Ostvision - November 2014

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510 | NOVEMER 2014

Monats-Zeitschrift der Christlichen Ostmission

Winterhilfe Not lindern und Hoffnung schenken | Ukraine Wir haben alles verloren Moldawien Brennpunkt Zentralasien | Afghanistan Shaida wurde mit 13 verheiratet


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ostvision ostvisionnovember 2014

editorial

ostvision

Sorgt für Recht und Gerechtigkeit! Helft den Menschen, die beraubt und unterdrückt werden. Jeremia 22,3a

wird monatlich herausgegeben von der CHRISTLICHEN OSTMISSION (COM), Worb

Nr. 510: November 2014 Jahresabonnement: CHF 15.–

Wie viel ist der Mensch wert?

Redaktion: Georges Dubi

Es gibt sie noch, die Sklaverei – auch im 21. Jahrhundert! 27 Millionen Menschen sollen weltweit betroffen sein. Die meisten werden zu Sklavenarbeit, zum Betteln oder zur Prostitution gezwungen. Viele werden wie Vieh verkauft – manchmal für wenige Franken!

Das ist ein Privileg! Wir sind berufen, weil wir so wertvoll sind und Gott uns die Vollmacht dazu gibt! Wenn wir diesem Ruf folgen, werden wir mit Gottes Kraft viel bewegen können. Die Opfer haben keine Stimme, doch sie harren auf Befreiung und Erlösung.

Wie viel ist der Mensch wert? Was ist seine Identität? Das sind Fragen, die nach einer Antwort verlangen. In der Bibel lesen wir, dass Gott uns als sein Ebenbild geschaffen hat, zu seiner Ehre. Er hat uns Menschen höchste Würde verliehen. Alle Schätze dieser Welt genügen nicht, um den Wert eines Menschen aufzuwiegen. Und das Schönste ist: Nichts und niemand kann uns diese Würde nehmen! Auch nicht Menschen, die unsere Würde zertreten.

Die Christliche Ostmission setzt sich seit vielen Jahren für gefährdete und ausgebeutete Menschen in Osteuropa und Asien ein. In Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen wurden in den letzten Jahren viele Opfer aus ihrer Zwangssituation befreit und Gefährdete vor Ausbeutung bewahrt. Tausende wurden in ihrem Aufarbeitungsprozess begleitet und haben dank beruflichem Integrationsprogramm im Leben wieder Tritt fassen können. Heute dürfen sie in Würde und mit einer Zukunftsperspektive leben.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Diese Wahrheit ist es, die unser Leben, unsere Identität und unser Handeln bestimmen soll. Gott ruft uns dazu auf, uns für Menschen einzusetzen, deren Würde zertreten wird.

Adresse: Telefon: Fax: E-mail: Internet:

Christliche Ostmission Bodengasse 14 3076 Worb BE 031 838 12 12 031 839 63 44 mail@ostmission.ch www.ostmission.ch

Postkonto: Bankkonto:

30-6880-4 Spar + Leihkasse Münsingen, 16 0.264.720.06

Kontrolle der Bücher: Unico Treuhand AG, Burgdorf Spenden sind in allen Kantonen steuer­ abzugsberechtigt. Nähere Auskünfte er­teilt unser Sekretariat. Gehen für ein Projekt mehr Spenden als benötigt ein, werden diese für ähnliche Zwecke ein­gesetzt. Bildquellen: COM, Hagar International Wenn nicht anders vermerkt, haben die abgebildeten Personen keinen Zusammenhang mit den erwähnten Beispielen.

Gestaltung: Thomas Martin Druck: Stämpfli Publikationen AG, Bern Papier: Das Magazin ist auf chlorfrei gebleichtem und FSC-zertifiziertem Papier gedruckt.

Beatrice Käufeler Projektleiterin Frauen- und Kinderhandel

Geschäftsleitung: Georges Dubi, Missionsleiter Günther Baumann Stiftungsrat: Mario Brühlmann, Orpund, Präsident Pfr. Thomas Hurni, Leutwil, Vizepräsident Christian Bock, Seedorf Thomas Haller, Langenthal Pfr. Jürg Maurer, Hirschthal

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persönlich

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Peter Kulcsar MENSCHEN unterwegs mit uns

Mein Name ist Peter Kulcsar. Ich wurde 1986 in Oradea in Rumänien geboren. Ich fühle mich sehr gesegnet, weil ich in einer christ­ lichen Familie aufwachsen durfte. Schon in meiner frühesten Kindheit wurde der Glaube an Gott in mein Herz eingepflanzt. Mit 14 Jah­ ren, während eines Sommerlagers, entschied ich mich für Jesus Christus. Diese Entschei­ dung hat mein Leben verändert und mich mit Freude und Frieden erfüllt. Ich fühle mich im Glauben geführt, begleitet und bewahrt. Nach dem Gymnasium studierte ich an der Emanuel-Universität in Oradea und schloss mit einem Master in Management ab. Danach begann ich meine Tätigkeit bei ROMCOM, der Organisation für Gewerbeförderung in Rumänien, welche die Christliche Ostmission gegründet hat. Ich betreue Ausbildungs- und Beratungsprojekte. Dabei habe ich sehr viel lernen können. Die Zusammenarbeit mit Schweizer Partnern hat meine Entwicklung als Manager und Berater sehr positiv beeinflusst. Ich habe wesentliche Lebensgrundsätze entdeckt und

«Als hoch qualifizierte Fach­ kraft Jesus Christus in der Geschäftswelt vertreten.» sehr viel zum Thema Unternehmens­ethik gelernt. Viele unserer Kunden schätzen das rumänisch-schweizerische Wissen und die Werte, die wir ihnen in unseren ­Seminaren weitergeben. Sie lernen, dass Ethik und Werte

eine solide Grundlage für ihre Geschäftsführung sind und ihnen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Meine Vision: Ich möchte als hoch qualifizierte Fachkraft Jesus Christus in der Geschäftswelt vertreten. Auch möchte ich Leute im Glauben begleiten und anderen aufzeigen, wie sie zu Gott finden. Vor über 10 Jahren wurde ich berufen, unter Jugendlichen zu arbeiten. Ich bin Leiter der örtlichen Jugendgruppe und aktiv im Jugendverband der rumänischen Baptistenunion. In Sommercamps, Konferenzen und Konzerten erleben wir, wie Gott Grosses tut. Über 1500 Jugendliche aus verschiedensten Kirchen haben an der diesjährigen Jugendkonferenz teilgenommen. Es ist unser Traum und unser Anliegen, Teil einer Erweckung hier in Rumänien zu sein. In diesem Jahr habe ich eine neue Herausforderung annehmen dürfen. Die Christliche Ostmission hat Comunia, ihren missionarisch-humanitären Arbeitszweig, in rumänische Hände gegeben und sich aus dem Vorstand zurückgezogen. Noch unterstützt sie Comunia finanziell, doch es ist das Ziel, die finanziellen Mittel künftig in Rumänien zu generieren. Ich wurde als Präsident von Comunia gewählt, was ich als grosses Vorrecht und als Chance sehe. Das Engagement der Christlichen Ostmission in Rumänien hat vieles bewirkt und ist ein grosser Segen. Die vielen missionarischen Aktivitäten und die grosse Aufbauarbeit in der Gewerbeförderung haben nachhaltige Spuren hinterlassen.


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WIR HELFEN DIREKT in Notsituationen und Katastrophen

NOT LINDERN UND HOFFNUNG SCHENKEN

E DÜ FÜ R B

STEUR O N I RFTIGE

OPA

Viele Menschen in Osteuropa fürchten sich vor der kalten Winterzeit.

Ruth Thomann Projektleiterin

Die wirtschaftliche und politische Situation in Osteuropa hat sich in den letzten Monaten verschärft, sie wird für immer mehr Menschen zur Bedrohung. Besonders alleinstehen­ de Rentnerinnen und Rentner, Be­ hinderte und allein­erziehende Müt­ ter fürchten sich noch mehr als sonst vor der kalten Winter­zeit.

Die Winterhilfe der Christlichen Ostmission ist in dieser unsicheren Zeit wichtiger denn je. Sie stellt eine äusserst geschätzte materi­ elle Hilfe und auch eine grosse moralische Unterstützung dar. Wie jedes Jahr besteht die Hilfe aus Lebensmittelpaketen und Kohle zum Heizen. Die Hilfsgüter werden vor Ort eingekauft und in Zusammenarbeit mit loka­ len Partnern verteilt.


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Natalia und ihr Ehemann Nikolaj leben mit ih­ ren beiden Kindern Igor (12) und ­K ristina (8) in einem Dorf im Norden Moldawiens. Natalia: «Mein Mann hat den einzigen Ar­ beitsplatz in unserem Dorf. Er hütet Vieh. Da­ für bekommt er umgerechnet rund 70 Fran­ ken im Monat. Im Ausland Arbeit zu finden, haben wir einfach nicht geschafft. Wir wuss­ ten nicht, wohin und zu wem wir fahren soll­ ten. Und ich hätte niemanden, dem ich die Kinder überlassen könnte. Wir haben eine Kuh; sie gibt ein paar Liter Milch pro Tag. Da­ von kann ich auch Quark machen. Das ist der ganze Luxus, den meine Kinder kennen. Ich sagte oft zu meinem Mann, dass wir keine Chance mehr haben. Kein Mensch auf dieser Welt braucht uns.

Als eines Tages Leute von der Mission vor der Tür standen, sah ich zuerst nur das P ­ aket mit Lebensmitteln. Ich konnte es nicht glauben: Noch nie war jemand mit einer solchen Hilfe zu uns gekommen! Ich begann sofort zu rech­ nen und stellte fest, dass zwei Monate war­ mes Essen für unsere Kinder sicher­gestellt war. Ich konnte nur noch weinen. In unse­ rer hoffnungslosen Lage und in meiner Angst vor dem Winter haben fremde Menschen aus der Schweiz an uns gedacht! ­Wassilij von der Mission hat uns gesagt, dass wir im Spät­ herbst auch Heizmaterial erhalten. Gott hat uns nicht vergessen!

«Dank euch haben wir wieder Zuversicht und Mut, die kommenden Tage zu bewältigen!» Herzlichen Dank an die Menschen, die uns so reich beschenken. Dank euch haben wir wieder Zuversicht und Mut, die kommenden Tage zu bewältigen!»

Der dreijährige Kolja lebt mit seiner Mutter Marina und den beiden älteren Geschwistern auf dem Land. Mutter Marina kann nicht ar­ beiten. Die Familie lebt von einer Minimal­ rente von knapp 30 Schweizer Franken. Dank der gespendeten Heizkohle werden sie im Winter eine warme Stube haben.

Kosten für Lebensmittel • für Familien CHF 120.– • für alleinstehende Rentner CHF 45.– Kosten für Heizkohle 1 Tonne für Familien und Alleinstehende

CHF 270.–

Vielen herzlichen Dank für alle Gaben!


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WIR HELFEN DIREKT in Notsituationen und Katastrophen

«WIR HABEN ALLES VERLOREN!» UKRAINE

Ruth Thomann Projektleiterin

Bisher hat der Krieg in der Ost­ ukraine über 250’000 Menschen in die Flucht getrieben. Manche sind nach Russland geflohen, andere in Gebiete der Ukraine, die vom Krieg nicht direkt betroffen sind. Ein Kof­ fer mit dem Nötigsten ist alles, was sie mitnehmen konnten. Die Stadt Saporoshje liegt rund 100 km west­ lich des Kriegsgebiets um Donjezk. Hier kom­ men täglich bis zu 300 Vertriebene an. Die Stadtverwaltung ist völlig überfordert. Sie hat Unterkünfte bereitgestellt, zum Beispiel in ehemaligen Studentenheimen und aus­ gedienten Schulen. Doch diese sind längst überfüllt. Viele Familien nehmen Vertrie­ bene bei sich in ihren sowieso schon engen Wohnungen auf.

Die christlichen Gemeinden vor Ort helfen, wo sie nur können. Sie stellen Gebäude zur Verfügung, die sie sonst für Kinderlager brauchen. Um Vertriebene sowie Menschen, die in den Kriegsgebieten geblieben sind, ver­ sorgen zu können, haben sie einen Verein ge­ gründet. Das «Stadt-Hilfszentrum», so heisst der Verein, ist bereits bestens bekannt. Es gibt Lebensmittelpakete, Kartoffeln, Hygie­ neartikel und Kleider ab. Täglich stehen viele hilfesuchende Menschen an. Der Gefahr entkommen Die 35-jährige Natascha ist vor wenigen Wo­ chen mit ihrem Ehemann und den zwei Kin­ dern geflohen. Sie erzählt: «Wir kamen eher zufällig nach Saporoshje, wir kennen hier niemanden. Bekannte wollten hierhin kom­ men, weil es relativ nah unserer Heimat ist.


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Verpflegung kann sie nicht aufkommen. Von der städtischen Migrationsbehörde haben wir erfahren, dass sie momentan nicht helfen könne, weil die Vorräte aufgebraucht seien. Aber Beamte gaben mir die Adresse des ‹Stadt-Hilfszentrums›. Dort habe ich mehr be­ kommen, als ich zu hoffen gewagt hatte: ein grosses Lebensmittelpaket und Kindernah­ rung für meinen Jüngsten. Tatjana vom Zen­ trum hat sich Zeit genommen, um mit mir zu sprechen. Sie hat mir so viel Mut gemacht. Und sie hat mich sogar schon in unserem mo­ mentanen Zuhause besucht. Ich bin einfach nur dankbar und überwäl­ tigt! Ich möchte unsere Dankbarkeit und unsere herzlichen Grüsse all den mir unbe­ kannten Menschen senden, die mithelfen, dass wir hier in der fremden Stadt so wohl­ wollend aufgenommen, versorgt und betreut werden!»

Die Christliche Ostmission unterstützt die Arbeit des «Stadt-Hilfszentrums» mit 12 Tonnen Lebensmitteln pro Monat, Kartoffeln, Kleidern und Schuhen. Die Zerstörung in der Ostukraine ist gross.

«Ich habe mehr bekommen, als ich zu hoffen gewagt hatte!»

Unser Haus wurde zerstört, wir können dort nicht überwintern. Ich hätte nie gedacht, dass uns in der Ukraine so etwas passieren könnte. Mein Mann hatte eine gute Stelle und ich arbeitete ebenfalls teilzeitlich. Wir hatten alles, was wir brauchten, und konn­ ten uns noch etwas dazu leisten. Nun haben wir innerhalb kürzester Zeit alles verloren: unsere Arbeit, unser Haus, unser ganzes Hab und Gut. Mehrere Verwandte sind im Krieg umgekommen. Wir konnten es nicht mehr verantworten, unsere Kinder diesen Gefah­ ren auszusetzen. Es war ein Albtraum! Obdach bei Fremden In Saporoshje hat uns eine fremde Familie aufgenommen. Sie hat selber kaum genug zum Leben und hat uns doch ein kleines Zim­ mer zur Verfügung gestellt. Aber für unsere

Die behelfsmässigen Unterkünfte in leer stehenden Studentenheimen sind eng und nicht für den Winter geeignet. Es gibt oft keine Heizungen.

Das Team des «Stadt-Hilfs­ zentrums» besteht aus Mitgliedern christlicher Gemeinden der Stadt Saporoshje.


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WIR BAUEN AUF durch Bildung und Gewerbeförderung

MOLDAWIEN

BRENNPUNKT ZENTRALASIEN

Gallus Tannheimer Projektleiter

Die Universität Divitia Gratiae (UDG) in Moldawien bildet Pastoren, Sozi­ alarbeiter, Seelsorger und seit Kur­ zem auch Unternehmer aus. Viele Studierende kommen aus Zentral­ asien und arbeiten nach der Ausbil­ dung segensreich in ihrer Heimat. Mihai Malancea, Rektor der Univer­ sität, gibt Auskunft über Aufgaben und Herausforderungen.

Mihai Malancea, Rektor der Universität Divitia Gratiae in Chisinau, Modawien

Was beschäftigt Sie aktuell an der Universität? Wir wollen die vier bestehenden Ausbildungs­ zweige weiterentwickeln, doch die Platzver­ hältnisse sind sehr eng. Darum bauen wir ein Forschungszentrum. Wir haben erkannt, dass wir zur Entwicklung der Universität mehr forschen und publizieren müssen.

Die Universität engagiert sich stark in Zentral­asien. Wie sah die Kirche dort früher aus? Es gibt kaum Publikationen über die Ge­ schichte der Region aus christlicher Perspek­ tive. Hier sehen wir unseren Forschungsauf­ trag. Wir wissen, dass es vom 3. Jahrhundert bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts eine starke Kirche gab. Wir wissen aber nicht, wer die Kirchen gegründet und aufgebaut hat. Doch sie waren da. Diese Kirchen hat­ ten interessante Strukturen, die auf Wachs­ tum angelegt waren. Wie geht es den Christen in Zentralasien heute? Immer wieder erfahren wir, dass Christen in Zentralasien verfolgt werden. Hier stellen wir eine Parallele zum Neuen Testament fest.


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Die Kirche war auch damals verfolgt. Die Be­ richte aus Zentralasien zeigen aber: Verfol­ gung war und ist kein Hindernis für die Ent­ wicklung der Kirche, sondern geradezu das Modell, wie sich die Botschaft von J­esus verbreitet. Ich treffe viele Leute aus Zen­ tralasien. Wenn ich sie nach Gebetsanliegen frage, sagen sie in der Tat nie: «Bitte betet, dass die Verfolgung aufhört.» Sondern? «Bitte betet, dass Gott uns in der Verfolgung bevollmächtigt.» Dies ist das Geheimnis. Wie steht es um die Anerkennung der Kirchen in Zentralasien? Wir sollten uns für die Anerkennung der Kir­ chen in Zentralasien einsetzen. Ziel ist, dass sie auf nationaler Ebene öffentlich anerkannt werden. Dies erfordert den Einsatz der welt­ weiten Christenheit. Die Behörden in Zentral­ asien wollen die christlichen Kirchen nicht als juristische Personen anerkennen, obwohl dies verfassungsmässig garantiert ist. Denn sie sagen: Ein Moslem kann nicht Christ wer­ den. Wenn jemand versucht, eine Kirche zu registrieren, sieht er sich mit einer unüber­ windbaren Bürokratie konfrontiert. Warum ist die Anerkennung der Kirchen so wichtig? Unsere Erfahrung aus der Geschichte ist: Wenn die Kirchen und Organisationen nicht anerkannt werden, verschwinden sie. Was sind momentan Ihre Herausforderungen? Als Mitarbeiter und Leiter der Universität sind wir auf allen Ebenen gefordert und aus­ gelastet. Oft bleibt wenig Zeit zur Weiterbil­ dung, zum Forschen und Schreiben. Wir Do­ zenten werden durch Reisen und Konferen­ zen stark beansprucht. Weiter benötigen wir mehr Geld für die Ent­ wicklung der Universität, insbesondere für ein Bauprojekt. Wir brauchen dringend mehr Zimmer für Studenten. Schon jetzt ist der Platz hier auf dem Gelände äusserst eng und

wir können die Unterkünfte nur betreiben, weil wir jeweils eine Sondergenehmigung erhalten. Darum möchten wir ein Wohn­ heim für Studenten bauen. Noch ist aber die Finanzierung nicht gesichert. Welche künftigen Schritte sehen Sie als Leiter der Universität? Wir wollen die junge Generation ausbilden, das Forschungszentrum ausbauen und auch weiterführende Ausbildungen ermöglichen. Im Bereich Gewerbeförderung zum Beispiel merken wir, dass die Ausbreitung des Evan­ geliums auf verschiedene Weise geschieht. Wo Arbeitslosigkeit herrscht, können christ­ liche Unternehmer Stellen schaffen. Es ist faszinierend, diese Kombination von Theo­ logie und Gewerbeförderung zu erleben. Wir sind sehr dankbar für die Unterstüt­ zung der Missionsfreunde aus der Schweiz, welche die jahrelange Zusammenarbeit mit der Christlichen Ostmission möglich macht. Dies hilft uns in den verschiedenen Heraus­ forderungen und besonders beim Erreichen von Muslimen in Zentralasien mit der Guten Nachricht. Herzlichen Dank!

Die Studierenden bilden sich für den Dienst in ihren Heimatländern weiter.

«Bitte betet, dass Gott uns in der Verfolgung bevollmächtigt.»

Das neue Forschungszentrum im Bau.


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WIR SCHÜTZEN vor Frauen- und Kinderhandel

SHAIDA AFGHANISTAN WURDE MIT 13 VERHEIRATET Georges Dubi Missionsleiter

Selbst wenn Opfer von Menschen­ handel fliehen können oder befreit werden, ist nicht einfach alles wie­ der gut. Innere und äussere Verlet­ zungen heilen nur langsam und mit fachkundiger Unterstützung. Opfer auf dem Weg zurück ins Leben zu unterstützen, ist ein wichtiges Ele­ ment im Kampf, den die Christliche Ostmission gegen den Frauen- und Kinderhandel führt. Viele afghanische Mädchen werden bereits im Kindesalter verheiratet. Was folgt, ist meist ein äusserst brutaler Ehemann. Das Le­ ben der Mädchen ist von da an geprägt von Gewalt und Unterdrückung durch den Mann wie auch durch dessen Familie. Nur wenigen gelingt die Flucht, kaum eines kann gerettet werden. Shaida* ist ein Beispiel unter vielen. Doch anders als ihre Leidensgenossinnen hat sie es geschafft zu entkommen. Sie lebt nun im Schutzhaus unserer Partnerorganisation in Kabul. Sie erzählt: «Als ich 13 war, befahl mir mein Vater, einen 45-jährigen Mann zu heira­ ten. Ich war überhaupt nicht einverstanden, aber Widerstand war zwecklos. Mein künfti­ ger Ehemann bot meiner Familie einen gu­ ten Brautpreis.

Mädchen und Frauen in Afghanistan haben kein gutes Leben.

Die Ehe war schrecklich, so schrecklich, dass ich nach einem Jahr beschloss, nach Hause zurückzukehren. Als ich dort ankam, war


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mein Vater ausser sich vor Wut. Er schrie mich an, verprügelte mich heftig und forderte mich auf, sofort zu meinem Mann zurückzu­ kehren. Doch die Misshandlungen meines Va­ ters waren weniger schlimm als das, was ich von meinem Ehemann und seiner Familie er­ dulden musste. Als mein Vater einsah, dass ich nicht zu mei­ nem Mann zurückkehren würde, begann er, im Garten ein grosses Loch zu graben. Erst als er mir befahl, in dieses Loch zu steigen, begriff ich, was er vorhatte: Er wollte mich lebendig begraben! Er warf mich ins Loch und begann, es zuzuschaufeln. Ich schrie, so laut ich konnte. Ein Nachbar hörte mich und kam zu Hilfe. Er konnte schliesslich verhin­ dern, dass mein Vater sein Vorhaben zu Ende führen konnte. Mir war klar, dass nicht nur mein Ehemann mich umbringen wollte, sondern auch mein Vater. Ich konnte flüchten und fand in ei­ nem Tierheim Unterschlupf. Dort war ich si­ cher vor den Übergriffen der beiden Män­ ner und ihrer Familien. Die schrecklichen Erlebnisse jedoch verfolgten mich Tag und Nacht. Ich hatte schwere Depressionen und böse Träume. Wenn ich nachts aufwachte, fühlte ich den Geschmack von Erde in mei­ nem Mund. Die Erinnerung an das Loch, in dem mein Vater mich begraben wollte, ver­ folgte mich.

ich gegen meine Depressionen, bin wütend und habe gesundheitliche Probleme. Aber die Mitarbeiterinnen der Mission helfen mir und ich spüre, dass es mir immer besser geht.

«Ich spüre erstmals Hoffnung für meine Zukunft.» Was meine Zukunft angeht, möchte ich Kos­ metikerin werden. Ich besuche den Ausbil­ dungskurs der Mission. Morgens bin ich im­ mer die erste im Klassenzimmer. Ich freue mich, lesen und schreiben zu lernen. Meine Vergangenheit lastet immer noch auf mir und meine psychischen Probleme sind noch nicht überwunden. Aber ich spüre et­ was, das ich bisher nie gekannt und gespürt habe: Hoffnung für meine Zukunft!» *Name aus Schutzgründen geändert

«Er wollte mich lebendig begraben!» Ich versuchte, bei der Polizei Anzeige zu er­ statten, doch diese interessierte sich nicht für meine Geschichte. Ich brauchte aber drin­ gend Hilfe. So beschloss ich, nach Kabul zu gehen. Dort gelangte ich schliesslich zum Schutzhaus der Mission. Ich bin sehr dank­ bar, jetzt hier leben zu dürfen. Noch kämpfe

Vielen Mädchen wird der Schulbesuch verweigert.


ostvision persönlich

WER IST...? Nach meiner Pensionierung Anfang 2000 fragte mich Hans-Jörg Denzler, der damals bei der COM auch für die Transporte verantwortlich war, ob ich Interesse hätte, als Fahrer innerhalb der Schweiz mitzuarbeiten. Ich sagte gerne zu, war ich doch vorher beruflich oft in weiten Teilen der Schweiz tätig und freute mich, auch weiterhin unterwegs sein zu können. Dazu war ich gerne für einen guten Zweck auf christlicher Grundlage tätig. Bei den vielen Transporten lernte ich interessante Leute kennen, die mit viel Engagement Kleider für Hilfsbedürftige in Ostländern bereit machen. Seit einiger Zeit fahren wir meistens zu zweit, was eine grosse Hilfe ist, sowohl beim Auf- und Abladen wie auch unterwegs, wo sich vielfach gute Gespräche ergeben. Ich hoffe, diese sinnvolle und bereichernde Tätigkeit noch einige Zeit ausführen zu können, bin aber auch froh, nicht mehr jede Woche zu fahren, da wir jetzt eine grössere Anzahl Fahrer sind als am Anfang meiner «Fahrerzeit». Ich und meine Frau Maja, die jeweils bei der Weihnachtspäckliaktion auch mithilft, wohnen in Boll, also praktisch vor der Haustür der COM. Wir sind Mitglieder der Landeskirche und singen mit im Kirchenchor Vechigen. Peter Siegenthaler

DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR.

DIE DREI SÄULEN DER COM

WIR HELFEN DIREKT in Notsituationen und Katastrophen

WIR BAUEN AUF durch Bildung und Gewerbeförderung

WIR SCHÜTZEN vor Frauen- und Kinderhandel


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