Ostvision - September 2017

544 | SEPTEMBER 2017

Monatszeitschrift der Christlichen Ostmission

500 TONNEN KARTOFFELN FÜR DEN WINTER Persönlich Anna Belev | Osteuropa Kartoffeln: Überlebenshilfe für die Ärmsten | Moldawien Zwei Mal in der gleichen Falle | Sommerlager Herzlichen Dank!

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editorial

ostvision

Ein Tropfen auf einen heissen Stein?

wird monatlich herausgegeben von der CHRISTLICHEN OSTMISSION (COM), Worb

Liebe Missionsfreunde In Gesprächen höre ich immer wieder, die Tätigkeit von Hilfswerken wie der Christli­ chen Ostmission sei doch ein Tropfen auf einen heissen Stein. Das Elend nehme mit dem vielen Geld, das ausgegeben werde, nicht ab. Im Gegenteil, man mache die Men­ schen eher abhängig und träge. Manche meiner Gesprächspartner denken, dass es wahrscheinlich besser wäre, man über­ liesse die Menschen ihrem Schicksal.

Was würden Sie solchen Gesprächspart­ nern antworten? Sind es herzlose und lieb­ lose Menschen? Oder spüren sie gewisse Wahrheiten und getrauen sich, diese zu äussern? Vielleicht haben sie nicht ganz Unrecht. Wenn Sie Statistiken analysieren, können Sie feststellen, dass kaum ein kla­ rer Zusammenhang zwischen Hilfsgeldern und der Abnahme der Armut nachgewie­ sen werden kann.

So lohnt es sich, über diese Fakten nach­ zudenken. Eine rein finanzielle Unterstüt­ zung kann offensichtlich zu enttäuschen­ den Resultaten führen. Verkennen wir mit rein finanzieller Hilfe nicht die Natur des Men­ schen? Braucht es nicht Antriebskräfte, die dazu führen, dass Menschen ihr Potenzial erkennen und dass Kreativität und Verant­ wortungsbewusstsein zum Lösen von Pro­ blemen freigesetzt werden? Die Christliche Ostmission ist überzeugt, dass die Situation in vielen Ländern ohne freigesetzte innere Antriebskräfte von einzelnen Menschen recht hoffnungslos aussehen würde.

schaffen wurden, dargestellt? Ist er als Schöpfer dieser Welt nicht extrem krea­ tiv? Ist er den Menschen nicht zugeneigt und liebt sie? Ist er nicht als gerechter Gott beschrieben? Sind in seinen Augen nicht alle Menschen gleichwertig? Lässt er den Menschen nicht sehr viel Freiheit? Über­ trägt er den Menschen nicht sehr viel Ver­ antwortung und schenkt ihnen Fähigkei­ ten und Vernunft? Hat Gott nicht all das in uns Menschen hineingelegt, wenn die Bibel sagt, er habe uns nach seinem Bild geschaffen?

Die Hilfe der Christlichen Ostmission ori­ entiert sich an diesem Menschenbild und setzt beim einzelnen Menschen an. Sie ist bestrebt, mit ihrem Einfluss Fähigkeiten, die in die Menschen hineingelegt wurden, freizusetzen und Dinge in Gang zu bringen.

Immer wieder stellen wir dankbar fest: Er­ kennen Menschen ihr Potenzial und ihre Verantwortung Gott gegenüber, verdampft die Hilfe nicht wie ein Tropfen auf einem heissen Stein, sondern langfristige Pro­ zesse werden ausgelöst. Da geschehen im Leben Einzelner und in der Gesellschaft nachhaltige, positive Veränderungen, die wir dem Wirken Gottes zuschreiben.

Einfluss zu gewinnen, verlangt von der Christ­ lichen Ostmission immer wieder Ausdauer und grosses Engagement. Da sind wir sehr dankbar für Ihr Mitdenken, Ihre Ermutigung und Ihre Unterstützung. Wir freuen uns sehr, wenn Sie zusammen mit uns ein Teil dieser Hilfe sind und an unseren Herausforderun­ gen und den Ergebnissen, wie wir sie in unserer Zeitschrift beschreiben, teilhaben.

Wie hat denn Gott den Menschen geschaf­ fen? Was war seine schöpferische Idee?

Im ersten Buch Mose, Vers 27, steht: «Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.» Wie wird nun der Gott, Günther Baumann nach dessen Bild wir gemäss Bibel ge­ Beauftragter des Stiftungsrates

Nr. 544: September 2017 Jahresabonnement: CHF 15.– Redaktion: Georges Dubi, Beatrice

Käufeler, Thomas Martin Adresse: Christliche Ostmission

Bodengasse 14

3076 Worb BE Telefon: 031 838 12 12 Fax: 031 839 63 44 E-Mail: mail@ostmission.ch Internet: www.ostmission.ch Postkonto: 30-6880-4 Bankkonto: Spar + Leihkasse Münsingen,

16 0.264.720.06 Kontrolle der Bücher: Unico Treuhand AG, Burgdorf Spenden sind in allen Kantonen steuer­ abzugsberechtigt. Nähere Auskünfte er­teilt unser Sekretariat. Gehen für ein Projekt mehr Spenden als benötigt ein, werden diese für ähnliche Zwecke ein­gesetzt.

Bildquelle: COM Wenn nicht anders vermerkt, haben die abgebildeten Personen keinen Zusammenhang mit den erwähnten Beispielen.

Gestaltung: Thomas Martin Druck: Stämpfli AG, Bern Papier: Das Magazin ist auf chlorfrei gebleichtem und FSC-zertifiziertem Papier gedruckt.

Geschäftsleitung: Georges Dubi, Missionsleiter Gallus Tannheimer Stiftungsrat: Mario Brühlmann, Orpund, Präsident Pfr. Thomas Hurni, Madiswil, Vizepräsident Lilo Hadorn, Selzach Pfr. Matthias Schüürmann, Reitnau Thomas Haller, Langenthal Beauftragter des Stiftungsrates: Günther Baumann

Die Christliche Ostmission hat den Ehrenkodex unter­zeichnet. Das Gütesiegel verpflichtet die Unterzeichner zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Ihrer Spende.

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persönlich

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Anna Belev Moldawien

MENSCHEN unterwegs mit uns

Mein Name ist Anna Belev, ich wurde in der Stadt Chisinau geboren und bin hier auch aufgewachsen. Mein Leben war so wie das der meisten Menschen in der ehemaligen Sowjetunion. Ich arbeitete als Fahrstuhlfahrerin. Es war meine Aufgabe, die Fahrstühle zu pflegen und den Menschen zu helfen, die nicht selbstständig ein- und aussteigen konnten. Die Arbeit machte mir Freude und so übte ich den Beruf 15 Jahre lang aus.

Dann geschah etwas ganz Aussergewöhnliches im Sowjetalltag: Ich lernte Gott kennen und wurde Christin. Ich trat der Baptistengemeinde «Istochnik Shizni» (Quelle des Lebens) bei, begann im Chor zu singen und mich auch sonst in der Gemeinde zu engagieren. Gott beschenkte mich mit einem lieben Mann und drei wunderbaren Kindern, die nun bereits erwachsen sind.

Nach dem Zerfall der UdSSR mussten wir schauen, wie wir über die Runden kamen.

Meine Kinder und mein Schwiegersohn fingen an, Bienen zu züchten und Honig zu verkaufen. Bis heute ist dies unser Haupteinkommen. Allerdings reicht es nicht aus, um die ganze Familie zu ernähren. Beide Söhne müssen im Ausland arbeiten.

Vor über 10 Jahren wurde mein Ehemann von Gott heimgerufen. Seither bin ich alleine mit meiner Tochter und meinem Schwiegersohn. Im Gebet bat ich Gott, mir eine Arbeit zu geben, bei der ich Menschen von Ihm erzählen kann. Dann kam Seine Antwort: Die

Brüder der Baptistenkirche boten mir an, in der Kleiderstube zu arbeiten. Meine Freude kannte keine Grenzen! Natürlich nahm ich das Angebot sofort an.

«Die Tätigkeit in der Kleiderstube ist nicht nur einfach eine Arbeit, es ist eine riesige Möglichkeit und Berufung.»

Die Tätigkeit in der Kleiderstube ist nicht nur einfach eine Arbeit, es ist eine riesige Möglichkeit und Berufung. Wir Mitarbeiterinnen nehmen uns Zeit, mit den Menschen zu sprechen und auf ihre Nöte einzugehen. Die ganz Bedürftigen und Obdachlosen erhalten sogar ein warmes Mittagessen.

Möge der Herrgott alle Menschen in der Schweiz, die mit Spenden und Kleidersammeln unsere Aktion ermöglichen, segnen! Es kommen Menschen zu uns, die kein Geld haben, um Kleider zu kaufen. Ich sehe ihre Tränen und strahlenden Gesichter, wenn sie in der Kleiderstube Wertschätzung erleben und neuen Mut erhalten.

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500 TONNEN KARTOFFELN ÜBERLEBENSHILFE FÜR DIE ÄRMSTEN

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500 TONNEN KARTOFFELN FÜR DEN WINTER Auch wenn sie jede Münze zweimal umdrehen: Das kümmerliche Einkommen vieler Menschen in Osteuropa reicht einfach nicht.

Geben sie das Geld fürs Essen aus, bleibt nichts übrig fürs Heizen. Brauchen sie Medikamente, können sie sich keine warmen Kleider leisten. Es ist zum Verzweifeln.

«Diesen Winter werden wir nicht hungern und frieren.»

Die Christliche Ostmission hilft. Noch bevor der Winter einbricht, will sie in Moldawien, Weissrussland, Russland und der Ukraine 500 Tonnen Kartoffeln verteilen. Und Kohle zum Heizen.

Sie tut dies zusammen mit Sozialämtern und Kirchgemeinden vor Ort. Das gibt Gewähr, dass die Hilfe die Bedürftigsten erreicht: kinderreiche Familien, Alleinerziehende, Behinderte und Betagte.

TUN SIE ETWAS GUTES!

25.– 100 kg

Mit 25 Franken verhelfen Sie einer alleinstehenden Person zu 100 Kilogramm Kartoffeln.

95.– 400 kg

Mit 95 Franken verhelfen Sie einer Familie zu 400 Kilogramm Kartoffeln.

VIELEN HERZLICHEN DANK!

Christina und ihr Mann haben vier Kinder. Er arbei­ tet als Tagelöhner auf dem Bau, sie in einer Kleider­ fabrik. Zusammen verdienen sie um die 80 Euro im Monat.

Mit ihnen lebt auch Christinas betagte Mutter, die regelmässig Medikamente braucht. Und da ist der ältere Sohn, der aufgrund eines Geburtsfehlers schon drei Operationen hinter sich hat. Ihr Einkommen deckt nur gerade die Ausgaben für Wasser, Strom und Medikamente. Fürs Essen bleibt kaum etwas übrig und an Anschaffungen wie Kleider, Schuhe oder Kohle zum Heizen ist gar nicht erst zu denken.

Weil die Familie in den letzten Wintern Holz auf Kredit kaufte, stand sie schliesslich vor einem Schuldenberg. «Immer, wenn ich an den Winter dachte, kamen mir Tränen der Verzweiflung», erzählt Christina. Dann kam Hilfe in Form von Kartoffeln und Heizkohle von der Mission. «Es war für uns ein Wunder!»

Die geschenkte Kohle und die Kartoffeln gaben der Familie Sicherheit. «Nun bin ich ruhig», erzählte Christina, «denn ich weiss, dass wir im kommenden Winter nicht hungern und frieren werden. Vielen Dank für die grosse Hilfe!»

Christina und viele andere Menschen in Not hoffen, dass die Mission ihnen auch dieses Jahr hilft, den Winter zu überstehen.

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ostvision WIR SCHÜTZEN vor Frauen- und Kinderhandel

ZWEI MAL IN DER GLEICHEN FALLE MOLDAWIEN

Wer einmal in die Falle von Menschenhändlern getappt ist, dem passiert das nie wieder – würde man meinen. Die Wirklichkeit sieht leider anders aus.

Manche Personen geraten mehrmals im Leben in die Fänge von Menschenhändlern.

Das Risiko ist besonders hoch, wenn sie nach dem ersten Mal mit ihrem Schmerz allein bleiben und keine Hilfe bekommen.

Wenn noch materielle Not sowie Hoffnungsund Perspektivenlosigkeit dazukommen, ist die Gefährdung umso grösser. Marinas Geschichte ist typisch.

«Ich wurde in einer kleinen Stadt im Süden Moldawiens geboren. Meine Mutter war Alkoholikerin, sie starb früh. Ich lebte mit ihren Geschwistern und meinem Vater zusammen. Er hatte für mich aber kaum Zeit. Ständig brachte er neue Frauen nach Hause. Mit den Tanten und dem Onkel hatte ich es gut.

Mir fehlten aber die Liebe und die Aufmerksamkeit meines Vaters.

Hoffnungs- und Perspektivenlosigkeit treiben viele Frauen ins Ausland.

2010 ging ich nach Russland, wo ich als Hauswartin arbeitete. Nach einem Jahr kam ich zurück. Ich war im achten Monat schwanger.

Vater war nicht erfreut, aber er erlaubte mir, das Kind auszutragen und bei ihm zu wohnen. Leider kam es immer wieder zu Spannungen. Eine Freundin riet mir: ‹Geh doch wieder nach Russland. Dann bist du die Probleme los und verdienst etwas.› Ich vertraute ihr. Als ich mit dem Bus in Moskau ankam, wurde ich von einem Mann namens Nikolay abgeholt. Ohne Umschweife brachte er mich zu einer Wohnung, wo noch andere junge Frauen waren. ‹Du gehörst nun mir›, sagte er.

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‹Von jetzt an musst du alle Männer sexuell bedienen, die ich dir bringe.› Dann nahm er mir meine Dokumente weg.

Von einem Albtraum zum andern Ein Jahr dauerte es, bis ich fliehen konnte.

Eine Behörde half mir, nach Moldawien zurückzukehren. Wieder lebte ich bei meinem Vater. Ich war aufgewühlt, konnte aber niemandem erzählen, was passiert war. Es war zu schmerzhaft und ich schämte mich so!

Die Beziehung zu meinem Vater verschlechterte sich zunehmend. Nach zwei Jahren hielt ich es nicht mehr aus und zog zu einer Freundin. Dort lernte ich Dimitrij kennen. Bald entwickelte sich eine Beziehung zwischen uns. Irgendwie fand er heraus, dass ich mich in Russland prostituiert hatte. ‹Ich zahle dir 500 Dollar monatlich, wenn Du für mich arbeitest›, sagte er. Da ich nicht wusste, wovon ich sonst leben sollte, liess ich mich auf das Angebot ein. Ich reiste nach Russland, an den Ort, wo ich bereits früher gedemütigt und gequält worden war.

Und dann stand Nikolay vor mir! Ich war entsetzt. Er packte mich und noch brutaler als vorher zwang er mich zur Prostitution. Dass Dimitrij mit ihm zusammenarbeitete und mich in die Falle lockte, hätte ich nie vermutet. Verzweifelt versuchte ich zu fliehen. Zwei Wochen später war ein Freier so betrunken, dass er einschlief. Ich rannte, so schnell ich konnte. Doch wohin? Ich wusste es nicht.

«Noch brutaler als vorher zwang er mich zur Prostitution.»

Ich lebte auf der Strasse und bettelte. Nachts schlief ich in Bahnhöfen. Irgendwann landete ich in St. Petersburg, wo Mitarbeiter einer Behörde mich fanden. Sie brachten mich in ein Schutzhaus für Migranten. Vier Monate später wurde ich nach Moldawien zurückgeschickt. Beamte der Flughafenpolizei erkannten, dass ich dem Menschenhandel zum Opfer gefallen war. Sie brachten mich in ein Schutzhaus.»

Kreative Gruppentherapie im Schutzhaus unseres Partners in Moldawien

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SOMMERLAGER

HERZLICHEN DANK! Dank grosszügigen Spenden aus der Schweiz haben diesen Sommer über 8000 Kinder in Osteuropa und Zentralasien an Ferienlagern teilnehmen können. Sie haben unbeschwerte Tage erlebt, gut gegessen, miteinander gespielt und von Gott gehört. Das hat vielen die Tür zu einem neuen Leben geöffnet. Wo immer möglich begleiten lokale Kirchgemeinden die Kinder auch nach dem Ferienlager.

«Ich bin zum ersten Mal im Sommerlager. Es gefällt mir sehr gut. Obschon ich in einem Kinderheim lebe und meine Mutter im Gefängnis ist, weil sie jemanden umgebracht hat, verspottet mich hier niemand. Niemand sagt, dass ich deshalb wertlos sei. Im Gegenteil: Hier lieben mich alle, sind freundlich und hilfsbereit. Es gefällt mir sehr, dass man uns zu singen und zu beten lehrt und dass wir Verse aus der Bibel lernen. Ich danke Gott und allen Menschen, die dazu beigetragen haben, dass das möglich ist. Bitte helfen Sie mit, dass das Lager auch nächstes Jahr wieder stattfinden kann.» Mariana, 8 (Name geändert)