zu O&O Baukunst
Sich den diffusen Grenzen des Normalen, des Selbstverständlichen nähern, ohne darin verschlungen zu werden. Eine radikale Absage an alles Gedrechselte, Kopflastige, zu Tode Detaillierte, egomanisch Innovative. Ein Appell an Großzügigkeit, mit Sympathie zum Unfertigen, zum Verschmutzten als Widerpart des Säuberlichen. Mit Brüchen und Gegensätzlichem Begeisterung wecken. Dass sich solche Ungereimtheiten in eine professionelle Praxis einweben lassen, ist die wichtigste Errungenschaft.
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Die Suche nach den Bestandteilen des Alltäglichen, des so genannt Normalen, beschäftigt uns. Das ist der Stoff, aus dem gute Bücher, gute Filme, auch gute Architektur gemacht werden. Es ist der einzig dauerhafte Ansatz. Pragmatisch und geheimnisvoll. Es geht um die Annäherung an unsichtbare Wirkungsweisen, vielleicht Energiefelder. Architektur ist dabei der eigentliche Faktor. Sie kann speichern und fein weitergeben. In guten Fällen wird durch sie dieses Unsichtbare sichtbar.
Wichtig ist, so knapp wie möglich an der Normalität zu bleiben. Suspense kann sich nur aus der geringfügigen Abweichung davon ergeben. Das Eintauchen in eine Schicht, die nur um Nuancen von der vertrauten Realität verschoben ist. Da gibt es dann wirklich Fremdheit, weil die Bilder scheinbar bekannt sind, aber alle bekannte Bedeutung wegkippt.
Diese feine Verschobenheit vermeintlich bekannter Bilder steuern wir mit unseren Bauten an.
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aus O&O
Bauten für europäische Kultur, 2008
das Unfertige planen
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R.D.
Ich bin im Milieu einer Großfamilie groß geworden. Es wurde gestopft, geflickt, aufgetragen, getauscht, gebrauchte Pullover über
Generationen vererbt. Es gab nichts, was weggeschmissen wurde. An Verschwendung war nicht zu denken. Sparsamkeit war Alltag. Heute tauchen diese Erinnerungen wieder auf. C.H.
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Innovation und Reduktion als neue Einheit. Ohne beides wird es nicht gehen. Die Selbstbeschränkung des Einzelnen wird zum Programm werden müssen. Bauen ist der konkrete Schritt in die Zukunft, alles Bauen aber hat von Anbeginn als Vergangenes stand zu halten. F.M.
Architektur kann nicht unscharf gebaut
werden. Aber sie braucht solche
Unfixierbarkeit, um gültig zu bleiben. M.P.
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Urbane Orte brauchen Besonderes, das aus dem Vorhandenen zu entdecken ist. R.D.
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Libelle Museumsquartier Wien, 2021
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mumok Museum Moderner Kunst Museumsquartier Wien, 2001
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Campus Wüstenrot & Württembergische Kornwestheim, 2023
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Daimler Offices
Stuttgart Vaihingen, 2021
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Städtebau beginnt mit der Frage, in welcher Stadt ich leben möchte. Einfache Antwort: in einer Europäischen. Und im besten Fall mittendrin, in einer europäischen Metropole. Alles ist exemplarisch vorhanden, was die Stadt braucht. Ideal einfach der ordnende Block, der großzügig das private Geschehen vom öffentlichen Leben trennt. Und ebenerdig das pulsierende Stadtgeschoss mit all den Angeboten, die es braucht. Dass diese wesentlichen Grundsätze der Stadt schon seit Langem gültig sind, kann nicht dazu verleiten, sie unter dem Vorwand der Erneuerung als überholt abzutun. Alle Versuche der Moderne haben es nicht geschafft, diese Qualität von Stadtleben annähernd zu erreichen. M.P.
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Urbane Mitte am Gleisdreieck Berlin
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reduziert und rätselhaft - Voraussetzung für Bleibendes
Vor 10 Jahren gefragt
Die große Pyramide und die Sphinx
Wenn es stimmt, dass die richtige Frage schon wesentlicher Teil der Lösung eines Problems ist, dann hätten wir da ein paar Fragen:
- Was kann Architektur besser als andere Medien?
- Wäre unter den 10 bedeutendsten Bauten der Geschichte ein Moderner dabei?
- Was bringt uns weiter in der Architektur, worauf lässt sich aufbauen?
- Sind unsere Erfahrungen mit guter Küche und feiner Kleidung auf Architektur übertragbar?
- Was können Architekten von den Fußballtrainern Jürgen Klopp und Pep Guardiola lernen?
- Wogegen soll Architektur Widerstand leisten?
- Was macht das Modell David Chipperfield so brauchbar?
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aus O&O Jahresheft 2013
Sphinx
„Sphinx: Nennt sich der kleine Bau, in dem die 10 Regeln der Baukunst gezeigt werden.
Sprechen Sie S P H I N X leise aus. Beginnt mit einem warnenden Zischen und endet mit hartem Knall. Es scheint die Situation knapp zu charakterisieren, in der wir stecken. Rätselhaft auch, welche Antworten wir dafür finden. Der Legende nach erdrosselte die Sphinx vorbeikommende Wanderer, die das gestellte Rätsel nicht lösen konnten.
Die 10 Regel der Baukunst verstehen sich als leise Anleitung, mit dem Umbau unseres Lebensraumes behutsamer zu verfahren. Ein bedeutender Anteil aller ökologischer Maßnahmen liegt in ihrer ästhetischen Verträglichkeit.
O&O Baukunst zeigt dazu Beispiele und Überlegungen aus dem eigenen Oeuvre“
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In der Aula der Kunstakademie Düsseldorf am 24.4.2006 von L.O. vorgetragen. Titel damals: 10 Hinweise für bessere Architektur
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(1) Das Vorhandene mit all seinen Verknüpfungen zu achten und nach vorne zu bringen, soll vorderste Verpflichtung sein.
(2) Keine Frage, Erneuerung bedarf ungewohnter Lösungen. Widerstand aber gegen alles Mutwillige, gegen die Verrenkungen der Selbstverwirklichung.
(3) Gemischt soll werden, was sich bewährt hat, gleich welcher Zeit es entspringt: Altes ebenbürtig dem Neuen. Geschichte ist wandelbar.
(4) Ihre Begabung zum Reduzieren macht Künstler zu Verbündeten, im Wust des Bauens das höhere Ziel nicht zu verlieren.
(5) Nichts ist einzuwenden gegen solche Form des ‚Klauens‘. Es ist das Grundmodell kultureller Entwicklung.
(6) Lernen von der cucina povera, wie mit einfachen Zutaten und wenig Aufwand Feinstes hervorgezaubert wird.
(7) Nichts kann Großzügigkeit übertreffen. Sie lässt alles an sich heran. Schafft es Widersprüchliches einzubeziehen, wandelt Scheitern zur zuversichtlichen Erneuerung.
(8) Mit dem Äußeren ist der Verpflichtung gegenüber der Gesamtheit nachzukommen. Im Inneren ist Raum zur ungehemmten eigenen Verwirklichung.
(9) Andeuten, was sich noch verbirgt. Im Allgemeinen bietet dabei das Verschmutzte mehr Möglichkeit als das Säuberliche.
(10) Was bringt möglichst viele dazu, dasselbe Stück als das persönlich genau Passende zu mögen? Darin liegt der Zauber allen Erfolgs.
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Haus-Rucker-Co
1967 Gründung von Haus-Rucker-Co durch Laurids Ortner, Günter Zamp Kelp und Klaus Pinter in Wien
1970 Eröffnung von Studios in Düsseldorf und New York
1971 Eintritt von Manfred Ortner
1987 Eröffnung eigenständiger Architekturbüros durch Laurids
Ortner & Manfred Ortner, und Günter Zamp Kelp
1992 Auflösung von Haus-Rucker-Co
O&O Baukunst
1987 Laurids und Manfred Ortner gründen Ortner Architekten in Düsseldorf. 1990 Ortner & Ortner Baukunst in Wien, 1994 in Berlin, 2006 in Köln.
2011 O&O Baukunst mit den Partnern Laurids Ortner, Manfred Ortner, Roland Duda, Christian Heuchel, Florian Matzker, Markus Penell.
Ausstellung
Baukunstarchiv NRW Dortmund
11. Mai – 25. Juni 2023
Projektleitung
O&O Baukunst
Christian Heuchel
Team Baukunstarchiv
Wolfgang Sonne
Julia Neuhaus
Melina Beierle
Sphinx
Holzbau Staar & Miant
Aufbau Christoph Staar
Film
Skillmill
Max Hareiter
Ute Leonhartsberger
Modellbau
Levi Kiss und Daniel Loor
Portraits von Bauten
M.O.
Kreide auf Papier, 220 x 150 cm
Mit großzügiger Unterstützung von Kvadrat
Publikation
Herausgeber
Baukunstarchiv NRW
O&O Baukunst
Texte
R.D. Roland Duda, C.H. Christian Heuchel, F.M. Florian Matzker, M.P. Markus Penell, nicht signierte Texte L.O.
Redaktion & Gestaltung
Marie Hareiter
Fotos
O&O Baukunst (1, 3, 7–9, 12, 18, 19, 21, 26, 29), Archiv Haus-Rucker-Co (4), Stefan Müller (6, 11), Schnepp Renou (10, 14, 15), Thomas Mayer (13), Rupert Steiner (20), euroluftbild.de/Robert Grahn (22), Jonas Kamm (23, 25, 27), Arnim Kilgus (24), Francis Frith (28)
Druck dierotationsdrucker.de
3.000 Exemplare
© 2023 O&O Baukunst
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zur Baukunst
R. Duda F. Matzker M. Penell C. Heuchel M.O. L.O.
SPHINX 10 Regeln