2. EFFEKTE TEMPORÄRER NUTZUNGEN 29
Zwischennutzung mit marketingrelevanter Strahlkraft
The Lovelace in München
Es war das Zwischennutzungsprojekt, das im Jahr 2018 die größte mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte: The Lovelace in München, ein Hotel, Kulturzentrum und Veranstaltungsraum, das Lissie Kieser, Michi Kern und Gregor Wöltje im einstigen Hauptquartier der Bayerischen Staatsbank in der Münchner Innenstadt auf die Beine stellten. 17 Monate bespielte das Trio 4.800 Quadratmeter mit einem Pop-up-Hotel, Shops, Showrooms, Gastronomie, Firmenevents, Kulturveranstaltungen und Ausstellungen.
interessantesten Hotels weltweit schreiben, widmeten dem Pop-up-Projekt Beiträge. „Und das ganz ohne eigenes Marketing- oder PR-Budget“, meint Wöltje. Genau diese Art des Marketings spricht auch Manuela Schweighofer-Bitter an. Eine solche Markteinführung ist für sie „Placemaking“ in Reinform. Dieses ist aber nicht nur für die Eigentümerinnen und Eigentümer, sondern auch für die Stadt relevant: Das Haus wurde zu einem wichtigen Standort für München Tourismus, regelmäßig wurden Führungen in das Hotel gebracht oder Fach konferenzen veranstaltet. „Das Stadtmarketing konnte von der Andersartigkeit unseres Kultur- und Hotel projektes profitieren, weil es für Innovation, Subkultur und Kreativwirtschaft stand“, so Wöltje.
Imageboost bei Raummangel Dass die Medien besonders positiv auf das Projekt reagierten, führt der Mitbetreiber Gregor Wöltje auf den Druck im hochpreisigen Münchner Immobilienmarkt zurück. Leerstand sei in München ein kritisches Thema, die Stadt selbst werde dafür immer wieder stark kritisiert. Für die Umsetzung suchten sich die Projektpartner eine etablierte Baurechtskanzlei, die sie in juristischen Fragen in Bezug auf Baurichtlinien oder Architekturverträge beriet. Von der Stadt bekamen sie dahingehend keine Unterstützung. The Lovelace hätte alle Genehmigungswege eines herkömmlichen Hotels durchlaufen müssen, mit Brandschutz, Statik nachweis, Baugenehmigung. „Alle Widmungen zu bekommen war extrem aufwändig, und das Hotel hätte damit letztendlich auch 50 Jahre lang betrieben werden können“, so Wöltje weiter. Zwischennutzung als Marketingund Tourismusfaktor Rückblickend profitieren die Stadt und vor allem der Münchner Tourismus imagemäßig stark von der Lovelace-Zwischennutzung. Internationale Medien wie die New York Times berichteten über das Projekt. Einschlägige Publikationen wie Monocle, Wallpaper oder Architectural Digest, die über die
Für die Stadt und die Immobilienbesitzerinnen und -besitzer war das Projekt auch in anderer Hinsicht gewinnbringend, und zwar in Bezug auf die mediale Aufmerksamkeit in einer kritischen Situation: Das Luxushotel Bayerischer Hof verklagte die Stadt München wegen der geplanten Nachnutzung des Staatsbankgebäudes. Schlagzeilen machten jedoch nicht die Kritik und der Rechtsstreit, sondern die erfolgreiche Zwischennutzung. „Wir haben zwei Jahre lang ausschließlich positive Nachrichten eingefahren, und das ist ein Marketingwert, der unheimlich groß ist“, so Wöltje. Die zwei stillen Investorinnen des Projektes bezifferten den Marketing-Mehrwert für die Immobilien besitzerinnen und -besitzer sowie die Stadt in Millionenhöhe, ergänzt der Raumunternehmer. 180.000 Besucherinnen und Besucher weist das Resümee der Lovelace-Betreiber auf, 1.500 Veranstaltungen und 12.000 Übernachtungen. Den Erfolg des Projektes nützt das Raumunternehmen nun dazu, in Podiumsdiskussionen und Medien berichten auf Schwierigkeiten und Hürden bei der Umsetzung von Zwischennutzungen hinzuweisen.