Ostvision Juli 2015

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518 | JULI 2015

Monatszeitschrift der Christlichen Ostmission

SKRUPELLOSE MENSCHENHÄNDLER IN NEPAL Persönlich Vladimir Samocrainii | Nepal Menschenhändler nutzen die Not aus | Moldawien Den Traum nie aufgegeben | Porträt Esther und Daniel Geissbühler


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ostvision ostvisionjuli 2015

editorial

ostvision

Warum?

wird monatlich herausgegeben von der CHRISTLICHEN OSTMISSION (COM), Worb

Liebe Freunde der Christlichen Ostmission,

Nr. 518: Juli 2015 Jahresabonnement: CHF 15.–

Als am 25. April und nochmals am 12. Mai die Meldung verbreitet wurde, dass sich in Nepal ein verheerendes Erdbeben ereignet hatte, stellte sich bei manchem wohl die Frage «warum?». Ist Nepal nicht schon arm genug, als dass es nun noch mit einer solchen Naturkatastrophe klarkommen muss? Wie viel Leid können die Menschen noch ertragen?

Instinktiv kam mir das Buch Hiob in den Sinn. Immer wieder, wenn ich darin lese, frage ich «warum?». Warum wird den Menschen, die schon wenig haben, noch mehr aufgebürdet?

Als in den Tagen danach Medien meldeten, dass skrupellose Menschenhändler in Nepal nun ganz gezielt junge Männer und Frauen mit vermeintlich guten Arbeitsangeboten locken, nur um sie in die Sklaverei zu treiben, da lautete meine Frage wieder «warum?».

Auch wir von der Christlichen Ostmission bleiben gegenüber Nepal treu. Wir werden unsere Arbeit dort fortsetzen und unseren Beitrag zum Aufbau leisten.

Doch bei allen Fragen ist eines sicher: Gott ist treu! Gott ist auch bei den Seinen in Nepal.

Für Ihre vielfältigen Unterstützungen durch Ihre Gebete, Ihre Spenden und Ihre tatkräftige Hilfe danken wir Ihnen ganz herzlich.

Wie tief sind solche Menschen gesunken, dass sie nicht davor zurückschrecken, diejenigen, die bereits alles verloren haben, auch noch auszubeuten und sich an dem wenigen, das ihnen geblieben ist, scham- Dr. Christian Bock los zu bereichern? Stiftungsratsmitglied

Redaktion: Georges Dubi Adresse: Telefon: Fax: E-Mail: Internet:

Christliche Ostmission Bodengasse 14 3076 Worb BE 031 838 12 12 031 839 63 44 mail@ostmission.ch www.ostmission.ch

Postkonto: Bankkonto:

30-6880-4 Spar + Leihkasse Münsingen, 16 0.264.720.06

Kontrolle der Bücher: Unico Treuhand AG, Burgdorf Spenden sind in allen Kantonen steuer­ abzugsberechtigt. Nähere Auskünfte er­teilt unser Sekretariat. Gehen für ein Projekt mehr Spenden als benötigt ein, werden diese für ähnliche Zwecke ein­gesetzt. Bildquelle: COM Wenn nicht anders vermerkt, haben die abgebildeten Personen keinen Zusammenhang mit den erwähnten Beispielen. Gestaltung: Thomas Martin Druck: Stämpfli AG, Bern Papier: Das Magazin ist auf chlorfrei gebleichtem und FSC-zertifiziertem Papier gedruckt. Geschäftsleitung: Georges Dubi, Missionsleiter Gallus Tannheimer Stephan Schär Stiftungsrat: Mario Brühlmann, Orpund, Präsident Pfr. Thomas Hurni, Leutwil, Vizepräsident Lilo Hadorn, Selzach Pfr. Matthias Schüürmann, Reitnau Christian Bock, Seedorf Thomas Haller, Langenthal Pfr. Jürg Maurer, Hirschthal Beauftragter des Stiftungsrates: Günther Baumann Die Christliche Ostmission hat den Ehrenkodex unter­zeichnet. Das Gütesiegel verpflichtet die Unterzeichner zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Ihrer Spende.

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persönlich

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Vladimir Samocrainii MENSCHEN unterwegs mit uns

Mein Name ist Vladimir. Ich bin 31 Jahre alt und der Älteste von sechs Geschwistern. Meine Kindheit verbrachte ich in einem ein­ fachen Dorf, wo ich auch zur Schule ging und nebenbei auf dem Feld arbeitete. In den 90er Jahren verloren meine Eltern ihre Arbeit und konnten kaum mehr für die Familie aufkom­ men. Als Ältester musste ich mich um meine jüngeren Geschwister kümmern. Ich über­ nahm auch Erziehungsaufgaben, insbeson­ dere als meine Mutter nach der Geburt mei­ nes jüngsten Bruders ihren Arm brach. Ich wurde buchstäblich «ihr Arm». 1998 schloss ich das Gymnasium ab. Meine Eltern hatten leider nicht genügend Geld, um mir ein Studium zu ermöglichen. So blieb ich zuhause und half bei den alltäglichen Din­ gen. Daneben war ich sehr aktiv in der Kir­ che und half bei Jugendanlässen und in Som­ merlagern mit. 2003 kam ein holländischer Praktikant in unsere Kirche. Er unterrich­ tete Englisch und baute im Dorf ein Land­ wirtschaftsprojekt auf. Ich half zwei Jahre bei der Umsetzung mit.

Als wir nach Tintareni zogen, lud mich der Praktikant ein, auch dort mitzuhelfen. So stieg ich in die Teenagerarbeit ein. Später half ich im Tageszentrum für Kinder aus ar­ men Familien mit. So wuchs ich langsam in die Arbeit hinein, die ich heute mit Begeis­ terung tue. Ich betreue Pflegefamilien, die Heimkinder bei sich aufnehmen. Die Arbeit ist sehr herausfordernd und ich bin Gott sehr dankbar, dass er mich immer wieder ausrüs­ tet. Parallel zu meiner Arbeit studiere ich Sozial­ arbeit und Psychologie an der Universität in Chisinau. Dieses Jahr schliesse ich mein Stu­ dium ab. Ich bin verheiratet und wir haben einen zwei­ jährigen Sohn. Im Juli steht die Geburt unse­ res zweiten Kindes an. Wir freuen uns sehr darauf.

So wuchs ich in die Arbeit hinein, die ich heute mit Begeisterung tue.


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NOTFALL NEPAL

MENSCHENHÄNDLER NUTZEN DIE NOT SCHAMLOS AUS Das Erdbeben vom April löste gewaltige Schäden und ­unvorstellbares Leid aus. Während Helfer beim Wiederaufbau anpacken, nutzen Menschenhändler die Situation für ihre Zwecke. Georges Dubi, Missionsleiter

Die Folgen des Erdbebens sind dramatisch: Die nepalesische Regierung schätzt die To­ desopfer auf über 10 000. Mehr als 280 000 Häuser wurden zerstört und 235 000 beschä­ digt. 30 von 75 Distrikten sind betroffen. Skrupellos Menschenhändler nutzen die Lage schamlos aus. Gefährdet sind vor allem Frauen und Kin­ der, die auf der Strasse oder in Notunterkünf­ ten leben. Menschenhändler versprechen ih­ nen das Blaue vom Himmel und bringen sie über die durchlässige Grenze nach Indien. Dort werden die Opfer zur Prostitution ge­ zwungen oder als Sklaven missbraucht. Be­ sonders verwerflich: Manche Menschenhänd­ ler geben sich als Mitarbeiter von Hilfsorga­ nisationen aus! Menschenhandel hat in Nepal Tradition. Weil Armut grassiert, die Arbeitslosigkeit hoch ist und Frauen wenig gelten, haben Händler leich­ tes Spiel. Ein Bericht der nepalesischen Men­ schenrechtskommission aus dem Jahr 2013 listet 29 000 Fälle auf, in denen Menschenhan­ del erfolgte oder versucht wurde. Die Christliche Ostmission arbeitet seit vielen Jahren mit einer lokalen Organisation zusam­ men, die an den Landesgrenzen nach Opfern Ausschau hält. Immer wieder gelingt es, Op­ fer zu identifizieren und zu befreien. Weil die Lage im Moment besonders schlimm ist, hat die Organisation ihre Präsenz an Durch­ gangsstrassen und Grenzposten verstärkt. Dazu hat sie zusätzliches Personal angestellt.


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Viele Gebäude unserer Partnerorganisation wurden beim Erdbeben beschädigt.

Meist sind es ehemalige Opfer von Menschen­ händlern, die diesen schwierigen Dienst ver­ sehen. 10 000 Franken, die Leben retten Die verstärkten Kontrollen bewahren viele Kinder und Frauen vor einem schrecklichen Schicksal. Das zusätzliche Personal wurde an­ gestellt, obschon die Finanzierung nicht ge­ sichert war und die Organisation bereits vor dem Erdbeben finanzielle Schwierigkeiten hatte. Diese haben sich durch das Erdbeben noch verschärft: Das Schulungszentrum der Organisation wurde vollständig zerstört. Die Kosten für zusätzliche Personenkontrol­ len in diesem Jahr belaufen sich auf 10 000 Franken. Die christliche Ostmission hat zu­ gesagt, für diese Kosten aufzukommen.

Nepals Wirtschaft Landwirtschaft und Viehzucht prägen die nepalesische Wirtschaft. 93 Prozent der Bevölkerung leben davon. Dem gebirgigen Binnenland Nepal fehlt die Infrastruktur für eine lebensfähige Industrie. Nur 60 Prozent der Landesfläche sind bewohnbar, nur 17 Prozent landwirtschaftlich nutzbar. Wichtigster Devisenbringer des Landes ist der Tourismus, doch dieser ist nach dem Erdbeben zusammengebrochen. Nachgewiesene Bodenschätze wurden bisher nicht ausgebeutet. Mit einem Bruttoinlandprodukt von 1500 US-Dollar pro Einwohner gehört Nepal zu den ärmsten Ländern der Erde.

Mit zusätzlichen Kontrollen an Grenzposten und Durchgangsstrassen nach Indien können viele Kinder und Frauen vor Menschen­händlern und einem Leben als Prosti­tuierte und Sklaven ­gerettet werden. Dafür werden bis Ende Jahr

10 000 Franken benötigt.

Helfen Sie mit? Herzlichen Dank.


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WIR BAUEN AUF durch Bildung und Gewerbeförderung

DEN TRAUM NIE AUFGEGEBEN MOLDAWIEN Beatrice Käufeler Projektleiterin

Ilies Traum geht in Erfüllung – er darf bei Familie B. bleiben.

Aus einem elenden Zuhause kommt Ilie ins Kinderheim. Nach dessen Schliessung landet er bei seiner Schwes­ter – und verwahrlost wieder. In aller Not krallt sich Ilie an seinen Traum: Er möchte ganz bei der Familie leben, die ihm einst während der Ferien ein Zuhause bot. Als Ilie mit sieben Jahren ins Kinderheim in Drochia kam, war das für ihn eine Ver­ besserung. In seinem Elternhaus war er ver­ wahrlost, hatte kaum etwas zu essen ge­

habt, manchmal die Nächte angekettet in der Hundehütte verbracht. Doch das Kinderheim wurde 2013 geschlossen. Ilie kam für drei Monate in ein Übergangsheim und später zu seiner Schwester, die in schwierigen Verhält­ nissen lebt. Viel lieber wäre Ilie zu der Fami­ lie gezogen, wo er mehrmals die Ferien ver­ bracht und zum ersten Mal Geborgenheit und Liebe erfahren hatte. Familie B. wollte den Jungen aufnehmen, aber die Behörden lehn­ ten dies vehement ab. Doch Gott griff ein – zu einem Zeitpunkt, als es keine Hoffnung mehr gab.


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Familie B. erzählt: «Ilie verbrachte jeweils die Ferien bei uns und wuchs uns richtig ans Herz. Er öffnete sich mehr und mehr und un­ sere Beziehung vertiefte sich. Wir wünschten uns, dass er immer bei uns bleiben könnte. Na­ türlich war es nicht nur einfach. Die schwie­ rigen Verhältnisse in Ilies Herkunftsfamilie und das Waisenhaus haben ihn geprägt. Er reagierte manchmal trotzig und forderte uns heraus. Doch wir empfanden, dass er testen wollte, ob wir ihn wirklich liebten. Er musste sich unserer Liebe ganz sicher sein.

Wir warteten auf Gottes Eingreifen. Als wir hörten, dass er bei seiner Schwes­ ter wohnen sollte, setzten wir alles in Be­ wegung, um dies zu verhindern. Wir wuss­ ten, dass Ilie dort nicht gut aufgehoben sein würde. Doch der Sozialdienst hörte nicht auf uns. Wir suchten Hilfe bei der Mission. Sie ermöglicht Familienplatzierungen und hat uns über viele Jahre betreut. Zudem baten wir Kirchenmitglieder und Freunde, für Ilie zu beten. Wir warteten auf Gottes Eingrei­ fen. Es war schwer, denn wir wussten, dass es Ilie nicht gut ging, dass er für die Schwes­ ter Geld verdienen musste und deshalb nicht zur Schule ging. Manchmal bekam er nicht einmal zu essen. Der Sozialdienst kümmerte sich nicht um ihn. Als wir es kaum mehr zu hoffen wagten, schenkte Gott den Durchbruch. Wir sind so dankbar. Nach anderthalb Jahren hatte Ilie den Mut, wegzurennen und zur Polizei zu ge­ hen. Er wollte nicht mehr zur Schwester zu­ rück, sondern bei uns leben. So kam es, dass der Sozialdienst uns fragte, ob wir Ilie auf­ nehmen würden. Wir sagten sofort zu. Auf diesen Moment hatten wir ja schon so lange gewartet! So schnell wie möglich holten wir Ilie ab. Unser Wiedersehen war sehr bewe­ gend. Wir umarmten uns voller Freude, dass wir jetzt endlich vereint waren. Ilie braucht

uns ganz dringend. Er hat dafür gekämpft, bei uns sein zu dürfen. Wir bitten Gott, dass er uns alles gibt, was wir brauchen, um Ilie in seinem Leben zu begleiten. Gott hat unsere Familie für Ilie bestimmt. Wir wissen um die grosse Verantwortung, die wir haben. Ilie ist aber auch ein grosser Segen für uns. Die Erfahrung zeigt uns, dass man Träume nie aufgeben soll. Gott wird eingrei­ fen, wenn wir nahe bei ihm sind und bei ihm bleiben.» Ilie und Familie B. sind glücklich. Die schmerz­ hafte Wartezeit hat sich gelohnt, der Traum ist wahr geworden. Jetzt darf Ilie bei seiner geliebten Familie bleiben. Nichts kann sie mehr voneinander trennen. Das, was wir mit unseren Platzierungen erreichen wollen, ist gelungen: Heimkinder finden ein Zuhause bei ihren Ferienfamilien. Wir danken allen ganz herzlich, die für Ilies Situation gebetet haben.

Mehrmals verbrachte Ilie die Ferien bei Familie B.


ostvision persönlich

WER IST ...? Freiwillige Chauffeure gesucht – so stand es in einer Beilage zur Ost­ vision im Jahr 2007. Seither bin ich als Pensionierter öfters unter­ wegs zu Sammelstellen, mehrheitlich zusammen mit meiner Frau ­Esther. Oft staunen wir, wenn wir sehen, mit welcher Hingabe Klei­ der und Schuhe gesammelt, überprüft, sortiert und in tadellosem Zu­ stand bereitgestellt werden. Dies ist spürbare Nächstenliebe, welche auch in der Christlichen Ostmission in Worb pulsiert. Es freut uns, ein kleines Glied in einer grossen Kette zu sein und ganz besonders, dass durch die Christliche Ostmission die Botschaft von Jesus Christus, dem Licht der Welt, in viele dunkle Situationen und Leben gebracht werden kann. Esther und Daniel Geissbühler

INFOTAG FRAUEN- UND KINDERHANDEL EHRENAMTLICHE MITARBEITENDE GESUCHT

ANMELDUNG INFORMATIONSTAG

Ich bin interessiert, am Informationstag für ehrenamtliche Mitarbeit gegen Frauen- und Kinder­handel vom 29. August 2015 teil­zu­nehmen.

Der Menschenhandel lebt vom Schweigen. Für die verzweifelten Frauen und Kinder ist es entscheidend, dass andere ihre Stimme erheben und sich für sie einsetzen.

Bitte nehmen Sie mit mir Kontakt auf.

Wir suchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die uns dabei unter­ stützen, ihr persönliches Umfeld sensibilisieren und das Engagement der Christlichen Ostmission bekanntmachen.

Name Vorname

Sind Sie interessiert? Am 29. August 2015 findet ein Informationstag für ehrenamtliche Mitarbeit gegen Frauen- und Kinder­handel statt. Melden Sie sich mit dem Talon für diesen Anlass an. Gerne geben wir Ihnen näher Auskunft: mail@ostmission.ch | 031 838 12 12

Strasse PLZ Ort Telefon E-Mail Talon einsenden an: Christliche Ostmission | Bodengasse 14 | 3076 Worb oder mail@ostmission.ch

Anmeldungen nehmen wir auch über unsere Homepage www.ostmission.ch entgegen.


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