Salome

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SALOME

R ICHAR D STR AUSS


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SALOME RICHARD STRAUSS (1864-1949)

Unterstützt von Atto primo und der René und Susanne Braginsky-Stiftung




HANDLUNG Narraboth, der Hauptmann der Palastwache, bewundert die Schönheit der Prin­ zessin Salome, die an einem Festbankett teilnimmt, das er von ausserhalb beob­ achtet. Die Stimme des Propheten Jochanaan ertönt. Er wird von Salomes Stiefvater, dem Tetrarchen Herodes, gefangen gehalten, weil er den Untergang des Herr­ scherhauses prophezeit und eine neue Zeit verkündet. Salome flüchtet vom Bankett ins Freie. Sie ist verstört von den begehrlichen Blicken ihres Stiefvaters. Als erneut Jochanaans Stimme ertönt, ist Salomes Neugier geweckt. Sie verlangt den Mann zu sehen, der aus seinem Gefängnis Verwünschungen gegen ihre Mutter Herodias ausstösst. Die Palastwachen weigern sich, denn Herodes hat ausdrücklich jeden Kontakt mit dem Gefangenen untersagt. Salome nutzt Narraboths Liebe zu ihr und drängt ihn, den Propheten ihr zuliebe freizulassen. Narraboth kann ihr nicht widerstehen – der Prophet wird freigelassen. Salome ist fasziniert vom Anblick Jochanaans und seinen umstürzlerischen Reden. Sie will sich ihm nähern, seinen Leib, seine Haare berühren. Der Prophet weist sie zurück. Salome will Jochanaans Mund küssen. Narraboth ersticht sich. Der Prophet verflucht Salome und lässt sie zurück.

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Herodes sucht nach Salome. Er lädt sie ein, mit ihm Wein zu trinken und Früchte zu essen. Sie weist seine Zudringlichkeiten zurück. Wieder sind Jochanaans Verfluchungen zu hören. Herodias fordert von ihrem Mann, den Gefangenen an die Juden auszuliefern, die ihn für einen falschen Propheten halten. Herodes weigert sich: Der Gefangene sei ein heiliger Mann. Darüber entspinnt sich unter den Juden ein heftiger Disput über die Legitimi­ tät des Propheten, übertönt von apokalyptischen Beschwörungen Jochanaans. Überfordert von dem Streit bittet Herodes Salome, für ihn zu tanzen. Als sie zunächst ablehnt, schwört er einen Eid, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Salome ignoriert die eindringlichen Appelle ihrer Mutter, nicht für den Stiefvater zu tanzen und willigt ein. Nachdem sie getanzt hat, fordert sie als Gegenleistung auf einer Silberschüssel den Kopf des Jochanaan. Entsetzt versucht Herodes, Salome von ihrer Forde­ rung abzubringen und bietet ihr als Ersatz alle seine Schätze und Reichtümer an. Salome aber besteht auf Jochanaans Kopf – sehr zur Befriedigung ihrer Mutter. Herodes muss schliesslich kapitulieren. Salome hat ihr Ziel erreicht: Auf einer Silberschüssel liegt der abgeschlagene Kopf des Jochanaan. Sie wendet sich ihm zu, beklagt, dass er sie nicht angesehen habe, sich nicht von ihr küssen liess. Sie küsst seinen Mund. Herodes gibt den Befehl, sie zu töten.

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Und er kam vor den König Herodes (denn sein Name war nun be­kannt) und er sprach: Johannes der Täufer ist von den Toten auferstanden, darum tut er sol­ che Taten. Etliche aber sprachen: Er ist Elia; etliche aber: Er ist ein Prophet oder einer von den Prophe­ten. Da es aber Herodes hörte, sprach er: Es ist Johannes, den ich enthauptet habe; der ist von den Toten auferstanden. Er aber, Hero­des, hatte ausgesandt und Johannes gegriffen und ins Gefängnis gelegt um der He­ rodias willen, seines Bruders Philippus Weib; denn er hatte sie gefreit. Johannes aber sprach zu Herodes: Es ist nicht recht, dass du deines Bruders Weib habest. Herodias aber stellte ihm nach und wollte ihn töten, und konnte nicht. Herodes aber fürchtete Johannes; denn er wuss­te, dass er ein frommer und heili­ger Mann war; und verwahrte ihn und gehorchte ihm in vielen Sachen und hörte ihn gern. Und es kam ein gelegener Tag, dass Herodes auf seinen Jahres­ tag ein Abend­mahl gab den Obersten und Hauptleuten und Vor­nehm­­sten in Galiläa. Da trat hinein die Tochter der Herodias und tanzte, und gefiel wohl dem Herodes und denen die am Tisch sassen. Da sprach der König zu dem Mägdlein: Bitte von mir, was du willst, ich will dir’s geben. Und er schwur ihr einen Eid: Was du wirst von mir bitten, will ich dir geben, bis an die Hälfte meines König­reiches. Sie ging hinaus und sprach zu ihrer Mutter: Was soll ich bitten? Die sprach: Das Haupt Johannes des Täufers. Und sie ging alsbald hinein mit Eile zum König, bat und sprach: Ich will, dass du mir gebest jetzt zur Stunde auf einer Schüssel das Haupt Johannes des Täufers. Der König war betrübt; doch um des Eides willen und derer, die am Tisch sassen, wollte er sie nicht lassen eine Fehl­ bitte tun. Und alsbald schickte hin der König den Henker und hiess sein Haupt herbringen. Der ging hin und enthauptete ihn im Ge­fäng­nis und trug her sein Haupt auf einer Schüssel und gab’s dem Mägdlein, und das Mägdlein gab’s ihrer Mutter. Und da das seine Jünger hörten, kamen sie und nahmen seinen Leib, und legten ihn in ein Grab. Markus-Evangelium, Kapitel 6

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VERDORBENE FRÜCHTE Ein Gespräch mit dem Regisseur Andreas Homoki

Andreas, der Komponist Richard Strauss bedeutet dir viel, du hast viele seiner Opern inszeniert. Jetzt bringst du Salome auf die Bühne. Ist das für dich nochmal eine neue Strauss-Erfahrung? Eher eine inspirierende Wiederbegegnung. Als ich zu Hause am Modell sass, die Musik hörte und in das Stück eingetaucht bin, habe ich beispiels­weise viele musikalische Motive, Farben oder harmonische Wendungen wahrgenom­ men, die ich aus den später entstandenen Opern zu kennen glaubte. Du meinst, Strauss hat in Salome bei seinen späteren Opern abgeschrieben? So ungefähr. Nein, man spürt, dass Salome eine Art Nukleus der musikdrama­ tischen Sprache von Strauss bildet. Was hier angelegt ist, baut er in seinen folgenden Opern aus, erweitert, reichert an, entwickelt es in verschiedenste Richtungen. In Elektra, die unmittelbar auf Salome folgt, treibt er den Ausdruck ins Martialische, ins expressive Stahlgewitter. Im dann folgenden Rosenkavalier etabliert er die Gegenfarbe, das Komödiantische und Schwebende. In der Frau ohne Schatten wiederum steigert und verdichtet er noch einmal die orchestrale Komplexität. Und in Salome ist vieles davon schon zu spüren, wenn ich etwa an die Rosenkavalier-­Nähe der Walzerklänge denke. Es heisst, Strauss habe in Salome die Einflüsse von Richard Wagner beim Opernschreiben endgültig hinter sich gelassen. Das wird gerne so gesagt. Natürlich, er ist ein deutscher Komponist und steht in dieser Tradition. Aber ich weiss gar nicht, ob das wirklich eine wichtige Bezugsgrösse ist. Wagners Musikdramen dienen viel mehr dem Theater, sind in ihrer Leitmotivik einfacher und enger angebunden an den Text. Ich spüre in Salome viel eher die enorme orchestrale Kraft der sinfonischen Dichtungen

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von Strauss. Aus ihnen geht der Orchesterklang hervor, erfährt Komplexität in einer sinfonischen Struktur, wird ständig neu psychologisch gefärbt und behauptet mehr Eigenständig­keit gegenüber dem theatralischen Geschehen. Warum nimmt Salome seit der Uraufführung im Jahr 1905 einen so zentralen Platz in unserem Opernrepertoire ein? Genau deswegen. Und weil die Oper unglaublich kompakt ist. Hundert Minuten ohne Pause. Eine packende Handlung. Ein aufregendes Kolorit. Tolle kontrastreiche Figuren. Da stimmt alles. Warum, glaubst du, hat sich Richard Strauss ausgerechnet das skandal­ um­witterte Drama von Oscar Wilde für seine dritte Oper ausgesucht? Er wollte als Opernkomponist nach seinen Einstiegswerken Guntram und Feuers­not mit etwas Neuem auftrumpfen und Aufsehen erregen. Da kam ihm das in England verbotene Theaterstück von Wilde gerade recht. Wir können uns heute gar nicht mehr vorstellen, wie skandalös damals der Wilde-Stoff von der strengen viktorianischen Gesellschaft empfunden wurde. Ein Stoff, in dem eine sexuell begehrende junge Frau den abgeschlagenen Kopf eines Toten küsst.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer Oscar Wilde und Richard Strauss passen doch eigentlich gar nicht des Opernhauses erwerben zu­sammen – hier der Aussenseiter, dort der Erfolgskomponist, hier der homosexuelle Exzentriker, dort der bürgerliche Skatspieler. Ja, ja, der Skatspieler. Vorsicht, kann ich da nur sagen. Man neigt dazu, Strauss intellektuell zu unterschätzen. Er trumpft nicht auf mit Intellektualität, aber war sehr wohl ein kluger, weitblickender, extrem cleverer Künstler. Und seine Empfind­samkeit ist enorm. Ich kenne keine emotionalere Opernmusik als die von Strauss. Aber im Vergleich zu Wilde war Strauss sehr angepasst an den Musik­ betrieb, an sein gesellschaftliches Umfeld. Hat bei der Wahl des skandalösen Stoffs womöglich auch Erfolgskalkül eine Rolle gespielt? Kalkül war da ganz bestimmt im Spiel. Strauss war 40 Jahre alt, als er Salome

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schrieb. Er war ein weltberühmter Dirigent, hat an den grossen Theatern dirigiert, beherrschte sein Metier – der wusste genau, wie der Betrieb funktioniert. Seine ersten beiden Opern waren noch nicht der Durchbruch. Dann hat er sich den Salome-­­Stoff genommen und im vollen Bewusstsein seiner Fähigkeiten das ganz starke Ding hingesetzt. Die Qualität von Wildes Sprache war gewiss auch ein wichtiger Aspekt bei der Stoffwahl. Klar. Strauss hatte ein unglaubliches Gespür für das Wort. Sein Opernkompo­ nieren ist sehr von Sprache getrieben. Am extremsten vielleicht im Rosen­ kavalier, in dem man immerzu das Gefühl hat, dass die Partitur durchkom­po­ nierte Schauspielsprache ist. Jede Äusserung wird musikalisch-gestisch arti­kuliert. Strauss hatte beim Komponieren hochpräzise Vorstellungen von der Emotionalität der Charaktere und war souverän in der Lage, sie musikalisch zu gestalten. Das lieben Regisseure natürlich an Strauss. Ja. Fantastisch. Ich finde auch die Freiheit toll, die man bei Strauss hat. Die Musik lässt Raum für Szenisches. Auch in Salome öffnen sich immer wieder Momente, in denen gar nicht gesprochen wird. Da kann man als Regisseur erzählen, weil auch die Musik in ihren Ausbrüchen, Kontrasten, Beschleu­ni­gun­ gen und Verlangsa­mungen so viel erzählt. Strauss hat eine Grosszügigkeit in der dramatischen Anlage und im musikalischen Denken, die ich einzigartig finde. An der Salome-Figur haben sich seit ihrem ersten Auftauchen in der Bibel mannigfache Fantasien entzündet. Wer ist diese Salome für dich? Eine sehr starke, junge Frau, die wir in einem Moment erleben, indem sie sich von der Welt, in die sie hineingeboren wurde, emanzipiert – von der Bezie­ hung zu ihrer Mutter Herodias, von den Zudringlichkeiten ihres Stiefvaters Herodes und von der Enge und den dekadenten Verhältnissen im Königspalast. Salome scheint abgeschottet zu sein von dem, was draussen in der Welt vor sich geht. Mir kommt der Palast wie ein selbstgeschaffenes Gefängnis vor, in

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das sich die Königsfamilie mit ihrem Hofstaat zurückgezogen hat, weil draussen schon die Stürme einer neuen Zeit toben. Nur im Palast gibt es noch auskömmliche Verhältnisse und ein dekadent luxuriöses Leben. Salome ist darin durchaus die verwöhnte, arrogante Prinzessin, aber sie spürt, dass diese Welt nicht in Ordnung ist, dass etwas fehlt. Sie ist in einem Reifegrad ihrer persönlichen Entwicklung angekommen, in dem sie sich eingeengt fühlt und nach neuen Erfahrungen giert. Genau in dem Moment trifft sie auf den Propheten Jochanaan, der als die personifizierte Bedrohung der Herodes-­ Welt auftritt, der die Königsfamilie für ihren Lebenswandel beschimpft, deren Untergang prophezeit und eine neue Zeit ankündigt. In dieser Begegnung erkennt Salome fast schockartig, dass es noch etwas anderes gibt, ein anderes Denken und Sprechen, eine andere Weltanschauung und eine erotische Energie, die für sie völlig neu ist. Jochanaan ist ein brachialer Fundamentalist, aber auch ein Typ mit grossem Charisma und unglaublicher männlicher Verführungskraft. Den will sie anfassen, den muss sie haben. Jochanaan wiederum fühlt sich ebenfalls stark von Salome angezogen. Er kann das nur nicht zulassen, weil er der Prophet ist. Salome ist hochbegabt in erotischen Dingen: Sie spürt genau, was in Jochanaan vorgeht und wie er gegen ihre verführe­ rische Kraft ankämpft. Sie versucht, ihn aus seiner Abwehrhaltung zu locken. Stufe für Stufe steigert sich die ambivalente Leidenschaft der beiden, die ich auch so auf der Bühne zeigen möchte. Jochanaan kann sich schliesslich nur mit allerletzter, geradezu übermenschlicher Kraft von ihr losreissen. Sein «Sei verflucht!»-Ausbruch kommt mir vor wie ein Wegrennen vor der Macht der eigenen Gefühle, wie eine Selbstverfluchung. Das ist schon eine irre Szene, die Strauss da komponiert hat – eine sich ständig steigernde Auseinan­ dersetzung von fünfzwanzig Minuten, in der sich zwei Menschen in ihre Leidenschaften verkeilen.

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Und dann kommt Salome mit dieser alle Grenzen überschreitenden Forderung, den Kopf von Jochanaan zu wollen. Warum verlangt sie das? Ich weiss es nicht. Ich nehme es als Regisseur zur Kenntnis. Es ist schon klar: In der Herodes-Welt geht es grausam zu, da braucht man keine Gründe, um Köpfe rollen zu lassen. Mordbefehle werden mit einem Achselzucken

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erteilt. Aber das wäre eine eher schwache Erklärung für Salomes ungeheuerli­ che Forderung. Sie ist halt besessen davon, diesen Mund küssen zu wollen, und sie wird zurückgewiesen. Da kommt dann das trotzige Kind in ihr zum Vorschein, das sonst immer kriegt, was es will. Aber ich finde, man sollte das gar nicht zu erklären versuchen. In der Kunst ist ja gerade das Unbe­ gründbare besonders stark. Wir werden vielleicht Näheres wissen, wenn wir es gemacht haben. Ist der religiöse Eifer Jochanaans mit seiner christlichen Moral, seinen Ver­­fluchungen alles Sündigen und seinen Weltuntergangsvisionen eigentlich glaub­haft? Richard Strauss selbst hat ihn in Frage gestellt, als er in einem Brief meinte, Jochanaan sei ein Hanswurst. Auch Oscar Wilde nennt ihn in seiner kurzen Erzählung Das Mädchen Salome einen Betrüger, der nur vorgibt, der Prophet zu sein. Mich lässt die Figur manchmal an den russischen Rasputin denken, der zwar als politischer Aufrührer aufgetreten ist, aber in Wirklichkeit vor allem ein Frauenverführer war. Aber man muss die fundamentalistische Energie Jochanaans natürlich schon ernst nehmen. Einen Hanswurst kann man alleine deshalb nicht auf die Bühne bringen, weil Strauss keinen Hanswurst kompo­ niert hat. Die Musik ist ja von grosser Kraft. Vielleicht ist eher der Fliegende Holländer eine Referenz – ein geheim­nis­umwitterter Typ, der aus einem unbekannten Draussen auftaucht und gefährlich umstürzlerisch und systemge­ fährdend ist. Im Sinne der bestehenden Verhältnisse müsste man den sofort ausschalten, aber das macht Herodes nicht, weil er Angst hat. Herodes, der zwar neurotisch, aber auch hochsensibel ist, ahnt, dass sein Herrschafts­ system zusammenbrechen wird und radikale Veränderungen unmittelbar bevorstehen. Deshalb traut er sich nicht, Jochanaan beiseite zu schaffen, weil er sich für die Schonung eventuell Vorteile für später verspricht. So lese ich das zumindest. Salome ist in einer Zeitenwende entstanden, vom 19. ins 20. Jahrhundert. Was heisst das für das Stück? Man spürt diese Zeitenwende, weil Strauss als Komponist, wie Gustav Mahler

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auch, ein Bewusstsein für den Epochenumbruch hatte, für die Unsicherheit, die offene Zukunft, die Ahnung, dass die Welt nicht mehr so bleiben wird, und dem gibt er in seinen Opern Raum, in Salome ebenso wie in der katastrophischen Elektra oder dem dann schon die Vergangenheit verklären­ den Rosenkavalier. Wo spielt das Stück in deiner Inszenierung? Eigentlich ja auf einer Terrasse vor dem Palast. Die Konstellation ist von Oscar Wilde gut gewählt: Es gibt oben den Palast, unten die Zisterne und ein Da­zwischen, in dem das Stück spielt. Aber mein Bühnenbildner Hartmut Meyer, mit dem ich jetzt seit 25 Jahren zusammenarbeite, ist keiner, der realistische Räume nachbaut. Was er entworfen hat, ist ein abstrakter Einheits­ raum, der eine gewisse Hermetik ausstrahlt, als wäre man unten in der Zisterne. Ist man aber nicht. Es ist mehr eine Art Gehege. Die Figuren im Stück reden immer über den Mond. Deshalb hat Hartmut eine Bühne mit zwei grossen Monden entworfen, einem auf dem Boden und einer über den Köpfen. Die Monde können rotieren, und der Raum eignet sich in seiner Abstraktion auch dazu, psychologische Innenwelten zu erzählen. Es geschehen Dinge darin, die realistisch nicht begründbar, aber in der Musik angelegt sind.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Wie siehst du Salomes berühmten erotischen Schleier-Tanz, den sie für ihren Stiefvater Herodes tanzt, und der als opulentes orchestrales Zwischenspiel angelegt ist? Ich finde ja, dass Strauss darin musikalisch unter seinem Niveau bleibt. Das finde ich nicht. Ich habe früher auch so gedacht. Mich hat der Tanz sogar richtiggehend gestört, weil er mir wie ein musikalischer Fremdkörper vorkam. Inzwischen nehme ich ihn als eine Art sinfonische Dichtung wahr, in der Strauss mit musikalischem Material, das er bis dahin exponiert hat, eine orientalische Atmosphäre schafft und eine kompositorische Struktur entwickelt, die viel mehr erzählt als nur einen Tanz. Die Musik lässt Raum für Imagi­­ nationen, die weit darüber hinausgehen. Es ist doch hochspannend, dass nach zwei Dritteln des Abends und ganz viel Dramatik plötzlich ein Stück sinfo­ni­

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sche Musik kommt. Ich finde, dass die Handlung darin weitergeht, aber ohne Worte. Die Musik eröffnet die Chance, die Beziehungen der Figuren unterei­ nander noch einmal unter die Lupe zu nehmen, das Verhältnis von Salome und Herodes natürlich, aber auch von Herodes und Herodias, und sogar das von Herodias und Jochanaan. Das finde ich nämlich sehr interessant: Es ist auffallend, wie die beiden Figuren einander hassen. Es gibt da eine extrem starke Beziehungsspannung zwischen den beiden. Man möchte genauer erfahren, was zwischen den beiden ist oder in der Vergangenheit war, und dem nachzugehen, gibt der Tanz mir Gelegenheit. Deine musikalische Partnerin ist Simone Young. Was verbindet euch? Eine sehr lange Zusammenarbeit. Wir kennen uns schon seit 1986 und haben uns künstlerisch immer sehr gut verstanden. Ausserdem verbindet uns natürlich die Begeisterung für die Opern von Richard Strauss.

Das komplette Programmbuch können Sie auf Simone Young ist eine ausgewiesene Expertin im Strauss-Repertoire. www.opernhaus.ch/shop Was schätzt du an ihren Interpretationen? Sie hat den grossen Orchesterapparat im Griff. Sie hat die handwerklichen oder amdenVorstellungsabend im Foyer Fähigkeiten, Klang wirklich transparent zu machen, und genau das richtige Gespür für die Agogik, für Dynamik, für dramatische Steigerungen. Und sie überrascht immer wieder mit ihren interpretatorischen Ideen. desmichOpernhauses erwerben Wer auf den Besetzungszettel eurer Salome schaut, entdeckt etwas Ungewöhnliches: Die fünf Juden sind bei euch fünfzehn Sänger, jede Judenpartie ist dreifach besetzt. Wie kommt das? Ich habe in der Partitur eine Fussnote von Richard Strauss entdeckt, die besagt, dass ab einer bestimmten Stelle in der Judenszene die Solostimmen «nach dem Er­messen des Dirigenten durch einige tüchtige Chorsänger» zu verstärken seien. Dieser Fussnote folgen wir. Ich hatte Simone darauf hin­ gewiesen. Sie hatte ihr bisher keine Beachtung geschenkt, fand das aber auch eine sehr gute Idee. Das Gespräch führte Claus Spahn

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SALOMES STÄNDIGER BEGLEITER Die Bedeutung des Mondes in der Oper «Salome» von Sophia Gustorff

Vier Hauptdarsteller kennt die Oper Salome von Richard Strauss. Aber es gibt noch einen stummen fünften – den Mond. Er ist allgegenwärtig und mass­ gebend für die düster schillernde Grundstimmung des Stücks. Er beleuchtet, begleitet und observiert das Geschehen auf der Bühne, scheint Objekt und Subjekt zugleich zu sein. Von allen Seiten wird er angeschaut und spiegelt die Charakterzüge, Wünsche und Ängste der Protagonisten wider. Er scheint die Figuren zu lenken wie das Meer, dessen Gezeiten der Mond anzieht und abstösst. Jede und jeder sieht in ihm etwas anderes. Dem Pagen der Herodias kommt er vor wie eine tote «Frau, die aufsteigt aus dem Grab». Salome nimmt ihn bei ihrem ersten Auftritt wahr wie eine «silberne Blume», wie die «Schönheit einer Jungfrau, die rein geblieben ist». Herodes wiederum erkennt in ihm ein «wahn­ witziges Weib, das überall nach Buhlen sucht». Nur Herodias betrachtet ihn ganz nüchtern: «Der Mond ist wie der Mond, das ist alles.» Der Mond leuchtet, so lautet die erste Regieanweisung, von Beginn an «sehr hell», unter seinem Licht scheint die Handlung überhaupt erst in Gang zu kommen. Die Solo-Klarinette führt zu Beginn, schwungvoll und von hohen Tremoli in den Violinen untermalt, zur Tonart Cis-Dur hin: «Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Nacht!», singt Narraboth schwärmerisch, ehe ihn der Page auf die Mondscheibe aufmerksam macht, für den sie ein Zeichen des Unheils ist. Salome und der Mond stehen von hier an in unmittelbarer Verbin­ dung, das Cis-Dur, das mit Salome konnotiert ist, bedeutet zugleich das kalte Schillern des Mondes. Je nachdem, wer ihn anblickt, ändert der Mond seine Farbe und Bedeutung: Er erscheint den Figuren in unschuldigem Weiss, in Silber, in Tiefschwarz und

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in Rot. Er ist nicht nur omnipräsent, sondern eben auch wandelbar. Richard Strauss hat ihm entsprechend kein Leitmotiv zugewiesen. Er hat ihn, den ständi­ gen Begleiter, vielmehr in das atmosphärische Gewebe der Musik eingebunden, und auch dort wechselt er seine Gestalt. Den trügerischen Mondzauber illustrie­ ren, wie ganz zu Beginn, Streichertremoli in hoher Lage. Wie das aufgehende Rund am Himmel bewegen sich diese in bedächtiger Geschwindigkeit nach oben, dort etwa, wo Salome den Mond mit einer «silbernen Blume» vergleicht. Takt für Takt wird der Klang heller und die melodischen Linien steigen bis in höchste Lagen. Nur ein leises Flirren bleibt am Ende übrig, doch diese Farbe legt sich wie das Mondlicht über die gesamte Szenerie. Auch die Klänge von Celesta, Triangel, Becken und Tamburin tragen zur Mond-Aura bei. Metallischklar stechen die (Tasten-)Schläge aus dem Orchesterapparat heraus, wie helle Lichtreflexe, etwa wenn Salome schmachtend Leib und Haar von Jochanaan besingt. Bei Salomes Blick in die Zisterne, in der Jochanaan gefangen gehalten wird, kann man umgekehrt die Schattenseiten der Mondnacht vernehmen: «Wie schwarz es da drunten ist!» Salome wird beim Blick in den Schlund von einem heftigen Schauer ergriffen, die Tonlage fällt schlagartig ab, das Metrum kommt fast zum Erliegen. Strauss hat das Dunkel jenes Verlieses hörbar gemacht, in dem schon Salomes Vater vor seinem Tod Qualen erleiden musste, und vor diesem Schlund, in den Licht und Leben nicht vordringen können, fürchtet sich Salome zutiefst. So eisern und selbstbewusst sie ihren Willen durchzusetzen vermag, so fragil wirkt sie beim Gedanken an die ewige Finsternis. Auch wenn der Mond also kein musikalisches Subjekt mit eigenem Leit­ motiv ist und er musikalisch latent bleibt wie der Himmelskörper, der nur kraft der Sonne leuchtet, so scheint er in die Partitur Eingang gefunden zu haben in Form eines unwirklich-untergründigen, aber schier unablässigen Changierens und Flimmerns. Für die Komposition von Strauss, die harmonische und metri­ sche Eindeutigkeit durch Bitonalität, Chromatik und mannigfache Wechsel von Takt und Tempo über weite Strecken verschleiert, scheint dies geradezu symp­ tomatisch. In der Kunstgeschichte gilt der Mond seit jeher als Symbol für Weiblich­ keit, für Schönheit, Fruchtbarkeit und Erotik. In der griechischen Antike ist es

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die Mondgöttin Silene, die Nacht für Nacht ihren jugendlichen Liebhaber En­ dymion aufsucht, um sich mit ihm zu vereinen. Auch die Römer betrachteten den Mond als Frau: Luna. Im Französischen, der Sprache, in der Oscar Wilde das Salome-Drama verfasst hat, ist der Mond ebenfalls weiblich: La lune steht für weibliche Verführungskraft und List – und damit für Salome und ihre Jugend, ihre Triebhaftigkeit und Fruchtbarkeit, denn mit den Mondphasen korreliert auch der weibliche Zyklus auf magische Weise. Salome ist leidenschaftlich, sexuell, besitzergreifend. Sie verzehrt sich nach Jochanaan. In wilder Erregung artikuliert sie den Wunsch, seinen Mund zu küssen, immer und immer wieder. Ihr Verhalten ist, auch das typisch für den Mondcharakter, obskur. Ihre Forderung, den Kopf des Jochanaan in einer Sil­ berschüssel, einer mondfarbigen Halbkugel, präsentiert zu bekommen, scheint einer Besessenheit zu entspringen. Herodes hat dies früh geahnt, wenn er im Mond «ein wahnwitziges Weib» erkennt. Auch die menschlich-moralische Grenz­ überschreitung der Salome scheint durch den Mond befördert, das Lateinische kennt dafür den Ausdruck «lunaticus». Salome selbst findet im Mond hingegen ihren Frieden: «Wie gut ist’s, in den Mond zu seh’n», singt sie erleichtert bei ihrem ersten Auftritt, wenn sie fliehend vor ihrer Familie, den streitenden Juden und der ganzen Welt, in die sie hineingeboren wurde, unter den freien Himmel tritt. Auf den Mond proji­ ziert sie, wie später auf Jochanaan, ihre Sehnsucht nach der Reinheit von Körper und Seele, die sie in der dekadenten Welt, in der sie lebt, so sehr vermisst. Träumt Salome davon, keusch zu sein? Ist sie selbst noch Jungfrau oder in der körperlichen Lust bereits erfahren? Text und Musik lassen dies in der Schwebe. Wenn Salome den Mond besingt, wirft das Orchester ihr Motiv zurück. Ihre Vorstellung vom Mond als Bewahrer der Tugenden scheint reine Illusion. Oscar Wilde schrieb Salome unter dem Einfluss der französischen Symbo­ listen in Paris. Dort liegen vermutlich auch die Wurzeln des Mondmotivs, das dem Salome-Mythos eine der Jahrhundertwende entsprechende intensive, auf­ reizende Färbung verleiht: Salome wirkt noch geheimnisvoller, kälter und be­ drohlicher in ihrer Weiblichkeit. Der Mond in Salome ist mehr als ein passives Ebenbild der Hauptfigur, ein trügerischer Mitstreiter, der die Menschen in ihrem Handeln beeinflusst.

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Einen grossen Auftritt hat der Mond ganz am Ende der Oper. Herodes, der dort ein letztes Mal prophezeit, dass «Schreckliches» geschehen wird, befiehlt seinen Soldaten angsterfüllt, den Mond und das Sternenlicht zu löschen. Salomes fina­ ler Liebesgesang auf Jochanaan findet – folgt man der Regieanweisung bei Ziffer 353 «Der Mond verschwindet» – im Dunkel statt. Er mündet in Cis-Dur, das damit als Tonart für Salome in ihrer ausserordentlichen Leidenschaft und Anziehungskraft erneut bestätigt wird. Der Liebestaumel endet jedoch abrupt, als nach zwölf Takten der Mond wieder hervorbricht und Salome anstrahlt. Salome steht, nachdem sie den Kopf des Jochanaan geküsst hat, im grellen Licht des Mondes. Sie liess Jochanaan töten, um ihre Lust zu stillen, eine Lust, die Liebe, Gewalt und Obsession gleichermassen umfasst. Der Mond bannt sie nun förmlich unter seinem Kegel. Er lenkt den Blick auf die Prinzessin, als stelle er sie an den Pranger. Der Mond verhält sich fast wie der Dämon, der «aus der Hölle grossen Schlünden steigt / sein Purpurhaupt mit Wolken schwarz ver­ ziert» (Georg Heym), wie eine moralische Instanz ohne Worte. Sofort befielt Herodes, das «Weib» zu töten.

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LEBENSGEFÄHRLICHE LUST IN TAUMELNDER EPOCHE Zur Entstehung der Oper «Salome» von Volker Hagedorn

«Soeben 1komplette Uhr sind Mahler u. Frau abgereist, lassen Dich herzlich grüßen, der Das Programmbuch italienische Componist Puccini war eigens auch aus Pest gekommen, viel junge Leute aus Wien, deren einziges Handgepäck ein Klavierauszug war, – es regnet können Sie auf u. ich sitze auf der Gartenterrasse des Hotels, um Dir zu berichten, daß Salome sehr gut gegangen, ein Riesenerfolg, die Leute applaudiert – noch 10 Minuten, www.opernhaus.ch/shop nachdem der eiserne Vorhang gefallen war etc. etc. Vorher war ich so kalt wie immer, im Verlaufe des Abends hat mich das Ding doch wieder aufgeregt, so oder am Vorstellungsabend imumFoyer daß ich, trotzdem ich gestern körperlich gar nicht müde war u. schon ½1 Uhr zu Bette ging, erst um 11 Uhr Früh, so etwas zerprügelt aufwachte.» Er unterbricht und blickt auf, als ein Kellner erwerben an seinen Tisch tritt. «Bitte des Opernhauses verbindlichst zu entschuldigen, Herr Doktor, da wär’ Post für Sie, Herr Dok­ tor.» «Danke. Bringens mir noch einen Kaffee, bitte. Und die Speisekarte.» Er spricht mit der Färbung seiner Münchner Heimat, der Doktor Strauss, der hier im stattlichen Hotel Elefant zu Graz seinen kleinen Premierenkater pflegt und seiner Frau nach Berlin schreibt. Ein schlanker, hochgewachsener Mann von 41 Jahren, seinem obersten Dienstherrn nicht unähnlich, dem deutschen Kaiser Wilhelm II. Auch Richard Strauss trägt einen Bart, dessen Spitzen, die Mund­ winkel verdeckend, bis über die Wangen reichen, nur sind sie dort nicht auch noch aufwärts frisiert. Auch sein Kinn ist um jene Spur knapp geformt, die die Unterlippe wie in leichtem Trotz hervortreten lässt. Er versteht sich bestens mit dem Kaiser, auch wenn der, wie schon zu vernehmen, einige Bedenken hat, die Salome den Berlinern zuzumuten. Mit

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wem versteht er sich denn nicht gut? Nun, dass Frau Mahler ihn nicht gerade anbetet, hat er schon manchmal gemerkt, das ist egal, das wird den Mahler nicht abhalten, weiter mit den Zensoren in Wien zu kämpfen. Vergeblich freilich, auch das ist schon klar. Aber um die Salome braucht er sich nicht zu sorgen, jetzt noch weniger, die wird in diesem Jahr 1906 an zwölf oder vierzehn Theatern gespielt. Er schiebt die Karte beiseite und setzt den Brief fort. «Deine liebe Karte soeben erhalten, freue mich aus ihr zu ersehen, daß Du jetzt anscheinend etwas zur Ruhe kommst, thue nur nicht zu viel des Guten u. paße recht auf Bubis Ohren auf! (…). Ich schicke Dir heute Zeitungen, aus denen Du nach Belieben Alles wichtige, die Aufführung betreffende ersehen kannst. Die Bellincioni war auch im Theater, hochentzückt, die Wittwe Johann Strauss ist eigens aus Wien gekommen. (…) Bubi bringe ich, wenn er in der Schule recht brav ist (…), schöne österreichische Bleisoldaten u. noch was hüb­ sches mit…» Bubi ist jetzt neun Jahre alt, Franz Alexander, noch in München zur Welt gekommen. In Berlin haben sie Strauss doppelt so viel wie in München geboten für eine Hofkapellmeisterstelle, 18.000 Mark, also heute mehr als 120.000 Euro im Jahr, da konnte man sich gut die neun Zimmer in der Knese­ beckstraße leisten. Die Salome hat er dann schon in der Joachimsthaler Straße komponiert. Und so, wie es aussieht, wird sie ihm bald eine Villa in Bayern fi­ nanzieren, die Prinzessin, «deren Füße wie weiße Tauben sind», die ihn dazu gebracht hat, sein Komponieren neu zu erfinden, ohne Vorsatz übrigens, es ergab sich so. Schon der erste Satz hatte ihn hineingerissen. «Wie schön ist die Prinzessin Salome heute nacht…» Warum nicht diese Prosa komponieren, anstatt einen Librettisten Opernverse daraus machen zu lassen? So etwas war ihm zuerst vorgeschlagen worden. Anton Lindner, ein Mitarbeiter der Wiener Rundschau, hatte ihn auf Salome aufmerksam gemacht, Oscar Wildes Drama, 1900 in der Rundschau erschienen in erster deutscher Übersetzung. Lindner bot an, ein paar Probeverse daraus zu machen. «Die ‹Salome› müsste ja ohnehin für Sie von Grund aus neu gegossen u. geformt werden, da sie so, wie sie vorliegt, zwar Weibs-stimmungsvoll u. episch-malend, aber nicht dramatisch-packend u. im­ petuos ist.» Was dann kam, war aber lange nicht so impetuos wie das Stück, das Strauss in Berlin auf der Schauspiel-Bühne erlebte, am 15. November 1902.

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Deutsche Erstaufführung im Kleinen Theater von Max Reinhardt, der Zensur wegen eine geschlossene Veranstaltung, Gertrud Eysoldt als Salome. Ein Cellist, den Strauss dort trifft, meint: «Das wäre doch ein Opernstoff für Sie!» «Bin bereits beim Komponieren», sagt der Hofkapellmeister. Er hat sofort begriffen, wie ihn das aus der Sackgasse nachwagnerischer Märchenopern führen könnte. Weder Guntram noch Feuersnot haben ihm den Erfolg verschafft, den er als Ton­dichter und Dirigent genießt. Dass in Feuersnot eine junge Frau im Inter­ esse des Gemeinwesens zum Beischlaf mit einem Erpresser genötigt wird, hat 1901 nicht zu vollen Häusern, sondern zum Aufführungsverbot durch das in­dignierte sächsische Königshaus geführt. Und Strauss’ musikdramatische Spra­ che ist im jungen Jahrhundert vorerst so gestrig wie sein Frauenbild.

Das komplette Programmbuch Hedwig Lachmanns deutsche Übersetzung können Sie auf ist eine unterschätzte poetische Tat Frauenwww.opernhaus.ch/shop sind nicht mehr nur Hausfrauen, Mütter, Dienstmädchen und Gouver­ nanten, Mätressen und Prostituierte. Sie gelangen auch nicht mehr nur als oder am Vorstellungsabend im Foyer Monarchinnen und Operndiven an die Spitze. Marie Curie, Mitentdeckerin von Polonium und Radium, erhält den ersten ihrer zwei Nobelpreise im selben Jahr 1903, als Otto Weininger in Geschlecht und Charakter den Frauen wie den des Opernhauses erwerben Juden jeglichen Charakter abspricht – ein Beststeller wird das freilich erst, nach­ dem er sich, selbst jüdischer Herkunft, in Beethovens Sterbehaus erschossen hat. Rollenmodelle sind bedroht, mit denen auch die Sexualität unter männlicher Kontrolle war. Frauen studieren, steuern Automobile, fordern das Wahlrecht. Allein in Österreich gibt es mehrere tausend Schriftstellerinnen, in ganz Europa zehnmal mehr. Eine von ihnen ist Hedwig Lachmann. 1865 geboren als Tochter eines jüdischen Kantors in Pommern, in Berlin lebend, beherrscht Lachmann das Englische, Französische, Ungarische, ist Freundin des Dichters Richard Dehmel, fasziniert vom Anarchisten Gustav Lan­dauer, mit dem sie ein Kind haben wird. Sie entdeckt das Stück von Oscar Wilde, als der Autor ein gebrochener Mann ist, ein Schatten jenes gefeierten irischen Dandys, der 1891 bei Stéphane Mallarmé in der Pariser Rue de Rome

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erschien, wo man über die Gestalt der Salomé diskutierte. Oscar Wilde hatte sie selbst schon des längeren im Sinn. Nachts im Hotel begann Wilde sein Stück zu schreiben, in französischer Sprache. Als er 1892 Sarah Bernhardt in London traf und sie ihn bat, für sie eine Rolle zu schaffen, sagte er: «Das habe ich bereits getan.» Die Lektüre des Dramas begeisterte sie, er gab ihr einen Gedichtband mit Widmung: «A Sarah Bernhardt: Comme la princesse Salomé est belle ce soir.» Die Londoner Uraufführung wurde vom Zensor untersagt. Dahinter steck­ te neben viktorianischer Prüderie das Ondit, dass Wilde, Erfolgsautor, verhei­ ratet, Vater zweier Söhne, Männer liebe. So war es auch. Seine Sensibilität für das Begehren der Salome mochte darin eine Quelle haben. Kein voyeuristischer Blick auf sie, dafür das Traumhafte und Mysteriöse, das Mallarmé und Maeter­ linck an Wildes Text begeisterte. Ihnen ließ er das Werk zukommen, als es 1893 in Paris und London gedruckt worden war, auch George Bernard Shaw, der als einer von nur zwei Journalisten seine Stimme gegen die Zensur erhoben hatte. In der Öffentlichkeit wehrte sich Wilde 1895 juristisch gegen den Vorwurf der «Sodomie», was zu seiner Verurteilung wegen «gross indecency», «krasser Un­ anständigkeit», und einem zweijährigen Gefängnisaufenthalt führte. Der Dichter befindet sich in Zelle C.3.3. im Zuchthaus Reading, als am 11. Februar 1896 in Paris sein Theaterstück Salomé uraufgeführt wird. In jener Stadt der Liberalität, in der Wilde, drei Jahre nach dem Ende seiner Haft, im November 1900 verarmt und gebrochen mit 46 Jahren stirbt. Da ist in Wien schon Lachmanns deutsche Übersetzung der Salomé erschienen, die Wildes Original wie dessen englische Fassung übertrifft. Eine poetische Tat, die aus Wildes begrenztem französischen Wortschatz einen ausschwingenden deutschen entfaltet, schlanke Bögen bildend, klingende Bilder, plastische Symbole. «Ein Meisterstück, das an kondensierter Stimmung und rhythmischem Ein­ klang von Handlung und Sprache kaum seinesgleichen in der Weltliteratur hat», schwärmt Karl Kraus, ohne die übersetzende Autorin zu nennen, der er sein Leseglück verdankt. Bis heute teilt Lachmann das Schicksal vieler Übersetzer, übersehen und beiseite geschoben zu werden. Als der Insel Verlag 1919, nach Lachmanns frühem Tod, ihre Übersetzung mit den 1893 entstandenen Illustra­ tionen von Aubrey Beardsley erscheinen lässt, wird der Künstler auf dem Titel

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genannt, die Übersetzerin erst auf der allerletzten Seite, und bis heute kennen die meisten ihren Text nur in der Version, die Strauss daraus machte. Die erste Buchausgabe erscheint 1903 in Leipzig. Hofkapellmeister Strauss macht sich damit sofort an die Arbeit, schreibt gleich zwischen die ersten Wor­ te die Taktstriche so, wie sie auch bleiben werden, stellt Wörter um, kürzt Zeilen, mit sicherem Sinn für sangbaren Rhythmus. Nicht «wie eine Frau, die aus dem Grab aufsteigt», sondern «wie eine Frau, die aufsteigt aus dem Grab.» Der nächste Satz kommt ganz weg, der übernächste auch. «Cis-Moll» schreibt er für den jungen Syrer, für die erste Nennung Salomes, an den Rand, d-Moll für die Religion der streitenden Juden. «Wie blass die Prinzessin ist»: c-Moll. Er hört lesend den Text in Harmonien und Rhythmen und mit einer bestimm­ ten Spannung im Sinn, einer Vision vom Ganzen, der seine Eingriffe folgen. Er sehnt sich selbst nach einer wie Salome, viele tun das, gefangen in den Panzern, die um das Begehren gewachsen sind, verunsichert von immer mehr Veränderungen in der Gesellschaft. Er entkleidet sie der Reflektionen, der Or­ namente, der Abschweifungen Wildes, der Bedenken des Herodes, vieler Mond­ partien. Ein Drittel des Texts verschwindet, die «schöne Literatur», wie Strauss verzögernde Passagen nennt, es verschwindet auch «die rein gebliebene Seele, die sich nicht ihre unschuldige Sinnlichkeit nehmen lassen will». So sieht Hed­ wig Lachmann selbst die Salome, «willensstark und unzerspalten». So eine wäre aber Strauss den Frauen zu ähnlich, die die Männergesellschaft bedrängen, während er selbst unter dem Pantoffel der strengen Pauline steht. Typen werden gebraucht, nicht Individuen. Die femme fragile, das hilflos gehor­ same Eheweib, auch die femme enfant, halbkindliches Zwischenwesen, sich der Tabus nicht bewusst, die die femme fatale um so dreister überschreitet, eine, die Männer ins Fallen bringt und dafür mit dem Tod bestraft wird. Auf so eine fokussiert Strauss seine Titelheldin. Aber da, wo er sie wirklich ausstellt, am Ende, allein mit dem abgeschlagenen Haupt, wird sie ganz Mensch und erreicht in einer unfassbaren Turbulenz der Emotionen wahre Größe. Er kann kühl schreiben, um Hitze zu erzeugen, so dirigiert er ja auch, «kalt wie immer». Aber seit er 1903 mit dem Komponieren der Partitur begonnen hat, Wechsel der Perspektiven in atemloser Dichte, alles direkt und glühend, reißt ihn die Hitze über sich hinaus, die Sprache, die ungeheure und tödliche Lust

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in der Geschichte, vor dem Horizont einer nahenden Zeitenwende mit Strömen von Blut. Vor tausendneunhundert Jahren war das, und viele Zeitenwenden folgten, wann wird die nächste kommen? Nicht jetzt. Dafür ist überhaupt kein Platz im Kalender. Januar 1905: «Seit 10 Tagen täglich bis Nachts 1 Uhr am Schreib-, nur gestern Abend zur Erholung ebenso lang am Skattisch. Salome­ partitur immerhin seit Anfang Dezember schon bis zur 50.ten Seite gediehen.» Der riesige Mond, die glühende Sonne, der Orient, diese Frau, die einen Heiligen so begehrt, dass sie ihn töten lässt, als er sie abweist, und den abge­ schlagenen Kopf küsst! Strauss findet ihn abscheulich, diesen Eiferer Jochanaan, er mag kein Bekennertum, aber um so heiliger und reiner und erhabener mach­ te er ihn, und um den Rhythmus des prophetischen «Wenn er kommt» für eine Steigerung zu nutzen, fügt er die drei Worte gleich noch zweimal in den Text ein. Lauteres As-Dur und f-Moll für den Täufer, cis-Moll, Cis-Dur für Salome, und beides ineinandergehend. Chromatik, Diatonik, Bitonales, Kontraste, Ver­ schmelzungen. Er kann das alles, er beherrscht das Orchester, und er hat ein inniges Gefühl für Stimmen, besonders die der Frauen, dank Pauline, der Opern­ sängerin, die nun Berliner Hausfrau und Mutter ist.

Gustav Mahler ist hellauf begeistert von der Partitur Was er in seinen Tondichtungen geschaffen hat, Don Juan, Eulenspiegel, Zarathustra, Ein Heldenleben, Tod und Verklärung, Orchestererzählung in höchster Raffinesse, das hilft ihm hier. Doch bald fehlen selbst auf seiner Palette Farben; ein Heckelphon muss her, diese von Wagner erträumte, jetzt gerade erst gebau­ te Mammutoboe mit den Genen des Alphorns, für schwülere, sämigere Dunkel­ heiten. Die Harmonik spannt er so aus, dass sie hier und da reißt und doch nicht reißt. Ein anderes, neues Gewebe entsteht, durch das man, über den Flammen von Lust und Macht, über archaischen Säulen in ein größeres, kälteres Univer­ sum blickt, eines, von dem Herodes und Salome und Jochanaan nichts wussten, das vielleicht zu groß für Gott ist und deutlicher wird in diesen Jahren, in denen man zu fliegen beginnt und den alten Boden unter den Füßen verliert.

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Er lässt, erschrocken, diese Kälte nur fern schimmern, nicht ans Herz greifen. «Nachmittags und Abends saß ich an meiner Salome, also von mir gibt’s wenig Interessantes zu berichten», schreibt Doktor Strauss am 8. April 1905 seiner Mutter Josepha. Als nur der «Tanz der Sieben Schleier» noch nicht komponiert ist, im Mai des Jahres, treffen sich Strauss und das Ehepaar Mahler beim Elsäs­ sischen Musikfest in Straßburg, und er spielt ihnen bei einem Klavierhändler seine Oper vor, während sich die Leute an den Schaufenstern die Nasen platt­ drücken. Gustav Mahler ist hellauf begeistert – «Das ist Ihr Höhepunkt bis jetzt!» Er will das neue Werk für seine Wiener Hofoper haben. Doch die k.k. Zensur sperrt sich, das katholische Dresden ist schneller. Am 9. Dezember 1905 wird Salome nach zwei Monaten Probe am Dresd­ ner Hoftheater uraufgeführt. Trotz einer verklemmten Hauptdarstellerin im Reformkleid, die sich für den Enthüllungstanz doubeln lässt, genügt der Erfolg, um dieses «Musikdrama», wie Strauss es noch wagnerisch nennt, umgehend zur erfolgreichsten deutschen Oper seit Hänsel und Gretel werden zu lassen. Bis zum Jahr 2000 wird Salome an über 10.000 Abenden in 43 Ländern gespielt. Die Premiere in Graz am 16. Mai 1906 wird mit ihrem prominenten Publikum so legendär, dass später Adolf Hitler behaupten wird, mit sechzehn Jahren dabei gewesen zu sein, und dass Thomas Mann, der nicht dabei war, den fiktiven Tonsetzer Adrian Leverkühn, Held des 1947 erschienen Romans Doktor Faustus, anreisen und mit Syphilis aus einem Bordell zurückkehren lässt. Salome steht da für lebensgefährliche Lust in taumelnder Epoche. Im Personenzug der k.k. Südbahngesellschaft, der Graz am Tag nach der Premiere um 13.10 Uhr verlässt, um sieben Stunden lang nach Wien zu fahren, sitzen außer «Mahler u. Frau» die «jungen Leute aus Wien», die Strauss mit ihren Klavierauszügen sah: Arnold Schönberg, sein Schwager Alexander von Zemlinsky und ein halbes Dutzend Kompositionsschüler, die keiner kennt. Al­ ban Berg, einer von ihnen, 21 Jahre alt, wird ein Jahr später seine Liebesbriefe mit einem Notenzitat ohne Worte versehen, mit dem er Schüchternheit und Etikette überspringen kann: «Wie schön ist die Prinzessin Salome…»

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DU SOLLST SIE NICHT ANSEHEN! Ein Gespräch mit dem Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer über die Triebkräfte des Schauens

Herr Schmidbauer, in Salome geht es ständig um ein lustvolles Schauen-­ Wollen und Nicht-Schauen-Dürfen. Welche Bedeutung hat das Sehen für die Lust? Eine sehr grosse. Der Einfluss des Optischen auf die Erotik zeigt sich ja schon in der Vorstellung von der Liebe auf den ersten Blick. Visuelle Reize können eine un­widerstehliche Macht entwickeln, der sich der Mensch nicht zu ent­ziehen vermag. Man kann die Bedeutung des Sehens für das Sexuelle auch ex negativo beschreiben: Das Erblinden ist bei Sigmund Freud ein Symbol der Kastration, belegt durch den Ödipus-Mythos: Ödipus blendet sich in dem Moment, in dem ihm bewusst wird, dass er seine Mutter geheiratet hat. Also ist das Auge ein Sexualorgan des Menschen? Vielleicht sogar das Wichtigste. Es ist das Sinnesorgan, das sehr viele Informa­ tionen sehr schnell transportieren kann, viel besser als der Gehör-, der Tastoder der Geschmackssinn. Man kann das auch am Durchmesser der Nerven ab­lesen: Der Sehnerv ist bei weitem der dickste. Es ist kein Zufall, dass optische Innovationen in der kulturellen Entwicklung der Menschen immer wieder eine grosse Rolle spielen. Im Zusammenspiel von Schauen und Lust gibt es erlaubte und unerlaubte Blicke. Herodias verbietet ihrem Gatten Herodes, seine Stieftochter anzusehen. Der Hauptmann Narraboth fleht die Prinzessin Salome an, den Propheten Jochanaan nicht anzusehen. Der Page wiederum beschwört Narraboth, Salome nicht anzusehen, denn «Schreckliches» werde

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geschehen. Woher rührt die Unterscheidung zwischen erlaubten und unerlaubten Blicken? Sie ist mit der Ausprägung des Schamgefühls als einem wichtigen kulturellen Entwicklungsschritt des Menschen entstanden. Gerade das Tabu, Frauen nicht nackt sehen zu dürfen, ist ja ein starkes, immer wiederkehrendes Motiv in der Kultur­geschichte. Denken wir etwa an die Geschichte vom Jäger Actaeon aus den Meta­mor­phosen des Ovid, der die Göttin Diana beim Baden beobachtet hat. Er wird von ihr in einen Hirsch verwandelt und von den eigenen Hunden, die ihn nicht mehr erkennen, zerfleischt. Oder nehmen wir den antiken Mythos von Gyges und seinem Ring: König Kandaules ist so stolz auf die Schönheit seiner Frau, dass er sie seinem engen Vertrauten Gyges unbedingt zeigen will. Er fordert ihn auf, sie mit Hilfe eines unsichtbar machenden Rings im Schlafgemach nackt zu beobachten. Als die Königin herausfindet, dass ein Fremder in ihre Intimität ein­gebrochen ist, fordert sie nicht dessen Tod, sondern dass der Eindringling ihren Ehemann tötet. Verbotene Blicke führen zu Strafe, und in allen Geschichten schwingt mit, dass der Mann, der die Frau in ihrer Nacktheit sieht, nicht mehr Herr seiner Sinne ist. Vernünftige Männer werden unvernünftig und handeln irrational. In Salome ist der verbotene Blick der des Stiefvaters Herodes, der seine Stieftochter immerzu lüstern ansieht. Das ist eine zugespitzte Variante des Tabuisierten, wie sie ja auch in pornogra­ fischen Filmen beliebt ist. In einer Subspezies geht es dort immer um Stiefverhältnisse: Stiefvater und Stieftochter, Stiefmutter und Stiefsohn haben Sex. Worin liegt die Attraktion dieses Modells? Das ist doch klar: In der Faszination des Inzestuösen, in der Konstruktion, das Inzestuöse ausleben zu können, ohne dass das Inzest-Tabu wirklich gebrochen wird. Ein Modell sozusagen, in dem das Unmögliche möglich wird. Und die ödipalen Energien gibt es ja: Viele Väter kriegen Konflikte mit ihren Töchtern, wenn diese in die Pubertät kommen. Dann werden sie streng und machen den Töchtern Szenen, wenn die ausgehen und andere Männer kennenlernen wollen. Die Väter streiten natürlich ab, dass sie erotische

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Absichten haben, aber die Eifersucht auf die jungen Männer, die die Tochter verführen könnten, spricht eben doch dafür, dass inzes­tuöse Motive wirken. Salome kommt den Fantasien des Herodes entgegen, indem sie für ihn tanzt. Liegt die Unmoral in solchen Konstellationen auf Seiten des Schauenden oder auch auf der Seite des sich Zeigenden? Ich würde sagen, dass der Exhibitionismus mindestens so alt ist wie der Voyeurismus, und denke, dass das Exhibitionistische das Primäre ist, denn jeder Mensch will Aufmerksamkeit. Der Wunsch, von den Mitmenschen wahrgenommen zu werden, ist ein uralter und sehr universeller und zunächst einmal nicht sexualisiert. Aber natürlich umfasst das Bedürfnis nach Auf­ merksamkeit auch das Sexuelle, und das Zeigen erotischer Reize kann, wie wir wissen, die Quelle von vielen Missverständnissen sein, denn eine junge Frau etwa, die sich «aufreizend» anzieht, will nicht unbedingt, dass ein Betrachter mit Avancen und womöglich gar Berührungen darauf reagiert.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop Wie interpretieren Sie Salomes Tanz der sieben Schleier? Salome ist sehr jung. Sie legt ihre ganze Sehnsucht nach einer Liebesbezie­ oder imEr­ Foyer hungam in diesen Vorstellungsabend Tanz, und diese Sehnsucht ist noch nicht durch reale fahrungen getrübt. Sie ist ideal. Es gibt im Marionettentheater von Heinrich vondes Kleist die Opernhauses Szene vom jungen Mann, der noch erwerben unschuldig ist und dessen Bewegungen gerade deshalb von unnachahmlicher Grazie sind. In dem Moment, in dem er sich seiner selbst bewusst wird, verliert er die Grazie. Vielleicht ist das bei Salomes Tanz ähnlich: Der Zauber des Tanzes basiert auf seiner Nähe zur absoluten, idealen Erotik. Salome will die Macht ihrer erotischen Attraktivität auskosten, aber ihr Ziel ist keine reale Sexualität, sondern die ideale.

In Salome sieht jeder nur das Bild, das er sich selbst von seinem Gegenüber gemacht hat, und nicht den Menschen, wie er wirklich ist. Ist das nicht etwas, das Ihnen in Ihrer therapeutischen Arbeit oft begegnet? Ja, klar. Es ist das Prinzip jeder stabilisierenden Arbeit in Beziehungen, die Realität des Gegenübers genauer zu erkennen und unterscheiden zu lernen

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zwischen eigenen Projektionen und der Realität. Das ist nirgends schwerer als auf dem Feld der Sexualität, wo die Bedürfnisse sehr stark sind, die Selbstkritik überwältigen und ein Entgegenkommen fantasieren. Wenn ich stark begehre, dann muss mein Gegenüber dasselbe wollen wie ich. Darin wurzeln viele Beziehungsprobleme. Wie würden Sie die Beziehungskonstellation zwischen Salome und Jocha­ naan, Herodias und Herodes beschreiben? Es ist durchaus auch ein ödipales Drama. Salome, die Tochter, verliebt sich in den scharfen Kritiker der ehebrecherischen Beziehung ihrer Mutter. Dessen Kritik ist auch ihre. Sie will von ihrer Mutter geliebt werden und diese Liebe nicht teilen, und Jochanaan erweist sich in dieser Hinsicht als ihr Bundes­ genosse. Er sagt eine Wahrheit, die auch ihre ist. Deshalb verliebt sie sich in ihn – und es folgt die Rache, wenn diese Liebe von Jochanaan zurückge­ wiesen wird. Sie sagen «verliebt». Ist das das richtige Wort? Verlieben ist ein triebhaftes Geschehen und etwas anderes als Liebe. Salome begehrt Jochanaan, sie will ihn haben. Dementsprechend heftig ist ihre Reaktion auf seine Zurückweisung, auf die Enttäuschung dieses Besitz­ wunsches. Es hat ja auch etwas Tragisches: Für Herodes, den Mann, an den ihre Mutter gebunden ist, ist sie das unwiderstehliche Objekt, und der Mann, den sie gerne hätte, widersteht ihr. Sie hat Macht über den falschen Mann. Jochanaan ist anders als alles, was sie bisher kennengelernt hat. Er ist der fremde Ritter, der plötzlich in ihrem Leben auftaucht, eine echte Alternative. Und weil Salome jung und radikal ist und Jochanaan nicht haben kann, zerstört sie ihn – und sich selbst. Ausserdem zerstört sie die Beziehung zwischen Herodes und Herodias, denn man kann sich ja nicht vorstellen, dass eine Mutter die Tötung ihrer Tochter einfach hinnimmt. Zerstört sie sich wirklich? In der Oper kommt der Tod Salomes nicht mehr vor. Das Stück endet mit dem Befehl von Herodes: «Man töte dieses Weib!»

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Aber etwas anderes als ihr Ende ist kaum vorstellbar. In der Schauspielvorlage von Oscar Wilde heisst es, sie werde unter den Schilden der Soldaten be­ graben. Sie wird verdrängt. Das ist ein sehr anschauliches Schlussbild. Sie wird unterdrückt, als ob sie nie gewesen wäre. Der finale Herodes-Befehl steht in der Tradition der christlichen Hexenverfolgung. Die verführerische Frau ist das böse Prinzip, das den Mann vom Weg der Tugend abbringt und deshalb dämonisiert werden muss. Eine starke Frau, die ihre eigenen radikalen Entscheidungen trifft und einen Mann köpfen lässt, löst Potenzängste aus. Sie ist eine gefährliche Frau. Sie muss getötet werden. Salome, deren Geschichte schon in der Bibel auftaucht, wird im 19. Jahr­hundert zum Sinnbild für entfesselte, gefährliche und faszinierende weibliche Lust. Es ist gewiss kein Zufall, dass der homosexuelle Oscar Wilde ausge­rechnet um die Jahrhundertwende eine Figur auf die Bühne bringt, die für die gefährliche Macht der Triebe steht, oder? Nein. Die Figur ist ein typisches Produkt der sexualfeindlichen viktorianischen Zeit, in der Wilde sein Schauspiel geschrieben hat. Verdrängte Sexualität wird im Un­­bewussten übermächtig. Ihr wächst dämonische Kraft zu. Das Gleiche gilt für die Aggression. Erlebt man aggressive Impulse bewusst, kann man sie steuern und sich mit ihnen versöhnen. Akzeptiert man nicht, dass sie zum Menschenleben gehören und verdrängt sie, dann wachsen sie in den finsteren Verliesen, in die sie geworfen werden, zu Ungeheuern. Freud greift ein Thema christlicher Legenden auf: die an sexualfeindlichen Idealen orientierten Büsser und Bekenner werden besonders intensiv von erotischen Visionen heimgesucht. Der Eremit, der den Gekreuzigten anbetet und alle Gedanken an Sexualität von sich weist, sieht auf einmal eine nackte Frau ans Kreuz geschlagen – das ist ein typisches Bildmotiv des Fin de Siècle.

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Wenn Salome Jochanaan betrachtet und beschreibt, gibt es eine starke Ambivalenz zwischen Anziehung und Abstossung. Begierde und Hass – in welchem Verhältnis stehen die zueinander? Enttäuschte Liebe mündet in Hass. Wenn ich dich nicht haben kann, soll dich auch kein anderer haben. Für den primitiven Narzissmus gibt es keinen

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mittleren Weg; das Liebesobjekt wird entweder idealisiert, oder es ist ganz wertlos und hat den Tod verdient. Bei allen sozialen Kreaturen weckt der Artgenosse, der zu nahekommt, Aggression. Diese Aggression wird in einer Liebesbeziehung durch das Begehren und den Wunsch, einander nahe zu sein, neutralisiert. Latent bleibt die Aggression im Hintergrund. Wo Liebe ist, droht immer auch Hass. Es gibt ja diesen Scherz von der Ehefrau, die bei ihrer silbernen Hochzeit gefragt wird, ob sie jemals an Scheidung gedacht habe, und sie sagt: «An Scheidung nie, an Mord oft.» Das ist in diesem Fall ein Scherz, der in der Kriminalstatistik zu Ernst wird: die meisten Tötungsdelikte sind Beziehungstaten. Liebespartner sind füreinander ge­ fährlicher als alle anderen Personen.

Das komplette Programmbuch Warum will Salome den Mund des abgeschlagenen Kopfes küssen? Es ist ein letzter verzweifelter Versuch, den Liebesaspekt der Beziehung zum können Sie auf Ausdruck zu bringen. Für mich hat das eine psychotische Qualität: Sie leugnet die Realität, dass sie diesen Mann hat köpfen lassen, indem sie tut, www.opernhaus.ch/shop was man eigentlich nur mit Lebenden tut, nämlich den erotischen, lebendigen Akt des Küssens zu vollziehen. Einen Toten zu küssen, kann Abschied oder amIn diesem Vorstellungsabend bedeuten. Fall steht es aber für die eigene Todesnähe. im Foyer des Opernhauses erwerben Das Gespräch führte Claus Spahn

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DAS ORCHESTER ALS WELTTHEATER Das von Haydn, Weber, Berlioz und Wagner geschaffene moderne Orchester ist das Instrument geworden, das allein fähig war, jenes Incommensurable, von dem der alte Goethe spricht (das dem Verstand nicht mehr erreichbar ist) dar­ zustellen in Symbolen, die nur dem ahnenden Gefühl sich erschliessen; nur die Musik kann es wagen, das «Reich der Mütter» ohne Schauder und Entsetzen zu betreten. Erst mit der Erfindung und der äussersten Differenzierung des modernen Orchesters ist das Welttheater zur höchsten Vollendung emporgestiegen. Was die schönsten Verse der grössten Dichter in seitenlangen Umschreibungen der Phantasie des Lesers oder Hörers allenfalls zu suggerieren vermögen, mit einem Akkord gelingt es der Musik, die Empfindung selbst auszusprechen: das Gefühl der Liebe, der Sehnsucht, der Bussfertigkeit, der Todesbereitschaft – die ersten 2 Takte des Tristanvorspiels sagen dem Hörer mehr als die schönste Wortdich­ tung. Ahnungslose Kritiker haben Salome und Elektra «Sinfonien mit begleiten­ den Singstimmen» genannt. Dass diese «Sinfonien» den Kern des dramatischen Inhaltes bewegen, dass nur ein sinfonisches Orchester (statt des in der Oper meist nur den Gesang begleitenden) eine Handlung bis zum letzten Ende ent­ wickeln kann – Das Alles werden vielleicht unsre Nachkommen erst voll und ganz begreifen. Auch nur mein so fein differenziertes Orchester mit seinem subtilen «Ner­ vencontrapunkt», wenn der gewagte Ausdruck gestattet ist, konnte in der Schlussscene der Salome, in Klytämnestras Angstzuständen, in der Erkenntniss­ scene zwischen Elektra und Orest sich in Gebiete vorwagen, die nur der Musik zu erschliessen vergönnt waren.

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Richard Strauss, Brief an Joseph Gregor, 8. l. 1935

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TAUSEND FACETTEN Der Salome-Mythos – Entstehung und Entwicklung eines kulturgeschichtlichen Phänomens von Helmut Schmidt-Garre

Sechs Dezennien, von Heinrich Heines Atta Troll bis zu Richard Strauss’ Oper 1905 ist Salome eine Schlüsselfigur der Kunst. Was gerade diese Epoche an der biblischen Tänzerin reizt, ist das Schillernd-Wirklichkeitsferne, das sie als idea­ les Modell für rätselhaft funkelnde, in tausend Facetten sich brechende Artistik erscheinen lässt. Dazu treten das Perverse und auch Teuflische an ihr im Sinne von Baudelaire und Barbey d’Aurevilly sowie ihre Sinnlichkeit und das Orien­ talisch-Schwüle – Orient und Exotik als Tarnung für raffiniert gefärbte Erotik. Die Schilderung einer dunkel glühenden Welt, aus der die grosse Sinnlichkeit aufsteigt, wird Selbstzweck. Je mehr im 19. Jahrhundert die Vitalität nachlässt und die Sinne erschlaffen, je enger ein Wall von heuchlerischer Prüde­rie die Lebens- und Liebesentfaltung einengt, um so begieriger umkreist die Phantasie Figuren und Situationen, die aufpeitschend und nervenerregend wirken. Salo­ me wird Idol und erotisches Traumbild des Fin de Siècle. Bezeichnend, dass in dem Moment, wo die Ideale des L’art pour l’art, eines «Juwelen-Stils» und der «Purpur-Passagen» verblassen, auch die Gestalt der Salome wieder aus den Küns­ ten verschwindet. Seit dem Aufbruch des Expressionismus und seiner engagier­ ten Kunst, nach Beginn des Ersten Weltkrieges befasste sich niemand mehr schöpferisch mit einem so luxuriösen und schwelgerischen Thema wie Salome. In den Evangelien bleibt verborgen, was in der Seele der Salome vorgeht. Sie tanzt beim Fest des Herodes, und der Fürst über vier Länder verspricht ihr ein Geschenk. «Sie ging hinaus und sprach zu ihrer Mutter: Was soll ich bitten? Die sprach, das Haupt Johannis des Täufers.» Salome weiss noch nicht, was sie verlangt, folgt nur dem unheilvollen Rat ihrer Mutter, bittet um den Kopf des Täufers, als ob es sich um einen goldenen Armreif handele. Sie ist nur «Tochter», moralisch indifferent. Erst gegen Ende des vierten Jahrhunderts wird die «Tän­

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zerin» Salome verteufelt, just in dem Moment, wo das Tanzen überhaupt ver­ worfen wird, als ein «Fallstrick des Teufels» gilt. Voll Abscheu beschreiben von da ab die Kirchenväter die Tat der Salome, versäumen aber nicht, den Tanz selbst mit derber Anschaulichkeit zu schildern, so im fünften Jahrhundert Ba­ silius, Erzbischof von Seleuka: «Schamlose Blicke wirft sie um sich, wiegt sich in den Hüften, überlässt sich einem Lusttaumel, reckt die Arme in die Luft und wirft die Füsse in die Höhe, halbnackten Körpers ihre eigene Schamlosigkeit dartuend.»

Eine Lieblingsfigur in der Bildenden Kunst seit dem frühen Mittelalter

Das komplette Programmbuch Seit dem frühen Mittelalter ist Salome auch eine Lieblingsfigur der Bildenden können Sie auf Kunst, die, angelockt von dem dekorativen Rahmen des Gastmahls, der tanzen­ den Orientalin und dem grausamen Reiz des abgehackten Kopfes, alsbald das www.opernhaus.ch/shop sinnliche Moment betont. Schier unübersehbar ist die Fülle solcher Darstellun­ gen, die in der Renaissance an Häufigkeit noch zunehmen und erst gegen Ende oder amwiederVorstellungsabend impsycho­ Foyer des Barock abflauen. Man hat versucht, aus späterer Sicht allerlei logische Rätsel in diese Salome hinein zu geheimnissen. Aber häufig, besonders in Renaissance und Barock, gab die Figur der Salome nur den malerischen des Opernhauses erwerben Vorwand für das Porträt einer schönen Frau. Unendlich lieblich, fast keusch lässt Fra Filippo seine Salome tanzen. Bei Roger van der Weyden wendet sie sich, gekleidet wie ein spätmittelalterliches Edelfräulein, in preziöser Haltung, doch offensichtlich angewidert von dem auf der Schale liegenden Kopf ab. Lucas van Leydens Salome nimmt in puppenhafter Steifheit den Kopf von einem riesigen Henker entgegen. Bei Rubens halten ihre fleischigen Arme lässig den Metall­ teller, und ihre Haare ringeln sich wie schwarze Schlangen um das eirunde Gesicht. Bernardo Strozzis Salome mit glühenden Augen wie Achatsteinen und Carlo Dolcis zarte jungfräuliche Herodiastochter wieder wenden ihr Antlitz entsetzt ab. Auch auf dem dichterischen Sektor, in Mysterienspielen und im geistlichen Renaissance-Drama erscheint Salome, tanzt und wird vom Teufel geholt.

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Der hellsichtige und für die Entwicklung der französischen Literatur so wich­ tige Heinrich Heine erinnert sich, nachdem es 200 Jahre lang fast still geblieben war um Salome, ihrer wieder 1841 in Atta Troll. Er nennt sie Herodias, ein Irrtum, der bereits auf die ersten christlichen Jahrhunderte zurückgeht, wo Salome oft mit ihrer Mutter verwechselt wurde und auch unter dem ägyptischen Namen Pharaildis auftauchte. In der Bibel wird nur von der Tochter der Hero­ dias gesprochen, kommt der Name Salome überhaupt nicht vor. Isidor von Pelusium im fünften Jahrhundert ist der erste Kirchenvater, der den Namen Salome verwendet. Die Namenskonfusion lebt im 19. Jahrhundert wieder auf; und ausser Heine verwenden auch Mallarmé, Banville und andere den Namen Herodias oder Herodiade statt Salome. Heine treibt die Konfusion allerdings besonders weit, denn er nennt seine Heldin «Judäas Königin, des Herodes schönes Weib», um dann eindeutig von Salome zu berichten: «Ob’s ein Teufel oder Engel, weiss ich nicht... Auf dem glutenkranken Antlitz lag des Morgen­ landes Zauber, auch die Kleider mahnten kostbar an Scheherezadens Märchen. Sanfte Lippen, wie Granaten, ein gebogenes Liliennäschen, und die Glieder schlank und kühlig wie die Palme der Oase.» Zum ersten Mal seit den Tagen alter Volkslegenden nennt Heine das uns seit Wilde allein vertraute Motiv für Salomes perverse Bitte: verschmähte Liebe.

Salome wird zur Traumgestalt des Dichterischen schlechthin So lässt sie nun Heine in der Wilden Jagd mit dem Kopfe des Johannes vorbei­ ziehen – «doch in toller Weiberlaune schleudert sie das Haupt zuweilen durch die Lüfte, kindisch lachend, und sie fängt es sehr behende wieder auf, wie einen Spielball». Salome erhält förmlich den Rang eines heidnischen dichterischen Ideals. Offensichtlich haben die französischen Dichter Heines Gestalt so aufge­ fasst. Jedenfalls ist sie seitdem wieder ein Thema, gerade in ihrer Eigenschaft als ausserhalb jeder Norm stehende Muse. So eindeutig Heine im Atta Troll ein Tendenzgedicht schreibt, so eindeutig wendet er sich im selben Atta Troll da­von ab, nicht nur, wenn er sein Lied «phantastisch zwecklos» nennt, sondern

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vor allem in der Inthronisation der Salome-Figur als Traumgestalt des Dichters und des Dichterischen schlechthin. Damit gibt er den kommenden SalomeDichtern von Mallarmé bis Oscar Wilde die L’art-pour-l’art-Losung, die Devi­ se zu einer sich selbst genügenden, nur ihrer eigenen Schönheit lebenden Kunst. Esoterisch noch unter Esoterischem, fast fremd in seiner Zeit steht Mallar­ més «prächtiges Juwel», so der sonst so zurückhaltende Dichter über sein eige­ nes Poem Hérodiade, an dem er sein ganzes Leben lang, ja noch in seinen Sterbetagen arbeitet und von dem zu seinen Lebzeiten nur ein Fragment, «Scène» bezeichnet, veröffentlicht ist. Eigentlich hat es mit Salome nichts mehr zu tun, Salomes Tanz, der Hof des Herodes tauchen nicht einmal andeutungs­ weise auf. Mallarmés Prinzessin mit Haaren «kalt wie Gold» ist eine keusche, unberührte Jungfrau, ein Narziss, sich selbst genug, introvertiert bis zur völligen Negierung der materiellen Welt. Salomes kalte, vollkommene, einsame Schön­ heit entspricht der Schönheit der Dichtung, die Mallarmé immer wieder mit der Kälte und Reinheit eines Juwels vergleicht. Dann kam Flauberts monumentale, ehern glänzende Novelle Herodias. Sie führt in eine antik-orientalische Welt, deren gleissende Sinnlichkeit Flaubert gerade deshalb so suggestiv einfängt, da er sie ganz objektiv und sachlich, eben mit der an ihm oft gerühmten (oder ihm auch vorgeworfenen) «Gefühllosigkeit» schildert. Haarscharf, mit aller psychologischen Differenzierung sind die Cha­ raktere des Herodes und der Herodias umrissen. Aber das Wesen Salomes wird nicht erschlossen. Sie ist nur das gefügige Werkzeug ihrer Mutter und im übri­ gen ein sinnlich animalisches Wesen jenseits von Gut und Böse. Ihren Tanz beschreibt Flaubert mit prickelndem Raffinement und zugleich mit der kühlen Gelehrsamkeit dessen, der jede Quelle darüber aufgespürt hat, jedem Hinweis nachgegangen ist. Louis Schneider behauptet in seiner Massenet-Biographie, an Flauberts Novelle Herodias lehne sich Massenets Oper Hérodiade an (was nur behaupten kann, wer Flauberts Novelle nie gelesen hat). Es zeigt aber, wie aktuell damals der Salome-Stoff war, wenn sich zur gleichen Zeit die Dichter Mallarmé, Ban­ ville und Flaubert, die Maler Puvis de Chavannes, Regnault und Moreau und der Komponist Massenet der Figur bemächtigen. In der Malerei wird Gustave Mo­ reau der grosse Apologet der «Tochter des Ehebruchs» (so nennt sie Iokanaan

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bei Wilde). Gleich Flaubert versenkt er sich in alte Kulturen, über denen bereits Fäulnis dampft, schildert sie in prunkvoll glühenden Farben. Biblisches, Heidni­ sches und Exotisches dienen nur dem einen Ziel, eine zauberische Welt von ge­heimnisvoller Symbolkraft zu bringen, voll Sinnenglut, Raffinement und Per­ versi­tät, «erfüllt von magischen Reizen, düsterer und verbotener Wollust, bluti­ ger Raserei» (Jean Cassou), im gewissen Sinne eine Vorahnung bereits des Sur­ realismus.

Die sinnliche Gottheit der unzerstörten Wollust Die hinreissendste Beschreibung von Moreaus Salome-Bildern aber, deren Stil man mit symphonischen Dichtungen verglichen hat, finden wir in dem Mode­ roman der Jeunesse dorée und aller Dekadenten zwischen 1885 und 1900, in A Rebours («Gegen den Strich») von Joris Karl Huysmans. Huysmans, Natura­ list, dann esoterischer Ästhetizist und Immoralist, schliesslich katholischer Kon­ vertit, am meisten «baudelairien» unter allen Jüngern Baudelaires, von anderen als Romantiker abgetan, Pessimist, Misogyn, zwischen Sinnengier und Sinnen­ ekel hin- und hertaumelnd, läuft in diesem Roman «gegen den Strich» des Naturalismus, gegen Plattheit und Materialismus. Der Held Des Esseintes (Ebenbild des Dichters) flüchtet in eine künstliche Welt, schläft bei Tage und befasst sich während der Nacht mit Kunst und Kunstbetrachtung sowie mit allem, was esoterisch und abwegig ist. Wie die Kunst im frommen Mittelalter die Reinheit verherrlichte, so muss nach Huysmans mit gleichem Recht in der jetzigen vom Satan beherrschten Zeit das Satanische im Laster gestaltet werden, wie dies Félicien Rops in der Bildenden Kunst und wie es Richard Wagner in der Musik gemacht hätten. Mit der Beschreibung der Salome-Bilder Gustave Moreaus, des «wahnwitzigen und morbiden Genius», erreicht Huysmans den Gipfelpunkt seiner zwischen Satanisierung und vergöttlichender Bewunderung schwankenden Betrachtung seines Frauenideals. «Sie war», schreibt er, «nicht allein die Tänzerin, die durch wollüstige Windungen ihrer Hüften einem ge­ schwächten Greis den Schrei frivoler Begier entlockt, indem sie sich den Willen

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eines Königs durch die Bewegungen ihres Leibes und das Zittern ihrer Schen­ kel unterwirft; sie wurde sozusagen die sinnbildliche Gottheit der unzerstörten Wollust, die Göttin der unsterblichen Hysterie; jenes einfache Sinnentier, unge­ heuer, gefühllos, unempfindlich, alles, was sich ihr nähert, sie berührt und sie sieht, vergiftend.» Die Zeit war längst überreif, als Oscar Wilde 1891 das i-Tüpfelchen auf ihren Kult des Unbürgerlichen, Abseitigen und Schwül-Perversen setzte. Seine Salome, die «rauschende Inbrunst eines in Lüsten aufgewachsenen Weibes, dessen letzte Sensation ein schmutziger Heiliger, ein moralischer Keuscher, ein Märtyrer in Blut und Schrecken ist» (Oskar Bie), traf ins Schwarze, obwohl die Zensur gegen das Dramolett wütete und es sich erst von Deutschland aus, seit Max Reinhardts Berliner Aufführung von 1902 und vor allem seit der Dresdner Uraufführung von Straussens Oper 1905 die Welt erobern musste.

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Doch jeder tötet, was er liebt Doch jeder tötet, was er liebt. Ich sag es, dass jeder es hört! Der tut es mit dem bösen Blick. Der mit Schmeicheln, das betört. Der Feigling tötet mit einem Kuss. Der Kühne greift zum Schwert.

Das komplette Programmbuch können Sie auf Der eine tötet jung sein Lieb, Der andere als Greis. www.opernhaus.ch/shop Der eine würgt mit der Hand der Lust Und der für goldnen Preis. oder Vorstellungsabend im Foyer Der Beste am greift zum Dolch, Weil er dann schnell zu töten weiss. des Opernhauses erwerben Der liebt zu kurz und der zu lang. Der kauft, der bietet an. Der tötet mit Tränen, und jener hat’s Mit kaltem Blut getan. Denn jeder tötet, was er liebt, Nur stirbt nicht jeder dran.’ Oscar Wilde, Ballade vom Zuchthaus zu Reading





RAUSCH GEGEN ASKESE Über das Dionysische des «Salome»-Schlusses Von Arne Stollberg

«Das Übergewicht der Unlustgefühle über die Lustgefühle ist die Ursache einer fiktiven Moral und Religion: ein solches Übergewicht gibt aber die Formel ab für décadence», schreibt Friedrich Nietzsche in seiner Schrift Der Antichrist von 1888/89. Die «lebensfeindliche Tendenz» des Christentums, seine «moralin­ saure» Verdammung von Sinnlichkeit und Vitalität zugunsten eines kraftlosasketischen Glaubens, der alle Hoffnung auf das Jenseits projiziere und darüber das Diesseits vergesse – hierin lag für Nietzsche die eigentliche «Krankheit» der (dekadenten) Moderne, zu überwinden allein durch die «höchste Bejahung» der irdischen Existenz, «ein Jasagen ohne Vorbehalt, zum Leiden selbst, zur Schuld selbst, zu allem Fragwürdigen und Fremden des Daseins selbst», durch das «letzte, freudigste, überschwänglich-übermütigste Ja zum Leben». Mit Nietzsche auf eine Formel gebracht: «Dionysos gegen den Gekreuzigten», Lust gegen Sündenbewusstsein, Rausch gegen Askese, Genuss gegen Moral – und dies alles auch um den Preis der eigenen Vernichtung, die letztlich nur eine ekstatische Auflösung des Individuums in die Totalität des ewig sich erneuern­ den Lebens bedeutet. Der von Nietzsche als «grosser Augenblick» apostrophierte Moment, in dem das Jetzt und die Ewigkeit zusammenfallen, die höchste, unüberbietbare Steigerung des Daseins – diesen «grossen Augenblick», die Epiphanie des Dio­ nysos, erlebt Salome am Ende der Oper, als sie das abgeschlagene Haupt dessen küsst, der ihr offenbar nicht als Prophet von Jesus Christus, sondern als Verkün­ der eines ganz anderen Gottes erschienen war. Die triumphierende Orchester­ passage nach Salomes letzten Worten («Ich habe ihn geküsst, deinen Mund»), gipfelnd in einem unvergleichlichen, höchst dissonanten und doch schmerzlich

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wohlklingenden, euphorisch-grausamen Akkord aus acht verschiedenen Tönen, sie bringt – nach Nietzsches dionysischer Philosophie – eine Apotheose des Lebens, nicht ein Fanal der Perversion. Mag Strauss’ Oper auch ein «raffiniertes» Werk der Décadence sein, so ist sie in diesem Sinne doch eines, das seiner Hauptgestalt am Ende mit originär musikalischen Mitteln die Flucht aus der Décadence ermöglicht.

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SALOME R I CH A R D S TR AUS S (186 4-1949) Musik-Drama in einem Aufzug nach Oscar Wildes gleichnamiger Dichtung in deutscher Übersetzung von Hedwig Lachmann Uraufführung: 9. Dezember 1905, Dresden

Personen

Herodes Herodias

Tenor

Mezzosopran

Salome

Sopran

Jochanaan

Bariton

Narraboth

Tenor

Ein Page der Herodias Fünf Juden

Alt

4 Tenöre /1 Bass

Zwei Nazarener Zwei Soldaten

Tenor / Bass 2 Bässe

Ein Cappadocier

Bass


1. SZENE NARRABOTH

Wie schön ist die Prinzessin Salome heute nacht! PAGE

Sieh die Mondscheibe, wie seltsam sie aussieht. Wie eine Frau, die aufsteigt aus dem Grab. NARRABOTH

Sie ist sehr seltsam. Wie eine kleine Prinzessin, deren Füsse weisse Tauben sind. Man könnte meinen, sie tanzt. PAGE

Wie eine Frau, die tot ist. Sie gleitet langsam dahin. Lärm im Bankettsaal ERSTER SOLDAT

Was für ein Aufruhr! Was sind das für wilde Tiere, die da heulen? ZWEITER SOLDAT

Die Juden trocken

Sie sind immer so. Sie streiten über ihre Religion. ERSTER SOLDAT

Ich finde es lächerlich, über solche Dinge zu streiten. NARRABOTH warm

Wie schön ist die Prinzessin Salome heute abend.

ERSTER SOLDAT

Auf wen blickt er? ZWEITER SOLDAT

Ich weiss nicht. NARRABOTH

Wie blass die Prinzessin ist. Niemals habe ich sie so blass gesehn. Sie ist wie der Schatten einer weissen Rose in einem silbernen Spiegel. PAGE sehr unruhig

Du musst sie nicht ansehn. Du siehst sie zuviel an. Schreckliches kann geschehn. DIE STIMME DES JOCHANAAN aus der Cisterne

Nach mir wird Einer kommen, der ist stärker als ich. Ich bin nicht wert, ihm zu lösen die Riemen an seinen Schuh’n. Wenn er kommt, werden die verödeten Stätte frohlocken. Wenn er kommt, werden die Augen der Blinden den Tag sehn. Wenn er kommt, die Ohren der Tauben geöffnet. ZWEITER SOLDAT

Heiss’ ihn schweigen! Er sagt immer lächerliche Dinge. ERSTER SOLDAT

Er ist ein heil’ger Mann. Er ist sehr sanft. Jeden Tag, den ich ihm zu essen gebe, dankt er mir. EIN CAPPADOCIER

Wer ist es? ERSTER SOLDAT

PAGE unruhig

Ein Prophet.

Du siehst sie immer an. Du siehst sie zuviel an. Es ist gefährlich, Menschen auf diese Art anzusehn. Schreckliches kann geschehn.

Wie ist sein Name?

NARRABOTH

Jochanaan.

Sie ist sehr schön heute abend. ERSTER SOLDAT

Der Tetrarch sieht finster drein. ZWEITER SOLDAT

Ja, er sieht finster drein.

EIN CAPPADOCIER

ERSTER SOLDAT

EIN CAPPADOCIER

Woher kommt er? ERSTER SOLDAT

Aus der Wüste. Eine Schar von Jüngern war dort immer um ihn.


EIN CAPPADOCIER

Wovon redet er? ERSTER SOLDAT

Unmöglich ist’s, zu verstehn, was er sagt. EIN CAPPADOCIER

Kann man ihn sehn? ERSTER SOLDAT

Nein, der Tetrarch hat es verboten. NARRABOTH sehr erregt

Die Prinzessin erhebt sich! Sie verlässt die Tafel. Sie ist sehr erregt. Sie kommt hierher. PAGE

Sieh sie nicht an!

2. SZENE Salome tritt erregt ein SALOME

Ich will nicht bleiben. Ich kann nicht bleiben. Warum sieht mich der Tetrarch fortwährend so an mit seinen Maulwurfsaugen unter den zuckenden Lidern? Es ist seltsam, dass der Mann meiner Mutter mich so ansieht. Wie süss ist hier die Luft! Hier kann ich atmen: Da drinnen sitzen Juden aus Jerusalem, die einander über ihre närrischen Gebräuche in Stücke reissen… Schweigsame, list’ge Ägypter und brutale, ungeschlachte Römer mit ihrer plumpen Sprache… Oh, wie ich diese Römer hasse!

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Ja, sie kommt auf uns zu. PAGE

Ich bitte dich, sieh sie nicht an! NARRABOTH

Sie ist wie eine verirrte Taube.

PAGE zu Narraboth

Schreckliches wird geschehn. Warum siehst du sie so an? SALOME

Wie gut ist’s, in den Mond zu sehn. Er ist wie eine silberne Blume, kühl und keusch. Ja, wie die Schönheit einer Jungfrau, die rein geblieben ist. DIE STIMME DES JOCHANAAN

Siehe, der Herr ist gekommen, des Menschen Sohn ist nahe. SALOME

Wer war das, der hier gerufen hat? ZWEITER SOLDAT

Der Prophet, Prinzessin. SALOME

Ach, der Prophet! Der, vor dem der Tetrarch Angst hat? ZWEITER SOLDAT

Wir wissen davon nichts, Prinzessin. Es war der Prophet Jochanaan, der hier rief. NARRABOTH zu Salome

Beliebt es Euch, dass ich Eure Sänfte holen lasse, Prinzessin? Die Nacht ist schön im Garten.


Programmheft SALOME

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Oper in einem Akt von Richard Strauss

Premiere am 12. September 2021, Spielzeit 2021/22

Herausgeber

Intendant

Zusammenstellung, Redaktion Claus Spahn

Layout, Grafische Gestaltung Carole Bolli, Giorgia Tschanz

Anzeigenverkauf Opernhaus Zürich, Marketing

Opernhaus Zürich

Andreas Homoki

Schriftkonzept und Logo Druck

Textnachweise: Die Handlung, die Interviews mit Andreas Homoki und Wolfgang Schmidbauer sowie die Aufsätze «Salomes ständiger Begleiter» von Sophia Gustorff und «Lebensgefährliche Lust in taumelnder Epoche» von Volker Hagedorn sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. Der Text von Volker Hagedorn ist eine umgearbeitete und ergänzte Passage aus dem Buch «Flammen – eine europäische Musikerzählung 1900 - 1918», das im Frühjahr 2022 im Rowohlt Verlag Hamburg erscheint. – Der Ausschnitt aus dem Markus-Evangelium und der Text «Rausch gegen Askese» von Arne Stollberg sind zitiert nach dem Programmheft des Opernhauses Zürich, 2010 – Der Brief von Richard Strauss ist zitiert aus «Richard Strauss und Joseph Gregor – Briefwechsel 1934 - 1949,

Telefon 044 268 66 33, inserate@opernhaus.ch

Studio Geissbühler

Fineprint AG

Salzburg 1955 – Der Text «Tausend Facetten» von Helmut Schmidt-Garre ist die gekürzte Version eines Essays aus dem Programmheft des Opernhauses Zürich, 1986 – Das Gedicht «Doch jeder tötet, was er liebt» ist aus: Oscar Wilde: Sämtliche Werke in zehn Bänden, Frankfurt am Main, 1982 Bildnachweise: Paul Leclaire fotografierte die Klavierhauptprobe am 1. September 2021. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nach­richt gebeten.


T HE Z U R ICH AFFAIR T HE Z U R ICH

KONZERT UND FILMPREMIERE JULIANE BANSE, ANDREAS HAEFLIGER SOPHIE AUSTER, JOONAS SAARTAMO

MIT

RICHARD WAGNER: FÜNF WESENDONCK-LIEDER, WWV 91 FRANZ LISZT: "ISOLDES LIEBESTOD", 1867, R 280, S 447

SAMSTAG 2. OKTOBER 2021, 17:30 UHR GROSSER KONGRESSHAUSSAAL ZÜRICH



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