523 | DEZEMBER 2015
Monatszeitschrift der Christlichen Ostmission
DER ARMUT ENTKOMMEN, DANK EINER KUH Moldawien Die Herausforderung annehmen | Kuhbank Der Armut entkommen, dank einer Kuh | Frauen- und Kinderhandel Verkauft, um zu tรถten
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ostvision ostvisiondezember 2015
editorial
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Seid gewiss: Der Herr tröstet die Zionsstadt, aus den Trümmern lässt er sie neu erstehen. Das verwüstete Land macht er zu einem Paradies; es wird blühen und fruchtbar sein wie der Garten Eden. Freude und Jubel werden dort erschallen und ihr werdet eurem Gott Danklieder singen. Jesaja 51,3
wird monatlich herausgegeben von der CHRISTLICHEN OSTMISSION (COM), Worb
Nr. 523: Dezember 2015 Jahresabonnement: CHF 15.– Redaktion: Georges Dubi
Der Traum vom Paradies Liebe Leserin, lieber Leser Heute habe ich für ein paar Stunden das viele Elend, worüber wir in der Zeitschrift Ostvision immer wieder berichten müssen, vergessen. Ein Kurzurlaub mit meiner Frau im Berner Oberland hat das möglich gemacht. Schon der Name unseres Hotels war vielversprechend: Hotel Eden. Eine Fahrt mit zwei Elektrofahrrädern durch das herbstliche Oberland versetzte uns in eine unvorstellbar schöne, heile Welt. Bei stahlblauem Himmel leuchteten die braunen, gelben und roten Herbstblätter wie Edelsteine im Sonnenlicht. Die saftig grünen Wiesen, die mit Blumen geschmückten Bauernhäuser und die idyllischen Bächlein entlang unserer Route verzauberten und begeisterten uns und liessen uns staunen. Könnte so das Paradies aussehen? Oder noch schöner?
Gedanken über die Kraft Gottes, die alles verändert, über die Schönheit seiner Werke, über die Liebe zu seinen Geschöpfen und über seine Trauer über die gefallene Welt schenken Trost und Zuversicht – gerade in Zeiten voller Leid und Hoffnungslosigkeit. Mit Ihrer treuen Unterstützung tun wir als Christliche Ostmission alles, was in unserer Macht steht, um vielen Menschen in Not zu helfen. In dieser Zeitschrift lesen Sie, wie wir helfen und was die Hilfe bei den Betroffenen bewirkt. Als Christen können wir aber viel mehr, als materielle Hilfe bieten. Jesus Christus lädt ein zu einem erfüllten, ewigen Leben. In seiner Gemeinschaft. Im Paradies – einem Ort, wo Freude und Jubel erschallen. In der Gemeinschaft mit ihm haben wir Anteil an seinem Wirken schon auf dieser Erde. In dunklen und hellen Tagen. Das ist die wahrhaftige Weihnachtsbotschaft.
Gott hat uns an diesem Tag einen winzig kleinen Einblick in seine herrliche Schöpfungskraft gegeben. Manchmal tut es gut, uns durch solche Gedanken trösten und stärken zu lassen. Schon im Buch Jesaia In Christus verbunden, lesen wir, wie Gott sein Volk tröstete, als es sich in grosser (selbst verschuldeter) Not befand. Gott ist der einzige, der solche Hoffnung zusprechen kann. Der Garten Eden war Realität. Das Paradies ist Mario Brühlmann Realität. Gott hat es für Menschen ge- Präsident schaffen, die ihn ehrlich suchen und das Rettungsangebot von Jesu Christus annehmen.
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Die Christliche Ostmission hat den Ehrenkodex unterzeichnet. Das Gütesiegel verpflichtet die Unterzeichner zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Ihrer Spende.
persönlich
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Mihail Chisari MENSCHEN unterwegs mit uns
Mitten in den Zusammenbruch der Sowjetunion hinein wurde ich 1991 im Norden von Moldawien geboren. Meine Eltern wollten mir eine bessere Zukunft ermöglichen und arbeiteten deshalb in Russland. Ich wuchs bei den Grosseltern auf, meine Eltern sah ich nur etwa einmal im Jahr. Als ich elf war, starb mein Vater. Schon vorher hatte ich unter der Situation gelitten, nun sank mein Selbstwertgefühl noch tiefer. Ich traute mir nichts mehr zu.
«Ich leide mit meinem Land angesichts der Situation der Kinder in den Dörfern.» Erst als Jugendlicher lernte ich bei uns im Dorf Christen kennen. Die christliche Jugendgruppe wurde für mich zum Familienersatz, ich lernte dort viel übers Leben. Nach einem Unfall entschied ich mich für ein Leben mit Gott. Darauf vertiefte ich den Kontakt zur christlichen Gemeinde und investierte meine Freizeit in Gemeindeaktivitäten: Ich half in Kinderlagern mit und engagierte mich in der Jugendgruppe. Nach einiger Zeit wurde ich deren Leiter. Gefördert durch den Pfarrer begann ich auch zu predigen.
Zwei Jahre später wurde klar, dass ich eine theologische Ausbildung machen sollte. Zum Studium zog ich nach Chisinau. Meine erste Arbeit nach dem Abschluss bestand darin, Jugendliche über Themen wie Menschenhandel und Sucht aufzuklären. Im Kontakt mit Oberstufenschülern, Lehrpersonen und Eltern hatte ich unzählige Möglichkeiten, Wege zu einem gelingenden Leben aufzuzeigen. Im Lauf der Zeit bekam ich den Eindruck, dass mein Weg weiterführen würde. So sah ich meine Wahl zum Geschäftsführer von «Wir Kinder von Moldawien» als Bestätigung. Ich leide mit meinem Land angesichts der Situation der Kinder in den Dörfern. Gerade die Schwächsten sind stark gefährdet, durch Sucht oder verführerische Arbeitsangebote noch weiter ins Elend zu fallen. Ich bin begeistert über die Möglichkeit, ihnen mit dem neuen Projekt eine Hand entgegenstrecken und entscheidende Impulse geben zu können, damit sich ihr Leben zum Besseren wendet. Und ich freue mich darauf, lokale Kirchen zu motivieren und zu schulen, damit sie Tagesstrukturen für gefährdete Kinder aufbauen und sie altersgerecht betreuen können. Dort sollen die Kinder nicht nur gesundes Essen, sondern eine Stärkung fürs Leben erhalten. Jesus’ Ermutigung, dass jenen, die an ihn glauben, nichts unmöglich ist, motiviert mich immer wieder. Das möchte ich den Kindern gerne weitergeben.
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WIR KINDER VON MOLDAWIEN
DIE HERAUSFORDERUNG ANNEHMEN
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Georges Dubi Missionsleiter
In Moldawien gibt es 250 000 Sozial waisen. Es sind verwahrloste Kinder, die nicht genug zu essen und wenig zum Anziehen haben. Ihre Lebens umstände sind schrecklich, ihre Zu kunft hoffnungslos. Dies zu ändern, ist das Ziel des Projekts «Wir Kinder von Moldawien». Im ärmsten Land Europas gibt es vor allem in ländlichen Gebieten kaum Arbeit. Wer eine Stelle hat, wird sehr schlecht bezahlt. Zwei von fünf Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter haben das Land verlassen, die Menschen werden immer ärmer. Elend und Alkohol prägen die Gesellschaft. Darunter leiden vor allem die Kinder: Viele wachsen schutzlos und auf sich alleine gestellt auf. Es gibt eine Chance Ist es möglich, das Schicksal dieser Kinder zum Guten zu wenden? Die Aufgabe ist riesig und nach menschlichem Ermessen nicht zu bewältigen. Doch gerade hier liegt die grosse Chance. Wenn wir ganz auf Gott vertrauen und alle Kräfte mobilisieren, kann das Projekt gelingen. Gefragt sind die lokalen Kirchgemeinden, die den Kindern ihre Türen öffnen und ihnen einen sicheren Ort bieten, wo sie sich aufhalten können, ein Mittagessen und Zuwendung erhalten. Ebenso wichtig sind Christen aus dem Westen, die das Projekt mit Gebeten und Gaben begleiten und unterstützen. «Wir Kinder von Moldawien» schafft keine einseitigen Abhängigkeiten. Das Projekt gelingt, wenn alle gemeinsam einen aussergewöhnlichen Einsatz leisten. Es ist eine grosse Chance für die 250 000 Sozialwaisen, für die moldawische Kirche und die moldawische Gesellschaft. Sascha und seine Brüder Saschas Mutter Lora interessiert sich nicht für ihre drei Kinder. Sie war erst 16, als Sascha geboren wurde. Wer die Väter ihrer Kinder sind, weiss sie nicht. Alkohol und Männer sind Loras Lebensinhalt.
Sascha und seinen Brüdern geht es sehr schlecht. Sie bekommen nicht genug zu essen, sind ungepflegt, haben kaum Kleider und Schuhe. Während eines Schulfestes, als alle Kinder fröhlich und glücklich waren, fiel Sascha in Ohnmacht. Die Ambulanz brachte ihn ins Krankenhaus, wo er einige Tage bleiben musste. Was war los? Sascha hatte zwei Tage nichts zu essen bekommen. Als ihm kürzlich ein Paket mit Brötchen und Süssigkeiten angeboten wurde, erschrak er und fing an zu weinen. Seine Mutter werde fragen, woher es komme und warum er es angenommen habe, erklärte er. Sie werde ihn beschimpfen oder sogar schlagen. Sascha rannte ohne das Paket weg.
Wenn wir Christen nichts tun, wer dann? Sascha ist einer von 250 000 Sozialwaisen in Moldawien. Wie geht es mit ihm weiter? Welche Zukunft erwartet ihn? Gemeinsam mit Missionsfreunden aus der Schweiz und Kirchgemeinden aus Moldawien setzen wir uns dafür ein, dass Sascha und die anderen verwahrlosten Kinder Moldawiens ein besseres Leben und eine hoffnungsvolle Zukunft haben.
Lokale Kirchgemeinden bieten vernachlässigten Kindern einen geschützten Ort.
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WIR BAUEN AUF durch Bildung und Gewerbeförderung
DER ARMUT ENTKOMMEN, DANK EINER KUH KUHBANK, VIETNAM
Nguyen Thi Lieu konnte dank der Kuhbank eine existenzsichernde Zukunft aufbauen.
Georges Dubi Missionsleiter
Erstaunlich: Dank dem Kuhbankprojekt bauen Menschen existenz sichernde Betriebe auf und entkom men der Armut. Noch erstaunlicher: Nach nur fünf Jahren ist die jewei lige Kuhbank selbsttragend und ver ändert ganze Dörfer und Regionen. Nguyen Thi Lieu lebt in Long Nghe. 1992, als 22-Jährige, wurde sie verheiratet. Danach lebte sie mit ihrem Mann in einem einfachen, baufälligen Haus. Schon bald erblickten ihre zwei Kinder das Licht der Welt. Das Paar arbeitete hart, um den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten. Dann schlug das Schicksal zu: Nguyen Thi Lieus Mann starb an Lungenkrebs, nur drei Jahre nach ihrer
Hochzeit. Zur Trauer um ihren Mann kam die Last, alleine für die beiden Kinder sorgen zu müssen. Trauer und Existenzangst Die Witwe tat alles, um ihre Kinder durchzubringen und gut zu erziehen. Sie arbeitete in ihrer kleinen Landwirtschaft und verdiente zusätzliches Geld als Tagelöhnerin. Die Kinder halfen fleissig mit. Doch es reichte nur gerade zum Überleben. Samen, Setzlinge und Dünger zu kaufen, lag nicht drin. So wurde das Einkommen immer spärlicher. 2010 wurde Nguyen Thi Lieu ins Kuhbankprojekt der Mission aufgenommen. Dies hat das Leben der Familie grundlegend verän-
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dert. Innert fünf Jahren ist aus einer kleinen Landwirtschaft ein Betrieb geworden, von dem die Familie gut leben kann und der den Kindern auch später eine Existenz ermöglicht. Die Bäuerin erzählt: «Ich bin sehr glücklich, Nutzniesserin des Projekts zu sein. Die Kuh von der Kuhbank hat mir ermöglicht, Hühner und Schweine zu kaufen und mit dem Anbau von Kartoffeln, Zwiebeln und Gemüse zu beginnen. Drei Kälber hat die Kuh bis jetzt geboren. Wie vereinbart ging das erste Kalb an die Kuhbank. Die beiden anderen konnte ich verkaufen. Nach nur fünf Jahren harter Arbeit hatte ich genug Geld, um ein neues Haus zu bauen.» Von der Liste der armen Haushalte gestrichen Die Unterstützung, die das Projekt bietet, ist vielfältig: Sie beginnt mit einer Kuh, umfasst aber auch Ausbildung, Beratung und Darlehen. Menschen bekommen Kapital – und sie
Nguyen Thi Lieus neues Haus
lernen, dieses effizient einzusetzen. Nguyen Thi Lieu hat davon Gebrauch gemacht und in die Schweine- und Hühnerzucht sowie in den Gemüseanbau investiert. Ihre Anstrengungen wurden belohnt: Seit letztem Jahr ist sie schuldenfrei. Heute ist sie Teil des Produk tionsteams, das andere Betriebe berät und ihnen hilft, ebenfalls eine existenzsichernde Zukunft aufzubauen. Dass die Gemeinde sie von der Liste der armen Haushalte der Gemeinde gestrichen hat, macht Nguyen Thi Lieu besonders stolz.
So funktioniert die Kuhbank: 500 Franken Startkapital für die Kuhbank – in Form von Spenden aus der Schweiz – ist nötig, um eine Familie ins Projekt aufzunehmen.
Kuhbank
Die Familie bekommt eine Kuh sowie Schulung und Beratung in der Vieh haltung und beim Ausbau ihres Bauernbetriebs.
Kuhbank
Das erste weibliche Kalb, das die Kuh gebärt, geht an die Kuhbank. Damit wird diese weitergeführt und ausgebaut: Laufend erhalten weitere Bauernfamilien, die sich bei den Einführungskursen als geeignet erweisen, eine Kuh.
500.–
Kuhbank
Das Projekt schafft keine Abhängigkeiten! Nach rund fünf Jahren ist eine Kuhbank selbständig, die Dorfbewohner können sie ohne finanzielle Hilfe der Mission weiterführen. Bauern werden in Produktionsteams ausgebildet, damit sie die Schulungen und Beratungen ohne die Mission durchführen können.
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WIR SCHÜTZEN vor Frauen- und Kinderhandel
VERKAUFT, UM ZU TÖTEN AFGHANISTAN
Beatrice Käufeler Projektleiterin
Was sind das bloss für Menschen, die Selbstmordattentate verüben? Wir vermuten böse Fanatiker. In Wahr heit sind darunter auch Kinder, die zu dieser Tat gezwungen wurden. Die Geschichte des 14-jährigen Mustafa zeigt, zu welcher Grausamkeit Men schenhändler fähig sind. Dass Opfer von Menschenhändlern sexuell ausgebeutet, zu Zwangsarbeit oder zum Betteln gezwungen werden, sehen wir in unseren Projekten immer wieder. Durch den 14-jährigen Mustafa* werden wir zum ersten Mal mit einer weiteren Form der Ausbeutung konfrontiert: Kinder und Jugendliche werden entführt, verkauft und gezwungen, Selbstmordattentate zu verüben. Wer einmal in der Falle sitzt, hat kaum eine Chance zu entkommen, wie Mustafas Geschichte zeigt. «Ich komme aus einer Grossfamilie. Mein älterer Bruder starb vor zwei Jahren bei einem Selbstmordattentat. Er war verlobt gewesen, also war es dann an mir, seine Ver-
lobte zu heiraten. Ich ging damals noch zur Schule. Eines Tages lud mich ein Schulkollege zu einem Ausflug nach Pakistan ein. ‹Pakistan ist ein so sauberes Land, da gibt es keinen Dreck!›, schwärmte der 16-Jährige. Er müsse dort ein Darlehen zurückzahlen, danach würden wir Sehenswürdigkeiten anschauen und am nächsten Tag heimfahren. Ich war einverstanden. So ging ich mit ihm und verbrachte eine Nacht in Pakistan. Am anderen Morgen fuhr ein Auto vor. Mein Kollege sagte, ich solle einsteigen, es werde mich nach Hause bringen.
«Ich hörte ihr Heulen und Weinen.» In der Falle Im Auto sassen Erwachsene mit vermummtem Gesicht und mit Waffen. Sie brachten mich nicht nach Afghanistan, sondern in eine Religionsschule. Dort schien man schon auf
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eine Spritze, die eine euphorisierende Wirkung hatte. Dadurch war er zum Attentat bereit. Ich war der Nächste Eines Tages war es an mir. Sie führten mich an den Ort, wo ich eine Bombe zünden sollte. Obschon ich von Stacheldraht umgeben war, flüchtete ich. Ich verletzte mich am Bein, aber die Flucht gelang! Ich verkaufte mein Handy und mit dem bisschen Geld schaffte ich es zurück nach Afghanistan.
Blick in eine ungewisse Zukunft
mich zu warten. Die bewaffneten Männer übergaben mich und erhielten im Gegenzug einen Umschlag in die Hand gedrückt. Dann verschwanden sie. Vier Monate lang wurde ich in der Schule festgehalten. Ich erhielt keinen Islamunterricht, sondern musste mit anderen Jungs Filme über Selbstmordanschläge der Taliban anschauen. ‹Wer ein solches Attentat verübt, kommt direkt ins Paradies›, sagten uns unsere Bewacher. Ich wurde in einem Raum mit sieben anderen Jungs festgehalten, drei davon waren aus meiner Provinz. Doch es hatte noch mehr Jungs. Ich konnte sie nicht sehen, aber ich hörte ihr Heulen und Weinen. Abends nach dem Essen mussten wir ein Medikament schlucken. Was danach geschah, weiss ich nicht. Ich weiss nur, dass ich immer sehr schläfrig wurde. Einmal kamen Männer herein und nahmen einen Jungen mit. Sie sagten, jetzt sei er an der Reihe, ein Selbstmord attentat zu begehen. Sie verabreichten ihm
Aus Angst vor meinem Vater ging ich nicht nach Hause. Er ist ein sehr einflussreicher und aggressiver Mann. Ich fuhr stattdessen zu einem Onkel, der einen positiven Einfluss auf meinen Vater hat. Nach einigen Wochen holte mich meine Mutter dort ab. Unterwegs machten wir Halt bei meiner Schwester. Wir wollten dort die Nacht verbringen. Doch nicht lange nach unserer Ankunft tauchte der Geheimdienst auf und verhaftete mich. Die Beamten brachten mich in ihr Büro und nach vier Tagen in eine andere Stadt. Ich wurde mehrmals verhört und auch geschlagen. Sie zwangen mich zu sagen, dass es der Wille meines Vaters gewesen sei, mich nach Pakistan in eine Religionsschule zu schicken. Schliesslich brachten sie mich in dieses Schutzhaus. Ungewisse Zukunft Ich weiss nicht, wie lange ich hier bleibe. Vermutlich weiss meine Familie nicht, wo ich bin. Ich möchte nach Hause und wieder zur Schule gehen. Aber ich fürchte mich. Ich habe Angst, dass mein Vater mich umbringen könnte. Und ich habe Angst vor den Reaktionen meiner Schulkameraden.» Mustafa wird im Schutzhaus betreut. Er ist traumatisiert und braucht psychologische Unterstützung. Seine Zukunft ist ungewiss. Unsere lokalen Mitarbeiter besprechen mit ihm die weiteren Schritte und Optionen. Es ist nicht sicher, dass er in absehbarer Zeit zu seiner Familie oder Verwandten zurückkehren kann, ohne gefährdet zu sein.
*Der Name wurde zum Schutz des Betroffenen geändert.
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DANKE! Ihre Verbundenheit, Ihre Gebete und Ihre Gaben bewirken, dass sich manch trauriges Schicksal zum Guten wendet. Menschen in Not bekommen praktische, konkrete Hilfe. Die Hilfe lindert nicht nur die materielle Not. Dass jemand sie wahrnimmt und ihnen hilft, lässt verzweifelte Menschen Mut und Hoffnung schöpfen. Dadurch gelingt es vielen, Tritt zu fassen, sich eine neue Existenz aufzubauen und der Armut zu entrinnen. So werden sie fähig, sich anderen Bedürftigen zuzuwenden und diese auf dem schwierigen Weg aus der Armut zu begleiten. Im Namen der vielen Begünstigten danken wir Ihnen herzlich für Ihre grosse Treue, Verbundenheit und Hilfe.
Galina Melenti Leiterin Kinder- und Jugendarbeit sowie Sommerlager Moldawien
«Mich beeindruckt die Beständigkeit und die Vielfalt der Hilfeleistungen der Christlichen Ostmission. Besonders schön ist, dass Kinder eine Chance auf ein besseres Leben bekommen. Ich sehe echte Veränderung! Herzlichen Dank! Die COM erlaubt uns, Menschen in grosser Not in besonders kritischen Momenten wirksam zu helfen. Dafür danke ich Ihnen allen herzlich!»
Ilie Coada Pastor und Leiter des Vereins Bethania Moldawien
Dmitrij Matiuchin Hilfszentrum Saporoschje Ukraine
Vuong Tri Lam Direktor, Tung Lam Production & Trading Company Vietnam
«Wir danken allen Spendern herzlich für die Unterstützung. Es berührt uns sehr, dass so viele Menschen ihr Herz öffnen für die Nöte und Schwierigkeiten der moldawischen Kinder. Vielen herzlichen Dank! Eure Unterstützung bringt Hoffnung und Licht in manch dunkle Situation. Wir arbeiten sehr gerne mit der COM zusammen, ohne sie wäre vieles nicht möglich.»
«Die vielen Vertriebenen in der Ostukraine brauchen jetzt und heute unsere Hilfe. Herzlichen Dank, dass Sie uns helfen, das zu tun, was wir tun können: Essen, Kleidung und Trost weitergeben.»
«Die Schulungen haben uns regelrecht aufgeweckt. Wir haben unsere Stärken, aber auch unsere Schwächen erkannt. In der Folge haben wir im Unternehmen mehrere mutige und einschneidende Änderungen vorgenommen. Das hat uns verändert und unserer Firma Selbstbewusstsein gegeben. Heute sind wir stolz auf unsere Produktion und auf das, was wir erreicht haben.»
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Isaac Ambrose Beauftragter für soziale Entwicklung, GEMS Indien
Nguyen Duy Phuong Direktor, Thai Duong Joint Stock Company Vietnam
«In unserer Gegend ist der Menschenhandel eine grosse Gefahr. Dank der Hilfe der COM können wir gefährdete Kinder in ihrer schulischen und persönlichen Entwicklung fördern. In Familien, die von Prostitution leben, sind Gebetsgruppen entstanden. Einige Mütter wollen aussteigen, sie haben sich den Selbsthilfegruppen angeschlossen. Die Dörfer entwickeln sich. Ohne Hilfe aus der Schweiz wäre das alles nicht möglich. Wir sind sehr dankbar, dass die COM uns in diesem Prozess begleitet und unterstützt.»
«Das Wissen der Schweizer Trainer ist entscheidend für uns. Als kleiner Familienbetrieb wussten wir früher nicht viel über Management und hatten grosse Mühe, die Firma zu führen. Hier halfen uns die Schweizer Trainer und so haben wir uns weiterentwickeln können. Dafür sind wir sehr dankbar.»
Liebevoll gezeichnet von Kindern aus der Ukraine.
Frohe Feiertage!
Danke!
weihnachtsgeschichte
«Dieser Tag hat mein Leben endgültig verändert.» Katja
Es begab sich aber zu der Zeit, als Katja zwölf war, dass sie zum ersten Mal an einem Kinderlager teilnahm. Ihre Eltern arbeiteten beide und hatten wenig Zeit für sie und ihren Bruder. Katja war sehr eigenwillig und selbständig für ihr Alter. Trotzdem fügte sie sich gut in den Lageralltag ein.
Am letzten Lagertag gab ihr jemand vom Leiterteam eine Karte. Darauf stand, dass sie in Gottes Augen ein besonderer Mensch sei, und dass er einen Plan für sie habe. Diese Botschaft drang zu Katja durch. «Ich musste die ganze Nacht weinen, ich wollte nicht zurück in mein altes Leben.»
Im Jahr darauf wurde Katja wieder ins Lager eingeladen, doch der 13-Jährigen war anderes wichtiger. «Ich hatte viele Freunde und war fast jeden Abend im Ausgang», erinnert sie sich. Doch es waren keine richtigen Freunde, denn sie rissen Katja in den Abgrund. Sie hatte viele Jungs, immer wieder andere, und alle waren mindestens fünf Jahre älter als sie.
Als Katja nach Hause kam, ging sie nicht mehr in die Diskothek und verabredete sich nicht mehr mit den Jungs. Sie hatte einfach keine Lust mehr dazu. Etwa nach einem Monat räumte sie ihr Büchergestell auf und fand ein Neues Testament. Es war einmal in der Schule verteilt worden. Was sie da las, war genau das, was sie gesucht hatte!
Als Katja fast fünfzehn war, bekam sie wieder eine Einladung ins Lager. Inzwischen hatte sie genug von ihrem schmutzigen und unsteten Leben. Sie sagte zu, denn sie dachte, es könne nicht schaden, einmal etwas anderes zu erleben. Dem Lagerteam fiel auf, dass Katja zerstreut und irgendwie abwesend wirkte. Sie war immer stark geschminkt und sah gar nicht aus wie ein 15-jähriges Mädchen, sondern wie eine Frau, die viel Schlimmes erlebt hat. Das Team machte sich grosse Sorgen und versuchte, Katjas Vertrauen zu gewinnen und an sie heranzukommen. Sie wehrte alle Annäherungsversuche ab.
In jener Zeit wurde Katja in einen Gottesdienst eingeladen. Sie ging hin und begegnete Leuten aus dem Lagerteam. Jetzt erzählte sie ihnen, wie es ihr ging, und sie boten an, mit ihr zu beten. «Dieser Tag hat mein Leben endgültig verändert», erzählt Katja. Danach ging sie regelmässig zum Gottesdienst. Zwei Jahre später wurde sie getauft und als Mitglied der Gemeinde aufgenommen. «Ich habe erlebt, wie Gott mich verändert hat. Ich freue mich an meinem Leben und auf meine Zukunft, denn ich weiss, Gott hat einen guten Plan für mich.»
Doch Katja beobachtete und nahm wahr, was um sie herum vor sich ging: «Ich spürte, dass die Menschen hier etwas hatten, was ich nicht besass, von dem ich Welten entfernt war. Hier im Lager schien mir alles hell. Im Vergleich dazu kam mir mein Leben trüb, hoffnungslos und sinnlos vor.»
Katja ist heute in der Ausbildung zur Kindergärtnerin. In ihrer Gemeinde ist sie sehr aktiv, macht in der Sonntagsschule und in der Jugendarbeit mit. Zudem ist sie begeisterte Gruppenleiterin in Sommerlagern. Katja ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie Gott echte Veränderung schenkt.