W.2013.1

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Das pädagogische Konzept als Keimzelle des Schulwandels im Kontext von Schulbauvorhaben Beratungserfahrungen bei einem italienischen Schulsprengel in Meran Beate Weyland In Südtirol haben sich, trotz der Einführung der neuen Schulbaurichtlinien im Jahr 2010, die das Organisationskonzept mit pädagogischer Ausrichtung ins Zentrum des Schulbauprozesses stellen1, in den italienisch sprachigen Schulen neue Lern-Raumkulturen, also, die Verbindung zwischen pädagogisch-didaktischen Konzepten und der Gestaltung und Nutzung von Schulräumen noch nicht stark verbreitet. Die Direktorin des Schulsprengel Meran I, Vally Valbonesi, hat meine Beratung als Pädagogin in Anspruch genommen, um das pädagogische Konzept ihrer italienisch sprachigen Grundund Mittelschule in Zusammenarbeit mit dem Lehrerkollegium auszuarbeiten. Von Januar bis Juni ist aus gemeinsamen Gespräche, Analysen, und Reflexionen ein Dokument ausgearbeitet worden, das als Basis für die Machbarkeitsstudie und die zukünftige Schritte der Planung der Gemeinde eingereicht wurde. Die pädagogische Beratung hat mehrere Schritte beinhaltet. Am Anfang ist das Kollegium zur Thematik der unüberschaubaren Beziehung zwischen Lernen und Raum und zur wichtigen Rolle der Pädagogik für die Bestimmung der Eigenschaften der Lernräume sensibilisiert worden. Aus dem Kollegium hat sich dann eine Arbeitsgruppe herausgebildet, die Inputs erhalten hat, um genauer auf die Begriffe von Lernen, Lehren, Bildung einzugehen und um zu klären, welche Wertorientierung sie in der pädagogischen und didaktischen Arbeit an der Schule haben. Die Theorie (Vorträge, Texte, Dokumente), sollte dann mit Beispiele (vorwiegend Bilder und Videos) und Erfahrungen (Besichtigungen) ergänzt werden. Leitfaden dafür war die Überzeugung, dass das Konzept einer neuen Schule nicht nur aus der Auseinandersetzung mit Theorien, Analyse der Vorurteile und Ängste und Zukunftsvorstellungen entstehen sollte, sondern auch aus den Eindrücken, die nur durch Erfahrung mit allen Sinnen (sehen, hören, anfassen, schmecken und riechen) erzeugt werden. Der zweite wichtige Schritt des Beratungsprozesses war die freiwillige Miteinbeziehung des ganzen Lehrerkollegiums und des Teams der Gemeinde (Bürgermeister und einige Verantwortliche für die Schule), zu einem Entstehungsworkshops. Mit der Metaplantechnik ist ein visuelles Brainstorming durchgeführt worden um partizipative, demokratische und kreative Prozesse zu ermöglichen. Die Teilnehmer haben sich mit folgenden Themen, die auf verschiedene Plakate dargestellt waren, beschäftigt: 1Für

die Schule ist ein Ort wo.... Lehren und Lernen: In welcher Beziehung steht es zueinander? Das Klassenzimmer ist ein Ort wo... Was geschieht außerhalb des Klassenzimmers? Im Flur, im Gruppenraum...

weitere Erläuterungen siehe S.Attia, B.Weyland Hrsg., Für Bildung Baue, Turris Babel, November 2013, nr. 93


- In der Schule geht es mir gut, wenn... - Den Schülern geht es gut, wenn... - Welche Eigenschaften wird unsere Schule in einigen Jahren haben? - Desiderata... Sie durften auf bunten Post-its oder mit selbstzugeschnittenen Zetteln, ihre Schlüsselworte und Sätze auf jedem Plakat auffüllen und gleichzeitig sehen, wie es sich aufbaute. Am Ende der Entstehung haben die Teilnehmer versucht die wichtigsten Themen auf einem einzigen gemeinsamen Plakat zu stellen, um ihre Schule zu beschreiben. In einem dritten Schritt sind die gesammelten Daten auf einem online Dokument bearbeitet und dann noch einmal in einer offenen Runde besprochen worden. Die letzte Phase der Beratung hat in der Planung des Organigramms bestanden, mit klarer Vorstellung der vorgegebenen Räumlichkeiten, der angesuchten Räume, zusammen mit ihrer didaktischen und funktionalen Nutzung. Dazu haben auch die technischen Daten, d.h. Anzahl der zukünftigen Zahl der Schüler und der Lehrer, die die Schule besuchen werden, usw. gezählt. Das Interessante an diesem Prozess war, die langsame Einstellungsveränderung bzw. Haltungsveränderung der Arbeitsgruppe und des Kollegiums: von einer anfangs sehr misstrauische Betrachtung der innovativen Ansätze, die vorgeschlagen wurden, bis zu einer wachsenden Begeisterung und Überzeugung der konkreten Möglichkeit der Umsetzung von guten Ideen und geeigneten pädagogischen und didaktischen Ansätzen in etwas Machbares. Der erste Schritt in Richtung des Wandels ist effektiv die Erstellung des pädagogischen Konzeptes der Schule, das eine gute Basis für den Bau einer angemessenen Schularchitektur ist. Im Schuljahr 2014 ist die pädagogische Beratung mit folgenden Zielen fortgesetzt worden: Auf der einen Seite sind die Schuldirektorin und die Gemeindebei der Erstellung der Machbarkeitsstudie als Basis für ein Wettbewerb weiter begleitet worden; auf der anderen Seite ist eine neue Arbeitsgruppe beim Schulsprengel entstanden, die im Prozess der Schulentwicklung begleitet werden sollte, um die pädagogischen Aussagen, die in das neue Profil der Schule einflossen, zu konkretisieren. Das ist ein langsamer Wandlungsprozess, der aber klar darstellt, dass die Schule die angefragte Beratung effektiv nutzen kann. Also, die ausgearbeitete neue Organisation der Räumlichkeiten muss auch den Arbeitsweisen der der Lehrer und Schüler entsprechen sowie dem Schulleben insgesamt. Metaphorisch gesprochen, soll die Schule beweisen können, „dass sie auch ohne ihr Tanzkleid, tanzen kann“. Und das ist das langfristige Ziel des Schulsprengels Meran I, der mit diesem Jahr seine Arbeit aufgenommen hat. Interessant ist die bunte freiwillige Zusammensetzung der Arbeitsgruppe: Direktorin, Lehrer und Lehrerinnen der Grund- und Mittelschule, die renoviert wird, Lehrer und Lehrerinnen der kleinen Schulen die außerhalb Meran liegen, Elternvertreter und Hausmeister. Alle diese Personen mit ihren Funktionen bilden zusammen die lebende und lebendige Schule, mit ihrer diversen Identität. Jeder hat mit seinen spezifischen Sichtweisen und Verantwortungen schon dieses Jahr einen wichtigen Beitrag gemacht, um die ersten Zeichen des Wandels sichtbar zu machen: -

eine Klasse organisiert, wo die Einrichtung vollkommen neu ist. Die Kinder haben keine Bänken mehr, sie arbeiten an gemeinsamen Tischen die auch verschiedene Formen haben (rund, viereckig, rechteckig,…) und das Podest ist auch verschwunden;


-

ein Klassenverbund hat ein Projekt in Zusammenarbeit mit den Eltern entwickelt, wo die Kinder nun allein vom Schulhof bis ins Klassenzimmer gehen (normalerweise werden sie immer von der Klassenlehrerin im Schulhaus begleitet) In einer Grundschule außerhalb Meran werden die Flure mit Büchern und Rückzugsecken belebt und die Garderobe wird in den Eingang verlegt; Bei der Mittelschule werden die großen Flure mit Büchern und Computer belebt und eine Klasse versucht die Bänke in Inseln zu gruppieren. Zwei Lehrer der Grundschule versuchen den breiten Flur vor ihren Klassenzimmern zu nutzen und installieren Lernecken für die Schüler und Arbeitsplätze für die Lehrer. Der Elternrat übernimmt die Aufgabe, ein Projekt für die neue Gestaltung eines Teiles des Schulhofes zu organisieren

Davon ausgehend, dass es eine ganz normale, eher konservativ ausgerichtete Schule war, zeigen folgende Entwicklungen, dass diese Schule auf dem Weg ist eine neue Lernkultur zu leben.


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