom Ausgang der Partie. Noch Jahre später erklärt er: „Das ist keins meiner Lieblingsspiele. Wir haben verloren. Das wird immer so bleiben.“ Die Bulls verlieren auch die Serie mit 0-3. Für die dritte Partie stellen die Celtics ihre Taktik um. Sie doppeln Jordan früh und konsequent. Die anderen Bulls sollen sie schlagen. Das können Orlando Woolridge, Quintin Dailey, Dave Corzine und Kyle Macy nicht. Michael Jordan ist zu diesem Zeitpunkt bereits ein Superstar, die Bulls sind ohne ihn nicht mal ein Playoffteam. Jetzt ist das Management Chicagos gefragt – und damit Jerry Krause. Der Personalchef der Bulls sieht sich gern als außergewöhnlichen Talentspäher, als einen, der Rohdiamanten erkennen kann, wo andere nur gepressten Kohlenstoff sehen. Von den Spielern ob seiner kleinen, wenig schlanken Figur und der mangelnden Körperhygiene oft gehänselt, draftet Krause trotzdem exzellent und fädelt einen Trade ein, der die Franchise nach vorn katapultieren soll.

Fotos: Brian Drake/NBAE via Getty Images

Scottie & Horace & Phil

1987 nimmt Krause für die Bulls an achter Stelle der Draft Center Olden Polynice und als zehnten Pick Power Forward Horace Grant. Polynice schickt er direkt per Trade nach Seattle weiter. Der an Nummer fünf gedraftete Scottie Pippen spielt fortan in der „Windy City“. Auch in den folgenden Jahren bastelt Krause weiter per Draft am Kader der Bulls. 1988 kommt Will Perdue (11. Pick), ein Jahr später begrüßt das Team Stacey King (6.) und B.J. Armstrong (18.) im Kader. 1990 sichert sich Krause die Rechte an seinem persönlichen Lieblingsprojekt: Toni Kukoc (29.). Außerdem verpflichtet der Manager 1987 einen Assistenztrainer namens Phil Jackson, den er als möglichen zukünftigen Headcoach der Bulls im Auge hat und der neben Chefübungsleiter Doug Collins lernen soll. Jordan selbst etabliert sich in seinem dritten Jahr als absolut bester Offensivspieler der NBA. Mit 37,1 Punkten pro Spiel sichert er sich mit 8,1 Zählern Vorsprung vor Dominique Wilkins die

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Topscorer-Krone der Liga – einen Titel, den er bis 1993 hält und auch 1996 bis 1998 gewinnt. Die Bulls sind Michael Jordan. Neben „His Airness“ punkten nur Power Forward Charles Oakley (14,5) und Point Guard John Paxson (11,3) zweistellig. Wieder gewinnen die Bulls nicht mehr Spiele, als sie verlieren, wieder scheiden sie in der ersten Runde der Playoffs gegen die Celtics aus, ohne auch nur eine Partie gewonnen zu haben. In dieser Zeit glaubt Jordan nicht an seine Mitspieler. Das Verlieren nagt an ihm, die Inkompetenz seiner Teamkameraden macht ihn verrückt. Dies lässt er die anderen Bulls spüren. Warum sollte er nicht ständig selbst werfen? Selbst bei harter Verteidigung geben seine Würfe den Bulls eine größere Chance zu gewinnen, als wenn der Rest des Kaders einen Schuss nimmt. Das Team befindet sich in einem Teufelskreis: Jordan macht zu viel alleine, weil er den anderen nicht vertraut. Diese bekommen nicht die Chance, sich zu beweisen – oder zerbrechen an dem Druck, den Jordan ausübt. Als Pippen und Grant ins Team kommen, ändert sich die komplette Atmosphäre bei den Bulls. Jordan traut der Wahl der beiden Rookies nicht, er hätte lieber Kenny Smith und Joe Wolf von North Carolina gehabt. MJ merkt allerdings schnell, dass dieser Pippen aus Arkansas ein besonderes Talent ist. MJ macht es sich selbst zur Aufgabe, diesen Youngster so schnell wie möglich zu einem NBA-Mann zu machen. Die Trainingseinheiten werden intensiver. Jordan gegen Pippen und Oakley gegen Grant heißen die Hauptduelle. Bei den Guards gibt der Superstar den Lehrer, der – in seiner äußerst fordernden und manchmal verletzenden Art – den Schüler antreibt. Jordan traut Pippen zwar nicht vollends, doch er will versuchen, dem Hillbilly aus dem Süden der USA in Rekordzeit all das beizubringen, was er selbst unter Dean Smith gelernt hat. Die beiden Big Men wissen auf der anderen Seite, dass sie Teil eines Verdrängungswettbewerbs sind. Veteran Oakley nimmt den Kampf in der ihm eigenen Weise an: Er lässt auf den physisch schwächeren, aber schnelleren Grant Ellbogen und Bodychecks regnen. David Halberstam beschreibt in „Playing for Keeps“, wie Grant nach nur vier Tagen des Trainingslagers das Gespräch mit dem Krafttrainer der Bulls sucht. Grant bittet um einen eigenen Trainingsplan. „Ich muss einfach stärker werden“, realisiert der Rookie. Doch auch wenn Chicago in der Saison 1987/88 erstmals 50 Spiele gewinnt und schemenhaft der spätere Meister erkennbar ist – die Bulls verlieren trotzdem in der zweiten Runde der Playoffs. Die Detroit Pistons schicken Jordan und Co. mit 4-1 nach Hause.


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Rules & Triangle

1988/89 bringt Jordan die beste Saison seiner Karriere. 32,5 Punkten pro Spiel stellt er je 8,0 Rebounds und Assists zur Seite sowie eine Wurfquote von 53,8 Prozent. Pippen (14,4 Punkte und 6,1 Rebounds) und Grant (12,0 und 8,6) wachsen mit den Aufgaben ihrer zweiten Saison. Trotzdem scheitern die Bulls an den Bad Boys und deren „Jordan Rules“, einer Defensivtaktik, die einzig darauf ausgelegt ist, MJ zu stoppen. „Wenn Michael den Ball brachte, zwangen wir ihn, nach links zu gehen, und doppelten ihn. Wenn er auf dem linken Flügel den Spalding bekam, doppelten wir ihn sofort von oben. Auf dem rechten Flügel wollten wir ihn langsam doppeln“, erklärte Pistons-Coach Chuck Daly die Philosophie gegen Jordan in der „Sports Illustrated“. „Er konnte von beiden Seiten punkten – gut, das konnte er auch vom

Hot-Dog-Stand –, aber wir wollten ihm verschiedene Verteidigungen präsentieren. Wenn er am Zonenrand aufpostete, brachten wir einen Big Man zum Doppeln. Eine weitere Regel war: Sobald er an dir vorbeizieht, musst du ihn umhauen. Läuft er um einen Block: umhauen. Wir wollten nicht dreckig spielen – was natürlich viele Leute von uns dachten –, aber wir wollten physisch spielen.“ Die Taktik der Pistons ist aus der Not geboren. In den Jahren zuvor hatte Jordan das Team um Isiah Thomas, Joe Dumars, Vinnie Johnson, Dennis Rodman und Bill Laimbeer immer wieder blamiert. Noch am 03. April 1988 hatte er 59 Punkte in einem Spiel aufgelegt, das in den ganzen USA live übertragen wurde. In den Jahren zuvor waren ihm gegen die Pistons 49, 47, 61 und 49 Punkte gelungen. „Nach dem 59-Punkte-Spiel hatten wir genug gesehen. Wir schworen uns noch in der Halle, dass wir uns niemals mehr nur von Michael Jordan schlagen lassen würden“, erinnerte sich Daly. „Wir brauchten ein Teamkonzept, um ihn zu stoppen.“ Genau dies schien Detroit gefunden zu haben. „Eigentlich sollte ihre Defense einfach zu schlagen sein“, zeigt sich Jordan frustriert. „Aber das haben wir noch nicht geschafft. Diese Verteidigung hat funktioniert. Sie erreichen genau das, was sie erreichen wollen.“ Nicht nur dieses Statement Jordans ist gegen die eigene Mannschaft gerichtet, der er vorwirft, die eigenen Räume nicht zu nutzen, die die „Jordan Rules“ bieten. „Manchmal wünsche ich mir, ich könnte gegen diese Verteidigung in die Rolle meiner Mitspieler schlüpfen“, wird Jordan noch klarer. „Diese Defense muss für sie echt schön sein. Für mich ist sie das nicht.“ Jordan bekommt in der Folge immer mehr Kritik ab. Er möge ja ein überragender Scorer sein, aber seine Mitspieler mache er nicht besser – so der Tenor. Magic, Bird und selbst der verhasste Isiah Thomas werden Meister, während Jordan noch nicht einmal die Conference-Finals erreicht. 1989 trennen sich die Bulls von Coach Doug Collins. Der emotionale, damals 38-jährige Trainer hatte das Team an die Schwelle zum Erfolg gebracht, sich aber mit seiner energischen und lauten Art vom Team entfremdet. Außerdem hatte sich Collins – nach einem kurzen Versuch – gegen die Einführung der TriangleOffense von Assistenztrainer Tex Winter entschieden. Dieses auch „Triple-PostOffense“ genannte Angriffssystem wollte Manager Krause allerdings implementiert sehen, weil er glaubte, dass nicht nur Jordans Talente in dieser Offensive extrem gut zur Geltung kommen würden, sondern auch die der anderen Bulls. Jordan selbst hält zu Beginn ebenfalls wenig von Winters

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Fotos: Lou Capozzola/NBAE via Getty Images

Das Verlieren nagt weiterhin extrem am überehrgeizigen Jordan. Selbst die Fabelstatistiken von 35,0 Punkten, 5,5 Rebounds, 5,9 Assists, 3,2 Steals sowie 1,5 Blocks und der in der Folge erstmals errungene MVP-Award können ihn nur kurz trösten. Er kann nicht verlieren, weder auf dem Basketballfeld noch sonst wo. Dass Center Dave Corzine als absoluter „PacMan“-Champ im Team gilt, fuchst Jordan derart, dass er sich zu Hause einen eigenen Automaten aufstellt, an dem er so lange trainiert, bis er den Big Man schlägt. Außerdem stellt sich „His Airness“ eine Tischtennisplatte in seine Wohnung: Oakley hatte ihn zuvor öfter geschlagen … Während Jordan auf eigene Defizite mit seinem legendären Trainingseifer reagiert, lösen die Misserfolge als Mitglied eines Teams vor allem eines bei ihm aus: Wut. „Toller Block“, brüllt MJ, als Center Will Perdue im Training einen harten Screen gegen Jordan stellt. „Warum setzt du mir im Spiel nicht auch mal solche Blöcke?“ Der 1988 von den Knicks per Trade für Oakley nach Chicago gekommene Bill Cartwright wird zum Lieblingsziel von Jordans Attacken. „Wenn ihr ihm den Ball passt, passt ihn mit voller Wucht in Richtung seines Kopfes, sonst fängt er ihn nicht“, weist „Air“ seine Mitspieler an. Irgendwann schaut Cartwright in der Kabine ein Video, auf dem Jordan und er Pick-and-Roll spielen. Immer sieht er sich nach dem Abrollen frei unter dem Korb – doch Jordan zieht gegen das Double-Team und trifft. „Du bist frei“, zieht ihn Horace Grant lachend auf. „Du bist schon wieder frei.“ Der Center schüttelt den Kopf. „Michael ist der beste Athlet, den ich je gesehen habe. Vielleicht der beste Athlet, der je einen Sport betrieben hat. Er kann machen, was er will. Es ist alles so einfach für ihn“, sagt er. „Aber er ist einfach kein Basketballspieler.“


Fotos: Andrew D. Bernstein/NBAE/Getty Images

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Michael

Offensivphilosophie. Warum sollte er den Ball teilen? Nachfolger von Collins wird Assistent Phil Jackson – der spielte einst selbst in der NBA, gehörte zu den Meisterteams der New York Knicks in den Jahren 1970 und 1973. Diese Teams hatten sich durch ihr überragendes Zusammenspiel ausgezeichnet. Die Stars der damaligen Knickerbockers waren stets bereit, den Ball zu teilen. Jackson gefällt die Idee des Triple-Post, er lässt sich von Winter in die Feinheiten einweihen und sucht das Gespräch mit Jordan. „Du musst das Rampenlicht teilen, sonst können deine Mitspieler nicht wachsen“, beginnt Jackson. „Führen wir die Offensive von Tex ein?“, fragt Jordan sofort. Jackson nickt. „Okay“, antwortet Jordan. „Du kennst mich. Ich habe immer auf meine Trainer gehört. Was immer du machst, ich folge dir.“ In seiner ersten Saison als Chef auf der Bank gewinnen Jacksons Bulls 55 Spiele und ziehen in die ConferenceFinals ein. Jordan merkt, wie sehr sich Pippen und Grant verbessern. Er lernt zu vertrauen. „Diese Saison war der Beginn von Michaels Wandlung vom begabten Soloartisten zum uneigensinnigen Teamspieler“, sagt Jackson. Nicht nur dem frisch gekürten All Star Pippen, sondern auch Grant sowie den Spezialisten wie Dreierkönig Craig Hodges, John Paxson und sogar Defensivanker Bill Cartwright überlässt er stellenweise Verantwortung. Gegen die Pistons geht es für die Bulls in der Postseason in Spiel sieben um das Recht, die Portland Trail Blazers in den Endspielen zu treffen. Die Bulls verlieren 74:93, trotz 31 Punkten, acht Rebounds und neun Assists von Jordan – Pippen, von schweren Migräneattacken gequält, kann nicht spielen. Die Pistons werden zum zweiten Mal in Folge Meister … „Dieses siebte Spiel war die größte Enttäuschung meines Lebens“, wird Pippen später zugeben. „Ich dachte damals, dass wir bereit für die Meisterschaft waren. Wir hatten die Pistons bis ans Limit gebracht, und dann konnte ich nicht spielen …“ 1990 beginnt Jordan seine siebte Saison in der NBA. Erstmals begibt er sich im Sommer in die Obhut von Fitnessguru Tim Grover. Der soll Jordans Körper für die bevorstehende Saison so stählen, dass dieser die physische Spielweise der Pistons besser wegstecken kann. Hilfe bekommt er auch von der NBA, die erstmals die „Flagrant Foul“Regel einführt. Allzu harte Fouls werden fortan mit zwei Freiwürfen und Ballbesitz geahndet – eine klare Ansage gegenüber der physischen Spielweise Detroits. Doch die Bulls brauchen diese Hilfe nicht. Nach einem FranchiseRekord von 61 Siegen schlagen sie Detroit mit 4-0 in den Conference-Finals.

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Jordan

Ohne den obligatorischen Handschlag verschwinden die Pistons nach der vierten Partie in der Kabine. Auf die Chicago Bulls warten in den Finals die Los Angeles Lakers um Magic Johnson und Jordans ehemalige Unikollegen von UNC, James Worthy sowie Sam Perkins.

Magic vs. MJ

Es ist ein Duell der alten NBA-Welt gegen die neue. Hier die Lakers um ihren Superstar, der zusammen mit Larry Bird die Liga vor der Auflösung rettete, dort der neue Held, der eine neue Ära einläuten will. Es ist kein Duell auf Augenhöhe. Jordan legt 31,2 Punkte, 11,4 Assists, 6,6 Rebounds, 2,8 Steals und 1,4 Blocks in den Finals auf. Magic liefert 18,6 Zähler, spielt 12,4 Vorlagen und greift 8,0 Abpraller. Mit dem Titelgewinn endet endgültig die Magic-Bird-Ära, und Jordan übernimmt als Galionsfigur die NBA. Fortan gibt es niemanden, der auf einer Stufe mit Michael Jeffrey Jordan bzw. den Chicago Bulls steht. MJ gewinnt den MVP-Award 1991 und 1992. Was folgt, sind Spiele und Taten für die Ewigkeit. Die Bulls sind nun endgültig als Mannschaft zusammengekommen. Jordan versteht, was es bedeutet, ein Leader zu sein. Sicher, noch immer pusht er seine Mitspieler jeden Tag im Training aufs Neue – Niederlagen sind nicht akzeptabel –, doch anstatt Pippen und Co. öffentlich herunterzumachen, stellt sich der Star nun vor seine Truppe. Die Meisterschaften 1992 gegen die Trail Blazers und 1993 gegen die Phoenix Suns um Charles Barkley überraschen niemanden. Denn auch die neuen Bad Boys in New York, die Jordan 1992 immerhin in ein siebtes Spiel zwingen, können MJ nichts anhaben. Es scheint, als würde er es einfach mit schierer Willenskraft nicht mehr zulassen, wichtige Partien zu verlieren. In dem besagten siebten Spiel erzielt Jordan 42 Punkte, die Bulls gewinnen 110:81. In den Finals desselben Jahres werden die Trail Blazers Opfer eines der legendären Spiele Jordans. Zum Auftakt der Finals lässt Portland öffentlich verlauten, dass der Plan der Blazers sei, die Bulls von der Dreierlinie werfen zu lassen. Jordan – in dieser Saison mit einer Dreierquote von 27,0 Prozent – trifft sechs Dreier in der ersten Hälfte, erzielt 33 Punkte in 17 Minuten, 35 vor der Pause. Chicago gewinnt 122:89. Doch „His Airness“ ist noch lange nicht fertig mit den Blazers. Beim Stand von 2-2 in der Serie kommt der fünften Partie in Portland enorme Bedeutung zu. Jordan explodiert für 46 Punkte, schießt 60,9 Prozent aus dem Feld, 50,0 Prozent von der Dreierlinie, die Bulls


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Michael

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gewinnen 119:106 und in sechs Spielen den Titel. Gegen die Suns in den Finals 1993 vollbringt Jordan dann wohl sein Meisterstück. Angestachelt durch die Vergabe des MVP-Awards an Charles Barkley und die schiere Qualität der Phoenix Suns, die mit 62 Siegen die beste Bilanz der Liga vorweisen können, ist Jordan noch motivierter als sonst. Die vierte Finalbegegnung in Chicago wird zum Schlüsselspiel. Die Bulls führen nach zwei Auswärtssiegen und einer Niederlage daheim mit 2-1, ein Sieg würde die Vorentscheidung bedeuten und den starken Suns das Selbstbewusstsein rauben. 55 Zähler, acht Rebounds und vier Assists von Jordan sichern den 111:105-Erfolg. Trotzdem sind die Rest-Bulls unsicher, als sie für Spiel sechs nach Phoenix fliegen – immerhin hatten sie zwei ihrer drei Heimspiele verloren. Während das komplette Team schon im Flieger sitzt, kommt Jordan als Letzter eine Zigarre rauchend die Gangway hoch. „Hello, World Champions“, begrüßt er grinsend das Team im Flieger. „Let’s go to Phoenix and kick some ass!“ Chicago gewinnt 96:88 und zum dritten Mal in Folge die Meisterschaft. Über die Finals gesehen erzielt Jordan 41,0 Punkte, 8,5 Rebounds und 6,3 Assists. Er ist mit 30 Jahren auf dem Zenit angekommen.

Fotos: Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

R.I.P.

Am 23. Juli 1993 ändert sich jedoch alles für Michael Jordan. An diesem Tag bemerken die Teenager Daniel Green und Larry Martin Demery einen älteren Herrn, der auf einem Highway-Rastplatz der Interstate 95 in der Nähe von Lumberton im US-Bundesstaat North Carolina in seinem Lexus schläft. Sie erschießen James Raymond Jordan im Schlaf, stehlen das Auto mobil sowie zwei NBA-Meisterschaftsringe und werfen die Leiche von Michael Jordans Vater in einen Sumpf nahe dem Örtchen Bennettsville in South Carolina. Erst am 03. August wird das Opfer dort gefunden und zehn Tage später identifiziert. Die Täter werden schnell verhaftet – sie benutzen Jordans Handy –, einer von ihnen trägt bei seiner Festnahme sogar ein Jordan-T-Shirt. Demery behauptet, dass die beiden Täter ihr Opfer eigentlich nur fesseln wollten und dass Green ohne Grund einfach abgedrückt habe. Beide werden zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Der Mord trifft Jordan hart. Vater und Sohn pflegten ein enges Verhältnis. In einer Welt der Massenhysterie um das Phänomen MJ war James Jordan ein seltener Ruhepol für seinen Filius, der jetzt fehlt. Was zu diesem Zeitpunkt niemand weiß: Bereits nach der Olympiateilnahme mit dem Dream

Team dachte Michael Jordan über seinen Rücktritt aus der NBA nach. Die Spiele in Barcelona potenzieren seinen Bekanntheitsgrad. Jordan realisiert, dass er sich nirgends auf der Welt wirklich frei bewegen kann. Hunderte von Menschen warten bei Auswärtsspielen vor dem Hotel der Bulls, nur um einen Blick auf ihn zu werfen. „Oft schaute Mike dann aus dem Busfenster, sah die Menge und sagte: ‚Ich gehe da nicht raus‘“, erinnert sich Will Perdue. „Es ist echt komisch. Wann immer ich mit Michael zusammen abhänge, sind wir in einem Hotelzimmer. Er geht nie weg“, erklärt sein Freund Charles Barkley. Hinzu kommen die Enthüllungen um seine Glücksspielsucht. Gleichzeitig erschöpft ihn der Sommer mit dem Nationalteam. Nach 102 NBA-Spielen in der Saison 1991/92 geht es nahtlos in die Team-USA-Vorbereitung, deren Trainingsspiele von der Intensität her an die Finals erinnern. Von 1987 bis 1993 hat Jordan 104 Playoffspiele absolviert und stand 4.339 Minuten auf dem Feld. Es ist mit Abstand die größte Belastung, der ein NBA-Profi in dieser Zeit ausgesetzt ist. Scottie Pippen spielte im gleichen Zeitraum „nur“ 3.917 Minuten, Isiah Thomas 3.500. Hinzu kommt, dass Jordan in der NBA eigentlich nichts mehr zu gewinnen hat. Die dritte Meisterschaft in Folge adelt ihn. Weder Magic Johnson noch Larry Bird schafften den Threepeat – dabei wussten beide mindestens zwei Hall of Famer an ihrer Seite, während Jordan mit weniger prominenten Ergänzungsspielern gewann. Niemand sicherte sich drei Meisterschaften in Folge, seit Bill Russells Celtics 1966 ihren achten Titel in Folge gewannen. „Ich denke, dass ich nichts mehr beweisen kann“, erklärt Jordan auf seiner Rücktrittspressekonferenz am 06. Oktober 1993. „Das Verlangen, die Motivation ist einfach nicht mehr da.“ Vor seiner öffentlichen Bekanntgabe spricht er mit Coach Phil Jackson. „Ich sagte zu ihm: ,Michael, ich verstehe deine Gründe, aber denk auch daran, dass du unglaublich vielen Menschen mit deinem Rücktritt die Freude am Spiel nimmst‘“, erinnert sich Jackson. „Vielleicht solltest du noch einmal darüber nachdenken. Er sagte nur: ‚Nein, ich habe mich entschieden, ich höre auf.‘“ Der beste Basketballspieler aller Zeiten wird ein Stück weit zum Opfer seines eigenen unbändigen Ehrgeizes. Ohne das lodernde Feuer ist das Spiel für ihn sinnlos. Michael Jordan ist zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre alt. Sein Abgang markiert einen weiteren tragischen Höhepunkt des Jahres 1993. Nur wenige Wochen zuvor war New Jersey Net Drazen Petrovic bei einem Autounfall ums Leben gekommen und Boston Celtic Reggie Lewis einem Herzleiden erlegen.

Der Abgang der Lichtgestalt zieht viele Spekulationen nach sich. Würde diesem ultra-ehrgeizigen Megastar wirklich ein Leben auf dem Golfplatz genügen? Niemand kann sich dies vorstellen. Es wird gemunkelt, dass er sich in Zusammenarbeit mit Nike einen Klub in Europa kaufen will, um dort zu spielen und so das Profil der Marke mit dem Swoosh zu stärken. Doch Jordan kehrt wirklich dem Basketball den Rücken und wendet sich seiner ersten sportlichen Liebe zu: dem Baseball. Es ist die Über raschung des Jahres: Der beste Basketballer aller Zeiten, vielleicht der überragendste Athlet aller Zeiten, schließt sich dem MinorLeague-Baseballteam der Birmingham Barons an. Hauptgrund für diesen Schritt in die Niederungen eines Sports, den Jordan seit der Schulzeit nicht mehr ausgeübt hatte, ist sein verstorbener Vater. Der hätte seinen Sohn gern als Spieler der Major Leagues gesehen. Außerdem spürt Jordan, dass ohne den Basketball etwas in seinem Leben fehlt. Sein Ehrgeiz brennt weiterhin und will befeuert werden. Also geht „His Airness“ hin und modelliert seinen Körper im Kraftraum um. Stärkere Beine und ein kräftiger Rumpf sind im Baseball wichtig. Der Erfolg bleibt jedoch aus. Jordans Batting Average liegt bei weit unterdurchschnittlichen 20,2 Prozent. Trotzdem gibt der ehemalige Superstar alles, was er hat, trainiert so hart wie einst auf dem Parkett des Basketballfeldes. Doch auch wenn es am Ende nicht für eine Karriere in den Major Leagues reicht, die Zeit bei den Barons und später bei den Scottsdale Scorpions bringt Jordan weiter. Die Farmteams der Chicago White Sox (die ebenfalls BullsEigner Jerry Reinsdorf gehören) sind eine verschworene Gemeinschaft von jungen Spielern, die einen Traum leben – genau wie Jordan einst. Sie tuckern in unkomfortablen Bussen zu ihren Auswärtsspielen, wo sie eigentlich vor fast leeren Rängen spielen, Annehmlichkeiten bietet das Leben als Profi in Ausbildung keine. „Für alle von uns, die es nicht in die Major Leagues schafften, war dieser Sommer etwas ganz Spezielles“, erinnert sich Jordans Mitspieler in Birmingham, Kenny Coleman. „Wir versuchten, die besten Baseballspieler zu werden, die wir sein konnten, und erlebten eine Atmosphäre wie bei den Major Leagues.“ Michael Jordan erinnert diese Liebe zum Spiel an seine eigenen Anfänge in der Heimat. Gleichzeitig erdet ihn der eigene Misserfolg. Das eigene relative Versagen (viele Scouts sind sich sicher, dass Jordan es auf jeden Fall in die Major Leagues geschafft hätte, wenn er früher begonnen hätte) macht aus Jordan einen besseren Mitspieler. Er versteht in der Folge die

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Michael

Defizite anderer noch besser, was ihm bei seiner Rückkehr in die NBA zugutekommt. Nach anderthalb Jahren Baseball ist es so weit. Im März 1995 tritt Michael Jordan in das Büro von Phil Jackson.

Fotos: Andy Hayt/NBAE via Getty Images

I’m back!

„Was läuft bei dir?“, fragt der Coach. „Bereit, ein Trikot überzuziehen?“ Jordan kann nur lächeln, er ahnt, dass sein ExTrainer spüren kann, warum er hier ist. „Es sieht nicht so aus, als ob aus Baseball und mir noch mal etwas wird“, sagt MJ. „25 Spiele, das ist alles, was du brauchst, um wieder fit zu werden“, meint Jackson. „25?“, kommt es fragend zurück. „Na ja, sagen wir 20“, relativiert der Coach. Am nächsten Tag steigt Jordan ins Training im Berto Center vor den Toren Chicagos ein. Am 18. März 1995 geht ein Fax an verschiedene Tageszeitungen und Fernsehsender heraus. Die Pressemitteilung besteht aus drei Worten: „I’m back!“ In seiner ersten Partie gegen die Indiana Pacers ist Jordan anzumerken, dass er noch nicht in Basketballform ist. Trotzdem trifft er im zweiten Spiel in Atlanta den Wurf zum Sieg. In seiner fünften Partie legt er in New York 55 Punkte auf – bis dahin ein neuer Rekord für einen Spieler der Gastmannschaft im Madison Square Garden! Als in den Schlusssekunden Patrick Ewing zum Doppeln auf Jordan rauskommt, nimmt dieser nicht wie früher den Wurf selbst, sondern legt auf den komplett freien Bulls-Center Bill Wennigton ab, der mit seinem einzigen Korb den Sieg sichert. „Michael und ich haben heute 57 Punkte gemacht“, scherzt der Big Man später. So gut sich Jordan aber auch präsentieren mag, er ist noch nicht der Alte, ihm fehlt die Kondition, er trägt zu viele Muskeln mit sich herum. In den Playoffs scheitern die Bulls an den Orlando Magic um Shaquille O’Neal und Penny Hardaway. Eine Niederlage, die Jordan mehr als genug Brennstoff liefert, um sich im Sommer zurück in den besten Basketballer aller Zeiten zu verwandeln. In dieser Zeit stellt Jordan sein Spiel um. Dunks liefert der 32-Jährige nur noch im Notfall. MJ ist nun ein Basketballer mit überragendem IQ, der die Winkelzüge einer Partie versteht, ein feines Gespür dafür entwickelt, wann es an der Zeit ist, ein Spiel zu übernehmen und wann nicht. Außerdem legt er sich einen Fadeaway-Jumper vom Zonenrand zu, der in den Folgejahren seine Lieblingsbewegung wird. 1996 peitschen die Bulls mit Jordan und dem gerade verpflichteten Dennis Rodman durch die Liga. 41-3 lautet ihre Bilanz kurz nach dem All-Star-Break, mit 72 Siegen und nur zehn Niederlagen stellen sie einen neuen NBA-Rekord auf,

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Jordan wird folgerichtig zum vierten Mal zum MVP gewählt. In den Finals 1996 warten die Seattle SuperSonics um Gary Payton, Shawn Kemp und Detlef Schrempf, die jedoch in sechs Spielen von den Bulls abgefertigt werden. Spiel sechs fällt dabei auf den amerikanischen Vatertag … Nach dem Sieg sind die Emotionen zu viel für Jordan. Die Rückkehr an die Spitze, die Erinnerungen an seinen Vater, der sonst alle Meisterschaften des Sohnes live in der Halle mitverfolgt hatte … Die Kameras fangen Jordan auf dem Boden der Kabine liegend ein. Fest umklammert er den Spielball, sein Körper wird von Weinkrämpfen durchgeschüttelt. Die Betreuer wissen nicht, was sie tun sollen, sie lassen Jordan liegen, die Kameras blenden weg. Auch in der folgenden Saison überragen die Bulls mit 69 Siegen, gegen die Utah Jazz gewinnt Chicago die fünfte Meisterschaft. Der sechste Titel folgt ein Jahr später wieder gegen John Stockton, Karl Malone und Co. Die Chicago Bulls sind zu dieser Zeit am Ende ihres Runs angekommen. Scottie Pippen quälen die gesamte Saison über Rückenbeschwerden, Luc Longley ist lange verletzt. Außerdem ist das Team alt. Jordan selbst ist 35, Pippen und Steve Kerr 32, Ron Harper 34, Rodman sogar 36 Jahre alt. Doch diese Bulls wissen halt, wie man gewinnt – und Jordan ist in den Finals einfach nur unschlagbar. Im sechsten Spiel sind noch 40 Sekunden zu spielen, die Bulls liegen mit drei Punkten zurück. Jordan zieht über rechts und trifft einen Korbleger. Dann schlägt er Karl Malone in der Verteidigung den Ball aus den Händen. Als er über die Mittellinie dribbelt, weiß die ganze Welt, was passieren wird. Er täuscht einen Drive an, bringt Bryon Russell mit einem Schubser aus dem Gleichgewicht, wirft und lässt die Hand stehen. Der letzte Wurf, der letzte Titel. Legendär ist bis heute das Foto dieses – wie damals alle glauben – letzten Wurfs. Die Zuschauer in Utah wissen allesamt, dass dieser Wurf treffen wird. In ihren Gesichtern ist der kollektive Schrecken verewigt, den ein Gamewinner Michael Jordans bei allen gegnerischen Fans auslöste. Trotzdem wird keiner von ihnen die Erfahrung missen wollen, bei diesem Wurf live dabei gewesen zu sein. Sie sahen den Besten aller Zeiten bei seinem berühmtesten Wurf. Das ist mehr wert als alles andere. Michael Jordan war und wird immer einzigartig bleiben. Michael Jordan ist Basketball. Und alle, die ihn live erleben durften, sei es in der Halle oder nur am Fernseher, wissen, dass es nie wieder jemanden wie ihn geben wird. dre@fivemag.de


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MJ DAS

Flu

Game

„FLU

GAME“:

MIND OVER MATTER

Unter unzähligen legendären Leistungen von Michael Jordan ist das „Flu Game“

vielleicht das größte Mysterium. Ein Rückblick auf das Meisterwerk eines Spielers, dessen Wille größer war als jeder Gegner – auch im eigenen Körper.

Fotos: Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

Text: Ole Frerks

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1. Juni 1997, Salt Lake City. Die NBA-Finals zwischen den Utah Jazz und dem Titelverteidiger Chicago Bulls stehen vor ihrem womöglich vorentscheidenden Spiel 5. Nach zwei Siegen der Bulls zum Auftakt haben die Jazz ihre ersten beiden Heimspiele gewonnen, gerade im vierten Spiel die Offensive Chicagos erstickt und bei bloß 73 Punkten gehalten. Es ist noch nicht die Zeit, um panisch zu werden, schließlich hat der Meister Michael Jordan – dieser hat soeben eins seiner schwächeren FinalsSpiele gemacht, ist aber eben immer noch Mike, der (eigentlich) unangefochten beste Spieler der Liga.

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Zwar macht der Supporting Cast bisher keinen guten Eindruck, mit diesem Typen würde der Champ aber immer eine Chance haben. Vor allem deshalb, weil er in den beiden vorigen Partien von Karl Malone – dem Spieler, der ihm den MVPAward in dieser Saison gestohlen hat – tatsächlich in den Schatten gestellt wurde. Für einen Spieler, der sich bislang jede noch so nichtige Bemerkung als ExtraMotivation herangezogen hat, eigentlich ein gefundenes Fressen. Dieser Typ, der mit 34 Jahren zum ersten Mal überhaupt in den Finals steht, soll auf einmal besser sein als Jordan? Es ist, als würde einem

ausgehungerten Wolf ein köstliches Reh auf dem Silbertablett serviert werden … Die Bulls sind unter Druck, aber sie haben jemanden, der auf solche Herausforderungen seit Jahren quasi hauptberuflich bestens reagiert. Nicht von ungefähr hat man seit Beginn der 1990/91er Saison mit Jordan im Kader nicht mehr drei Spiele am Stück verloren. Wenn man sich im Basketballsport jemals auf etwas verlassen konnte, dann ist es der unbändige Kampfgeist von „His Airness“. Doch diesmal ist die Sache für Chicago etwas komplizierter. Zwei Tage vor Spiel fünf bestellt Jordan abends eine Pizza, so will es


die Legende (und unter anderem sein persönlicher Trainer Tim Grover, der dabei war). Wenige Stunden später wacht Jordan auf, fängt an, sich die Seele aus dem Leib zu reiern, und hört den ganzen Tag und die ganze Nacht lang nicht mehr damit auf. Bis zum Spieltag. Zwar heißt das Ganze fortan „Flu Game“, Grover schwört jedoch, dass sich Jordan eine üble Lebensmittelvergiftung zugezogen hat. Fakt ist: MJ befindet sich in einem Zustand, in dem ein normaler Mensch nicht einmal an Basketball denken würde. Jordan ist vieles, aber definitiv nicht normal. Am Shootaround nimmt er nicht teil, sein Coach will ihn eigentlich nicht

„Das war nicht schwer für mich. Er hat mich elf Jahre oder so mitgetragen.“ Scottie Pippen -----------

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spielen lassen. Doch Jordan sagt, er wolle es versuchen. Trainerlegende Phil Jackson wagt es nicht zu widersprechen …

Das Spiel

Natürlich beginnt der Broadcast bei NBC mit Jordans Gesundheit. Er leide unter „grippeartigen Symptomen“, habe „gar nicht geschlafen“ und „nichts gegessen“, berichtet Kommentatoren-Legende Marv Albert, während Bilder von Jordans Ankunft im Delta Center und dem Warmup eingeblendet werden. Kurz vor Tip-Off ergänzt dann Sideline-Reporter und MJ-Intimus Ahmad Rashad diese Einschätzung: Jordan habe auch den Tag entweder im Bett oder mit

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MJ dem Kopf in der Kloschüssel verbracht, fühle sich laut Eigenaussage „schrecklich“. Doch es geht hier um Michael Jordan, weshalb Rashad im Anschluss ergänzt: „Die Historie von Spielen, in denen sich Jordan schlecht oder krank gefühlt hat, bedeutet schlechte Nachrichten für seine Gegner.“ Ach, wirklich? 1. Viertel, 10:37 auf der Uhr: Jumpshot M. Jordan, 2:2 Der erste Wurf Jordans in diesem Spiel fällt hinein, zählt aber nicht – Scottie Pippen hat sich abseits des Balles ein Offensivfoul geleistet. Doch auch Jumper Nummer zwei sitzt, Jordan schnappt sich dabei einen Looseball und versenkt diesen seitlich fallend kurz vor der Grundlinie. Der Wurf ist also da, auch die Sprungkraft scheint zu passen. Der Rest allerdings … Jordan torkelt beinahe zurück, nachdem er den Wurf versenkt hat. Der sonst so charakteristische, elegante Laufstil des dominanten Athleten seiner Zeit? Nichts ist davon zu sehen, fast bewegt sich Jordan wie Patrick Ewing, nachdem diesem in „Space Jam“ das Talent gestohlen wurde. „Er ist weit davon entfernt, er selbst zu sein, aber er kann trotzdem ein sehr effektiver Spieler sein“, analysiert TV-Experte Matt Goukas. 1. Viertel, 7:07 auf der Uhr: Jumpshot M. Jordan, 7:4 Utah Mehrere Turnovers und Fehlwürfe liegen zwischen Jordans erstem und zweitem Treffer, bevor dieser von knapp innerhalb der Dreierlinie reinfällt – ein LineDrive, ohne signifikante Flugkurve. Aber Hauptsache, drin. Problematischer für Chicago ist, dass es zu diesem Zeitpunkt die einzigen Treffer der Bulls sind, die offensiv wie schon im vorigen Spiel kein Bein auf den Boden zu kriegen scheinen. Die Bulls gewannen in der Saison 1996/97 grandiose 69 Spiele, also nur drei weniger als in der Rekordsaison unmittelbar zuvor, und stellten dabei das beste Offensivrating der NBA. Doch im Lauf der Playoffs sank die Offensiveffizienz von 114,4 auf 108,2 (nur der siebtbeste Wert in den Playoffs), und gleichzeitig wuchs die Abhängigkeit von Jordan: Knapp 29 Prozent aller Punkte erzielte er in der Regular Season, in den Playoffs waren es fast 34 Prozent. In den Finals sollte dieser Wert am Ende fast 37 Prozent betragen. Superteam hin oder her, die Abhängigkeit vom besten Spieler war real. 1. Viertel, 3:34 auf der Uhr: Dreier C. Morris, 18:8 Utah Phil Jackson will schon während des vorangegangenen Ballbesitzes eine Auszeit nehmen, weil er sieht, wie sein Team aus den Fugen gerät und Utah sich langsam in einen Rausch spielt. Pippen hört ihn jedoch nicht und wirft einen unmotivierten Dreier aus

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dem Dribbling, ohne vorher groß andere Möglichkeiten abzuklappern – Backstein. Auf der Gegenseite macht es Chris Morris aus der Ecke besser, weil er Platz hat: Howard Eisley zieht wieder in die Zone und bindet die Aufmerksamkeit, auch die von Jordan. Dieser ist einen Schritt zu weit in der Mitte und nicht wieder nah genug an seinem Gegenspieler, als dieser den Ball bekommt und abdrückt. Morris trifft, läuft grinsend zurück, als Jackson endlich seine Auszeit bekommt. Die Utah Jazz haben sechs ihrer letzten sieben Würfe getroffen, die Atmosphäre im Delta Center (damals auch gern gemeinhin „Decibel Center“ genannt) ist ohrenbetäubend. 1. Viertel, 0:01 auf der Uhr: Layup K. Malone, 29:16 Utah In der letzten Minute des ersten Viertels schaffen es die Bulls immerhin mal, in drei aufeinanderfolgenden Angriffen zu punkten, selbst wenn zweimal lediglich einer von zwei Freiwürfen (von Bison Dele) getroffen wird. Pippen setzt dafür mit einem Dunk über Malone ein fettes Ausrufezeichen, während der ausgelaugte Jordan mit vier Punkten die letzten

1:08 Minuten des Viertels auf der Bank verbringt. Selbiges endet jedoch, wie es fast die ganze Zeit über lief: Eisley läuft ein Pick-and-Roll mit Malone, dieser bekommt den Ball und findet auf dem Weg zum Korb kaum Gegenwehr vor. Ein Layup ist der passende Schlusspunkt für diesen Durchgang, in dem Utah wie das klar bessere Team aussieht. 2. Viertel, 10:43 auf der Uhr: 2/2 Freiwürfe M. Jordan, 34:20 Utah Nach der Viertelpause kommt zumindest Jordan gut aus den Startlöchern, schüttelt zunächst Morris mit kurzer Körpertäuschung in die falsche Richtung und trifft dann seinen Jumper. Es folgen jedoch fünf Punkte der Jazz, deren Führung auf 16 Punkte wächst, bevor abermals Jordan antwortet. Gegen Austin Carr zieht er Freiwürfe, die ersten überhaupt seit Spiel drei. Die Erschöpfung ist ihm auch hierbei anzusehen, die freien Punkte nimmt er jedoch gern mit. 2. Viertel, 6:33 auf der Uhr: Jumpshot M. Jordan, 38:33 Utah Ist das noch derselbe Spieler? Jordan zieht weitere Freiwürfe, punktet in


Nachdem Malone mit seinem dritten Foul auf die Bank geht, wird zeitweise selbst das Pick-and-Roll vernachlässigt – nun wirft Stockton den Ball bei einem wilden Drive mitten in die Hände von Jordan, der das Geschenk dankend annimmt. Mit wenigen Schritten ist er vorn und bedient den mitgelaufenen Pippen, der jedoch seinen Layup durch zwei Jazz-Verteidiger knapp verlegt – aber MJ hat aufgepasst. Mit einer Schnelligkeit und Athletik, die ein kranker 34-Jähriger eigentlich nicht haben sollte, ist er am Ring und stopft das Leder durch die Reuse. Bei der Landung hält er ganz kurz inne – als würde er so langsam merken, dass seine Superkräfte eben doch zurück sind – und läuft wieder in die Defense.

Fotos: Nathaniel S. Butler/Andy Hayt/NBAE via Getty Images

2. Viertel, 0:01 auf der Uhr: Dunk B. Russell, 53:49 Utah Jordan lässt jede Menge Körner in dieser Phase, zum Ende des Viertels hin übernimmt Utah dennoch wieder die Führung. Mit der Chance zum Ausgleich scheitert MJ am Ring, wo ihm an diesem Tag dann doch ein wenig der Lift fehlt. Auf der Gegenseite macht es Russell nach starkem Ganzfeldpass von Greg Foster besser und stopft zur Vier-Punkte-Führung. Diese ist zwar nicht üppig – schließlich waren es mal 16 –, doch die Zeit spricht für die Jazz. Jordan steht kurz

Transition gegen den chancenlosen Jeff Hornacek, findet Center Luc Longley für einfache zwei Punkte unterm Korb. Dann folgt der bisher beste Move: Gegen Bryon Russell packt Jordan den Stepback-Jumper nach Dribbling durch die Beine aus, die Führung der Jazz ist binnen knapp drei Minuten von 16 auf fünf Punkte zusammengeschrumpft, und Jordan ist „in the zone“. „Nicht schlecht für einen Typen, der mit Grippe-Symptomen spielt“, merkt Marv Albert an. Die Unruhe im Delta Center wächst merklich. 2. Viertel, 3:02 auf der Uhr: Dunk M. Jordan, 44:43 Utah Die Utah Jazz geraten mehr und mehr ins Schwitzen und müssen mitansehen, wie ihre einst so hohe Führung dahinschmilzt – auch weil sie selbst den Betrieb in der Offensive phasenweise einstellen.

vor dem Kreislaufkollaps, muss in der Halbzeitpause intravenös mit Flüssigkeit versorgt werden und allein in einem abgedunkelten Raum „regenerieren“. Wie soll das noch eine Halbzeit über gutgehen? 3. Viertel, 5:14 auf der Uhr: Layup M. Jordan, 63:63 Mehrere Minuten lang hat Michael Jordan eher wenig Zugriff auf das Spiel, verfehlt einen Sprungwurf und einen Layup und leistet sich dazu noch einen Schrittfehler. Doch nun bekommt er auf dem rechten Flügel den Ball, wird von Russell auf die linke Hand gedrängt, nimmt die Einladung diesmal jedoch an. Mit schnellem ersten Schritt geht er an Russell vorbei und springt, mit der linken Hand und beeindruckender Hangtime weicht er dem Shotblocker Greg Ostertag aus und legt den Ball über das Brett in den Korb – der Ausgleich.

Bemerkenswert ist dies vor allem aus folgendem Grund: Jordan muss zu Beginn des dritten Viertels nicht die ganze Last schultern. Die Bulls-Offense kommt ins Laufen, weil Pippen im Post übernimmt, Longley in Korbnähe nicht zu stoppen ist und sechs Punkte ohne Fehlwurf produziert … und weil selbst Dennis Rodman sich endlich mal wieder erbarmt, einen Korb zu erzielen: Ein Putback nach eigenem Offensivrebound markiert das erste Fieldgoal des „Wurms“ seit dem zweiten Spiel dieser Serie. Es wird auch das letzte von insgesamt bloß fünf bleiben, nur weiß das in diesem Moment natürlich noch niemand. Rodman ist die komplizierteste Figur des zweiten Bulls-Threepeats: Der siebenmalige Rebound-Champion wurde rückwirkend nicht selten als dritter Star neben Jordan und Pippen aufgeführt, tatsächlich beschränkte sich sein Dasein jedoch fast nur noch auf das Einsammeln von Brettern und Defense, wobei er hier nicht mehr auf dem Niveau seiner giftigsten Pistons-Zeiten agierte. Dennoch brauchten ihn die Bulls, insbesondere im direkten Duell mit Malone war Rodman sportlich noch immer ein wichtiger Faktor. Wenn er denn nicht über die Stränge schlug. Denn abseits des Courts erreichte der Forward zu diesem Zeitpunkt (wieder einmal) ungekannte Höhen: Mehrfach

wurde er in dieser Saison für Spiele suspendiert, unter anderem nach seinem berüchtigten Tritt gegen Kameramann Eugene Amos, der ihn elf Spiele kostete. Auch vor Spiel fünf zog der nun 36-Jährige die Wut von Jackson (und seinen Mitspielern) auf sich, weil er nach dem vierten Duell zweimal nacheinander ins Partyparadies Las Vegas flog und die Nächte dort durchfeierte. Der Musiker Billy Corgan (The Smashing Pumpkins), der bei der ersten Nacht dabei war, berichtete Jahre später im Podcast mit Joe Rogan, dass Rodman so betrunken war, dass er beim Würfeln im Casino nicht mehr den Tisch traf. Vielleicht war es vor dem Hintergrund besser, dass Rodman zu diesem Zeitpunkt kaum noch Würfe nahm. 3. Viertel, 2:35 auf der Uhr: J. Caffey checkt ein für M. Jordan, 69:65 Utah

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Es bleibt bei einem Feldkorb im dritten Viertel für Jordan, dem die Erschöpfung mehr und mehr anzusehen ist. Auch sein Team kommt nach kurzem Zwischenhoch wieder ins Stocken, nach Jordans Layup sind ein Dunk von Dele sowie zwei Pippen-Freiwürfe die einzigen noch folgenden Punkte des Durchgangs. Unter anderem gehen die letzten fünf Würfe daneben, und der Rückstand bleibt nur deshalb überschaubar (fünf Punkte zum Viertelende), weil auch Utah offensiv massive Probleme hat. Und dennoch: Angesichts der letzten Eindrücke von Jordan ist die Not der Bulls offensichtlich. Der Druck wird immer größer … … das entgeht auch dem NBCTeam nicht. Vor dem Beginn des letzten Viertels wird über das „Ende ihrer Ära“ sinniert, dabei unter anderem auf die auslaufenden Verträge von Jackson und Rodman verwiesen. Einen reichlich späten Shoutout verdient sich der Mitarbeiter, der im Hintergrund „God moving over the face of the waters“ von Moby – auch bekannt

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als die überdramatische Gänsehaut-Musik am Ende von „Heat“ – über dieses Segment gelegt hat. Das Thema und die Dramatik war dabei mitnichten weit hergeholt. Eine harmonische Organisation waren die Bulls wohl zu keinem Zeitpunkt der JordanÄra, das frühe Protokoll ihrer Dysfunktion veröffentlichte Sam Smith bereits 1992 mit „The Jordan Rules“. Gerade zum Ende hin stand die Franchise nahezu immer kurz vor dem Kollaps: Vor allem Jordan und Jackson standen im ständigen Konflikt zu General Manager Jerry Krause, der nicht selten offen darüber sinnierte, wie die nächste Bulls-Ära ohne die beiden aussehen würde, sowohl Headcoach als auch Superstar arbeiteten mit Einjahresverträgen. Tatsächlich verlängerten im folgenden Sommer die wichtigsten Protagonisten alle nochmal für ein weiteres Jahr. Jackson bezeichnete diese Saison jedoch von Anfang an als „The Last Dance“ und deutete an, dass die Mannschaft sich nicht nur mit den

Herausforderern wie den Lakers oder Jazz, sondern auch mit dem eigenen Front Office herumschlagen musste. Bevor Jordan im Zuge des 1998er Lockouts seine Laufbahn „beendete“, machte er noch einen Vorschlag, wie er sich eine Fortsetzung seiner Bulls-Karriere vorstellen könnte: „Wechselt den General Manager. Lasst Phil einfach General Manager und Coach sein.“ Dieser Wunsch wurde nicht erfüllt. 4. Viertel, 9:03 auf der Uhr: Dreier M. Jordan, 77:77 Die Bulls und insbesondere Jordan geben nicht auf und legen zu Beginn des Viertels noch einmal los. Jordan eröffnet mit zwei Sprungwürfen, dann folgt der Ganzfeldpass auf Toni Kukoc für einen Dreier. Im nächsten Angriff ist es Pippen, der Jordan ebenfalls für drei findet – Chicago hat das Viertel mit einem 10:5Lauf eröffnet. Der Ausgleich ist da, Jazz-Coach Jerry Sloan nimmt eine Auszeit, wieder


wirkt Jordan, als könne er sich nicht mehr allzu lange auf den Beinen halten. 4. Viertel, 2:46 auf der Uhr: Jumpshot M. Jordan, 84:83 Utah Die Bulls-Defense zeigt im letzten Viertel, warum ihr Ruf so exzellent ist, und gibt den Jazz kaum noch Platz zum Atmen. Doch auf der Gegenseite bekommt Chicago nach dem starken Start in den Durchgang auch nicht mehr viel hin: Über knapp sechs Minuten sind zwei Freiwürfe von Pippen die einzigen Punkte. Also muss Jordan es wieder richten: Nach einem Stockton-Dreier bekommt er den Ball auf dem linken Flügel, Russell bietet ihm erstmals seit Langem die Mitte und damit die rechte Hand an. Jordan nutzt das, wird von knapp innerhalb der Freiwurflinie im Seitwärtsfallen einen unfassbaren Jumper los – Bucket! Auffällig an diesem Move sind der schnelle erste Schritt und die Hangtime, die Jordan trotz aller Probleme noch aufbringen kann. Ähnlich wichtig jedoch: Obwohl der Wurf so in keinem Lehrbuch zu finden wäre, zeigen Jordans Füße stets in Richtung Korb. Es ist kein improvisierter Move, sondern einer, den er offensichtlich einstudiert hat.

Fotos: Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

4. Viertel, 1:04 auf der Uhr: Airball K. Malone, 85:84 Utah Es sind nicht die Minuten des MVPs von 1997 – genauer gesagt ist es nicht sein Viertel, obwohl die Partie nicht am Sonntag ausgetragen wird. Ein mickriges Pünktchen erzielt der „Mailman“ im letzten Viertel, verteidigt zudem passiv, nachdem er sich sein fünftes Foul abholt. Der überstürzte StepbackFadeaway-Jumper, den er nun erzwingt, obwohl noch über sieben Sekunden Zeit sind, ist das beste Beispiel für die fehlende Cleverness der Jazz – nicht nur in dieser Szene, nicht nur in diesem Spiel, nicht nur in dieser Serie gegen die Bulls. Obwohl Utah noch führt, hat diese Szene bereits den Charakter einer verpassten Chance. 4. Viertel, 0:25 auf der Uhr: Dreier M. Jordan, 88:85 Chicago Diese Sequenz ist das Spiel, ist Jordan in einer Nussschale: „His Airness“ zieht das Foul bei nur einem Punkt Rückstand und 46 Sekunden auf der Uhr, Sloan nimmt eine Auszeit, dann geht Jordan an die Linie. Der erste Freiwurf sitzt, Ausgleich. Der zweite wiederum fällt nicht rein, Longley bekommt jedoch eine Fingerspitze an den Ball – und irgendwie landet dieser doch wieder bei Jordan. MJ dribbelt raus, Zeit ist schließlich da. Der Ball geht zu Pippen in den Post, der von Hornacek verteidigt wird. Russell hilft aus, lässt Jordan an der Dreierlinie freistehen. Pippen sieht das, Stockton realisiert es einen Moment zu spät – und

prompt trifft Jordan seinen zweiten Dreier dieser Partie. Die Jazz leisten sich in der Schlussphase unheimlich viele Fehler, dieser ist vielleicht der größte: Warum helfen sie ausgerechnet von Jordan weg? 4. Viertel, 0:06 auf der Uhr: Dunk L. Longley, 90:87 Chicago Es gibt einen neuen Favoriten für den größten Fehler der Partie! Wieder sieht Malone dabei fürchterlich aus! Nach einem schnellen Dunk von Ostertag verbleiben gut zwölf Sekunden auf der Uhr. Chicago wirft ein, und Pippen bekommt den Ball. Klare Sache, dass nun das Foul kommen muss, oder? Malone

„Der Athlet, an den du mich am meisten erinnerst, ist Jake LaMotta. Denn die einzige Art, dich zu stoppen, ist, dich zu töten.“ Jerry Reinsdorf -----------

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sieht das scheinbar anders, will nicht ausfoulen. Pippen realisiert sein Glück schnell genug, passt auf Steve Kerr weiter. Kerr bedient Kukoc, Kukoc passt noch im Sprung auf Longley, der mit einem freien Dunk für die Vorentscheidung sorgt. Sloan nimmt eine weitere Auszeit, und nun folgt die berühmteste Szene dieses Spiels: Der völlig ausgelaugte Jordan hakt sich bei Pippen unter, wird von diesem nahezu vom Court getragen. Besser ließe sich nicht verdeutlichen, dass er alles auf dem Court gelassen hat, was vorhanden war – oder vielleicht noch ein bisschen mehr. „Das war nicht schwer für mich. Er hat mich elf Jahre oder so mitgetragen“, witzelte Pippen Jahre später bei „The Jump“ über die Szene, die wohl deutlicher als jede andere das unglaubliche Band demonstrierte, das die beiden über die Jahre des Zusammenspiels entwickelt hatten. Wie jeder andere auch musste sich Pippen das Vertrauen von Jordan erst

verdienen, er schaffte dies jedoch besser als jeder andere und wurde zum vielleicht besten Komplementärspieler der NBAGeschichte – und zum perfekten Partner für den „G.O.A.T.“, spielerisch wie auch von der Persönlichkeit her. Auch weil er stark sein konnte, wenn Jordan sich – so muss man es wohl ausdrücken – ein kleines bisschen übernommen hatte.

Das Mysterium

38 Punkte verzeichnete Jordan am Ende, spielte 44 Minuten, traf 13 seiner 27 Würfe und brachte die Bulls in Position, um im sechsten Spiel vor heimischem Publikum den fünften Titel ihrer Ära einzufahren. Als das Spiel endete, hob er kurz beide Fäuste, um sich dann mit hängendem Kopf zum kurzen PostgameInterview mit Ahmad Rashad zu schleppen. „Es geht nur um den Willen, man muss eben tun, was man tun muss“, sagte Jordan. Jahre später sagte er, dieses legendäre „Flu Game“ sei vielleicht das Schwerste gewesen, was er jemals fertigbringen musste. Bulls-Besitzer Jerry Reinsdorf verglich Jordan einst mit dem Protagonisten aus „Wie ein wilder Stier“, wie David Halberstam in „Playing for Keeps“ zitierte … „Der Athlet, an den du mich am meisten erinnerst, ist Jake LaMotta. Denn die einzige Art, dich zu stoppen, ist, dich zu töten“, soll Reinsdorf zu Jordan gesagt haben. „Wer ist Jake LaMotta?“, entgegnete Jordan angeblich darauf, doch der Punkt steht: Gegen Jordan in seiner besten Zeit konnte die Konkurrenz nur gewinnen, wenn sie sich selbst keine Fehler erlaubte. Jede noch so kleine Schwäche, jede noch so kleine Lücke war groß genug, damit er sie finden und attackieren konnte. Im Zweifel war sein Wille immer größer als alles, was der Gegner aufbringen konnte, ob es nun die Trail Blazers waren, die Sonics, die Suns oder die Jazz … oder sogar die Malaisen des eigenen Körpers. Die Jazz waren nicht clever genug, die Krankheit nicht stark genug, um Jordans Willen zu übertrumpfen, auch nicht im Verbund. Apropos: Bis heute ranken sich Gerüchte darum, ob es eine Krankheit, eine Lebensmittelvergiftung oder vielleicht auch einfach ein Kater war, der Jordan quasi lahmlegte. Gerade letztere Theorie spricht, selbst wenn sie erlogen sein sollte, für seinen Mythos: Wem ist es zuzutrauen, in der fast größtmöglichen Drucksituation der Sportwelt noch zu feiern und einen über den Durst zu trinken, um dann am nächsten Tag trotzdem nochmal ein ganzes Team zu schultern? „Wer saufen kann, kann auch arbeiten“ auf höchstem Niveau, sozusagen? Wahrscheinlich geht das nur bei dem Größten. redaktion@fivemag.de

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Baseball-Abenteuer

DER MANN, DER GING, UM ZU SCHAUEN, WOHIN MAN KÄME, WENN MAN GINGE Die ganze Welt kennt Michael Jordan als Basketball-Ikone mit sechs Titeln. Seltsam unterbelichtet ist die Zeit nach seinem ersten Rücktritt, als er sich im Baseball neu erfinden wollte … oder musste? Text: Tobias Jochheim 64


Fotos: JONATHAN DANIEL/ALLSPORT US

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ob Greene wäre ein Vollidiot, würde er MJ in dieser Situation beim Wort nehmen. Ende Oktober 1993 cruisen sie in Jordans Corvette durch Chicago, drei Wochen zuvor hatte er spektakulär seinen Rücktritt aus der NBA erklärt. Als sie nun am Comiskey Park vorbeifahren, der Heimat der Chicago White Sox, deutet Jordan mit dem Kinn darauf. „Das werde ich machen“, sagt er. Jordans Biograf erwartet daraufhin Gelächter über diesen augenscheinlichen Gag, doch das Lachen von „His Airness“ bleibt aus. Jordans Vorhaben ist nicht bloß überambitioniert, wahnsinnig oder hirnrissig. Es ist unmöglich. Menschen wie du und ich können ihren Job wechseln. Umschulen vom Bauingenieur zum Berufsschullehrer für Bautechnik. Bürohengste können Handwerker werden oder ein Start-up gründen. Wird schon irgendwie gehen. Profisportler haben diesen Luxus nicht, sie wechseln praktisch nie die Disziplin. Die meisten sogenannten „MultiSport Athletes“ waren bloß am College in mehreren Disziplinen gut bis sehr gut. Zu den absoluten Ausreißern gehören Deion „Neon“ Sanders (erzielte einst innerhalb einer Woche einen NFLTouchdown und einen MLB-Homerun!) sowie Bo Jackson (All Star im Football und Baseball, als Student obendrein ein Zehnkampf-Gott). Die Britin Rebecca Romero holte Olympiamedaillen im Rudern und Radfahren, die Deutsche Roswitha Krause im Schwimmen und Handball. Der Ex-NBA-Forward Chase Budinger schlägt sich heute beachtlich im Beachvolleyball. Und der Wrestler Kevin Nash alias „Diesel“ hatte vor diversen Jobs beim Militär, am Ford-Fließband und in einem Stripclub in grauer Vorzeit auch mal Körbe für die Gießen 46ers geworfen. 99 Prozent der SportartenWechsel sind PR-Gags von in ihrer Urdisziplin längst aussortierten Profis (siehe: Wiese, Tim) oder ein besseres Hobby für die Frührente. NFL-Legende Jerry Rice etwa versuchte sich nach dem Football im Golfsport, den er bereits 20 Jahre lang ambitioniert nebenbei betrieben hatte. Bei seinem ersten Turnier erreichte er unter 152 Teilnehmern den vorletzten Platz. Nennenswert besser wurde er nie. Das ist kein Zufall. Damit ein Mensch Profisportler wird, muss alles zusammenpassen. Eine perfekte Kombination aus guten Genen und angeborenem Talent, idealer Förderung sowie jahrelangem Training (vgl. auch die Binsenweisheit: „Wer etwas meistern will, muss es 10.000 Stunden lang üben“). All das aber zahlt sich eben nur für genau diese Sportart aus, und im Ballsport selbst dort nur auf einer bestimmten Position. In eine komplett andere Disziplin mitnehmen kann ein Athlet nur die Basics: körperliche

„Er konnte rennen, verteidigte gut und wäre damals vor allem spät im Spiel eine gute Wahl gewesen. Pitcher und Catcher waren nervös, wenn sie ihm gegenübertraten.“ Curt Bloom -----------

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Grundfitness, Reflexe, Drive. Im Vergleich mit den Profis im „neuen“ Sport, deren Talent und erdrückendem Trainingsvorsprung, ist das nichts. Bei allem Respekt für die oben genannten Ausnahmen sowie Sieben- und Zehnkämpfer: Die größten Popstars des Sports kämen nicht mal für eine Sekunde auf die Idee, den Sport, den sie dominieren, freiwillig zu verlassen.

Nummer 45

Weshalb auch? Alles spricht dagegen: die Gier nach dem nächsten Rekord, Sieg, Titel. Die Sorge um das eigene statistischsporthistorische Vermächtnis und den nächsten Multimillionen-Vertrag. Das

Bewusstsein für den Wert des eigenen Wissens um eine Milliarde Details im bisherigen beruflichen Spezialgebiet. Die Liebe zum Spiel. Und die Einsicht, dass auch die größte denkbare Überlegenheit ein fragiles Konstrukt mit begrenzter Halbwertszeit ist, die es voll auszukosten gilt. Aus all diesen Gründen blieb Wayne Gretzky seinem Sport treu, ebenso Tiger Woods und Roger Federer, Michael Schumacher und Babe Ruth, Lionel Messi. Nicht zu vergessen natürlich der absurd dominante Ringer Alexander Karelin (Karriere-Bilanz: 887 Siege und zwei hauchdünne Niederlagen). Nehmen wir den Extremfall: Dem großen Wilt Chamberlain war es zuwider, vom Establishment auf seine Rolle als Basketballspieler reduziert zu werden. Demonstrativ und exzessiv probierte er sich in vielem aus – man denke an seinen Schwur, er habe mit 20.000 Frauen geschlafen, 1,4 pro Tag über 40 Jahre hinweg –, aber nie ernsthaft in einem anderen Sport. In die Hall of Fame des Volleyballs wurde er letztlich vor allem aufgrund seiner Werbewirkung aufgenommen. Michael Jeffrey Jordan hingegen eröffnet Ende Oktober 1993 seinem Vertrauten Bob Greene, er habe die Absicht, Baseball-Profi zu werden – und werde deshalb am Training der MLB-Profis teilnehmen. „Wenn ich gut bin, spiele ich die Saison mit den White Sox. Wenn nicht, erfährt es niemand.“ Möglich macht das Wahnsinnsprojekt der Immobilienhai Jerry Reinsdorf, Eigentümer der Bulls wie der White Sox. Jordan trainiert erst individuell und absolviert dann gemeinsam mit dem Team das „Spring Training“. Diese im Baseball traditionellen FrühlingsTrainingslager sind eine nette, romantisierte, sehr ruhige Veranstaltung. Doch im Frühjahr 1994 bricht im Trainingslager der White Sox in Sarasota, Florida die Hölle los. Zehntausende reisen an. Viele wollen Zeuge werden, wie Jordan am Schläger Historisches, Einmaliges, ein amtliches Wunder vollbringt. Andere wollen miterleben, wie er scheitert. Wieder andere wollen checken, wie ihm das BaseballDress mit der Nummer 45 steht. Aber sehen wollen ihn alle. In seinem Buch „Rebound“ (deutscher Titel: „Time Out“) vergleicht Greene das Trainingslager mit Beatles-Konzerten. Gebrüll, Gedränge, Handgemenge. Autogrammjäger erdrücken um ein Haar einen kleinen Jungen. Erwachsene Männer und Frauen ringen um Worte und Luft, Tränen fließen. Greene: „Besonders die alten Kämpen der MLB waren es nicht gewohnt, dass wildfremde Menschen im Publikum weinten, obwohl nichts Trauriges passiert war.“ Nichts Trauriges jedenfalls jenseits der unzähligen Strikeouts von Jordan zu

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Baseball-Abenteuer

Beginn – null Treffer bei drei Versuchen, weil die Würfe des Pitchers zu schnell sind, zu hart, zu gut. Menschlich aber verhält sich Jordan tadellos, Starallüren wirft ihm bis heute niemand vor. Der Mann, der abends Briefe öffnet wie den von Boxpromoter Dan Duva, der ihm 15 bis 25 Millionen Dollar für einen Schwergewichtskampf bietet, will tagsüber das Einzige sein, das er nicht sein kann: einfach einer von den Jungs. Fakt ist: Er ist ein Promi unter Profis. Bei 46 Auftritten im Spring Training verzeichnet Jordan ganze sieben Hits – also erfolgreiche Schläge, nach denen er mindestens die erste Base erreicht. Er ist überfordert. Trotz teils fünf Trainingseinheiten pro Tag sammelt er an der Homeplate Strikeouts en masse, in der Kabine weiß er nicht einmal, wo er den Fanghandschuh ablegen soll – und von den Tribünen schmettern die Leute „I wanna be like Mike!“, während vor dem Stadion MJMerchandise verkauft wird. Der Sänger Gregg Shipp fantasiert gar: „I’ve got ‚Air‘ on my Sox, it’s a summertime thing, add to the collection a World Series ring!“ Die Gesamtsituation ist hochnotpeinlich.

Lass gut sein, Mike

Am 14. März 1994 erscheint das wohl ikonischste aller MJ-Cover der „Sports Illustrated“. Nach nur zwei Testspielen steht das Urteil der Redaktion fest. „Bag it, Michael!“ – „Lass es, Michael!“. Untertitel: „Jordan und die White Sox beschämen den Baseballsport“. Die Fotos sind mehr als unvorteilhaft, die Story von Steve Wulf gnadenlos. Als „Scouting Report“ notiert er: „Riesiges Marketing-Potenzial, extrem harter Arbeiter, Geschwindigkeit anständig, Erfahrung minimal, chancenlos.“ Die Überschrift im Innenteil lautet „Err Jordan“. Der Fliegende von einst – ein auf Abwege Geratener, Umherirrender? In Wirklichkeit hat MJ nach wenigen Wochen intensiven, oft qualvollen Trainings ein mittelgroßes Wunder erzwungen: Trotz knapp 15 Jahren Pause ist er auf einem guten Weg zum Durchschnitts-Baseballer. Mehr wäre kaum menschenmöglich. Als die White Sox offiziell machen, dass er (natürlich) keinen Platz in ihrem Kader bekommen wird, tut Michael Jordan, was niemand erwartet. Er nickt – und lässt sich in Chicagos Farmteam in der Minor League aufstellen. Bei den Birmingham Barons in Alabama, Level AA. Eine Stufe unter AAA, die wiederum unter der MLB steht. Michael Jeffrey Jordan, 31 Jahre alt, dreifacher NBA-Champ, dreifacher Finals-MVP, siebenfacher ScoringChamp, neunfacher All Star, zweifacher Olympiasieger, berühmtester Mensch seiner Zeit, spielt in der dritten Liga. Für 850 Dollar im Monat plus 16 Dollar Spesen pro Tag (plus Werbeeinnahmen plus rund

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vier Millionen Dollar NBA-Gehalt, das Reinsdorf ihm weiter zahlt). Aber wie er spielt! In den ersten Wochen der Southern-League-Saison übertrifft er die entscheidende Trefferquote von 30 Prozent. Dreizehn Spiele in Folge landet er mindestens einen Hit. Er ist erstaunlich gut – und er schwört, dass es ihm noch viel besser gehe. Er fühle sich wohl, jung, unbeschwert, genieße das Spielen und Lernen. Vor allem aber habe er das Gefühl, dass er gerade den Traum seines Vaters erfülle, der im Sommer zuvor von Autodieben ermordet worden war. Greene hatte er anvertraut, er spreche sozusagen mit dem Geist seines Vaters: „Wir machen das hier. Wir zusammen. Du und ich, Dad. Wir schaffen das. Seht nur zu. Wir zwei machen das. Wir sind auf dem besten Weg.“ Doch die ersehnte Ruhe findet er nicht. Die meisten der knapp 500.000

Zuschauer kommen während der ganzen Saison nicht wegen, sondern trotz des Baseballs. Um bejubelt zu werden, muss er nicht treffen, nicht schlagen, nicht mal im Spiel sein. Es reicht, dass er auf der Bank sitzt wie eine Erscheinung. Sankt Michael. Auf Kosten eines Sponsors organisiert er dem Team einen neuen Bus, der die teils zwölfstündigen Fahrten etwas erträglicher macht. Neben diesem „Raumschiff“ wird sich Jordans Mitspieler Kenny Coleman später vor allem an die Tischtennisplatte im Klubhaus erinnern. Catcher Rogelio Nunez ist der Timo Boll des Teams, aber Michael Jordan ist Michael Jordan. Ständig liefern sie sich Duelle. „Außerdem brachte Jordan ihm Englisch bei – und zahlte ihm 100 Dollar für jede neue Vokabel.“ Am Ende der Saison ist der Pitcher deutlich wortgewandter und hat mehr Cash in de Täsch. Und MJ ist der bessere Tischtennisspieler.


Doch auf jeden Glücksmoment kommt eine Menge Frust. Als nach einem Pick-up-Spiel mit Jordan jemand hyperventiliert und in die Notaufnahme eingeliefert wird, interessiert die Ärzte und Krankenschwestern nur eines: „Wie ist es, mit MJ zu spielen?“ Der bekommt in seinem Job langsam Probleme. Von anfangs 32,7 Prozent stürzt seine Schlagquote steil ab. Batting-Coach Mike Barnett hatte es befürchtet, wie er später erzählt: „Ich wartete nur darauf, dass die Pitcher aufhören würden, ihm Fastballs zu servieren, und Ende April taten sie das.“ Mit schnellen Bällen kann Jordan gut umgehen, mit angeschnittenen nicht. Am 29. Juli liegt seine Quote bei miesen 18,6 Prozent. Unter der berüchtigten „Mendoza-Schwelle“ von 20 Prozent, der

Ein Fakt, den Mike Barnett eingeordnet wissen will: „Michael hat fünf Mal pro Tag trainiert. Seine Hände waren blutig und voller Blasen, seine Intensität war unvergleichlich.“ Und auch Jordans Statistiken seien so schlecht nicht: „Vergesst seinen Batting Average. Schaut auf die 51 RBIs – wenn es drauf ankam, lieferte er. Und er konnte praktisch fliegen!“ RBIs sind „Runs Batted In“, das heißt: Während die Gegner Jordans Bällen hinterherhechteten, schafften es 51 Mitspieler zurück zur Homeplate. MJ selbst „stahl“ 30 Bases, das heißt, er machte wieder und wieder unter hohem Risiko Strecke. Nur vier Spieler der gesamten Liga hatten mehr. Curt Bloom kommentiert die Spiele der Barons heute wie damals fürs Radio. Er sagt: „Ich sah, wie er vor meinen

Michael Jordan hängt nach dem langen Sommer noch ein paar Spiele in der Offseason-Liga AFL mit den Scottsdale Scorpions dran (Schlagquote nun: 25,2 Prozent). Nach wenigen Wochen Winterpause stürzt er sich mit deutlich muskulöseren Armen in sein zweites Spring Training mit den White Sox. Am 02. März 1995 allerdings stürmt er Hals über Kopf aus dem Camp. Sein Privatjet wackelt als Abschiedsgruß nochmal mit den Flügelspitzen – dann ist das BaseballExperiment beendet. Am 18. März erscheint die berühmteste Pressemitteilung aller Zeiten – kompletter Text: „I’m back“ –, am Tag darauf läuft er wieder für die Bulls auf. Diese Entscheidung hat diverse Gründe: Erstens befinden sich die MLBProfis im Lockout, und MJ fühlt sich dazu gedrängt, als Streikbrecher aufzutreten. Zweitens hat er das Gefühl, den Traum seines Vaters realisiert zu haben. Drittens ist ihm bewusst geworden, dass er immer im Fokus der Medien stehen wird – und dass er damit als Basketballer besser umgehen kann als im Baseball, wo diese Aufmerksamkeit absolut unverhältnismäßig ist. Viertens hat er wieder Bock auf Basketball nach dem Abschiedsspiel für das alte Chicago Stadium am 09. September 1994 (52 Punkte). Fünftens ist so auch der Dreh von „Space Jam“ kein Problem, der komplette Zeitplan richtet sich nach ihm.

Fotos: Jonathan Daniel/Jim Gund/Getty Images

Sperre?

absoluten Untergrenze für Kompetenz. Wer in seiner jeweiligen Liga so schlecht trifft, hat dort nichts verloren. Punkt. Einen Tag später gelingt Jordan beim 354. Antritt als Batter der ersehnte erste Homerun. Fast 14.000 Zuschauer rasten aus, als MJ um die Bases zurück zur Homeplate trabt. Dort zeigt er in den Himmel: Dad, das ist für dich! Am Tag darauf wäre sein Vater 58 geworden. „Ich wünschte, er wäre hier gewesen, um das zu sehen“, sagt MJ danach. „Aber dass er es gesehen hat, weiß ich.“

Blut und Blasen

Es bleibt ein seltener Höhepunkt. Am Saisonende sind 127 Spiele gespielt, Jordan hat 114 Strikeouts hinnehmen müssen, drei Homeruns geschafft und nach einem starken Endspurt wenigstens 20,2 Prozent seiner Schläge getroffen. Der schlechteste Hitter der gesamten Southern League bleibt er.

Augen ein amtlicher Baseballspieler wurde.“ Bloom ist sich sicher, dass Jordan nach einer oder zwei weiteren Saisons in der MLB gelandet wäre. „Er konnte rennen, verteidigte gut und wäre damals vor allem spät im Spiel eine gute Wahl gewesen. Pitcher und Catcher waren nervös, wenn sie ihm gegenübertraten.“ Steve Wulf, der Autor der hämischen „SI“-Coverstory, sagt rückblickend: „Ich hätte nicht noch mehr danebenliegen können.“ Seinen Irrtum habe er bereits im August 1994 eingesehen und einen großen Entschuldigungs-Text geschrieben, den die „Sports Illustrated“ aber nie druckte. Barons-Manager Terry Francona, der später zwei World-Series-Titel mit den Boston Red Sox gewinnen sollte, sagt: „Mit 1.000 weiteren Antritten an der Homeplate hätte er es in die Major League geschafft. Vielleicht nur als Ersatzspieler, wer weiß. Aber er hätte einen Weg gefunden.“

Trotz alledem fragen sich viele bis heute, was der wahre Grund für MJs Ausflug zum Baseball gewesen ist. Weshalb er wirklich den mit seiner Person quasi synonymen Sport verließ … in seiner Hallof-Fame-Rede drohte er sogar, vielleicht noch als 50-Jähriger professionell spielen zu wollen. Nicht nur als Running Gag kursiert die Theorie, dass MJs Ausflug zum Baseball nichts weiter gewesen sei als ein Deckmantel für eine anderthalbjährige NBA-Sperre wegen seines Hangs zum Glücksspiel, die niemals offiziell als Sperre bezeichnet wurde. Win-win. Dafür gibt es Indizien, als stärkstes (!) gilt Jordans Halbsatz während seiner Pressekonferenz zum Abschied von den Bulls: Ein Comeback könne er sich durchaus vorstellen, „falls David Stern mich zurück in die Liga lässt“. Geheimbotschaft oder simpler Gag? Möglich ist vieles. Grundsätzlich aber darf man auch einem Michael Jordan mit seinen wohlbekannten Charakterschwächen – zumal nach dem Mord an seinem Vater – ganz menschliche Anwandlungen zugestehen, wie Müdigkeit und Verlorenheit, Nostalgie, Sentimentalität und eine ganz besondere Art von Mut. Den Mut, dorthin zu gehen, wo es wehtut. redaktion@fivemag.de

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KRIEG UND FRIEDEN

Zwar hat Leo Tolstoi in seinem Hauptwerk nicht über Michael Jordan geschrieben, der Widerspruch im Titel trifft Jordans Karriere aber ganz gut: Mit den Detroit Pistons und deren „Bad Boy“-Attitüde hatte MJ drei Jahre in Folge zu kämpfen, ehe er im vierten Jahr seinen Frieden fand – indem er nicht mehr durch Detroits „Jordan Rules“ zu stoppen war. Was zeichnete jene Regeln aus? Text: Manuel Baraniak 68


Fotos: Andrew D. Bernstein/Nathaniel S. Butler/ NBAE/Allen Einstein/NBAE via Getty Images

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Wie die Kelten, so die Kolben

ückblickend wird vieles verklärt. Das Gehirn eines Menschen konstruiert nun mal Vergangenes neu – davon ist auch der NBAKosmos nicht ausgenommen. Was die „Früher war alles besser!“Fraktion zuletzt gerne herangezogen hat (zumindest bis zu den Finals 2019): Die Golden State Warriors würden die Liga kaputtmachen, schließlich versammelten sich zu viele Stars in einer Mannschaft. Überhaupt diese Superteams … ein Makel der Moderne! Dass es schon wenige Jahre nach Beginn der NBA ein Superteam wie das der Boston Celtics um Bill Russell gab und dass im Grunde jedes Jahrzehnt (mit Abstrichen die 70er Jahre) von Dynastien geprägt wurde, welche vor All Stars oder sogar Hall of Famern nur so strotzten, wird dabei oft gerne vergessen. In einem Punkt haben die vermeintlichen Verklärer aber recht: Die Rivalitäten von früher hatten durchaus mehr Substanz. Es schwangen Fäuste (gut, früher war auch manches schlechter) wie Animositäten gleichermaßen mit. So verdienten sich

Um diese auf Jordan ausgerichtete Defensivstrategie einzuordnen, muss etwas zurückgegangen werden – in die kollektive Psyche der Pistons. Noch ehe die Kolben als Ost-Krösus galten und 1989 sowie 1990 zwei Meistertitel gewannen, bissen sie sich an Dynastien die Zähne aus: den Los Angeles Lakers um Magic Johnson sowie den Boston Celtics um Larry Bird. Die Kelten waren in der zweiten Runde 1985 und in den Eastern Conference Finals 1987 noch eine Nummer zu groß für Detroit, ein Jahr später entthronten die Pistons im Osten die Celtics schließlich. In der zweiten Playoff-Runde 1988 hatten die Pistons dabei Chicago nach fünf Spielen aus der Endrunde geworfen. „Die Pistons behandelten die Bulls auf die gleiche Weise, wie es die Celtics mit ihnen selbst getan hatten: Sie waren der Meinung, dass diese jungen Kerle nicht wussten, was es braucht, um den Titel zu holen“, hat der mittlerweile verstorbene Sportjournalist Bryan Burwell einmal einen Vergleich zwischen den Bulls und Pistons gezogen.

die Detroit Pistons um Isiah Thomas, Joe Dumars, Vinnie Johnson, Dennis Rodman, Rick Mahorn und Oberbösewicht Bill Laimbeer sowie Adrian Dantley bzw. Mark Aguirre (so liest sich doch auch ein Superteam) ab Mitte der 1980er Jahre den Spitznamen „Bad Boys“. Eine besondere Rivalität war die mit den Chicago Bulls – lief in deren Reihen mit Michael Jordan doch ein individueller Einzelkönner auf, welcher anfänglich aber auch eine gewisse Kritik als Egozocker nach sich zog. In vier Jahren in Folge, von 1988 bis 1991, standen sich die Bulls und Pistons in den Playoffs gegenüber. Wie sehr die Pistons befürchtet hatten, dass MJ an ihrem Ost-Thron rütteln würde? Sie erfanden im Lauf jener Rivalität die sogenannten „Jordan Rules“, um den Bulls-Stars offensiv in Schach zu halten und „Air Jordan“ – oft unsanft – wieder auf den Boden zu bringen.

Physische Härte und psychische Stärke waren den „Bad Boys“ also noch nicht von Anfang an einverleibt. So erklärt Isiah Thomas in der „30 for 30“-Reihe von ESPN, wie schwer es für die Pistons war, die Celtics zu schlagen: „Jedes Mal, wenn Larry Bird den Ball bekam, hatten wir ziemliche Angst. Meine Schwiegermutter gab seinem Sprungwurf den Spitznamen ,Silent Death‘ …“ Dies schneidet schon Birds Stärke als Trashtalker an, und natürlich konnte „Larry Legend“ dreckig spielen. Doch sein Spiel hatte Finesse, Magic war Teil der „Showtime“-Lakers, und nun eroberte ein Jungspund mit dem Spitznamen „Air Jordan“ die Liga, der Basketball auch als (Offensiv-)Kunst verstand. Dem stand das kollektive „Bad Boy“-Image aus der Detroiter Arbeiterstadt gegenüber. 1988 sollte Jordan seine erste von sechs MVP-Auszeichnungen der Hauptrunde einheimsen. Den Pistons

schenkte der damals 25-jährige Guard in der regulären Saison durchschnittlich 38,2 Punkte ein, im letzten Aufeinandertreffen in der Hauptrunde explodierte Jordan zu 59 Zählern! Als die Pistons und Bulls schließlich in der zweiten Runde der Playoffs aufeinandertreffen sollten, hatten Coach Chuck Daly und dessen Assistenten natürlich ihre Defensivstrategie um Jordan ausgelegt. Doch so wirklich greifen sollten die „Jordan Rules“ erst ein Jahr später im vollen Umfang …

Der Teufel steckt im Detail

„Joe Dumars und ich telefonierten stundenlang und sprachen über die Nummer 23 in Rot“, erinnert sich Isiah Thomas in der ESPN-Doku – ohne Jordan namentlich zu nennen. Sie sprachen, nachdem die Pistons – als Vorjahresfinalist und bilanzbestes Team des Ostens – das dritte Spiel in Chicago mit 97:99 verloren hatten und mit 1-2 in der Serie zurücklagen. Thomas saß dabei stundenlang am Ufer des Lake Michigan. Brendan Suhr, einer der damaligen Assistant Coaches der Pistons,

führt fort: „Um zwei Uhr morgens bekomme ich einen Anruf – es ist Isiah. Und er sagt: ,Ich habe endlich herausgefunden, was wir tun müssen, um Jordan zu stoppen!‘“ Und wie die Pistons Jordan – für seine Verhältnisse – stoppten: Im vierten Spiel hielten die Gäste Chicagos Topscorer bei fünf von 15 Würfen aus dem Feld (nur einmal hatte Jordan bis dahin in einem Playoff-Spiel schlechter aus dem Feld abgeschlossen) und „nur“ 23 Zählern. Nachdem Jordan im ersten Viertel mit zwölf Punkten noch wie gewohnt warmgelaufen war, blieb er in den nachfolgenden 20 Minuten ohne Korberfolg – die Pistons waren zu diesem Zeitpunkt auf 23 Zähler Differenz enteilt. Was machten die Pistons gegen Jordan also anders? „Wenn er auf die Toilette geht, gehen wir alle mit ihm“, soll Daly im Vorfeld der Partie mit einem Schmunzeln gesagt haben. Damals hatten die Pistons die

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Fotos: Andrew D. Bernstein/Nathaniel S. Butler/ NBAE/Allen Einstein/NBAE via Getty Images

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Existenz jener Regeln abgestritten, womit der Begriff der „Jordan Rules“ seitens der Medien eingeführt wurde. Aber im Ernst: Generell wollten die Pistons Jordan sehr physisch decken. Hinter dem starken Guard-Verteidiger Joe Dumars standen per Doppeln oder in der Help-Defense vor allem kantige Big Men wie Bill Laimbeer, Rick Mahorn, John Salley oder James Edwards bereit, um Jordan eine mitzugeben. MJ sollte lieber 13 Mal an die Freiwurflinie gehen – wie er das in den Ost-Finals 1989 im Schnitt tat –, als aus dem Feld zu leichten Würfen bzw. in einen Rhythmus zu kommen. „Der einzige Weg, ihn beim Drive in die Zone zu bremsen, war, ihn zumindest auf den Gedanken zu bringen, dass er sich verletzen könnte“, blickt Greg Kelser, der für Fox Sports Heimspiele von Detroit kommentiert, auf die „Jordan Rules“ zurück. Chuck Daly war gegenüber der „Sports Illustrated“ einmal direkter: „Jedes Mal, wenn er an jemandem vorbeizog, mussten wir ihn treffen. Wir wollten nicht dreckig sein – ich weiß, einige dachten, wir waren es –, aber wir mussten einen Kontakt herstellen.“ Dennis Rodman war derweil der Hybrid-Verteidiger, der sowohl in der Help-Defense von den großen Positionen

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Rules

zum Doppeln kam als auch direkt Jordan übernahm. Dies war nach der Physis ein zweiter Punkt der „Jordan Rules“: Die Pistons wollten gegen MJ unterschiedliche Verteidiger stellen. Dumars bekam stets die primäre Aufgabe zugeteilt, aber auch Vinnie Johnson – wenn Dumars auf der Bank Platz nahm – oder Isiah Thomas übernahmen neben Rodman die Bewachung von „Air“. Der Detroiter Sportjournalist Terry Foster stellt vor allem die Kombination Dumars/Rodman heraus: „Joe Dumars hatte einen massiven Körper – er stand Jordan meist im Gesicht, hatte ihn direkt verteidigt und in eine bestimmte Richtung gedrängt. Rodman hat immer versucht, in seinen Kopf zu gelangen und ihn zu berühren, mit seinem Ellbogen umherzuschlagen – einfach physisch zu sein.“ Dumars’ herausgestelltes Defensiv-Paket, Jordan in eine bestimmte Richtung zu lenken, schneidet einen dritten, eher taktischen Punkt der „Jordan Rules“ an. Hierbei hatten die Pistons drei Aspekte im Sinn (siehe Grafiken). Letztlich gewannen die Pistons nicht nur das vierte Duell der Ost-Finals, sondern auch die restlichen zwei Spiele der Serie, um in die Finals einzuziehen. In der fünften Begegnung kam Jordan nur auf 18 Zähler, während er sich im „Do or Die“-

Spiel immerhin mit 32 Punkten gegen das Saisonende stemmte. Warum hatte Jordan bei so viel Fokus auf ihn nicht mehr auf seine Mitspieler gesetzt? Nun, ein Scottie Pippen oder Horace Grant in ihrem jeweils zweiten NBA-Jahr waren damals noch nicht die All Stars, die sie später werden sollten. Zudem besaß Jordan damals noch eine gewisse „Ich gegen den Rest der Welt“-Mentalität, wie Bill Laimbeer nacherzählt: „Er würde den Ball nicht rechtzeitig herauspassen. Er würde jede Option ausschöpfen, um selbst zu punkten. Wir wussten: Wenn wir ihn kontrollieren, haben wir schon gewonnen.“ Auch Phil Jackson, 1989 noch Assistent, in der darauffolgenden Saison dann Headcoach Chicagos, stimmt über den jungen Jordan zu: „Michael wollte alles alleine machen. Er versuchte, alle Punkte zu erzielen – das hat letztlich gegen ihn gespielt.“ Über die 1989er Serie gesteht Jordan in der „30 for 30“-Reihe ein: „Ich war physisch nicht bereit. Ich hatte nicht die Energie, dagegen anzukommen.“ Damit schneidet Jordan einen vierten Punkt der „Jordan Rules“ an: Die PistonsOffense versuchte, Jordan defensiv arbeiten zu lassen und über dessen Gegenspieler zu gehen. Neben Thomas und Dumars hatte Detroit im Backcourt mit Vinnie Johnson einen weiteren starken Scorer zur Verfügung, der nicht ohne Grund den Spitznamen „Microwave“ trug. In den 1989er Playoffs legte jenes Trio zusammen 50 Punkte pro Spiel auf. „In diesem Sommer [von 1989] hatte ich wirklich ernsthaft begonnen, meinen Körper aufzubauen und mich für diese harte Gangart zu wappnen“, führt Jordan aus. In den 1990er Playoffs standen sich beide Teams erneut in den Ost-Finals gegenüber, diesmal bis in ein siebtes Spiel. Hätte Scottie Pippen damals keine Migräneattacke gehabt und nicht nur einen seiner zehn Feldwürfe verwandelt … wer weiß, wie die Begegnung dann ausgegangen wäre. Wobei Isiah Thomas diesen Konjunktiv nicht gelten lassen würde, wenn er in einem Liga-Feature zur PistonsBulls-Rivalität selbstsicher zum siebten Spiel erzählt: „Ich dachte, es würde ein Spaziergang werden – weil sie mental nicht stark genug waren, um auf unserem Level zu agieren.“ Denn so sehr die „Jordan Rules“ auf eine physische Verteidigung bauten, so sehr waren sie auch eine mentale Strategie. „Sie waren so darauf bedacht zu zeigen, dass sie Männer waren, physisch sein konnten und nicht zurückweichen würden, dass sie gar nicht daran dachten, wie sie taktisch gegen uns vorgehen und uns schlagen würden“, erklärt Dumars, wie sehr seine Mannschaft die Bulls aus dem Konzept gebracht hat.


„Was mich wirklich frustriert hat: Sie spielten nach ihren ,Jordan Rules‘, versuchten mich zu doppeln oder zu trippeln, damit andere Spieler sie schlagen – wir wussten, was passieren würde, aber konnten sie dafür dennoch nicht bestrafen“, blickt Jordan zurück. „Wir lernten, dass es etwas mehr bedarf als nur den Wunsch. Wir mussten unseren Kopf benutzen und das andere Team geistig überlisten.“

Meistermacher Triangle

Mit Phil Jacksons Beförderung zum Headcoach war ein Mittel dieses Überlistens die „Triangle-Offense“. Sie verlieh der Bulls-Offensive mehr Struktur und entlastete Jordan, der in den ersten Playoff-Duellen mit Detroit meist den Ball bringen und die Offensive einleiten musste. Vor allem Pippen übernahm noch mehr Verantwortung. „Es war eine nette Theorie. Aber letztlich entwickelte sich Scottie Pippen zu Scottie Pippen – einem der besten Spieler der Liga. Als das passiert war, konnten wir sie nicht mehr schlagen“, gestand Chuck Daly später die Bedeutung des vielleicht besten Co-Stars aller Zeiten ein. Man braucht sich nur das erste Viertel des vierten Spiels der 1991er Ost-Finals anzusehen – da scheint es, als würden die Pistons eher nach den „Pippen Rules“ spielen. Per Sweep schalteten die Chicago Bulls in jenem

Jahr endlich die Detroit Pistons aus – der Rest ist NBA-Historie. So schnell die Pistons damals das Parkett verließen – die Reservisten noch vor der Schlusssirene (!) ohne Handshakes –, so schnell verblasste auch der Stern Detroits und ebenso der von Chuck Daly. „Die sogenannten ,Jordan Rules‘ sind vielleicht das Einzige, das ich zum Basketball beigetragen habe. Alles andere habe ich gestohlen“, schmunzelte Daly einmal. Wird also Vergangenes verklärt, wenn den „Jordan Rules“ zu viel Bedeutung beigemessen wird? „Es waren einfach viele Hilfen“, vereinfacht es Joe Dumars, sagt aber auch: „Es gibt den Da-Vinci-Code, die Formel für Cola-Cola … und die Jordan Rules.“ Vielleicht liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen, zudem kann das Ganze als Metapher für Jordans Privilegien umgedeutet werden. Aber ganz sicher haben sie für den Werdegang Jordans eine entscheidende Rolle eingenommen. „Diese Hürden waren schwer zu nehmen, aber ich bin sehr glücklich, durch solche Umstände gegangen sein zu müssen. Denn sie haben uns gelehrt, worum es beim Gewinnen geht“, misst MJ den Pistons große Bedeutung zu. Und auf die „Jordan Rules“ folgte: Jordan rules. redaktion@fivemag.de

DIE „JORDAN RULES“ Eine Agenda der „Jordan Rules“ war es, MJ in bestimmte Richtungen zu lenken. In den Grafiken deuten die weißen Pfeile an, wohin Jordan nicht kommen sollte, die gelben Pfeile zeigen den Wunsch der Pistons-Defense.

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In der Spielfeldmitte sollte Michael Jordan der Drive über rechts weggenommen werden – so weit, so naheliegend bei einem Rechtshänder. Joe Dumars, mit der Nummer vier, bot ihm also die linke Seite an.

2 40

4 23 11

Auf Höhe der Freiwurflinie am Flügel platziert, sollte Dumars Jordan nicht den Drive Richtung Baseline geben. In die Mitte gezwungen, würde meist ein Big Man wie Bill Laimbeer (40) in der Zone oder mitunter ein Guard wie Isiah Thomas (11) vom Weakside-Flügel zum Doppeln kommen. Teilweise wurde Jordan auch getrippelt.

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Mit dem Ball am Zonenrand sollte Jordan das Attackieren über die Baseline genommen werden, sei es nach einem Spinmove oder nach vorherigem Dribbling nach außen. In der Mitte würden erneut Detroits Big Men bereitstehen.

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MJ

Die

Triple-Post-Offense

Fotos: Andrew D. Bernstein/Nathaniel S. Butler/ NBAE/Allen Einstein/NBAE via Getty Images

DIE OFFENSE HINTER MJ

Die Triple-Post- oder TriangleOffense ist mit den Erfolgen Michael Jordans untrennbar verbunden. Doch was steckt hinter diesem legendären Offensivsystem? Text: Jens Leutenecker 72


B

oston Garden, 20. April 1986 – die Chicago Bulls, das viertschlechteste NBA-Team der Regular Season, haben es aufgrund einer äußerst schwachen Eastern Conference mit lediglich 30 Siegen (!) in die Playoffs geschafft. Zweitjahresprofi Michael Jordan konnte aufgrund eines Mittelfußbruches nur 18 Partien für Chicago absolvieren, legt zum Auftakt der Serie gegen die haushoch favorisierten Boston Celtics jedoch 49 Punkte auf. Es reicht zwar nicht für einen Sieg, aber die erste Duftmarke ist gesetzt. Im legendären zweiten Aufeinandertreffen ist MJ dann nicht mehr zu stoppen: 63 Punkte erzielt er, trifft 22 seiner 41 Abschlüsse aus dem Feld und 19 von 21 Freiwürfen! Dabei ist er fast gänzlich auf sich allein gestellt, von einer ausgeklügelten Teamoffensive kann keine Rede sein. Der Ball geht zu „Air Jordan“, und der läuft die Show! Die BullsTeamkollegen Orlando Woolridge, Sidney Green & Co. können jedoch selbst gut vorbereitete Wurfmöglichkeiten nicht verwandeln, sodass die Mannschaft von Coach Stan Albeck nach der 131:135-Niederlage nach Verlängerung nur 15 Assists vorzuweisen hat! „Über Jahre hinweg haben mich viele als Individualkünstler und nicht als Teamspieler gesehen, weil ich viele Punkte erzielt habe“, schreibt Michael Jordan in seiner Autobiografie „Driven from within“. „Ich habe zu dieser Zeit aber nur meine Rolle erfüllt. Ich musste punkten, damit wir eine Chance hatten, das Spiel zu gewinnen.“ Die frühen Chicago Bulls unter den Cheftrainern Stan Albeck und Doug Collins haben einen Plan A, und der lautet: „Pass den Ball zu MJ.“ In der Presse wird Chicago bereits als „Jordan and the Jordanaires“ tituliert, und die Zahlen bestätigen die Abhängigkeit vom zehnfachen NBA-Scoring-Champ: In den ersten sechs Spielzeiten bis 1990 erzielen die Bulls mit Jordan auf dem Feld ganze 14 Punkte mehr auf 100 Angriffe – ohne ihn sind sie bei genau gleich vielen Punkten wie der Gegner. Etwas mehr als 14.000 Zähler (32,8 Punkte pro Spiel) stehen in diesen sechs NBA-Jahren auf MJs Statistikbogen.

Der „Jordan Rules“-Konter

Palace of Auburn Hills, 03. Juni 1990 – die „Bad Boys“ der Detroit Pistons gewinnen das siebte Spiel der Eastern Conference Finals und werfen die Chicago Bulls damit zum dritten Mal in Folge aus den Playoffs. Im zweiten Viertel bekommen die Bulls um Rookie-Headcoach Phil Jackson ihre neu installierte „Triple-Post-“ bzw. „Triangle-Offense“ gegen die aggressive Pistons-Verteidigung nicht organisiert. Ballverluste, schlechte Würfe, hektische Entscheidungen – Isiah Thomas, Joe Dumars, Dennis Rodman

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Fotos: Andrew D. Bernstein/Nathaniel S. Butler/ NBAE/Fernando Medina/Juan Ocampo/NBAE via Getty Images

MJ

Die

& Co. überrollen die Bulls mit 31:14 im zweiten Durchgang! „Doug Collins war von der Triangle-Offense nicht so überzeugt wie ich“, schreibt Phil Jackson in „Eleven Rings“. „Er ließ die Spieler ein Repertoire an 40 bis 50 Spielzügen einüben und veränderte diese ständig. Er hat dann die Plays von der Seitenlinie angesagt, basierend auf dem, was er auf dem Feld sah. Dieser Coaching-Stil ist für die NBA nicht unüblich und passte gut zu Doug. Das Problem war jedoch, dass die Spieler dadurch sehr abhängig von seinen Ansagen waren und sein Stil von vorneherein jeden Spieler außer Michael zu einem Nebendarsteller machte.“ Der Bulls-Angriff gleicht vor Jackson eher dem heutigen Iso-Ball der Houston Rockets – mit einem kleinen, aber feinen Unterschied: Die beiden Big Men Horace Grant und Bill Cartwright versperren MJ regelmäßig den Drive zum Korb und limitieren somit seine Spielmacher-Fähigkeiten. Die NBA ist in jener Zeit geprägt vom kraftvollen Spiel – Power ist King! Neben Jordan sind Karl Malone, Patrick Ewing, Dominique Wilkins und Charles Barkley die herausragenden Scorer. Ohne einen massiven Centerspieler oder kraftvollen Power Forward kommt ein Team defensiv in große Probleme – da hilft auch ein gutes Offensiv-Spacing nicht weiter. Scottie Pippen reift in der Triangle-Offense mit seinen breit gefächerten Fähigkeiten aus exzellenter Defense, Spielmacher- und Scoringqualitäten in seiner dritten Saison zum All Star. 16,5 Punkte, sieben Rebounds und fünfeinhalb Assists sind genau das, was die Bulls in der Saison 1989/90 von dem 24-Jährigen benötigen. „Die Triangle-Offense wurde im Laufe der Jahre unsere erste Waffe“, erinnert sich Pippen. „Wir haben uns gut gefühlt, wenn wir den Ball einfach ins Spiel gebracht haben. Jeder hat sich auf seine spezielle Position begeben, auf der er sich wohlfühlte. Jeder war glücklich, und Michael hat immer häufiger seine Würfe bekommen. Dadurch hatten wir eine bessere Balance, konnten den Fastbreak besser verhindern und wurden somit ein besseres Defensivteam.“ Dabei war Michael Jordan am Anfang noch ziemlich skeptisch und äußerte sich einem Reporter gegenüber mit dem knappen Kommentar: „I’ll give it two games.“ Aus zwei Spielen Testphase wurden sieben erfolgreiche Triple-PostSpielzeiten mit dem „Erfinder“ Tex Winter als Jacksons Assistenztrainer. 55 Siege bedeuten 1989/90 den dritten Platz in der Eastern Conference, erstmals haben die Bulls ohne Jordan auf dem Feld ein deutlich positives Net-Rating. Die Triangle-Offense war nicht zuletzt eine Antwort auf die überharte Spielweise der „Bad Boys“ aus Detroit, die Jordan in den vorangegangenen Jahren

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Triple-Post-Offense

regelmäßig mit harten Fouls auf den Boden der Tatsachen gebracht hatten. Die sogenannten „Jordan Rules“ waren rein spieltaktisch gesehen keine Glanzleistung, jedoch gegen die Isolation-Offensive der Doug-Collins-Bulls die ideale Lösung. Jordan schlägt seinen Gegner im Eins-gegen-eins am Flügel, und die Pistons hauen ihn in der Zone um, bis MJ entweder keine Lust mehr darauf hat oder sich verletzt – Power ist King! In Jacksons Angriff agiert Jordan jedoch häufiger abseits des Balles, und die Mitspieler, nicht zuletzt Pippen, übernehmen die Organisation der Offensive. Dadurch rutscht Jordan mehr in die Rolle des Finishers statt des Kreativspielers – 33,6 Punkte bei über 52 Prozent Trefferquote aus dem Feld und dafür deutlich weniger Assists bestätigen die neue Spielauffassung. Trotzdem: Es reicht nicht ganz für Chicago, um den World Champion vom Thron zu stürzen. Die Bulls verfügen über einen Plan A mit dem besten Scorer der NBA-Geschichte und über einen guten, aber nicht exzellenten Plan B mit der Triangle-Offense. Lediglich 74 Punkte stehen am Ende des siebten Spiels auf dem Scoreboard, Chicago kann die vielen Tricks und Kniffe der Triple-Post-Offense nicht unter höchstem Druck umsetzen – jedenfalls noch nicht!

Threepeat

America West Arena, 09. Juni 1993 – die Chicago Bulls stehen zum dritten Mal in Folge in den Finals und können im ersten Spiel den Grundstein für einen möglichen Threepeat legen. „Nachdem wir die ersten beiden Titel hintereinander gewonnen hatten, war der Threepeat der einzige Grund für mich, zurückzukommen. Larry Bird und Magic haben das nicht geschafft“, schreibt Michael Jordan 2005. „Es gab viel Neid am Ende der dritten Meisterschaftssaison, die Harmonie war nicht gut, und ich war einfach am Ende meiner Kräfte.“ Die Bulls der Vorsaison (1992) verfügten über drei großartige Taktikpfeiler, erstens „His Airness“, zweitens die Triangle-Offense und drittens eine bärenstarke Verteidigung. Mit 67 Siegen spielten MJ, Pippen & Co. die bilanztechnisch siebtbeste NBA-Saison aller Zeiten und setzten sich in den NBAFinals gegen die Portland Trail Blazers mit 4-2 durch. Ganze zehn Siege weniger können die Bulls 1992/93 verbuchen, besonders in der Regular Season kriselt es ein wenig beim Serienmeister. Den Osttitel gewinnen sie jedoch souverän mit elf Siegen und zwei Niederlagen. Charles Barkley, der amtierende NBA-MVP, empfängt mit seinen Phoenix


DIE TAKTIKGRUNDLAGEN DER TRIANGLEOFFENSE

Suns die Chicago Bulls und trifft insbesondere im ersten Viertel auf einen zurückhaltenden Michael Jordan. Nur fünf Wurfversuche stehen symptomatisch für das Spiel der Chicago Bulls in jener Zeit. „Ich bin ein Pokerspieler“, sagt Jordan. „Ich möchte zuerst die Karten des Gegners sehen. Viele zeigen dir früh im Spiel, wie sie heute spielen werden. Sie sind gehypt und spielen überaggressiv und zeigen ihre Karten zu früh. Ich schaue mir das erst mal an und beobachte, in welche Richtung sich die Partie entwickelt. Du wusstest, dass ich explodiere. Du wusstest nur nicht, wann und wie ich explodieren werde. Aber du konntest dir verdammt sicher sein, dass ich explodieren werde!“ Chicago erspielt sich dank guter Ballbewegung mit Centerspieler Cartwright und exzellenter Verteidigungsarbeit eine 34:20-Führung nach dem ersten Viertel. Zwei von drei Feldkörben geht beim 100:92-Auswärtssieg ein Assist voraus, insgesamt 28 Korbvorlagen zeugen von überragendem Zusammenspiel, und MJ explodiert in der zweiten Hälfte für insgesamt 31 Punkte. Die Bulls bestimmen den Rhythmus des Spiels, nicht zuletzt mit ihrer konstanten Pressverteidigung erinnern sie in der Rückschau an die Toronto Raptors 2019 mit Kawhi Leonard: unorthodoxe Verteidigungsvarianten, sehr viel Energie von den Bankspielern, eine ausgeglichene Offensive und ein überragender Einzelakteur.

Perfektion

KeyArena, 09. Juni 1996 – ihr erstes Heimspiel der NBA-Finals 1996 hatten sich die Seattle SuperSonics ganz anders vorgestellt. 38:62 lautet der Halbzeitstand, eine absolute Machtdemonstration der Chicago Bulls steht symbolisch für jene Spielzeit. 72 Siege in der regulären Saison bedeuten einen neuen NBA-Rekord, bis zur dritten Partie der Finals verlieren die Bulls nur ein Playoffspiel. Von Partie zu Partie erarbeiten sich die neu formierten Chicago Bulls in der Regular Season weitere

Lösungsvarianten der Triangle-Offense und gewinnen ihre Spiele im Schnitt mit mehr als 13 Punkten Unterschied! „Die Triangle-Offense ist tatsächlich einfacher als die der meisten NBA-Teams heutzutage“, schreibt Phil Jackson. „Das Beste ist, dass sie automatisch Kreativität und Zusammenspiel fördert und Spieler davon befreit, sich Dutzende Spielzüge zu merken. Wenn die Triangle richtig funktioniert, ist es fast unmöglich, sie zu stoppen, da niemand weiß, was als Nächstes passiert, noch nicht einmal die eigenen Spieler. Wenn man ihnen zu viele Vorgaben gibt, werden sie zu viel Zeit investieren, das System am Laufen zu halten. Wie wir alle benötigen Spieler einen gewissen Grad an Struktur im Leben, aber eben auch ausreichend Spielraum, um Kreativität auszudrücken.“ 30,7 Punkte, etwas mehr als vier Assists – in (fast) keinen anderen Playoffs erzielte MJ weniger Punkte und bereitete weniger Körbe vor als 1996. Scottie Pippen, Toni Kukoc, Luc Longley, Dennis Rodman, Steve Kerr, Ron Harper: Die Liste der erfolgreichen Rollenspieler ist extrem lang, jeder von ihnen weiß ganz genau, was er wann zu tun und zu lassen hat. Und der beste Spieler der Welt stellt sich für seinen vierten NBATitel in den Dienst der Mannschaft: Er kümmert sich zusammen mit Pippen höchstpersönlich um Gary Payton, legt ihn an die Kette und erzwingt unter anderem 53 Seattle-Ballverluste in den ersten drei Spielen (bei nur 40 Assists). Spätestens jetzt sind die Teamkollegen der Chicago Bulls nicht mehr die „Jordanaires“, sondern ein fester Bestandteil des möglicherweise besten Basketballteams aller Zeiten. Dazu gehört ein Michael Jordan, der jederzeit mit individuellen Glanzleistungen explodieren, aber eben auch die individuellen Bedürfnisse dem Teamerfolg und der Triangle-Offense unterordnen kann. Denn eine Sache erlaubt Michael Jordan sich und seiner Mannschaft einfach nicht: verlieren! redaktion@fivemag.de

Die Triangle-Offense (oder auch „TriplePost-Offense“) basiert auf konstanten Spieler- und Ballbewegungen und ist eine kontinuierliche Offensive, die theoretisch endlos weiterlaufen könnte. Die Spieler sind aufgefordert, immer wieder Passdreiecke zu bilden und sinnvoll aufeinander zu reagieren. Dabei wird der Ball sehr häufig an den Zonenrand gebracht, um den Gegner mit dem Inside-Outside-Spiel zu Fehlern zu zwingen. Michael Jordan nutzte häufig das Postup-Spiel mit dem Rücken zum Korb, insbesondere gegen Ende seiner Karriere. Kobe Bryant bevorzugte den „Pinch Post“, also eine der beiden Ecken der Freiwurflinie, um sein Offensivspiel von dort aufzuziehen. LeBron James attackiert als herausragender Passgeber und explosiver Scorer ebenfalls häufig aus der PostupPosition im oberen Mitteldistanzbereich. Die Golden State Warriors haben Elemente der Triangle-Offense für ihren Angriff weiterentwickelt und mit Draymond Green einen fähigen PostupPassgeber gefunden. In den vergangenen Jahren verfolgen viele NBA-Teams eher das Konzept, vier Spieler an der Dreierlinie zu postieren, und besetzen selten zwei Postup-Positionen, da sie dadurch mehr Dreipunktewürfe generieren können. In fast jedem NBA-Playbook finden sich jedoch Elemente der TriangleOffense, wenngleich keine Mannschaft die von Tex Winter installierte Offensive ganzheitlich läuft.

Ihr wollt euch die Triangle-Offense von Phil Jackson, Tex Winter und B.J. Armstrong erklären lassen? Dann folgt einfach diesem Link … Link: https://bit.ly/ TriangleOFF

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MJ

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DIE FOTOS ZUR LEGENDE Michael Jordan spielte vor YouTube, vor UHD, vor Twitter, Facebook oder Instagram. Das ist okay. Die Faszination von „His Airness“ wird auch durch Fotos transportiert. Sie zeigen Ästhetik, Speed, Power, Killerinstinkt – genau wie seine Schuhe, die selbst zur Legende wurden. Fotos: Getty Images, Illustrationen: Yuka Takeuchi

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AIR JORDAN 01 +

NICKNAME: „NOTORIOUS“

DESIGNER: PETER MOORE

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Fotos: Nathaniel S. Butler/Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images


Fotos: Nathaniel S. Butler/Dick Raphael/Scott Cunningham/NBA/Getty Images

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AIR JORDAN 02 +

NICKNAME: „ITALIAN STALLION“

DESIGNER: BRUCE KILGORE UND PETER MOORE

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Fotos: Nathaniel S. Butler/Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

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AIR JORDAN 03 +

NICKNAME: „GOTTA BE THE SHOES“ DESIGNER: TINKER HATFIELD

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AIR JORDAN 04 +

NICKNAME: „TAKING FLIGHT“ DESIGNER: TINKER HATFIELD

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AIR JORDAN 05 +

NICKNAME: „THE FIGHTER“

DESIGNER: TINKER HATFIELD

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Fotos: Nathaniel S. Butler/Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images


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AIR JORDAN 06 +

NICKNAME: „PROMISED LAND“

Fotos: Nathaniel S. Butler/ via Getty Images

DESIGNER: TINKER HATFIELD

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AIR JORDAN 07 +

NICKNAME: „PURE GOLD“ DESIGNER: TINKER HATFIELD

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NICKNAME: „STRAP IN“

DESIGNER: TINKER HATFIELD

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Fotos: Dick Raphael/Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images


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AIR JORDAN 09 +

NICKNAME: „PERFECT HARMONY“

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Fotos: Noren Trotman/Andrew D. Bernstein/Jim Gund/Getty Images

DESIGNER: TINKER HATFIELD


AIR JORDAN 10 +

NICKNAME: „THE LEGACY CONTINUES“ DESIGNER: TINKER HATFIELD

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Fotos: Nathaniel S. Butler/Scott Cunningham/NBAE via Getty Images

AIR JORDAN 11 + NICKNAME: „CLASS ACT“

DESIGNER: TINKER HATFIELD

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Fotos: Nathaniel S. Butler/Scott Cunningham/NBAE via Getty Images

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AIR JORDAN 12 +

NICKNAME: „THE DYNASTY CONTINUES“ DESIGNER: TINKER HATFIELD

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SUMMER 2020


in-dre-ssant

MJ

bei

den

Wizards

In-Dré-ssant Aus Liebe

Michael Jordan kehrte im Jahr 2001 ein zweites Mal in die NBA zurück. Als Washington Wizard. Für viele ist das bis

Fotos:Jesse D Garrabrant NBAE/ Getty Images.

heute ein Sündenfall … Text: André Voigt

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egacy. Was bedeutet diese mittlerweile so gern gebrachte Vokabel eigentlich? Vermächtnis, Erbe, Hinterlassenschaft sagt das Englisch-Deutsch-Wörterbuch … oder auch Altlast. Folgerichtig wird im NBAKontext damit das beschrieben, was ein Spieler, Trainer oder Manager hinterlässt. Oder anders: an welches Narrativ wir uns erinnern, wenn wir über den Protagonisten nach dessen Karriere nachdenken. Bill Russell? Ist der ultimative Teamplayer und Gewinner. Kobe Bryant? Das überintensive, getriebene, kompromisslose Alphatier. Magic Johnson? Der immer lächelnde Zauber-PointGuard. Larry Bird? Das bauernschlaue Basketballgenie. Red Auerbach? Das Managerschlitzohr. Phil Jackson? Der philosophische Intellektuellentrainer. Interessanterweise beginnt das Nachdenken über das Erbe eines Spielers schon zu dessen athletischen Lebzeiten. Und dann in der Regel nicht vom Profi selbst, sondern von Fans sowie Medien. Meistens mündet die Diskussion dann im Streit darüber, wann ein Sportler denn aufzuhören habe. Wann der Punkt gekommen sei, ab dem er sein Vermächtnis – seine Legacy – beschädigt.

I’m back … again

Michael Jordan trat am 14. Juni 1998 auf die perfekte Art und Weise, im perfekten Moment ab … nur wusste er das damals noch nicht. Der Schubser gegen Bryon Russell, (der andere) „The Shot“. Meister geworden mit einem Buzzerbeater im letzten Spiel seiner Karriere. Der ultimative Abgang des ultimativen Basketballers. Bis er es eben nicht mehr war. Denn am 30. Oktober 2001 stand Jordan wieder auf dem Parkett der Association. Als Washington Wizard. In einem blauen Trikot. Nach dreijähriger Auszeit im Alter von 38 Jahren. Fans und Medien reagierten gelinde gesagt kritisch. Warum das Hollywood-Happy-End von 1998 mit einer Fortsetzung beschmutzen? Diese Wizards würden nie die Playoffs erreichen – MJ hin oder her. Diese letzte Runde traurigen Nicht-loslassen-Könnens würde für immer die Erinnerung an den wohl größten Basketballer aller Zeiten verwässern. Doch dann passierte etwas Unerwartetes auf dem Weg zum Sturz des Michael Jeffrey Jordan aus dem NBAOlymp: Er fand nicht statt. Niemand schaute sich „The Last Dance“ an und dachte auch nur eine Minute daran, dass die Geschichte von Jordan eine bessere wäre, hätte es die Wizards-Jahre nicht gegeben. Niemand verzichtete auf die zehn Teile MJ-Deep-Dive, weil er nicht aus dem Kopf bekommen konnte, wie Jordan in Blau oder Weiß noch mit Ende 30 über das NBAParkett lief.

Warum? Zum einen, weil es verdammt nochmal egal ist und einfach rückblickend angesichts dieser Karriere keine Rolle spielt. Zum anderen, weil die WizardsJahre … festhalten … ein Erfolg für Michael Jordan waren. Weil sie zeigten, wozu er fähig war. Weil sie aus dem wichtigsten Grund passierten, den es gibt: der Liebe zum Spiel.

Aus Liebe zum Spiel

Im Januar 2000 kehrte Jordan bereits in die NBA zurück. Damals noch als President of Basketball Operations der Washington Wizards. Für die sollte er nach Jahren des Misserfolgs mit seinem Basketballverstand wieder einen schlagkräftigen Kader zusammenstellen und durch seine Präsenz Free Agents anlocken. Als Gegenleistung könnte MJ über die fünf Jahre seines Vertrages bis zu 20 Prozent der Anteile der Wizards bekommen. Jordan erklärte bei Amtsantritt: „Ich werde nicht das Trikot der Wizards tragen. Ich habe eine Einstellung gegenüber meinem Spiel. Ich habe eine Einstellung gegenüber dem Gewinnen, und es ist meine Verantwortung gegenüber dieser Organisation zu sehen, ob ich diese Einstellung den Spielern vermitteln kann, die das Wizards-Trikot tragen.“ Dann passierte jedoch etwas erwartbar Unerwartetes … Jordan verspürte „the itch“. Es juckte ihn. Er sah die Wizards um Richard Hamilton, Christian Laettner und Popeye Jones gerade mal 19 Spiele gewinnen. MJ trainierte mit dem Team. Er spürte dieses Gefühl, das einem nur der Wettbewerb geben kann. Er draftete 2001 an erster Stelle Big Man Kwame Brown direkt aus der Highschool. Und dann … kam er zurück. „Ich kehre zu dem Spiel zurück, das ich liebe“, ließ er über sein Management am 25. September 2001 verkünden. „Die Chance, den jungen Spielern dabei zu helfen, ihre Fähigkeiten auf ein neues Level zu heben, sowie die Loyalität der Fans in Washington beeinflussten meine Entscheidung stark.“ Und diese Entscheidung war wohl schon viel früher gereift – bereits im Juni hatte er mit NBAProfis trainiert … und sich dabei von Ron Artest zwei Rippen brechen lassen. Es mag vielleicht ein kleines bisschen zu romantisch gedacht sein: Aber war das nicht der beste aller Gründe, um zurückzukehren? Schloss sich nicht mit dieser Entscheidung ein Kreis? Mitsamt der „For the love of the game“-Klausel in seinem Rookie-Vertrag, dem heimlichen Fünf-gegen-fünf nach seinem Fußbruch 1985, dem Versuch, Baseball zu spielen, und dem Comeback bei den Bulls? War es nicht die gleiche Liebe, die Kobe Bryant am Ende in L.A. antrieb, die Dirk Nowitzki 21 Saisons in Dallas abreißen ließ? Apropos Bryant: Roland Lazenby schreibt in seinem Buch „Michael Jordan: The Life“ darüber, dass Phil Jackson als

Coach der damals noch unerfahrenen Lakers Jordan sehr gerne als Mentor im Team gehabt hätte. „His Airness“ wurde jedoch ein Wizard. Und egal, was geschrieben und im US-Fernsehen stellenweise analysiert wurde: Michael Jordan lieferte in diesen beiden Jahren in D.C. ab.

40 mit 40

MJ war jetzt ein Small Forward, mit 38 Jahren einfach nicht schnell genug, um noch auf der Zwei zu funktionieren. In der ersten Saisonhälfte fand er sich in der „New York Times“ sogar in der MVPKonversation wieder. Warum? Weil nur Kobe Bryant und Jordan im Schnitt 25,0 Punkte sowie je 5,0 Rebounds und Assists auflegten. Er schenkte den Charlotte Hornets (die er zuvor kaufen wollte, was aber nicht gelang) 51 Punkte ein. Den Nets 45. Den Jazz 44. Den Suns 41. Den Cavs 40. Elf Mal lieferte Jordan 30 bis 39 Zähler. „His Airness“ absolvierte nur 60 Partien, bis ihn eine Knieverletzung ausbremste. Darunter einige magische Momente, die unterstrichen, dass das, was er dort zeigte, kein anderer Mensch in diesem Alter bringen konnte. MJ scorte, er teilte gern Trashtalk aus, er war in seinem Element. Er liebte es. Genau wie 2002/03. Als einziger 40-Jähriger erzielte er in einem NBA-Spiel mindestens 40 Punkte – bei einem 89:86 gegen den späteren Vizemeister aus New Jersey legte Jordan 43 Zähler auf. Die Nets stellten in dieser Saison die beste Defensive der Liga. Bei seinem letzten All-StarGame 2003 in Atlanta setzte er seinen patentierten Fadeaway über Shawn Marion zum vermeintlichen Gamewinner (der Osten verlor nach Verlängerung). All das mag nicht „The Last Shot“ übertreffen oder „The Shot“ über Craig Ehlo. Auf der Liste der MJ-Highlights, die beim Nennen seines Namens vor dem geistigen Auge ablaufen, mag sich kein einziges in einem Wizards-Trikot finden. Das ist okay. Fakt ist, dass mit diesen beiden Jahren in Washington rein gar nichts beschmutzt wurde. Im Gegenteil: Wer sich wirklich die Mühe macht, die Leistungen von 2001 bis 2003 einzuordnen, erkennt vielmehr, wie besonders Michael Jordan auch damals war. Jordan spielte genau aus den Gründen noch einmal Basketball, aus denen wir an keinem Ball vorbeigehen können, der unter einem Korb auf dem Boden liegt, ohne zu werfen oder wenigstens einen Leger zu machen. Ohne all die Momente, die Dunks, die Fadeaways, die Rekorde, die Milliarden bleibt bei Michael Jordan das, was uns alle verbindet: die Liebe zum Spiel. Wer sind wir, dass wir Menschen vorschreiben wollen, wann diese Liebe enden soll? dre@fivemag.de

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ivan beslic

ivan beslic Space Jam

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reunde, es ist gar nicht so lange her, dass die NBA schon einmal ihren Ligabetrieb aufgrund eines unbekannten Virus einstellte …. heute erzähle ich euch die Geschichte, wie Michael Jordan mit seinem Homie Bugs Bunny die NBA rettete. Dann lasst uns die verstaubte 90erVHS-Kassette mal wieder zurückspulen … Nachdem sich Jordan nach drei Titeln in Folge im Jahr 1993 vom Basketballsport verabschiedet, widmet er sich seiner ersten großen Liebe, dem Baseball. Obwohl er bei den Birmingham Barons eher mittelmäßige Leistungen abliefert, wird MJ weiterhin zu Recht von Fans als auch von Mitspielern gefeiert wie heutzutage Ärzte und Supermarktmitarbeiter. Damit es ihm an nichts fehlt, kümmert sich der tollpatschig-adipöse Stan als Presseagent um sein Wohl. Stan weiß, wie man mit Druck umgeht, schließlich wurde er Jahre zuvor im Jurassic Park noch von Dinosauriern gejagt …

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Zur selben Zeit liegen auf dem Mond beim Besitzer des Vergnügungsparks „Moron Mountain“ die Nerven blank. Der Park hat seine besten Zeiten hinter sich und befindet sich in der Krise. Der geldgeile Boss Swackhammer braucht dringend neue Publikumsmagnete, um das Geschäft wieder anzukurbeln. Die Lösung all seiner Probleme liegt auf der Erde … in Form von Bugs Bunny und dessen Homies, den Looney Tunes. Also schickt er kurzerhand seine fünf verballerten Zwerggehilfen, die Nerdlucks, auf die Erde, um die Toons zu entführen. Bugs merkt schnell, dass mit den schwerbewaffneten Schrumpelwürmern nicht zu spaßen ist, und ruft schnurstracks eine Notstandsversammlung der Trickfigurengewerkschaft zusammen. Glücklicherweise überreden die Looney Tunes die Hohlbirnen vom Mond, das Ganze bei einer Partie Basketball auszuzocken, schließlich müssen sie ihnen die Chance geben, sich zu verteidigen. Zu kurze Arme, noch kürzere Beine, keine Sprungkraft und die genetischen Eigenschaften einer Steckrübe? Bugs’ Denke ist klar: So gewinnen die Nerdlucks bestimmt kein Basketball-Game. Aber die Würmer haben ihren eigenen Plan: Sie stibitzen in der NBA mit einem ehrenlosen Trick die Talente von Charles Barkley, Larry Johnson, Muggsy Bogues, Shawn Bradley und Patrick Ewing. So wird aus den Winzlingen eine furchteinflößende Truppe riesiger Bad Boys – die Monstars. #MeanTeam Bei dieser gegnerischen Übermacht hilft auch kein schießwütiger Yosemite Sam. Es ist Zeit für schwerere Geschütze: „His Airness“ muss her! Während MJ bei einer Golfpartie mit seinen engen persönlichen Freunden Larry Bird und Bill Murray auf dem Green chillt, machen die Toons kurzen Prozess und ziehen ihn durch ein Golfloch zu sich nach Toonland. #HoleInOne Es gibt bestimmt Leichteres, als den größten Baller ever zu überreden, mit Zeichentrickfiguren gegen mutierte Aliens zu zocken, doch MJ erkennt den Ernst der Lage und nimmt die Challenge an. Nachdem die Bruchbudenhalle vom jecken TAZ mit viel Spucke wieder limonenfrisch und spieltauglich gemacht wird, geht’s los. Die Skills der Toons sind überschaubarer als der derzeitige Quarantäne-Radius, aber zum Glück kommt die heiße Lola zum Probetraining, denn das Häschen hat Game in den Hasenpfoten. #WomanCrushEverday Das Game der Monstars gegen den Tune Squad ist das meistgehypte Event seit der Mondlandung, schließlich spielt man ja nicht

alle Tage gegen die Versklavung des eigenen Volkes und Planeten. Begleitet von trashigen EurodanceBeats und mit 11er-Space-Jams an den Füßen sowie einer vollen Homecrowd im Rücken geht es zum Anpfiff – doch es fängt denkbar schlecht an. Die erste Halbzeit ist ein reines Massaker. Der Ref hat anscheinend Tomaten auf den Augen und pfeift keines der menschenrechtsverletzenden Fouls der Monstars, die Looneys wirken hilflos und liegen zur Halbzeit mit 18:66 hinten. Um diese Jammertruppe wieder zu motivieren, reichen keine Ansagen mehr. Also belügen Bugs und Jordan den Rest der Truppe, der jetzt denkt, unschlagbar zu sein! Motiviert und bestens hydriert starten die Toons das größte Comeback seit Jesus an Ostern. Obwohl Jordan von fünf Monstars gleichzeitig per Ganzfeldpresse in die Mangel genommen wird, scort er nach Belieben. Seine Mitspieler leisten aber auch ganze Arbeit, und so kämpfen sich die Toons zurück ins Game. Dabei lässt der wettfreudige Jordan es sich nicht nehmen, nochmal kurz vor Schluss bei Swackhammer den Einsatz zu erhöhen. Sollte er gewinnen, bekommen die NBA-Stars ihre Talente zurück. Falls nicht, müsste er bis in alle Ewigkeit auf Moron Mountain für umsonst knechten und fleißig Autogramme geben. #ALLin Um sich den Sieg zu sichern, vermöbeln die Monstars ihre Gegner nach allen Regeln der Comickunst, bis nur noch vier Toons übrig sind. Aber Hollywood sei Dank taucht Bill Murray wie aus dem Nichts auf und stellt den fünften Mann. #Crunchtime Nach einem gelungenen Steal und einem duften No-Look-Behind-the-Back-Pass von Bill bleibt MJ nichts anderes übrig, als von der Mittellinie zum Dunk anzusetzen. Ein Buzzerbeater für die Ewigkeit, der die Association rettet und den Spielern ihre Talente wiedergibt. Nach Drehschluss läutete Jordan damals sein Comeback ein, und es folgten drei weitere Titel, die ihn endgültig zur Legende krönten. #thelastdance Über den erfolgreichsten Bball-Film aller Zeiten kann man sagen, was man will, aber viele von euch würden heute wahrscheinlich Fußball spielen, hätte es dieses epische Stück Filmgeschichte nicht gegeben. Allein das Intro ist legendär, und der dazugehörige Soundtrack liefert bis heute Warmup-Evergreens. „Space Jam“ ist die Kirsche auf der Torte von Jordans Karriere und zeigt eindrucksvoll, dass er auch ohne Pippen und Triangle-Offense gewinnen konnte. #goat Hilfe naht, und es könnte bald wieder mit dem Basketball weitergehen. Schließlich schnürt LeBron James gerade für den zweiten Teil von „Space Jam“ seine Sneaker, um ein weiteres Mal die NBA zu retten. #2021

Freunde, haltet die Ohren steif! Peace, Ivan


ADVERTORIAL

5X 10X BURPEES

Brust berührt Boden Füße verlassen Boden Hüfte & Knie durchgestreckt Hände berühren sich hinter Kopf

AM BALL BLEIBEN – AUCH OHNE BALL “Start where you are. Use what you have. Do what you can.”*

20X HIGH KNEES

Knie oberhalb Hüfte

D

CHA RON er Lockdown hat uns alle irgendwie, den Ein gut ausbalancierter Allrounder und dazu einen mehr den anderen weniger. Nichtseines unser Lieblingsworkouts, das die meisten destotrotz ein Grund positiv zu bleiben deiner Hauptmuskelgruppen ordentlich brenund das Möglichste rauszuholen. Ob Roosenen lässt. Pushups und Burpees heizen deinem velt* das so gemeint hat mit seinem Satz - who Core ein, da du während der Ausführung die cares. Klar fehlt uns in Zeiten wie diesen der Ball und die Mannschaft aber diejenigen von uns, die jetzt FREELETICS, die #1 Fitness App Europas, bietet dir ein ganzheitdie meiste Zeit zuhause verbringen, haben auch mehr liches Body und Mind Coaching, um fit und gesund zu leben und Zeit. Zeit, die es zu nutzen gilt gleichzeitig deinen Geist zu stärken. Wir setzen hierbei auf eine und nicht zu verschwenden. fortschrittliche KI-Technologie, die dir ein auf dich personalisiertes Schnellkraft, Sprungkraft, Torso-Stabilität, das alles Trainingserlebnis garantiert. Der Mindset Coach ergänzt dieses sind Sachen, die kann man Training mit wichtigen Audio Kursen, die dir helfen dein Wissen und auch zuhause trainieren, um deine Motivation weiter zu steigern. Zusammen helfen sie dir deine besser und stärker auf den Platz zurück zu kommen. Und sportlichen und gesundheitlichen Ziele zu erreichen. außerdem, wer will von dem Lockdown auch noch eine Spannung in der Körpermitte hältst. ExplosionsWampe bekommen, reicht ja so schon. artige High Knees, sowie Split Lunges helfen dir Alleine die Motivation aufzubringen dabei noch mehr Kraft und Schnelligkeitsausund sinnvolle Trainingseinheiten zu planen und dauer zu entwickeln. Außerdem keine Pausen umzusetzen, ist nicht immer einfach, wenn das Tempo ist hoch, der Schweiß rinnt und dein Coach und Teamkameraden fehlen. Den Coach Körper arbeitet auf Hochtouren! können wir dir ersetzen. Der Freeletics Coach ist der fortschrittlichste digitale Personal Trainer auf dem Markt. Er erstellt HIIT Workouts und «1 MONAT GRATIS FÜR FIVE LESER!» Trainingspläne, die speziell auf deine persönlichen Vorlieben, dein Fitnesslevel und deine Gehe auf www.frltcs.com/ Ziele abgestimmt sind. Einen kleinen Vorgefivemag um deinen Gutschein schmack auf eines unsere Workouts wollen einzulösen. wir dir jetzt schon geben.

10X PUSH UP

Hüfte & Knie keinen Bodenkontakt Hände vom Boden lösen Ellbogen durchgestreckt

2 0 X S P L I T LU N G E

Schultern über Hüfte Vorderes Knie über Ferse Hinteres Knie unter Hüfte am Boden Füße heben gleichzeitig ab

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