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Was die Royals fühlen
Verehrtes Publikum, manchmal erlangen Opernproduktionen Aktualität, ohne dass sie selbst etwas dazu beitragen müssen. Was ist im vergangenen Jahr nicht alles am britischen Königshaus passiert: Den Tod einer hochbetagten Monarchin haben wir erlebt und ihr royal pompöses Begräbnis als weltumspannendes Medienereignis. Wir durften beobachten, wie ein überreifer Prinz sich die Amtswürde des zukünftigen Regenten anverwandelt und diese sichtlich geniesst. Wir waren Zaungast, als der nicht an erster Stelle der Thronfolge stehende Prinz der nächsten Generation gemeinsam mit seiner nichtadeligen Prinzessin dem Königshaus den Rücken kehrte und jetzt in einer spektakulären Buchveröffentlichung offengelegt hat, was man zu allen Zeiten über ein Königshaus vermutete – dass es eine Schlangengrube aus Familienfehden, Missgunst und Gehässigkeiten ist. Während der MedienBoulevard nicht genug kriegen kann von den Neuigkeiten der Familie Windsor, hüllt sich der Hof selbst natürlich in Schweigen. Dessen innerste Geheimnisse werden allerdings gelüftet, wenn sich am Opernhaus Zürich am 5. Februar der Vorhang zur Premiere von Gaetano Donizettis Oper Roberto Devereux hebt. Dann wird all das vorgeführt, was über den englischen Königshof nicht in den Zeitungen steht, uns aber brennend interessiert – nämlich wie die einsam Herrschenden und Verstossenen, die zwischen Machtausübung und Sehnsüchten Zerrissenen und in ihrer Liebe Gekränkten sich fühlen! Im Zentrum von Roberto Devereux steht zwar nicht Königin Elisabeth II., sondern die legendäre Königin Elisabeth I., die vor vierhundert Jahren lebte und nach der eine ganze Epoche der englischen Geschichte benannt ist, aber die Emotionen unterscheiden sich wahrscheinlich nur graduell.
Gefühlszustände wie Liebe, Hass, Eifersucht und Verzweiflung in die Extreme zu vergrössern, ist von jeher die Stärke der Oper. Donizetti hat sie in ein wahrlich leidenschaftsloderndes BelcantoOpus gekleidet. Es lohnt sich also – nicht nur für Royalisten –, eine Vorstellung von Roberto Devereux zu besuchen. Der Amerikaner David Alden hat sie inszeniert, Enrique Mazzola, der italienische Spezialist für Belcanto, wird sie musikalisch leiten. Die Oper bildet den Abschluss unserer Trilogie der drei KöniginnenDramen von Donizetti, die Alden und Mazzola über mehrere Spielzeiten hinweg am Opernhaus Zürich realisiert haben.
Hinweisen möchte ich Sie an dieser Stelle ausserdem auf unsere Debatte unter dem Titel «Wie toxisch ist das Opernrepertoire?», die wir in der vergangenen Ausgabe unseres OpernhausMagazins begonnen haben und nun fortsetzen. Wir hinterfragen, wie sich die Werke, die den Kanon unseres Repertoires bilden, zu aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen verhalten. Im letzten Heft haben wir das Frauenbild thematisiert, das manche Opern vermitteln, jetzt geht es um versteckten Rassismus, Diversität und Diskriminierung. Zu Wort kommen die junge aktivistische Sängerin Katia Ledoux, die Diversitätsbeauftrage der Pariser Oper Myriam Mazouzi und der Intendant des Opernhauses Zürich Andreas Homoki.
Claus Spahn
MAG 98 / Jan 2023
Unser Titelbild zeigt Enrique Mazzola, der «Roberto Devereux» dirigiert und in unserem aktuellen Podcast zu hören ist (Foto Florian Kalotay)
Enrique Mazzola
Zwischenspiel
Der Podcast des Opernhauses
Der Dirigent Enrique Mazzola ist ein Kenner des italienischen Belcanto und seit vielen Jahren regelmässiger Gast am Opernhaus Zürich.
Anfang Februar bringt er gemeinsam mit dem Regisseur
David Alden «Roberto Devereux» heraus; Gaetano Donizettis Tudor-Trilogie findet damit ihren Abschluss.
Im Podcast spricht er mit Kathrin Brunner unter anderem über erstarrte musikalische Traditionen und seine Auffassung eines authentischen Belcanto.
12 Königin Elizabeth I. steht im Zentrum von Donizettis Oper «Roberto Devereux» – zur
Historie einer gloriosen Regentin 20 Regisseur David Alden spricht über seine Lesart von «Roberto Devereux» und den Abschluss der KöniginnenTrilogie 25 Die Sopranistin Inga Kalna und die Monster-Partie der Elisabetta 42 Wie toxisch ist das Opernrepertoire? In Folge 2 unserer Debatte geht es um Diskriminierung und versteckten
Rassismus
Ich sage es mal so – 4, Oper nhaus aktuell – 7, Drei Fragen an Andreas Homoki – 9, W ie machen Sie das, Herr Bogatu? – 11, Der Fragebogen – 28, Auf dem Pult – 29, W ir haben einen Plan – 32, Volker Hagedorn trifft … – 36