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Öffentliche Bekanntmachung der Clanlords
from Bote von Karcanon 54
by Projekt Myra
von Ligurien
Der Tod unseres geliebten Hochlord Hextors erfüllt unsere Herzen noch immer mit Wut und Verzweiflung. Unser aller Haß sei den feisen Meuchelmördern auf ewig gewiß. Möge Borgon ihren Pfad kreuzen! Die Zeit der Trauer ist bei weitem nicht vorüber, jedoch müssen die Staatsgeschäfte weitergeführt werden.
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Hiermit lassen wir verlautbaren, daß bei der Versammlung der Clanlordös von Ligurien am 1. Marschäschwan 416 N.P. die Wahl eines neuen Hochlords, Lord aller Clanlorde Liguriens, stattfinden wird.
Zu Zeichen des Vertrauens in unseren künftigen Hochlord haben an diesem Tage, den wir für diesem Anlaß zu einem Feiertag erklären, allerorts in Ligurien orphalische Orgien stattzufinden, auf daß die Zeit der Trauer dann vorbei sei und wir alle mit Zuversicht der Zukunft harren.
gezeichnet die Clanlords von Ligurien
Folgen der Schlacht
Die große Schlacht ist mehr oder weniger glücklich geschlagen. Die Soldaten der Armee Baldor Seras’ wollen sich erholen, bevor es ın dıe nächste Schlacht geht. Doch es ıst ıhnen nicht vergönnt. Seltsame Dinge geschehen.
„Zenturio!“
Der Mann rennt aufgeregt aufdas Zelt seines Vorgesetzten zu, stoppt, zögert...
„Zenturio...“
Er trıtt vorsichtig ındas Zelt.
„Glandus, was istdenn so wichtig?“
Im Dämmerlicht des Zeltes kann Glandus, der gerade aus der Sonne komnmit, nur einen Schatten vor sıch erkennen. )
„es gıbt noch einen!“
„Was gıbt es? Noch einen? Noch einen -was?“
Langsam gewöhnen sich Glandus’ Augen an das Dunkel des Zeites, er kann nun seinen Zenturio besser erkennen.
„Einen Kranken!, Wir haben noch einen Kranken!“
„Noch einen? Und der?“
„Genauso! Die Heiler sınd ratios.“
„Wieviele sınd es nun?“
Glandus trıtteinen Schritt zurück.
„Dreiundzwanzig.“
„von meiner Hundertschaft.“
„Von Deiner Hundertschaft, Zenturio.“
„Geh’! Kümmere Dich weiter darum und sag’ den Heilern, wenn sıe nıcht bald etwas ausrichten können, werden sie kein schönes Leben mehr haben!“
‚Glandus verneigt sich und schleicht rückwärts aus dem Zelt.
Eın anderes Zelt ım riesigen Heer Bakanasans. Auch hıer wird ein Zenturio unsanft aus seiner Ruhe geweckt, alscin Dekurio seiner Einheit inseinZeit stürmt.
„Craius Trannus!“
Mit rasselndem Atem und hängenden Schultern steht der Dekurio vor Craius Trannus. Verzweifelt versucht erzu Luft zu kommen, um seine Meidung zu machen.
„Geduld, Dekurio!“
„Craius, Zenturio! Das Siechenzelt!“
Der Zenturio reicht seinem Unterführer einen halbvollen Becher Wein.
„Irınk! Was ıstmıt dem Zelt? Noch mehr Kranke? Isteseingestürzt?“
Er lacht launıg,
Mit zıtternden Händen trinkt der Dekurio gierig den Wein. Durch den Zelteingang dringen einige Sonnenstrahlen. In ihrem Licht erkennt Craius Trannus, ein für seinen Rang junger Mann, eine große noch frische Wunde ım Oberarm seines Dekurios. Er schüttelt sich.
„Was ıstdas? Bist Du noch im Krieg?“
Und wieder lacht er, er scheint überhaupt gerne zu lachen.
„Zenturio! Das -das habe ıch eben im Siechenzelt abbekommen. Du weißt, wir haben eine Menge Verwundeie dort. Es gab einen Tumult unter den Kranken. Sıe wollten einen der Heiler töten.“
„Einen Heiler? Sind die wahnsinnig? Vor Schmerzen...“
Folgen der Schlacht
„Herr! Sie behaupten, der Heiler hat drei von ihnen in der Nacht gebissen. Und er knurre öfters wie ein Wolf...“
„Haben die den Verstand verloren? Oder der Heiler? Und Deine Wunde?“
„Die Wunde? Als ich mit fünf Wachen dazwischen ging, hat mich ein Hund gebissen. Seltsam, die Wunde schmerzt fast nicht.“
„Ein Hund im Siechenzelt? Welch ein Chaos! Nun ja, im Krieg gegen die Chaosmächte...“
Ir lacht über seinen Witz.
„Geh’! Versorge Deine Wunde und sieh dort nach dem rechten. Ich komme nachher auch vorber!“
Der Dekurio verneigt sich.
„Jawohl, Crraius Ürrrannus!“
Verwundert sieht Craius Trannus dem Dekurio nach. Das eben klang doch wie...
„Schwachsinn!“
Er lacht wieder. Diesmal aber etwas unsicherer.
Prokonsul Baldor Seras starrt mit Abscheu auf die elf Leichen, zu denen man ihn geführt hat. Selbst die abgebrühten Männer seiner Leibgarde scheinen entsetzt. Diese Leichen, das waren keine Männer, die im Kampf gefallen sind, jedenfalls nicht durch Schwert und Lanze. Zumal der Kampf schon drei Tage her war.
An einen Heerführer rechts neben sich gewandt:
„Nimm Dir fünfzig Mann und durchsuche das Lager nach wilden Tieren! Ich will noch heute vor der Dunkelheit einen Bericht! Rasch!“
Der Angesprochene verneigt sich und rennt nach hinten weg, man hört ihn mehrere Namen rufen. Baldor Seras macht eine Handbewegung auf die Leichen zu. Er erhebt seine Stimme.
„Gorto Magus! Deine Hunde!“
„Herr!“
Ein breiter, grobschlächtiger Mann führt drei sich wild gebärende Hunde heran. Mühevoll behält er die Kontrolle über sie.
„Die sollen die Witterung aufnehmen, vielleicht finden sie eine Spur der Bestien! Was...?“
Die Hunde, welche sich eben noch so wild und ganz wie echte Bluthunde benahmen, drängen von den Leichen weg. Mit eingeklemmten Schwanz drängen sie sich winselnd an ihren Führer. Der versucht sie mit Stockhieben etwas aufzumuntern. Erfolglos.
„Magus! Was hast Du da? Winselnde Welpen? Deine berühmten Biuthunde?“
„Herr, ich weiß nicht,... Warum...“
„Hör auf zu stammeln! Bringe sie weg!“
Mit einem Blick auf.die zerfleischten Leichen:
„Und verbrennt diese da!“
„Ilerr, verbrennen”...
„Hörst Du schlecht? Verbrennen! Wer weiß, wie das hier geschehen ist, wer oder was das getan hat! Wer weiß wozu verbrennen gut ist.“
In Gedanken versunken winkt er seiner l.eibgarde und verläßt den Ort.
„Hunde haben Angst vor Leichen, ... zerfleischt, ... Hunde, ... hmm, ...“
„Herr?“
Ungefähr zur gleichen Zeit im Heertroß Quadrophenias. Den Soldaten hier ist es nicht vergönnt, sich zu erholen, sie ziehen mit dem gesamten Troß weiter. Die Frauen einiger Bauern der Umgebung ‚haben sich dem Heer angeschlossen. Ein Teil von ihnen hat außer dem Leben nichts über befhätten. Die Schergen Zardos’ waren wie Tiere. So versuchen diese
Frauen, sich ihr Brot zu erbetteln oder, was die Soldaten weitaus lieber sehen, verkaufen sich für etwas Nahrung.
„He, Du! Der mit der dicken Beule unterm Kampfrock! Was istdas? Brot?“
Die Frau wippt kokett mit ihren Hüften. Der angesprochene grinst ihr zu, sıeht fragend zu einem Gefährten und schleicht aufdıe Frau zu.
„Ha! Brot ıst das nicht, aber wenn es wächst, kann Brot für Dich daraus werden! Eine Schönheit bist Du nicht, aber ich bin ja kein Unmensch! Komm, koste mal! Du wirst schon sehen!“
Sie lacht, greift ihm an seinen Rock. Einen Moment scheint steangewidert, hat sichJedoch bald wieder unter Kontrolle.
„Komm dort! Die Felsen! Nun komm schon!“
Sie zieht ihn hinter eine kleine Felsgruppe. Die Kameraden des Soldaten lachen sıch laut zu.
„Laß sie heil, Du altes Schwein! Wir wollen auch mal. Wir haben auch noch Brot! Hahaha!“
Ein Schrei dringt aus dem Versteck.
„Was ist,hat sie indas Brot gebissen?“
Die Meute grölt ob des rüden Scherzes. Kurze Zeit später erscheint der Soldat wieder. Sein Hemd istoberhalb des Gürtels biutverschmiert.
„Ahhrrg! Man, die hat’s drauf!“
„Und beißen kann die!“
Alle lachen wieder. Die Frau kommt hinter den Felsen hervor.
„Das istein Mann! Nicht so, wie die Waschweiber vom Erkundungstrupp!“
„Wie, Du hast auch die vom Erkundungstrupp bedient? Die aus der Wolke? Ja, konnten die überhaupt noch? So kaputt, wie die sind?“
Die Frau grinst:
„Von denen habe ich das gelermt, was Eurem Kameraden so gefiel! Gib mır nun mein Brot! Rrırrr!“
„Ho, gib es ıhr, hörst Du, wie sie knurrt? Hahaha!“
An einem kühlen und windigen Abend im Palast zu Rhykor..
Heda, Andria, komm doch mal her, hast du schon gehört? Gehört? Was denn gehört, du sprichst wie immer in Rätseln, kannst du dich nicht einmal eindeutig ausdrücken? Du glaubst wohl, nur weil ich ein einfaches Zimmermädchen bin und keine edie Zofe wie du, kannst du deine Späße mit mir treiben.
Nun sei doch nicht gleich beleidigt! Außerdem hat das garnichts mit deiner Stellung zu tun, daß ich meine Späße mit dir treibe, es liegt eher an deiner Intelligenz!
Dann ist ja gut, ich dachte schon, du würdest dich über mich lustig machen. Könnte ich mir doch garnicht erlauben, würdest du doch sofort merken.
Ja, so, genau so ist das, aber erzähl mir doch endlich was ich gehört haben soll, ich bin doch so schrecklich neugierig!
Wenn du mal endlich still sein würdest, hätte ich dir schon längst die ganze Geschichte erzählt. So paß also auf:
Die Frau des Hochlords, Adalgisa, ist auch an einer der Seuchen erkrankt, ich habe sogar gehört, daß es eine ganz besondere sein soll, die mit der Zeit immer mehr die Sinne vernebeln soll.
Wie schrecklich, ich hoffe ich habe mich noch nicht angesteckt!
Da sei ganz beruhigt, da die Krankheit den Geist eines Menschen befällt, bist du sicherlich vor ihr gefeit!
Na dann bin ich ja erleichtert!
Gut, nun hör weiter zu:
Man sagt, es verschlimmert sich von Tag zu Tag und sie verwirrt immer mehr.
Neulich hat sie noch nicht einmal ihren eigenen Gatten erkannt, was seine sowieso schon arg belastete ehrenwerte Lordschaft nur noch mehr in Mitleidenschaft zieht.
Wieso? Hat er sie nicht damals nur wegen irgendwelcher Streitigkeiten zwischen den Clans geheiratet, um diese zu schlichten? Es ging doch um. Um was ging es doch gleich dabei?
Ja, genau darum ging es damals! Und um ihre Stellung zueinander weiß doch jeder hier im Haus, aber dennoch ist sie doch sein Weib, auch wenn er sie nicht liebt.
Diese Adligen soll nun einer verstehen...
Mit ihrem umnachteten Sinnen ringt sie Tag und Nacht um ihren Verstand und keiner konnte ihr bisher helfen. Ist das nicht schrecklich?
Wieso schrecklich, wird sie durch diese Krankheit etwa zum Burundi? Ach, laß besser gut sein, ich glaube dieses Gespräch beansprucht dein geringes Gemüt zu sehr.
Wie sehr du dich doch um mich sorgst, ich danke dir!
Ja, ja ich mach’ mich jetzt lieber wieder an die Arbeit und rupfe noch die Hühner für morgen, die verstehen mich eher...
Etwas entfernt klappt eine Tür und beide zucken verschreckt zusammen.
Sie wenden sich eiligst zum gehen, nicht ohne sich vorher einen verstohlenen Blick zugeworfen zu haben
Michiko’s Heimkehr
Michiko’s Tagebuch
Eintrag vom 2. Elul ich binjetzt mit ihm verheiratet. Oh mein Gott! Ich kann es noch gar nicht fassen! Noch vor ein paar Wochen dachte ich, die Frau des Steg’ker von Tharan zu werden. Dann mußte ich mit Bitternis hinnehmen, daß eine andere meinen Platz einnahm. Schließlich wendete sich alles zum Guten. Ich lernte den Mann kennen, der nun neben mir und mit mir Richtung Crisis, Richtung Heimat reitet, den ich nun „meinen Mann“ nennen kann, den ich liebe! Was bin ich glücklich!
Eintrag vom 10. Elul Wir nähern uns der Heimat. Die Reise war nicht lang, aber beschwehrlich. Zudem kann ich es nicht abwarten, meinen Herm, Ermobaron, wiederzusehen. Wird er sıch immer noch ‚der Prächtige“ nennen können? Viele Gerüchte um seinen Zustand sind mir aufunserem Weg zu Ohren gekommen. Ich bete, daß nichts an ihnen sein möge.
Eintrag vom 14. klul Crisis istjetzt nur noch ein paar Tagesreisen entfernt. Mein geliebter Gatte schaut manchmal etwas seltsam, wenn uns Menschen meines Volkes begegnen. Sie erscheinen ihm so fremd. Ich muß immer kichern, wenn ich seine verwunderten Blicke wahrnehme. Aber mit meiner Hilfe wird er sich sicher an seine neuen ‘Landsleute’ gewöhnen.
Alles ist so schön! Nur seltsam, daß uns noch kein Reiter von Ermobaron begegnet ist. Sollte eretwa die Botschaft von unserer Ankunft nicht erhalten haben?
Tagebuch von Suslin, Schatzmeister des Palastes von Crisis
Eintrag vom 14. Elul Heute Unterredung mit Ermobaron. Schrecklich. Er scheint sich nur noch den Gelagen hingeben zu wollen. Es interessiert ihn gar nicht, woher das Geld kommt. Es wird Zeit, etwas zu tun.
Eintrag vom 16. Elul Heute wieder Unterredung mit Ermobaron. Seine Vergnügungs- und Verschwendungssucht ist unverändert stark. Er schert sich einen Dreck um die leeren Staatskassen, das Murren der Beamten, die Armut des Volkes,. Wenn doch nur
Michiko wiederkommen würde! Lange kann ich die Verschwörer nicht mehr hinhalten. Noch fünf Tage Frist haben sie mir gegeben, dann soll ich Ermobaron das Gift geben
Michiko’s Tagebuch
Eintrag vom 17. Elul
Langsam wird mir bang um’s Herz. Ich frage mich, warum die Leute so verstockt werden, wenn die Rede auf ihren und meinen Herren, Ermobaron, kommt. Niemand scheint mehr ein Wort über ihn verlieren zu wollen, weder ein gutes noch ein schlechtes. Und alle Dörfer sehen so heruntergekommen aus. Was ist nur in meiner
Heimat geschehen? Hat etwa mein Herr, mein Oheim, der mir wie ein Vater war, der mir so viel gegeben hat -hat erdie Verantwortung für all’ dies ?
Eintrag vom 19. Elul
Noch eine Tagesreise bis Crisis. Mein Mann schaut immer verwunderter. Aber jetzt teile ich seinen Blick. Es scheint schlecht um dieses Land zu stehen. Ich bin mir inzwischen gewiß: Ermobaron istentweder entmachtet, ermordert, verschleppt, oderschuldig.
Tagebuch von Suslin
Eintrag vom 20. Elul, morgens
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Die Verschwörer lassen sich nicht länger hinhalten, obwohl ich Nachricht über Michiko’s baldige Ankunft bekommen habe. Morgen Abend, bei Ermobarons nächstem Groß-Gelage, wollen sie, daß ich ihm einen ganz ‘besonderen’ Wein gebe - seinen letzten! Und wenn ich Michiko oder Ermobaron davon erzählen sollte, wäre es um mich geschehen.
Möge doch ein Wunder geschehen!
Michiko’s Tagebuch
Eintrag vom 20. Elul, später Abend
Ich bin entsetzt. Die schlimmsten Befürchtungen haben sich bewarheitet. Ermobaron ist in einem furchtbaren Zustand. Suslin hat-mir erzählt, was in den letzten Monaten passiert ist. Ermobaron hat sich nur noch den körperlichen Freuden hingegeben. Wein, Weib und Gesang. Ich wußte ja schon immer, daß er solchen Dingen nicht abgeneigt ist. Aber inzwischen scheint das Schlechte in ihm die Oberhand gewonnen zu haben. Wie Suslin mir berichtete, sind die Staatskassen auch leer. Sein schnödes Vergnügen scheint ihm wichtiger zu sein als der Hunger des Volkes.
Suslin macht mich nachdenklich. Als wir uns unterhielten, war ein Blitzen in seinen Augen, ein Blitzen, das ich bei ihm noch nıe entdeckt habe. Was hat das zu bedeuten ?
Tagebuch von Suslin
Eintrag vom 21. Elul, am Morgen
Dies sind die letzten Worte, die ich OHNE SCHULD in dieses Tagebuch schreiben werde. Soll ich es wirklich tun? Und was, wenn der Mordanschlag Erfolg hat? Die Verschwörer würden sich bestimmt nicht nur dem Vergnügen hingeben, wie Ermobaron es tut. Aber täten sie wirklich alles zum Wohle des Volkes? Mag sein, daß sie es vorhaben. Aber sie wären nicht die ersten, die aus guten Absichten eine grausame Realität machen.
Vielleicht gibt esnoch einen Weg. Aber ich muß ihn allein gehen.
Michiko’s Tagebuch
Eintrag vom 21. Elul, am späten Abend
Das Unglück scheint noch einmal’ von unserem Volk abgewendet worden zu sein; doch nicht ohne einen hohen Preis.
Ermobaron hatte mich und Harun auf ein riesiges Fest eingeladen. Ich war erstaunt, welche Mengen an köstlichstem Essen, Künstlern und schönen Frauen aufgetischt wurden. Alles, um mich und meinen Mann in die Gesellschaft einzuführen? Mitnichten! Das Fest war schon lange geplant gewesen, und wir waren eher als Zuschauer denn als Teilnehmer anwesend. Ich hätte meine Augen am liebsten abgewendet. Harun war wütend und wollte aufbrechen. Ich schämte mich, ihm so ein Bild von meiner Heimat präsentieren zu müßen und von dem Mann, über den ich so viel Gutes erzählt hatte.
Da geschah das Schreckliche. Als das Fest sich schon zu einer rauschenden Orgie entwickelt hatte, stand Suslin, der Schatzmeister, von seinem Platz auf, an dem er schon lange nervös gesessen hatte. Er schob sich durch die wogende Menge vergnügungssüchtigen Fleisches, auf Ermobaron zu. Unter dem Arın tnıg er eine Flasche Wein. Das Blitzen seiner Augen kam mir wieder in den Sinn. Angst stieg in mir empor. Was hatte das zu bedeuten? Ich rechnete mit allem.
Da sprang Suslin auf den Tisch Ermobarons und schaute ihn mit den gleichen blitzenden Augen an. Ermobaron ließ die Frau, die er gerade in den Armen hatte, zu Boden fallen und bedeutete der Musik, auzuhören. Der ganze Saal richtete seine Aufmerksamkeit auf Suslin.
Dieser begann zu sprechen:
„Ermobaron, mein Herr. Mein Gebieter. Ich kann nicht länger schweigen. Ich muß euch die Wahrheit gestehen. Ich bin Teil einer Verschwörung gegen euer Leben.“
Im Saal herrschte Totenstille.
„Ich habein dieser Flasche einen Wein, der dem, der ihn trinkt das Leben rauben wird.“
Er schlug den Flaschenhals aufden Tisch. Dieser zerbrach, und Suslin hielt den Rest der Flasche in seiner Hand.
„Doch ich kann gegen euch nicht vorgehen. Obwohl ıhr diesen Palast, diese Stadt, dieses Land, ja, unser Volk in die Armut treibt, kann ich den Eid der Treue, den ich euch gab, nicht brechen. Doch ihr sollt sehen, was ein Mann tut muß, um mit seinem Gewissen ins Reine zu kommen.“
Und mit einem Zug trank Suslin die Flasche aus.
Sein Gesicht begann sich zu verzerren, sein Körper zuckte, er stürzte auf den Tisch! Mit Schaum vor dem Mund und unter röchelnden Atemstößen wand er sich in seinem Todeskampf. Nach wenigen Sekunden war alles vorbei. Doch auch die Augen des Toten blitzen. Sie waren aufden Platz gerichtet, an dem Ermobaron saß.
Mein Herr, mein Oheim, der Vater, den ich nıe hatte: er schien wie verwandelt. Er schaute entsetzt aufden toten Suslin, auf sich, aufdie erstarrte Menge und -fing an zu weinen.
Eintrag vom 22. Elul Ermobaron hat sich geändert. Der Tod Suslins ist nicht umsonst gewesen. Heute hat der alte und neue Herrscher von Crisis eine Rede vor dem Volk gehalten, die uns noch lange im Gedächnis bleiben wird. Sie wird ıhm das Vertrauen in Ermobarons Führungskraft wiedergeben und die Hoffnung aufeine bessere Zukunft:
„Bürger von Crisis, Volk der Crisen,
Lange habt ihr vom mir nichts gehört als üble Rede. Ich rannte nur dem eigenen Vergnügen hinterher und kümmerte mich nicht um euer Los. Gestern sind mir auf schreckliche Weise die Augen geöffnet worden.
Suslin, Schatzmeister des Palastes von Crisis und einer meiner treuesten Gefährten, hat sich das Leben genommen. Er hat damit ein Zeichen gesetzt, das dem ganzen Land noch lange im Gedächnis bleiben wird. Ein Zeichen zur Umkehr. Das war mir eine Lehre.
Ab jetzt ist es vorbei mit den Gelagen und den Festen. Ruhe soll wieder einkehren in unser Land. Und ich will mich wieder der Politik widmen, dem Streben nach einer glücklicheren Zukunft für uns Alle!
Suslin bleibe ewig in unserem Gedächnis als Mahner des rechten Weges. Heißt mit mir nun Michiko willkomen, die ich fortan meine Tochter nennen will, und Harun El Darkhon, Freund und Berater des Steq’ker von Tharan, jetzt der angetraute Gatte Michikos. Ihn will ich - so denn er will - meinen Sohn nennen.“
Als Ermobaron diese Worte gesprochen hatte, vielen er, Harun und ich uns in die Arme. Das Volk begann zu tosen vor Begeisterung. Es hatte wieder Grund zur Hoffnung.