Ostvision - September 2014

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508 | SEPTEMBER 2014

Monats-Zeitschrift der Christlichen Ostmission

400 Tonnen kartoffeln PersĂśnlich Cornelia Kradolfer | Osteuropa 400 Tonnen Kartoffeln fĂźr den Winter Sommerlager Ein Sommer, der Hoffnung bringt | Portrait Rosmarie Stettler


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ostvision ostvisionseptember 2014

editorial

ostvision wird monatlich herausgegeben von der CHRISTLICHEN OSTMISSION (COM), Worb

Liebe Leserin, lieber Leser Etwas vom Wichtigsten für die Arbeit der Christlichen Ostmission, ist das, was die Bibel «Weisheit» nennt. Weisheit ist etwas Anderes als blosse Intelligenz. Es ist die Fähigkeit, in einer Situation Einsicht in den guten und angemessenen Weg zu gewinnen und diesen Weg dann auch zu gehen. Was getan wird, muss zur Situation passen und Gottes guten Werten dienen, weil seine Werte erfülltes Leben ermöglichen. Gott selbst ist weise und hat mit Hilfe der Weisheit die Schöpfung geschaffen. Die Weisheit ist von Ewigkeit her da, weil sie aus Gott selbst stammt. Auf diese Weisheit sind alle angewiesen, die in irgendeiner Art bei der Ost­mission mitwirken. Damit Hilfe Wirkung zeigt, braucht es kreative, den Umständen in den jeweiligen Ländern und der Situation angepasste Konzepte. Auch Veränderungen im Lauf der Zeit gilt es rechtzeitig zu erkennen, damit die Hilfe neuen Umständen angepasst werden kann. Die Bibel beschreibt, wie wir zu Weisheit kommen. In Spr. 8,17 ist zu lesen, wie die Weisheit sagt: «Ich liebe, die mich lieben, und die mich suchen, finden mich.» Wollen wir weise sein, müssen wir also Gottes Weisheit lieben und sie suchen, dann finden wir sie. Darum ist das begleitende Gebet für alle Arbeit so wichtig. Im Gebet suchen wir

Gott und bitten ihn um seine Führung. Gott hat sich als treu erwiesen und, soweit ich beobachten kann, immer wieder rechtzeitig Türen aufgetan und kreative Ideen geschenkt. Damit das auch in Gegenwart und Zukunft so ist, bleiben wir auf Gottes Weisheit angewiesen. Wir danken Ihnen darum für alle Gebete und bitten Sie, unsere Arbeit weiterhin mit Gebet zu begleiten. So tragen Sie dazu bei, dass uns immer rechtzeitig die notwendige Einsicht und gute Gedanken für die Umsetzung in praktische Hilfe für Körper, Seele und Geist geschenkt werden. In dieser Ausgabe lesen Sie Berichte über bewährte Wege, Hilfe zu leisten. Die Kartoffelhilfe ist ein Beispiel, wie der leiblichen Not begegnet werden kann. Die Sommerlager für Kinder in der GUS ihrerseits stillen seelische und geistige Bedürfnisse: Die Kinder erfahren Gemeinschaft und Lebensfreude und werden im Glauben gefördert und gestärkt. Herzlich grüsst Sie

Nr. 508: September 2014 Jahresabonnement: CHF 15.– Redaktion: Georges Dubi Adresse: Telefon: Fax: E-mail: Internet:

Christliche Ostmission Bodengasse 14 3076 Worb BE 031 838 12 12 031 839 63 44 mail@ostmission.ch www.ostmission.ch

Postkonto: Bankkonto:

30-6880-4 Spar + Leihkasse Münsingen, 16 0.264.720.06

Kontrolle der Bücher: Unico Treuhand AG, Burgdorf Spenden sind in allen Kantonen steuer­ abzugsberechtigt. Nähere Auskünfte er­teilt unser Sekretariat. Gehen für ein Projekt mehr Spenden als benötigt ein, werden diese für ähnliche Zwecke ein­gesetzt. Bildquelle: COM Wenn nicht anders vermerkt, haben die abgebildeten Personen keinen Zusammenhang mit den erwähnten Beispielen.

Gestaltung: Thomas Martin Druck: Stämpfli Publikationen AG, Bern Papier: Das Magazin ist auf chlorfrei gebleichtem und FSC-zertifiziertem Papier gedruckt. Geschäftsleitung: Georges Dubi, Missionsleiter Günther Baumann

Thomas Hurni Vizepräsident

Stiftungsrat: Mario Brühlmann, Orpund, Präsident Pfr. Thomas Hurni, Leutwil, Vizepräsident Christian Bock, Seedorf Thomas Haller, Langenthal Pfr. Jürg Maurer, Hirschthal

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persönlich

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Cornelia Kradolfer MENSCHEN unterwegs mit uns

Motorenlärm. Ein Auto hält an, Musik ertönt und ein junger Mann steigt aus. Schwungvoll wuchtet er einen vollen Kleidersack in unsere Sammelkiste, die für solche Zwecke am Strassenrand steht. Spätnachmittags komme ich nach Hause. Vor unserem Eingang türmen sich Säcke, die eine Spenderin in meiner Abwesenheit hier deponiert hat. Gerne räume ich die Kleider und Schuhe in die Garage, um sie bei Gelegenheit in Schachteln zu verpacken. Das Telefon klingelt und reisst mich aus dem Mittagsschlaf. Eine ältere Frau erkundigt sich, wohin die gesammelten Kleider gebracht und wie sie verteilt werden. Im weiteren Gespräch erfahre ich, dass sie in einem Seniorenzentrum arbeitet und Zugang zu leeren Schachteln hat, die sie vorbeibringen könnte...

Dies ein paar Einblicke in den Sammelalltag, wie ich ihn seit einiger Zeit erlebe. Mein Name ist Cornelia Kradolfer. Mit meiner Familie wohne ich in Riedt, einer kleinen Gemeinde im Kanton Thurgau. Im Sommer 2011 wurde ich aufmerksam auf ein Inserat in der Zeitschrift Ostvision. Es wurden Personen gesucht, die bereit waren, eine Kleidersammelstelle aufzumachen. Von der Päckli­ aktion, die wir in unserer Kirchgemeinde regelmässig durchführen, war mir die COM bereits ein Begriff. Aufgewachsen bin ich in Basel, wo ich auch meine Ausbildung zur Primarlehrerin absolvierte. Nach ein paar Jahren Berufserfahrung reiste ich mit Indicamino (damals Schweizer Indianermission) nach Süd­

amerika und kam dort mit Missionsarbeit in Kontakt. Mein Lebensweg führte mich dann in die Ostschweiz, wo ich meinen Mann Thomas kennen lernte. Wir leben auf einem Obstbaubetrieb. Er beschäftigt sich beruflich mit den Apfel- und Birnbäumen, ich bin ­Familienfrau mit je einem Teilzeitjob in einer Sonderschule und in unserer Regional­ bibliothek. Gemeinsam kümmern wir uns um unsere drei Jungs und engagieren uns in der Kinder- und Jugendarbeit unserer Kirchgemeinde.

«Zu wissen, dass die Kleider ankommen, Leid mildern und Freude bereiten, gibt mir Befriedigung.» Der praktische Aspekt des Kleidersammelns motiviert mich immer wieder neu. Zu wissen, dass die Kleider ankommen, Leid mildern und Freude bereiten, gibt mir Befriedigung. Zudem komme ich in Kontakt mit Menschen, die ich sonst vielleicht nie kennen gelernt hätte. Meine Familie wächst ebenfalls in diese Arbeit hinein. Es freut mich sehr, dass mein Mann mich dabei wo immer möglich unterstützt, am meisten, wenn man wieder einmal per Traktorenstapler den Schachtelberg abbauen und zum Abholen in die Lager­halle verschieben muss.


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ostvision

wir helfen direkt in Notsituationen und Katastrophen

Dank Kartoffeln verliert der Winter seinen schrecken Ruth Thomann Projektleiterin

Arme Menschen in Osteuropa fürchten den Winter, denn dann ist ihre Not besonders gross. Dank den Kartoffeln, welche die Christliche Ostmission in den nächsten Wochen verteilt, sehen viele der kalten Jahreszeit etwas getroster entgegen. Die Armut in Moldawien, der Ukraine, Weissrussland und Russland ist gross. Besonders betroffen sind Alte, Behinderte, Kranke und kinderreiche Familien. Unter ihnen verteilt die Christliche Ostmission in den Herbstmonaten insgesamt 400 Tonnen Kartoffeln. Die Hilfe bedeutet den ums Überleben kämpfenden Menschen unendlich viel.

In Osteuropa leben viele Menschen in bitterer Armut.

Olga K., 64 «Ich lebe mit meinem Sohn Ruslan, meiner Tochter Oksana und deren Mann Andrej zusammen. Wir sind alle behindert und haben nur unsere Invalidenrenten. Der Betrag, den wir monatlich zusammen erhalten, entspricht rund 120 Schweizer Franken. Davon müssen wir Medikamente kaufen, die für uns lebensnotwendig sind. Zum Leben bleibt kaum etwas übrig. Wie viele moldawische Familien bangen und kämpfen wir ständig ums Überleben. Der Winter macht uns Angst, weil dann die Lebensmittel noch teurer sind. In einen Laden zu gehen und das Nötigste einzukaufen, ist mit körperlichen ­Strapazen verbunden. Doch um Gemüse oder Kartoffeln


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selbst anzupflanzen, reichen unsere Kräfte nicht aus. Wir danken von ganzem Herzen für die Lebensmittelhilfe. Die Kartoffeln, die wir im Herbst erhalten, helfen uns, dem Winter einigermassen getrost entgegenzublicken. Vielen Dank für die kostbare Hilfe!»

«Kartoffeln im Keller zu haben, bedeutet, dass die Kinder im Winter täglich eine warme Mahlzeit bekommen.» Swjetlana R., 36 «Mein Mann Ivan und ich haben vier Kinder, das jüngste ist jährig, das älteste vierzehn. Ivan hat keine feste Anstellung. Manchmal findet er für einen bis zwei Monate Arbeit, doch das heisst noch nicht, dass er auch bezahlt wird. Mehrmals hat er schon gearbeitet und ist dann leer ausgegangen. Hier auf dem Land gibt es kaum bezahlte Arbeit. Im Herbst

pflücken wir jeweils Walnüsse und verkaufen sie. Das ist ein sicheres Einkommen, aber es reicht nur für ein paar Monate. Wir strampeln und geben unser Äusserstes. Trotzdem kommen wir nicht einmal auf das Existenzminimum. Wenn wir in diesem Jahr wieder Kartoffeln von der Mission erhalten dürften, wäre das für uns eine riesige Erleichterung! Kartoffeln im Keller zu haben, bedeutet: Wir werden über den Winter zu essen haben. Und es bedeutet, dass täglich eine warme Mahlzeit für die Kinder sichergestellt ist. Herzlichen Dank, dass wir mit Ihrer Hilfe rechnen dürfen!» Irine B., 42 «Mein Mann und ich haben zehn Pflege­ kinder. Der Staat stellt uns eine Wohnung zur Verfügung und bezahlt Kindergeld. Aller­ dings reicht dieses bei weitem nicht, um die Ausgaben für die Kinder zu decken. Mein Mann arbeitet, verdient aber nicht viel. Im Sommer dürfen wir zufrieden sein: Die Kinder helfen mit, und wir pflanzen einiges an Gemüse an. Leider ist unser Acker zu klein, um auch Kartoffeln anzubauen. Wir sind sehr dankbar, dass wir im Herbst von der Mission Kartoffeln erhalten. Das ist eine sehr spürbare Unterstützung für unsere Grossfamilie! Es ist unser Wunsch, dass die Kinder bei uns das erfahren, was sie in ihren ersten Lebensjahren schmerzlich vermisst haben: Liebe, Angenommensein und Unterstützung!»

Die Christliche Ostmission verteilt 400 Tonnen Kartoffeln.

Herzlichen Dank für Ihre Hilfe durch den Winter!

Mit 25 Franken verhelfen Sie einer alleinstehenden Person zu 100 Kilogramm Kartoffeln. Mit 95 Franken verhelfen Sie einer Familie zu 400 Kilogramm Kartoffeln.


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wir bauen auf durch Bildung und Gewerbeförderung

Ein Sommer,  der Hoffnung bringt Ruth Thomann Projektleiterin

6’500 Kinder und Jugendliche in Ost­europa haben wunderbare, sorgenfreie Sommertage erlebt. Gott hat die Ferienlager reich gesegnet: Manche Teilnehmer, darunter Straftäter, haben neue Lebensperspektiven gewonnen. Die Ferienlager in Moldawien, Weissrussland, Russland, Rumänien und Zentralasien waren ein voller Erfolg. Die teilnehmenden Kinder haben viele frohe, unvergessliche und lehrreiche Stunden erlebt, Freundschaften geschlossen und Beziehungen mit Betreuungspersonen aufgebaut.

Jevgenij, 18 «Die Mithilfe im Lagerteam war für mich eine Möglichkeit, Gott zu dienen. Er hat die Tür zu den Kinderherzen geöffnet und wir wollen diese nutzen. Mein Ziel und mein Gebet ist es, dass durch die Sommerlager viele Kinder Gott und die neue Hoffnung in Ihm kennen lernen und diese Hoffnung in ihre Familien tragen. Viele Kinder in Moldawien leben in schrecklichen Verhältnissen. Es ist ein Vorrecht, dass Gott uns Möglichkeiten gibt, ihnen zu helfen!»


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Katja, 13 «Das Lagerleben macht riesigen Spass. Es passiert jeden Tag so viel! Heute haben wir nach der biblischen Geschichte eine Stunde lang etwas Gutes getan für jemanden im Dorf. Meine Gruppe ist zu einer 90-jährigen Frau gegangen, die in ihrem Kartoffelacker jätete. Wir haben mitgeholfen und in einer Stunde so viel geschafft, wie die Frau in einem Tag. Das hat Freude gemacht. Am Nachmittag werden wir spielen und ein Konzert hören. Schade, dass morgen die schönsten Tage des Jahres schon vorbei sind!»

Etwas Gutes tun: Katja und ihre Lagergruppe helfen einer alten Frau jäten.

Jugendliche Verbrecher lernen Gott kennen In der Ukraine haben Ljuba Dschumik und ihr Team Lagerwochen für Dorfkinder sowie Tageslager in Jugendgefängnissen durchgeführt. Es war für sie ein ganz besonderer Sommer. Die äusserst schwierige politische und wirtschaftliche Situation verunsichere und verängstige die Menschen, berichtet Ljuba und fügt an: «Sie sind so offen für Gott, wie ich das noch nie erlebt habe.» Von den Jugendgefängnissen erzählt sie: «Gott

«Danke, dass ihr zu uns hoffnungslosen Jungs gekommen seid.» Vitja*, 17

brecher, verändert. Es ist eine besondere Gnade, die Gott der Ukraine in diesen Tagen zuteilwerden lässt!» Lesen Sie, wie ein junger Häftling selbst die Geschehnisse beschreibt: Eduard*, 18 «Seit vier Jahren sitze ich im Jugendgefängnis. Bis vor kurzem war mir nicht bewusst, dass die Tat, wegen der ich hier bin, grausam war. Ich wartete nur auf den Tag meiner Entlassung, um weiterzumachen wie vorher. Ich hatte Pläne: Viele Menschen sollten leiden für die schlechte Kindheit, die ich hatte. Doch plötzlich bist du, Ljuba, mit deinem Team in unserer Welt aufgetaucht. Ihr habt uns erzählt, dass es ein anderes Leben gibt. Hätte ich nicht eure Offenheit und Fürsorge und eure Liebe zu uns gesehen und gefühlt, ich hätte das nicht für möglich gehalten. Die fünf Tage, die ihr mit uns verbracht habt, waren die wunderbarsten in meinem ganzen Leben. Es waren überhaupt die einzigen guten Tage. Vielen Dank für die Bibel, die ich bekommen habe. Ich werde viel darin lesen und über die Dinge nachdenken, die Ihr uns erklärt habt. Ich freue mich, dass Ihr bald wieder­ kommt!» *Name geändert

hat spür- und sichtbar gewirkt. Viele Insassen durften erfahren, dass Gott ihnen einen Neuanfang und ein neues Leben schenkt, wenn sie sich Ihm anvertrauen. Gefängnisleitungen und Mitarbeiter haben miterlebt, wie sich die Gesinnung der jungen Menschen, unter ihnen Mörder und Schwerver-

Ljuba Dschumik und ihr Team bringen Gefangenen Freude und Hoffnung.


ostvision persönlich

WER IST...? Seit 6 Jahren arbeite ich als Ehrenamtliche bei der Christlichen Ostmission in Worb. Auf einem Sonntagsspaziergang traf ich einen guten Bekannten. In einem interessanten Gespräch erzählte er mir, wie er bei der Christlichen Ostmission Kleider erlese und verpacke. Ich war so beeindruckt, dass ich ihm schon zehn Tage später beim Kleidersortieren half. Es macht mir Freude, als Helferin für benachteiligte und arme Menschen etwas Gutes zu tun. Ich erlebe auch viele gute Begegnungen mit Menschen, welche Kleider bringen. Manchmal sind sie auch traurig und da sind tröstende Worte und ein bisschen Zeit wichtig. Ich hoffe, dass ich noch lange als Helferin tätig sein kann. Selber bin ich Mutter von vier Kindern und 6-faches Grosi. Die kleine 2 ½-jährige Larissa hüte ich jeden Freitag und geniesse es sehr. Daneben bewirtschaften mein Mann und ich einen schönen Blumenund Gemüsegarten. Rosmarie Stettler

Die drei Säulen der COM

wir helfen direkt in Notsituationen und Katastrophen

wir bauen auf durch Bildung und Gewerbeförderung

wir schützen vor Frauen- und Kinderhandel


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