1 minute read

Nackt auf dem Berg

Ein Teil unseres neuen Ballettabends On the Move ist die Choreografie Tal von Louis Stiens. Wenn der Vorhang aufgeht, sieht man einen Berg und nackte Tänzerinnen und Tänzer. So sieht es zumindest auf den ersten Blick aus. Gerade zu Beginn ist es relativ dunkel auf der Bühne, doch dann bemerkt man, dass die Tänzerinnen und Tänzer irgendwie geschlechtslos wirken bzw. man keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern erkennen kann. Es muss also doch mindestens eine Lage Stoff am Körper eng anliegen. Da ich jedoch keinen Übergang zwischen einem Stoff und der Haut sehen kann und die Hände, Köpfe und Füsse definitiv nackt sind, fragte ich mich, wie wir das gemacht haben. Unsere Produktionsleiterin Heike Uschner klärt mich auf: Das sind Trikots, also hautenganliegende Kleidungsstücke. Damit man diese nicht sieht, wurde ein dünner Trikotstoff ausgewählt, der individuell genau auf die Hautfarbe jeder Tänzerin und jedes Tänzers eingefärbt wurde. Dieser Stoff lässt sich locker auf das Doppelte dehnen und macht somit nahezu faltenfrei jede Bewegung mit. Der Stoff wird nach einem ganz speziellen Schnittmuster zugeschnitten: Es wird genau darauf geachtet, dass die Nähte nicht dort sind, wo man empfindlich ist, und viel Kontakt mit dem oben genannten Berg haben, denn jede Naht, die auf der Haut reibt, ist unangenehm. Dann wird das Trikot mit einer Spezialnähmaschine genäht: Aus drei bis vier Fäden fertigt diese Maschine eine elastische Naht. Diese kann fast genauso nachgeben wie der Stoff – bleibt aber dennoch ein Schwachpunkt in dem sehr stabilen, aber dünnen Kostüm. Die Trikots gehen von den Knöcheln am Fuss bis zum Hals und bis zu den Handgelenken. Ich frage mich: Wie kommt man hinein, und ist das nicht ungemütlich? Heike sagt mir, dass es am Rücken einen «nahtverdeckten» Reissverschluss gibt, und dass die Tänzerinnen und Tänzer Trikots sehr gerne tragen, da diese ihnen volle Bewegungsfreiheit lassen. Das ist auch notwendig, denn Louis Stiens lässt sie über den Berg rutschen und klettern – mit akrobatischen Bewegungen. Dabei wird das Material extrem beansprucht. Ich stelle mir die praktische Frage: Was würde passieren, wenn in so einem Moment das Kostüm reisst? Ganz nackt wäre die Person nicht: Die Tänzerinnen tragen einen dünnen Slip und die Männer ein Suspensorium. Das ist grundsätzlich eines der wichtigsten Kleidungsstücke für Tänzer: Es ist eine Art String aus einem festeren Material, das auch bei Sprüngen (und akrobatischen Klettereien) dafür sorgt, dass alles am Platz bleibt und sich nichts zu explizit abzeichnet. Heike sagt mir aber, dass die Trikotstoffe sehr stabil sind und auch das Rutschen vom Berg gut mitmachen. Apropos rutschen: Bei der Materialwahl kam es darauf an, dass der Stoff sich beim Rutschen auf dem Felsen oder auf dem Boden nicht durch Reibung erhitzt und dadurch Verbrennungen verursacht. Bei den ersten Prototypen hatten wir darauf noch nicht geachtet…

This article is from: