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Kulturen, Namen und Kulturelle Aneignung
from Bote von Karcanon 73
by Projekt Myra
Das Jahr der Ratte ist gegessen – Kulturen, Namen und Kulturelle Aneignung – Ein Vorwort
Saluton – Seid gegrüßt, liebe Freund*innen Myras!
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Es gab dazu gerade ausgehend von diesem Beitrag eine Diskussion im Discord. "Ist nicht alle Kultur Myras von irgendwo inspiriert, also übernommen", lautete sinngemäss eine eher rhetorische Frage auf meinen kritischen Hinweis auf "kulturelle Aneignung". Inspiriert? Sicher. Aber... und da wird es länger: Ich denke es gibt einen Unterschied zwischen "sich inspirieren lassen" und "klauen" einerseits, vor allem bei nicht gemeinfreien Autor*innen, was zum Teil ausdrücklich anhand der Namen gut erkennbar ist. Im Artikel Namen auf Myra bin ich darauf schon ausführlicher eingegangen. Und nein, es hilft nicht zu sagen, dass Anna&Elsa als Namen von zwei Schwestern auch anderswo vorkommen und dass die eigene Heldin namens Mulan sich ja auf die Legende statt auf den Film bezieht. und zwischen "sich inspirieren lassen" und "kultureller Aneignung" (im US-Kontext aber auch im "westlichen" Kontext vor allem aus Kulturen benachteiligter oder kolonalisierter Völker bzw aus Kulturen die im eigenen Land eine sozial eher benachteiligte Minderheit darstellen. Offensichtlich schwwieriger festzunageln, aber gerade bei den Namen leicht zu vermeiden. Und dann gibt es noch den Kraut&Rüben-Ansatz von Kultur - oder Nougatcreme und Parmesan, aus meiner Küche, in der ich die These vertrete dass fast alle warmen speisen entweder von der Zugabe des einen oder des anderen pürofitieren können, aber fast nie von der Zugabe von beidem gleichzeitig. Sprachen sind mir wichtiger, anderen Leuten ist Architektur oder Kleidungsstil wichtiger, ich denke unmodifizierte Namen können leicht vermieden werden, andere achten vor allem auf anderes Wenn wir ein - zum Beispiel - eher norddeutsch kulturell geprägtes Reich haben, nennen wir es Panur, mit Charakteren die Hauke und Imke und ähnlich heissen. Dann stechen Charaktere die plötzlich Pablo Sanchez oder Hernando Cortez heissen heraus, vor allem wenn es weit und breit keine Kultur gibt in der spanische Namen heimisch sind. Wenn Panur dann auch noch typisch chinesische Pagoden baut und Frauen im indischen Sari und Männer in Bayerischer Seppelhose Manitou anbeten und aus dem Rauch der Friedenspfeife Dschinns aufsteigen lassen und "das Kriegsbeil begraben", während der Herrscher sich "Noir Panther" nennt und ein besonderes Metall bei sich heimisch haben will aus dem man Wunderwaffen schmiedet... dann wird es lächerlich. Dazu passt dann der Nationalsport Panurs, das Football bei dem ein Lederball zwischen zwei Pfosten geschossen wird und als Göttin verehrt wird, der man mit Bier und Würstchen huldigt. Panur ist jetzt natürlich ein fiktiver Fall aus mehreren realen Fällen zusammengebaut. Aber ich finde die ganzen Fälle ziemlich grausig schlecht. Und wenn alles bei einem Spieler vorkommt, der immer mal wieder mit einer völlig neuen (nicht originellen, sondern irgendwo direkt übernommenen) Idee kommt, die er im selben Reich umsetzen will ohne sich Gedanken darüber zu machen ob und wie das zusammenpasst... dann ist das anstrengend. Lächerlich schlechter Weltenbau macht zuviel kaputt, selbst wenn jemand dabei keine Urheberrechte und Markenrechte verletzt. Leute die nur ihren Spass als oberstes setzen nehmen mir die Freude. Und eben nicht nur mir. Leute aus nichtwestlicher Kultur freuen sich durchaus, wenn ihre Kultur auch einmal repräsentiert
wird, etwa afrikanische Fantasy repräsentiert wird wie in den Wagadu-Chronicles eines Italo-Afrikaners aus Berlin, die ich euch als spannend empfehle. Aber nicht wenn ihre Kultur nur als "Raubkunst" in den Museen der Kolonialländer steht, und nicht wenn sie ohne Sinn und Zusammenhang (um nicht ohne Verstand zu schreiben) als Gemischtwarenladen für Fantasydekoration herhalten soll, aus dem sich die Mehrheitskultur für ihren Schreibfasching bedient. Nichts gegen, zum Beispiel, eine indisch oder persisch oder arabisch inspirierte Kultur, die versucht der kulturellen Sinnhaftigkeit des Originals gerecht zu werden. Dazu muss man aber zumindest auch respektieren dass das (mindestens) drei sehr unterschiedliche Kulturen (und Volksgruppen) sind. Auch nichts dagegen, dass Nachbarländer dann kulturelle Einflüsse daraus, idealerweise in Absprache mit den Kulturverantwortlichen, jedenfalls aber in Absprache mit der Spielleitung, behutsam in ihre Kultur einfliessen lassen. Und dann sollte man immernoch die Namen ändern oder zumindest abwandeln, und kulturgeschichtlich auf Myra herleiten, wie das bei der Semareo-Kultur von Kokyo geschehen ist. Und: Die Kulturhoheit eines Reichsspielers erstreckt sich nur auf den eigenen Teil Myras, in der Regel auf das Reichsgebiet, nicht auf aussermyranische Ebenen und Himmel und Höllen... Es gibt keine Teufel in Myras Unterwelt. Das gilt auch für den Glauben an Elementarebenen und Wesen die nicht auf der materiellen Ebene Myras zuhause sind. Den Glauben im eigenen Reich an all so etwas darf jemand natürlich beschreiben wie gewünscht, sofern die obigen Richtlinien (Regeln sind es ja nicht) dabei berücksichtigt werden- Aber daraus folgt Null spieltechnische Wirkung, in D&D oder WdW. Auch neue Religionen dürfen Spieler*innen natürlich erfinden und beschreiben - solange nicht mehr Wirkung beansprucht wird als etwa hierzulande bei der Homöopathie - also nicht über den Placebo-Effekt bzw die Autosuggestion hinaus. Ob eines Tages eine echte Gottheit sagt: "Okay, die sind zwar seltsam aber die nehme ich, weil deren Glauben meine spirituelle Energie verstärkt" entscheidet die zuständige Segmentsspielleitung (Gerne auch in Absprache mit der Spielleiterversammlung) Und danach, aber eben erst danach, bekommen die Priester auch die göttliche Kraft Wunder zu wirken. Vorher können sie natürlich Magier in Priesterroben sein, wie bei Gläubigen des Argendor (der real ist, aber keine Macht hat oder verleihen kann) bisweilen üblich. Meine Meinung ist für alle Kontinente oder genauer Segmente, die mindestens nominell andere Spielleiter haben, überhaupt nicht massgeblich. Sie ist aber Grundlage der Entscheidungen, die ich aus meiner Verantwortung für die Segmente treffe, welche in meiner Verantwortung sind. In der Regel (und am liebsten) treffe ich solche Entscheidungen aber nicht allein im stillen Kämmerlein (und nicht nach der berüchtigten "Fliege an der Wand") sondern in Absprache mit einer Co-Spielleitung. Für Panur mag das bedauerlich sein, wenn es auf Karcanon liegt oder auf einem Segment das wegen ersatzlosem Ausscheiden seines SLs an den VFM-Kulturwart in Nachfolge der Zentralen Spielleitung zurückfällt, eine Person die dann Dinge streicht die sie auf Myra nicht verantwortlich akzeptieren kann. Aber auch nachträglich kann man bereits von einem Spieler eingeführte Namen ändern (auch von erdachten übermyranischen Wesenheiten), oder durch andere als "gebräuchlicher" definierte Namen ersetzen... oder die Charaktere (Wesen, Dinge) mit unpassenden Namen zur Ruhe setzen und der Vergessenheit anheim fallen lassen. Der Bund der Blumen hat damit ja in mehreren Reichen schon gute Erfahrungen gemacht. Zu lang für Discord, darum hier. Ich freue mich aber auch hier auf eure Kommentare unter dem Beitrag im Blog, wo sie nicht so leicht wegscrollen wie auf Discord.
Erst einmal viel Freude beim Lesen – Agape n'Or – WGW und Franz