MAG 90: L'italiana in Algeri / L'Olimpiade

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MAG 90

David Marton dreht einen Dokumentarfilm zu Arien von Pergolesi


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Editorial

Grosses Kino Verehrtes Publikum, es waren verrückte Wochen, als der deutsche Theatermacher David Marton im vergangenen Sommer in Zürich unterwegs war, um seine ganz eigenen Vorstellungen von einem Musiktheater auf Arien des neapolitanischen Komponisten Giovanni Battista Pergolesi zu realisieren. Eigentlich waren wir am Opernhaus davon ausgegangen, David würde die Barock-Oper L’Olimpiade in der üblichen Form auf die Bühne bringen (zumindest was den äusseren Rahmen angeht) – mit Bühnenbild, Kostümen und szenisch agierenden Sängerinnen und Sängern. Aber dann kam der Corona-Lockdown mit all seinen Verboten und Einschränkungen, und der Regisseur sah keinen Sinn mehr darin, so zu tun, als könne man unter diesen Bedingungen normale Oper inszenieren. Zu Hause experimentierte er damit, Pergolesi-Arien mit stummen Filmbildern zu kombinieren und die Wechselwirkungen zu untersuchen. In seinem Kopf verfestigte sich die Idee, Pergolesis Barockmusik mit Dokumentaraufnahmen aus der aktuellen Pandemie-Einsamkeit zu verschränken. So zog er mit Kamera, Mikrofon und Lautsprechern gemeinsam mit der österreichischen Filmemacherin Sonja Aufderklamm los, um alte Menschen in Zürich zu besuchen, ihnen Pergolesis Musik vorzuspielen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen: Wenn schon die vulnerablen über 80 -Jährigen wegen Corona am Leben nicht mehr teilnehmen und zu uns kommen können, so war sein Impuls, dann müssen wir Theatermenschen eben zu ihnen gehen. Im Opernhaus wussten wir lange nicht so recht, was daraus werden würde: Kino mit Live-Musik? Eine Bühnen-Performance mit Filmelementen? Eine Art Doku-Oper, die sich von der Handlung des Stücks aber vollkommen abgelöst hat? Wir sind gedul­ dig geblieben. Und am Ende haben David Marton und sein Team Form und Inhalt für ein ganz und gar aussergewöhnliches Musiktheaterprojekt gefunden. Nach der Absage wegen Corona im vergangenen November erlebt es nun endlich seine Premiere. Lassen Sie sich nicht täuschen, meine Damen und Herren, dieses Pergolesi-­Projekt ist keine kleine Werkstatt-Arbeit für eine Experimentalbühne, sondern ganz grosses Opernkino mit Gesangsstars wie Anna Bonitatibus oder Vivica Genaux auf der Bühne und dem von Ottavio Dantone geleiteten Orchestra La Scintilla im Graben. In den Bildern und Erzählungen der filmischen Hauptdarstellerinnen und -darsteller kommen all die schmerzlichen Themen des Menschseins zum Ausdruck, die uns in der Oper immer beschäftigen: Familienkonflikte, Liebeskummer, Todeserlebnisse, Gemeinschafts- und Verlassenheitserfahrungen. Und die Erfahrungen aus unserer internen Generalprobe, die noch stattfinden konnte, bevor die Premiere abgesagt werden musste, haben gezeigt: Dieses Opernprojekt, das man Oper nicht nennen mag, entwickelt einen grossen emotionalen Sog. In unserer zweiten Opernpremiere im März wird es Ihnen leichter fallen, voraus­ zuahnen, was Sie erwartet: Es ist der grosse Spass, Cecilia Bartoli in einer Buffa-Oper von Gioachino Rossini zu erleben. Wir spielen L’italiana in Algeri in einer Inszenierung von Moshe Leiser und Patrice Caurier. Claus Spahn

MAG 90 / März 2022 Unser Titelbild zeigt den Regisseur David Marton (Foto Florian Kalotay)

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Inhalt

10 Cecilia Bartoli als Italienerin in Algier – ein Gespräch über eine nie endende Liebe zu Rossini 18 Der Regisseur David Marton kombiniert Arien von Giovanni Battista Pergolesi mit einem Dokumentarfilm 26 Die Sopranistin Vivica Genaux im Porträt 28 Der Dirigent Ottavio Dantone über die Genialität des frühreifen Barock-­ Komponisten Pergolesi

Opernhaus aktuell – 6, Drei Fragen an Andreas Homoki – 7, Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 9, Volker Hagedorn trifft … – 26, Die geniale Stelle – 36, Der Fragebogen – 39, Auf der Couch … – 40

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21.01.2022.22:40 + VORSTELLUNG + PAGLIACCI +


Der besondere Blick von Monika Rittershaus

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Opernhaus aktuell

5. Philharmonisches Konzert

Einführungsmatinee

Das Mädchen mit dem Perlenohrring Der kanadische Geiger James Ehnes spielt Prokofjew Für das 5. Philharmonische Konzert hat Generalmusikdirektor Gianandrea Noseda den Geiger James Ehnes nach Zürich eingeladen. 2003 sind die beiden Künstler zum ersten Mal gemeinsam auf­getreten und haben Prokofjews Violinkonzerte anschliessend auch auf CD aufgenommen – eine Einspielung, die bis heute zu Nosedas Lieblingsaufnahmen gehört, wie er im Gespräch verrät. Seither arbeitet Noseda immer wieder gern mit James Ehnes zusammen und schätzt besonders dessen lupenreine Technik, die immer voll und ganz im Dienst der Musik steht. Gianandrea Noseda dirigiert in diesem Konzert wieder selbst die Philharmonia Zürich und kombiniert das Prokofjew-­ Konzert mit der 7. Sinfonie d-moll von Antonín Dvořák.

Am 3. April kommt die Oper Girl with a Pearl Earring des Schweizer Kom­ ponisten Stefan Wirth zur Uraufführung. Das Werk basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Tracy Chevalier und behandelt eine fiktive Geschichte um den niederländischen Maler Jan Vermeer. In der Einführungsmatinee zwei Wochen vor der Premiere ist der Komponist zusammen mit Beteiligten der Produktion im Gespräch zu Gast und gibt Auskunft über seine Partitur. Sonntag, 20 März, 11.15 Uhr Bernhard Theater

Sonntag, 27 März, 11.15 Uhr, Opernhaus Zürich Saisonbuch 2022/23

Opernhaus Jung

Tube-Opera «Das Rheingold» Richard Wagners Musik hat die Geschich­te des Films massgeblich beeinflusst. Schon zu Lebzeiten des Kom­ ponisten wurde die eigens ge­schaffene Festspielbühne in Bayreuth, in der das Orchester wie magisch aus einem verborgenen Orchestergraben erklingt, als eine Art Leinwand wahrgenommen; von frühen Stummfilmen bis zu Blockbustern wie Francis Ford Coppolas Apocalypse Now oder Lars von Triers Melancholia kommen Wagners Partituren effektvoll zum Einsatz. In den Frühlingsferien bieten wir am Opern­ haus Zürich Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren die Möglichkeit, selbst

die Kamera in die Hand zu nehmen und sich von Wagners Ring des Nibelungen inspirieren zu lassen, dessen erster Teil Das Rheingold im April auf die Bühne kommt. Im einwöchigen Ferienprojekt Tube-Opera, das wir bereits zu anderen Themen erfolgreich durchgeführt haben, lassen sich die Teilnehmenden von der Faszination um den Ring und seine Macht anregen und entwickeln unter professioneller Leitung eigene Musik-Videos. Ein Besuch der Vorstellung von Wagners Rheingold ist im Kursgeld von 100 Franken inbegriffen. Anmeldungen sind ab sofort möglich. Dienstag, 26 Apr bis Samstag, 30 Apr 2022 jeweils 10 bis 17 Uhr Vorstellungsbesuch «Das Rheingold»: Dienstag, 3 Mai 2022, 19 Uhr

Neugierig auf die nächste Spielzeit? Das Saisonbuch, das alles Wissenswerte rund um unsere Produktionen in der Spielzeit 2022/23 enthält, ist fertig, und die Druckmaschinen laufen auf Hochtouren. Am Mittwoch, 23. März ist es soweit: Dann lüften wir auf unserer Website die Geheimnisse, die sich hinter der schicken Aviator-Sonnenbrille verbergen, die dieses Mal das Cover des Buchs ziert und wie immer von François Berthoud gestaltet wurde. Kostenlos vorbestellen können Sie das Buch bereits jetzt in unserem Webshop. Geliefert wird es dann Ende März per Post.

Illustrationen: Anita Allemann, Foto: Daniel auf der Mauer

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Drei Fragen an Andreas Homoki

Neues im Wochentakt Herr Homoki, im März findet normalerweise der Opernball statt. Warum nicht in diesem Jahr? Der Opernball ist eine sehr grosse Benefizveranstaltung, die einen langen Planungsvorlauf braucht, und deshalb mussten wir über die Ansetzung des Balls jeweils ungefähr ein Jahr im Voraus entscheiden. Im Winter 2021 waren wir aber mitten im zweiten Lockdown und durften über Monate hinweg gar nicht oder nur vor fünfzig Menschen spielen. Die Hoffnung, dass die Corona-­ Schutzmassnahmen eine Durchführung des Balles gestatten, war zu diesem Zeit­punkt viel zu vage. Wenn ich für so ein grossformatiges Event grünes Licht gebe, muss ich sicher sein, dass es auch stattfinden kann, denn der Opernball be­deutet eine riesige Anstrengung für die verschiedensten Abteilungen in unserem Haus. Eine wichtige künstlerische Überlegung kam dann noch hinzu: Es gab mit L’Olimpiade von Pergolesi eine Neuproduktion, die im November 2020 wegen Corona nicht zur Premiere kommen konnte. Die Ausstattung war fertig gebaut und die Inszenierung zu Ende geprobt, es gab eine interne Generalprobe, aber die Premiere konnte wegen des Corona-­Spielverbots für Theater nicht stattfinden. Wir hatten also eine fertige Produktion, aber in den kommenden Spielzeiten keinen freien Zeitraum mehr, um sie nachzuholen. Da kam uns die rettende Idee, dieses Pergolesi-Projekt anstatt des Opernballes zusätzlich in den Spielplan zu nehmen. Deshalb bringen wir in dieser Saison statt neun sogar zehn Opern-Neuproduktionen heraus. Auch das sprach für einen Verzicht auf den Opernball 2022. Er ermöglichte es uns immerhin, eine spannende, neue künstlerische Arbeit zu zeigen. Ich finde, die Kunst muss in so einer Situation Vorrang haben vor einer Benefizveranstaltung, die uns gewiss auch viel bedeutet.

Jetzt hat am 12. März also L’Olim­ piade Premiere. Was wird das Publikum da erleben? Das ist ein hochinteressantes Projekt, weil es auf die Einschränkungen und Unsicherheiten durch die Pandemie künstlerisch reagiert. Der Regisseur David Marton hatte im ersten Lockdown für sich entschieden, die Musik von Pergolesi mit einem Dokumentarfilm zu kombinieren. Er hat aus einer Notsituation kreative Funken geschlagen und mit einer neuen musiktheatralischen Form experimentiert. Es ist ja beim Theatermachen oft so, dass gerade die äusseren Beschränkungen und Un­ möglichkeiten künstlerische Potenziale freisetzen. David ist ja nicht der Einzige, der in dieser Zeit mit dem Medium Film gearbeitet hat, aber er hat es bei uns hier mit den Mitteln einer grossen Produktion auf der Hauptbühne auf eine neue und emotional sehr berührende Weise getan. Eine Woche vor Pergolesi hat eine weitere Oper Premiere, Rossinis L’ita­liana in Algeri mit Cecilia Barto­li in einer Inszenierung, die 2018 bei den Salzburger Pfingstfestspielen zu sehen war. Was ist der Hintergrund dieser Kooperation? Die Pfingstfestspiele werden ja von Cecilia künstlerisch verantwortet, und wir hatten schon vor ein paar Jahren eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit bei Bellinis Norma. Und da wir in Zürich gerne eine neue Buffa-Oper mit Cecilia machen wollten, und sie L’ita­ liana in Algeri für Salzburg produziert hat, dachten wir: Warum übernehmen wir das nicht, zumal das Regieteam mit Moshe Leiser und Patrice Caurier das gleiche ist wie bei Norma. Mir gefällt an dieser Inszenierung, dass sie die Geschich­te bei allem Spass ernst nimmt. Und wenn Cecilia die Hauptrolle singt, wird das sowieso immer besonders.

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Wie machen Sie das, Herr Bogatu?

Fliegende Zimmer Unsere Inszenierung von L’italiana in Algeri ist eine Produktion der Salzburger Festspiele, deren Werkstätten das sehr abwechslungsreiche Bühnenbild von Christian Fenouillat für die Pfingstfestspiele 2018 auf ihre Bühne gestellt haben. In der idealen Welt sollte ich also diese Kolumne gar nicht schreiben, da sich meine Kolumnen ja damit beschäftigen, welche Zaubertricks unsere Zürcher Werkstätten anwenden, um Bühnenbilder auf die Bühne zu stellen. Dass ich dennoch über diese Produktion schreibe, liegt daran, dass wir nicht in einer idealen Welt leben. Die Entscheidung, diese Inszenierung zu kaufen, wurde erst nach der Premiere getroffen, so dass wir keinen Einfluss mehr auf Bauweise oder Grösse der Dekorationsteile nehmen konnten. Und so kam es, wie es kommen musste: Abgesehen von den vielen Möbeln und Re­ quisiten – darunter auch ein Kamel, ein Auto und ein ferngesteuerter Sessel – passte nichts auf die Bühne. Ausserdem sind die Verwandlungen, die völlig neue Szenen­bilder entstehen lassen, auf unserer Bühne nicht in identischer Form möglich. «Geht nicht: Gibt’s nicht!» ist ja unser Leitspruch, aber wenn in Salzburg für einen Szenenwechsel ein riesiges Haus mit mehreren Stockwerken und Balkonen einfach nach links von der Bühne fährt, während bei uns dafür die Aussenwand zum Nachbargebäude der NZZ aufgebrochen werden müsste, um ausreichend Platz zu schaffen, dann geht’s halt tatsächlich nicht. Bei uns fährt dieses Haus dann zum Teil nach oben und zu anderen Teilen zu beiden Seiten weg. Natürlich erfordert das auch statisch eine völlig andere Bauweise – wir Theatermenschen leben also nicht nur nicht in einer idealen Welt, sondern auch noch in einer ganz anderen Welt als in Salzburg. Wenn das riesige Haus weggefahren ist, sieht das Publikum in Salzburg ein grosses Zimmer mit hohen Fenstern, Deckenventilatoren und kompletter Einrichtung von hinten nach vorne fahren, bis es an den bereits stehenden Teil des Bühnenbildes sauber anschliesst. In Zürich hätten wir dafür die Bühne nach hinten erweitern müssen, doch dort ist ja die viel befahrene Falkenstrasse. Auch hier haben wir uns entschieden, die Falkenstrasse in Ruhe und das ganze Zimmer von oben einfliegen zu lassen – auch das ist für das Publikum eine sehr spannende Verwandlung. Ein letztes schönes Beispiel für die unterschiedlichen Welten in Salzburg und Zürich ist ein grosses Kreuzfahrtschiff, das in der Schlussszene in das grade beschrie­ bene Zimmer hineinfährt (!). Das Schiff wurde in Salzburg auf der Bühne zusammen­ gezimmert: Es gab kein Transportmass, das beachtet werden musste, weil das Schiff einfach immer auf der Bühne stand. Von der ersten Probe bis zur letzten Vorstellung. So können gute Werkstätten ein Schiff mit grossen dicken Balken und Brettern recht schnell bauen, mit Sperrholz verkleiden und schön anmalen. Das Zürcher Schiff besteht aus vielen Elementen, die mit dem Lift auf die Bühne gebracht und innerhalb von Minuten aufeinandergestellt und miteinander verbunden werden müssen. Nach jeder Probe und Vorstellung wird es komplett auseinandergebaut und von der Bühne ge­ bracht, um zur nächsten Vorstellung wieder aufgebaut zu werden. Definitiv keine ideale Welt. Trotzdem eine fantastische – vor allem, wenn man sich am Abend die Vor­stellung von L’italiana in Algeri mit ihren vielen Verwandlungen ansehen kann.

Illustration: Anita Allemann

Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

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Zu Rossini kehre ich immer wieder zurück In Zürich steht Cecilia Bartoli im März als «Italienerin in Algier» auf der Bühne in einer Inszenierung von Moshe Leiser und Patrice Caurier, die vor vier Jahren in Salzburg Premiere hatte. Im Gespräch erklärt die Mezzosopranistin, warum das Rossini-­Fieber bei ihr nie abklingt Fotos Monika Rittershaus

Unsere Fotos zeigen Szenen aus den Salzburger Aufführungen von 2018


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Cecilia Bartoli, erinnern Sie sich an Ihr erstes Erlebnis mit Rossinis Musik? Natürlich! Ich war noch ein junges Mädchen, als ich zum ersten Mal in der römischen Provinz in einer Aufführung von Il barbiere di Siviglia sass und wenig Ahnung von Oper hatte. Es war aus heutiger Sicht betrachtet bestimmt eine mittelmässige Aufführung, aber ich war hin und weg von dieser verrückten Musik, den halsbrecherischen Koloraturen, dem Rossinischen Crescendo, das sich wie ein Sturm aufbaut und wieder in sich zusammensinkt. Meine wichtigsten Debüts als blutjunge Sängerin habe ich an grossen Opernhäusern mit Rossini gegeben, meine ersten erfolgreichen CDs waren seiner Musik gewidmet. Am Opernhaus Zürich war die Rosina im Barbiere di Siviglia eine meiner ersten Rollen: im März 1989, nur einen Monat nach meinem Zürcher Debüt als Cherubino in Le nozze di Figaro! Das Jahr 2022 steht für Sie ganz im Zeichen Ros­sinis: In Zürich sind Sie als Isabella in Rossi­ nis frühem Dramma giocoso L’italiana in Algeri auf der Bühne zu erleben, bei den Salzburger Pfingst­festspielen als Rosina in einer Neu­insze­ nierung von Il barbiere in Siviglia, und an der Wiener Staatsoper werden Sie mit La Cene­rentola und Il turco in Italia und einer Rossini-­Gala gastieren. Warum dieses Rossini-Fieber? Rossini ist einer der treuesten Freunde meiner mittlerweile über 30 Jahre dauernden Karriere. Immer wieder kehre ich zu ihm zurück, einmal eher kurz, dann wieder intensiver. Mich diesem Künstler, der wie wenige andere als Musiker, Intendant, Mäzen und Förderer von Talenten die Musikkultur des

19. Jahrhunderts beeinflusste, aus neuen Richtungen anzunähern, begeistert und bereichert mich! Sehr ausführlich mit ihm beschäftigt hatte ich mich bei den Salzburger Pfingstfestspielen 2018: Sie waren Ros­ sinis Todesjahr 1868 gewidmet und zeigten auf, dass kurz vor seinem Tod Komponisten wie Tschaikowski, Grieg oder Wagner Schlüsselwerke schrieben. Ganz andere wichtige Erkenntnisse für mich als Mu­ sikerin eröffneten sich im Rahmen meiner Beschäf­ tigung mit den Kastraten. Für Rossini blieb die Kunst der Kastraten ja die einzig wahre Gesangs­tech­­ nik. Und der Komponist, den er am meisten ver­ ehrte, war übrigens Mozart. Rossinis Repertoire ist immens, und es macht mir grossen Spass, neue Rollen für mich zu entdecken, in die ich inzwischen hineingewachsen bin. Wunderbare Opern wie Otello, die im 20. Jahrhundert kaum mehr in den etab­lier­ ten Opernhäusern aufgeführt wurden, stehen in­zwi­ schen wieder regelmässig auf Spielplänen, und ich bin stolz, dass wir auch in Zürich eine hervor­ra­gen­­de Aufführung dieses hochinteressanten Werks reali­ sieren konnten, vor dem selbst Verdi noch gros­sen Respekt hatte. Abgesehen davon, dass die unbändige Energie und der überbordende Geist von Rossinis Musik meinem Charakter sehr nahe sind, ist auch meine Stimme für seine Werke ideal geeignet – er schrieb ja sehr viele Hauptrollen für Sängerinnen mit


einem eher dunklen Timbre, mit einer grossen Flexibilität und Leichtigkeit, einer Lust am Verzieren und Improvisieren, also was man heute als Mezzosopran bezeichnen würde, auch wenn es damals kein solches Stimmfach gab. Was fasziniert Sie am meisten an der Figur Rossi­ni? Bei Rossini finden wir einfach alles. Natürlich ein unglaublich komisches Element, das assoziieren die meisten mit ihm, aber auch das Tragische, wie in Otello. Selbst die Angelina in La Cenerentola hat unglaublich traurige und berührende Momente, daher liebe ich sie so sehr. Interessant wäre es, die verschie­denen Gattungen von Rossinis komischen Opern zu untersuchen, es gibt bei ihm ja Farcen, Ko­mödien, das «dramma giocoso» wie La Cenerento­la oder die «opera buffa» wie L’italiana in Algeri oder den Barbiere. Rossini war unglaublich um­ sichtig und klug. Er wusste, wann die Zeit gekommen war, sich vom Komponieren zurückzuziehen, und baute sich eine zweite einflussreiche Karriere auf. Er war sich immer sehr bewusst, wem er seinen Aufstieg zu verdanken hatte. Der Sängerfamilie García, welche seinen Ruhm ganz entscheidend in Europa,


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Amerika und Russland verbreitet hatte, blieb er zeitlebens in grosser Dankbarkeit und Freundschaft verbunden, davon zeugen unter anderem schriftliche Dokumente. In Rossinis L’italiana in Algeri ist Isabella, die weibliche Hauptfigur, auf der Suche nach ihrem verschollenen Geliebten Lindoro. Sie landet in Algier, wo sie auf den Bey Mustafà trifft, der gerade eine neue Frau sucht. Wie würden Sie die Isabella charakterisieren? Isabella ist verglichen mit anderen Opernheldinnen der Zeit eine ausgesprochen emanzipierte Figur. Sie hat es faustdick hinter den Ohren, ist keine Märchenfigur, sondern eine lebenserfahrene, eigen­ ständige Frau. Nur schon die Tatsache, dass sie reist, zeigt, wie neugierig, offen und lernbegierig sie ist. Sie hat Spass am Leben und kann sich schnell an neue Situationen anpassen. Isabella weiss genau, wie sie ihre Reize zu ihrem Vorteil einsetzen kann, und weckt nicht nur das Begehren von Mustafà, sondern auch von ihrem Begleiter Taddeo – ja, eigentlich wickelt sie sämtliche Männer in diesem Stück um den Finger. Ihr Leitspruch ist: «Wer sich zum Schaf macht, den fressen die Wölfe!» Kampflos aufzugeben, ist für sie keine Option. Das versucht sie auch Mus­ tafàs Gattin Elvira zu vermitteln, mit der sie sich rasch anfreundet und verbündet, ja fast therapeutisch auf sie einwirkt. Sie wird ein Vorbild für Elvira, die sich an Isabella orientiert und deren Verhalten sich im Verlauf der Oper sehr verändert. Wie kann es gelingen, mit Humor und Cleverness eingefahrene Handlungs- und Denkmuster zu durchbrechen? Dafür steht Isabella. Sie denkt ausserdem pragmatisch und findet immer etwas Positives. Wenn Taddeo im Duett mit Isabella im ersten Akt seine Sorgen bezüglich des Bey äussert, entgegnet sie ihm, er solle nicht daran denken: «Sarà quel che sarà» – «Es kommt, wie es kommt.» Und wer weiss, vielleicht hätte der Mustafà wirklich Chancen bei ihr ? Warum kein Bey? Wenn sie ihm allerdings zum ersten Mal begegnet, ist sie doch etwas enttäuscht: «Oh! che muso!» Was für ein Gesicht… Da hatte sie sich offensichtlich mehr erwartet.


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Welches sind die stimmlichen Herausforderungen dieser Rolle? Die Sängerin der Uraufführung, Marietta Marcolini, war ja eine echte Altistin… Die Partie bewegt sich tatsächlich weitgehend im Tonumfang eines Alts. Doch muss man sich dabei immer Charme und Sinnlichkeit bewahren, ohne allzu männlich zu klingen und zu einem Arsace oder Tancredi zu werden! Isabella trägt definitiv keinen Bart… In den Koloraturen werden dann allerdings immer wieder sehr hohe Noten gefordert, in der Arie «Pensa alla patria» zum Beispiel bis zum hohen h – wie Cenerentola hat Isabella ihre grosse Arie ja erst gegen Ende der Oper. In rein vokaler Hinsicht benötigt man also eine grosse Flexibilität. Vor allem aber erfordert die Rolle eine echte Sing-­Schau­ spielerin. Eng mit dem Spiel verbunden ist natürlich auch die Art und Weise, wie man die Worte artikuliert und färbt, vor allem in den Rezitativen. Rossini erfordert generell Sauberkeit und Präzision. Wenn man mit dem geforderten Tempo mithalten will, darf man die Stimme weder verdunkeln noch künstlich schwerer machen, um Kraft oder Volumen zu gewinnen. Sie haben die Rolle der Isabella relativ spät in Ihr Repertoire aufgenommen. Warum? Ich glaube nicht, dass die Isabella sehr jung ist; sie hat Lebenserfahrung, sonst könnte sie diesen unterschiedlichen Männern nicht auf der Nase herum­ tanzen. Daher finde ich, dass auch die Dar­stellerin eine gewisse Erfahrung braucht, um dies über­ zeugend zu realisieren. Es sind Schnelligkeit und


Schlagfertigkeit gefragt, aber auch ein riesiges Spektrum an schauspielerischen und sängerischen Nuancen, damit die Rolle vielschichtig und farbig bleibt. Komödie ist ja immer das Schwerste. Und dann braucht es noch die technische Erfahrung, um mit den erwähnten vokalen Anforderungen fertig zu werden. Eine Frage zu Rossinis Finali: Im berühmten ersten Finale der Italiana, wenn die allgemeine Verwirrung am grössten ist, singen die Figuren nur noch sinnlose Wortsilben, din-din, crà-crà, bum-bum – der komplette Kontrollverlust… Auch in Rossinis Cenerentola oder im Barbiere gibt es diese Momen­te, wo alles plötzlich Kopf steht. Wie ergeht es Ihnen jeweils dabei? Diese Verrücktheit ist ja ein zentrales Merkmal von Rossinis Theaterkunst – in diesen Momenten landen wir quasi im absurden Theater! Grundsätzlich ist ein solches Element als «cliff hanger» vor der Pause oder zum Beispiel in gewissen Finali Mozarts zwar schon angelegt, aber Rossini treibt die Verwirrung im wört­lichen Sinne ad absurdum, und das macht ihn einmalig. Dazu ein Rossinisches Crescendo, welches im leisestmöglichen Pianissimo anfangen muss, dann spürt man die wahre Wucht von Rossinis Musik und seinen Theatergeist. Für diese Momente kann ich mich unendlich begeistern – als Zuhörerin wie auf der Bühne, es macht einfach unglaublichen Spass! Mit Moshe Leiser und Patrice Caurier haben Sie viele Rossini-Opern auf die Bühne gebracht, am Opernhaus Zürich Le Comte Ory oder Otello. Warum sind die beiden die richtigen Regisseure für Rossini? Moshe Leiser und Patrice Caurier inszenieren Musik UND Text, bzw. den Text aus dem Geist der Musik


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und den szenischen Gestus ebenfalls aus der Musik. Sie nehmen das Stück ernst und inszenieren stets aus der Partitur. Szenisch haben sie eine endlose Fantasie. Und eine grosse Prise Selbstironie. In komischen Werken scheuen sie sich nicht vor Elementen der Farce – in dieser Italiana-Inszenierung zum Beispiel vermeiden sie tatsächlich kein Klischee. Aber es ist alles mit solcher Präzision, rasendem Tempo und endlosem Humor gemacht, dass sich das Stück als eine an eine Farce grenzende Komödie auf allerhöchstem Niveau entpuppt. Sie arbeiten seit vielen Jahren eng mit La Scintilla zusammen. Warum ist es Ihnen so wichtig, dass Rossini in den Klangfarben eines Originalklang-­ Ensembles erklingt? Rossini hat seine Musik für das damalige Instru­men­ tarium geschrieben, diesen Klang hatte er immer im Ohr. Das dürfen wir nie vergessen. Da die Balance zwischen den Instrumentengruppen – zum Beispiel zwischen Streichern und Holzbläsern – im Origi­ nalklangorchester ganz anders ist als im modernen, kommen hier die Klangfarben und Nuancen in der Instrumentierung wieder zur Geltung. Man merkt, dass Rossini die Orchesterbegleitung tatsächlich sehr fein gestaltet hat. Und natürlich auch die Dynamik. Mit einem solchen Orchester kann man das Rossini-­ Crescendo wirklich im Pianississimo beginnen, wie es sich gehört. So können auch die Sängerinnen und Sänger entsprechend agieren. Im Grunde kann man diese Musik nur auf historischen Instrumenten spielen. Und mit keinem zu grossen Orchester – Rossini ist kein Verismo! Das Gespräch führte Kathrin Brunner


L'italiana in Algeri 17

L’italiana in Algeri Oper von Gioachino Rossini Musikalische Leitung Gianluca Capuano Inszenierung Moshe Leiser, Patrice Caurier Bühnenbild Christian Fenouillat Kostüme Agostino Cavalca Lichtgestaltung Christophe Forey Video Étienne Guiol Choreinstudierung Ernst Raffelsberger Dramaturgie Christian Arseni, Kathrin Brunner Isabella Cecilia Bartoli / Nadezhda Karyazina (25, 31 März / 5 Apr) Mustafà Ildar Abdrazakov / Pietro Spagnoli (10, 17, 25, 31 März / 5 Apr) Lindoro Lawrence Brownlee Taddeo Nicola Alaimo Haly Ilya Altukhov Elvira Rebeca Olvera Zulma Siena Licht Miller Orchestra La Scintilla Chor der Oper Zürich Statistenverein am Opernhaus Zürich Hammerklavier Enrico Maria Cacciari Premiere 6 März 2022 Weitere Vorstellungen 8, 10, 13, 15, 17, 20, 25, 31 März; 5 Apr 2022 Eine Produktion der Salzburger Festspiele Official Timepiece Opernhaus Zürich



L’Olimpiade 19

Neue Ideen in der Stunde Null Eigentlich wollte der Regisseur David Marton die Oper «L’Olimpiade» von Giovanni Battista Pergolesi inszenieren, ein legendäres Meisterwerk des neapolitanischen Barock. Aber dann kam die Coronakrise, und alles wurde anders: Der Regisseur hat einen Dokumentarfilm über alte Menschen gedreht und in Beziehung zu Pergolesis Arien gesetzt. Das Ergebnis ist ein zutiefst emotionales Bühnenkunstwerk aus Live-Gesang, intimer filmischer Beobachtung und Erzählungen von gelebtem Leben


20 L’Olimpiade

David, dein Pergolesi-Projekt L’Olim­piade, das am 12. März endlich seine Premiere erlebt, hat eine abenteuerliche Entstehungsgeschichte. Durch die Corona-Pandemie hat es sich künstlerisch völlig verändert. Was genau ist da passiert? Ursprünglich hatte mich das Opernhaus Zürich engagiert, um die Barockoper L’Olimpiade von Giovanni Battista Pergolesi zu inszenieren. Die Besetzung war engagiert, das Bühnenbild ent­worfen. Aber dann kam im Januar 2020 die Coronakrise und hat unsere ursprünglichen Pläne völlig über den Hau­fen geworfen. Wir mussten mitten im ersten, harten Lockdown entscheiden, wie es mit unserem Pergolesi­-Projekt weitergeht. Ich war in Budapest, eingesperrt wie fast alle. Die Zeit stand still, und meine künstlerischen Projekte stürzten wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Mir kam es plötzlich absurd vor, alte Inszenierungskonzepte unter strengen Corona-Einschränkungen irgendwie halbgut umzusetzen. Meine Strategie war eher: Lass alle ursprünglichen Pläne fahren und schaue, was passiert. Vielleicht entstehen ja aus dieser Null-­Si­tua­ tion neue Ideen, denen ich zu einem anderen Zeitpunkt gar nicht folgen würde. Und welche Ideen sind dir ge­ kommen? Ich habe, während ich in meiner Wohnung in Budapest festsass, Bildmaterial im Internet gesucht und es mit Arien von Pergolesi zusammengeschnitten. Der Effekt war faszinierend. Pergolesis Arien sind unglaublich lebendig, kraftvoll, emotional, und sie laden die Bilder mit ihrer Emotionalität auf. Am stärksten ist dieses Phänomen, wenn die Bilder einen Kontrast zur Musik bilden und mit Langsamkeit und Detailbe­ obachtung operieren.

Die Fotos auf den Seiten 18 bis 24 entstammen dem Dokumentarfilm, den Sonja Aufderklamm und David Marton für die «L’Olimpiade»-Produktion gedreht haben.

Du hast mit Nahaufnahmen von Gesichtern experimentiert, wie es einst Ingmar Bergman in seinem berühmten Film Persona getan hat. Ja, aber mit Ingmar Bergman möchte ich meine Arbeit nicht vergleichen. Persona ist einer der bedeutendsten

Filme der Filmgeschichte und Bergman generell berühmt dafür, wie nahe man Menschen mit der Kamera kommen kann. Aber es stimmt, ich habe auch Bergman-­Szenen mit Pergolesi-Arien zu­sammengeschnitten und fand es sehr spannend, wie die Musik kleinste Regungen der Mimik oder das Licht in den Augen plötzlich anders erscheinen lässt und Tiefenschichten des Gesichtsausdrucks offenlegt. Diese Tiefenschichten sind in Bildern von Menschen ja vorhanden. Man muss sie nur herausholen. Man muss sie erblicken. Die Experimente haben dich auf den Gedanken gebracht, die Pergolesi-­ Oper als Filmprojekt zu realisieren, da szenische Proben nur mit Abstand und Maske möglich waren. Den Impuls, szenische Aktion durch Film zu ersetzen, hatten gerade im Schau­spielbereich in der damaligen Co­rona-Situation ja viele. Mir ging es aller­dings sehr konkret um die Wechselwirkungen von Bildern und Musik. Dieses Thema treibt mich schon seit Beginn meiner Theaterlaufbahn um: Dass man über die Verwendung von Musik nicht nur im Sinne von Narration nachdenkt. Dass man Bildfolgen und Szenen ähnlich rhythmisieren kann wie Musik. Dass Musik in der Oper nicht immer eine Geschichte transportieren muss, sondern Bilder und Musik auf einer an­deren Ebene zusammenkommen und diese sich gegenseitig bespiegeln. Als du das Opernhaus dann mit dem Wunsch konfrontiert hast, einen Dokumentarfilm über alte Menschen zu drehen und den mit den Pergolesi-­ Arien zu verbinden, waren wir sehr überrascht, denn der Inhalt der Oper und die alten Menschen haben auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun. Ausserdem waren die Altersheime im Sommer und Herbst 2020, als du drehen wolltest, wegen der Infektionsgefahr noch streng abgeschottet. Ich wollte, dass das Projekt etwas mit der Zeit zu tun hat, in der wir uns befinden. Und die Situation der alten Menschen während der Pandemie hat


mich sehr beschäftigt: Wie verletzlich sie sind, wie sie von ihren Angehörigen zwangsweise getrennt wurden, obwohl ihr Leben ja auch schon ohne Corona von grosser Einsamkeit geprägt war. Ich dachte: Ältere Menschen bilden einen wesentlichen Teil des Opern-Publikums, die wegen Corona nun nicht mehr ins Theater gehen können. Wie wäre es da­ her, wenn wir zu ihnen gingen, ihnen Musik vorspielten und zuhören würden? So ist die Idee entstanden, einen Do­­ku­ mentarfilm über alte Menschen zu drehen. Ich habe dann spontan die öster­rei­ chische Filmemacherin und Kamera­frau Sonja Aufderklamm als Partnerin für das Projekt gewinnen können, gemeinsam haben wir den Film dann realisiert. Sonja war genau die richtige für das Vor­haben. Sie hat einen künstlerischen Blick für die Komposition von Film­ bildern und ein sensibles Auge für Menschen. Im Sommer, als grenzüber­schrei­ tende Reisen wieder möglich waren, sind wir nach Zürich gekommen, haben tatsächlich alte Menschen getroffen, mit ihnen geredet und drei Wochen lang gedreht. Es war ein grosser Glücksfall, dass uns trotz der strengen Schutzmassnahmen die Türen geöffnet wurden – von einem Altersheim in Rümlang in der Nähe des Zürcher Flug­­hafens, aber auch von anderen alten Menschen, die uns in ihre Wohnungen und in ihr Leben gelassen haben. Was habt ihr bei dieser Dokumentarfilm-Recherche zum Thema gemacht? Wir haben den Menschen Pergolesi vorgespielt und dann ganz offen geschaut, wohin uns die Musik bei den Gesprächen und den Filmaufnahmen führt. Ich hatte zwar Ideen im Kopf, was ich fragen wollte, aber die Gesprächsthemen er­ gaben sich fast von selbst. Haben sie mit dem Inhalt der Oper zu tun? Das L’Olimpiade-Libretto von Metastasio handelt ja, raffiniert verschachtelt, von Menschen, die auf der Suche nach einer selbstbestimmten Existenz sind, die gegen die strengen Gesetze ihrer Väter aufbegehren, die vom Schicksal an fremde Orte versprengt wurden und auf der Suche

nach ihrer Familie und ihrer eigenen Identität sind. Das Libretto und seine Handlung haben wir nicht thematisiert, alleine die Musik war unser Ausgangspunkt. Aber inter­ essant war, dass wir in den Ge­sprächen doch bei ähnlichen Motiven gelandet sind – strenge Väter, Schicksals­schläge, familiäre Zwänge. Das sind Themen, die einem offenbar am Herzen liegen, wenn man ein langes Leben im Rücken hat. Ich fand die Parallelen zu Motiven des Operninhalts mitunter verblüffend, gerade weil wir sie nicht bewusst angesteuert hatten. Die Handlung der Oper wird also weder durch die Musik noch durch Film, Bühne und Szene erzählt? Nein. Wir haben alle Rezitative, in denen in einer Barockoper ja die Handlung transportiert wird, gestrichen. Der Abend besteht musikalisch aus einer Abfolge von Arien und kurzen Ge­ sprächs­sequenzen anstelle der Rezitative. Sind Arien nicht immer an ein Handlungsmoment, an eine Situation oder ein szenisches Gegenüber gebunden? Ich glaube nicht, dass das Erzählen von Geschichten immer die Hauptaufgabe von Oper ist, insbesondere nicht im Barockzeitalter. Emotionen, die in der Musik zum Ausdruck kommen, können von der Handlung, an die sie geknüpft sind, auch eher zugedeckt werden. Narration kann die Perspektive auf die Musik verengen. Das gilt natürlich nicht generell, vor allem nicht für den ge­samten Bogen der Operngeschichte. Aber für mich ist das ein wichtiger Ansatz, dem ich nachgehe. Ich finde, es wird in der Wahrnehmung von Musik zu viel Aufmerksamkeit auf ihre Begründbarkeit durch Kontext gelegt und weniger darauf, dass ihr immer auch etwas zutiefst Intui­tives und Unerklärbares innewohnt. Das kommt womöglich ohne Handlung viel besser zum Vorschein. Bei unseren Gesprächen sagte eine Dame nach dem Hören einer Arie: Der Komponist wisse auch nicht, warum er das komponiert habe, er habe es aber auf jeden Fall geschrieben, damit wir es in uns aufnehmen können.

«Wie wäre es, wenn wir zu alten Menschen gingen, ihnen Musik vorspielten und zuhören würden, was sie zu erzählen haben?»


«Ich wollte mit Hilfe von Pergolesis unglaublich vitaler Musik zeigen, dass die Menschen gar nicht alt sind, sondern lediglich gealterte junge Menschen.»

Das fand ich in seiner Schlichtheit einen schönen Satz, weil er das Unerklärliche an Musik in Worte fasst. Wenn es der Inhalt der Oper nicht ist, worin besteht dann die Verbindung zwischen der Musik und den Filmauf­ nahmen alter Menschen? Im emotionalen Bezug dieser beiden scheinbar weit voneinander entfernten Kunstformen. Ich kann ein Beispiel geben: Wenn ein Mensch mit 90 Jahren sich vom Stuhl erhebt, ist das ein un­ geheurer Kraftaufwand. Und in der Verbindung mit der Musik wird der als solcher erfahrbar. Was wir normalerweise bloss als Moment der Unsicherheit und Fragilität wahrnehmen, wirkt durch die Musik wie eine Heldentat. Das ist in meiner Wahrnehmung viel stärker, als wenn ich auf der Bühne eine Heldentat mit Sängern spielen lassen würde. Wenn man über alte Menschen spricht, redet man gerne über ihre Gebrechlichkeit und die Mühen, die ihnen der Lebens­ all­tag bereitet. Oder umgekehrt: Wir staunen, wie fit sie noch sind, wenn sie etwa im hohen Alter noch Fahrrad fahren. Aber die Wahrheit ist für mich etwas Anderes: Wir sind immer die gleichen Menschen, nur in unterschiedlichen Körpern, erst in jungen, später in alten. Ich wollte mit Hilfe von Pergo­ lesis unglaublich vitaler Musik zeigen, dass die Menschen eigentlich gar nicht alt sind, sondern lediglich gealterte junge Menschen. Und was geben umgekehrt die Doku­ mentarfilmaufnahmen der Musik? Die Bilder verändern unsere Wahr­neh­ mung der Musik. Wir hören die Arien anders. Ein Kameraschwenk verändert die Aufmerksamkeitsführung, ein ruhig und lang stehendes Bild schafft ein anderes Zeitempfinden für die Musik. Wie und wodurch sich die menschliche Wahrnehmung verändert, ist grund­ sätzlich ein Thema, das mich sehr beschäftigt. Wie man durch das Leben gehend plötzlich angeregt durch einen scheinbar unbedeutenden Augenblick einen anderen Blick kriegt. Ich denke, das kennt jeder von uns, dass man durch einen einzigen Anblick auf einmal bei­

spiels­weise eine ganze Stadt anders sieht. Das sind erhellende Momente. Eine andere Wahrnehmung zu schaffen, das wünsche ich mir auch für die Kunstform Oper, die so sehr traditionsver­haftet ist. Es soll am besten alles so sein, wie es gewesen ist. Dabei ist doch gerade die Operngeschichte voll von Künstlern, die sich radikal abgesetzt haben vom Alt­ hergebrachten, um neue Perspektiven zu schaffen. Trotz des höfischen Prunks und dem repräsentativen Gebaren war die Oper immer eine erstaunlich un­r u­hi­­­­ ­ge Kunstgattung. Sie hat sich in ihrer Geschichte nie lange zu einer dauer­ haften Form verfestigt, war ständig in einem Stadium des Umbruchs. Es ging den Komponisten immer darum: Wie weit kann ich gehen, wie kann ich die Form erneuern? Wir Regisseure ver­­ suchen diese Dynamik auf einer Inter­ pre­tationsebene fortzuführen und die Werke immer wieder neu zu er­zählen, was natürlich viel schwieriger ist, weil wir nicht wirklich Neues schaffen, sondern das Gegebene immer neu zu erzählen versuchen. Wie muss man sich die theatralische Situation grundsätzlich vorstellen, wenn Pergolesis Arien mit den Doku­ mentarfilmaufnahmen zusammenkommen? Nimmt der Abend dann eher den Charakter einer Kinovor­füh­­ rung an? Das würde ich so nicht sagen, aber das Opernhaus wird in dieser Produktion schon zu einem anderen Theaterraum. Man muss es als Zuschauer annehmen, in die Oper zu gehen und diese in un­se­ rem Ansatz aus einer völlig verän­der­ten Perspektive zu erfahren. Man könnte den Abend auch als eine Art Oratorium begreifen. Das Zürcher Orchestra La Scintilla wird live im Orchestergraben spielen. Es gibt grossartige Solistinnen und Solisten, die die Arien singen. Es gibt ein Bühnenbild, das unser ursprüng­ liches Bühnenkonzept in einem wegen Corona nicht zu Ende gebauten Zustand zeigt. Ich mag das Unfertige daran. Mir fehlt nichts, obwohl vieles fehlt. Oper erscheint darin wie eine ferne Erinnerung, wie ein Traum, wie eine Hoffnung, aber gerade nicht als Realität.


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Die Premiere der Produktion sollte im November 2020 über die Bühne gehen. Aber auch das hat die Corona-­ Pandemie verhindert. Wie war die Situation damals? Wir haben geprobt und auf die Premiere hingearbeitet. Ottavio Dantone, unser Dirigent und musikalischer Partner, und alle Sängerinnen und Sänger waren da und total offen für das, was wir vorhatten. Auch das Haus hat uns wahn­ sinnig unterstützt. Ich glaube, ich habe noch nie so viel Energie in eine Pro­duk­ tion gelegt, weil alles künstlerisch so neu und spannend war und unglaublich viel Freude gemacht hat. Sonja und ich haben Nachdrehs gemacht und nachts wie im Rausch editiert und geschnitten, um das Material am nächsten Morgen für die Proben fertig zu haben. Und als die allerletzten Files aus der Farbkor­ rektur kamen und tatsächlich alles fertig war, lasen wir bereits auf den Nachrichtenportalen, dass der nächste Lockdown verhängt wird. Eine interne Generalprobe hat noch stattgefunden, die Premiere dann nicht mehr. Wie ging es dir damit? Für mich war das der absolute Tiefpunkt der gesamten Coronazeit, weil die Entstehung des Projekts für mich der absolute Höhepunkt war. Es war wie ein K.O.-Schlag. Ich habe lange gebraucht, um mich davon zu erholen. Ich bin noch einen Monat in Zürich in der Theaterwohnung geblieben, weil ich es einfach nicht geschafft habe, abzureisen. Auch meine Folgeprojekte wurden abgesagt. Ich war wie gelähmt. Hast du daran geglaubt, dass das Pro­jekt irgendwann doch noch auf die Bühne kommt? Nein. Es gab keinen Funken Restoptimismus? Ich habe bis heute aufgehört, an irgend­ etwas zu glauben, solange es nicht tatsächlich stattfindet. Im Moment sieht es sehr danach aus, dass unser Pergolesi-­ Projekt am 12. März Premiere haben wird, aber hundertprozentig glaube ich es erst, wenn es passiert ist.

Was hat sich seit der abgesagten Premiere im November 2020 in Bezug auf die Produktion verändert? Im Leben der alten Menschen, die im Film vorkommen, hat sich einiges verändert – und nicht zum Guten. Zwei Mitwirkende sind inzwischen verstorben. Es macht mich sehr traurig, dass sie die Aufführung nicht mehr sehen können, obwohl sie so viel von sich gegeben haben. Ich bin gerade im Kontakt mit dem Altenheim, das wir besucht haben, und einer der Mitwirkenden hat mir eine sehr persönliche Mail geschrieben, in der er beklagt, dass das Leben in dem Altenheim seit damals noch viel stiller geworden ist. Als wir gedreht haben, gab es noch einen gewissen Humor im Umgang mit der Situation und Lust zu kommunizieren. In der Mail klingt es nun so, als hätten die vergangenen anderthalb Jahre einfach nur an den Kräften gezehrt. Insofern zeigt unser Film noch eine belebtere Form der Wirklichkeit. Hat die Produktion Auswirkungen auf deine zukünftige künstlerische Arbeit? Sie hat meinen Blick auf Oper und Musiktheater völlig verändert. Die Form der filmisch-dokumentarischen Arbeit mit Musik, die wir hier in Zürich ent­ wickelt haben, ist für mich ein Weg, den ich unbedingt weiter gehen will. Ich tue im Moment nichts anderes, als dem zu folgen. Ich habe inzwischen auch an einer reinen Filmversion des Pergolesi-­ Projekts gearbeitet, die ich veröffentlichen werde. Die Zürcher Arbeit ist eine wichtige Weichenstellung für mich, aber vielleicht auch allgemein dafür, dass man die Verbindung von Oper und gesellschaftlicher Wirklichkeit ganz anders denken kann als in der herkömmlichen Form von Inszenierungen. Das Gespräch führte Claus Spahn

L’Olimpiade Arien von Giovanni Battista Pergolesi mit einem Dokumentar­film von David Marton und Sonja Aufderklamm Musikalische Leitung Ottavio Dantone Regie /Schnitt David Marton Kamera /Schnitt Sonja Aufderklamm Bühnenbild Christian Friedländer Kostüme Tabea Braun Lichtgestaltung Henning Streck Dramaturgie Claus Spahn Clistene Carlo Allemano Aristea Joélle Harvey Argene Lauren Snouffer Licida Anna Bonitatibus Megacle Vivica Genaux Aminta Thomas Erlank Alcandro Delphine Galou Orchestra La Scintilla Premiere 12 März 2022 Weitere Vorstellungen 13, 16, 19 März 2022


26 Volker Hagedorn trifft …

Vivica Genaux Vivica Genaux stammt aus Alaska, lebt in Italien und gehört seit vielen Jahren zu den weltweit führenden Mezzosopranistinnen im Barockrepertoire. Sowohl im Konzertsaal als auch auf der Opernbühne wurde sie insbesondere mit dem für Kastraten komponierten Repertoire berühmt. Vivica Genaux veröffentlichte zahl­ reiche CD-Produktionen, darunter die sehr er­ folgreichen «Arias for Farinelli».

Ein Bahnhof in Osaka, im Winter 1982. Charles T. Genaux, ein amerikanischer Bio­ chemiker auf Forschungsreise, wartet mit seiner Familie auf den Zug nach Okinawa. Seine Tochter Vivica, dreizehn, kommt strahlend mit einem Büchlein an. In einer Buchhandlung in Japan hat sie das Libretto von My Fair Lady entdeckt – auf englisch. «Ich weiss nicht, wie das möglich war!» Sie freut sich jetzt noch, viele Jahre später. «Ich war schon immer verliebt in die Rolle der Eliza. Ich liebte Audrey Hepburn, Julie Andrews, jede, die das sang, und war sowieso schon entschlossen, im Sommer die Eliza in einer Produktion meiner High School zu singen.» Der Fund war für sie so etwas wie ein Wink der Götter. «Ich lernte den ersten Akt auf dem Weg nach Oki­ nawa und den zweiten auf dem Rückweg.» Und im Sommer hat sie dann tatsächlich die Eliza gespielt und gesungen, als Allerjüngste auf der Schülerbühne – in Fairbanks, Alaska, wo sie geboren ist. Vivica Genaux hatte das vor eineinhalb Jahren erzählt, als wir uns während der Proben zu Pergolesis Oper L’Olimpiade in Zürich trafen. Die zweite Coronawelle bäumte sich gerade gefährlich auf. Vivica war engagiert für die Partie des Megacle, der Kastratenrolle in der Oper, und dankbar, überhaupt proben zu dürfen. «Das Opernhaus Zürich ist eines der wenigen Häuser, wo wir jetzt noch arbeiten können», hatte sie damals gesagt. Aber es kam dann doch anders. Die Produktion musste wegen des kurze Zeit später verhängten Lockdowns nach der Generalprobe abgesagt werden. Vivica Genaux reiste, enttäuscht und traurig wie alle Beteiligten, nach Hause in ihre Wahlheimat Italien, ohne eine einzige Vorstellung gesungen zu haben. Aber die Opern­ hausleitung versuchte das Pergolesi-Projekt durch Verlegung zu retten, schaffte es, alle Künstlerinnen und Künstler zu einem neuen Premierentermin zusammenzubringen, schob diesen zusätzlich in den eng getakteten Spielplan, und sagte dafür sogar den Opernball ab – sodass Vivica Genaux nun doch noch mit den virtuosen Megacle-Arien in Zürich auf der Bühne stehen wird. Sie mag diese Arien, «so eine Art Broschi-Sound, bam-bam-bam-bam», hatte sie gesagt, als sei völlig klar, dass ich Riccardo Broschi kenne, den komponierenden Bruder des Kastraten Farinelli. Vivica Genaux denkt und spricht unglaublich schnell und klar, auf englisch – so, wie sie auf italienisch singt, wenn sie abhebt. Die Kunst der Koloratur beherrscht sie in Perfektion, dazu voller Esprit und Sinnlichkeit. In «nahe­zu unsingbaren Arien», staunte 2019 die Frankfurter Allgemeine Zeitung, ent­ fache Genaux «ein Feuerwerk vokaler Hochseilakte». Das Virtuose ist dabei ein Aus­ druck der Gefühle, die sie in ihren Rollen interessieren. «In einer Arie von Pergolesi, die offenbar der Hit der Show war, Se cerca, se dice, gibt es ein stop and go ganz unter­­schiedlicher Energien, Megacle ist hin und her gerissen. Wenn man es sich an­ guckt, sieht es sehr einfach aus, man könnte fürchten, es sei langweilig, aber es ist sehr direkt, sehr aufrichtig, eine Art Lascia ch’io pianga. In der Welt barocker Opern bewegt sie sich, als sei sie darin aufgewachsen, und gleich hinein ins Mezzofach. Das Gegenteil ist der Fall. Aufgewachsen in Fairbanks, einer Stadt voller Musicals und damals ohne Oper, am 64. nördlichen Breitengrad, von Gold­gräbern gegründet, im Kalten Krieg eine US-Militärbasis. «Es gab da viele Vietnam-Veteranen, die in der Gesellschaft nicht mehr zurechtkamen und einen Platz suchten, wo sie nicht konform sein mussten. Alaska ist eine sehr offene Gesellschaft. Auch mein Vater war nicht der Typ für social rules, er liess sich nichts vorschreiben, baute ein Blockhaus und unter­ richtete seine Studenten so, wie er es wollte. Man lebte weit weg von den anderen, aber dazu kam ein starkes Bedürfnis nach Zusammensein. Sport? Bei vierzig Grad minus kann man nicht mal Ski fahren. Die Künste waren wirklich wichtig, eine Lebens­


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notwendigkeit. Du konntest alles machen, egal wie talentiert. Mitmachen war das Wichtigste. Nicht dieses Elitezeug, oohh, du darfst nicht… nein! Oh doch, ich darf, und du darfst auch. Come, come, come!» In Fairbanks hörte sie Cab Calloway und Canadian Brass, Martha Graham kam mit ihrer Dance Company, Vivica Genaux sang im Chor – und sie wollte Eliza sein. Nach dem Winter 1982 in Japan, das frisch erworbene Libretto im Gepäck, begleitete sie den Vater weiter nach Texas, und dort bekam sie eine Gesangslehrerin. Keine Geringere als Dorothy Dow in Galveston unterrichtete die Dreizehnjährige, eine berühmte Hochdramatische, die einst die Opernwelt von Zürich aus erobert hatte und nun das Mädchen zur Sopranistin machte. Doch Virginia Zeani, bei der Vivica später in Indiana studierte, wunderte sich, als sie hörte, wie die junge Sängerin sich in die tiefen Lagen von Fiordiligis Come scoglio warf. «But my darrling,» imitiert Vivica sie lachend, «if you want for to sing like this you must for to be mezzosoprano!» Vivica war besonders das romantische Sopranrepertoire so unangenehm wie das Geigenspiel, das sie gelernt hatte. «Ich konnte diese Rollen nicht ertragen, diese Mäd­ chen, die als einzige Lösung für den Konflikt in ihrem Leben hatten, wahnsinnig zu werden, zu sterben oder sich umzubringen. In Barockopern sind Frauen viel stärker. Irgendwas passierte im Zeitalter der Aufklärung, weswegen sie geschwächt werden sollten. Nur bei Rossini gibt es noch starke Frauen, Mezzos: Rosina, Isabella, Cene­ ren­­tola. Also sang ich in den ersten drei Jahren meiner Karriere nur Rossini – und er wurde mein Rettungsboot.» Denn nach einem ihrer Auftritte, 1998, wurde sie zu einem Vorsingen an der Staatsoper unter den Linden eingeladen. René Jacobs brauchte einen Selimo für Hasses Oper Solimano und engagierte Vivica sofort. Es wurde ein Triumph. «Barockmusik war meine Welt! Viel mehr Freiheiten, wie ein grosser Sandkasten!» Freiheiten für die Verzierungen, die sie so liebt, und für das besondere Temperament, das mit dem Mezzofach verbunden ist. «So much more me! Mezzocharaktere sind die, die andere in Schwierigkeiten bringen, die Manipulatoren. Selbst wenn sie sterben, haben sie vorher noch Schaden angerichtet», sagt sie unbändig lachend: «I love trouble­­making!» Und egal, wie gross der Schaden ist, wieviel Verzweiflung, ge­brochene Herzen, Opfer es gibt, «Barockoper hat eine schöne, elegante Art, auf Schmerz und Leiden zu schauen. Es ist artistisch. Es ist auch wahrhaftig, aber du bist in einer cor­ nice, einem Rahmen. Im richtigen Leben gibt es so viel Leiden ohne Hoffnung. Das Theater bringt mich eine Stufe höher, es gibt mir Hoffnung und Inspiration.» Damit meint Vivica Genaux kein Theater der Weltflucht. Hinter ihren vokalen Feuerwerken steckt enorm viel Reflexion – und auch Erfahrung aus dem ungeliebten Geigenspiel. «Wie auf der Violine musst du den Ton denken, ehe du ihn greifst. Das d kann auch gesungen als leere Saite klingen oder auf der G-Saite gegriffen werden. Man kann die Stimmbänder dünn oder dick werden lassen. Trotzdem, ein Sänger ist ein ganz anderes Tier als ein Instrumentalist. Mein Körper ist das Instrument, und meine Rollen ändern mich im Innern. Es macht mich wahnsinnig, wenn Leute sagen, man müsse das ‹natürlich› machen. Der Apparat im Hals war ursprünglich nicht mal zum Sprechen gemacht, nur zum Schlucken und Atmen und damit das Essen nicht in die Lunge fällt!» Seit neuestem steigt sie noch tiefer ein und studiert Psychologie, um jungen Sängern so helfen zu können, wie das mit Psychologie für Sportler längst getan wird, «fundiert, nicht als Wohlfühlaktion. Als in Norditalien der erste Lockdown begann, fragte ich mich, wie lange es dauern würde, und wollte meine Zeit nicht verschwenden. Also beschloss ich, online zu studieren. Und da ich mit Autorität nicht gut klarkomme, nahm ich Alaska. Ich wollte bei der Sorte Leute lernen, mit denen ich aufwuchs. Und so war’s. Really me.» Auch wenn Vivica nicht weiss, welche Zukunft es für Sängerinnen und Sänger gibt, sieht sie die Barockoper als Überlebensmodell. «Diese Stücke sind nicht in Stein gemeisselt. Man kann sie jeder Situation anpassen.» Volker Hagedorn


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Ottavio Dantone studiert Arien von Pergolesi


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Eine Frühreife, die kaum zu glauben ist Giovanni Battista Pergolesi ist eine singuläre Gestalt der Musikgeschichte. Er starb als 26-Jähriger und hat mit seinen Opern dennoch die musikalische Welt verändert. Der Dirigent Ottavio Dantone über einen Frühvollendeten Foto Danielle Liniger

Ottavio, du kennst den Komponisten Giovanni Battista Pergolesi so gut wie kaum ein anderer Dirigent. Was fasziniert dich an ihm? Dass er als Komponist so wahnsinnig jung war und in diesen jungen Jahren eine kompositorische Reife an den Tag legt, die kaum zu glauben ist. Pergolesi wurde 1710 geboren. Er beendete seine musikalische Ausbildung 1731 und starb fünf Jahre später im Alter von 26 Jahren an Tuberkulose. Er hatte also nur fünf Jahre, in denen er sein gesamtes Opernschaffen entfaltete. Wie ist so etwas überhaupt möglich? Ganz einfach: Pergolesi war ein Genie. Die Oper L’Olimpiade, mit der wir uns hier in Zürich gerade befassen, hat er ein Jahr vor seinem Tod geschrieben. Mehr als 50 andere Komponisten haben diesen Stoff von Pietro Metastasio vertont, es war eines der am häufigsten vertonten Libretti der damaligen Zeit. Aber Pergolesis Version wurde sofort als meisterhaft anerkannt. Schon bald nach seinem Tod gab es zwanzig Abschriften von L’Olimpiade. Für das 18. Jahrhundert war das ein Ausweis absoluter Berühmtheit. Verglichen mit heute, würde das einem Verkauf von zig­tausenden CDs entsprechen. Noch berühmter war sein Stabat Mater. Pergolesi-­Abschriften kursierten überall. Auch Johann Sebastian Bach etwa besass eine Abschrift des Stabat Mater. Die Komponistenfigur Pergolesi war ein Mythos, der natürlich auch durch seinen frühen Tod genährt wurde. Vom Wunderkind Mozart wissen wir, dass dessen ausserordentliche Befähigung durch die strenge Schule des Vaters, ausgedehnte Reisen usw. gefördert wurde. Wie war das bei Pergolesi? Er wurde in Jesi in den Marken geboren und entstammt eher bescheidenen fami­liä­ ren Verhältnissen. Schon als Kind war er ein begabter Sänger im örtlichen Domchor. Sein Vater, ein Landvermesser, hat ihn früh zu einer musikalischen Ausbildung nach Neapel geschickt. Dort hatte er sehr gute Lehrer, sein wichtigster war Francesco Durante. Dadurch war Pergolesi von Anfang an zu Hause im neapolitanischen Stil, der damals der führende in der musikalischen Welt war. Jeder Komponist, der etwas auf sich hielt, kam nach Neapel, um den dortigen Kompositionsstil zu studieren. Was weiss man sonst noch über sein Leben? Nicht sehr viel. Er hatte eine sehr schwache gesundheitliche Konstitution von früher Kindheit an und eine Gelenkversteifung im Bein, wegen der er hinkte. Es gibt ein Bildnis aus dem Jahr vor seinem Tod, auf dem die Gebrechlichkeit des 25-Jährigen zu erkennen ist. Du hast Pergolesis Geburtsort Jesi erwähnt. Das ist ein Ort, zu dem auch du eine enge persönliche Verbindung hast.


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Genau. Jesi ist ein kleines Städtchen, das jedes Jahr ein Festival zu Ehren von Pergo­lesi ausrichtet. Dort habe ich mit meinem Ensemble, der Accademia Bizantina, alle grossen Bühnenwerke von Pergolesi aufgeführt und sie auch auf Tourneen in anderen Städten präsentiert. Wobei man sagen muss, dass solche Aufführungen eher die Ausnahme sind: Pergolesi wird, gemessen an seinem Rang als Barock­ komponist, bis heute viel zu selten gespielt, weder in Italien noch anderswo. Worin besteht das Geniale in seinem Komponieren? Er hatte mit Anfang zwanzig einen absolut unverwechselbaren Stil. Daran erkennt man, dass er ein ganz grosser Komponist war. Faszinierend an seinem Stil ist die unglaubliche Effizienz, mit der er Emotionen in seiner Musik zu fokussieren versteht. Es hat eine geradezu strategische Qualität, wie er Gefühle durch Musik erzeugt. Was unterscheidet ihn von den anderen Komponisten seiner Zeit? Was ist neu und revolutionär an seiner Art zu schreiben? Es wäre falsch, in ihm einen Umstürzler zu sehen. Pergolesi hat den neapolitanischen Opernstil nicht revolutioniert, sondern weiterentwickelt und die musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten der Zeit maximal ausgeschöpft. Er verkörpert eine neue Generation im Vergleich zu etablierten Älteren wie Alessandro Scarlatti oder Francesco Durante. Sein Schreiben ist geprägt von einer untrüglichen Intuition und, wie gesagt: Man erkennt Pergolesi sofort. Vielleicht wäre er ein Revolutionär der Musikgeschichte wie Beethoven geworden, wenn er länger gelebt hätte. Wir wissen es nicht. Ist sein Stil, für Gesang zu schreiben, nicht auch lyrischer, natürlicher und beweglicher als der seiner älteren Zeitgenossen? Das stimmt. Er schreibt nicht virtuos um der Virtuosität willen, die Gesangskunst gerät bei ihm nicht zum Selbstzweck. Es gibt zwar auch bei Pergolesi hochvirtuose Arien wie beispielsweise die grosse Arie von Megacle «Torbido in volto e nero» in L’Olimpiade. Das ist etwas vom Schwierigsten, das die Opernliteratur des 18. Jahrhunderts überhaupt zu bieten hat. Aber alles steht im Dienst des Gefühlsausdrucks. Man fragt sich, wie ein Jüngling von einundzwanzig Jahren, der ausser kirchlichem Internatsleben und musikalischem Unterricht noch nicht viel erlebt hat, so tiefgründig über Liebe, Rache, Verzweiflung und Vergebung schreiben konnte. Aus eigener Lebenserfahrung hat er da ja wohl kaum geschöpft. Wir wissen wenig darüber, was Pergolesi in seinem eigenen Leben emotional bewegt hat. Aber ich bin überzeugt davon, dass er die Erfahrung persönlichen Leides sehr wohl kannte. Das muss so gewesen sein. Die Frage, die du stellst, folgt unserem Denken von heute: Dass ein Künstler etwas erlebt haben muss, um es in Kunst zum Ausdruck bringen zu können. Im 18. Jahrhundert war das nicht so. Emotionen in Töne zu kleiden war eine Kunst, die man unabhängig von persönlichen Er­ fahrungen praktizierte. Die Komponisten schrieben mit Distanz zu ihrer eigenen Biografie über die Leidenschaften ihrer Opernfiguren. Trotzdem oder gerade deshalb kommt mir Pergolesis Art zu komponieren wie eine Vorwegnahme eines frühromantischen Empfindens vor, das tatsächlich eigene Gefühle und eigenes Leid in der Kunst verarbeitet. Die emotionale Reife und Tiefe bei Pergolesi hat für mich etwas quasi Romantisches, obwohl die Romantik ja in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch sehr weit weg war. In den Lexika werden vor allem Pergolesis Verdienste für die Entwicklung der Opera buffa herausgestellt. Waren die tatsächlich so gross? Absolut. Pergolesi hat, wie üblich, Intermezzi für seine grossen Seria-Opern kompo­ niert. Diese Intermezzi in einer Länge von vierzig bis fünfzig Minuten hatten die Aufgabe, die langen, ernsten Opernabende in Form einer komischen Einlage


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aufzulockern und waren eigentlich Nebensächlichkeiten. Aber Pergolesi hat sie so gut geschrieben, dass ihnen plötzlich eine ganz neue Bedeutung zukam. Für die Oper Adriano in Siria beispielsweise, aus der auch einige Arien in L’Olimpiade über­nommen sind, schrieb Pergolesi das Intermezzo Livietta e Tracollo, und das war so originell, dass es in den Vorstellungen zum eigentlichen Höhepunkt des Abends avancierte. Pergolesi hat dem Interesse an der Opera buffa einen enormen Schub ver­liehen und – natürlich vor allem mit seinem bekanntesten Stück La serva padrona – sehr viel dazu beigetragen, dass sie sich als eigenständige Form im Opernrepertoire etablieren konnte. Er schreibt wunderschöne Musik in den Buffas. Musik und die dramatischen Situationen sind ganz eng aufeinander bezogen. Alles wirkt frisch und spontan und ist wirklich komisch. Pergolesis Nachruhm war enorm. Welchen Einfluss hatte er auf die folgenden Generationen? Zunächst einmal hatte Pergolesi einen Rieseneinfluss auf die neapolitanische Schule selbst, aber durch deren Bedeutung auch weit darüber hinaus. Grosse Komponisten haben sich ja zu allen Zeiten von Meisterwerken anderer inspirieren lassen, aber Pergolesi wurde von den nachfolgenden Generationen besonders stark wahrgenom­ ­men. Seine Opern galten als Meilensteine der Gattung und wurden intensiv studiert. Die Komponisten haben ihn gar nicht unbedingt kopiert, aber sie haben sich von ihm inspirieren lassen. Es ist mitunter mehr ein unterschwelliger Einfluss, der da stark wirkte. Wenn ich etwa Opern von Giovanni Paisiello oder Niccolò Jommelli höre, klingt in meinen Ohren immer Pergolesi durch. Ich kann das oft gar nicht so genau benennen, aber es ist völlig evident. Und manche seiner Arien, vor allem aus L’Olimpiade, wurden zu regelrechten Hits, wenn man etwa an «Mentre dormi» denkt oder «Se cerca, se dice». «Se Cerca» war so berühmt, dass es von anderen Komponisten parodiert wurde, und das Publikum verstand sofort den Bezug, weil die Arie so bekannt war. Die Arien «Mentre dormi» und «Se cerca, se dice» werden wir in unserer Zürcher Pergolesi-Produktion hören, gesungen von Anna Bonitatibus und Vivica Genaux. Aber die ganze Oper hören wir nicht. Der Abend besteht musi­kalisch lediglich aus einer Abfolge der L’Olimpiade-Arien, alle Rezitative sind gestrichen. Was sagt der Dirigent und Pergolesi-Experte dazu? Es herrschte eine grosse Freiheit in der Aufführungspraxis zu Pergolesis Zeit. Die Werkgestalt war offen und überhaupt nicht so festgelegt, wie wir das heute gerne glauben. Ich habe beispielsweise L’incoronazione di Dario von Antonio Vivaldi gemacht. Das Manuskript ist im dritten Akt voll von wüsten und dramaturgisch sinn­ losen Strichen, die irgendwelchen aus heutiger Sicht völlig unergründlichen Umständen geschuldet sind. Die Opernpraxis hing damals von vielen stückfernen Faktoren ab, vom Geld, von den Wünschen der Auftraggeber, von den Vorlieben der Sängerstars, von den technischen Möglichkeiten usw. Dementsprechend war der Umgang mit den Partituren. Die Komponisten haben sich auf die jeweiligen Ge­ge­ benheiten eingestellt. Es geht in der Barockoper nicht darum, alles genau so zu realisieren, wie es geschrieben steht. Deshalb sehe ich in unserem Versuch, Pergolesis Arien mit dem Medium des Films in Verbindung zu bringen, auch nichts phi­lo­ logisch Verwerfliches. Es ist eine künstlerische Antwort auf die Corona-Pandemie und die Unmöglichkeit, Oper in gewohnter Form zu spielen. Die Komponisten im 18. Jahrhundert hätten auch so reagiert. Darf man einen Barockopern-Abend auf die Bühne bringen, ohne eine Geschichte zu erzählen? Sind Arien nicht immer Teil einer Handlung? Ich finde: Nein. Arien führen sehr wohl ein Eigenleben jenseits der Handlung. Für die Operngänger der Barockzeit waren die Rezitative nicht so mit den Arien verbunden, wie wir das heute empfinden. Die Opernabende waren sehr lang, und


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wie wir wissen, hat sich das Publikum während der Rezitative auch mit anderen Dingen beschäftigt und vor allem den Arien, den Sängern, den musikalischen Höhe­ punkten die Aufmerksamkeit geschenkt. Man darf nicht vergessen, dass die Leute damals immer wieder in die gleiche Oper gingen. Die Handlung war ihnen deshalb ge­läufig. Ausserdem kannte man die Textbücher der populären Stoffe. Es gibt ja heute Liebhaber von Barockopern, die unbedingt alles hören wollen, alle Arien, die kompletten Rezitative, ohne Striche. Ich halte davon gar nichts. Das entspricht auch nicht der historischen Situation. Die Arien haben ja einen Text, der sich in unserem Pergolesi-Projekt nicht, wie im szenischen Spiel, an ein Gegenüber richtet. David Martons Konzept zielt auf eine vor allem emotionale Verbindung zwischen Gesang und Bild. Ist das ein Problem? Barockarien haben einen musikalisch-emotionalen Wert jenseits des Textes. Die Ver­ bindung von Text und Musik ist nicht so eng, wie wir das aus dem 19. Jahrhun­dert kennen. Es gibt viele Beispiele dafür, wie im 18. Jahrhundert Arien in eine andere Oper übernommen wurden und dort mit einem neuen Text in einem ver­än­der­ ten emotionalen Kontext dennoch funktionieren. Oder denken wir an die so­ge­ nannten Kofferarien, die die berühmten Kastraten im Gepäck hatten und die eingebaut werden mussten, egal ob sie zum Stück passten oder nicht. In L’Olimpiade hat Pergolesi mit «L’infelice in questo stato» ausgerechnet einer kleinen Nebenfigur, Alcandro, eine seiner schönsten Arien spendiert, die ausschliesslich durch ihren musikalischen Moment wirkt. Wir versuchen hier in Zürich, auf eine ernsthafte, aber sehr experimentelle Weise mit Pergolesis Musik umzugehen. Das ist für mich philo­logisch durchaus legitim. David sucht mit Pergolesi nach einer Theatersprache, die mit unserer Zeit zu tun hat, und dabei unterstütze ich ihn. Das tue ich übrigens in allen Produktionen, egal in welche überraschenden Gefilde sie mich führen. Ich bin da immer positiv. Vielleicht entdecken wir ja eine Form von Musiktheater, wie sie uns bisher noch nicht begegnet ist, und die Menschen werden auf eine völlig neue Weise berührt. Das Gespräch führte Claus Spahn


Podcast 33

a c i v Vi aux Gen

Zwischenspiel Die neue Folge ist online.

Vivica Genaux gehört seit vielen Jahren zu den Stars der Barock-Opernszene. Immer wieder nimmt sie sich Partien vor, die für die berühmten Kastraten des 18. Jahrhunderts geschrieben wurden. Im Podcast mit Claus Spahn spricht die in Alaska geborene Mezzosopranistin über das Zürcher Pergolesi-Projekt «L’Olimpiade», an dem sie mitwirkt, den generellen Siegeszug der Barockoper und den langen Atem, den man für eine Kastratenarie braucht.

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34 Wiederaufnahme

Im Tunnel des Wahnsinns Wir zeigen Giuseppe Verdis «Macbeth» in der spektakulären Inszenierung von Barrie Kosky, die den inneren Irrsinn von Macbeth und seiner Lady in Bilder kleidet. In zwei Vorstellungen steht Anna Netrebko auf der Bühne des Opernhauses Zürich mit Veronika Dzhioeva / Anna Netrebko, George Petean u. a. Vorstellungen: 9, 18, 20, 23, 26, 29 März; 1 Apr 2022


Fotos: Monika Rittershaus

Alle Infos zur Produktion



Die geniale Stelle 37

Ordnung muss sein Die Schlachtmusik in Giuseppe Verdis «Macbeth»

Hören und im Klavierauszug mitlesen können Sie die «Geniale Stelle» hier:

Eine Fuge von Verdi? Gibt’s nicht. – So werden viele Opernfreunde spontan ant­ worten. Nach einigem Nachdenken wird ihnen dann wohl doch die veritable Fuge am Schluss des Falstaff einfallen. (Die freilich zur selben Klasse polyphoner Meister­ stücke gehört wie Beethovens Grosse Fuge op. 135: Musik, die jeder mit Bewunderung nennt, aber niemand besonders gern hört.) Immerhin kann der Opernfreund zu seiner Verteidigung anführen, dass es sich dabei um eine grosse Ausnahme handelt. Und tat­sächlich fällt es schwer, sich Verdi bei der minutiösen Ausarbeitung von streng kontra­punktisch durchgearbeiteter Musik vorzustellen. Schliesslich galt den italienischen Komponisten des 19. Jahrhunderts und vor allem ihrem Publikum solche Musik, die anscheinend den melodischen Einfall der strikten Konstruktion unterwirft, als sterile Kopfgeburt, und also als der italienischen Freude am unmittelbaren Ausdruck unverstellter Sinnlichkeit diametral entgegenge­ setzt. So etwas schien ihnen mindestens so «unitalienisch», wie die strikt abgelehnte Musik Richard Wagners. Der Opernfreund hat also nicht so Unrecht: Fugen haben bei Verdi Seltenheits­ wert, und das hat gute Gründe. Anscheinend gibt es in Verdis Opern nicht mehr als zwei Passagen, die man so bezeichnen kann: den schon genannten Falstaff-Schluss und die Schlachtmusik aus Macbeth. Allerdings tauchen auch andernorts hin und wieder kurze Anspielungen auf diese «unitalienische» Kunstform auf, die immer mit negativen Konnotationen belegt sind. Das wohl berühmteste Beispiel sind die Motive der Priester in Aida, deren kanonische Durchführung die Kälte und unnachgiebige Strenge dieser Kaste hörbar macht. Ganz anders scheint es sich in Macbeth zu verhalten, wenn die Schlacht gegen den Massenmörder auf dem schottischen Thron von einer Fuge begleitet wird. Die Entscheidung für diese Form scheint zunächst, so «unitalienisch» sie immer sein mag, durchaus konventionell. Für die musikalische Schlachtenmalerei griffen Komponisten schon immer gern auf polyphone Formen zurück, weil sich mit ihnen das Getümmel der vielen Einzelaktionen am besten hörbar machen lässt. So beeindruckend schildert Verdis Schlacht-Fuge mit ihrem prägnanten Thema, den schnell aufeinanderfolgenden Stimmeinsätzen und den heftigen harmonischen Verschiebungen das blutige Ge­sche­ hen, dass der von ihrem Schwung hingerissene Zuhörer einen anderen Aspekt fast über­sehen kann, der mit dem so unangenehm «ordentlichen» Charakter der Fugenform zu tun hat: Denn durch diese Schlacht soll die grausame Willkürherrschaft be­seitigt und Ordnung geschaffen werden, eine Ordnung, wie sie die kontrapunktische Strenge der Musik verheisst. Die Musik illustriert also nicht nur das momentane Ge­schehen, sondern kommentiert es auch durch den Verweis auf das Kommende. Und dieser Verweis fällt reichlich düster aus. Denn die mit grossem Schwung einsetzende Fuge ist doch enttäuschend kurz, und wenn der Held erscheint, der den Tyrannen zur Strecke bringt, gehen polyphone Vielfalt und kontrapunktische Ordnung gleichermassen im Triumph-Getöse des Orchesters unter, das auch die Klage der Mütter um ihre toten Söhne überdröhnt. Verdis Verwendung der seinem Publikum widerwärtigen Fugenform zeigt: Er ist sehr skeptisch, was diese Helden betrifft, die das Alte abschlachten, um eine neue Ord­nung zu bringen. Er glaubt ihnen weder die Ordnung noch das Neue: «Der König ist tot, es lebe der König», sonst ändert sich nichts. Werner Hintze


N AT H A LI E Á LVA R E Z M E S ÉN CO S TA R I CA

AB RZ 17. M Ä O IM KIN

«Getragen von der leidenschaftlichen Darbietung der Tänzerin Wendy Chinchilla Araya, bewegt sich das Drama auf ganz eigenem Terrain, das von magischem Realismus gefärbt ist und tief in die Welt der Sinne eintaucht.» T H E H O LLY WO O D R EP O RT ER


Fragebogen 39

Siena Licht Miller Sie sind soeben in Monteverdi mit den Tänzer:innen des Balletts Zürich aufgetreten. Was war das für eine Erfahrung? Ich fühle, wie die Energie auf der Bühne zwischen Körper und Stimme hin und her fliesst, das ist eine sehr erfüllende Erfahrung. Zu wissen, dass die Tänzer:­ innen auf meinen Gesang reagieren, ist eine grosse Verantwortung, die ich sehr ernst nehme. Meine erste Erfahrung mit Ballett war, als ich in Brahms’ Liebeslieder-Walzern mit dem New York City Ballet aufgetreten bin und gelernt habe, wie essentiell das Tempo für den Tanz ist. Die Art und Weise, wie Christian Spuck mit allen Individuen im Raum arbeitet und allen den gleichen Respekt entgegenbringt, hat mich sehr inspiriert. Was gibt Ihnen Monteverdis Musik? Monteverdi ist für mich das perfekte Beispiel für das Motto «weniger ist mehr». Die Kraft, die er erzeugt mit wenigen Instrumenten und einer fast gesprochenen Vokallinie, erlaubt das Aufkommen wahrer Gefühle. Niemand kann sich verstecken, alle sind sehr verletzlich. Ich liebe den Kontrast zwi­ schen der Stille in dieser Musik und den grossen Ausbrüchen, gemischt mit Flüstern und Sehnsucht. Jede Vor­ stellung ist anders und lässt viel Raum für uns, um mit der Stimme und den Emotionen zu spielen. Demnächst sind Sie als Zulma in Ros­ sinis L’italiana in Algeri zu erleben. Worauf freuen Sie sich in der Italiana-­Produktion? Abgesehen davon, dass ich mit der lebenden Legende Cecilia Bartoli auf der Bühne stehen werde, freue ich mich auf die Komödie, denn ich spiele oft traurige Charaktere. Moshe Leiser und Patrice Caurier bringen viel Erfahrung und viel Freude an der Arbeit mit, das ist ansteckend, und ich lerne so viel! Komische Charaktere sind sich nicht

bewusst, dass sie in einer Komödie auftreten, sie dürfen nie «lustig» spielen. Es ist das Timing und die Musik und vieles andere, das die Geschichte komisch macht. Welches Bildungserlebnis hat Sie besonders geprägt? Ich hatte das Glück, in eine Schule zu gehen, die von jemandem geleitet wur­de, der glaubte, der einzige Weg, Künstler zu werden, sei, auf die Bühne zu gehen und es zu sein! Und so war es auch am Curtis Institute of Music in Philadelphia – wir waren immer auf der Bühne und brachten fünf Pro­duk­ tionen pro Jahr heraus. So hatte ich die Möglichkeit, mich auszuprobieren und meine künst­lerischen Instinkte zu entwickeln. Ich denke, das Vertrauen, das mir von den Menschen entgegen­ gebracht wurde, mit denen ich bisher zusammengear­beitet habe, ist die wichtigste Erfahrung meiner Karriere. Welches künstlerische Projekt in der Zukunft, das Ihnen viel bedeutet, bereiten Sie gerade vor? Eine der Rheintöchter in Wagners Rhein­gold, das Ende April Premiere haben wird. Das ist meine erste Wagner-­ Rolle, und ich fühle mich sehr geehrt, Teil dieses neuen Rings unter der Leitung von Gianandrea Noseda und Andreas Homoki zu sein. Daneben habe ich viele Projekte wie zum Beispiel eine weitere Produktion mit dem Bal­ lett Zürich. Ich bin dankbar, dass ich ab der nächsten Spielzeit zum Ensemble des Opernhauses ge­hören werde und nun in Zürich meine künstlerische Hei­ mat gefunden habe!

Siena Licht Miller, deutsch-amerikansiche Mezzosopranistin, ist seit der Spielzeit 2020/21 Mitglied im Internationalen Opernstudio. Sie trat bisher in «Maria Stuarda», «Simon Boccanegra», «Viva la mamma», «Salome», «Die Odyssee» und zuletzt in «Monteverdi» auf.


40 Auf der Couch

Lady Macbeth

Dass eine Frau den Mann zu Taten drängt, die er ohne ihren Einfluss niemals voll­ bracht hätte, ist das ambivalente Mytho­ logem schlechthin. Das Pa­ ra­ dies ging verloren, weil Eva Adam die Frucht des verbotenen Baumes anbot. Männer wür­ den einfach weiter machen – bis eine Frau sie zwingt, ihre Männlichkeit zu beweisen. Die Muse inspiriert den Künstler, die Hexe treibt ihn in den Untergang. In Shakespeares Drama sind die Par­ zen, drei Schicksalsfrauen, die wir aus der römischen Mythologie kennen, nach Schott­land gereist. Ihre Versprechungen prägen das Drama: Macbeth wird ein Fürst am Hof des Königs – und er wird selbst König werden. Die erste Prophezei­ ung erfüllt sich aufgrund der Verdienste Macbeths, die Erfüllung der zweiten er­ zwingt seine ehrgeizige Frau, indem sie ihn zum Königsmörder macht. Macbeth zögert, den Dolch schon in der Hand; sie setzt ihn unter Druck. Die Szene hat eine ödipale Struktur: Die Mutter verbündet sich mit dem Sohn, beide ermorden den Vater, der Sohn nimmt dessen Rang ein. Bei Shakespeare, und noch ausgeprägter in Verdis Oper, ist zu Beginn die Lady männlicher als ihr Mann. Sobald aber

Macbeth König ist, findet sie die Rolle der Königin nicht, die an seiner Seite eine Dynastie begründet. Sie wird wahnsinnig, verrät sich selbst und ihren Mann, tötet sich. Nun ist der Ödipuskomplex selbst der Einfall eines Mannes, der in seinen Forschungen dem Seelenzustand der Frauen seiner Epoche nachspürte, aber in seiner persönlichen Lebensgestaltung pa­ triarchalischen Traditionen verpflichtet blieb. Freuds Methode der freien Einfälle und sein Interesse an der sexuellen Ent­ wicklung atmen einen emanzipatorischen Geist, den theoretische Postulate wie der Ödipuskomplex und der Penisneid sozu­ sagen wieder einfangen sollten. Heute ist es selbstverständlich geworden, die Ver­ zerrung des Frauenbildes durch die Dy­ namik des Patriarchats zu reflektieren: Die romantische Idealisierung der hohen Frau, in deren Dienst die Ritter zu Hel­ den­taten ausziehen, ist ein Instrument, ihr die Gleichberechtigung zu verweigern. Der schwache Mann, den eine Frau zum Bösen verführt, ist ein Klischee, das der Machterhaltung des patriarchalen Sys­ tems dient – was selbstverständlich nicht heisst, dass es solche Beziehungen heute

nicht mehr gibt. In das unterdrückte Ge­ schlecht projiziert das unterdrückende eigene Ängste und Aggressionen; daher sind Hexen ein derart mächtiges Thema des Volksglaubens. In der Aufklärung verblasst der Glanz der Frau, die den in sie verliebten Mann zur kühnen Tat zwingt. Ein tref­ fendes Beispiel ist Schillers Ballade Der Handschuh. Da werden erst Löwe, Tiger und zwei Leoparden in ihrer dräuenden Wut geschildert, bis eine Dame ihren Handschuh genau zwischen Löwe und Tiger fallen lässt. Wenn ihr Verehrer, spot­ tet Fräulein Kunigund, sie wirklich so heiss liebt, wie er geschworen hat, dann bringt er ihr den Handschuh zurück! Ritter De­ lorges riskiert sein Leben – und empört sich gegen den Mutwillen Kunigunds, die solche Beweise fordert. So wirft er den gewonnenen Handschuh der Dame ins Gesicht und will nichts mehr mit ihr zu tun haben. Schiller sagt lehrhaft, was Shakespeare einem tragischen Geschehen anvertraut: Beweise stärken die Liebe nicht, sie schwächen sie. Sie verraten das Geheimnis des Vertrauens, bis die Liebe sich auflöst und jene schutzlos zurücklässt, die sie festhalten wollten.

Illustration: Anita Allemann

aus Giuseppe Verdis Oper «Macbeth» Von Wolfgang Schmidbauer


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