Gereon Krebber, walpern, Ausstellungskatalog

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GEREON KREBBER walpern, 2018



GEREON KREBBER walpern



Verwenden Sie das Wort w i d e r l i c h noch? Selten. Es scheint, als würde widerlich aus dem Sprachgebrauch verschwinden. Vermutlich auch, weil es ungenau eine momentane persönliche Abneigung zu bezeichnen versucht. Was Gereon Krebber hier zeigt, ist widerlich. Dass er seine salopp gezimmerten Stelen abfackelt, dem Feuer überlässt, eine andere Form zu schaffen, lenkt ab. Ab von dem Akt, wie sich der beginnende Zerfall aufhalten und fixieren lässt. Wenn Krebber mit diabolischem Lächeln die dafür nötige chemische Giftsoße beschreibt, sieht man auch selbst, dass diese schwarzen Wracks matt von einer Schicht überzogen sind. Bretter im Inneren haben sich zu schimmernden Kroko-Häuten gewandelt. Ein Abendtäschchen für Louis Vuitton daraus? Gereon Krebbers widerlichen Objekten gelingt es, einen letzten schmalen Pfad zu verborgenen Empfindungen zu öffnen. Mit den Methoden der Moderne lässt sich nicht mehr herauspressen. L. O.

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Kleiner ungezogener Bruder der Architekten

Das Feuer ist der Feind der Architektur. In seiner Ausstellung „walpern“ zeigt der Bildhauer Gereon Krebber schwarz verkohlte Holztürme, die wie Relikte eines Brandes wirken, sich aber dennoch kraftvoll im Raum behaupten. Im Gespräch mit der Kuratorin Anne Schloen erläutert er seine Überlegungen.

Hast Du mit der Ausstellung im O&O Depot die Architektur als Thema für Dich entdeckt? Das Thema steht seit langem. Meine Skulpturen, besonders wenn sie großformatig sind, verankern sich gern in den Räumen. Sie setzen an Ecken, Mauern, Kanten und Vorsprüngen an oder hängen in Zwischenräumen. Ich nutze Gegebenheiten als Gelegenheiten, Architektur lasse ich gern invasiv besiedeln. Ich bin alles andere als ein Architekt, eher deren Nutznießer, Opponent oder sogar Parasit. Du reagiert mit Deinen Ausstellungen also immer auf die jeweiligen Ausstellungsräume? Nicht kategorisch. Es kann auch besser sein, sie zu ignorieren. Bitte kein Bezugskitsch! Aber meine Frage in den Räumen lautet: Was ist hier möglich? Was ist für mich notwendig, jetzt und hier, an diesem Ort? Gut, daraus folgert längst nicht, stark mit Architektur zu arbeiten. Erst während des Studiums hat sich mein Interesse aufgebaut. Einer meiner Lehrer führte sogar „Integration Bildende Kunst und Architektur“ im Titel: Hubert Kiecol. Aber bei mir ist es eben nicht Architektur, sondern es geht mir tatsächlich um das Objekt oder auch die Installation. Also etwas, was nicht Raum bildet, sondern erst einmal Volumen, Körper, Form, Kontur – es dreht sich eben um diese klassischen bildhauerischen Momente. Es geht bei Dir also mehr um Tektonik, um geometrische Grundformen? Die sind häufig nicht unbedingt der Architektur entlehnt. Es ist vielmehr ein Körper, der gegen meinen Körper steht. Etwas, das ich mit den Augen begreifen und mit der Hand anfassen kann. Also im klassisch skulpturalen Sinn.

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Du hast für die Ausstellung im O&O Depot verbrannte Türme gebaut. Es ist ja kein Zufall, dass Du hier in dem Ausstellungsraum von O&O Baukunst genau diese Skulpturen ausstellst – oder? Manfred Ortner habe ich über einen Kunst-am-Bau-Auftrag in Bonn kennengelernt. O&O Baukunst hat die Sparkasse am Friedensplatz in Bonn gebaut; sie haben mich ausgewählt, das Atrium zu bespielen. Ich habe dort ein großes Spiegelmobile aufgehängt und in den Boden einen Golddeckel eingelassen. Es war eine tolle Möglichkeit, in dem hohen Luftraum raumfüllend zu arbeiten. Wie es über uns schwebt, ist es sowohl leicht zu übersehen wie auch unterschwellig bedrohlich. Hier in der Ausstellung ist das anders. Hier wird Architektur bildhaft und als Sujet aufgegriffen: Hier stehen Türme. Ja – Deine deckenhohen Türme rufen sofort Assoziationen an Hochhäuser hervor.

Aurelio, 2014 Metall, Spiegel, Beton, 1 kg Gold, zweiteilig verschiedene Größen Sparkasse KölnBonn, Friedensplatz, Bonn

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Zwei Stockwerke höher, im Büro von O&O Baukunst, entwerfen sie wirklich Türme. Oben auf der Anrichte stehen die Modelle für den Alexanderplatz – hier im Erdgeschoß meine Anti-Architektur. Im Grunde sind es verkohlte Wiedergänger der baulichen Visionen, die nicht nur dort oben ausgetüftelt werden. Als architektonische Form sind Türme völlig tradiert, ein richtiger „Classic“. Auch wenn wirkliche Hochhäuser eine ganz andere Dimension haben, wirken meine Türme wie deren brüchig-schwarze Abbilder. Ob als Architektur oder Skulptur: Türme gehen vom Boden hoch. Konstruiert, gemauert, geschraubt oder gestapelt, stehen sie da und behaupten sich gegen die Schwerkraft. Spätestens seit Babel verstehen wir Türme als Symbole dieses elementaren Sieges. Sie werden als machtvolle Verheißungen gebaut und bewundert, angegriffen und zerstört. Architektur kann als Skulptur noch einmal anders sichtbar werden. Ich will aber vermeiden, dass es vom aktuellen Abu-Dhabi-Bauwahn oder schon wieder halb historischen Ballast von Nine-Eleven erdrückt wird. Verkohlt, schwarz und archaisch wird es allgemeingültig. Bei „Sieben verbrannte Türme“ zählt nicht mehr der Optimismus eines fest Gebauten, sondern die Ambivalenz des noch Stehenden, aber schon Zerstörten. Die Türme gehen nicht im allein Architektonischen auf. Sie wirken wie Totems, die durch das Brennen


Sieben verbrannte Türme, 2018 Holz verbrannt, Sprühfarbe Höhe 220-310 cm

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Sieben verbrannte Türme, 2018 Holz verbrannt, Sprühfarbe Höhe 220-310 cm

Viertelchen, 2018 Polyurethanschaum, Sprühfarbe, Epoxidharz 130 x 80 x 80 cm

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etwas Abergläubisches bekommen haben. Architekten wie oben bei O&O Baukunst können keinen Aberglauben machen, schon weil statisch alles halten muss. Aber bei mir darf es um Sachen gehen, die man in der Architektur nicht machen kann. Was können denn die Künstler, was die Architekten nicht können? Als Architekt kannst Du nicht ein Haus bauen, es anzünden und dann sagen: Ja, ist doch alles gut, oder? Ich kann zeigen, was für Architekten einfach nicht zu zeigen ist. Klar, auch das Feld der Architektur hat sich massiv erweitert. Es gibt viele Überschneidungen zur Kunst, das ist unbestritten. Auch bewusst inszenierte, wie den jährlichen Pavillon an der Serpentine Gallery in London. Aber Architektur hat am Ende eine „Utilitas“, sie soll benutzt werden. Für die Kunst gilt im Gegensatz nach wie vor der „zweckfreie Zweck“ als Grundlage der künstlerischen Freiheit. Aber das gibt es in der Architektur doch manchmal auch – oder nicht? Dass in einem Gebäude etwas da ist, das über die reine Funktionalität hinausgeht. Unbedingt. Natürlich hat die Architektur ihre zweckfreien Zwecke, z. B. wenn O&O ein Atrium baut. Von dem streng Funktionalistischen sagen Dir die Bauherren: Wieso muss das Atrium neun Meter hoch sein? Reichen nicht fünf? Aber halt, mal grundsätzlich: Das Funktionalistische greift zu kurz. Häuser sollen nicht nur schützen, sie sollen sprechen – mit Proportionen, Maß, Gestalt, Material und Oberfläche. Die Form folgt nicht der Funktion. „Form follows function“ – das ist ein fataler modernistischer Kurzschluss. Dieses Dogma diente schlagkräftig als Verkaufsargument der Moderne, mit dem sich eine radikale ästhetische Haltung schön rationalistisch und nüchtern tarnen konnte. Was ist denn bitteschön funktional an der Villa Savoy? Nichts. Nicht mal das Dach war dicht. Es ist sicher ein abenteuerlich schönes Haus. Wäre es bloß beim Villenbau und proklamierten Denken geblieben! Aber die Moderne hat einen unglaublichen Flurschaden in unseren Städten angerichtet. Nein: Die Form folge dem, was sich zeigen soll. Das geht per se über das rein Nützliche hinaus. Architektur, die sich selbst in diesem Sinn begreift, können wir gern Baukunst

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nennen – um mal diesen etwas getragenen Begriff aufzunehmen, der am Firmenschild klebt. Trotzdem bleibt es immer noch ein Raum, der nutzbar ist. Die Hülle dient dafür, dass da unten die Leute ihre Geldwechselgeschäfte machen. Aber diesen Zweck zu konterkarieren, zu sagen, diese Türme machen nichts, sie stehen nur herum, und sie zeugen aber von etwas, was ihr vielleicht gar nicht so genau wissen wollt – dafür brauchen wir die Kunst. Typisch für deine Arbeit ist, finde ich, dass Du zuerst etwas baust und dann zerstörst. Hier im Atelier hängt ein Foto von einem Haus, das so halb eine Klippe herunterfällt. Es geht um zerstörte Architektur. Das scheint Dich irgendwie zu interessieren… Irgendetwas ist daran, ja. Es sieht tragisch wie lustig aus, wie das Haus da über der Klippe hängt – da ist was schief gelaufen. Unsere Moderne gibt sich ja gern als strahlende Lichtgestalt, sie lebt von ihrem Fortschrittsversprechen. Die Technik machte vieles von dem beherrschbar, wo Kunst und Religion uns nur Trost bieten konnten. Es hieß ja auch gleich: Gott ist tot, die Malerei ist tot – nein, sie wurden alle bloß arbeitslos. Sie verschwanden im Museum. Ob im Leben oder in der Kunst – alles wurde besser, größer, schneller. Es klappte ja zum großen Teil mit dem Fortschritt; auch wenn wir inzwischen nicht mehr richtig dran glauben wollen. Manchmal klappt es aber eben nicht, da hängt das Haus auf der Klippe. Das mache ich zu meinem Thema. Ich suche als Kontrast das Kaputte, Sumpfige, Verformte und Verfallene. Dieses Verhältnis von Reinheit und Perfektion zu brechen – das versuche ich hinzukriegen. Deshalb nehme ich Möbel und zünde sie an, deshalb ich konstruiere etwas und brenne Löcher hinein. Es ist immer so ein Pendeln. Und am Ende sehen die Arbeiten manchmal aus, dass es mir selbst etwas unangenehm ist. Als hätte ich zu viele Horrorfilme geguckt. Aber es ist gar nicht so, daher kommt das nicht. Kann man sagen, dass Du ergebnisoffen arbeitest? Dich interessiert vor allem der Prozess – oder? Ich habe schon eine Vorstellung. Ich will eine bestimmte Präsenz herstellen. Ergebnisoffen? Manchmal nimmt es einfach Umwege und verändert

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Sieben verbrannte Türme, 2018 Holz verbrannt, Sprühfarbe Höhe 220-310 cm

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Viertelchen, 2018 Polyurethanschaum, SprĂźhfarbe, Epoxidharz 130 x 80 x 80 cm

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sich. Für die Kölner Galerie Christian Lethert bereite ich gerade meine Einzelausstellung vor. Dort möchte ich „Antimöbel“ zeigen. Also was mache ich denn jetzt mit diesem Tisch? Wie kann er denn jetzt plötzlich nicht mehr Tisch sein? Was kann ich damit noch machen? Wie kann da noch etwas passieren? Wie kann die Präsenz sich so ändern, dass man denkt: Darf der das? Geht das noch? Will ich das wirklich sehen? Das ist der Moment, den ich gern in meiner Skulptur bannen und verkörpern möchte. Ich gehe mit etwas um, mit dem man eigentlich nur schwer umgehen kann, und will dafür eine Form finden. Warum, denkst Du, interessieren sich Architekten für Deine Arbeit? Ich bin der kleine, ungezogene Bruder. So einfach ist das. Ich würde denken, dass es vielleicht um Materialien, Oberflächen und solche Sachen geht. Ja, klar. Aber da sind die Architekten fitter als ich. Die Materialien sind ja bei mir häufig verrätselt oder irgendwie in der Oberfläche so bearbeitet, dass man denkt: Ups! Was ist das denn? Da hat die Architektur viel von der Kunst gelernt, und umgekehrt die Kunst viel von der Architektur. Die rostigen Stahlplatten von Serra haben inzwischen auch ihre FassadenEntsprechung. Organische Blob-Formen sind ja auch schon länger architekturfähig. Foster + Partners hat direkt vor unsere Bildhauernasen damals am Royal College of Art in London-Battersea eine gigantische, bewohnbare Niere gesetzt. Gerade biomorphe Formen und Prozesse werden experimentell von einer ganzen Riege neuer Architekten ausgelotet. Da sind die Künstler und Architekten mittlerweile im gleichen Feld unterwegs. Die organisch wachsenden Strukturen von David Benjamin, die Sandhaufen von formless finder oder die kristallinen Strukturen von Aranda/Lasch gehen nicht mehr vom umbauten Raum aus. Die Blöcke aus geschlungenen Linien von Jonas Coersmeier hätte ich gern selbst gemacht. Da entsteht eine direkte Haptik, da brechen monolithische Formen auf. Und das gilt auch für meine Gastgeber dieser Ausstellung: Bevor sich O&O einem modernen Klassizismus zugewandt haben, haben sie in den Sechzigern und Siebzigern als Haus-Rucker-Co selbst mit organischen Formen

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experimentiert. Ein Beispiel ist das Gipsmodell „47. Stadt“. Die Architekten haben am Ende das Privileg, dass sie den städtischen Raum zupflastern können – während ich in deren Hülle zu existieren habe. Würdest Du auch gerne mal ein Haus bauen? Nein. Das soll lieber die Profession der Architekten für mich tun. Deren Arbeitsweise, detailliert planen zu müssen, empfinde ich als Zumutung. Ich liebe mein Amateurgetue. Ich bestehe darauf, dass ich andere Freiheiten habe. Es gibt schon einige Künstler, die Gebäude entworfen haben. Umgesetzt wurden die Entwürfe natürlich dann von Architekten. In London hat Anish Kapoor doch diesen riesigen Turm gebaut. Das ist schon reizvoll. Aber, ich sehe mich nicht darin, Räume zu gestalten. Ich will Objekte, ich will körperliche Präsenzen. Ich mache zwar Raumanalogien, wenn ich in eine Galerie eine Höhle hineinbaue, eine Wand einziehe oder Architekturfragmente hineinsetze. Aber das ist keine funktionsfähige Architektur. Auf der Sparkassen-Baustelle in Bonn konnte ich wieder live mitbekommen, was Bauen auf diesem Niveau praktisch heißt. Das ist so komplex, alleine mit dieser Gebäude- und Klimatechnik. Architektur ist nicht mehr der große Entwurf. Das hat sich total ausdifferenziert, so wie die Kunst auch. Dann steht das Haus endlich und woran wird es beurteilt? Wie die Teppichkanten zueinander stoßen. An den unscheinbaren Details. Das ist das, was man nachher davon noch sieht. Insofern ist Architektur, wenn sie glücklich ist, manchmal auch so wie gute Technik: Man sieht sie gar nicht. Und bei der Kunst würde ich immer das Gegenteil behaupten. Aber in der Architektur gibt es doch auch die Tendenz, Häuser als riesige Skulpturen zu entwerfen. Sie sind sichtbar und heben sich deutlich von ihrer Umgebung ab. Genau, ja. Und gerade die Museumsarchitektur war da der Vorreiter. Beispiel Guggenheim: Das ist eine atemberaubende Raumskulptur. Gut, die Rotunde ist als Museum viel zu klein und nervt mit ihrer Schräge, sie bleibt

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Drei Scheiben (Borderliner), 2018 Installation mit GlasbruchstĂźcken ESG-Glasscheiben je 270 x 200 x 0,7 cm

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auch nach all den Jahren als Raum wirklich imposant. Und selbst mit schlichten Formen kann es entschieden skulptural werden. Das Landesarchiv NRW von O&O ist ein ausgezeichnetes Beispiel, weil der fensterlose und überdimensionale Turm strikt auf seine plastischen Qualitäten reduziert ist. Die Architekten sind inzwischen noch übergriffiger geworden, weil sie mit Hilfe der Computertechnologie wirklich abgefahrene Formen bauen können. Wenn Du Dir so ein Gebäude anschaust – das sind Skulpturen. Solche Gebäude gehorchen einer skulpturalen Logik, nicht mehr einer Raumlogik. Ich weiß manchmal nicht, wo das Dach und wo die Fassade anfängt. Das aufgelöst zu haben, ist eine große Leistung. Ist das für Dich als Bildhauer ein Problem? Vom Stadtbild her gesehen, sind wir Bildhauer arbeitslos geworden. Das ist der Preis der künstlerischen Autonomie, den wir zahlen. Du musst immer daran denken, im 19. Jahrhundert waren die Städte vollgepflastert mit Skulpturen – Sculpture-Mania. Als die Denkmäler vor den Gebäuden standen und Lord Nelson auf der Säule mitten auf dem Platz, waren es vom Ansatz her funktionierende Stadterzählungen. Und so etwas haben wir kaum mehr. Oder wie in einer mittelalterlichen Stadt, wo über eine Variationsbreite ein bestimmtes organisches Wabern entsteht. Die Architekten leiden darunter, dass ihr Planer-Ehrgeiz oft mehr kaputt als ganz macht und sie allein mit ihren schicken Monolithen nicht mehr dieses reizvolle Flimmern eines Stadtbilds produzieren können. Bildhauer kommen in dieser Erzählung nur noch peripher vor, wir können kaum mehr als Fremdkörper liefern. Wir haben nicht mehr die gleiche Aufgabe wie früher. Stattdessen haben die Architekten diese Erzählung punktuell übernommen – und bauen die Skulpturen sogar gleich mit! Aktuelles Beispiel: Thomas Heatherwicks „Vessel“ am Hudson Yards in New York. Der bessere Aussichtsturm mag etwas prätentiös wirken, aber er gibt dem neu entstehenden Stadtteil am Ende der „High Line“ ein körperlich begehbares Zentrum. Wo das Guggenheim als weißes Kunst-Schneckengehäuse den Blick innen hält, hat man bei dieser wabenförmigen Archiskulptur den Rundumblick nach draußen.

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Markus Brüderlin hat in seiner Ausstellung „ArchiSkulptur“ in der Fondation Beyeler die These vertreten, dass die Architektur die Skulptur gefressen hat. Denkst Du das auch? Ja. Aber pass einmal auf, ob die Architekten das alles verdauen können? Es gibt einen Teil, da kommen sie nicht heran. Wenn ich so eine verbrannte Bude baue, ist das keine Architektur, die man bauen kann. Das ist nichts, was Architekten als nächsten Fassadebehang nutzen können. Sie können es gerne versuchen, aber sie werden trotzdem einen geschlossenen Baukörper bauen müssen. Da bleibt etwas unverdaulich. Natürlich hat die Architektur die Skulptur gefressen, sie hatte aber vorher noch vielvielviel mehr Appetit: Sie hat ganze Städte zerfressen, bis ihr von der eigenen Formensprache der Bauch fast platzte. Da war die Skulptur bloß ein willkommener Nachtisch. Du sagst, skulpturales Formrepertoire hätte eine wichtige Rolle in der Architektur eingenommen. Was sollten Architekten denn noch von Bildhauern übernehmen? Den Blick. Schaut euch doch einmal eure Architektur an wie eine Skulptur. Nämlich vom Boden, als Passant und Betrachter, nicht von der Planung her. Es ist eine komische Erfahrung, wenn 50 Meter lang sich eine Fassade nicht ändert, wenn man daran vorbeigeht. Besser wäre, wenn alle 30 Meter etwas Neues kommt. Das ermöglicht mir Orientierung. Diese Sachen kann man nicht mit dieser top-down Architektenlogik erfassen. Bei der Bildhauerei zählt der Körper-Bezug. Die Wahrnehmung von Skulptur ist eine „user experience“. Auf diese Weise auf einen Hausentwurf zu blicken, kann produktiv sein. So wie Du Architektur wahrnimmst, wundert es mich schon, dass Du kein Haus entwerfen möchtest. Ich kenne so viele Künstler, die davon träumen, mal ein Haus zu bauen. Moment mal. Dazu braucht man wirklich kein Künstler sein. Das Ganze

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Neakis (Surrogate), 2018 Klebeband, Folie, SprĂźhfarbe 95 x 80 x 20 cm

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Bautzi, 2018 Keramik glasiert Serie von 7 Unikaten + II A.P. ø 17 - 22 cm

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heißt Eigenheim. Ganz viele Leute machen das und verschulden sich über beide Ohren. Städtebaulich ist es die Pest in Tüten. Na ja – es muss ja nicht unbedingt schrecklich werden. Es gibt von Kurt W. Forster ein Forschungsprojekt über autobiografische Häuser, dazu gehört z. B. die Villa Malaparte oder das Haus von Charles und Ray Eames. Sie waren keine Architekten und haben trotzdem ihre eigenen Häuser entworfen. Ich frage mich: Warum? Wenn du ein Haus baust, manifestierst du dich – glaube ich – noch einmal anders in der Öffentlichkeit. Sich ein Haus zu bauen, ist eben nicht nur Nestbau. Bewohnbares taugt bestens zu einer veritablen Selbsterhöhung. Dieses arme Ich, das immer bloß kreatürlich und wurmhaft in uns ist – an der Architektur, da kann es seinen Idealen näher kommen; fest und haltbar in Stein gebaut. Ob Glasfassade im internationalen Stil oder das Häkeldecken-Interior, ganz gleich: Häuser vergewissern uns, wer wir eigentlich sein wollen. Sie sind auch eine psychische Behausung. Diese Perspektive macht mir verständlich, dass Künstler darin eine Aufgabe für sich sehen. Klar, ja, es gibt tolle Künstlerhäuser. Ich habe gerade selbst in dem Haus vom Maler Markus Linnenbrink und meiner Galeristin Cindy Rucker in Brooklyn gewohnt. Sie haben für sich ein altes Carriage-Haus entkernt und mit orangen Seecontainern von den Architekten LOT-EK gestalten lassen. Das ist wirklich super gemacht, sicher kein reines Künstlerhaus, aber ein spannendes Upcycling und Neunutzen. Auch ich bin überzeugter Sekundärnutzer. Mein Atelier ist eine alte Schreinerei, in der wir jetzt gerade sitzen. Vergleichbares neu zu bauen, würde mich finanziell ruinieren. Wieso soll ich mir etwas bauen, was es schon gibt und was ich mir so zuschneiden kann, wie ich es haben will? Bei meinen Skulpturen mache ich es ähnlich. Ich nehme Zeug aus der Welt und forme es um. Und genauso mache ich es mit den Häusern auch. Deshalb brauche ich kein neues Haus. Ich löte und brenne mir ein Haus so, dass es passt. Du bist gerade in New York gewesen. Wie findest Du denn die Skyline mit den Hochhäusern dort? Das Stadtbild hat doch etwas sehr Skulpturales.

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Das kommt davon, 2012 Holz verbrannt 6m Ausstellungsansicht „Asche und Gold“ Museum Schloß Moyland

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Immer wieder wow. Nicht nur vom Skulpturalen. Manhattan ist einer der wenigen Orte dieser Welt, wo Hochhäuser wirklich funktionieren. Seit der Antike träumen die Menschen davon, dem Himmel ganz nah zu sein. Inzwischen sind es ja meistens Banken und Versicherungen, die Hochhäuser bauen. Die brauchen das Stehen als Prinzip, weil sie ja nicht stehen. Weil sie ein total riskantes Business sind. Umso wichtiger ist es, seinen Stand zumindest architektonisch zu behaupten. Ein Turm ist halt ein altes Machtsymbol. Ja – zurück zu Deiner Ausstellung. Du zeigst im O&O Depot Türme, die verbrannt sind. Die Ausstellung heißt „walpern“. Es geht um das Feuer als Urgewalt. Warum das Feuer? Wodurch geht die Architektur denn kaputt? Feuer. Das ist der Feind der Architektur. Es ist das, was Gebautes auffrisst. Es ist eine Naturgewalt, die bisher alles kleinbekommen hat. Vielleicht bis auf die Pyramiden. Das stimmt. Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Das Feuer ist die Achillesferse der Architekten. Die Einladungskarte zeigt, wie einer meiner Türme während der Bearbeitung lichterloh in Flammen steht. Das Bild stieß zuerst nicht auf große Begeisterung. Diese Aversion kommt nicht von ungefähr, schließlich komme ich Euch mit dem Feuer. Spöttisch gesehen, holt Ihr Euch den Feind ins eigene Haus. Das Timing der Ausstellung ist abergläubisch gut gesetzt. Am 30. April ist ja die Walpurgisnacht. Diese heidnischen Rituale, die mit dem Feuer Geister austreiben – das hier ist eine verkunstete Version davon. Mit diesen archaischen Momenten sind wir noch längst nicht fertig.

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Gereon Krebber geboren 1973 in Oberhausen, lebt und arbeitet in Köln Studium 2000-2002 Royal College of Art, London, MA Fine Art Sculpture 1995-2000 Kunstakademie Düsseldorf, Prof. Tony Cragg und Prof. Hubert Kiecol Preise (Auswahl) 2013 Limp, Kunst-am-Bau-Wettbewerb, Gesundheitscampus Bochum Aurelio, Kunst-am-Bau-Wettbewerb, Sparkasse KölnBonn, Bonn 2009 Wilhelm-Lehmbruck-Stipendium, Duisburg Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2008 Bremerhaven-Stipendium, Bremerhaven Arbeitsstipendium Kunstfonds, Bonn 2007 Kunstpreis Junger Westen, Recklinghausen Bohne, Kunst-am-Bau-Wettbewerb, Universität Köln Webseite www.gereonkrebber.net

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Einzelausstellungen (Auswahl)

Gruppenausstellungen (Auswahl)

2018 Zirbel, Städtische Galerie Viersen walpern, O&O Depot, Berlin Antimöb, Galerie Christian Lethert, Köln Out of the box, Cindy Rucker Gallery, New York 2016 antagomorph, Museum DKM, Duisburg Antikörper OTC, Museum Folkwang, Essen 2015 Limbic turn, Cindy Rucker Gallery, New York Tagundnachtgleiche, alexanderlevy, Berlin 2013 Hat da nicht gerade was gezuckt, Kunstmuseum Gelsenkirchen hullühollo, alexanderlevy, Berlin Ausrede wird nachgereicht, Keramikmuseum Westerwald 2012 Somatös, Galerie Christian Lethert, Köln Home sweet home, Einraumhaus, Mannheim Contrary data, Cindy Rucker Gallery, New York 2011 Subkutan präfrontal, alexanderlevy, Berlin Comma #37, Bloomberg Space, London Komm her, wenn Du was willst, Kunstverein Kölnberg, Köln Here today, gone tomorrow, Highlanes Gallery, Drogheda, Irland 2010 Azurkomplex, LehmbruckMuseum, Duisburg Alles fließt, manches hakt, Kunstverein Region Heinsberg 2008 Superliminal, Kunstverein Leverkusen Wollte könnte sollte, Kunsthalle Bremerhaven Gereon Krebber, Pawnshop Gallery, Los Angeles Sorrysorrysosorry, Museum Goch Frischzelle_08, Kunstmuseum Stuttgart Droopy, Kunsthaus Essen

2018 Burn it, MMIII Kunstverein Mönchengladbach, Kunstverein Krefeld 2016 5 x 3 2016, Kunstraum Düsseldorf Hidden view, Transit, Stadtraum Offenbach 2014 RuhrKunstSzene, Ruhrkunstmuseen, Museum DKM, Duisburg 2013 Die Bildhauer, Kunstakademie Düsseldorf 1945 – heute, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen K20, Düsseldorf WYSISYG, Kunstverein Bochum 2012 Asche und Gold, MARTa Herford, Museum Schloß Moyland 2011 Abstrakt /// Zeitgenössische Skulptur heute, Georg-Kolbe-Museum, Berlin 2010 Der Westen leuchtet, Kunstmuseum Bonn 2009 Automatic, Auto Italia, London / Pallas Contemporary Projects Dublin, Irland An edge effect, Galerie Robert Drees, Hannover 2008 90 Grad ist hart, Simultanhalle Köln Parkhaus, Kunsthalle Düsseldorf Wanderland, Lustwarande Tilburg, Niederlande Better is something you build, Kevin Kavanagh Gallery, Dublin, Irland 2007 Kunstpreis Junger Westen, Dreizueins, Kunsthalle Recklinghausen

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Ausstellung: Gereon Krebber walpern 26.04.–07.06.2018 Kuratorin: Anne Schloen Katalogredaktion: Laurids Ortner Anne Schloen Fotos: Volker Lennart (S. 6) Marcus Schneider (S. 3, 7-9, 13-15, 18, 19, 22, 23) Manfred Förster (S. 4, 10, 11, 16, 17, 27-30) Gereon Krebber (S. 12, 21, 24, 26, 32) Grafische Gestaltung: Marie Hareiter Courtesy: Galerie Alexander Levy, Berlin www.alexanderlevy.net Druck: Triggermedien, Berlin Auflage: 350 © 2018 O&O Depot

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Leibnizstrasse 60 10629 Berlin Tel: +49 30 28 48 86-42 www.o-o-depot.com




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