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ZWO20
Feine Frauenpower
Viele langjährige Pasta!-Leser wissen, dass Fidel Gastro eine ganz besondere Verbindung zur Schrottgasse 12 besitzt, wo unser heutiges Testobjekt Zwo20 beheimatet ist. Diese Adresse hat schon viele Gastronomiekonzepte kommen und gehen sehen: Coffee Fellows, Couch Café, Anemone, eine Eisdiele. Für mich ist und bleibt das Couch Café, das es schon seit über zehn Jahren nicht mehr gibt, ein Vorreiter der Passauer Gastronomie: Das Konzept eines modernen, jungen Restaurants, in dem Steaks die Hauptrolle spielen, hört sich heute beinahe langweilig an. Es war jedoch damals die erste Lokalität dieser Art bei uns. Im letzten Jahrzehnt sind viele andere gastronomische Betriebe auf eben jenen Zug aufgesprungen: Braves Mädchen, Jansen’s Steakhouse, Amazing Factory, teilweise auch das Weingut und das Zwo20, das mit dem Slogan Steak, Fish, Wine wirbt.
Der Unterschied zu allen anderen genannten Lokalen: Im Zwo20 wird ein FineDining-Anspruch kommuniziert. Hin und wieder war sogar schon die Rede davon, einen Stern im Guide Michelin zum Ziel zu haben. Das letzte Restaurant in Passau, das sich Fine Dining sichtbar auf die Fahnen schrieb, war das Restaurant Schloß Ort unter dem talentierten Georg Heindl, der damit allerdings krachend scheiterte. Alle anderen Passauer Lokale scheuen die- sen Begriff wie der Teufel das Weihwasser, denn sie wissen: Man muss sich daran messen lassen (können). Wir wollen hier natürlich keine Wortklauberei betreiben –Begriffe aus dem Englischen gehen leicht über die Lippen, sind mitunter dehnbar, Auslegungs- und (im gastronomischen Zusammenhang) Geschmackssache. Trotzdem kann Fidel Gastro nicht anders: Mir stellen sich bei diesem Begriff immer wieder die Nackenhaare auf.
FINE DINING?
Aus dem Englischen übersetzt bezeichnet
Fine Dining feines Essen und impliziert ein Restauranterlebnis, das sich raffinierter, kreativer und gehobener präsentiert als in einer durchschnittlichen Lokalität (und dafür auch gerne teurer sein darf).
„Was ist für Euch Fine Dining?“ Genau mit dieser Frage habe ich Andrea und Sophie konfrontiert – und zwar im September 2020, also noch vor der Eröffnung des Zwo20. Ehrlich gesagt wollte ich die beiden davon abhalten oder wenigstens unmissverständlich davor warnen, mit dieser hohen Messlatte ins Rennen zu gehen.
Gleich im ersten Social-Media-Posting, das seinerzeit die Eröffnung des Zwo20 ankündigte, wurde der Begriff Fine Dining verwendet. Bis heute taucht er in den diversen, top gepflegten und optisch hochwertigen Online-Kanälen des Zwo20 auf.
Doch nicht nur die ansprechende Außenkommunikation wird diesem Anspruch durchaus gerecht. Auch das Ambiente des Restaurants weiß zu gefallen: unkompliziert und zeitgeistig, clean und zugleich gemütlich, irgendwie auch dezidiert (und im besten Sinne) weiblich. Die lange Bar im Eingangsbereich ist ideal für den Aperitivo, im hinteren Bereich hat man die Wahl zwischen drei optisch voneinander getrennten Bereichen. Das riesige Cabrio-Dachfenster bietet im Sommer Tageslicht bis in die Abendstunden, bei wärmeren Temperaturen sitzt es sich sehr lauschig-mediterran auf dem Kopfsteinpflaster-Trottoir vor dem Lokal.
Die Speise- und Getränkekarte kommt in einem schwarzen Ringbuch, in das mehrere Klarsichtfolien (ein Detail, das nicht ganz zum sonstigen Auftritt passen will) einsortiert sind. In ihnen steckt eine monatlich wechselnde Empfehlungskarte, bestehend aus jeweils rund einem halben Dutzend Vorspeisen, Hauptgängen und Desserts. Dahinter die feste Steak- und Fischkarte mit einer großen Auswahl an Beilagen und Saucen, die unter der etwas verwirrenden Überschrift Toppings geführt werden. Die Auswahl an Flaschenweinen ist für den suggerierten Anspruch des Restaurants in Ordnung, es wird auf bekannte weiße und rote Klassiker gesetzt.
Auffällig ist die vergleichsweise hohe Auswahl an Champagnern und Roséweinen. Bei den offenen Weinen würde man sich noch etwas mehr Auswahl und Präzision wünschen (einer von zwei Rotweinen wird fälschlicherweise als Carbanet Sauvignon geführt). Schön ist, dass das 0,2-Liter-Glas nur einen Euro mehr kostet als das Achterl; überhaupt zeigt sich die Preisgestaltung bei den offenen Weinen recht fair, richtiggehend günstig sind die Biere: Eine Halbe für unter 4 Euro bekommt man nicht mal mehr in städtischen Wirtshäusern angeboten.
STARKER START. STARKER SERVICE!
Wir starten ganz klassisch mit einem Aperitiv-Bierchen und widmen uns dann den Vorspeisen. Den Anfang macht ein Beef Tataki, dessen exzellente Produktqualität durch eine separat gereichte Soja-Reduk- tion, Nussbutter, etwas frittierten Knoblauch und einige Sprossen optimal zur Geltung gebracht wird. Der Vorspeisensalat reicht nicht ganz an den im (leider geschlossenen) Culinarium heran, erinnert aber in seiner Komposition mit Nüssen und Kräutern an diesen Benchmark-Salat. Das Zwo20 x Maguro Sushi ist ein Quadrat von etwa zehn Zentimetern Kantenlänge, bestehend aus Sushireis als Fundament, darauf eine Schicht Avocado, frischer Thunfisch, die gleiche Soja-Reduktion wie beim Beef Tataki und eine Chili-Mayo. Das
Gericht erinnert Fidel Gastro an den SushiTower, seines Zeichens ein Signature Dish des Weingut in der Theresienstraße. Was wohl kein Zufall ist, denn in diesem Restaurant haben Küchenchefin Andrea und Restaurantleiterin Sophie vor der Eröffnung ihres Zwo20 lange gearbeitet.
Womit wir beim Thema sind: Der Service unter der Führung von Sophie Herzog ist exzellent. Ihre Empathie, ihr Charme, ihre Persönlichkeit und die Freude an der Arbeit kann man sich als Gast kaum schöner wünschen. Sophies rechte Hand im
Service, Tamara, steht dem in nichts nach; obgleich leiser und zurückhaltender, agiert sie mit der gleichen Umsicht und Professionalität. Überhaupt ist das Zwo20 vollständig in Frauenhand – bis auf einen männlichen Sous-Chef an der Seite von Küchenchefin Andrea. Das kleine Team ist seit der Eröffnung eingespielt, was aus meiner Sicht den größten Pluspunkt dieses Restaurants ausmacht. Während viele andere vergleichbare Lokale mit Personalknappheit und ständigem Wechsel zu kämpfen haben, herrschen hier Kontinuität und Verlässlichkeit. So gewinnt man Vertrauen, begeistert Gäste – und macht sie zu Stammkunden.
Die Realit T Auf Dem Teller
Bis hierhin ist alles gut, zumal die positiven Eindrücke den Schluss zulassen, die vom Zwo20 selbst gesetzte Fine-DiningMesslatte könnte übersprungen werden. Fidel Gastro bleibt nichts anderes übrig, als auch die Gerichte unter diesen Gesichtspunkten zu bewerten.
Um es kurz und schmerzhaft zu machen: Das, was auf die Teller kommt, ist in meinen Augen kein Fine Dining – auch wenn alle Teller sehr schön anzusehen sind. Das bedeutet keinesfalls, dass die Gerichte nicht zu gefallen wüssten – nur damit wir uns hier richtig verstehen. Die Speisen rangieren in etwa auf dem Niveau der eingangs genannten Passauer Restaurants. Das Problem ist aber: Die behaupten alle nicht, Fine Dining zu zelebrieren, das Zwo20 hingegen schon.
Vor diesem Hintergrund passen Anspruch und Realität nicht ganz zusammen, denn es fehlt den Gerichten jene Raffinesse, bisweilen auch die geschmackliche und texturelle Detailarbeit, die nötig wäre, um aus dem Konzert (guter!) Passauer Restaurants spürbar herauszustechen und den selbst gesteckten Ansprüchen vollends gerecht zu werden. Es gäbe eine ganz einfache Lösung: Man könnte das sich selbst völlig ohne Not angehängte Label einfach entfernen, dann wäre alles gut.
Denn dann könnte Fidel Gastro ganz ungezwungen von einem schönen Abend berichten. Vielleicht ist es aber auch Fidel Gastro selbst, der seine eigenen Vorbehalte über Bord werfen und sich einfach mal von der Fine-Dining-Doktrin lösen muss – voilà:
Da wäre ein sehr schön gebratener Lammrücken mit Süßkartoffelpüree und Ravioli mit Bärlauch-Chimichurri, der mit 28 Euro erstaunlich günstig kalkuliert ist. Dagegen fallen die Fish & Chips Deluxe etwas ab, nicht nur wegen des happigen Preises von 42 Euro. Denn auch wenn ein wohlschmeckender halber Babyhummer auf dem Teller liegt (der zweifellos viel Geld im Einkauf kostet), wirkt die Komposition mit einigen gebackenen Garnelen, sogenannten Potato Dippers und klassischer Remoulade irgendwie nicht zwingend. Echte Fish & Chips wären mir ehrlich gesagt lieber gewesen, ein ganz wunderbares Gericht – zumal dieses in Passau nirgendwo sonst auf der Karte steht.
GUTE, KREATIVE ANSÄTZE
Es geht weiter mit einem perfekt gebratenen Karree vom Duroc-Schwein, zu dem wir einfach mal alle verfügbaren Beilagen (außer Potato Dippers und Süßkartoffelpommes) bestellen. Darunter sind gute und kreative Ansätze zu finden – unter
Meine Region.
Mein VDW.
In das gleiche Horn blasen die Blumenkohlwings, die in der Sendung Mein Lokal, Dein Lokal (aus der das Zwo20 erst vor Kurzem als Sieger hervorging) bereits einige mediale Berühmtheit erlangt haben. Zwar sind es keine Wings; vielmehr erhalten wir einen kompletten Mini-Blumenkohl serviert, der auf einem Rotkohl-Fenchelbett thront. Die Idee ist ebenso erfrischend wie kreativ.
Schließlich lässt Fidel Gastro bei einem Himbeerbrand (die Edelbrand- und Digestivkarte könnte ein Upgrade vertragen) den Abend noch einmal Revue passieren: Die Gerichte norden sich in Machart und Qualität – von wenigen Ausnahmen abgesehen – unterm Strich dort ein, wo auch die anderen erwähnten Passauer Restaurants stehen. Ergo: Das Niveau ist gut, aber eben nicht sehr gut.
Zwo20
Schrottgasse 12 Passau-Altstadt Tel. (0851) 98 84 88 40 www.zwo20passau.com
Öffnungszeiten:
Montag, Donnerstag, Freitag & Samstag 17 – 22 Uhr
Sonntag 12 – 22 Uhr
Dienstag & Mittwoch Ruhetag www.vdw-mobil.de
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