Of Light Wind and Waters

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OF LIGHT, WIND AND WATERS

KIM BRANDSTRUP

OF LIGHT, WIND AND WATERS

BALLETT VON KIM BRANDSTRUP

Nach Motiven aus Leben und Märchen von Hans Christian Andersen

Musik von Hans Abrahamsen, Anna Clyne u.a.

Choreografie und Inszenierung Kim Brandstrup

Bühnenbild und Kostüme Richard Hudson

Video Tieni Burkhalter

Lichtgestaltung Martin Gebhardt

Sounddesign Ian Dearden

Dramaturgie Michael Küster

Partnerin Ballett Zürich

Ich glaube, ich bin nun damit ins Reine gekommen, Märchen zu dichten! Die ersten waren ja zumeist ältere, die ich als Kind gehört hatte und die ich, nach meiner Art und Weise, gern erzählte und umdichtete; diejenigen, die ich selber schuf, gewannen indessen den meisten Beifall, und das hat mir Auftrieb gegeben! Jetzt erzähle ich aus meiner eigenen Brust, greife eine Idee für den Älteren – und erzähle dann für die Kleinen. Ich habe eine Menge Stoff, mehr als für irgendeine andere Dichtart.

Hans Christian Andersen an Bernhard Severin Ingemann, 20. November 1843

In schrecklichster Armut aufgewachsen, flüchtet sich Hans Christian Andersen schon als Vierzehnjähriger nach Kopenhagen. Er will seine Vergangenheit hinter sich lassen und ein Leben als berühmter Künstler führen. Doch selbst, als er längst ein gefeierter Autor geworden ist, lassen ihn die Erinnerungen an seine Mutter und die Erzählungen, die er aus ihrem Mund gehört hat, nicht los. Sie sind es, die ihn über sich hinauswachsen lassen.

Kim Brandstrup

STILLES ERZÄHLEN VON GESCHICHTEN

Der Choreograf Kim Brandstrup im Gespräch mit Michael Küster

Kim, seit vielen Jahren bist du erfolgreich als Grenzgänger zwischen Film und Tanz unterwegs. Warum gehören diese beiden Genres für dich zusammen, und wie hat das angefangen?

Ich muss betonen, dass ich kein Filmemacher im eigentlichen Sinne bin, auch wenn meinen Arbeiten bestimmte filmische Qualitäten innewohnen. Als typisches Kind der 60er-Jahre habe ich eine sogenannte «progressive education» durchlaufen. Meinem körperlich-musikalischen Drang kam das sehr entgegen. Jeden Morgen haben wir eine Stunde getrommelt und getanzt. Aber so lange ich denken kann, habe ich mich auch für Filme interessiert. Als begeisterte Kinogänger haben mich meine Eltern schon im Alter von drei Jahren mit ins Kino genommen, so dass ich schon in sehr jungen Jahren von obskuren Stummfilmklassikern über die Meisterwerke aus Hollywood und der französischen «Nouvelle Vague» bis hin zu den Werken von Ingmar Bergman alles zu sehen bekam. Es schien logisch, dass ich mich nach Beendigung der Schule an der Universität von Kopenhagen einschrieb, um Film zu studieren. Mit 22 habe ich das Studium mit einem Film abgeschlossen. Aber gleichzeitig war da in mir etwas, das ich immer das «rhythmische Pochen» nenne und das mir offenbar schon früh eingepflanzt worden war. Ein Gefühl für Rhythmus und vielleicht auch von körperlichem Zwang, das mich einfach gepackt hat. Ich glaube, es ist das, was Merce Cunningham als «Appetit auf Bewegung» bezeichnet hat. Ein überwältigender Eindruck in diesem Zusammenhang waren für mich dann Gastspiele der grossen Tanzikonen Merce Cunningham und Pina Bausch. Die beiden haben mich damals derart begeistert, dass ich beschloss, mich vor dem Film erst einmal noch dem Tanz zu widmen.

Mit Anfang zwanzig eine Tanzausbildung zu beginnen, klingt riskant. Hast du in London gefunden, was du erhofft und erwartet hattest?

Ich war zunächst gar kein grosser Ballettfan. Aber in der Körperlichkeit bei Bausch und Cunningham hatte ich das Gefühl, dass das etwas für mich sein könnte. Es war diese Art des «stillen» Geschichtenerzählens, die mich fasziniert hat. Die London School of Contemporary Dance war in den 70er-Jahren eine der Topadressen für zeitgenössischen Tanz. Die Ausbildung war dann ein physischer Schock, weil mir schnell klar wurde, dass ich eigentlich kein Tänzer war. Mein Blick auf den Tanz blieb ein Blick von aussen. Mich hat viel mehr interessiert, wie man Dinge zusammensetzen, Leute strukturieren und mit ihnen tänzerische Sequenzen gestalten kann.

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Deine Lehrerin Nina Fonaroff war Tänzerin bei Martha Graham und eine der prägenden Pädagoginnen an der Londoner Schule. Wie hat sie dein choreografisches Denken beeinflusst?

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Ich kam ohne jede tänzerische Vorbildung nach London und hatte lange nicht das Niveau meiner Mitstudenten. Nina Fonaroff hat den grossen, schlaksigen Jungen aus Dänemark damals zum Choreografieren ermutigt. Unter ihrer Anleitung habe ich in meinem dritten Jahr in London Les Noces von Igor Strawinsky choreografiert. Eine Partitur, die mit ihren seltsamen, abrupten Veränderungen ähnlich strukturiert ist wie ein Film. Ich habe damals mit kleinen, fragmentierten Szenen gearbeitet. Die kamen so gut an, dass ich 1985 mit einigen Kommilitonen in London eine eigene kleine Tanzcompagnie mit dem Namen «Arc Dance» gegründet habe.

Wie sah das Profil deiner Compagnie aus?

Die grossen Leitfiguren waren für uns Merce Cunningham und Pina Bausch, aber auch Georges Balanchine hat mich damals sehr inspiriert. Von ihnen beeinflusst, haben wir nach einer zeitgemässen Art des Erzählens gesucht. Eine aus acht Tänzerinnen und Tänzern bestehende Kerngruppe konnte auf 12 bis 15 Personen erweitert werden. Pro Jahr haben wir ein bis zwei Stücke gemacht und sind mit ihnen auf Tournee gegangen. Dabei habe ich viel gelernt.

Deinen Durchbruch als Choreograf hast du 1989 mit Orfeo erlebt. Die berühmte Geschichte vom Sänger Orpheus hast du am London Contemporary Dance Theatre auf die Bühne gebracht…

Diese zeitgenössische Lesart der Orpheus-Geschichte hat mir viele Türen geöffnet. Wir sind durch die Welt getourt, bekamen einen Olivier Award, und plötzlich gab es ein Interesse grosser Ballettcompagnien wie des English National Ballet oder des Balletts Genf. Ich hatte mich bis dahin mehr als experimenteller Künstler gesehen, und nun stand ich plötzlich inmitten dieser Mega-Ballerinas im Studio und sollte für sie choreografieren... Später habe ich dann auch viel für Opern- und Schauspielinszenierungen gemacht. Wenn ich heute daran zurückdenke, fällt mir auf, dass ich nie zu etwas gezwungen oder gedrillt wurde. Film, Tanz, klassische Musik, Oper – das sind Dinge, die zum richtigen Zeitpunkt wie von selbst in mein Leben getreten sind. Vielleicht verbinden sie sich deshalb für mich auf so selbstverständliche Weise.

2025 jährt sich der Todestag des grossen dänischen Dichters Hans Christian Andersen zum 150. Mal. Aus diesem Anlass erarbeitest du mit dem Ballett Zürich ein Stück, das Märchenmotive Andersens mit der Biografie des Dichters verschränkt. Welche Rolle spielt Andersen in deinem Leben?

Als Däne sind Andersens Märchen natürlich tief in meiner DNA verwurzelt.

Allerdings war das keine Liebe auf den ersten Blick. Als Kind waren mir die Märchen der Brüder Grimm viel näher. Kämpfe und Prüfungen bestehen, Ängste über winden und am Ende eine reiche Belohnung erhalten – damit konnte ich mich sofort identifizieren. Bei Andersen ist das anders. Wirkliche Helden sucht man bei ihm vergeblich. Er thematisiert Ungerechtigkeiten, menschliche Schwächen und schreckliche Enttäuschungen. Selten gibt es ein Happy End. Wenn man die Märchen auf Dänisch hört, haben sie einen leicht herablassenden Ton, den ich als Kind irritierend und ein bisschen morbide fand. Andersen klang wie ein weiser Erwachsener, der einen über die Schwierigkeiten des Lebens aufklärt. Heute kann ich diese Texte ganz anders schätzen, und wahrscheinlich liest man sie in reiferem Alter auch mit grösserem Gewinn.

Wie hängen die Märchen und Andersens Biografie zusammen?

Neben der Kleinen Meerjungfrau und der Schneekönigin interessiert mich für unser Ballettprojekt vor allem das hierzulande wenig bekannte Märchen

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Der Schatten. Im Rückgriff auf das romantische Doppelgänger-Motiv erzählt Andersen da die Geschichte eines Mannes, den sein Schatten verlässt, um ein erfolgreiches Eigenleben zu führen, und der ihn letztlich vernichtet. Der Verlust der eigenen Identität ist ein grosses Thema im 19. Jahrhundert. Mit der fortschreitenden Industrialisierung ziehen die Menschen in die grossen Städte, um in den riesigen Fabriken zu arbeiten. Sie verschwinden in der Menge, sind anonym und austauschbar. Sie sind konfrontiert mit dem Verlust jenes besonderen Identitätsgefühls, das man hat, wenn man in einer Gemeinschaft oder in einem kleinen Dorf lebt, wo jeder einen kennt. Andersen selbst hat in seinem Leben einen unglaublichen sozialen Aufstieg erlebt. Als einziges Kind seiner Eltern wuchs er in ärmlichsten Verhältnissen auf. Er geht nach Kopenhagen und wird zum berühmtesten Schriftsteller seines Landes. Er selbst scheint diesen Aufstieg am wenigsten fassen zu können und muss sich seiner immer wieder versichern. Er freut sich, wenn er von Berühmtheiten erkannt und eingeladen wird, posiert für eine Unmenge von Fotografen. Ich spüre bei ihm diese grosse Sehnsucht, einer Welt anzugehören, die nicht die seine war. Und gleichzeitig das Verlangen, in den behüteten Raum seiner Kindheit zurückzukehren. Ein Teil des Establishments in Dänemark, Søren Kierkegaard etwa, und die intellektuelle Elite hielten Andersen für erbärmlich, weil er überall versuchte, zu gefallen und sich anzupassen. Aber mich rührt diese «Erbärmlichkeit», weil sie im Grunde in uns allen steckt. In vielen seiner Märchenfiguren spiegelt sich Andersen mit seinen Sehsüchten, Verlusten und Enttäuschungen. Grund genug, ihn in unserem Ballett als Figur auf die Bühne zu holen und mit Figuren aus seinen Märchen in Kontakt treten zu lassen.

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Das Ganze ist also kein Märchenabend, in dem eine Geschichte nach der anderen abgehandelt wird. Aber es ist auch kein Biopic, in dem wir einzelnen Lebensstationen des Dichters folgen… Mit den Mitteln des Tanzes lassen sich Motive aus den Märchen mit Frag-

menten der Biografie nicht nur sehr gut verbinden, sondern es lassen sich auch Verbindungen und Parallelen zwischen den einzelnen Geschichten aufzeigen. Vor zwanzig Jahren habe ich mich in The Anatomy of a Storyteller schon einmal mit Andersen beschäftigt. Es war das letzte Stück, das ich für «Arc Dance» kreiert habe. Die technologische Seite, vor allem der Einsatz von Video- und Sounddesign, hat mich damals nicht gänzlich befriedigt. Heute gibt es da ganz andere Möglichkeiten. Deshalb hat es mich gereizt, die visuelle Welt und das thematische Material von damals noch einmal aufzugreifen und mit einem frischen und unverstellten Blick auf Andersen zu schauen.

Mit den Tänzerinnen und Tänzern des Balletts Zürich findest du gerade eine choreografische Sprache für dieses Stück. Wie erlebst du die Zusammenarbeit mit ihnen?

Als ich in den 80er Jahren anfing, mit Tänzern zu arbeiten, bestand eine grosse Kluft zwischen klassischen und den sogenannten «contemporary» dancers. In den letzten zwanzig Jahren hat sich da viel verändert, gerade was die Körperlichkeit der klassischen Tänzer angeht. Das ist beeinflusst durch gesellschaftliche Entwicklungen. Wenn man heute in einen Club geht, sieht man die verrücktesten Dinge. Die Leute machen Hip-Hop, sie hüpfen, drehen sich auf dem Kopf. Sie machen Sachen, die viel körperlicher sind, als man es in den 1950er, 60er und 70ern getan hätte. Der Drang, sich zu bewegen, hat ganz andere Dimensionen erreicht, und damit verfliessen auch die Grenzen. Diese strenge Teilung der Genres in «klassisch» und «modern» gibt es nicht mehr, und hier in Zürich erlebe ich, wie die Tänzer geradezu hungrig nach Bewegung sind und sich mit grosser Experimentierfreude in die Choreografie hineinwerfen. Eine Bewegung ist in ihrer Flüchtigkeit etwas unglaublich Persönliches: Wie jemand sein Gewicht verlagert, wie langsam er eine Bewegung angeht, wie schnell, wie nervös – all diese Qualitäten machen am Ende das Drama aus und zwingen einen, genau hinzuschauen.

Die Tänzerinnen und Tänzer des Balletts Zürich mit ihren individuellen Persönlichkeiten überraschen mich da jeden Tag aufs Neue, weil ich ganz spezifisch auf sie reagieren muss.

Eine Besonderheit dieses Balletts ist, dass es kein Orchester im Orchestergraben geben wird. Was wir hören werden, ist eine Klangcollage von Ian Dearden. Wie klingt die?

Mit Ian arbeite ich seit über dreissig Jahren zusammen. Er hat einen geradezu unfehlbaren Sinn für Kontraste und Dynamiken, die in einem Stück aufeinander treffen und unerwartete Kombinationen schaffen. Was die Schnitttechnik angeht, ist das eine filmische Herangehensweise, die mir bei diesen Parallelgeschichten sehr entgegenkommt. Für unser Andersen-Ballett hat Ian Dearden einen Soundtrack aus Stücken des grossen dänischen Komponisten Hans Abrahamsen und der englischen Komponistin Anna Clyne kompiliert.

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Im Titel unseres Balletts Of Light, Wind and Waters ist von den Naturkräften die Rede… Tatsächlich spielen diese Naturkräfte in Andersens Texten eine wichtige Rolle. Ihr Ton mag idyllische Biedermeier-Welten suggerieren, aber die Aussenseiter in seinen Märchen sind den Elementen oft ungeschützt ausgeliefert. Oft ist von Kälte und Hitze, von Feuer, Luft und Wasser die Rede. Sie sind auch in der Ausstattung von Richard Hudson präsent. Ein weiterer Ausgangspunkt für ihn waren die vielen Fotos, die Andersen in den letzten zwanzig Jahren seines Lebens von sich machen liess. Richards Bühnenbild bietet faszinierende Möglichkeiten für ein variantenreiches Spiel mit Dopplungen, Spiegelungen und Schatten.

Mit welcher Andersen­Erfahrung sollte man aus deinem Ballett nach Hause gehen?

Mich beeindruckt die Art und Weise, wie Andersen versucht, sich gegen alle Widerstände durchzusetzen. In seinem Streben nach Anerkennung liegt sowohl eine rührende Unbeholfenheit als auch eine nervige Wichtigtuerei, die ihn mir sehr menschlich und verletzlich erscheinen lässt. Und in der Tat sehr modern. Er lässt sich auf die raue Aussenwelt ein und schafft es irgendwie, seinen eigenen Weg zu gehen. Mit dem Kontext des eigenen Lebens wird man sich in Andersens Geschichte und seinen Geschichten wiederfinden.

Die jüngste Tochter des Meerkönigs sehnt sich nach der Menschenwelt über dem Wasser. Als sie sich zum ersten Mal über den Meeresspiegel erheben darf, erblickt sie auf einem Schiff einen Prinzen, dem sie bei einem Unwetter das Leben rettet und in den sie sich verliebt. Um ihn und eine unsterbliche Seele zu gewinnen, nimmt sie grosse Schmerzen und Gefahren auf sich, und um eine Menschenfrau zu werden, opfert sie der Meerhexe Zunge und Stimme. So kann sie dem Prinzen zwar gefallen, der aber zieht eine fremde Prinzessin vor. Damit hat die Meerfrau Leben und unsterbliche Seele verwirkt. Ihre letzte Chance, nämlich den Prinzen umzubringen und in die Unterwasserwelt zurückzukehren, schlägt sie aus und stürzt sich am Morgen seiner Hochzeit ins Meer. Doch anstatt sich in kalten Schaum aufzulösen, wird sie von den Töchtern der Luft aufgenommen und kann sich nun durch gute Taten selbst eine unsterbliche Seele schaffen.

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ie Nachbarskinder Kay und Gerda spielen friedlich zusammen, bis Kay von den Splittern eines Troll-Spiegels getroffen wird, der die Eigenschaft besitzt, alles Gute und Schöne ins Gegenteil zu verkehren. Kay muss mit seinem Schlitten der Schneekönigin folgen, die ihn mit ihrem Kuss verführt und betäubt. Selbst fast erstarrt, ist er in ihrem Schloss nur mit dem Eisspiel des Verstandes beschäftigt, ohne jedoch das Wort «Ewigkeit» schreiben zu können, das ihn befreit hätte. Gerda besteht auf der Suche nach Kay viele gefährliche Abenteuer. Mit ihren Tränen bringt sie das Eis in Kays Brust zum Schmelzen. Als Kay sich den Spiegelsplitter aus dem Auge weint, kann er mit Gerda das Schloss der Schneekönigin verlassen. Beide kehren glücklich heim und sind in der Zwischenzeit erwachsen geworden.

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Ein junger Dichter aus den kalten Ländern, der im Süden unter der Tageshitze leidet, hört abends aus dem Haus gegenüber wunderbare Musik und glaubt, dort einen herrlichen Glanz und eine liebliche Jungfrau zu erblicken. Anstatt das Geheimnis selbst zu ergründen, schickt er seinen Schatten aus. Der kehrt erst nach vielen Jahren zu ihm zurück und berichtet, er sei bei der Poesie gewesen und dadurch ein Mensch geworden. Nach anfänglichem Zögern begleitet der Dichter seinen immer stärker werdenden Schatten auf eine Reise in ein Bad, wobei er selbst mehr und mehr zum Diener wird und dem Schatten bei der Werbung um eine schöne Prinzessin behilflich sein muss. Die Drohung des Dichters, die Königstochter über die Vergangenheit des Schattens aufzuklären, benutzt der Schatten, um ihn einzusperren und schliesslich ermorden zu lassen.

«Der Schatten» ist ein Märchen über den Bankrott des Märchens. Nicht der Held, sondern sein Widersacher, der dämonische Schatten, entmachtet seinen Herrn und bekommt die Prinzessin und das Königreich – nachdem er die Prinzessin mit dazu bewegt hat, dem einstigen Herrn den Garaus zu machen.

DIE MAGNETISCHE EIDECHSE

Das zerrissene Leben des Hans Christian Andersen

Michael Maar

Dieser Hans Christian hat die Welt verändert. Im Jahr 1820 entdeckte der dänische Physiker Hans Christian Ørstedt bei der Vorbereitung auf eine Vorlesung zufällig den Einfluss elektrischer Ströme auf eine Magnetnadel. Wenn Strom durch einen Leiter fliesst, bildet sich um ihn herum ein Magnetfeld. Ohne diese Entdeckung, die sich in Europa in Windeseile verbreitete, gäbe es heute keinen Generator, kein Radio, keinen Fernseher, keinen Computer. Fünfzehn Jahre nach der Entdeckung des Elektromagnetismus lieferte Professor Ørstedt einen weiteren Beweis seines Finderglücks und sicheren Gespürs. Einem befreundeten Dichter, der gerade erst zaghaft aus dem Dunkel hervorzutreten begann, sagte er voraus, seine Romane würden ihn vielleicht berühmt machen, seine Märchen aber unsterblich.

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Der Naturforscher hatte den besseren Blick als die Literaten, die den Emporkömmling mit den Scheelaugen der Zunft betrachteten. Konnte der überhaupt korrekt schreiben? War sein Dänisch nicht voller Fehler? Recht behielt Ørstedt, und wie fulminant. Die Märchen Hans Christian Andersens zählen heute zu den sieben literarischen Weltwundern. Andersen ist in alle Sprachen übersetzt, seine Figuren sind Universalien geworden, ihr Schöpfer zu dem postumen Ruhm gelangt, der ihm äusserst missfallen hätte, der aber der höchste ist: das sanfte Zurückgleiten in die Anonymität.

Dieses Zurückgleiten, mit dem aller peinliche Erdenrest abgestreift wird, hat gerade in seinem Fall etwas Tröstliches. Die Nachtseiten des Schwans aus Odense waren so auffällig, dass die Nachwelt nicht immer die Augen fromm vor ihnen verschliessen könnte. Ob der mit vierzehn Jahren mittellos nach Kopenhagen gestreunte und vor Ehrgeiz glühende Bub nun aus Königs- oder Huren-

haus stammte (eher letzteres nach Auffassung der jüngsten Biografen), seine Kindheit muss, aller späteren Verklärung zum Trotz, das reine Elend gewesen sein. Und dann das Alter, das schlimme Alter, in dem Andersen zur Landplage geworden ist. Eine kleine Szene nur: Andersen liest heimlich Briefe seiner adligen Gastgeberin, wird zur Rede gestellt und erklärt, er habe nur herausfinden wollen, ob man in England noch von ihm spreche: Welche Enttäuschung, kein Wort über ihn, dabei habe er geglaubt, auf der Insel möge man ihn besonders! Als kranker und morphiumsüchtiger Greis wird Andersen ein unausstehlicher Egoist, roh, rücksichtslos, der in Restaurants sein Gebiss im Wasserglas reinigt und aus Geiz in der kalten Wohnung friert – eine böse Queen, die nicht altern kann und auf die sich rachsüchtig die Furien stürzen, all das Verdrängte des Lebens, das ein Märchen nur dann war, wenn man Märchen wie Der Schatten meint.

War das ein später Zusammenbruch der Persönlichkeit? Eher ein Zusammenbruch der Fassaden und Palisaden, die den narzisstischen Kern dieser Persönlichkeit vor den Blicken mehr schlecht als recht geschützt hatten. Über diesen narzisstischen Kern erfährt man auch aus den neuen Biografien wenig; wie sie überhaupt immer dann, wenn sie sich einem heissen Kern nähern, einen kleinen Schlenker zur Seite machen und zum nächsten Thema übergehen.

Andersens Leiden ... Von der Triumphreise zurück, muss er erleben, wie unter seiner Kopenhagener Wohnung laut plaudernd nach oben gezeigt wird: «Sieh einer an, da steht unser im Ausland so berühmt gewordener Orang-Utan!» Enorme Füsse, eine riesige Adlernase, Schweinsäuglein und überlang herabschlackernde Arme, eine dürr hochragende Gestalt, so dass er ausser OrangUtan auch Kranich genannt werden konnte, des Zappelns und Schwänzelns wegen aber auch Eidechse – so das Äussere des grossen Dänen. Andersen litt ein Leben lang an ihm, galt dabei als furchtbar eitel; die überkompensierte Scheu des Hässlichen, der zu oft angestarrt wurde und sich noch als Sechzigjähriger in Seitengassen verzog, wenn Passanten sich lachend nach ihm umdrehten. Der Körper war aber nicht nur hässlich, er war auch das hohe Tor, durch das jede Minute der Sensenmann treten konnte, verkleidet, so dumm war er nicht, als gutmütiges Zipperlein. Eine ahnungsweise Vorstellung von Andersens Hypochondrie und dem Wogen seiner Ängste bekommt man durch das Tagebuch

eines seiner wechselnden jungmännlichen Reisebegleiter. Andersen verschluckt sich beim Essen und muss den Tisch verlassen, um sich auszuhusten. «Obwohl die Gastgeberin Widerspruch erhob, behauptete er, dass eine Nadel im Fleisch gewesen sei; er habe sie verschluckt und könne sie deutlich in seinem Körper spüren. An diesem Abend und am nächsten Tag machte er sich grosse Sorgen wegen der möglichen Folgen. Er war so verängstigt, dass er darüber die Befürchtung vergass, aus einer kleinen Pustel über seiner Augenbraue könnte ein grosser Auswuchs werden, der sein Auge verdecken würde – eine Sorge, über der er wiederum vergessen hatte, dass er sich einbildete, einen Bruch zu bekommen, weil ich ihn aus Versehen mit dem Spazierstock ganz leicht in der Magengegend angestossen hatte, was ihn wiederum von dem Gedanken abbrachte, er könne sich Gelenkwassersucht zugezogen haben, worüber er sich bei Ankunft in Wien grosse Sorgen gemacht hatte.»

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Andersen wurde siebzig, die längste Zeit war nicht der Leib krank, sondern das Gemüt. Die innere Unruhe liess ihn nirgends bleiben; wie Kleist und Nietzsche war er immer auf Reisen, die ablenken sollten und nie lange Linderung brachten. Anders als Nietzsche, der sich mit seinen Leiden zurückzog, war der im Zickzack durch Europa eilende Märchenmann eine gefürchtete Nervensäge. Durch heillosen Egozentrismus fiel er noch den geduldigsten Gastgebern zur Last. Charles Dickens machte, als der Besuch wieder abgereist war, seinen Gefühlen in einer Karte Luft, die noch lange danach ihr festes Plätzchen über der Frisierkommode im Gästezimmer behielt: «Hans Christian Andersen schlief in diesem Zimmer fünf Wochen – der Familie schien es eine EWIGKEIT.» Im Manchester Guardian war später zu lesen, wie man ihn hinter seinem Rücken genannt hatte – the bony bore –, und wie man vor Verlegenheit fast gestorben war, als er in einem seiner entzückenden Einfälle bei einem Dinner begann, einen Margeritenkranz zu flechten und auf dem Hut Wilkie Collins’ zu drapieren.

Der arme Andersen war lästig, die schlimmste Last aber blieb er sich selbst. Durch ständige Bewegung konnte er sie verschieben und die Druckstellen wechseln, abladen konnte er sie erst am letzten Tag. Als Diener ihres Herrn vagabundierten auch seine Symptome, die Zwänge, Tics und fixen Ideen. Andersen litt unter Depressionen und Wahnvorstellungen; Grossvater und Vater starben im Irrsinn, er selbst blickte oft genug schwankend von der Klippe hinab. Wenn

sich unbekannter Besuch anmeldete, schlief er nicht mehr, überzeugt davon, er erwarte seinen Mörder. Aus Angst vor Hausbränden führte er ein Seil im Koffer mit, und wie bei dubiosen Lokalen jeden Morgen dieselbe verblichene Tafel «Heute frische Muscheln» vor der Tür steht, lag auf seinem Nachttisch immer der Zettel: «Ich bin scheintot».

In gewissem Sinn war er es. Lebenslänglich auf der Gefängnisinsel, auf die er seit der Jugend verbannt wurde, in nie gelockerter Einsamkeit, von einem Gift, einer Wunde moros und mürbe gemacht … Von all diesen Leiden wollen Andersens Biografen nicht viel wissen. Ein kleines Kapitel immerhin widmet der gründlichste unter ihnen, ein Namensvetter Andersens, der berühmten Polemik Aus eines noch Lebenden Papieren von 1838, mit der sich Dänemarks zweiter grosser Mann, damals noch unbekannter Theologiestudent, an Andersens Vernichtung versuchte. Warum war Kierkegaard so kiebig? Verrät sich der Grund in der nicht minder berühmten Fussnote, in der er Andersen als eine jener Blumen beschreibt, «bei denen das Männliche und das Weibliche auf einem Stengel beieinandersitzen» – was hübscher, aber nicht weniger giftig gemeint ist als die Stelle, an der er ihn mit einer Amphibie mit Froschbeinen und dem Schwanz eines Salamanders vergleicht? So wenig der Biograf der sich aufdrängenden Frage folgt, ob Kierkegaards überschiessender Affekt nicht etwas mit Feindschaft aus Nähe und also der eigenen Konstitution zu tun haben mochte, so sehr mildert er alles herab, was mit Kierkegaards Angriffsziel zusammenhängt: Andersens bigeschlechtlicher Ausrichtung, wie er es nennt. Fast ist man ihm dankbar dafür, dass er nicht auch den Namen des homosexuellen Balletttänzers abschwächt, mit dem der alte Andersen eine Affäre hatte – er hiess «Scharff». Eine gewisse Prüderie ging von der dänischen Andersen-Forschung schon immer aus. In jüngster Zeit tarnt sich diese Prüderie mit schwach französisch parfümierten Theorieschleiern. Weil es den Begriff «homosexuell» noch nicht gab, kann es Andersen also auch nicht gewesen sein, ungefähr darauf läuft es hinaus – als hätte es keine Diabetiker gegeben, als das Wort dafür noch nicht erfunden war. Das namenlose Gefühl, das Hans Christian Andersen ein Leben lang nicht in Ruhe liess und durch Europa jagte, war Verliebtheit in junge Männer, deren Körper (und nicht nur schöne Seelen) ihn anzogen. Dass dieses Gefühl bei ihm womöglich nie oder nur viertelherzig in die wolllüstige Tat

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umgesetzt wurde – was keineswegs sicher ist –, ändert nichts an der Polarität und Spektralfarbe seines Gefühlskosmos. Ein sprechendes Detail ist, dass er schon als Kind Mädchen im Wortsinne nicht riechen konnte. Der Geruchssinn ist, wie man heute weiss oder zu wissen beginnt, mit der sexuellen Präferenz gekoppelt, ob er sie nur anzeigt oder sogar steuert. Wie schwer erträglich ihnen die weiblichen Gerüche seien, ist eine wiederkehrende Klage der unglücklich verheirateten Homosexuellen schon in den Hirschfeldschen Jahrbüchern für sexuelle Zwischenstufen, die sich der Erklärung des, wie es damals hiess, Uranismus widmeten. Was Andersen in den wenigen Fällen, in denen er sich auch von Frauen erotisch angezogen fühlte, in den Bann gezogen zu haben scheint, war nicht der Geruch, sondern offenbar die Stimme: bei der französischen Tragödin Rachel (die auch der junge Proust verehrte) und bei der dänischen Nachtigall Jenny Lind. In der Zeit, in der er Rachel sieht und auf Jenny Lind wartet, häufen sich in seinem Tagebuch die Kreuzchen, mit denen er den selbsterleichternden Akt markiert, den Thomas Mann mit der Formel «Ermächtigung und Auslösung» bedachte. Die Biografin Wullschlager liest diese Kreuzchenverdichtung als Zeichen von Andersens nicht strikt gleichgeschlechtlicher Affizierbarkeit und hat ein nicht der Prüderie geschuldetes, sondern solides Argument damit. Die Betonung liegt auf «strikt». Dass Andersen sich vorwiegend und im Alter ausschliesslich zu Männern hingezogen fühlte, war bereits den erwähnten Hirschfeld-Schriften zu entnehmen. Schon 1901 erschien dort der Aufsatz eines Albert Hansen aus Kopenhagen, der unter dem Titel H. C. Andersen: Beweis seiner Homosexualität all das versammelte, worum die dänische Forschung bis heute einen verlegenen Bogen schlägt.

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Wenn der Leiter des Andersen-Centers in Odense noch 1999 gewissermassen von der Kanzel herab erklärt, Andersen habe nie ein realisiertes sexuelles Verhältnis zu einem Mann gehabt, wundert man sich nicht nur über seine Sicherheit – hat er ihm die Lampe gehalten? –, sondern fragt sich auch, warum es in hundert Jahren nicht möglich war, zwei spezielle Bemerkungen jenes Albert Hansen zu kommentieren, und wäre es nur, um sie zu entkräften. Bei Hansen war 1901 zu lesen, ein dänischer Schriftsteller M. K., wegen Sittlichkeitsverbrechen verhaftet, habe nicht wiederzugebende Äusserungen über sein Verhältnis zu Andersen gemacht, sei dann aber zum Dementi gezwungen worden. Was ist

dran an dieser Geschichte, und wer ist glaubwürdiger, der Verpfeifer oder der Zurückgepfiffene? Andersen, fährt der Autor bedeutsam fort, werde schwerlich auf «jede Bethätigung seiner sexuellen Neigung verzichtet haben»; ihm, dem Verfasser, seien von noch lebenden älteren Homosexuellen Mitteilungen gemacht worden, welche das Gegenteil glaubwürdig erscheinen liessen.

Was immer es mit diesen Andeutungen auf sich haben mag, auf eines sollte man sich jedenfalls nicht berufen, wenn man Andersen als sittsame Jungfrau beschwört, nämlich auf seine Tagebücher. So offen und unzensiert sie erscheinen, sie haben ihre geheimen Rückseiten, wie uns der Diarist an einer Stelle selber wissen lässt. Vor allem aber das Werk, gerade das Märchenwerk, hat diese codierte Rückseite, auf der sich der Autor das gequälte Herz zu erleichtern sucht.

Von der kleinen Meerjungfrau, die am liebsten in Männerkleidung ausreitet, über ihre Verliebtheit nicht sprechen kann und vom Prinzen nicht ins Schlafgemach vorgelassen wird – vom Räubermädchen, das in der Schneekönigin zweideutige Spiele mit der Heldin Gerda treibt, bis zur Dryade, die eine tödlich dionysische Nacht in Paris erlebt – überall ist in den Märchen, deren Vorderseite für Kinder, deren Verso aber für Erwachsene bestimmt ist, von unerfüllter Sehnsucht die Rede und dem Leid der verbotenen Lust.

Hängt es mit dieser Sehnsucht zusammen, dass Hans Christian Ørstedt Recht bekam und die Märchen unsterblich geworden sind? Spannung ist darin, etwas Elektrisches, und das macht sie magnetisch: Das wäre eine zu Ørstedt passende Erklärung. Eine Quelle der Spannung liegt darin, dass das erotisch Begehrte zu Lebzeiten verwehrt bleibt. Die kleine Meerjungfrau kann den Prinzen nicht küssen und stürzt sich selbstmörderisch ins Meer. Die Eisjungfrau des späten Märchens küsst den Helden zu Tode. Der stigmatisierte Zinnsoldat vereinigt sich mit seiner Tänzerin erst in den Flammen (ein gemeinsamer Liebestod, der den jungen Thomas Mann nicht weniger beeindruckte als jener im Tristan). In den Märchen pulst und glüht etwas, das man nur als Todeserotik bezeichnen kann.

Dieselbe Spannung vibriert in seiner Lyrik. Auffälligerweise werden die Angebeteten in Andersens Poesie immer getötet, wie Heinrich Detering bemerkte – als werde der Akt der körperlichen Liebe durch den der Tötung vermieden. Dieses Gemeinsame, also die gleiche thematische Spannung in der

Lyrik und in den Märchen, verweist aber auch auf den entscheidenden Unterschied. Nach Andersens Gedichten würde heute kein Hahn mehr krähen, hätten ihn die Märchen nicht in die Ewigkeit gerettet. Das Elektrisch-Magnetische allein genügt nicht. Es kommt noch anderes hinzu.

Eines hat abermals schon Ørstedt erkannt: Andersen malt mit der Feder. Diese Gabe des genauen Hinsehens und farbigen Nachmalens kommt jedem seiner Märchen zugute. Die grössten von ihnen sind dabei die lakonischsten. Lakonik ist in Bewegung gehaltene Selbstkritik, die Stärke also, nicht zu früh aufzuhören, sondern immer weiter zu feilen, zu verknappen und zu verdichten. Mit dieser Stärke hängt eine andere zusammen, es ist die wichtigste überhaupt. Andersen hatte die Fähigkeit, sich selbst mit dem Adler- oder Storchenblick von oben zu betrachten. Er sah all seine unerfreulichen Eigenschaften selbst, und er bespöttelte sie.

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Was seine Märchen imprägniert und für alle Zeiten wasserdicht macht, ist dieser Sinn für Komik und Humor. Er fehlt auch in seinen Sehnsuchtsmärchen nicht. Selbst in der Kleinen Meerjungfrau gibt es diese Einsprengsel, die Andersen vor dem Sentimentalen bewahren, und wäre es nur das Lob der Reinlichkeit, das die Meerhexe ausspricht, bevor sie ihren Kessel mit verknoteten Schlangen auswischt. Oder ein kulinarisches Beispiel: «In der Küche waren in Hülle und Fülle Frösche am Spiess, Schlangenhäute mit kleinen Kinderfingern darin und Salate von Pilzsamen, feuchten Mäuseschnauzen und Schierling, Bier vom Gebräu der Sumpffrau, leuchtender Salpeterwein aus Grabkellern, alles sehr solide; verrostete Nägel und Kirchenglasfenster gehörten zum Naschwerk.» «Alles sehr solide» – dieser Halbsatz macht es, und er zeigt Andersens eigentliches Genie. Elektrisch-magnetisch, farbenreich, scharf gefeilt und komisch: das sind seine Märchen, das ist ihre unvergängliche Kunst. Grosse Autoren haben dieser Kunst offen oder verdeckt Tribut gezollt. Der Egomane aus Odense hat viele Eleven. So hat auch dieser Hans Christian die Welt verändert; die kleine, bessere der Literatur.

Ich finde, dass die Märchendichtung das am weitesten ausgedehnte Reich der Poesie ist, es reicht von den blutdampfenden Gräbern der Vorzeit bis zum Bilderbuch der frommen, kindlichen Legende, nimmt die Volksdichtung und die Kunstdichtung in sich auf; sie ist mir Repräsentantin aller Poesie, und wer sie beherrscht, muss in sie das Tragische, das Komische, das Naive, die Ironie und den Humor hineinlegen können und hat hier die lyrische Saite, das kindlich Plaudernde als auch die Sprache des Naturbeschreibers zu seinem Dienst.

ANDERSENS MUTTER

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«Mein Vater war nicht ohne Bildung und ein hervorragender Kopf, bei meiner Mutter hingegen war alles Herz; sie waren beide ziemlich verschieden, lebten aber doch gut zusammen», erinnert sich Hans Christian Andersen in seiner frühesten Autobiografie. Mehr als die Hälfte der Einwohner der dänischen Stadt Odense lebte damals in Armut, so auch das Ehepaar Andersen, das erst zwei Monate vor der Geburt des Sohnes, 1805, geheiratet hatte. Hans Andersen, Sohn eines armen, später wahnsinnigen Dorfhandwerkers, konnte als Schuhmacher seine kleine Familie mehr schlecht als recht ernähren, das Handwerk machte ihm wenig Freude, und brachte ihm noch weniger ein. Im Jahre 1812 verliess Hans Andersen Frau und Kind, um Soldat zu werden. Tatsächlich rückte er für einen wohlhabenden Bauern ein, der ihm das gut bezahlte, also aus materieller Not. Obwohl er gar nicht in Kampfhandlungen geriet, war er bei seiner Rückkehr an Leib und Seele gebrochen und starb bald drauf, nur 34 Jahre alt. Der Sohn hat sich zu seinem väterlichen Erbteil stets bekannt: Neigung zur Literatur und Kunst, Phantasie und Tagträumerei, auch Einzelgängertum und das Bewusstsein, «anders» zu sein.

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Anne Marie Andersdatter, 1773 oder 1775 unehelich geboren, musste als Kind betteln gehen. Sie war Analphabetin und abergläubisch, jedoch zupackend und fleissig, kümmerte sich liebevoll um den Sohn und hielt die Familie praktisch über Wasser. In Andersen Werken taucht sie mehrfach auf, am deutlichsten als unschuldig ins Unglück geratene Waschfrau in der Geschichte Sie taugte nichts, in der er eine Erklärung dafür gibt, dass sie schliesslich dem Alkohol verfiel. Wann sie mit dem Trinken anfing, ist nicht bekannt, vermutlich bald nach dem Tode des Vaters oder noch früher. 1818 hatte Anne Marie Andersdatter ein zweites Mal geheiratet, wieder einen Schuhmacher, der erheblich jünger war und vermutlich genauso arm…

Dem vierzehnjährigen Andersen war klar, dass er in diesem Milieu nicht bleiben konnte, und sein geplanter Aufbruch nach Kopenhagen war auch ein Ausbruch und eine Flucht. Vielleicht brauchte er dafür den Mut der Verzweiflung.

Ich habe niemals gekannt, was Jugend eigentlich ist. Ich spüre ein unendliches Bedürfnis, Lust, mich von Grillen und Gewohnheiten loszureissen und als vernünftiger Mensch das Leben zu geniessen, es gibt so vieles, was ich vergessen möchte…

Hans Christian Andersen in einem Brief an Henriette Wulff, 16. Februar 1833

HÖR MAL, WAS DIESE MUSIK NOCH ALLES KANN!

Die Geheimnisse des Sounddesigners Ian Dearden

Ian, für unser Ballett Of Light, Wind and Waters hast du aus Musikstücken unterschiedlichster Komponisten eine Klanglandschaft kreiert, die ganz auf diesen Abend um Hans Christian Andersen und seine Märchen zugeschnitten ist. Wie findest du den richtigen Ton für solch ein Vorhaben?

Mit Kim Brandstrup habe ich in der Vergangenheit in vielen Projekten zusammengearbeitet. Dabei beginnen wir jedes Mal bei null – in einem visuell und akustisch völlig leeren Raum, den Kim mit Bewegung und ich mit Klängen füllen werde. Dabei ist es wichtig, zunächst einmal den dramatischen Zweck der Musik zu definieren, dem sie dienen soll. Wir versuchen, ein Gefühl für Ort, Zeit und das geplante Tempo der szenischen Abläufe zu entwickeln. Davon ausgehend, versuche ich, eine sinnstiftende Musikauswahl zu treffen und dabei sensibel auf Kims dramatische Bedürfnisse zu reagieren. Bei einem Ballett mit dem Titel Of Light, Wind and Waters, in dem es um Märchen wie Die Schneekönigin oder Die kleine Meerjungfrau geht, könnte man es sich leicht machen und sich einfach irgendwie an diesen Vorgaben mit Naturgeräuschen entlanghangeln. Aber natürlich ist es weit spannender, die Kälte in der Schneekönigin nicht mit kaltem Wind zu illustrieren, sondern Musik zu finden, die ihn widerspiegelt.

Wo hast du die adäquaten Klänge für unsere Geschichten gefunden?

Stücke des dänischen Komponisten Hans Abrahamsen habe ich erstmals als Student während meiner Ausbildung zum Schlagzeuger gespielt. Bis heute

Das

fasziniert mich, mit welcher Ausdauer sich Abrahamsen über lange Zeiträume mit bestimmten Ideen auseinandersetzt und versucht, sie in unterschiedlichsten Ausdrucksformen zu erforschen. Kleine Ensemblestücke können sich bei ihm in grosse Orchesterpartituren verwandeln, und aus Klavierstücken können Streichquartette werden. Er lässt seiner Fantasie freien Lauf und kommt so zu den unterschiedlichsten Instrumentalbesetzungen und zu einer sehr destillierten Musik. Diese Reinheit hat Kim Brandstrup und mich ganz besonders angesprochen. Uns erinnert diese Musik an den Winter in Dänemark, obwohl Abrahamsen selbst das als Komponist nicht bewusst bezweckt. Die zweite wichtige Musikfarbe in unserem Stück stammt von der aus London stammenden Komponistin Anna Clyne. Ihr Violinkonzert The Seamstress durchzieht die gesamte Partitur.

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Welche Verbindungen gibt es zwischen diesen Stücken, und wie integrierst du sie in den Gesamtablauf?

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Beide, Hans Abrahmsen und Anna Clyne, sind in der westlichen Orchesterund Instrumentaltradition mit ihrem typischen Instrumentarium aus Streich- und Blasinstrumenten verwurzelt. Ich muss dafür sorgen, dass sich das, was sich zwischen diesen tragenden Säulen abspielt und die Funktion eines Kontrasts erfüllen soll, organisch anfühlt, das Geschehen auf der Bühne unterstützt und verbindend wirken kann. Streicher, Klavier und Klarinette ziehen sich als eine Art roter Faden durch unsere Musikzusammenstellung. Das Klavier ist in fast allen Stücken präsent. Fast am Anfang steht Anna Clynes Komposition Time and Tides, in der eine Solovioline zu hören ist, am Ende steht ein Satz aus Abrahamsens Doppelkonzert, das eine Violine und ein Klavier zusammenbringt.

Eine ganz spezielle, von mediterraner Hitze geprägte Atmosphäre beschwört Andersens Märchen Der Schatten herauf. Da kommt man mit den westlichen Klängen wahrscheinlich nicht sehr weit…

Das stimmt. Wir haben zum Glück eine sehr spannende Kombination von Musik des französischen Klezmer-Klarinettisten Yom und traditioneller Musik aus Armenien gefunden. Der grosse Alte-Musik-Spezialist Jordi Savall hat mit

seinem Ensemble Hesperion XXI ein faszinierendes Album mit armenischen Musikern aufgenommen. Das Duduk, ein Holzblasinstrument mit doppeltem Rohrblatt, dessen Klang einem Englischhorn ähnelt, spielt hier eine wichtige Rolle, so dass es interessante Verbindungen zu den Klezmer-Stücken und darüber hinaus eine Bereicherung der orchestralen Palette gibt.

Nun haben diese Aufnahmen natürlich alle eine andere Qualität und sind aus unterschiedlichster Perspektive aufgenommen. Welche Aufgaben stellt dieser Umstand an dich als Sounddesigner?

Tatsächlich ist es nicht mit dem blossen Abspielen einer Playlist getan. Ich muss all die verschiedenen Aufnahmen vielmehr in eine Klangwelt überführen, in der sie miteinander verschmelzen. Das ist ein ausgeklügeltes Spiel mit Längen, Farben, Übergängen und Soundeffekten. Von Anfang wollte ich für unsere Geschichten, in denen Licht, Hitze, Kälte, Meer und Wind eine so wichtige Rolle spielen, Klänge finden, die diese Phänomene untermalen. Das ist leichter gesagt als getan. Im Internet findet man tausende Aufnahmen der verschiedensten Wind- und Meeresgeräusche. Auch ich selbst habe das Meer auf der Insel, auf der ich lebe, immer und immer wieder aufgenommen. Aber oft klingt es leider nur wie ein Geräusch, das von seiner visuellen Referenz getrennt ist oder auch einfach nur wie der Spülkasten im Badezimmer. Ich habe lange gesucht, um den richtigen ozeanischen Moment zu finden. Mit dem Wind verhält es sich ähnlich. Ich habe beschlossen, keine Windgeräusche zu verwenden, die wie Stürme klingen. Sie sind keine Hilfe, um die Geschichte des Windes zu erzählen. Ein kleines Windgeräusch hingegen schon! Aber man darf das nicht überstrapazieren. Oft reicht es, wenn nur ein kleiner Lufthauch herüberweht. Mit Zurückhaltung kommt man hier oft weiter als mit blindem Aktionismus. So wie Kim Brandstrup die drei Märchen und die Motive aus Andersens Biografie kunstvoll miteinander verbunden hat, musste auch ich eine entsprechende Lösung für die Musik finden.

Die verschiedenen Erzählstränge sind wie in einer dreifachen Helix miteinander verflochten. Auf der Basis von Trommeln und Becken habe ich ein paar rhythmische Percussion-Sequenzen entwickelt, die als kontrapunktische Gesten eingesetzt werden.

Deine jahrzehntelange Erfahrung hast du in der Zusammenarbeit mit einigen der angesehensten Komponisten des 20. Jahrhunderts gesammelt.

Wie hast du die Arbeit mit ihnen erlebt?

Ich war Zeuge, wie Komponisten wie Luciano Berio und Karlheinz Stockhausen sich in Situationen verhalten haben, in denen sie nicht weiterwussten.

Wie sie darüber nachdachten, warum etwas nicht funktioniert und so lange getüftelt und experimentiert haben, bis sie eine für sie annehmbare Lösung gefunden hatten. Das war eine grossartige Erfahrung. Viele zeitgenössische Kompositionen kommen heute über die ein- oder zweimalige Aufführung im Konzertsaal nicht hinaus und können ihr wahres Potenzial überhaupt nicht entfalten. Ich bin immer begeistert, wenn ich diese Stücke in meinen Projekten verwende und die Erfahrung mache: Hör mal, was diese Musik noch alles kann!

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Das Gespräch führte Michael Küster

Hans Abrahamsen

Der dänische Komponist Hans Abrahamsen (*1952) ist eine der originellsten und eigenständigsten Stimmen der zeitgenössischen Musik. Er begann seine Karriere mit einem Horn- und Kompositionsstudium. Es folgten erste eigene Werke, die bereits internationale Resonanz fanden wie zum Beispiel Winternacht. Während einer mehrjährigen, von ihm «Fermate» genannten schöpferischen Pause orchestrierte und bearbeitete er Stücke von Johann Sebastian Bach, György Ligeti, Carl Nielsen, Robert Schumann, Arnold Schönberg und Claude Debussy, deren Musik auch seine eigenen Kompositionen beeinflusst. Sein Werk Schnee für Kammerensemble wurde 2008 uraufgeführt. Um dieses Werk kreist ein inhaltlich und motivisch verbundener Zyklus von Kompositionen, der immer weiter wächst. Sein Klavierkonzert für die linke Hand (Left, alone) und das Monodram let me tell you, das er für Barbara Hannigan geschrieben hat und mit dem seine Musik endgültig weltweit bekannt wurde, gehören genauso dazu wie seine erste Oper The Snow Queen nach Hans Christian Andersens gleichnamigem Märchen.

Anna Clyne (*1980) stammt aus London und studierte Musik an der Universität Edinburgh sowie an der Manhattan School of Music. Sie komponiert elektro-akustische Werke ebenso wie solche für klassisches Instrumentarium. Ihre Stücke, die farbige Klangflächen mit vorwärtsdrängenden Texturen verbinden, entstehen oft in Zusammenarbeit mit prominenten Choreografen, bildenden Künstlern, Filmemachern und Musikern der internationalen Szene. Clyne erhielt Kompositionsaufträge von so renommierten Institutionen wie dem Los Angeles Philharmonic, dem Chicago Symphony Orchestra, der Seattle Symphony, der Carnegie Hall, BBC Radio 3, Houston Ballet, London Sinfonietta, Southbank Centre und dem American Composers Orchestra. U.a. war sie «Composer in residence» beim Chicago Symphony Orchestra. Dort wurde 2015 ihr Violinkonzert The Seamstress uraufgeführt.

DIE MUSIK

In seiner Soundcollage für «Of Light, Wind and Waters»

verwendet Ian Dearden folgende Kompositionen:

FRANZ SCHUBERT 1797–1828

Menuett cis-Moll D 600 mit Trio E-Dur D 610

Arcadi Volodos

Sony Classical, 2109

ANNA CLYNE *1980

Time and Tydes

daraus: II Who can sail without wind

Pekka Kuusisto (Violine) / Helsinki Philharmonic Orchestra / Jukka-Pekka Saraste

Live Recording

HANS ABRAHAMSEN *1952

Traumlieder

daraus: VI For the children

Trio con Brio Copenhagen

Dacapo Records, 2018

ANNA CLYNE

The Seamstress (Ausschnitt 1)

Jennifer Koh (Violine) / BBC Symphony Orchestra / Sakari Oramo

Avie Records, 2020

TRADITIONAL (ARMENIEN)

Lamento: Sevmut amper / Hey djan

Jordi Savall / Hesperion XXI

Alia Vox, 2012

ARNOLD SCHÖNBERG 1874–1951 / HANS ABRAHAMSEN

Four Pieces from Sechs kleine Klavierstücke op. 19

daraus: I Leicht zart / II Langsam / IV Sehr Langsam

BIT20 Ensemble / Ilan Volkov

Dacapo Records, 2004

GYÖRGY LIGETI 1923–2006

Streichquartett Nr. 1 (Métamorphoses nocturnes)

daraus: Allegro grazioso Hagen Quartett

Deutsche Grammophon, 2006

YOM *1980

Au commencement

Yom

Buda musique, 2009

ANNA CLYNE

The Seamstress (Ausschnitt 2)

Jennifer Koh (Violine) / BBC Symphony Orchestra / Sakari Oramo

Avie Records, 2020

GYÖRGY KURTÁG *1926

Schatten

Ernesto Molinari

ECM Records, 2019

HANS ABRAHAMSEN

Streichquartett Nr. 1 «10 Preludes»

daraus: 5. Satz

Ensemble MidtVest

Dacapo Records, 2017

CLAUDE DEBUSSY 1862–1918

Préludes, Buch 1

daraus: 6. Des pas sur la neige

Fazil Say

Warner Classics, 2016

ANNA CLYNE

The Seamstress (Ausschnitt 3)

Jennifer Koh (Violine) / BBC Symphony Orchestra / Sakari Oramo

Avie Records, 2020

HANS ABRAHAMSEN

Schnee

daraus: Canon 1a. Ruhig, aber beweglich

Ensemble Recherche

Winter & Winter, 2009

ARNOLD SCHÖNBERG

Serenade op. 24

daraus: 6. Lied ohne Worte

20th Century Classics Ensemble / Robert Craft Naxos, 2006

YOM

Une épopée

Yom

Buda Musique, 2006

ARNOLD SCHÖNBERG

Serenade op. 24

daraus: 6. Lied ohne Worte

20th Century Classics Ensemble / Robert Craft Naxos, 2006

FRÉDÉRIC CHOPIN

1810–1849

Etüde op. 10 Nr. 4 cis-Moll

Murray Perahia

Sony Classical, 2002

HANS ABRAHAMSEN

Doppelkonzert für Violine, Klavier und Streicher daraus: 3. Satz

Carolin Widmann (Violine) / Tanja Zapolski (Klavier) / The Royal Danish Orchestra / Sir Simon Rattle

Live Recording

KIM BRANDSTRUP

Choreograf

Der aus Dänemark stammende Kim Brandstrup ist Choreograf und Regisseur. Er studierte Film an der Universität von Kopenhagen und Choreografie bei Nina Fonaroff an der London School of Contemporary Dance. 1985 gründete er seine eigene Tanzcompagnie «Arc». Seit vielen Jahren lebt er in London, wo er zahlreiche Produktionen für das Royal Ballett und für weitere britische Compagnien choreografiert hat. Als freiberuflicher Choreograf und Regisseur arbeitete er ausserdem für namhafte internationale Ensembles wie Les Grands Ballets Canadiens und das Royal Danish Ballet. Mittlerweile choreografiert er auch für die Oper: 2006 entstand im Auftrag der Bregenzer Festspiele mit Phylida Lloyd eine Tanz- und Operninszenierung von Edgar Allan Poes The Fall of the House of Usher, 2007 erarbeitete er mit Deborah Warner Benjamin Brittens Death in Venice für die English National Opera. Jüngst entwarf er, ebenfalls in Zusammenarbeit mit Deborah Warner, die Choreografien für Peter Grimes an der Opéra National de Paris sowie für Wozzeck am Royal Opera House, Covent Garden.

BALLETT ZÜRICH

Die international renommierte Choreografin Cathy Marston besitzt sowohl die britische als auch die schweizerische Staatsbürgerschaft. Seit August 2023 ist sie Direktorin des Balletts Zürich. Ihre Tanzausbildung erhielt sie in Cambridge und an der Royal Ballet School London. Zwischen 1994 und 1999 tanzte sie im Ballett Zürich, im Ballett des Luzerner Theaters und beim Konzert Theater Bern. Von 2002 bis 2006 war sie Associate Artist des Royal Opera House London und von 2007 bis 2013 Ballettdirektorin am Konzert Theater Bern. Seit Jahren höchst erfolgreich als freischaffende Choreografin tätig, wurde Cathy Marston von einer Vielzahl namhafter internationaler Compagnien und Institutionen eingeladen. Kreationen entstanden unter anderem für das Royal Ballet, das Hamburg Ballett, das Königlich Dänische Ballett, das English National Ballet, das Nor thern Ballet, das Finnische Nationalballett, das Ballet Black, das National Ballet of Cuba sowie für die Opera Australia und die Hong Kong Academy of Performing Arts. In den letzten Jahren arbeitete sie vermehrt in den USA, so für das San Francisco Ballet, das American Ballet Theatre, das Houston Ballet und das Joffrey Ballet Chicago. In ihren choreografischen Arbeiten lässt sie grosse literarische Vorlagen im Tanz lebendig werden, ausserdem nähert sie sich bedeutenden historischen Persönlichkeiten auf ungewohnte und originelle Weise. Grosse Erfolge feierte sie mit ihren Ballettadaptionen Mrs. Robinson (nach Charles Webbs Roman The Graduate), Snowblind (nach Edith Whartons Roman Ethan Frome), Charlotte Brontës Jane Eyre und John Steinbecks Von Mäusen und Menschen. Ungewöhnliche Sichtweisen prägen auch ihre biografisch inspirierten Werke The Cellist, Victoria und Hexenhatz. Für ihr choreografisches Schaffen wurde Cathy Marston mehrfach ausgezeichnet, darunter mit einem South Bank Sky Arts Award und dem britischen National Dance Award. 2020 verlieh ihr das International Institute for Dance and Theatre einen Preis für Exzellenz im internationalen Tanz. Höhepunkt ihrer ersten Saison als Zürcher Ballettdirektorin war 2024 die Uraufführung von Atonement nach dem gleichnamigen Roman von Ian McEwan (Koproduktion mit dem Joffrey Ballet). Ausserdem waren Cathy Marstons Stücke The Cellist und Snowblind zu sehen. Zuletzt hatte in Zürich ihr ClaraSchumann-Ballett Clara Premiere.

Karen Azatyan

Erster Solist

Karen Azatyan stammt aus Armenien. Ausgebildet am Yerevan Dancing Art State College und an der Tanz Akademie Zürich, war er 2005 Gewinner des Prix de Lausanne. Von 2007 bis 2014 war er Mitglied des Bayerischen Staatsballetts in München (Solist seit 2012). 2014 wechselte er als Erster Solist ans Hamburg Ballett, wo ihn bis zu dessen Abschied 2024 eine enge Zusammenarbeit mit John Neumeier verband. Er tanzte in Hauptrollen und Soli in vielen Neumeier-Balletten, u. a. in Illusionen – wie Schwanensee, Der Nussknacker, Ein Sommernachtstraum, Endstation Sehnsucht, Der Tod in Venedig, Peer Gynt, Romeo und Julia, Nijinsky, Liliom, Die Möwe, Winterreise, Matthäus-Passion, Das Lied von der Erde und Mahlers Dritter Sinfonie. In seinem Repertoire finden sich ausserdem Choreografien von Frederick Ashton, Nacho Duato, Mats Ek, William Forsythe, Jiří Kylián Marius Petipa, Jerome Robbins und Christopher Wheeldon. Ebenfalls in Hamburg war er in Cathy Marstons Jane Eyre als Rochester zu erleben. Seit der Saison 2024/25 ist Karen Azatyan Erster Solist des Balletts Zürich.

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Esteban Berlanga

Erster Solist

Esteban Berlanga stammt aus Spanien. Nach seiner Ausbildung am Royal Conservatory of Albacete und am Professional Dance Conservatory of Madrid tanzte er von 2006 bis 2013 im English National Ballet. Dort wurde er 2012 zum Ersten Solisten ernannt. U. a. tanzte er Prinz Siegfried in Schwanensee von Derek Dean, den Prinzen in Kenneth MacMillans Dornröschen, Albrecht in Giselle von Mary Skeaping, den Nussknacker in der Choreografie von Wayne Eagling und Frédéric in L’Arlésienne von Roland Petit. Für Faun(e) von David Dawson wurde er für den «Benois de la Danse» nominiert. Von 2013 bis 2018 war er Principal Dancer in der Compañia Nacional de Danza de España. Dort war er solistisch u. a. in Choreografien von William Forsythe, Itzik Galili und Roland Petit zu erleben. Seit der Saison 2018/19 ist er Mitglied des Balletts Zürich, seit 2022 Erster Solist. Er war in der Titelrolle von Marco Goeckes Nijinski zu erleben und tanzte Hauptrollen in Choreografien von Christian Spuck (u.a. Dornröschen; Anna Karenina), Cathy Marston (The Cellist; Snowblind) u. v. a.. In Spanien gründete er die Esteban-Berlanga-Stiftung zur Förderung junger Talente. 2024 erhielt er den «Tanzpreis der Freunde des Balletts Zürich».

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Programmheft OF LIGHT, WIND AND WATERS

Das

komplette

Ballett von Kim Brandstrup nach Motiven aus Leben und Märchen von Hans Christian Andersen

Programmbuch

Premiere am 18. Januar 2025, Spielzeit 2024/25

Herausgeber Opernhaus Zürich

können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben

Intendant Andreas Homoki

Zusammenstellung, Redaktion Michael Küster

Layout, Grafische Gestaltung Carole Bolli Anzeigenverkauf Opernhaus Zürich, Marketing Telefon 044 268 66 33, inserate@opernhaus.ch

Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler

Druck Fineprint AG

Textnachweise:

Die Interviews mit Kim Brandstrup und Ian Dearden führte Michael Küster für dieses Programmheft. Ausserdem stellte er die Texte zu «Die kleine Meerjungfrau», «Die Schneekönigin» und «Der Schatten», «Andersens Mutter» und die Musikliste zusammen. – Michael Maar: Die magnetische Eidechse. In: ders.: Leoparden im Tempel. Portraits grosser Schriftsteller. Hamburg, 2024 – Die Zitate von Hans Christian Andersen sind entnommen aus: Gabriele Perlet: Hans Christian Andersen: Leben, Werk, Wirkung. Frankfurt, 2005. – Hans Christian Andersen: Märchen, Geschichten, Briefe. Ausgewählt und kommentiert von Johan de Mylius.

Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg. Frankfurt am Main und Leipzig, 1999. – Jens Andersen: Hans Christian Andersen. Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg. Frankfurt am Main und Leipzig, 2005.

Abbildungen: Gregory Batardon fotografierte die Klavierhauptprobe am 10. Januar 2025. – Die Compagnie wurde por trätiert von Karine Grace.

Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie der Beiträge der Kantone Luzern, Uri, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und der Kantone Nidwalden, Obwalden und Schwyz.

PARTNER

PRODUKTIONSSPONSOREN

AMAG

Atto primo

Clariant Foundation

Freunde der Oper Zürich

Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG

PROJEKTSPONSOREN

René und Susanne Braginsky-Stiftung

Freunde des Balletts Zürich

Ernst Göhner Stiftung

Hans Imholz-Stiftung

Max Kohler Stiftung

Kühne-Stiftung

Georg und Bertha Schwyzer-Winiker Stiftung

Hans und Edith Sulzer-Oravecz-Stiftung

Swiss Life

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Zürcher Kantonalbank

GÖNNERINNEN UND GÖNNER

Josef und Pirkko Ackermann

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Familie Thomas Bär

Bergos Privatbank

Elektro Compagnoni AG

Stiftung Melinda Esterházy de Galantha

Fitnessparks Migros Zürich

Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung

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KPMG AG

Landis & Gyr Stiftung

Die Mobiliar

Annina und George Müller-Bodmer

Fondation Les Mûrons

Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung

StockArt – Stiftung für Musik

John G. Turner und Jerry G. Fischer

Else von Sick Stiftung

Ernst von Siemens Musikstiftung

Elisabeth Weber-Stiftung

FÖRDERINNEN UND FÖRDERER

Art Mentor Foundation Lucerne

Theodor und Constantin Davidoff Stiftung

Dr. Samuel Ehrhardt

Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG

Garmin Switzerland

Elisabeth K. Gates Foundation

Stiftung LYRA zur Förderung hochbegabter, junger Musiker und Musikerinnen

Minerva Kunststiftung

Irith Rappaport

Luzius R. Sprüngli

Madlen und Thomas von Stockar

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