UNSEEN PROFIT - Zum Potenzial von temporären Nutzungen in der Immobilienentwicklung

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3. EINE ANGELEGENHEIT DER STADT 47

Die Stadt der Zukunft ist gut gebucht

Ein Ausblick mit Dietmar Wiegand

Das Eigenheim auf dem Land mit Garten und Garagen­ einfahrt war lange der Traum vieler Menschen – zukunftsweisend ist diese Wohn- und Lebensweise allerdings nicht. Aus umwelt- und klimapolitischer Sicht ist eine Verdichtung der Nutzung in den Städten dringend notwendig. Energieeffizientes Wohnen, eng getaktete Nahverkehrssysteme, restriktive Ausweisung von Bauland, all das kann in der Stadt der Zukunft möglich werden – wenn sie richtig geplant und bewirtschaftet wird. Denn eine umweltfreundliche Stadt setzt auf nutzungsverdichtete Räume, in denen es keinen Platz für langfristigen und unregulierten Leerstand gibt.

Flächen für Kreative, die es sonst nicht gäbe Für die Kreativwirtschaft ist das Konzept Zwischennutzung in Wien auch aus einem anderen Grund sehr wichtig, meint Wiegand. Anders als in Städten wie Berlin gibt es hier so gut wie keine Industriebrachen. Kostengünstige Flächen zu finden ist schwierig: „In Wien schaffen Zwischennutzungen tatsächlich Flächen für Kreative, die es sonst nicht gäbe.“ Das gilt für innovative Start-ups genauso wie für junge Kunstschaffende – ohne temporär genutzte Räume könnten diese nicht Fuß fassen.

Flexible Nutzungen müssen möglich werden Leerstand vermeiden bedeutet ganz allgemein, die Nutzung vorhandener Räume über die Zeit – den Tag, die Woche, das Jahr – zu intensivieren, sagt der Architekt Dietmar Wiegand, Professor für Projekt­entwicklung an der Technischen Universität Wien. Das bedeutet auch eine Wandel in der Stadtplanung von der statischen Flächen­ widmung hin zu Managementprozessen mit den Grundeigentümerinnen und – eigentümern. Auf Seiten der Immobilienbesitzenden genauso wie auf Seiten der öffentlichen Hand gilt: „Wenn es um so etwas wie Büros, Werkstätten oder Veranstaltungs­ flächen geht, müssen wir eine viel größere Flexibilität in Bezug auf die Laufzeiten der Mietverträge anstreben.“ Dem wissenschaftlich belegten Wunsch der Mietenden nach „Immobilien als Dienstleistung“ entgegenzukommen, garantiert eine höhere Auslastung, und diese Nutzungsintensivierung bringt letztlich mehr Sicherheit für die Vermietenden. Intensiver nutzen für eine bessere Ökobilanz Ein Werkzeug, das für die Immobilienwirtschaft wie für die öffentliche Hand in diesem Zusammenhang immer wichtiger wird, ist Zwischennutzung. So kann wertvoller Raum während Planungsphasen oder bei Umwidmungen sinnvoll genutzt werden. Nutzungsintensivierung hilft, CO2 zu sparen, denn „das ökologischste Gebäude ist jenes, das nicht gebaut werden muss“, so Wiegand.

Zwischennutzungen haben auch aus stadtplanerischer Sicht große Vorteile. Sie können, wie eine Art Testlabor, neue Nutzungsmöglichkeiten und lokale Raumbedürfnisse aufzeigen. „Auf einem Areal wie jenem des Sophienspitals im 7. Bezirk, von dem man weiß, dass sich das Nutzungskonzept komplett verändern wird, kann man beispielsweise Nutzungs­ mischungen temporär testen“, meint Wiegand. Die Zwischennutzung als praktischen Wettbewerb der Ideen anzulegen sei auch für die Immobilienwirtschaft interessant, so der Immobilienökonom weiter. „Zwischennutzung als Orte der Mediation“ Gerade große, erfolgreiche Immobilienprojekte leben davon; dass die direkten Nutzerinnen und Nutzer, aber auch die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt diese Projekte auch wirklich annehmen. Neben der Kostenminderung durch die vorübergehende Bewirtschaftung der Liegenschaften können Zwischen­nutzungsprojekte auch zu Orten der Mediation werden. Als Beispiel nennt der Architekt das Areal des FranzJosefs-Bahnhofs im 9. Bezirk: „Sozial und kulturell orientierte Zwischennutzungen helfen, Vorurteile im Zusammenhang mit großen Immobilienprojekten abzubauen.“ Mitunter stehen bei großen Immobilien­ projekten Gentrifizierungs-Befürchtungen im Raum – noch immer haben viele die Vorstellung, Projektentwickelnde seien unbarmherzige Immobilien­ haie. Da Zwischennutzungen fast immer als Orte der Begegnung angelegt sind, helfen sie, falsche Vorurteile


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