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Mißgeschicke
from Bote von Karcanon 54
by Projekt Myra
Seht ihr denn den Felsbrocken dort vorne nicht, steuert ihr Hunde! Die Muskeln des Mannes am Ruder des kleinen Floßes spannten sich als drohe die Haut über ihnen zu zerreißen. Auch die anderen Männer, die mit langen Stangen versuchten das Floß in der Mitte der Stromschnellen zu halten, arbeiteten in äußerster Anstrengung. Doch der von Gischt lörmlich verschleierte Feis kam unaufhaltsam näher. In den Stromschnellen, die der Kandy beim Verlassen der Götterberge bildet schien das Wasser fast zu kochen, so brodelnd und aufgewühlt überwand es den Höhenunterschied hinab ins Tiefland des jetzigen Tals des Todes. Die Seile, die die kleine Flotte beisammen halten sollten waren bis zum Zerreißen gespannt. Weiter nach Steuerbord schrie der Bootsführer des letzten Floßes und versuchte mit größter Anstrengung das Ruder gegen die gewaltige Kraft des Stromes herrumzudrücken. Auch die helfenden Hände zweier herbeispringender Kammeraden konnten das Unglück nicht mehr abwenden; mit einem plötzlichen dumpfen Stoß prallte das Fahrzeug mit der Gewalt der vorantreibenden Wassermassen an ein unsichtbares Hinderniß. Erschrocken konnten die Männer gerade noch verhindern, in die Fluten katapultiert zu werden. In diesem Moment zerriß das aufs äußerste gespannte Halteseil mit einem lauten Krachen, daß sogar das Tosen des Kandy übertönte. Von dieser Kraft befreit, wurde das Floß nun vom wirren Treiben der Fluten unkontrolliert vorangetrieben, wobei es sich wie ein Kreisel drehte und tanzte. Keiner der Männer dachte auch nur daran, zu versuchen, es wieder unter Kontrolle zu bringen. Jeder war nur damit beschäftigt sich möglichst gut festzuhalten, um nicht von den Balken geworfen zu werden, die wie ein bockendes Wildpferd bei der Zähmung auf dem schäumenden Wasser hin und her geworfen wurden.
Als das wilde Schaukeln und Drehen nachließ und auch das Floß nicht mehr permanent von Wassern überspült wurde öffnete die Besatzung wie zum ersten Mal seit Tagen wieder die Augen, um auf einen scheinbar ewig lriedlichen Kandy zu blicken. Jeder Muskel schmerzte von der Anstrengung wie nach unsäglichen Torturen und die Augen brannten. Viele waren auch jetzt noch nicht in der Lage ihre Umklammerung der Hölzer aufzugeben, doch schafften sie es mit Mühe das Floß wieder auszurichtenund zu manövrieren. Von den anderen Booten der Gruppe war nichts mehr zu sehen.
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Der Strom machte hier einen weit ausgezogenen Bogen hinter dem eine sandige Bucht mit ruhigem Wasser auftauchte. Zur Verwunderung aller rasteten zwie Männer am Uler des Fiusses an einem kleinen Feuer, von denen einer nachdem auch er sie bemerkt hatte sofort aulsprang und zu einem von zwei mitgeführten Säcken sprang und diesen zuband. Auch der andere, in eine schwarze Kapuzenrobe gekleidete Mann, packte eiligst einige herumliegende Gegenstände zusammen und wollte sich zum gehen wenden. Als die Floßbesatzung jedoch weiter auf die Bucht zuhielt, gaben beide ihre Aktivitäten auf und liefen zum Strand, um beim Anlanden behilflich zu sein.
Der kleinere von beiden war ebenfalls in eine eigentümliche schwarze Kapuzenrobe gekleidet. Er schien mißgestaltet zu sein, was jedoch durch das Ungetüm von Mantel nicht klar festzustellen war, lediglich ein deutlicher Buckel war zu erkennen.
Ohne zu reden halfen sie der Besatzung alles auf dem Floß verbliebene abzuladen und es an Land zu ziehen.
Erst jetzt begann der Größere zu reden. Er stellte sie beide in einem tremdländischen Akzent als reisende Händler vor. Lag es nun an diesem Akzent oder an der Unaussprechlichkeit ihrer Namen, niemand der Floßfahrer hatte diese so recht verstanden, geschweige denn behalten können.
Während der Mißgestaltete weiterhin stumm blieb, 1ud der Große zu einer Rast und einem angeblich wertvollem und äußerst seltenem schmackhaftem Tee ein, den er gerade erst selbst erstanden hatte. Sie seien von Bakanasan aus, wo sie einige Geschäfte zu erledigen hatten, wieder in ihre Heimat unterwegs. Auf die Frage warum sie ausgerechnet den gefährlichen Weg durch die verseuchten Gebiete der Wolke und das Land der Burundi Pottuvil nahmen gaben sie zwar eine Antwort, doch wieder konnte sie keiner so recht verstehen. Auch wie sie den in dieser Gegend furtlosen Kandy mit Pferden und scheinbar schwerer Ladung überquert hatten blieb ungeklärt. Nach der Art ihrer Handelwaren gefragt, gab der große Fremde wiederum unverständlich Antworten oder konnte sich wieder nur keiner mehr an sie erinnern?
Während der folgenden Unterhaltung stellten sich auch die Angelandeten vor, wobei sie es tunlichst vermieden, etwas über ihre eigentlichen Ziele verlauten zu lassen.
In einiger Entfernung am Rande der Ufervegetation, standen die drei Pferde der Fremden und zwei dunkle Säcke, von denen sich der eine in der herreinbrechenden Dämmerung zu bewegen schien. Ob der fesselnden Erzählungen des Großen beachtete jedoch keiner diesen Zustand weiter. Auch als der Bucklige aufstand, um dem Sack einige Tritte zu verpassen, nahm das keiner mehr so richtig wahr. Immer mehr senkte sich die herreinbrechende Nacht nicht nur über das Land, sondern auch in die Geister und Gemüter der Reisenden.
Am nächsen Morgen erwachten die Fioßfahrer wieder aus einem erholsamen Schlaf, doch es waren keine Spuren der Fremden mehr zu erkennen, oder waren da überhaupt Fremde gewesen? Es brannte doch ein Feuer? Doch sie lagen alle wie Gestrandete auf dem vom Morgentau feuchten Sand des Kandyufers. Auch in der näheren Umgebung waren weder Pferde- noch Menschenspuren zu entdecken.
Leicht verwirrt packten sie ihre Ausrüstung, die ihnen die Gewalten des Kandy gelassen hatten zusammen und schoben wieder ihr Fioß in die Fluten. Sie mußten sich beeilen, um den Rest der kleinen Flotte wieder einzuholen, oder gab es diesen Rest überhaupt noch?
Sie setzten ihre Fahrt auf dem samft dahinströmenden Kandy fort. War auch die Anstrengungen der gestrigen Stromschnellen nur eine schlechte Erinnerung? Einige Biegungen weiter machten sie kleine dunkle Punkte in einer Bucht aus. Eine weitere seltsame Begegnung, ein weiterer Traum?
Beim Annähern schälten sich aus den anfänglich diffusen Punkten jedoch die Umrisse von Menschen und Flößen herraus. Es waren die restlichen neun Flöße, die die Stromschnellen anscheinend unbeschadet überstanden hatten und in dieser Bucht auf das letzte vermißte Floß warteten.
Die Mannschaften an Land waren gerade dabei ihre Ausrüstung auf den Flößen zu verstauen, als sie die Herrannahenden entdeckten.
Als sich die wiedervereinigte Flottille wieder in Bewegung setzte wußte keiner auf dem letzten Floß mehr so genau was in der letzten Nacht geschehen war und sie verloren auch kein Wort mehr über diese Ereignisse. Welche Ereignisse?!