3 minute read

LAIBESVISITE:

Next Article
ZWO20

ZWO20

Dinkel Natur Kruste

B Ckerei Escherich

Wilde, offene Porung

Wie kann in der heutigen Zeit ein kleiner bis mittelgroßer Bäckereibetrieb überhaupt noch gewinnbringend wirtschaften? Diese Frage wurde nicht zuletzt auch hier in der Pasta! schön öfters diskutiert. Schlagworte wie Verdrängungswettbewerb, Backshops, Nachwuchsmangel, Überbürokratisierung und auch die Energiekrise lassen den Berg an Problemen, mit denen die Branche zu kämpfen hat, zunächst unüberwindbar hoch erscheinen. Dass das Bäckerhandwerk nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern Europas in einer tiefen Krise steckt, ist nichts Neues. Auch zuletzt sank laut Statistik die Zahl der Betriebe drastisch – ein Trend, der vor allem auch durch die Inflation be- schleunigt wurde. Der rasante Preisanstieg bei Rohstoffen und Energie spielt nämlich gerade den Billiganbietern in die Hände, da die Konsumenten immer preissensibler agieren. Insgesamt kann man also von einer durchaus prekären Situation für handwerklich arbeitende Betriebe sprechen. Doch andererseits eröffnet dies – auch genau deshalb – Chancen. Den Schlüssel zum Fortbestehen der Handwerksbetriebe sehen viele Fachleute in traditionellen Herstellungsmethoden von Brot und Backwaren einerseits, in der Konzentration auf regionale Rohstoffe und enge wirtschaftliche Verflechtung mit Lieferanten und Konsumenten andererseits. Nur wer auf Qualität und Regionalität setzt und individuelle Spezialitäten im Programm hat, kann ne-

Cremig-elastische Krume

ben der Backindustrie bestehen – und auch höhere Preise für seine in Handarbeit hergestellten Produkte rechtfertigen. Parallel dazu spielen natürlich ein gutes Betriebsklima, freundliches und fachlich eingearbeitetes Personal sowie zeitgemäßes Marketing eine wichtige Rolle.

Die positive Nachricht lautet: Es gibt in unserer Region mindestens eine Bäckerei, die praktisch alle diese Punkte in den letzten Jahren umgesetzt hat. Der Büchlberger Bäckerei-Filialbetrieb Escherich hat in einer Art stiller Metamorphose über ein paar Jahre hinweg an zahlreichen Stellschrauben gedreht, um sich neu auszurichten. Sichtbar wurde diese Entwicklung erst, als ein neues, zeitgemäßes Logo auf Schildern und Tüten auftauchte. Aus

Die Dinkel Natur Kruste

AUF EINEN BLICK der etwas biederen, angestaubten Bäckerei Escherich wurde Escherich Brothandwerk – man legt nun also den Fokus auf das Thema Brot, auch wenn die Verkaufstheken natürlich weiterhin auch Semmeln, Brezen, Kuchen und allerlei anderes Kleingebäck vorhalten. Um dem Anspruch ans Brothandwerk gerecht zu werden, haben die Escherichs wohl auch am Sortiment gefeilt und einige neue Produkte eingeführt. Eines davon ist die Dinkel Natur Kruste, die ich mir für diese Laibesvisite herausgepickt habe. Und das nicht rein zufällig: Wenn ich von Sauerteig und langer Teigruhe lese, werde ich hellhörig! Zumal es sich um ein relativ helles Sauerteigbrot handelt; so etwas findet man kaum in unseren regionalen Bäckereien – und ganz bestimmt nicht in einem dieser unsäglichen Backshops, womit es sich natürlich auch der Vergleichbarkeit zu typischen Standardbroten entzieht.

Brot Mit Charme Und Charakter

Rein äußerlich ist dieses Dinkelbrot ein eher flapsig zusammengeschlagener Teigfladen, der resch ausgebacken wurde und damit seinem Namen als Kruste durchaus gerecht wird. Offenbar hat man sich hier nicht lange mit kunstvoller Teigformung beschäftigt, ein Gärkörbchen kam ebenfalls nicht zum Einsatz. Der Charme des Äußeren liegt vor allem in der erkennbaren Handarbeit und der dadurch entstehenden Individualität – jeder Laib schaut distinktiv anders aus und hat seinen ei- genen Charakter. Der Duft der Kruste ist frisch, getreidig, dezent säuerlich und sehr aromatisch. Beim Anschnitt kracht das knusprige Äußere, die Krume offenbart sich als wild und durchsetzt von großen und kleinen Luftlöchern. Ein solcher Teig entsteht nur durch lange Reifung, und das ist eines der Hauptmerkmale dieses Brotes und von Brothandwerk im Allgemeinen.

Gesunde Teigreife

Zwischen 15 und 18 Stunden reift der Teig laut Deklaration – eine Zeit, in der die Sauerteighefen viel CO2 produzieren, das den Teig aufbläht, lockert und zu diesen wunderschönen Lufteinschlüssen führt. Nebenbei werden durch die lange Reifung die problematischen FODMAPs (Fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide und (and) Polyole) durch Sauerteigbakterien abgebaut. Diese Stoffe sorgen bei vielen Menschen für zöliakieähnliche Beschwerden, was oft auf Glutenunverträglichkeit zurückgeführt wird. In Wahrheit ist es eine Folge von zu kurz vergorenem (Weizen-)Teig, den man wiederum hauptsächlich bei industriell produzierten Broten findet. Zwar ist Dinkel allein schon wesentlich besser verträglich als herkömmlicher Brotweizen; am Ende bleibt er aber auch eine Weizenart.

An echter Zöliakie leidet übrigens aktuell nur rund ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland – alle anderen, die über Beschwerden im Zusammenhang mit Brotgenuss klagen, sind mutmaßlich Opfer der Backindustrie, für die Teigreife ein Fremdwort ist und die hemmungslos Enzyme und andere nicht deklarationspflichtige Stoffe einsetzt, die vor allem den Gewinn, aber nicht den Genuss und das Wohlbefinden der Kunden maximieren.

Doch zurück zur Dinkel Natur Kruste: Während die offenporige Krume an eine gelungene Mischung aus Ciabatta und klassischem San Franciso Sourdough à la Chad Robertson erinnert, steigt einem schon beim Aufschneiden des Brotes ein Duft in die Nase, der in keinem dieser beiden Brotstile beheimatet ist: Brotgewürz! Diese Zutat hätte ich in einem solchen Brot kaum vermutet, findet man sie doch eher in klassischen deutschen Roggensauerteigbroten. Interessant ist diese Kombination auf jeden Fall – und mit Sicherheit ein Alleinstellungsmerkmal. Leider überlagern die Gewürze das zarte Sauerteigaroma und die feine vegetale Note, die von den ebenfalls im Teig verwendeten Dinkelsprossen herrührt. Bevor man letzteren Umstand bedauert, sollte man sich aber erstmal dem Genuss dieses wirklich hervorragend ge- lungenen Brotes widmen. Eine hocharomatische Kruste, eine cremig-elastische Krume und die vertraute Untermalung durch Anis, Koriander, Fenchel und Kümmel machen die Dinkel Natur Kruste zu einem Brot, in dem sich das Wort Brothandwerk im besten Sinne manifestiert. Wenn dieser Laib auch ohne Gewürze erhältlich wäre, hätte man sogar für mediterrane Antipasti oder Tapas eine passende Unterlage – oder für sommerliche Grillabende ...

Die Dinkel Natur Kruste ist von Dienstag bis Samstag in allen Filialen von Escherich Brothandwerk für € 6,53/kg erhältlich.

SIE HABEN EINEN BROT-TIPP FÜR MICH? ICH FREUE MICH AUF IHRE ANREGUNGEN: GABRIEL@PASTAONLINE.DE

This article is from: