Issue #69
Das können Wall, Turner, Favors und Co.
NBA Draft 2010
STEPHEN CURRY
Das goldene Kind
Russell Westbrook
Vollgas!
Wird die NBa noch dieselbe sein?
Free Agent
special
NBA PLAYOFFS :: JUNKYARD DOGS :: RODRIGUE BEAUBOIS :: JASON KIDD LUIS SCOLA :: DON NELSON :: KARL MALONE :: EUROLEAGUE FINAL FOUR TAJ GIBSON :: SERGE IBAKA :: JONAS JEREBKO :: MARCUS THORNTON
3,90 € Österreich 5,00 e Schweiz 7,80 SFR BeNeLUX 4,60 e Italien 5,25 e Spanien 5,25 e
Issue 69
ISSN 1614-9297
WWW.FIVEMAG.de
inhalt69 30 russell westbrook
Alle Welt spricht über Kevin Durant. Wir nicht … also zumindest auf diesen vier Seiten. Denn Russell Westbrook ist viel mehr als „nur“ der Pippen zu Durants Jordan. Russell Westbrook got next!
24 seconds 08 taj gibson 16 marcus thornton 17 serge ibaka 18 Jonas Jerebko 19 NBA-Playoffs 20 ersan ilyasova 36 junkyard dogs 40 Luis scola 50 Rodrigue beaubois 58 Euroleague final four 70 Karl malone 74 Coaches corner 100 Warenkorb 102 Kolumne 106
44 NBA-Draft-Vorschau
John Wall und danach nichts? Nicht wirklich. FIVE hat (passenderweise) fünf Toptalente im Draftjahrgang 2010 ausgemacht, die direkt auf der Ligabühne explodieren sollten.
54 jason kidd
Wann wird aus alt „zu alt“? Die Antwort auf diese Frage definiert Jason Kidd mit jedem Triple-Double und jedem komplett kontrollierten Spiel neu. FIVE nimmt eine Probe aus dem Jungbrunnen des Point Guards.
62 don nelson
Kein Trainer gewann mehr NBA-Spiele, keiner brach mit so vielen Konventionen wie Don Nelson. Doch wer ist eigentlich dieser verrückte Professor, der einst auf einen Jungen aus Würzburg setzte?
66 stephen curry
Am College war er ein Distanzschütze mit Dauerresidenz in „the zone“. In der NBA zeigt er, dass er mehr ist als nur ein Handgelenk. Stephen Curry ist ein Point Guard – und was für einer!
79 Fünf
Foto: NBA Photo/NBAE/getty images/Jesse D. Garrabrant
Tim Ohlbrecht reift in Bonn im Zeitraffer zum Star :: Das Ranking zur BBL-Saison – die fünf Besten auf jeder Position :: Henning Harnisch erklärt im Interview, wie die Basketballkultur wiederbelebt wird :: Der ultimative Camp- und Streetball-Kalender!
22 free-agent-special
Ab dem 01. Juli geht es los! Dann darf die ganze Liga den Super-Free-Agents nachjagen. Wird sich das Machtgefüge der NBA auf einen Schlag fundamental verändern? Oder war die ganze Aufregung am Ende vollkommen umsonst?
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07
am 01. Juli ist Der sommer 2010 dann endgültig da – ganz egal, was das wetter draussen oder der kalender sagt! denn ab 00:01 Uhr am 01. juli können die nba-teams mit free agents kontakt aufnehmen, ihnen angebote unterbreiten und sie so davon überzeugen, dem bisherigen team den rücken zu kehren. ausserdem können alle manager den sogenannten restricted free agents angebote machen, mit denen der bisherige verein gleichziehen kann. kurz: in diesem jahr beginnt ein bis dato beispielloses pokerspiel um einige der grössten talente im basketball. wird die nba im herbst noch dieselbe sein? oder wird sich das machtgefüge der franchises komplett gewandelt haben? werden lebron james, dwyane wade und vielleicht chris bosh neue trikots überstreifen? nur der sommer 2010 kann die antworten geben. Text: André Voigt
Die Personalie Nowitzki
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m Editorial auf Seite 4 haben wir schon erklärt, warum Dirk Nowitzki wahrscheinlich in Dallas bleibt und warum das auch die richtige Entscheidung ist. Doch was war eigentlich der aktuellste Stand zu Redaktionsschluss in Sachen Vertragsauflösung/Verlängerung? Mitte Mai gab es bereits Gespräche zwischen Nowitzki und Mavs-Boss Mark Cuban, der erklärte, dass er schon mit dem Deutschen spreche und die Rückkehr des Stars „erste Priorität“ habe. Gleichzeitig gab es Berichte darüber, dass Nowitzki und sein Boss darüber diskutieren, wie der Vertrag des MVPs der Saison 2006/07 so strukturiert werden kann, dass die Mavs noch mehr Verstärkungen holen können. Es kann also gut sein, dass Nowitzki aus seinem Vertrag aussteigt, jedoch schon vor Beginn der FreeAgent-Periode bei den Mavericks verlängert. Das wäre auch wichtig für eine eventuelle WM-Teilnahme Nowitzkis. Ohne Vertrag dürfte er kaum in der Türkei für Deutschland spielen. Das Risiko, sich zu verletzen, wäre zu groß.
Die besten Free Agents seit 1990
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in clever ins Team geholter Free Agent kann die Zukunft einer Franchise nachhaltig beeinflussen. Klare Sache, oder? Na ja, in den vergangenen 20 Jahren waren echte Free-Agent-Hits eher die Ausnahme. Die meisten Vertragsfreien bleiben halt bei ihren Teams, um mehr Geld verdienen zu können. Deshalb ist die Hoffnung, per Free Agent den eigenen Kader auf einen Schlag in die NBA-Stratosphäre zu katapultieren, eine unter Umständen falsche. Dennoch hier die besten Verpflichtungen von Vertragsfreien seit 1990. Saison 1992 1996 1996 2002 2003 2003 2003 2004 2004 2005 2007
Spieler altes Team neues Team Danny Ainge Blazers Suns Shaquille O’Neal Magic Lakers Dikembe Mutombo Nuggets Hawks Chauncey Billups T-Wolves Pistons Gilbert Arenas Warriors Wizards Lamar Odom Clippers Heat Robert Horry Lakers Spurs Steve Nash Mavericks Suns Hedo Türkoglu Spurs Magic Joe Johnson Suns Hawks Grant Hill Magic Suns
Warten wir bis 2011 st es für die Teams mit großen Gehaltsreserven sinnvoll, unter Umständen bis 2011 zu warten, wenn sie ihre Wunschspieler nicht in diesem Sommer verpflichten können? Ja, das ist es durchaus. Denn warum die eigenen mühsam zusammengeklaubten Dollars einem Profi in den Rachen werfen, der vielleicht kurzfristig ein paar zusätzliche Siege verspricht, aber langfristig keinen Unterschied macht? Das wäre eigentlich Blödsinn, aber seien wir ehrlich: Es wird auch in dieser Free-Agent-Zeit wieder zu Panikkäufen kommen, um den eigenen Fans Resultate zu präsentieren. Clevere Manager werden warten, denn 2011 könnte ebenfalls ein sehr interessanter Sommer werden. Deshalb hier ein Blick auf die besten potenziellen Free Agents, die entweder vertragsfrei werden (VF) oder vorzeitig per Spieleroption aussteigen können (SO).
Summer of 2010 22
Spieler, Position Tyson Chandler, C Michael Redd, SG Mo Williams, PG Glen Davis, PF Kendrick Perkins, C Paul Pierce, SF Zach Randolph, PF Jamal Crawford, SG David West, PF Andrei Kirilenko, SF/PF Caron Butler, G/F Carmelo Anthony, SF Kenyon Martin, PF Nenê, C J.R. Smith, SG Mike Dunleavy, SF T.J. Ford, PG Troy Murphy, PF/C Tayshaun Prince, SF Shane Battier, SF Yao Ming, C Samuel Dalembert, C Richard Jefferson, SF Tony Parker, PG Jason Richardson, SG
Team Bobcats Bucks Cavaliers Celtics Celtics Celtics Grizzlies Hawks Hornets Jazz Mavericks Nuggets Nuggets Nuggets Nuggets Pacers Pacers Pacers Pistons Rockets Rockets Sixers Spurs Spurs Suns
Status VF* VF SO VF VF VF* VF VF SO VF VF SO VF SO VF VF VF VF VF VF VF* VF VF* VF VF
Checkt das Free-AgentSpecial in unserem Podcast! Jan und Dré analysieren für euch alle Stars, alle Teams und alle Kader!
*Diese Spieler können schon in diesem Sommer aus ihrem Vertrag aussteigen und bereits 2010 Free Agent werden.
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Fotos: NBA Photo/NBAE/getty images/NBA Photos/Garrett Ellwood/Chuck Solomon/Glenn James
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Russell Westbrook
Dirigent des Donners
„In der Highschool auf der Bank zu sitzen, dann auch am College. Ich werde das nie vergessen – und das ist es, was mich antreibt.“ Russell Westbrook
Zwei Jahre brauchte Russell Westbrook, um in Oklahoma City vom Niemand zum Leistungsträger zu werden. Und eine Playoff-Serie brauchte er, damit auch der Rest der Welt es merkt. Die Geschichte eines Aufsteigers, erzählt in sechs Spielen. Text: Jan Hieronimi
Foto: NBA Photo/NBAE/getty images/NBA Photos/David Sherman
Spiel eins
Er atmet Playoff-Luft. Erstmals. Vielleicht merkt er es gar nicht vor lauter Adrenalin, das Spiel beginnt gleich, Jack Nicholson sitzt in der ersten Reihe, das Staples Center füllt sich mit Stars und Möchtegerns. Und Russell Westbrook hat gerade keine Zeit für Gedankenspiele, keine Zeit, um den Moment zu begreifen. Er hat eine Serie zu gewinnen, der Champ steht auf der Gegenseite, und er – Russell – ist Leistungsträger des Herausforderers. Wenn er seinen Blick schweifen lassen würde, dann sähe er einen alten Bekannten auf der Bank. Jordan Farmar sitzt dort, er ist schweißnass vom Warmlaufen. Aber wenn „Jordy“ das erste Mal aufs Feld kommen wird, wird der Schweiß trocken sein. Denn Farmar ist Ersatzmann in L.A. – Westbrook dagegen ist nicht nur Starter, sondern ein Star in kurzer Warteschleife. Beide besuchten sie die University of California Los Angeles, kurz UCLA, sie kennen sich von Ehemaligen-Spielen auf dem Campus. Farmar war als College-Spieler der NBA-Star auf Abruf gewesen, erst All-American an der Highschool, dann der „Wunder-Neuling“ der Liga, der jedes Spiel startete und alle Freshmen der Conference in so ziemlich jeder Kategorie von Punkten bis Assists anführte. Nur weil Farmar nach einem Jahr die Uni verließ, erhielt Westbrook überhaupt einen Platz im illustren Kader. Westbrook kam als Niemand – umso überraschender, dass die Rollen heute vertauscht sind. Russell Westbrook war nie der Star, nie der Auserwählte. Nicht am College, wo er auch nach dem Abgang Farmars die zweite und dritte Geige spielte, nicht an der Highschool. Coaches schätzten ihn nur für seinen Einsatzwillen, seine Furchtlosigkeit, sein Herz. „So wenig Angst wie er haben sonst nur Gangmitglieder“, sagte sein Schul-Coach Reggie Morris, und in der Tat war zumindest Westbrooks Vater Mitglied einer Gang – er saß wegen Drogenvergehen im Gefängnis. Doch er machte nach seiner Entlassung aus dem Knast seinen Sohn zu seinem Resozialisierungs-Projekt. Aus seinem Jungen sollte etwas werden, beschloss er, er forderte 30
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Fotos: NBA Photo/NBAE/getty images/NBA Photos/Andy Lyons/Rick Stewart/Jennifer Pottheiser/Andy Hayt
NBA-Draft 2010
Alle wollen Wall!
Die deutsche Draft?
Der Pick danach
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as gab es seit 1987 nicht mehr2. In der Draft 2010 stehen drei deutsche Toptalente zur Verpflichtung durch eine NBA-Franchise bereit. Im Einzelnen sind dies: Tim Ohlbrecht (Jahrgang 1988), Robin Benzing und Tibor Pleiß (beide 1989). Der eine oder andere wird jetzt Größenwahn wittern und entsetzt aufschreien: „Die sind zwar talentiert, aber noch nicht mal Stars in der BBL!“ Das stimmt natürlich, trotzdem wäre eine derartige Reaktion vollkommen fehl am Platz. Denn Ohlbrecht wird wohl der Einzige dieses Trios sein, der seinen Namen nicht in letzter Sekunde aus dem Draft-Hut zieht. Er ist mittlerweile kein „Early Entry“ mehr, sprich: Ohlbrecht ist zu alt, um sich von der Draft-Liste streichen zu lassen. Er wird also auf jeden Fall zur Wahl stehen. Benzing und Pleiß können aber bis 14. Juni ihre Anmeldung zurückziehen. Die Chancen, gepickt zu werden, stehen für Ohlbrecht trotz einer soliden Saison in Bonn (10,0 Punkte, 4,0 Rebounds, 1,2 Blocks, 49,1 FG% und 35,4 3P%) nicht allzu gut. ESPN.com traut ihm nur einen Platz in der zweiten Draft-Runde zu. Die Website www.nbadraft.net führt Ohlbrecht als 52. Pick, und an dieser Stelle picken die Boston Celtics. Diese sogenannten Mockdrafts sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Benzing und Pleiß werden in den USA auf ESPN.com und Seiten wie z.B. www.draftexpress.com ein wenig höher gehandelt. Der Ulmer Small Forward würde spät in der ersten oder früh in der zweiten Runde gedraftet werden. Die Aktien von Pleiß stehen ähnlich wie die von Ohlbrecht. Das Draft-Wasser in diesem Jahr zu testen, ergibt für die beiden Sinn, bringt eine Anmeldung doch eine gewisse Aufmerksamkeit der Scouts aus Übersee mit sich, die in der Folge nützlich sein kann. Beide wurden auch schon in der BBL von NBA-Scouts beobachtet. Pleiß erklärte außerdem schon im Februar, dass er vor dem eventuellen Schritt nach Übersee gern in der spanischen ACB spielen würde. Last but not least wäre da natürlich noch Elias Harris. Der Freshman spielte an der Gonzaga University eine beeindruckende Saison mit 14,9 Punkten, 7,1 Rebounds sowie Wurfquoten von 54,7 Prozent aus dem Feld und 45,1 Prozent von der Dreierlinie. Obwohl der Small Forward damit wohl einen Platz in der ersten Draft-Runde sicher gehabt hätte, entschied er sich für eine weitere Saison an der Uni, um an seinen Schwächen zu arbeiten. Gut möglich also, dass wir 2011 mit Harris, Benzing und Pleiß drei Nationalspieler in der Draft haben werden. Genau wie damals in der guten alten Zeit.
hr kennt dieses Gefühl von euren Fantasy-Online-Drafts. Die Zeit drängt, der eigene Pick muss schnell gemacht werden. Hektisch werden noch die Listen der verfügbaren Spieler studiert. Und dann trifft einen der Geistesblitz! Jawohl, genau der Mann soll es sein. Die Wahl wird getroffen. Der Spieler wird verpflichtet. Es stellt sich dieses wohlige Gefühl des Triumphes ein. Und dann … dann pickt der Nächste in der Reihe einen Mann, der tausendmal besser ist. Der wohlig warme Magen wird zu einem kalten Stein, und vor dem geistigen Auge formt sich ein Wort, das mit „Sch“ anfängt und dessen Ende sich auf „Gleise“ reimt. Doch niemand sollte sich grämen. Den NBA-Managern geht es ganz ähnlich. Checkt in der folgenden Tabelle die schlechtesten Picks der vergangenen 20 Jahre. Nicht die größten Fehlgriffe überhaupt, sondern im Verhältnis zum Spieler, der danach gewählt wurde.
Jahr Pick Spieler 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2008
Der Pick danach
12 Alec Kessler, Rockets Loy Vaught 3 Billy Owens, Kings Dikembe Mutombo 23 Lee Mayberry, Bucks Latrell Sprewell 23 Ervin Johnson, Sonics Sam Cassell 9 Eric Montross, Celtics Eddie Jones 4 Rasheed Wallace, Bullets Kevin Garnett 12 Vitaly Potapenko, Cavs Kobe Bryant 8 Adonal Foyle, Warriors Tracy McGrady 8 Larry Hughes, 76ers Dirk Nowitzki 15 Frederic Weis, Knicks Ron Artest 15 Jason Collier, Bucks Hedo Türkoglu 2 Tyson Chandler, Bulls Pau Gasol 18 Jason Collins, Nets Zach Randolph 29 Trenton Hassell, Bulls Gilbert Arenas 8 Chris Wilcox, Clippers Amar’e Stoudemire 2 Darko Milicic, Pistons Carmelo Anthony 10 Luke Jackson, Cavs Andris Biedrins 9 Ike Diogu, Warriors Andrew Bynum 5 Shelden Williams, Hawks Brandon Roy 9 D.J. Augustin, Bobcats Brook Lopez
Darko Milicic
Kobe Bryant
2. 1987 wurden zum letzten Mal zwei Deutsche von NBA-Teams gedraftet. Christian Welp an 16. Stelle von den Sixers, die dann mit dem 57. Pick noch Hansi Gnad wählten. 1985 fielen sogar drei Deutsche den Managern ins Auge! Die Mavericks verpflichteten Detlef Schrempf an achter Stelle sowie Uwe Blab als 17. Pick. Mit dem 101. Pick (damals hatte die Draft noch sieben Runden!) wählten die Cavaliers Gunther Behnke.
Tibor Pleiß
Robin Benzing
Die NBA-Draft 2010 wird vor allem von den ersten fünf Teams der Wahlliste mindestens so heiSS erwartet wie der Free-Agent-Sommer. Kein Wunder, in diesem Jahr warten ein Superstar und ein Quartett von Hochkarätern auf eine neue Franchise. Text: André Voigt
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enn David Stern am 24. Juni um 1:00 Uhr MEZ die NBA-Draft 2010 eröffnet, wird zumindest ein Sachverhalt bereits geklärt sein. John Wall, Point Guard von der University of Kentucky, wird als erster Neuankömmling der besten Basketballliga der Welt das Baseballcap seines neuen Arbeitgebers vom Ligaboss entgegennehmen. Nein, in diesem Jahr wird es keine Debatte darüber geben, wer an Nummer eins oder zwei gepickt wird. Wall ist zu gut, zu einzigartig und passt perfekt zum Anforderungsprofil eines Aufbauspielers in der NBA 20101. Die überragende Stellung Walls schmälert dabei allerdings nicht die Erwartungen der Klubs an den Rest der Rookies. Der diesjährige Draft-Jahrgang sollte gleich einige NBA-Leistungsträger produzieren. Neben Wall gelten Evan Turner (Ohio State), Derrick Favors (Georgia Tech),
DeMarcus Cousins (Kentucky) sowie Wesley Johnson (Syracuse) als Akteure mit Star-Potenzial. AlFarouq Aminu (Wake Forest) steht dem Fünferpack in Sachen „Upside“ kaum nach. Wall kommt jedoch eine Sonderstellung zu. Seine Mischung aus Athletik und Spielmacherqualitäten gab es selbst in der NBA-Historie noch nie. In einer Ära der dominanten Dribbler sowie schärferer Regeln gegen das Berühren des Ballführenden (Handchecking) sollte Wall wie eine Bombe auf der Bühne der Association detonieren. „Wall ist ein explosiver Athlet. Er ist wahnsinnig schnell, fliegt durch die Luft und schließt mit zum Teil spektakulären Dunks ab“, findet ESPN.com-Draft-Experte Chad Ford kaum genügend Superlative, um den Point Guard zu loben. „Er hat außerdem ein groß-artiges Spielverständnis, ist uneigennützig, wenn es eine Partie verlangt. Das Wichtigste ist
aber, dass er ein Spieler ist, der in den entscheidenden Situationen die Verantwortung übernimmt. Er hat keine Angst, eine Begegnung komplett an sich zu reißen, wenn es sein muss. Er ist der erste Pick der Draft.“ Wall ist außerdem einer von gleich vier Kentucky Wildcats, die sich für die Talenttombola angemeldet haben. Die Big Men DeMarcus Cousins und Daniel Orton sowie Walls Backup Eric Bledsoe verlassen genau wie ihr berühmter Mitspieler die Uni bereits nach einer Saison. Power Forward Patrick Patterson beendet nach drei Jahren in Lexington seine Laufbahn als „Student Athlete“, um zu den Profis zu gehen. Doch genug der Kurzvorstellungen! Auf den folgenden Seiten gibt es Scouting Reports der größten Talente dieser Draft, damit auch ihr am 24. Juni mitreden könnt. dre@fivemag.de
Elias Harris
Der Draft-Podcast Checkt in der Woche vor der Draft und danach „Got Nexxt“ von Jan und Dré – den erfolgreichsten deutschen Sport-Podcast! Dort werden die beiden FIVEler ihre eigene Mockdraft vorstellen und die Picks der Teams analysieren. Die neuesten Folgen gibt es natürlich gratis auf www.fivemag.de oder im iTunes Store (sucht nach Andre Voigt)!
1. Übrigens haben von allen Teams, die die Playoffs 2010 verpassten, ausgerechnet die New York Knicks keine Chance auf Wall. Ihr Erstrundenpick geht an die Utah Jazz als Teil des Deals, der einst Stephon Marbury nach NYC brachte.
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Don Nelson
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Der
Innovator
An Don Nelson scheiden sich die Geister. Ist er nun ein genialer Coach oder einer, der seine eigenen verrückten Ideen vor den Teamerfolg stellt? FIVE kramte tief in den Archiven und fand eine Antwort, die überrascht. Text: André Voigt
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Die Stimmung ist ausgelassen am 07. April 2010 in der Kabine der Warriors. Der Sieg war erwartet, ja sogar herbeigesehnt worden. Bei den
Washington Wizards hatte es nicht gereicht, jetzt in Minnesota wird gefeiert – eine Party in den Katakomben ihrer Halle, damit hätte bei den Timberwolves nach ihrer indiskutablen Saison wohl niemand gerechnet. Die Szene ähnelt der aus dem Jahre 2007. Auch damals ging es in der eigenen Kabine hoch her. Gerade hatte man die Dallas Mavericks geschlagen. Damals ging es um die nächste Playoffrunde, das Weiterleben eines Traums, um „We Believe!“. Heute geht es um Don Nelson. Seine Karriere. „Es ist ein echt schönes Gefühl. Für solche Momente wählen wir wahrscheinlich den Trainerjob1“, sagt der Mann mit dem weißen Haar. Seine Warriors haben ihm gerade mit einem 116:107-Erfolg bei den Timberwolves den 1.333. NBA-Sieg beschert. Der 69-jährige Don Nelson ist nun alleiniger Rekordhalter vor Lenny Wilkens mit 1.3322, Pat Riley mit 1.210 und Jerry Sloan mit 1.187. Seine Spieler freuen sich für ihren Trainer. Es ist eine mehr als schwere Saison, die sich dem Ende zuneigt. Niemand würde es ihnen verübeln, wenn sie dem Meilenstein des eigenen Übungsleiters nur höflich Applaus spenden würden, um danach direkt müde in den Flieger nach Hause zu schlurfen. Immerhin ist es erst der 25. Sieg der Spielzeit. Doch die Warriors feiern. Ihre Freude kommt von Herzen. „Dass wir diesen Rekord für ihn eingefahren haben, ist eine große Ehre für uns. Wir nennen es ‚unser Meisterschaftsfinale‘“, freut sich Super-Rookie Stephen Curry, der sich seine erste Saison als Profi sicherlich anders vorgestellt hatte. „Wir hatten keinen Champagner, also nahmen wir Wasser, Sprite- und Mountain-Dew-Dosen, um ihn von oben bis unten damit zu duschen“, erklärt Warriors-Big-Man Anthony Tolliver. „Coach hat ja noch nie eine Meisterschaft gewonnen, also wollten wir diesen Tag für
1. Dass Nelson den Rekord in Minnesota brach, hatte für ihn eine spezielle Bedeutung. Eine seiner Töchter lebt dort. Seine Frau sowie 20 Familienangehörige und Freunde waren beim Spiel dabei.
2. Lenny Wilkens war seit dem 06. Januar 1995 Rekordhalter gewesen. Damals schlugen seine Atlanta Hawks die Washington Bullets mit 112:90. Mit seinem damals 939. Sieg überholte er den legendären Red Auerbach.
ebt es zu: Wenn ihr den Namen hört, schießen folgende Begriffe durch die Synapsen eures Gehirns: verrückter Professor, Smallball, keine Defense, noch nie in den Finals. Der Name? Don Nelson. Es gibt kaum einen streitbareren Coach in der NBA, keinen, der selbst in der Stunde seiner größten Errungenschaft mit Anfeindungen leben muss. Der Rekord für die meisten von einem Trainer gewonnenen Spiele? Eine Randnotiz. Jeder etwas talentierte Übungsleiter, der nur früh genug anfängt und lang genug in der besten Basketballliga der Welt arbeitet, kann danach greifen. Die meisten jedoch hören früher auf, erreichen Meisterschaften, wenigstens die Finals, wenden sich anderen Dingen zu. Don Nelson kann weder einen Championship-Ring überziehen, noch kann er sich nächtens im Bett wälzen und verlorenen Finals nachhängen – in 31 NBA-Saisons gelang es ihm nie, die eigene Conference zu gewinnen. Warum also dieser Artikel? Warum den Fokus auf einen legen, der vieles sein mag, aber eben kein Gewinner? Über was soll zu berichten sein, außer vielleicht über ein paar ungewöhnliche Aufstellungen, die eine oder andere Anekdote? Eine ganze Menge. Kein anderer NBA-Coach wird wohl so missverstanden, wurde so falsch portraitiert wie Don Nelson. Warum das so ist? Ein Großteil der Kritik ist berechtigt und von Nelson selbst verschuldet. Doch muss im Fall von Donald Arvid Nelson das Gesamtbild betrachtet werden. Darum soll es in dieser Geschichte gehen. Um das Bild, welches in Don Nelsons Kopf entsteht, wenn er über Basketball nachdenkt.
Nellies Meisterschaft
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Fotos: NBA Photo/NBAE/getty images/NBA Photos/Dick Raphael/Noah Graham/Nathaniel S. Butler/Jon SooHoo
„Nellie ist der größte Innovator in der Geschichte des Basketballs. Niemand sonst hätte je auf dem Profilevel über Smallball, Zonenverteidigungen oder Isolationen nachgedacht.“ Pat Riley