Peißnitzhaus e.V. (Hg.)
Die Kette Ein Kapitel der Saaleschifffahrt
Informationsbroschüre zur Wanderausstellung „Inseln in der Stadt – Die Insellandschaft im Herzen von Halle“
Kettendampfer auf der Saale
Die Kettenschifffahrt Die Kettenschifffahrt ist eine Variante der Schleppschifffahrt. Dabei zieht sich der Kettendampfer mit seinem Schleppzug im Schlepptau an einer lose im Flussbett liegenden Kette vorw채rts. Die Kette wird am Bug des Schiffes aus dem Wasser gezogen, 체ber eine in der Mitte des Schiffes angeordnete mit Dampf betriebene Winde gef체hrt und am Ende des Schiffes wieder ins Wasser gelassen. Zu diesem Zweck
waren der Bug und das Heck des Schiffes fast bis auf die Wasseroberfl채che herun-
ter gezogen. Für Ausweichmanöver bei Begegnungen konnte die Kette durch Kettenschlösser getrennt und nach der Begegnung wieder zusammengefügt werden. Auch Schleusendurchfahrten gestattete das System . Die Kettenschifffahrt spielte im Güterverkehr auf der Saale ab ca 1873/74 eine wichtige Rolle. Am 26. Juni 1864 erhielt die Vereinigte Hamburg-Magdeburger-Dampfschifffahrts-Compagnie die Konzession für die Kettenschifffahrt auf der Elbe.
Es dauerte dann noch bis zu 15.August 1866 ehe der erste Kettendampfer seine
Probefahrten zwischen dem Neustädter Hafen in Magdeburg und MagdeburgBuckau auf einer ca 4,5 km langen Strecke aufnahm. Im Jahre 1869 wurde die Kette stromabwärts bis Ferchland auf ca 52 km Gesamtlänge verlängert. Man hatte inzwischen auch schon drei Kettendampfer in Fahrt gebracht. Schon wenige Jahre später erfolgten im Saale-UnstrutGebiet die ersten Überlegungen, Frachtkähne in gleicher Art und Weise zu schleppen. Allerdings erwog man, statt Ketten eventuell die Drahtseilschifffahrt einzuführen.
Kettendampfer „Saale“
Im Jahre 1871 wurde in Artern ein „Dampf- und Schleppschifffahrtsverein auf Saale und Unstrut“ gegründet. Getragen wurde er von Geschäftsleuten und Fabrkanten die an der Unstrut ansässig waren, u. a. aus der Zucker- und Baustoffindustrie. Man beabsichtigte, zunächst auf der Strecke von Oeblitz-Schleuse bis zur Freyburger Schleuse die Dampfschleppschifffahrt am Drahtseil
Kettendampfer „Gustav Zeuner“ Zur gleichen Zeit verfasste
der königl
oder Kette einzurichten. Man rief zur Zeichnung von Aktien auf. Schließlich konnte das Komitee der Königlichen Regierung in Merseburg mitteilen, dass das Aktienkapital seit 2. April 1871 gesichert und gezeichnet sei. Von Regierungsseite
stand man diesem Vorhaben sehr positiv gegenüber, erhoffte man sich dadurch eine Belebung der Wirtschaft. Aus dem geplanten Unternehmen wurde dann aber schließlich doch nichts. Es sollte noch 10 Jahre dauern, ehe die Dampfkraft in der gewerblichen Güterschifffahrt auch auf der Unstrut Einzug hielt. Zur gleichen Zeit verfasste der königliche Baumeister Julius v. Opel aus Merseburg eine „Denkschrift die Einführung der Drahtseilschifffahrt auf der Saale betreffend“. Seine Vorstellungen betrafen nicht eine kleine Flussstrecke, wie die der Arterner Gesellschaft, sondern die Saale von Halle bis zur Mündung. Der Verfasser
Originalkette aus der Saale bei Brachwitz
erkannte die Notwendigkeit, das Schleppen der Kähne durch Zugknechte und -tiere auch auf der Saale abzuschaffen, da diese Methode inzwischen überholt war.
Modell des Elbe-Kettendampfers „Gustav Zeuner
Seiner Ansicht nach kam nur eine Kettenoder Drahtseilschifffahrt in Frage, da für Seitenrad oder Schraubendampfer die Schleusen zu schmal bzw. der Fluss durch Stromschnellen zu flach sei. Konkret schlug v. Opel die Einführung der Drahtseilschifffahrt vor. Er kam zu dem Ergeb-
nis, dass zwischen Halle und Saalhorn insgesamt fünf Seilzugschiffe zu stationieren seien. Die Schleppzüge, die aus zwei bis fünf Schiffen bestehen sollten, wären dann bei jedem Flussabschnitt vom nächsten Dampfer übernommen worden. Die Antriebsleistung der Seilzugschlepper sollte 20 PS eventuell auch 40 PS betragen. Für eine Fahrt von der Saalemündung bis Halle veranschlagte er, je nach Jahreszeit, 3 bis 4 Tage.
Ein Stück Elbekette im Verkehrsmuseum Dresden
Zur Verwirklichung dieser Idee kam es nicht, da u.a. hierfür die finanziell potenten Partner fehlten. Im Jahr 1872 war die Kette auf der Elbestrecke talwärts inzwi-
schen bis Wittenberge verlängert worden. Auf der Elbestrecke bergwärts war der Abschnitt Buckau-Schmilka seit 1871 durchgängig befahrbar. Im Herbst 1873 wurde auch die Saale an die Kettenschifffahrt angeschlossen, allerdings vorerst nur auf eine Länge von 21 km von Barby bis Calbe. Man sah in den sieben Schleusen zwischen Halle und Calbe, sowie in, durch das Fahrwasser bedingten Schwierigkeiten, zu große Pro-bleme für die Weiterführung bis Halle. Zwar drängten die anhaltinische Regierung und die Han-
Kettendampfer vor Würzburg
delskammer Halle auf eine Verlängerung, aber es änderte sich vorerst nichts. Im
Gegensatz zur anhaltinischen, schätzte man auf Seiten der preußischen Regierung die Weiterführung anders ein. Man hielt das Unternehmen erst nach dem Bau des geplanten Elster-Saale-Kanals und damit den Anschluss
Modell eines Kettendampfers
Leipzigs an die Kette für wirtschaftlich. Die Hallesche Handelskammer wendete sich energisch gegen diese Auffassung, da mit dem baldigen Beginn des Kanalbaus nicht zu rechnen war. Im Jahre 1881 erklärte man sich bereit, die Kettenschifffahrt erst einmal versuchsweise bis Halle weiterzuführen. Diese Zusage geschah unter der Bedingung, dass die
Kette bei Unrentabilität wieder entfernt werden dürfte. Es blieb allerdings vorerst bei der Absicht, da die Mittel für die hierfür notwendigen Wasserbauarbeiten über einen zu langen Zeitraum verteilt waren. Inzwischen hatten sich auch die Eigentumsverhältnisse in der Elbe – Kettenschifffahrt geändert. Ab 01. Januar 1882 hatte die am 13. September 1881 ge-
Kettendampfer SAALE No.6
Quelle: Sympher
gründete – KETTE Deutsche Elbeschifffahrts - Gesellschaft - Dresden die gesamte Kettenschiffahrt auf der Elbe in der Hand. Die Anfang 1884 gegründete - Elbe & Saale Dampfschleppschifffahrts-Gesellschaft Alsleben - rief die Kette aller-
dings sofort auf den Plan. Man befürchtete von dieser Seite eine starke Konkurrenz, eigentlich, weniger für den Saaleverkehr, mehr dagegen für die untere Elbe, die durch die neue Gesellschaft auch bedient werden sollte. Die Kette glaubte offensichtlich ihre Interessen auf der Elbe am besten geschützt, wenn sie den Saaleverkehr völlig an sich riss.
Kettendampfer vor der Schleuse Bernburg
Bis 1903 wurden drei weitere Kettendampfer als Ersatz- und Erweiterungsbauten in Dienst gestellt. Bald darauf erfolgte wieder eine Veränderung in den Besitzverhältnissen.
Die KETTE ging in den am 12.Dezember 1903 gegründeten -Vereinigten-ElbeSchifffahrts-Gesellschaften- Dresden(V E G ) auf. Mit der Zeit hatte die Ket tenschifffahrt ihren festen Platz auf der Saale gewonnen, auch wenn ihr Frachtvol lumen, entgegen dem anderer Saale-Reedereien nicht stieg. Die endgültige
Kettenschleppzug auf dem Neckar
Ablösung kündigte sich schon lange vor dem 1.Weltkrieg an. An den Gesamteinnahmen der KETTE bzw. VEG kam die Saalestrecke nie über 2,5% hinaus. So gesehen war das Verhältnis der Investitionen zum Ertrag sehr gering.
Der 1914 ausgebrochene Weltkrieg schädigte die gesamte Saaleschifffahrt stark. Besonders betroffen waren die an die KETTE gebundenen Kettendampfer. Die Wirren der Nachkriegszeit und der Inflation führten keine positiven Änderungen
Kettenschiff auf der Saale
herbei. Man entschloss sich schließlich die Kettenschifffahrt auf der Saale aufzugeben. Sie wurde am 01.September 1921 eingestellt. Im November des gleichen Jahres wurde die Kette aus dem Flussbett entfernt Damit endete eine inzwischen für
den Saalebereich überholte Schleppmethode.
Kettenschifffahrt auf dem Neckar
_________________________________________ Quellen: Bernd Schwarz, Helmut Faist Historisches vom Strom Schifffahrt auf Saale und Unstrut Band VIII, Verlag Krüpfganz, Duisburg, 1933 FITG – Journal Zeitschrift des Förderkreises Industrie- und Technikgeschichte e.V. Diese wurde verfasst und zusamNr: 01 Broschüre – 2007 April 2007
mengestellt von Udo Knape im Rahmen des Stadtmuseum Halle Projektes Ausstellungen des Peißnitzhaus e.V.
Diese Broschüre erscheint im Rahmen der Wanderausstellung „Inseln in der Stadt – Die Insellandschaft im Herzen von Halle“ des Peißnitzhaus e.V. Halle
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