Ostvision - August 2017

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543 | AUGUST 2017

Monatszeitschrift der Christlichen Ostmission

KLEIDER AUS DER SCHWEIZ VERÄNDERN LEBEN Persönlich Vassilij Taska | Indien «Ich will mehr» | Moldawien Kleider aus der Schweiz verändern Leben | Porträt Susanne Lanz-Banz


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ostvision ostvisionaugust 2017

editorial

ostvision

Die Armen werdet ihr immer bei euch haben. Ihr könnt ihnen helfen, wann immer ihr wollt. Markus 14,7a

wird monatlich herausgegeben von der CHRISTLICHEN OSTMISSION (COM), Worb

Nr. 543: August 2017 Jahresabonnement: CHF 15.–

Liebe Missionsfreunde Es ist ein herrlicher Sommertag. Nach einer anstrengenden Woche geniesse ich die Zeit auf dem Balkon bei einer genüsslichen Tasse Kaffee. Meine Gedanken hängen dem Bibeltext aus Markus 14, 3 – 9 nach. Eine Frau salbte Jesus mit kostbarem Öl, als Er in Bethanien im Haus Simons zu Besuch war. Einige der anwesenden Gäste waren der Meinung, die Geste sei reine Verschwendung. Die Frau hätte das Öl besser verkauft und das Geld den Armen gegeben, argumentierten sie. Schliesslich hatte das Öl einen Wert von ungefähr dreihundert Denaren und ein Denar entsprach einem Tageslohn. Mich erstaunt die Reaktion von Jesus. Er lobt die «verschwenderische» Geste der Frau und spricht: Die Armen werdet ihr immer bei euch haben. Ihr könnt ihnen helfen, wann immer ihr wollt. Aber ich werde nicht mehr lange bei euch sein. Der erste Teil dieser Aussage bewegt mich innerlich. Jesus meinte damit sicher nicht, dass wir die Armen vernachlässigen sollen, und er rechtfertigt auch nicht Gleichgültigkeit ihnen gegenüber.

Wenn wir in der Bibel lesen, stellen wir fest, dass die Armut ein zentrales Thema darstellt. Im Alten Testament betonen viele Gesetze die Unterstützung der Armen und Schwachen, der Kranken und der Menschen, die unter harten Lebensumständen und schwierigen politischen Verhältnissen zu leiden haben. Auch das Neue Testament spricht über Armut. Als Christen sind wir aufgefordert, etwas gegen die Armut zu unternehmen. Im Kampf gegen die Armut übernimmt die Christliche Ostmission Verantwortung, indem sie in Notsituationen direkte Hilfe leistet. Das ist möglich, weil Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch Verantwortung übernehmen. Ihre Gebete und Ihre finanzielle Unterstützung ermöglichen der COM, nachhaltig gegen die Armut anzukämpfen. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung und wünsche Ihnen Gottes reichen Segen.

Lilo Hadorn Stiftungsratsmitglied

Redaktion: Georges Dubi, Beatrice Käufeler, Thomas Martin Adresse: Christliche Ostmission Bodengasse 14 3076 Worb BE Telefon: 031 838 12 12 Fax: 031 839 63 44 E-Mail: mail@ostmission.ch Internet: www.ostmission.ch Postkonto: 30-6880-4 Bankkonto: Spar + Leihkasse Münsingen, 16 0.264.720.06 Kontrolle der Bücher: Unico Treuhand AG, Burgdorf Spenden sind in allen Kantonen steuer­ abzugsberechtigt. Nähere Auskünfte er­teilt unser Sekretariat. Gehen für ein Projekt mehr Spenden als benötigt ein, werden diese für ähnliche Zwecke ein­gesetzt. Bildquelle: COM Wenn nicht anders vermerkt, haben die abgebildeten Personen keinen Zusammenhang mit den erwähnten Beispielen. Gestaltung: Thomas Martin Druck: Stämpfli AG, Bern Papier: Das Magazin ist auf chlorfrei gebleichtem und FSC-zertifiziertem Papier gedruckt. Geschäftsleitung: Georges Dubi, Missionsleiter Gallus Tannheimer Stiftungsrat: Mario Brühlmann, Orpund, Präsident Pfr. Thomas Hurni, Madiswil, Vizepräsident Lilo Hadorn, Selzach Pfr. Matthias Schüürmann, Reitnau Thomas Haller, Langenthal Beauftragter des Stiftungsrates: Günther Baumann

Die Christliche Ostmission hat den Ehrenkodex unter­zeichnet. Das Gütesiegel verpflichtet die Unterzeichner zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Ihrer Spende.

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persönlich

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Vassilij Taska Moldawien

MENSCHEN unterwegs mit uns

Mein Name ist Vassilij Taska, ich wurde 1952 in eine kinderreiche Familie geboren. Die Eltern arbeiteten als Bauern in einer Kolchose. Vater war weder belesen noch gebildet, doch er lehrte uns, dass wir alles uns mögliche tun sollten, um Gottes Wort unter den Menschen zu verbreiten. Ausserdem brachte er uns bei, beharrlich zu arbeiten, um dereinst für uns und unsere Familien sorgen zu können.

wir 30 Tonnen Bibeln geladen. Doch dann wurde unser Konvoi gestoppt. Um die beiden anderen Fahrer zu schützen, gab ich Vollgas. Die Polizei verfolgte mich und liess die anderen stehen. Weit kam ich nicht, nach sechs Kilometern stoppten sie mich. Die zwei anderen Lastwagen jedoch konnten weiterfahren und die kostbare Fracht an den vorgesehenen Ort bringen.

Für uns sind die Kleider aus der Schweiz ein grosser Segen. Die Empfänger sind von Herzen dankbar und nicht selten sieht man Tränen in ihren Augen. Ich habe langjährige Erfahrung mit Kleiderspenden aus dem Ausland. Die Kleider aus der Schweiz sind von ausgesucht guter Qualität und erreichen uns exakt gefaltet und sorgfältig verpackt. Das ist einmalig. Viele der Beschenkten können es kaum glauben, dass sie so schöne und gute Kleider bekommen.

Sie versuchten alles, um herauszufinden, woher die Bibeln kamen und vor allem, wer die beiden anderen Lastwagen gefahren hatte. Aber ich sagte nichts, gar nichts. Sie boten mir sogar an, mir mein Haus zurückzugeben, sollte ich die Namen der am Bibeltransport beteiligten Brüder nennen. Gott schenkte mir die Kraft, es nicht zu tun.

Moldawien geht es schlecht, wirtschaftlich, gesellschaftlich und moralisch. Trotzdem bin ich als Christ dankbar dafür, dass wir unseren Glauben heute frei leben können. Ich habe auch ganz andere Zeiten erlebt. Unter den Sowjets wurde mir mein Haus weggenommen, einfach weil ich Christ war. Aus dem gleichen Grund war ich drei Jahre im Gefängnis, ich hatte Bibeln verteilt. Das war während der Olympiade in Moskau. Wir dachten, die Zeit sei günstig, um Bibeln zu transportieren. Auf drei Lastwagen hatten

Heute bin ich für die Kleiderverteilung der Christlichen Ostmission in Moldawien verantwortlich. Ich organisiere, verzolle und entlade die Lastwagen aus der Schweiz. Danach sorge ich dafür, dass die Kleider an die Partner im ganzen Land geliefert werden. Ich bin Gott sehr dankbar für die vielen Missionsfreunde in der Schweiz. Wir möchten unseren verarmten Mitmenschen beistehen und ihnen helfen, die schwere Zeit durchzustehen. Und wir wollen ihnen von Gott erzählen, der nicht nur ihr Leben, sondern das ganze Land verändern kann. Moldawien braucht Veränderung, mit Gott ist sie möglich.


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«ICH WILL MEHR» INDIEN

Mädchen, die schulisch und beruflich gefördert werden, haben einen höheren Stellenwert.

In Bihar, dem ärmsten und rückständigsten Bundesstaat Indiens, haben Mädchen einen geringen Wert. Das ändert sich aber, sobald sie schulisch und beruflich gefördert werden. «Ich hatte Mühe, in der Schule mitzukommen. Dann schlug ein Onkel vor, dass ich nähen lernen solle, in einem christlichen Zentrum werde eine entsprechende Ausbildung angeboten. Ich sagte zu. Während der einjährigen Nähausbildung lernte ich sehr viel, vor allem, wie man Damenkleider herstellt. Am Ende des Jahres bekam ich eine Nähmaschine. Seither mache ich in meinem

Dorf Näharbeiten und bestreite damit meinen Lebensunterhalt. Möglich ist das nur, weil ich eine Nähmaschine als Startkapital geschenkt bekam. Doch ich will mehr: Ich möchte anderen Mädchen im Dorf das Nähen beibringen, damit auch sie etwas verdienen können.» Raj* kommt aus einer einfachen, hinduistischen Familie. Ihr Onkel, der Christ und später Pastor wurde, ist der Familie ein Vorbild. Durch ihn wurden auch Raj und ihre Eltern Christen. Während ihrer Nähausbildung im christlichen Zentrum konnte Raj ihren Glauben vertiefen und sich beruflich entwickeln.


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Für Mädchen in Bihar ist das nicht selbstverständlich. Schon gar nicht, wenn sie auf dem Land aufwachsen. Mädchen haben immer noch einen geringen Stellenwert und werden kaum gefördert. In den letzten zehn Jahren wurden aber etliche Anstrengungen unternommen und die Alphabetisierungsrate ist von 47 auf beinahe 64% gestiegen. Heute kann immerhin jedes zweite Mädchen in Bihar lesen und schreiben. Wertschätzung wächst Für arme Familien sind Mädchen eine gros­se finanzielle Last. Wenn sie heiraten, wird eine hohe Mitgift gefordert, was Familien in den finanziellen Ruin treibt. Aus Angst davor werden viele weibliche Föten abgetrieben. Es passiert auch, dass kleine Mädchen plötzlich verschwinden. Die schulische und berufliche Förderung von Mädchen soll dazu beitragen, dass das immer weniger passiert.

Wenn junge Frauen ein Einkommen erzielen, werden sie für ihre Familien, die davon profitieren, wichtig. Damit steigt auch ihre Achtung in der Gesellschaft und die Chance, dass sie für ihre Rechte einstehen können und gehört werden.

Für arme Familien sind Mädchen eine grosse finanzielle Last. So ist auch im ärmsten und rückständigsten Staat Indiens ein Aufschwung möglich. Dank dem beharrlichen Einsatz unserer Partner haben in den letzten Jahrzehnten Tausende Mädchen und Buben eine Schulbildung und viele Hunderte eine Ausbildung erhalten. Raj ist eine davon.

*Name zum Schutz der Betroffenen geändert

NÄHAUSBILDUNG, DIE LEBEN VERÄNDERT Nähausbildung: Kost und Logis, Lehrmaterial, Betreuung

CHF 325.— Nähmaschine als Startkapital

CHF 75.—

Unseren Partner, das Missionswerk GEMS, unterstützen wir von der Schweiz aus gemeinsam mit der Inter-Mission.


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WIR BAUEN AUF durch Bildung und Gewerbeförderung

«Ich weiss, dass die Kleider von Spendern aus der Schweiz kommen. Für mich aber sind sie ein Geschenk von Gott.» Maria Briu


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MOLDAWIEN

KLEIDER AUS DER SCHWEIZ VERÄNDERN LEBEN Alkoholisierte und gewalttätige Ehemänner sind keine Seltenheit in Moldawien. Auch mein Mann war so. Irgendeinmal wurde es mir zu viel. Zusammen mit meiner Tochter verliess ich ihn. Zur menschlichen Tragödie gesellte sich nun materielle Not. Es war einfach unmöglich, eine Arbeitsstelle zu finden. Kein Ausweg So beschloss ich, als Gastarbeiterin ins Ausland zu gehen. Mit meinen Nachbarn vereinbarte ich, dass meine zwölfjährige Tochter bei ihnen wohnen würde. Es zerriss mir beinahe das Herz, sie zurückzulassen. Sie hat ja niemanden ausser mir und ich habe niemanden ausser ihr. Aber wir mussten irgendwie überleben.

Wir schaffen es Dieses Erlebnis hat mein Leben verändert. Mir wurde klar: Da gibt es etwas, das ich bisher nicht kannte. Ich weiss, dass die Kleider von Spendern aus der Schweiz kommen. Für mich aber sind sie ein Geschenk von Gott. Lange glaubte ich, alleine zu sein, ohne Beistand und ohne Aussicht auf eine Wende zum Guten. Jetzt weiss ich es besser: Ich bin nicht alleine. Gott ist mit mir und meiner Tochter. Er hat mich nicht vergessen, Er steht mir bei und mit Ihm schaffen wir es. Meine Pläne, ins Ausland zu gehen, habe ich begraben. Ich werde meine Tochter nicht verlassen. Maria Briu

«Meine Tochter und ich hatten uns beinahe wie Obdachlose kleiden müssen.»

Viele Bekannte rieten mir davon ab, ins Ausland zu gehen und meine Tochter hier zu lassen. Sie warnten mich vor Ausbeutung und erzählten von Frauen, die von Menschenhändlern zur Prostitution gezwungen wurden. Das alles wusste ich längst, aber was blieb mir übrig? Ein Wunder geschieht Vor einigen Tagen bekam ich einen Anruf von der örtlichen Baptistenkirche. Das Sozialamt habe gemeldet, dass meine Tochter und ich Kleider benötigten, ich solle vorbeikommen. Dieser Anruf hat mein Leben verändert! Der Pastor der Gemeinde nahm Anteil an meiner Not. Er nahm sich viel Zeit für mich und ich konnte ihm alles erzählen. Dann durften wir diese wunderbaren Kleider entgegennehmen. Unglaublich! Meine Tochter und ich hatten uns beinahe wie Obdachlose kleiden müssen und waren deshalb kaum mehr ausser Haus gegangen. Und jetzt das!

Maria Briu sucht in der Kleiderstube Kleider aus.


ostvision porträt

WER IST ...? In der Schule hörte ich von Indien – und das hat mich nie mehr losgelassen. Indien ist wunderschön! Aber mir wurde auch bewusst: Als Mädchen geboren zu werden, ist nicht überall so schön wie hier. Abtreibung, Säuglingsmord oder später von der Schwiegermutter verbrannt werden – das kommt dort vor. An einem Vortrag von Mike Stauffer hörte ich dann zum ersten Mal, dass mit Menschenhandel mehr Geld verdient wird als mit Drogenhandel. Unter anderem auch in meinem geliebten Indien. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich auf dieses fürchterliche Schicksal, auf diese Missstände aufmerksam machen könnte. Als Kosmetikerin gebe ich mein Wissen gerne an andere weiter. In Workshops bei Frauen zuhause (à la Tupperparty) erzähle ich zuerst von meinem ehrenamtlichen Engagement gegen Frauen- und Kinderhandel bei der Ostmission, bevor ich zum Schminkkurs übergehe. Die Teilnehmerinnen können dann einen Betrag zu Gunsten der Projekte gegen Frauen- und Kinderhandel spenden. Ich hoffe, auf diese, meine eigene Weise, noch viele für dieses Thema sensibilisieren zu können. Susanne Lanz-Banz


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