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VON DEN BIENEN LERNEN
from Angels' Atlas
Peter Miller
Von den Schwärmen in der Natur können wir zweierlei lernen. Erstens: Durch die Zusammenarbeit in intelligenten Gruppen können wir Ungewissheit, Komplexität und Veränderungen kompensieren, egal, ob wir in kleinen Gruppen wie den ProblemlöserTeams bei Boeing kooperieren oder uns in riesigen Gruppen wie den Autorenteams der Wikipedia einbringen. Entscheidend ist, was wir erreichen wollen und wie wir unsere Gruppen strukturieren. Wie uns Biologen gezeigt haben, erlangen Schwärme und Herden ihre Widerstandsfähigkeit und Flexibilität durch die Art und Weise, wie sie das Zusammenspiel ihrer einzelnen Angehörigen gestalten. Die Mechanismen unterscheiden sich erheblich und hängen ganz von den Problemen ab, die ein Schwarm bewältigen muss. In der Regel haben sie jedoch folgende Punkte gemeinsam: Die Angehörigen des Schwarms nutzen lokales Wissen (und damit eine möglichst grosse Vielfalt an Informationen), sie wenden einfache Daumenregeln an (und minimieren damit die erforderlichen Rechenkapazitäten), sie interagieren häufig miteinander (wodurch sie Signale verstärken und die Entscheidungsfindung beschleunigen), sie treffen Entscheidungen mit einer Mindestzahl von Stimmen (und verbessern so die Qualität ihrer Entscheidungen) und sie verhalten sich in einem gesunden Umfang unberechenbar (um zu verhindern, dass die Gruppe bei der Problemlösung in Routinen stecken bleibt). Diese einfachen Mechanismen können sich auch Unternehmen oder Geheimdienste zunutze machen, wenn sie ihren Mitarbeitern ein gemeinsames Forum bieten, auf dem sie zusammenarbeiten und Wissen ansammeln können.
Zweitens: Als Angehörige einer Gruppe müssen wir keineswegs unsere Individualität aufgeben. In der Natur entstehen gute Entscheidungen nicht nur durch faule Kompromisse, sondem auch durch einen Ideenwettbewerb, und nicht nur durch Konsens, sondern auch durch konstruktiven Dissens. Erinnern wir uns an die leidenschaftliche Debatte der Honigbienen bei der Suche nach einem neuen Zuhause. Dies ist ein wichtiger Hinweis für menschliche Gruppen: Wir leisten einen wertvollen Beitrag für ein Team oder eine Organisation, indem wir etwas Authentisches und Originelles beisteuern, das unseren einmaligen Erfahrungen und Fähigkeiten entspringt und nicht, indem wir blind andere nachäffen und ausnutzen oder unsere Instinkte ignorieren. Manchmal kann dies bedeuten, dass wir unsere Interessen hinter die der Gruppe zurückstellen und Kompromisse akzeptieren. Und ein andermal kann es bedeuten, für unsere Überzeugungen einzutreten, für eine Sache zu werben und gegen den Strom zu schwimmen. In jedem Falle dienen wir der Gruppe am besten, wenn wir uns selbst treu bleiben. In unserer hochkomplizierten Welt weiss schliesslich niemand, wie sich die Dinge entwickeln werden. Manchmal hat das Publikum mit seinen begeisterten Beifallsbekundungen recht, und manchmal nicht. Manchmal schafft der Finanzmarkt einen Ausgleich zwischen den zahllosen widerstreitenden Interessen, und manchmal versagt er. An manchen Tagen ist es in Ordnung, die Klimaanlage einzuschalten, und an anderen lösen wir damit einen Blackout aus. Weil es uns so schwerfällt, die komplexen Systeme zu verstehen, denen wir angehören, könnten wir versucht sein, einfach aufzugeben und uns den anderen anzuschliessen. Aber wenn wir aus den stehenden Ovationen etwas lernen können, dann dies: Wir sollten unser Leben nicht damit vergeuden, Ereignisse zu beklatschen, die uns nicht gefallen. Aber genauso wenig sollten wir es hinterher bereuen, sitzen geblieben zu sein und etwas Begeisterndes nicht gefeiert zu haben. Den Bienen würde das nie passieren. Nehmen wir uns ein Beispiel daran!