pflichtlektüre Studierendenmagazin für Dortmund
TEURE FREUNDIN Tagsüber ist Pia an der Uni, nachts mit ihren Kunden unterwegs. Pia arbeitet als Escort-Dame.
GELD
Der kleine Unterschied: Gender Gap beim Einkommen
MACHT
Studierende üben Politik: Der Streit im StuPa vor Gericht
LIEBE
Drum prüfe wer sich ewig bindet: Therapeut warnt vor früher Ehe
022017
EINS VORAB
STEIN, KREUZ, QR-CODE: SO SIEHT DIE MODERNE GRABSTÄTTE AUS
VON LUKAS HEMELT
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a, ist euch etwas aufgefallen? Kommt euch das Heft, das ihr in der Hand haltet, größer vor? Die pflichtlektüre ist nicht mehr die Alte – zumindest, was Material und Format angeht. Wir drucken das Magazin seit der vorigen Ausgabe klimaneutral auf umweltfreundlichem Recyclingpapier. Dafür bekommen wir jedes Mal zwei Klimazertifikate – zu finden ganz hinten in der Ausgabe – und unterstützen durch unseren Druck sogar Klimaschutzprojekte. (Welche? Klickt euch rein: www.klima-druck.de/balance-info.php). Außerdem ist diese pflichtlektüre-Ausgabe die erste im A4-Format: So muss beim Druck nichts mehr weggeschnitten werden und wir produzieren weniger Papiermüll. Man tut eben was man kann. Neben Material und Format kommen jetzt mal wieder neue kreative Köpfe in die pflichtlektüre-Redaktion. Für das letzte Rennen haben wir „alten Autoren“ uns noch einmal so richtig ins Zeug gelegt. We proudly present: Unsere letzte Staffelbesetzung.
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SCHATZI SCHON IM STUDIUM GEHEIRATET
An der Uni: Martin, der mit den tierischen Begleitern Henri und Mukkel auf den Grünflächen der TU Kaninchen jagt. In der Liebe: Lara, die Beziehungen und Hochzeiten im Studium auf die Probe stellt – und vielleicht auch die eigene? Auf dem Titel: Michelle, die das Doppelleben einer Studentin als Escort-Girl beleuchtet. Außerdem: Janis und Timo mit ihrer Enthüllungsstory rund um das Chaos beim Studierendenparlament. Politik oder doch mehr Comedy – lesen ist Pflicht! Wir freuen uns, dass wir am Ziel angekommen sind. Jetzt sind wir raus und übergeben den pflichtlektüre-Staffelstab an die nächste Generation. Viel Spaß beim Lesen wünscht
06 IRGENDWO AUF DEM CAMPUS SOLL ES KANINCHEN GEBEN
INHALT
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MOMENTE
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IM ANGESICHT DES TODES
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PFLICHTTERMINE
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WIR SPIELEN POLITIK
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HILFE FÜR LUFTHANSA
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KNOPF IM OHR
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GEKAUFTES DATE
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SAG MAL PROF
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Was für ein Theater: ein Überblick über aktuelle Stücke
Wolfgang Teichert jagt Kaninchen auf dem Campus
Wir empfehlen: Always look on the bright side of life
Was für ein Chaos: ein Besuch im Studierendenparlament
Unternehmensberatung: Studierende machen Firmen fit
Für die gute Sache: ein Eisbär mit Fernsteuerung
Vom Hörsaal zum Escort-Service: Pia verdient 460 Euro in drei Stunden
Das biologische Alter: Habe ich meinen Körper zu Grunde gerichtet?
, GEHT S NOCH?
Frauen bekommen immer noch weniger Geld als Männer
ANGESCHRIEBEN
Frau Schwesig und ihre Politik: für mehr KiTa-Plätze
, DAS WAR S MIT FREIHEIT Drei Paare, die sich während des Studiums gefunden haben
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QR-CODE AUF DEM GRAB
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ABGEFAHREN
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IMPRESSUM
Damit uns das Internet tatsächlich nicht vergisst
Das Borusseum in Dortmund (auch Gelsenkirchen hat schöne Museen)
Wer was wann wie gemacht hat und Rätsel
usical) renzenlos 1 (M G : de ör H r, te udierende) Hansa Thea ,40 Euro für St 18 ab uf ka er (7. Mai, im Vorv
Roto-Theater, Nordstadt: Frida Kahlo – Requiem für eine Malerin (6. Mai, im Vorverkauf 15 Euro für Studierende)
DRAMA, BABY! , Gönn dir Hochkultur! Ob modern im Schauspiel oder im kleinen Rahmen auf der Nachbarschaftsbühne um die Ecke: Dortmund hat für Theaterfreunde viel zu bieten. Wir geben einen Überblick über aktuelle Stücke. FOTOSMARKUS BERGMANN&THORBEN LIPPERT&DOMINIK REINTJES&THEATER DORTMUND
Theater im Depot, Nordstadt: Moby Dick (23. April , im Vorverkauf 8 Euro für Studierende)
Theate r (11. und Fletch Bizzel, 12. Mai, K 9. und linikviertel: D 10. Jun ie Nerv i, 8 Eur o für St ensäge udieren de)
Kinder- und Jugendthe ater: Wilhelm Tell (25. bis 28. April, Norm alpreis 7 Euro)
): in Hörde egastore ril, mit der M im ( l ie Schausp 1 (29. Ap Freiheit # ostenlos) r e d h p Trium terflat k Uni-Thea
EIN BUSSARD NAMENS HENRI Wenn Wolfgang Teichert auf dem Campus unterwegs ist, sorgt er häufig für Aufsehen. Passanten bleiben stehen und beobachten ihn. Der Grund: Teicherts treuer Begleiter Henri, ein braun-schwarzer Greifvogel. Gemeinsam jagen die beiden an der Uni Kaninchen. TEXTMARTIN NEFZGER FOTOTHORBEN LIPPERT
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ast bewegungslos stehen drei Männer um einen kleinen Hügel voller Büsche und Gestrüpp auf dem Feld hinter dem Studentendorf, direkt am Campus Nord der TU. Aus der Ferne sind vorbeifahrende Autos und die Stimmen der vielen Menschen zu hören, die sich wie jeden Samstag auf dem Flohmarkt an der Universität tummeln. Doch Wolfgang Teichert, Ludwig Rampsel und Frederik Kowatsch bleiben ruhig. Sie sind auf der Jagd, suchen auf den freien Flächen der Universität nach Kaninchen. Mit ihrer grün-braunen Kluft, den Ledertaschen und dicken Stiefeln erfüllen die drei das JägerKlischee. Doch im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen tragen sie keine Gewehre bei sich. Jeder von ihnen hat einen dicken, abgewetzten Lederhandschuh über den Arm gezogen. Darauf thronen drei Wüstenbussarde. Diese ersetzen bei der Jagd die Waffen. Die schwarz-braunweiß gefiederten Vögel blicken hochkonzentriert auf die Erhöhung zwischen ihnen. Ihre Muskeln sind angespannt, sie sind jederzeit zum Abflug bereit.
Jagd mit tierischen Gefährten statt mit Flinten Teichert ist dafür zuständig, die Kaninchenpopulation auf dem Gelände der TU und der FH in Schach zu halten. Er und seine Jagdfreunde, die ihn gelegentlich auch auf dem Campus begleiten, haben sich bewusst für die Jagd mit den zirka 50 Zentimeter großen Vögeln entschieden. „Wir jagen nicht mit Flinten, wir sind Gegner davon“, sagt Ludwig Rampsel. „Es kann ja vorkommen, dass ein Kaninchen nur angeschossen wird, dann in den Bau flieht und dort elendig stirbt. Das wollen wir nicht. Wenn der Vogel ein Kaninchen nicht erwischt hat, lassen wir es in Ruhe.“ Und genau das passiert an dem kleinen Hügel, an dem sich die drei Männer auf die Lauer gelegt haben. Ein Kaninchen huscht blitzschnell aus seinem Bau. Laut ruft einer der Männer „Kaninchen“, um seine Kollegen darauf aufmerksam zu machen. Doch bevor einer der Jäger seinen Greifvogel auch nur losschicken kann, ist es schon wieder in einem anderen Loch verschwunden.
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Um die Kaninchen aus ihren Bauten zu treiben, hat jeder der Jäger ein Frettchen dabei. In den engen Kaninchentunneln suchen die kleinen Tiere nach Beute und jagen diese hinaus. Dann sind die Greifvögel an der Reihe. Diese fangen die Kaninchen, dann erlegt der Jäger sie mit einem Messer. „In der Natur erlegt der Vogel seine Beute selbst“, erklärt Teichert. „Aber das kann bis zu einer halben Stunde dauern. Und damit die Kaninchen keine unnötigen Schmerzen haben, muss der Jäger sie laut Tierschutzgesetz so schnell wie möglich erlösen.“ Doch an diesem Samstag will es einfach nicht klappen. Nach einiger Zeit geben die drei Männer ihre Stellung um den Hügel auf und machen sich über das struppige Gras auf den Weg zu den Gebäuden der Fachhochschule an der Emil-Figge-Straße, um dort nach Beute zu suchen. Ein paar Mal im Jahr brechen die drei gemeinsam zur Jagd auf, sonst ist Wolfgang Teichert allein unterwegs. Häufig auf dem Campus. Aber auch in Parks und auf Friedhöfen ist er anzutreffen. An öffentlichen Orten bietet sich die sogenannte „lautlose Jagd“ besonders an, da sie Passanten nicht aufschreckt. An Schusswaffen wäre hier nicht zu denken, die sind auch an der Universität tabu. Trotzdem müssen die Kaninchen bekämpft werden, denn sie richten teils große Schäden an. „Es ist nicht nur der Verbiss an den Pflanzen, sondern vor allem die Graberei“, sagt Teichert. „Die Gebäude hier sind ja alle unterirdisch verbunden. Und wenn die sich da an den Versorgungsschächten zu schaffen machen, gibt‘s Probleme.“
An Schaulustige haben sich Wolfgang und Henri gewöhnt Oft werden Wolfgang Teichert und sein Bussard Henri bei ihrer Arbeit von Schaulustigen begleitet. Passanten bleiben stehen und beobachten das Geschehen aus der Ferne. Manche trauen sich auch näher heran, fragen die Männer nach den Vögeln und der Jagd. Gestört fühlen sich Teichert und seine Kollegen davon nicht. Sie haben sich an die Zuschauer gewöhnt.
Auch an diesem Samstag werden die drei Männer interessiert beobachtet. Davon unbeeindruckt lässt Teichert auf dem Weg zur Fachhochschule seinen Vogel los. Der fliegt einige Meter davon und setzt sich auf einen Baum. Von oben überblickt Henri alles. Er ist bereit loszuschlagen, sollte Beute auftauchen. Um diese aufzuscheuchen, schlagen die drei Männer mit Stöcken auf die Büsche am Wegrand ein. „Bei den Kaninchen ist es wie bei uns Menschen“, sagt Rampsel, während er sich an einem kniehohen Strauch zu schaffen macht. „Manche sind richtige Schisser und rennen sofort los, wenn man sie erschreckt. Andere sind ganz abgebrüht und bleiben einfach sitzen.“ An der Fachhochschule angekommen, entdeckt Teichert einen vielversprechenden Platz. Dickes Gestrüpp bedeckt den Boden, dazwischen wachsen vereinzelt größere
Büsche. „Wollen wir hier frettieren?“, fragt er seine Kollegen. Sie sind einverstanden. Teichert holt Mukkel, sein weißes Frettchen, aus der Tasche und setzt es auf den Boden.
, Zum Trost gibt s tote Küken für Frettchen und Vogel
Es macht sich sofort an die Arbeit und sucht in den Bauten nach Kaninchen. Wenige Minuten später steckt Mukkel auf der anderen Seite der Büsche seinen Kopf ins Freie. Gefunden hat er nichts. So läuft es an diesem Tag noch viele Male. Die Männer durchsuchen das Gebüsch, frettieren immer wieder. Einige Male zeigen sich sogar Kaninchen, doch sie sind immer zu schnell im nächsten Bau verschwunden. „Das ist an manchen Tagen so“, sagt Teichert. „Die Jagd mit dem Vogel ist nicht so erfolgreich
wie mit der Waffe, aber du gefährdest auch keinen.“ Dennoch erlege er mehr als 150 Kaninchen pro Jahr – und das nur am Campus. Doch an diesem Tag bleiben die Männer erfolglos. Mit der Zeit werden die Bussarde immer unruhiger. „Wenn Henri vier oder fünf Mal geflogen ist und nichts erwischt hat, wird er stinkig“, erzählt Teichert. Dann lässt er sich nicht einmal mehr durch die toten Küken zufriedenstellen, die ihm sein Besitzer ab und zu gibt. Zwar zerfleischt er sie genüsslich, doch ein echter Jagderfolg wäre ihm lieber – und den anderen Beteiligten auch.
Während Bussard Henri noch Ausschau hält, ist Frettchen Mukkel schon auf der Jagd und sucht im Laub.
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PFLICHTTERMINE Habt ihr noch Platz im Terminkalender? Wir haben einige Events für euch, die das Sommersemester verschönern. Außerdem verschenken wir Tickets – also schaut auf unserer Facebook-Seite vorbei. TEXTREDAKTION FOTOSDIANA KÜSTER&PIRJE MIKKÄNEN
KRITIK AN DER WAND
PARTY ZU KLASSIKERN
WAS? Der rumänische Künstler Dan Perjovschi bemalt Wände von Kunstvereinen oder Museen – zum Beispiel mit kritischen Kommentaren und kleinen Zeichnungen. In der Ausstellung „The Hard Drawing“ beschäftigt er sich mit aktuellen gesellschaftlichen Themen. So bringt er im U etwa die Umweltzerstörung oder die ungelöste Flüchtlingsfrage an die Wand. Die Ausstellung wird regelmäßig vom Künstler erweitert. WO? Hartware MedienKunstVerein (HMKV) im Dortmunder U, Leonie-Reygers-Terrasse WANN? bis 27. August, dienstags bis sonntags ab 11 Uhr WIE VIEL? Eintritt frei WEB? hmkv.de
WAS? Ihr wollt gern tanzen gehen, aber die aktuelle Musik, die im Radio gespielt wird, ödet euch an? Dann könnt ihr in der „Musikbox“ zu alten Rock- und Pop-Klassikern feiern. Zahlreiche Livebands spielen bekannte Hits und Klassiker von Gruppen und Solokünstlern aus den 70er, 80er und 90er Jahren, beispielsweise von Led Zeppelin, Queen oder auch den Ärzten. WO? Parkhaus Meiderich Duisburg, Bürgermeister-Platz-Straße 123 WANN? Freitag, 5. Mai, und Freitag, 2. Juni, ab 21 Uhr WIE VIEL? Eintritt frei WEB? parkhaus-meiderich.de
NACHWUCHSMUSIKER IM FZW
VOM BROADWAY NACH BOCHUM
Wir verschenken zwei mal WAS? Beim Liveurope Day zwei Tickets für das Konzert. treten europäische NachSchreibt uns einfach eine wuchstalente auf. Bounty Nachricht an unsere Island aus den Niederlanden, Facebook-Seite pflichtlektüre. Camp Claude aus Frankreich und Newmoon aus Belgien stehen in Dortmund auf der Bühne. Von Alternative Rock über minimalistische Soundmixe bis hin zu psychodelischer Wohlfühlmusik ist alles dabei. WO? FZW Dortmund, Ritterstraße 20 WANN? Samstag, 6. Mai, 20 Uhr WIE VIEL? 10 Euro im Vorverkauf WEB? www.fzw.de
WAS? Das Comedy-Musical „Monty Python‘s Spamalot“ basiert auf dem Film „Die Ritter der Kokosnuss” und hatte 2004 seine Uraufführung am Broadway in New York. Im Mittelpunkt stehen König Artus und die Ritter der Tafelrunde. Im Jahr 923 n. Chr. begeben sie sich in England auf die Suche nach dem heiligen Gral. Der Humor der britischen Komikertruppe Monty Python, die durch den Film „Das Leben des Brian“ berühmt wurde, prägt das Musical. WO? Schauspielhaus Bochum, Königsallee 15 WANN? Mittwoch, 24. Mai, 19.30 Uhr WIE VIEL? Für Studierende ab 8 Euro (je nach Sitzplatz) WEB? schauspielhausbochum.de
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BIERCHEN AUF, POLITIK MACHEN Zwischen Pizza und Pils wird im Studierendenparlament der TU Dortmund Hochschulpolitik gemacht. Über was diskutieren die gewählten Mitglieder da eigentlich? Wir haben uns eine StuPa-Sitzung angeschaut. TEXTJANIS BEENEN&TIMO HALBE FOTOTHORBEN LIPPERT&HOCHSCHULGRUPPE JUSOS
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onnerstagabend, 18 Uhr, Seminarraum 4.435 in der EF50. Ein paar Jungs holen Bier aus ihren Rucksäcken, einige Mädels füllen Gläser mit Wein. Die vierte Sitzung des Studierendenparlaments (StuPa) nach der Wahl im Sommer steht an. Nach und nach kommen die Abgeordneten in den Raum. Von Maschinenbau über Wirtschaftswissenschaften bis zu Raumplanung sind verschiedenste Fachrichtungen vertreten. Während des Semesters kommen sie einmal im Monat im Parlament zusammen, um Hochschulpolitik zu machen. Die Abgeordneten besetzen vor allem die hinteren Stuhlreihen des großen Seminarraums. Ganz vorne – durch drei leere Reihen von den anderen Parlamentariern und Parlamentarierinnen getrennt – steht ein junger Mann. Mit Hemd und Jackett hebt er sich optisch von den übrigen Jungpolitikern ab. Moiz Mumtaz Mughal ist eines der drei Präsidiumsmitglieder des StuPa. Er wird die heutige Sitzung leiten. Neben ihm, vor einem Laptop, sitzt Präsidiumskollege Marvin Büsscher. Er protokolliert die Sitzung. Alle Anwesenden tragen sich in die Anwesenheitsliste ein und holen sich ihre Stimmkarte ab.
Die Konflikte führen sogar bis vor Gericht Wichtigster Tagesordnungspunkt an diesem Abend: Der Haushalt der Studierendenschaft soll verabschiedet werden. Dieser setzt sich aus den Semesterbeiträgen zusammen und ist circa 13 Millionen Euro schwer. Doch der Sitzungsbeginn verzögert sich. Nicht alle Anwesenden haben beim Präsidium ihre Stimmkarte abgeholt. Die JuSos (Junge Sozialisten – Jugendorganisation der SPD) verweigern die Abholung. JuSoSprecher Markus Jüttermann meldet sich zu Wort. Er erklärt, dass man mit der Informationspolitik des Präsidiums nicht einverstanden sei. Unterlagen, zum Beispiel zum Haushalt, waren den Parlamentariern und Parlamentarierinnen erst eine halbe Stunde vor der Sitzung zugesendet worden. Die anderen Abgeordneten wirken genervt. Schließ-
lich könne man das nach der offiziellen Eröffnung der Sitzung diskutieren, merkt einer von ihnen an. Nach kurzer Diskussion nehmen Jüttermann und seine Parteikollegen und -kolleginnen dann doch ihre Stimmkarten entgegen. 31 der 49 Abgeordneten sind anwesend. Mit einer goldenen Tischklingel sorgt Mughal für Ruhe und beginnt die Sitzung. Nach einigen kleinen Änderungen in der Tagesordnung sollen noch alte Sitzungsprotokolle verabschiedet werden. Doch das wird verschoben. Sie sind unzureichend formuliert. Einer der Abgeordneten erklärt dem Präsidium noch einmal die Funktionsweise eines Protokolls. Es solle auch für Leute verständlich sein, die nicht anwesend waren. Mughal bleibt trotz der klaren Kritik ruhig, entschuldigt sich und gelobt Besserung.
Selten gibt es konkrete Inhalte Nach einer halben Stunde gelangt die Sitzung dann zu den Inhalten. Den Anfang machen die Vertreter und Vertreterinnen des AStA (Allgemeiner Studierenden Ausschuss). Der AstA bildet mit seinen 16 Referenten die Exekutive der Studierendenschaft und wird somit als eine Art Regierung von den Abgeordneten des StuPa gewählt. Im Sommer kam es nach den StuPa-Wahlen zu einem Machtwechsel: Die JuSos schieden aus dem AStA aus. Sie hatten vorher mit Moritz Kordisch den Vorsitzenden gestellt. Der Ausschuss wird nun von fast allen anderen Listen getragen. Bei der „Regierungsbildung“ fühlten sich die JuSos ausgeschlossen. Neben dem SPDNachwuchs befinden sich nur noch der einzige Vertreter der Julis (Junge Liberale) und der „König der Uni“ in der Opposition. Eine Konstellation, die immer wieder für Spannungen sorgt. Spannungen, die bereits zu einem Rechtsstreit führten. Ausgetragen zwischen dem damaligen AStA-Vorsitzenden Moritz Kordisch und Hendrik Thalmann. Letzterer saß damals für die Liste „Studis für Studis“ im Parlament und ist jetzt für die Satireliste „Die Lis-
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te“ im AStA vertreten. Aktuell verklagt Kordisch Thalmann vor dem Landgericht Arnsberg wegen übler Nachrede. Es geht um Aussagen Thalmanns, Kordisch hätte bei den StuPa-Wahlen vor zwei Jahren seine Rolle als AStAVorsitzender zum Vorteil seiner eigenen Liste ausgenutzt. Konkret: Er soll nicht weitergetragen haben, dass für alle Listen eine Erlaubnis zur Wahlwerbung auf dem Campus erteilt wurde. Kordisch streitet dies ab: Die Erlaubnis sei damals schlichtweg nicht richtig vom Wahlausschuss kommuniziert worden. Gegen Thalmanns Behauptungen geht auch er daher gerichtlich vor. Ein Urteil des Arnsberger Gerichts stand bei Redaktionsschluss noch aus. Im weiteren Verlauf der heutigen Sitzung blüht der Konflikt noch einmal auf. Für den Bericht des AStA erhebt sich die Vorsitzende Hanna Rosenbaum von ihrem Platz relativ weit vorne. Zwischendurch wird sie durch Lärm aus der hinteren Reihe unterbrochen. Zwei Jungs verrücken ihren Tisch, um ihre Laptops an eine der wenigen Steckdosen im Raum anschließen zu können. Sie sind nicht die einzigen, die sich an ihrem PC mit anderen Dingen beschäftigen. Auf verschiedenen Bildschirmen flackern Facebook, Vorlesungsunterlagen oder Online-Games auf. Rosenbaum berichtet von verschiedenen Gesprächen mit Gremien und Einrichtungen der TU. Es geht um mehr Sitzmöglichkeiten zum Lernen im Freien, ein „Outdoor-Gym“ mit Fitnessgeräten vor dem Seminarraumgebäude und eine Party des AStA.
Die AStA-Gehälter werden zum Zankapfel Während der Diskussionen ist es fast durchgehend unruhig im Parlament. Immer wieder stehen Abgeordnete auf, verlassen zwischenzeitlich den Raum oder quatschen. Besonders laut wird es, als ein Bote die gemeinschaftlich bestellte Pizza liefert. Mughal bemüht sich geduldig immer wieder um Ruhe – mit überschaubarem Erfolg. Regelmäßig müssen Wortführende ihre Aussagen wiederholen, da es zu laut ist.
DIE SITZVERTEILUNG IM STUPA
KLAGE GEGEN DAS STUPA
GESAMT: 49 REGIERUNG: Studis für Studis Die Grünen RCDS AKTIV
OPPOSITION: Apfel Die LISTE Anwesenheitsliste
Nach rund zwei Stunden steht die Haushaltsdebatte an. Hier zeichneten sich schon vorher Konflikte ab. So wurde der Haushalt bereits im Haushaltsausschuss besprochen und mehrheitlich angenommen. Die Mehrheitsverhältnisse dort entsprechen denen im Parlament. Die JuSo-Mitglieder des Ausschusses – Florian Virow und Moritz Kordisch – äußerten in einem Sondervotum jedoch Bedenken. Konkret geht es um die Aufwandsentschädigungen, die die Mitglieder des AStA erhalten. Da sich die „Regierungslisten“ vor der Wahl des AStA dazu entschlossen hatten, die Zahl der AStA-Referentinnen und Referenten um drei zu erhöhen, sollen die Ausgaben für die zusätzlichen Stellen um 25 000 Euro aufgestockt werden. Die JuSos sehen keinen Grund für eine Erhöhung und sprechen davon, dass studentische Gelder verschwendet werden. Eine inhaltliche Debatte zu diesem Thema bleibt weitgehend aus. Helge Häußler, AStA-Finanzreferent, entgegnet, dass die JuSos ihre Behauptung nicht stützen können. Er lässt jedoch offen, was für eine Erhöhung spricht. Die Diskussion widmet sich vor allem der Frage, ob ein Sondervotum aus dem Haushaltsaus-
Junge Sozialisten Junge Liberale Der König der Uni
schuss überhaupt erlaubt sei. Am Ende spricht sich eine klare Mehrheit für die Erhöhung aus. Anschließend verliest Häußler weitere Änderungen verschiedener Haushaltstöpfe, die ohne große Diskussionen hingenommen werden. Bei einem weiteren Thema wird groß und kontrovers diskutiert – doch auch hier wenig inhaltlich. Der Haushaltstopf für das Autonome Ausländerreferat (AAR – setzt sich für ausländische Studierende ein) soll teilweise gesperrt werden, da das Referat nach Meinung des Haushaltsausschusses die Verwendung der Gelder genauer darlegen muss. Ein Vertreter des AAR zählt nun Beispiele auf, wofür das Referat die Gelder benötig. Die Parlamentarier verstricken sich in Details: Welche technische Ausstattung benötigt etwa ein PC für das AAR? Sollte für ein Basketballturnier eine Teilnahmegebühr verlangt werden? Nach längerer Diskussion gibt es eine zehnminütige Sitzungsunterbrechung. Die beteiligten Personen von AAR und Haushaltsausschuss wollen einen möglichen Lösungsweg besprechen. Aus der Pause kehrt die JuSo-Fraktion nicht mehr zurück. Man wolle die Rechtmäßigkeit des Haushalts von einem Anwalt prüfen lassen, teilen die jungen
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Beim Beschluss des Haushalts eine Woche nach der beschriebenen Sitzung sperrte das Parlament ein Teil des Geldes für das Autonome Schwulenreferat (ASR). Anders als das Ausländerreferat wollen die ASR-Referenten um JuSo-Sprecher Florian Virow nicht vor dem Haushaltsausschuss darlegen, wie sie das Geld verwenden wollen. Dies wäre eigentlich die einfachste Möglichkeit, die Sperre aufzulösen. Sie reichten jedoch eine Klage gegen die Sperre der Gelder vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ein. Ein Urteil wird frühestens am Ende des Jahres erwartet. Weil dann aber bereits ein neues Haushaltsjahr begonnen hat, wird das Urteil den aktuellen Sachstand nicht ändern. Es wird lediglich deutlich werden, wer Recht oder Unrecht hatte. Die Gerichtskosten wird vermutlich die Studierendenschaft tragen. Schließlich finanzieren sich ASR und StuPa sich aus den Beiträgen der TUStudierenden.
Sozialdemokraten mit. Der Effekt ihrer Abwesenheit: Nur noch 16 Parlamentsmitglieder sind anwesend – das StuPa ist nicht mehr beschlussfähig. Denn neben den JuSos waren bereits vorher einige Abgeordnete gegangen. Somit wird die Sitzung abrupt beendet. Eine Woche später, gleicher Raum, gleiche Uhrzeit. Die Sitzung wird fortgesetzt, der Haushalt soll beschlossen werden. Eigentlich ist alles wie immer – Diskussionen, Unruhe, Zeitverlust. Die JuSos sind erneut abwesend, diesmal allerdings hat das keine Folgen. Es sind genügend Vertreter der anderen Listen anwesend, sodass der Haushalt beschlossen werden kann. Eine Woche wurde trotzdem verschenkt.
Alles in bester Ordnung? Wie schätzen die Abgeordneten eigentlich ihr Parlament ein? Die pflichtlektüre hat mit StuPa-Mitgliedern gesprochen und kritisch nachgefragt. Einige kritisieren das Gremium scharf.
Ü
ber 13 Millionen Euro – diese Summe kam in den vergangenen beiden Semestern über die Semesterabgaben der TU-Studierenden zusammen. Über das Geld verfügen 49 unserer Kommilitoninnen und Kommilitonen – die Mitglieder des Studierendenparlaments. Sie haben zum Beispiel entschieden, dass knapp 12 Millionen Euro für das Semesterticket ausgegeben und rund 100 000 Euro in die TheaterFlat investiert werden. Diese ermöglicht Studierenden einen kostenlosen Besuch von Kulturveranstaltungen in Dortmund. Eine große Verantwortung für die StuPa-Mitglieder: Eine Verantwortung, für die sich offenbar nur wenige Studierende interessieren. Bei der Wahl des Parlaments im vergangenen Jahr gingen nur sieben Prozent der über 30.000 Wahlberechtigten an die Urne. Wie beurteilen die Abgeordneten das Verhältnis zu ihren Wählern? Wie gehen sie mit ihrer Verantwortung um? Und wie charakterisieren sie die Arbeit des Parlaments? Die pflichtlektüre hat mit den Nachwuchspolitikern darüber gesprochen.
Moiz Mumtaz Mughal, Mitglied des Parlamentspräsidiums, folgt der Sitzung
Ein alter Hase benennt Probleme Johannes Blömeke ist wegen seiner Haarpracht im Kreis der Hochschulpolitiker und -politikerinnen unter dem Spitznamen „Rasta-AStA“ bekannt. Der 27-jährige Lehramtsstudent ist ein Veteran der TU-Politik, seit sieben Jahren als Vertreter der Liste „Studis für Studis“ in verschiedenen Ämtern aktiv. Aktuell bildet seine Partei – mit elf Sitzen stärkste Kraft im Parlament – einen Teil der Regierungskoalition. Aus ihr geht die
Studierendenvertretung AStA – quasi die Regierung – hervor, die die Aufträge des StuPas umsetzt. Die Opposition, bestehend aus den Jungsozialisten, den Jungen Liberalen und dem König der Uni, ist mit insgesamt zwölf Abgeordneten in der Minderheit. Obwohl seine Liste mitregiert, übt Blömeke Kritik am StuPa und seinen Mitgliedern. „Wir beschäftigen uns zu
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sehr mit uns selbst. Wir nehmen uns zu wichtig“, sagt er. Das Parlament müsse sich dringend mehr mit Sachthemen befassen. Bestes Beispiel sei die Beratung zum Haushalt in dieser Legislaturperiode. Die Verteilung der Gelder ist die wichtigste Kompetenz des StuPas. „Das war keine Debatte“, beklagt Blömeke. Statt eines inhaltlichen Schlagabtauschs sei die Diskussion auf persönlicher Ebene geführt worden.
Blömeke erinnert sich an bessere Zeiten. In der Hochschulpolitik könne einiges bewegt werden. In seiner Anfangszeit als Parlamentarier hat das StuPa unter anderem die Reform der Lehrveranstaltungsevaluation bewirkt. Die Ursachen für die negativen Entwicklungen seien klar: Mit 49 Sitzen sei das StuPa zu aufgebläht. „31 Leute würden reichen. Bei vergleichbaren Hochschulen genügt das auch“, sagt Blömeke. Mehr Leute kämen ohnehin nicht zu den Sitzungen. Vielen sei der Aufwand wohl zu hoch. „Es sind zu viele langjährige Mitglieder dabei, die seit Jahren in der Hochschulpolitik sind“, meint Blömeke. Daher sei die Denk- und Arbeitsweise teils festgefahren. Das StuPa müsse wieder mehr Studierende mobilisieren, indem es die Relevanz der Entscheidungen transportiere. Konkreter wird Blömeke nicht. Markus Jüttermann und Florian Virow, Sprecher der JuSos, sind ebenfalls prägende Akteure der Dortmunder Hochschulpolitik. Sie relativieren Blömekes Kritik an den Umgangsformen. „Man kennt sich halt. Ich weiß, wer meine Pappenheimer sind“, meint Jüttermann. Streit auf persönlicher Ebene bleibe nicht aus. Auch Virow, Vorsitzender des Haushaltsausschusses und Chef des autonomen Schwulenreferats, bestätigt persönliche Abneigungen zwischen den Parlamentariern. Solche Ressentiments hätten vielleicht auch dafür gesorgt, dass andere Listen die JuSos nicht in die
Regierung geholt hätten. Die Koalition möchte das nicht bestätigen.
Der Ton kann schon mal rauer werden Die harte Gangart zwischen den Abgeordneten bestätigt auch Parlamentspräsident Moiz Mumtaz Mughal von der Liste „Apfel“. Es könne vorkommen, dass in den Sitzungen ab und an ein rauer Ton herrsche. Doch das, so Mughal, müsse man nicht überbewerten. Schließlich passiere auch inhaltlich viel. Bestes Beispiel sei die Einführung der Ersti-Beutel, gefüllt mit Infos rund um die Uni und Angeboten seitens der Studierendenschaft. Diese wurden zu Beginn des vergangenen Wintersemesters erstmals an alle Neulinge verteilt. Angesprochen auf weitere konkrete Erfolge bleibt Mughal vage, zitiert Wahlversprechen seiner Liste und nennt eigene Vorstellungen. Für das mangelnde Interesse vieler Studierender an der Hochschulpolitik sieht Mughal nicht ausschließlich sich und seine Kollegen und Kolleginnen verantwortlich. „Auch wir bekommen das gesellschaftliche Desinteresse an der Politik zu spüren“, sagt der Elektrotechnik-Student. Es sei nicht nur Aufgabe des StuPas auf die Wähler und Wählerinnen zuzugehen. Jeder Studierende sei auch selbst dafür verantwortlich, sich mit der Hochschulpolitik auseinanderzusetzen.
Auffällig ist, dass besonders Parlamentarier und Parlamentarierinnen, die neu im Gremium sind, nicht mit Kritik am eigenem Haus sparen. Oliver Meiritz, seit einem knappen Jahr im StuPa vertreten, gehört dazu. Die persönlichen Streitereien stören den 24-Jährigen – anders als viele etablierte Kräfte. Meiritz kandidierte als „König der Uni“, als reiner Spaßkandidat. Er bekam Stimmen für vier Sitze im Parlament. Als Ein-Mann-Liste musste er drei Plätze verfallen lassen. Seit seiner Wahl verfolgt Meiritz tatsächlich das Geschehen im StuPa. Er bestätigt die vielen Konflikte auf zwischenmenschlicher Ebene. „Ein paar Leute sitzen da wohl nur drin, um anderen auf die Nerven zu gehen und rumzudiskutieren“, meint Meiritz. Inhaltlich gebe es nur wenige, die wirklich den Durchblick hätten. Die zweite vertretende Satire-Liste, „Die LISTE“, sieht das ähnlich. Die inhaltliche Arbeit als behäbig zu bezeichnen, sei noch untertrieben, so LISTE-Vertreterin Daniela Möller. Die Politik- und Philosophiestudentin nennt eine mögliche Ursache: „Das StuPa braucht Beobachter.“ Meist agiere das Parlament ohne Publikum von außerhalb. So fehle jede Kontrolle für eine geordnete Sitzung.
Zwei Welten der Politik: Daniela Möller und Jonas Neubürger von der Satireliste „Die LISTE“. Daneben Florian Virow von den JuSos.
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Schluss mit Kindergarten Im Studierendenparlament geht es meist drunter und drüber. Doch das muss nicht so bleiben. Es kommt auf die Campusmedien, die Kommunikation der Hochschulpolitik und die Wähler und Wählerinnen an. Ein Kommentar. TEXTJANIS BEENEN&TIMO HALBE FOTOMARKUS BERGMANN ILLUSTRATIONPRISMA LABS INC.
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as Studierendenparlament der TU Dortmund lässt sich mit einem Adjektiv beschreiben: peinlich! Die Zusammensetzung aus kleinen Sonnenkönigen, Satirikerinnen und Machtmenschen wird der Verantwortung des Parlaments nicht gerecht. Hier wird das Geld der Studierenden – unser Semesterbeitrag – verteilt. Den meisten Parlamentariern scheint ihre Verantwortung allerdings nicht bewusst zu sein. Da gehen die Jusos mitten in einer Debatte einfach aus dem Raum, um den Abbruch der Sitzung zu provozieren – nur, weil ihnen die Mehrheit im Parlament fehlt. Parlamentspräsident Mughal ist vor den Abstimmungen damit beschäftigt, seiner Fraktion „Apfel“ zu sagen, wie sie zu votieren hat – eine vernünftige Sitzungsleitung sieht anders aus. Dazu kommen die Spaßvögel – zum Beispiel von der Liste „DIE LISTE“. Ihre Anträge vom Format „Lasst uns einen Looping in die H-Bahn bauen!“ mögen zum Schmunzeln anregen, halten aber vor allem den Betrieb auf. Dieser Kindergarten muss ein Ende finden. Aber wie?
Die Campusmedien sind in der Pflicht Es ist schwierig, die aktuellen Parlamentarier und Parlamentarierinnen auszuwechseln. In ihren Positionen, in ihrer Vorstellung über die Arbeitsweise und das Wirken des Parlaments, sind sie festgefahren. Daher braucht es Transparenz über die Arbeit des StuPas. Natürlich kann man nicht von allen Studierenden verlangen, jede Sitzung als Gast zu begleiten. Beim Thema Transparenz sind wir – die pflichtlektüre – und die weiteren Campusmedien gefragt. Aber auch das Parlament muss seine Informationspolitik optimieren. Es geht nicht an, dass es teils Monate dauert, bis das StuPa Sitzungsprotokolle auf seiner Internetseite öffentlich zugänglich macht. Zumal diese kaum Aufschluss geben, denn weder der Nachname noch Fraktion der Redner und Rednerinnen sind ersichtlich. So macht es das Parlament den Studierenden unnötig schwer, Themen und Debatten nachzuvollziehen. Zudem müssen die Hochschulpolitiker und -politikerinnen insbesondere in den Wahlwochen klarer darüber informieren, was das StuPa eigentlich ist und welche konkrete Bedeutung es für jeden Einzelnen hat. Selbst einige Abgeordnete geben zu, dass sie vor Beginn ihres hochschulpolitischen Engagements keine Ahnung von der genauen Funktion des Parlaments hatten. Letztlich kommt es natürlich auf die Wähler und Wählerinnen an. Denn auch sie sind dafür verantwortlich, die Arbeit der Politiker zu kontrollieren. Wenn wieder Wahlen anstehen, sollten wir uns von Entscheidungen vom Format „Toll, die hatten Freibier an ihrem Stand – die wähle ich!“ verabschieden. So würden bei einer Bundestagswahl auch nur die Wenigsten entscheiden. Die Studierenden sollten sich mit Themen befassen und mit den Vertretern der Listen kritisch ins Gespräch kommen. Das verlangt allein die Tatsache, dass die Hochschulpolitik jedes halbe Jahr eine Menge Geld von ihren Wählern und Wählerinnen bekommt.
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HIER WERDEN SIE BERATEN Es gibt Studierende, die tauschen in ihrer Freizeit Kapuzenpulli und Sneakers gegen Anzug und Schlips. Als Unternehmensberater helfen sie Mittelständlern und sogar Dax-Konzernen bei der Weiterentwicklung. Warum hören diese Unternehmen überhaupt auf junge Leute? TEXTMICHELLE GODDEMEIER&DOMINIK REINTJES FOTOJAN MORITZ BEHNKEN&DOMINIK REINTJES
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ie sind zwar unerfahren. Dafür denken sie kreativ und finden individuelle Lösungen für Probleme. Sie unterstützen Unternehmen bei der Einführung eines neuen Systems oder erstellen eine Marketingkampagne. Und günstig sind sie auch noch – deshalb setzen mittlerweile nicht nur Mittelständler, sondern auch Dax-Konzerne auf studentische Unternehmensberatungen: So arbeiteten schon die Lufthansa, die Deutsche Bank und Daimler mit ihnen zusammen. Auch in Dortmund gibt es eine solche Beratung. Neben Studierenden der Wirtschaftswissenschaften arbeiten dort Mathematik-, Informatikund Psychologie-Studierende. Florian Erbach ist Vorsitzender der studentischen Unternehmensberatung VIA e.V. Der 23-Jährige arbeitet seit einem Jahr dort und sagt: „Menschen, die schon 30 Jahre im Beruf sind, haben zwar viel Erfahrung in Projekten, aber nicht unbedingt das aktuellste Wissen.“ Studierende neigen weniger dazu, in Schubladen zu denken, sagt Erbach. Außerdem: Für studentische Berater müssen die Betriebe deutlich weniger zahlen. Das ist auch einer der Hauptgründe, warum immer mehr Unternehmen mit ihnen arbeiten möchten. VIA verlangt für einen achtstündigen Beratertag einen Tagessatz zwischen 300 und 350 Euro. Herkömmliche Beratungen hingegen berechnen für den gleichen Zeitaufwand zwischen 1000 bis 3000 Euro. Für beide Seiten ergibt sich dadurch eine Win-win-Situation: Kleine und mittelständische Unternehmen können sich kostengünstig beraten lassen – und die Studierenden gewinnen an Erfahrung.
Bei VIA kann sich generell jeder Studierende bewerben, unabhängig von Fachrichtung und Notendurchschnitt. Es gibt nur eine Voraussetzung: die Bereitschaft, viel Zeit neben dem Studium zu investieren. Nach der Bewerbung gilt es, sich zu beweisen. In einem AssessmentCenter müssen 30 bis 40 ausgewählte Bewerber verschiedene Aufgaben lösen. Anhand eines intern erstellten Projektes testen die Vorsitzenden beispielsweise, wie gut die Anwärter Angebote schreiben und vorstellen können. Die besten werden genommen. Das sind ungefähr 20 Personen pro Semester. Bevor die Arbeit beginnt, werden die zukünftigen Berater ausgebildet – unbezahlt. Ein Semester lang besuchen sie Seminare, verbessern dort ihre Rhetorik und ihr Qualitäts- und Projektmanagement. Außerdem müssen die Neulinge bei einem simulierten Projekt Angebote schreiben und vorstellen – wie in der späteren Arbeitswelt.
„Im ersten Semester geht es nicht ums Geldverdienen“ Sebastian Otto war neben seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften Leiter des Projektakquise-Bereichs bei VIA, er betreute die 20 studentischen Berater seines Ressorts. Er sieht in der anfangs fehlenden Bezahlung keinen Nachteil: „Im ersten Semester geht es nicht ums Geldverdienen, sondern darum, dass man einen ersten Eindruck vom Beruf bekommt. Wenn man nach dem Semester weitermacht, dann liegt einem auch etwas an VIA.“ Wenn ein Unternehmen eine Beratung bei VIA anfragt, ist der Ablauf immer gleich: Zu Beginn klärt man in
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einem Gespräch, was der Auftraggeber erwartet. Anschließend verschickt der Vorstand eine Projektausschreibung, auf die sich jeder Berater von VIA bewerben kann. Dabei gibt es verschiedene Positionen innerhalb des Projekts: Projektmitglieder, Leiter und Controller. „Einen klassischen Arbeitstag gibt es bei uns nicht“, sagt Florian Erbach. Die einzelnen Projektteams arbeiten eigenverantwortlich und stimmen sich mit den Kunden ab. Wird im Unternehmen vor Ort gearbeitet oder von Zuhause aus? Müssen die Berater Interviews oder Umfragen durchführen? Jede Projektgruppe gründet eine eigene Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und darf somit Geld verdienen. Während manche Projekte nur zehn Stunden in Anspruch nehmen, erstrecken sich andere über Wochen oder sogar Monate. Erst vor kurzem umfasste ein Projekt 70 Arbeitstage. Bei diesem Auftrag der Postbank-Akademie ging es darum, dass die Prozesse an allen sechs Standorten unübersichtlich waren. Deshalb analysierte und visualisierte VIA diese Probleme, um sie schließlich so zu optimieren, dass die Prozesse an den verschiedenen Standorten einheitlich sind. Ein solcher Zeitaufwand ist aber auch das Limit. „Manche Aufträge überschreiten unseren Umfang. Dann müssen wir diese leider absagen“, sagt Florian Erbach. Viele machen den Job, um erste Erfahrungen in der freien Wirtschaft zu sammeln. Manche wollen herausfinden, ob sie sich einen Beruf in der Branche vorstellen können. Andere hoffen durch die geknüpften Kontakte später einfacher eine Stelle in der Unternehmens-
Verkaufen keine Bausparverträge: VIA-Vorstandsmitglieder Alexander Swade (links), Hannah Weifenbach und Florian Erbach arbeiten als studentische Unternehmensberater.
Gruppenfoto der VIA: Pro Semester bewerben sich 30 bis 40 Studierende, um als Unternehmensberater zu arbeiten. 20 von ihnen werden ausgewählt. Vorher müssen sie in einem Assessment-Center beweisen, wie gut sie etwa Angebote schreiben können.
beratung außerhalb der Universität zu finden. Sebastian Otto steht durch seine Arbeit im ständigen Kontakt mit großen deutschen Unternehmen wie Siemens, Thyssen-Krupp und dem ZDF. Auf Kongressen des Bundesverbands Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen (BDSU) hat er studentische Berater aus ganz Deutschland kennengelernt.
Projektgruppe entwickelte alkoholfreies Bier Das Team von VIA ist Mitglied im BDSU, dem Dachverband mit etwa 2200 studentischen Beratern aller Fachrichtungen. Zu den Partnern gehören die verschiedensten Unternehmen: „Dax-Konzerne sind unsere größten Auftraggeber, doch als studentische Unternehmensberatung arbeitet man auch mit Mittelständlern und gerade lokalen Unternehmen zusammen“, sagt Sarah Hölscher, Erste Vorsitzende des BDSU. Die Beratung durch Studierende ist laut Hölscher längst nicht mehr nur ein Trend: „Wir haben steigende Mitglie-
derzahlen und erlangen in der Öffentlichkeit stetig größere Anerkennung. Studentische Unternehmensberatungen sind in der Wirtschaft schon seit mehreren Jahren zu Recht etabliert.“ Die Bitburger Braugruppe etwa setzt ebenfalls auf dieses Konzept und hat mit dem BDSU zusammengearbeitet. Die Projektgruppe half der Brauerei dabei, ein alkoholfreies Bier zu entwickeln. Der sehr günstige Preis der Studierenden dürfte ihr großer Vorteil gegenüber den herkömmlichen Beratungen sein. Sarah Hölscher ist froh, dass die Unternehmen die Studierenden aber nicht nur auf den großen Kostenvorteil reduzieren: „Natürlich können die studentischen Beratungen keine so hohen Tagessätze verlangen, wie die klassischen Anbieter. Aber die Unternehmen sehen zum Glück auch weitere Vorteile neben der günstigeren Beratung.“ Das sind laut Hölscher die frischen Denkweisen und die Möglichkeit, die Studierenden später für das eigene Unternehmen zu gewinnen. Bitburger-Recruiting-Leiter Patrick Lenz hofft, von den jungen Beratern Neues zu lernen: „Die Studieren-
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den selbst sind unsere Zielgruppe und kennen daher auch schon die Anforderungen der Kunden an unsere Produkte. Mit ihren unkonventionellen Prinzipien bringen sie viele neue Ideen mit.“ Nicht jeder ist so offen eingestellt wie Lenz: Florian Erbach von VIA erlebt durchaus auch mal Misstrauen. Schon des Öfteren traf er auf Mitarbeiter, die sich anfangs skeptisch zeigten und den Studierenden nicht genug zutrauten. Ein Bewertungsbogen, den die Unternehmen nach jedem Projekt ausfüllen, zeige aber: „Fast alle Kunden sind mit den Ergebnissen sehr zufrieden.“ Und das Wichtigste: Nach Erbachs Angaben beauftragen viele die Unternehmensberatung erneut.
DIE EISBÄRENFLÜSTERIN Vanessa Schilke arbeitet als Eisbärenflüsterin für Greenpeace. Auf Events in ganz Deutschland gibt sie Ehrenamtlichen, die zu zweit im Tierkostüm stecken, per Funk Anweisungen. Dabei hat sie bereits einige Promis getroffen. TEXTDOMINIK REINTJES FOTOPRIVAT
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in kleiner Junge stellt Paula eine simple Rechenaufgabe: Vier plus Zwei. Sechsmal stampft die Eisbärdame mit ihrer rechten Vorderpfote auf den Boden. Der Schüler staunt – und stellt sofort die nächste Aufgabe. Was er nicht weiß: Paula ist kein echter Eisbär, sondern ein lebensgroßes Kostüm. Im Inneren stehen zwei verschwitzte Ehrenamtliche von Greenpeace in fast kompletter Dunkelheit. Vanessa Schilke steht unauffällig gekleidet in der Nähe und gibt den beiden per Walkie-Talkie Anweisungen: „Vor euch steht eine Gruppe Kinder, hebt doch mal die linke Vorderpfote.“ Oder: „Dreht mal den Kopf ein wenig nach rechts, die Rocker wollen ein Foto mit euch machen.“ Manchmal stimmt die junge Frau auch ein Lied an, damit die anstrengende Zeit im Kostüm schneller vergeht. Situationen wie diese, sagt Vanessa, erlebt sie mehrmals im Jahr auf Veranstaltungen in ganz Deutschland. Vanessa arbeitet neben dem Studium als Eisbärenflüsterin bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Die 20-Jährige setzte sich gegen knapp 100 Mitbewerber für den Job durch. Noch vor wenigen Monaten trug die Lüneburger VWLStudentin das 1,50 Meter große (Kunst-)Fell während ihres Freiwilligen Ökologischen Jahres selbst. Im August verabschiedete sie sich aus dem stickigen Kostüm und gibt ihren ehrenamtlichen Kollegen seitdem Anweisungen per Funkgerät. „Der Job ist einfach perfekt – er ist so außergewöhnlich und man arbeitet mit tollen Menschen mit den gleichen Interessen zusammen.“ Vanessa und die anderen Greenpeacer haben bei jedem Event ein klares Ziel: Sie wollen möglichst viele Unterstützer finden, Unterschriften und Förderer sammeln. „Es kommt darauf an, dass wir auffallen“, sagt Vanessa. „Paula sieht so realistisch aus, dass die Leute mindestens zwei Mal hinschauen.“ Wenn jemand das erste Mal in das Kostüm schlüpft, erklärt die junge Frau vorher, wie man möglichst realistisch die Eisbärin imitiert.
Aufträge bekommt Vanessa von der Greenpeace-Zentrale aus Hamburg. Die Anzahl variiert: Manchmal vergeht ein Monat ohne Einsatz. Dann gibt es wiederum Monate, in denen sie Paula auf bis zu vier Veranstaltungen Anweisungen via Funkgerät gibt. Nach einem klaren Stundensatz wird Vanessa nicht bezahlt. Von einem Einsatz kann sie etwa ihre monatliche Miete bezahlen. Ein Monat ohne Einsatz ist daher nicht problematisch für sie. Vanessa sucht vorab die Ehrenamtlichen, die die Eisbärin zum Leben erwecken und kümmert sich um deren Aufenthalt in der jeweiligen Stadt. Sie muss Paula jedes Mal aus der Greenpeace-Zentrale in Hamburg abholen. Ein herkömmlicher Pkw reicht für den Transport nicht aus: „Ich reserviere jedes Mal ein großes Auto und brauche Hilfe beim Verladen – allein kann ich das Kostüm nicht tragen.“ Da die Organisation bundesweit aktiv ist, nimmt Vanessa lange Arbeitswege auf sich. Die Anfahrt bezahlt Greenpeace. Gleich ihr erster Einsatz im Sommer 2016 führte die Studentin nach Nürnberg auf ein Konzert von Udo Lindenberg. Prominente begegnen ihr immer wieder: Herbert Grönemeyer, Bülent Ceylan und Spieler des FC St. Pauli posierten schon mit Eisbärdame Paula. Durch die prominenten Unterstützer will Greenpeace mehr Reichweite erzielen. „Im Kostüm haben es die Freiwilligen wirklich nicht leicht, ich versuche mit ihnen gemeinsam für ein bisschen Spaß zu sorgen. Durch spontane Ideen wie zum Beispiel einen Wettbewerb, wer es am längsten im Kostüm aushält, vergeht die Zeit schneller als man denkt.“ Zweieinhalb Stunden sei übrigens der aktuelle Rekord.
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as Online-Konzept der EscortAnbieter ist immer ähnlich: Die Körper der Frauen oder Männer stehen im Fokus, ihre Gesichter sind verpixelt. Auch Pia ist auf einer dieser Internetseiten zu finden. Über ihre Person erfahren die Besucher der Homepage nicht viel: nur Pias Interessen, ihren Essensgeschmack und ein paar weitere kurze Infos wie Körper-
*Name von der Redaktion geändert
und Körbchengröße. Das Alter haben die Betreiber der Seite verfälscht, um Pias Identität zu schützen. Die Dortmunder Studentin arbeitet seit drei Jahren als Escort-Dame. Angefangen hat die 25-Jährige, weil sie die Aussicht auf schnelles Geld reizte. „Ich hatte mich auf gut Glück bei einer kleinen Agentur beworben, ohne mir groß
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etwas dabei zu denken und ohne mir sicher zu sein, ob ich den Job überhaupt machen möchte“, erzählt sie. Wochen später erhielt Pia per Anruf eine Zusage. Die junge Frau entschied sich dazu, den Job auszuprobieren – und blieb dabei. Der finanzielle Reiz war zu groß: „Wenn du zwei Treffen hinter dir hast und dir klar wird, dass du für das Geld in einem normalen Nebenjob mehr als einen
DIE MEISTEN KUNDEN WOLLEN SEX Sie ist jung, ambitioniert und ehrgeizig – und sie lebt mit einem Geheimnis. Die 25-jährige Pia* aus Dortmund arbeitet als Escort-Dame. Tagsüber besucht sie an der Uni Vorlesungen, abends die Hotelzimmer ihrer Kunden. TEXTMICHELLE GODDEMEIER ILLUSTRATIONNANNA ZIMMERMANN
Monat arbeiten müsstest, überlegst du dir zweimal, ob du damit aufhörst“, sagt sie. In der Branche arbeiten neben weiblichen auch männliche Escorts, die sich so ihr Studium finanzieren. Die Männer sind allerdings in der Minderheit. Wie viel Geld Pia bekommt, hängt davon ab, wie lange die Männer sie buchen. Im Regelfall sind das zwei
bis vier Stunden. Für zwei Stunden bekommt die Studentin 340 Euro, für drei Stunden 460 Euro. Ein fester Betrag, Sex mit inbegriffen. Den fordern aus ihrer Erfahrung auch neun von zehn Kunden ein. Die wenigsten wünschen ein sogenanntes „Dinner Date“, bei dem sie Männer ausschließlich zu Geschäftsessen oder Feiern begleitet. Der Agentur zahlen die Kunden etwas mehr als die
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zuvor genannten Beträge, schließlich möchte diese von dem Geschäft der Vermittlung profitieren. Vor einiger Zeit wurde die Studentin von einem jungen Unternehmer für sechs Tage nach Dubai eingeladen. Dort trafen die beiden sich mit seinen Eltern. Pia spielte die feste Partnerin an seiner Seite. „Dieser Auftrag war einerseits
extrem lukrativ, weil ich so gratis an einen Urlaub in einem Luxushotel in Dubai gekommen bin. Andererseits war er auch sehr anstrengend, weil ich ständig aufpassen musste, mich nicht zu verplappern“, sagt Pia rückblickend.
Sicherheit geht im „Business“ vor Typischerweise trifft sich Pia mit den Männern zuerst in der Öffentlichkeit: in einem Restaurant, einer Bar, im Theater oder auf einer Feier, bei der sie die Begleitung spielt. Dort hält die Studentin harmlosen Smalltalk mit ihren Kunden, bevor sie sie auf ihre Hotelzimmer begleitet und mit ihnen schläft. Auf die gemeinsame Zeit in Bars oder Restaurants legen viele Männer großen Wert. „Für die meisten Kunden sind die Unterhaltung und ein schöner Abend mindestens genauso wichtig wie der Sex“, sagt die 25-Jährige.
Bevor es zu dem Treffen kommt, stellen die Männer bei Pias Agentur eine Terminanfrage. Diese kann Pia dann bestätigen oder ablehnen. Einen Grund muss sie nicht nennen. „Wenn ich also einfach keine Lust habe, ist das kein Problem.“ Wenn sie den Termin bestätigt, bekommt Pia weitere Details per E-Mail zugeschickt, die sich der Kunde aussucht: genauer Ort, Outfitwunsch, ungefähr geplanter Ablauf. Über ihren Kunden weiß sie kaum etwas, meist nur seinen Namen und sein Alter, manchmal auch Hobbys und Interessen. Telefonisch muss die Escort-Dame ihrer Agentur bestätigen, dass sie erfolgreich beim Date angekommen ist. Sollte es zu einem späteren Zeitpunkt Probleme mit den Kunden geben, kann die junge Frau eine Notfallnummer anrufen. Innerhalb der ersten 20 Minuten hat sie die Möglichkeit, das Arrangement abzubrechen, wie der Kunde auch. Das hat Pia bisher dreimal getan. „Einmal standen am vereinbarten Treffpunkt plötzlich drei Männer, die auf mich gewartet haben.
Und zweimal waren die Kunden ganz offensichtlich stark angetrunken.“
Jeder Kunde kann Wünsche mit der Agentur absprechen Ängste und Sorgen hatte Pia vor allem in der Anfangszeit: Was ist, wenn die Männer etwas verlangen, was sie nicht machen möchte? Diese Befürchtungen hat sie mittlerweile weitestgehend überwunden: „Im Laufe der Zeit lernt man sich zu äußern oder zu zeigen, was man nicht machen möchte.“ Jeder Kunde hat im Vorhinein die Möglichkeit, besondere Wünsche mit der Agentur abzusprechen – damit Handlungen, die über das normale Angebot der Agentur hinausgehen, mit der Escort-Dame abgeklärt werden können. Das kann beispielsweise der Wunsch nach Paarsex sein. Pia setzt dabei klare Grenzen: kein Treffen mit mehreren Männern, kein Fetisch. Ansonsten ist sie sexuell offen: „Während des Treffens schlüpfe ich einfach in meine Rolle.“ Häufig trifft die Studentin zwar auch Männer, mit denen sie freiwillig keinen Sex haben würde. Das nimmt sie des Geldes wegen aber in Kauf. „Wenn es wirklich einmal
eine Phase gibt, in der ich einfach nicht mehr als Escort-Dame arbeiten möchte, nehme ich erstmal für zwei bis drei Wochen keine Treffen an, um etwas Abstand zu gewinnen.“
Funktionierende Beziehungen sind kaum möglich Trotz der lukrativen Bezahlung: Ihr Nebenjob hinterlässt Spuren. Pia sagt von sich selbst, keine intakten Beziehungen mit Männern mehr führen zu können. Zumindest solange sie als Escort-Dame arbeitet. Für zwei Monate hatte die Sexarbeiterin einen Freund, beendete die Liaison jedoch schnell. „Ich hatte das Gefühl, ihn zu betrügen. Hauptsächlich habe ich aber aus der Angst heraus mit ihm Schluss gemacht, dass er es irgendwann selbst herausfindet“, erzählt Pia. Auch der Rest ihres Umfelds weiß nichts von ihrer Nebentätigkeit. Ein Outing stand für Pia nie zur Debatte. Zu viel Angst hat sie vor den Reaktionen. „Ich möchte gar nicht darüber nachdenken, was meine Familie und Freunde von diesem Job halten.“ Sie möchte auf keinen Fall als „Hure“ abgestempelt wer-
den. Deshalb erzählt Pia Freunden und Familie, sie habe einen Nebenjob als Kellnerin. Lediglich eine gute Freundin weiß über ihr Doppelleben Bescheid. Dass das soziale Umfeld meist nichts von dem Sexjob mitbekommt, ist in der Branche offenbar normal. „Ich kenne kaum Frauen, die Freunden und Bekannten von dieser Arbeit berichten“, sagt Silvia Vorhauer von der Dortmunder Mitternachtsmission e.V. Der Verein berät Prostituierte, ehemalige Sexarbeiterinnen und Opfer von Menschenhandel. Vorhauer kennt die Probleme der jungen Frauen. Viele empfänden es als sehr belastend, wenn sie sich der Familie oder den Freunden offenbaren. Andere haben Angst, dass der Partner sie verlässt, weiß Vorhauer. Deshalb wenden sich sowohl Frauen an die Mitternachtsmission, die sich offenbaren möchten und dabei Hilfe brauchen, als auch Sexarbeiterinnen die versuchen, mit ihren Lügen klarzukommen. Risiken und Probleme blenden
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Frauen laut der Expertin anfangs aus. Sie sehen nur das schnelle Geld. „Es entsteht eine Einstiegseuphorie“, sagt Vorhauer. Doch psychische Probleme wie Schuldgefühle gegenüber sich selbst und dem sozialen Umfeld, Depressionen und Angsterkrankungen bis hin zur paranoiden Schizophrenie würden viele Sexarbeiterinnen plagen. Hinzu kämen häufig Drogenprobleme. „Lügen fliegen auf, die Prostituierten ziehen sich aus ihrem sozialen Umfeld zurück, verhaften im Milieu. Sie befinden sich somit in einem Teufelskreislauf“, sagt Vorhauer. Aber es gebe auch Sexarbeiterinnen, die mit ihrem Job gut und offen umgehen können.
Die Elite der Prostitution? Charlie ist eine von diesen Frauen. Anders als Pia hat sie ihrem Umfeld von
ihrer Nebentätigkeit als Escort-Dame erzählt. Ihre Eltern und Geschwister hätten damit kein Problem. Im Freundeskreis hat sie unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Zwei enge Freundinnen hat Charlie verloren, weil sie nicht mit ihrem Job umgehen konnten. „Prostitution und Escort sind immer noch hoch stigmatisiert in unserer Gesellschaft“, sagt die 28-jährige Hamburgerin. Sie will die Interessen der Sexworker unterstützen. Deshalb engagiert sich die Soziologiestudentin bei dem Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V., kurz BesD. „Anfangs zählte ich mich als Escort-Dame zur Elite der Prostituierten“, sagt sie. Nach ihren Besuchen bei sogenannten Hurenstammtischen und auf Sexarbeitskongressen habe sie andere Sexworker kennengelernt – und ihre Meinung geändert. Escorts seien nicht bessergestellt als andere Sexarbeiterinnen. Viele haben ihren Bereich einfach so gewählt, wie er am besten zu ihrem Lebensalltag passt:
Escort-Damen arbeiten auf Abruf und müssen deshalb flexibel sein. Geregeltere Arbeitszeiten gibt es in Bordellen. Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen, die lieber zu Hause bleiben, empfangen ihre Kunden in der privaten Wohnung. Wie Pia weiß auch Charlie, dass viele Kunden aus verschiedenen Gründen Sexarbeiterinnen buchen. „Viele meiner Klienten wollen ihre Ehe nicht gefährden. Andere haben kaum Erfahrungen mit Sex und manche wollen einfach keine feste private Beziehung mit Verpflichtungen.“ Die Männer suchen häufig nicht nur nach Sex, sondern auch nach zwischenmenschlicher Nähe und Aufmerksamkeit, weiß Charlie. Deshalb ist es für sie wichtig, Grenzen ziehen zu können. Sie weist Kunden freundlich zurecht, die vor allem emotional mehr erwarten als sie geben kann und möchte.
ESCORT-SERVICE IST NICHT IMMER PROSTITUTION Ob beim Escort-Service von Prostitution gesprochen werden kann, kommt nach dem Prostitutionsgesetz (ProstG) auf die Handlung oder Dienstleistung an. „Prostitution sind alle sexuellen Handlungen gegen Geld. Dabei ist es egal, ob es unter den Namen Escort, Nachbarschaftshilfe oder Sexualbegleiterin fällt“, sagt Rechtsanwalt Dr. Sascha Böttner. Prof. Maria Wersig, die Recht in der sozialen Arbeit an der FH Dortmund lehrt, ergänzt, dass es – anders als bei der regulären Gewerbeanmeldung – nicht auf eine Kontinuität ankommt: „Ein einziges sexuelles Treffen gegen Geld reicht aus, um als Prostitution zu gelten und ist somit vorher anmeldepflichtig.“ Solange die Escort-Damen die Kunden lediglich treffen oder begleiten, ohne mit ihnen Sex zu haben, hat dies nichts mit Prostitution zu tun.
SAG MAL, PROF …!? Bin ich wirklich so alt, wie ich denke? TEXTJULIAN BEIMDIECKE FOTOPETER VON FELBERT ILLUSTRATIONNANNA ZIMMERMANN
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ass Menschen von außen altern, sieht jeder: Die Haare werden grau, fallen aus und die Haut wird faltig. Daran lässt sich das kalendarische Alter eines Menschen in etwa einschätzen. Über das biologische Alter sagt das allein nicht viel aus. Um das zu bestimmen, muss man das äußere Alter mit dem inneren verbinden – also einbeziehen, wie weit der Alterungsprozess der Organe und Gefäße vorangeschritten ist. Der körperliche Zustand wird in Relation zum kalendarischen Alter gesetzt. Das heißt auch, dass ein Dreißigjähriger und ein Fünfzigjähriger, die denselben körperlichen Zustand aufweisen, nicht dasselbe biologische Alter haben. Wenn dieses Alter hoch ist, bedeutet das, dass statistisch die Lebenszeit verkürzt ist. Wenn man zum Beispiel als Dreißigjähriger schon das biologische Alter von 60 hat, können trotzdem 100 Kalenderjahre erreicht werden – die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber nicht besonders hoch. Nun altern alle Organe des Körpers aber nicht gleich schnell. Das Gefäßsystem ist eines der sensibelsten Gradmesser des Alterungsprozesses. Es verzweigt sich in alle Organe und versorgt diese mit Sauerstoff und Nährstoffen. Wenn es vorgealtert ist, kommt es zu den häufigsten Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Deshalb spricht man beim biologischen Alter auch vom Gefäßalter. Ist es hoch, sind die Gefäße in der Regel steifer und weisen Kalkablagerungen und Engstellen auf. Konkret handelt es sich bei den Risikofaktoren zum Beispiel um Vorer-
krankungen in der Familie, einen ungesunden Lebensstil und sonstige schlechte medizinische Werte, etwa einen hohen Cholesterinspiegel, Bluthochdruck, Diabetes oder Übergewicht. Es fallen nicht alle Faktoren gleich ins Gewicht: Starkes Rauchen und ein hoher Cholesterinwert etwa beeinflussen das Risiko wesentlich stärker als Übergewicht. Das exakte biologische Alter eines Menschen zu bestimmen, ist allerdings nicht möglich. Jede Feststellung ist nur eine Annäherung. Die Einteilung in die Kategorien „deutlich älter“, „etwas älter“, „etwas jünger“ und „deutlich jünger“ im Vergleich zum kalendarischen Alter ergibt mehr Sinn, als sich an die genauen Ergebnisse eines Tests zu klammern. Man kann etwas für sein biologisches Alter tun: Wenn man viel Sport macht, sich gesund ernährt und nicht raucht, altert man weniger schnell. Solche Empfehlungen sind zwar nicht neu, viele Menschen wissen jedoch gar nicht, was ihre Risikofaktoren sind. Wer sein biologisches Alter bestimmt, setzt sich damit auseinander. Das kann zum Nachdenken anregen und eine Motivation sein, gesund zu leben. Prof. Dr. med. Martin Halle ist Ärztlicher Direktor des Zentrums für Prävention und Sportmedizin an der TU München. Mit seinem Test kann man das eigene biologische Alter bestimmen: das-biologische-alter.de.
was frauen verdienen
was männer verdienen
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DER GENDER PAY GAP Der unbereinigte Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen betrug 2016 in Deutschland 21 Prozent. Quelle: Statistisches Bundesamt
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MIND THE GAP Frauen verdienen in Deutschland weniger als Männer. Dr. Nele Franz, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Makroökonomie der TU Dortmund erklärt, warum Deutschland im internationalen Vergleich nicht gut dasteht – und warum diese Diskriminierung so schwer nachzuweisen ist. TEXTSTELLA BRAUN
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m März hat die Aktion „Equal Pay Day“ darauf aufmerksam gemacht, dass Menschen immer noch aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich verdienen. Brauchen wir solche Initiativen? Ich finde ja. Wenn Medien darüber berichten, wird den Menschen bewusst, dass Männer und Frauen trotz gleicher Voraussetzungen unterschiedlich bezahlt werden. Die Leute erfahren, wie groß der Gender Pay Gap wirklich ist. Was genau ist denn dieser Gender Pay Gap? Er misst die Einkommensdifferenz von Männern und Frauen in einer Region oder einem Land – er zeigt also, wie unterschiedlich sie bezahlt werden. Fasst man den Begriff enger, können auch die geschlechterbedingten Einkommensunterschiede in verschiedenen Branchen oder einzelnen Betrieben betrachtet werden. Gemessen wird meist die Differenz der Stunden- oder Jahreslöhne. Wie hoch ist der Gender Pay Gap in Deutschland? In Deutschland liegt er laut Statistischem Bundesamt für 2016 bei 21 Prozent. Das bedeutet, dass Frauen in Deutschland im Durchschnitt ein Fünftel weniger verdienen als Männer. Dieser Wert ist seit 2002 relativ konstant. Das Statistische Bundesamt vergleicht die Bruttoverdienste aller Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Deutschland. Dabei werden sowohl alle Vollzeit- als auch Teilzeitkräfte mit einbezogen. Unterscheidet sich der Gender Pay Gap je nach Branche? Durchaus. Bei freiberuflichen und wissenschaftlichen Dienstleistungen lag
der Gender Pay Gap laut Statistischem Bundesamt 2015 beispielsweise bei 32 Prozent. Im Gastgewerbe fiel der Unterschied mit 11 Prozent kleiner aus. Dass der Gender Pay Gap dort relativ gering ausfällt, liegt unter anderem daran, dass die Hierarchieebenen und damit auch die Karriere- und Gehaltsstufen nach oben hin sehr begrenzt sind und damit die Lohnverteilung am unteren Rand gestaucht ist. Die meisten Jobs bieten kaum Karrierechancen und erfordern keine oder wenig Ausbildung. Hinzu kommt noch der Mindestlohn: Dadurch ist die Lohnstruktur relativ homogen. Außerdem gibt es im Gastgewerbe einen verhältnismäßig hohen Frauenanteil zwischen 60 und 65 Prozent. Allerdings gibt es keine Branche, in der Frauen mehr verdienen als Männer. Warum verdienen Frauen weniger als Männer? Früher war der Bildungsstand für den Gender Pay Gap besonders wichtig. Frauen waren schlechter ausgebildet als Männer. Das gilt heute in der Form nicht mehr. Mittlerweile sind sie in Deutschland durchschnittlich sogar geringfügig besser ausgebildet als Männer. Da auf dem Arbeitsmarkt aber auch noch viele ältere Arbeitnehmerinnen sind, spielt Bildung heute noch immer eine Rolle. Es muss doch auch noch andere Gründe geben. Natürlich. Einer der Hauptgründe: die geringere Arbeitserfahrung. Frauen zwischen 25 und 40 Jahren arbeiten oft weniger oder gar nicht mehr, da sie etwa Kinder aufziehen oder Verwandte pflegen. Häufig arbeiten Frauen nur in Teilzeit oder geringfügig. Sie dominieren
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DER PAY GAP (2015) IM INTERNATIONALEN VERGLEICH Quelle: Eurostat
Luxemburg.....................................5,5 Italien..............................................5,5 Rumänien.......................................5,8 Belgien............................................6,5 Polen...............................................7,7 Slowenien.......................................8,1 Schweden........................................14 Zypern..............................................14 Ungarn.............................................14 Litauen..........................................14,2 Norwegen.....................................14,9 Spanien.........................................14,9 Dänemark.....................................15,1 Bulgarien......................................15,4 Frankreich....................................15,8 Niederlande..................................16,1 EU (28 Staaten).............................16,3 Lettland............................................17 Finnland........................................17,3 Island............................................17,5 Schweiz.........................................17,7 Portugal........................................17,8 Slowakei........................................19,6 Großbritannien.............................20,8 Österreich.....................................21,7 Deutschland....................................22 Tschechien....................................22,5 Estland..........................................26,9
diesen Sektor eindeutig. Zudem sind Frauen in einigen Branchen, in denen die Beschäftigten relativ gut bezahlt werden, wie dem Ingenieurwesen, seltener vertreten als Männer. Typische Frauenberufe, besonders im sozialen Bereich, werden meist relativ schlecht bezahlt. Was sind die Folgen? Aus Erwerbspausen oder verkürzten Arbeitszeiten ergibt sich ein weiteres Problem: Die Chancen der Frauen
sinken, innerhalb des Unternehmens aufzusteigen. Bemerkenswert ist, dass Männer sogar in von Frauen dominierten Berufen häufig schnell Führungspositionen übernehmen und dadurch auch in diesen Branchen mehr verdienen. Ist das schon Diskriminierung? Lohndiskriminierung findet dann statt, wenn Frauen bei gleicher Produktivität weniger verdienen als Männer. Darüber kann man mit dem allgemeinen Gender Pay Gap aber keine genaue Aussage treffen. Bei diesen unbereinigten Zahlen werden alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unterschiedlichen Branchen und Berufen und mit unterschiedlichen Ausbildungen verglichen. Und hier kommt der bereinigte Gender Pay Gap ins Spiel. Um überprüfen zu können, ob Männer und Frauen auf gleicher Position in der gleichen Branche oder dem gleichen Betrieb unterschiedlich bezahlt werden, müssen nämlich gewisse Faktoren herausgerechnet werden. Wie genau funktioniert das? Es werden alle Anteile vom unbereinigten Gender Pay Gap abgezogen, die Aufschluss darüber geben, ob die Arbeitenden unterschiedlich produktiv sind: also beispielweise unterschiedliche Arbeitserfahrungen, Ausbildungen und Tätigkeiten in verschiedenen Branchen. Das ist dann der bereinigte Gender Pay Gap, also der Anteil, der nicht durch unterschiedliche Produktivität von Männern und Frauen erklärbar ist. Er lässt auf geschlechterbedingte Diskriminierung schließen. Wie hoch ist der bereinigte Gender Pay Gap? Das lässt sich nicht eindeutig sagen. Die Zahl variiert sehr stark, je nachdem, welche Faktoren herausgerechnet werden. Einige Studien besagen, dass es gar keinen bereinigten Gender Pay Gap gibt. Bei anderen Studien wiederum liegt er im zweistelligen Bereich. Das Statistische Bundesamt kommt in letzten Berechnungen für 2014 auf einen bereinigten Gender Pay Gap von sechs Prozent und bildet hier meiner Meinung nach ein gutes Mittelmaß.
Sollte man also nur den bereinigten Gender Pay Gap betrachten? Ja, wenn es allein darum geht, wie Menschen bei der Entlohnung diskriminiert werden. Und das obwohl sie genauso viel produzieren, leisten und die gleiche Erwerbserfahrung haben wie ihre Kollegen. Man sollte allerdings immer beachten, dass der bereinigte Gender Pay Gap auch bestimmte Arten von Diskriminierung ausschließen kann. Es kann etwa sein, dass Frauen beziehungsweise Mädchen in einigen Ländern schlechtere Bildungschancen haben. Das wird beim bereinigten Gender Pay Gap einfach herausgerechnet, da eine schlechte Ausbildung zu einer geringeren Produktivität führt und somit erklärt, warum Frauen weniger verdienen. Deshalb ist es wichtig, den unbereinigten Gender Pay Gap mit aufzuführen. Er kann zwar
nur ein grober, aber dennoch wichtiger Spiegel von Diskriminierung sein. Wie lässt sich die Diskriminierung von Frauen erklären? Dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Eine ist das Konzept der statistischen Diskriminierung. In diesem Fall benachteiligt ein Arbeitgeber eine Bevölkerungsgruppe, weil sie statistisch gesehen weniger produktiv ist als andere. Frauen arbeiten häufig ab 30 Jahren in Teilzeit, weil sie ihre Kinder erziehen. Es kann aber sein, dass ein Arbeitgeber lieber jemanden sucht, der Vollzeit arbeitet. Da er das Vorurteil hat, dass Frauen in einem gewissen Alter in Teilzeit arbeiten, stellt er lieber Männer ein. Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da?
GENDER PAY GAP IN DEUTSCHLAND (2015), NACH BRANCHEN AUFGESCHLÜSSELT Quelle: Statistisches Bundesamt
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Freiberufliche, wissenschaftliche Dienstleistungen
– 30%
Finanz- und Versicherungsdienstleistungen
Verarbeitendes Gewerbe
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Deutschland weist einen höheren unbereinigten Gender Pay Gap auf als der europäische Durchschnitt. Der liegt 2015 bei 16 Prozent. Vorreiter ist beispielsweise Schweden. Hier beträgt der Gender Pay Gap nur 14 Prozent. Wie kommen Unterschiede in einzelnen Ländern zustande? In Skandinavien werden beispielsweise Führungspositionen häufiger in Teilzeitstellen aufgeteilt. Das kann dazu führen, dass sich die Löhne von Frauen und Männern angleichen, da so auch in Teilzeit arbeitende Frauen die Möglichkeit haben, Führungspositionen zu übernehmen – und das zu einem entsprechend höheren Stundenlohn. Außerdem haben die meisten Länder eine vollkommen unterschiedliche Familienpolitik, wie sie mit Frauen umgehen, die wegen
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Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kfz Information & Kommunikation
ihrer Kinder eine Berufspause einlegen. In einigen Ländern gibt es für Frauen in Mutterschaftsurlaub kaum Ersatzleistungen. Das zwingt die Frauen dazu, schneller in das Berufsleben zurückzukehren. In Deutschland sind die Ersatzleistungen und der Kündigungsschutz großzügiger, was für die jungen Eltern sehr gut ist. Frauen in Deutschland kehren so allerdings häufig erst später auf den Arbeitsmarkt zurück. In Frankreich gibt es schon seit Jahren Ganztagsschulen und Betreuungsangebote. Französinnen haben also bessere Möglichkeiten, schnell in ihren Vollzeitjob zurückzukehren.
– 23% – 22%
Gesundheits- & Sozialwesen
Energieversorgung Kunst, Unterhaltung und Erholung
ARBEITEN SEIT 100 JAHREN Frauen strebten in großer Zahl in den 1920er und während des Zweiten Weltkriegs auf den Arbeitsmarkt. Damals mussten viele Frauen arbeiten, sowohl in Deutschland als auch in vielen anderen Ländern. Insbesondere in Staaten wie Amerika traten Frauen nach den Kriegen nicht wieder aus der Erwerbstätigkeit aus. In den 1950er Jahren gab es noch eine Welle, in der Hausarbeit wieder wichtiger wurde. Aber der Trend, dass Frauen erwerbstätig wurden, hat sich durchgesetzt. Seitdem ist die Lohnungleichheit ein diskussionsfähiges Thema. Arbeit wurde zunehmend auch für Frauen sinnstiftender Teil des Lebens. Stark wurde das Thema in der Öffentlichkeit während der Emanzipationsbewegung in den 1970er Jahren diskutiert.
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Grundstücks- & Wohnungswesen
– 11%
Gastgewerbe
Apropos ... Gender Gap Arbeitsrecht kurz erklärt: Welche juristischen Möglichkeiten haben Frauen, wenn sie ungleich bezahlt werden? Sind Männer auch betroffen? Das weiß Fachanwalt Dr. Sebastian Maiß. Er hat für die pflichtlektüre die wichtigsten Antworten zusammengefasst.
Wie ist die gesetzliche Lage in Deutschland? Gibt es ein Gesetz, dass Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts in Deutschland verbietet? „In Deutschland existiert kein Entgeltgleichheitsgesetz, das besagt, dass Männer und Frauen bei identischer Qualifikation und Tätigkeit gleich bezahlt werden müssen“, erklärt Maiß. Dennoch dürfen Frauen nicht aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden. Das Grundgesetz und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbieten es Arbeitgebern, Frauen weniger zu zahlen, nur weil sie Frauen sind. Auch auf europäischer Ebene gibt es bereits entsprechende Regelungen. Deutsche Politiker arbeiten derzeit an einem Entgelttransparenzgesetz, das noch 2017 in Kraft treten soll. Was können Frauen tun, wenn sie glauben, ungerecht bezahlt zu werden? Maiß empfiehlt, zuerst das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen. Auch ein Betriebsrat oder eine Gewerkschaft können weiterhelfen. Beschäftigte haben zudem das Recht, sich zu beschweren, wenn sie sich benachteiligt fühlen. Laut des AGG muss der Arbeitgeber die
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2006: 23 %
Wie läuft so eine Klage ab? „Die Arbeitnehmerin muss nachweisen, dass sie gleichwertige Arbeit leistet und niedriger entlohnt wird als vergleichbare männliche Arbeitnehmer“, sagt Maiß. Diesen Nachweis zu erbringen ist sehr schwer. „Die Situation der Arbeitnehmer hinsichtlich der Art der Arbeit und Ausbildungsanforderungen muss eindeutig vergleichbar sein.“ Da Arbeitnehmerinnen häufig keinen Zugang zu solchen Informationen haben, ist es schwer, einen Verstoß zu belegen. Das neue Entgelttransparenzgesetz könnte hier helfen. „Beschäftigte sollen unter anderem besser an Informationen gelangen zu ihrer Vergütung und zu gleichwertigen Tätigkeiten.“ Was passiert, wenn Frauen nachweisen, dass sie bei der Vergütung diskriminiert werden? „Der Arbeitgeber muss darlegen, dass er nicht gegen den Grundsatz des glei-
chen Entgelts für Männer und Frauen verstoßen hat“, sagt Maiß. Er muss also beweisen, dass die unterschiedliche Entlohnung durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, beispielsweise dadurch, dass der Mann besser qualifiziert ist oder mehr Berufserfahrung als die Frau hat. Wie viele Frauen klagen in Deutschland gegen Lohndiskriminierung? Nur wenige. Genaue Zahlen liegen nicht vor. Das liegt oft daran, dass den betroffenen Frauen mangels Einblick in die Gehaltsstruktur überhaupt nicht bewusst ist, dass sie diskriminiert werden. Dass eine Klage nicht unbedingt positiv für das Arbeitsverhältnis sowie die Karrierechancen im Betrieb ist, kann zudem abschrecken. Wie sieht es bei den Männern aus? „Sowohl die Normen aus dem AGG als auch das geplante Entgelttransparenzgesetz sind uneingeschränkt für Frauen und für Männer gültig“, sagt Maiß. Es gibt jedoch keine Zahlen oder Statistiken, die eine Ungleichbehandlung von Männern belegen.
2010: 22 %
2016: 21 %
Ziel für 2010: 15 %
10 %
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Missstände beheben und in manchen Fällen Schadenersatz zahlen. Ist die Beschwerde nicht erfolgreich, kann man mit einer Diskriminierungsklage auf gleichen Lohn klagen.
ENTWICKLUNG DER GENDER PAY GAP IN DEUTSCHLAND VON 2006 BIS 2016 Das Statistische Bundesamt sagt: „Seit 2002 ist der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern fast konstant. Das Ziel der Bundesregierung, den Verdienstabstand bis zum Jahr 2010 auf 15 % zu senken, wurde damit deutlich verfehlt.“
Quelle: Statistisches Bundesamt
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ANGESCHRIEBEN In jedem Heft schreiben wir Prominenten einen Brief. Dieses Mal: Kritik an Familienministerin Manuela Schwesig. Unser Autor plädiert für mehr Kitaplätze, damit Mütter wieder sicher arbeiten können. TEXTWILHELM PISCHKE FOTOMARKUS BERGMANN
, Frau Schwesig Sehr geehrte
n n ist es Ihne oßen Koalitio n. Gr ge r in de br s zu au f den Weg derstände au Wi r tz le se al ge en z nz trot zu sorg , nspare s Entgelttra el, um dafür da tt , en Mi en e ng ch lu ls ge fa tarbeiterinn s Gesetz das nt werden. Mi oh en tl eg en ll Ko ch Leider ist da ei re s ih und Männer gl einsehen, wa rz: dass Frauen greift zu ku nnen nun zwar kö tz n se me Ge eh s rn da te ch Un schwer, Do r er vo n. oß gr verdiene nach wie on es ti n si be Po ha n er in gleich nehmerinne zahlte Arbeit usetzen. Schlechter be hz rc zahlung du Be e ir chheit fa ne ei r Lohnunglei e Ursache de e sich nd Si de n ei er ch mm ts mangel. Kü er eine en gs eb un li eu n rch tr te du Be ll wegen Sie so r. Denn e Jobpausen r Kleinkinde ng fü la n tan: te Ki fe ei n mp hk de bekä glic fehlen Betreuungsmö er sich bei tt g Mü ufi e hä di e n, intensiver um si te nen langen Auszei ssen, verdie die oftmals ung nehmen mü er Arbeit. eh ch zi ei er gl er i nd Ki egen – be ll Ko Plätzen zur en ch li ihre männ haft weniger als schen Wirtsc itut der deut hren. st Ja In ei m dr de r ut te Kinder un t fehlen la r ei fü dw ve ze an si ät hl es pl sc Deut euungs en sukz 228 000 Betr vorigen Jahr n wa de et hn Ze in it t Ze s: bo r au zu ange cht s Betreuungs t bei Weitem ni Zwar wurde da ihr Kind nich n die Plätze en he nn ic kö re h t, oc eh nn e st De Di be . t. rf en au da ausgeb ten fehl denen Be die Kapazitä Eltern, bei il r we de , t en en ng oz Pr rbri ichtung unte schlechtere hnausfälle, in einer Einr Lo n, se au bp e Jo Folgen: lang ngere Löhne. n – und geri ce an ch hmen. re ie Karr enpolitik ne edens Famili ation hw tu Sc si an gs un ch e Betreu n Sie si di te nn rt kö do t el is pi ut werden, Ein Beis s in De schniedriger al nder geboren Ki it ähe hr ch me ei hl gl Obwo hnun Kind nach sp er und die Lo erhält jedes ss rn s be te ch El ru ch sp li ob an ut n, gs de Betreuun ngig davo s hä de ab un nd der , ru tz fg ch ta-Pla nen na land. Au ten einen Ki wenn Schwedin na Mo st – lb er e se vi si d s Un testen iten. , können zurückkehren tagsüber arbe b er Jo od n . re ts en ih ch na in beit ilzeit-Kraft positionen ar Geburt als Te – in Führungs d an hl sc ut De anders als in zwei Probleme , lösen Sie en e ff ha sc ze plät und senken di ue Betreuungs illige Eltern sw it be ar Indem Sie ne n te : Sie entlas gleichzeitig . it he Lohnungleich chen Grüßen Mit freundli hke Wilhelm Pisc
g si aus e hw -H 1 Sc ndt ße a a a el -Br str lin u n y m r Ma ill hel Be W il 63 W 09 1
BACHELOR MIT BRAUTSTRAUSS Während viele Studierende durch die Clubs ziehen und auf Partys ungebundene Liebe genießen, läuten für manche bereits die Hochzeitsglocken. Wir haben (fast) verheiratete Studierende getroffen – und einen Paartherapeuten, der kein Fan der Uni-Ehe ist. TEXTLARA WANTIA FOTOSCARSTEN APITZSCH&SELDA SCHRETZMANN&LARA WANTIA
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eziehungen im Studium? Für manche ein Partykiller, für andere eine Wunschvorstellung. Einige setzen auf die Partnerschaft noch einen drauf und heiraten schon während des Studiums. Sie hoffen, nicht nur mit dem Bachelor, sondern auch mit der ewigen Liebe die Uni zu verlassen. Diese Kombination kann scheitern – meint zumindest Hubert Geurts. Er ist Paartherapeut und kennt alle Seiten der Liebe – wenn Beziehungen zerbrechen und wenn sie nach seiner Therapie wieder funktionieren. Geurts beschreibt Liebe als einen Zustand, der nur temporär ist. Sie hat also verschiedene Phasen. „Am Anfang der Beziehung hat man Hochgefühle. Da werden sozusagen Drogen im Körper produziert. Man sieht alles durch die rosarote Brille“, sagt er. „Die Hormone sorgen erst einmal dafür, dass man offen ist, salopp gesagt auch mit dem Partner in die Kiste geht. Das ist die erste Phase, ein Verliebtsein, aber keine echte Liebe.“ Diese Phase sei jedoch relativ schnell beendet. Dann beginnt laut Geurts die kritische Zeit: „Man muss dazu kommen, den anderen in sein Herz zu lassen. In dieser Phase stören die Macken des Partners – das ist also eine Bewährungsprobe. Jede Beziehung stirbt von da an auch mal ein Stück, kann aber trotzdem funktionieren.“ Von diesem Zeitpunkt an wechselt die Liebe in einen Zustand der Vertrautheit. Das ist nicht nur gut, meint der Paartherapeut: „Viele Paare sind schon jahrelang verheiratet, kennen sich also sehr gut, sind vertraut miteinander. Aber manchmal verwechseln sie die Vertrautheit mit Liebe.“ Das perfekte Alter für eine Beziehung gibt es laut Geurts nicht. „Es kommt nicht
auf das Alter der Leute an, sondern auf die Dauer der Beziehung. 70-Jährige sind manchmal genauso bekloppt wie 20-Jährige“, sagt der Paartherapeut. Dennoch sieht er bei Studierenden Schwierigkeiten. „Im Studium will man sich ausleben, sich ausprobieren, möglichst viel mitnehmen und Erfahrungen sammeln. Sich so früh dauerhaft zu binden, kommt für die meisten nicht in Frage.“ Für Beziehungen sei es sogar von Vorteil, Erfahrungen zu haben. „Wenn jemand zum Beispiel vor einer Beziehung noch nie sexuelle Erfahrungen gemacht hat oder etwas für ihn völlig neu oder ungewohnt ist, kommt meistens irgendwann der Ausbruch. Das kann auch erst nach 15 bis 20 Jahren so sein.“
Spießer werden ist ein Problem Trotzdem sei eine Beziehung im Studium nicht unbedingt zum Scheitern verurteilt. Für diese Paare hat Geurts Tipps: „Sie sollten die Verrücktheit, die sie am Anfang der Beziehung hatten, bewahren. Das heißt, dass sie nicht so bürgerlich werden, sondern neugierig bleiben. Die Verrücktheit legt sich oft, wenn einmal der Alltag eingekehrt ist oder sich vom Studium zum Beruf alles ändert. Intellektuell sein nützt nicht immer, auch wenn alle Studierenden das sehr gut kennen und gerne glauben.“ Aber natürlich folgen längst nicht alle Studierenden der Empfehlung des Paartherapeuten zum Zeitpunkt der Hochzeit. Dass Beziehungen auch über das Studium hinaus bestehen können, zeigen Lena und Kevin. Sie gingen seit der
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fünften Klasse zusammen zur Schule, waren bis zu ihrem Abitur 2007 nur gute Freunde. Danach absolvierte Kevin ein freiwilliges ökologisches Jahr in Mecklenburg-Vorpommern. „Immer wenn ich Zuhause war, haben wir uns getroffen“, sagt er über die Anfänge ihrer Beziehung. Seit September 2009 sind sie ein Paar, seit März 2011 verlobt und seit Juli 2011 schließlich verheiratet. Sie war zu dem Zeitpunkt im Referendariat, er im vierten Semester seines Lehramtsstudiums, beide waren 23 Jahre alt. „Wir waren verabredet zum Spazierengehen und Quatschen. Ich habe Lena abgeholt und hatte einen Piccolo und zwei Gläser dabei“, erzählt Kevin. „Deswegen habe ich sie auch gar nicht richtig umarmt, weil ich dachte, sie würde was merken. Und dann habe ich ihr auf einem Turm in Hagen beim Sonnenuntergang den Antrag gemacht.“ Einen Hochzeitstermin während des Studiums zu finden, war gar nicht so leicht. „Wir wollten vor September heiraten. Also musste es schon in den Sommerferien sein, vor den Prüfungen. In den Ferien war vorher alles voll, nachher alles voll, aber aus unerklärlichen Gründen war dieser eine Freitag frei. Und den haben wir dann gewählt“, erklärt Lena. Für die Feier haben sie fast alles selbst organisiert, um zu sparen. „Wir haben nach Räumen gesucht, in denen man Essen selbst machen oder einen Caterer kommen lassen konnte. Freundinnen von mir haben den Getränkeservice übernommen. Zu trinken gab es an alkoholischen Getränken dann auch nur Wein und Bier“, sagt Lena und lacht. Fotografiert haben Freunde von Kevin. Für Lena und Kevin war die Hochzeit auch eine Sache des Glaubens.
Lena & Kevin Winterhoff Beide 29 Jahre alt – Hochzeit im Juli 2011 – Beide haben Lehramt studiert, er in Dortmund, sie in Essen.
„Wir wollten vorher nicht zusammenleben. Also war es klar, dass wir erst heiraten und dann zusammenziehen“, sagt Lena. Zu jung für eine Hochzeit fühlte sie sich damals nicht: „Das war für mich nie Thema. Ich wollte immer jung heiraten.“ Auch Kevin sagt: „Ich finde es total albern, diese Denkweise ‚Erstmal Studium und dann Hochzeit‘. Das ist eher eine innere Sache, ob man sich schon sicher ist. Und dass man sich am Anfang immer aneinander gewöhnen muss, ist sowieso klar. Wir haben das immer gut hinbekommen: Der, der damals als erster Zuhause war, hat gekocht. Durch solche Absprachen hat es bei uns funktioniert.“
Für Sportstudenten sei früh heiraten tabu Die Reaktionen auf die Hochzeit aus dem direkten Umfeld von Lena und Kevin waren sehr unterschiedlich.
Lenas Freundinnen fanden es schön, Kevins engste Freunde wussten von Anfang an Bescheid. Seine Kommilitonen hingegen reagierten verständnislos. „Es gilt unter Sportstudenten als Todsünde, früh zu heiraten. Die männlichen Kommilitonen konnten nicht nachvollziehen, dass ich mich festlegen wollte, obwohl es doch so viele hübsche Sportstudentinnen gab“, sagt Kevin und grinst. Bereut hat der 29-Jährige die Entscheidung nie: „Dieses klischeehafte Studentenleben kannte ich vor der Hochzeit auch nicht.“ Die Beziehung von Iris und Tim hat ähnlich begonnen wie die von Lena und Kevin. Sie kennen sich aus Kindertagen. Ihre Familien waren gut befreundet und fuhren jeden Sommer zur gleichen Zeit nach Fehmarn. „Wir sind Sandkastenfreunde seit 1996. Und irgendwann war dann doch mehr“, erzählt Iris. 2002 wurden sie Brieffreunde, 2004 ein Paar. Zu der Zeit gingen beide noch zur Schule.
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Iris wohnte in Hamm, Tim im 80 Kilometer entfernten Essen. „Wir haben von Anfang an das Problem mit der Distanz gehabt. Mal eben treffen – das ging nicht einfach so“, sagt Tim. „Nach der Schule hatte ich dann ein Auto, damit waren wir flexibler. Aber das hat alles erst ein bisschen gedauert.“ Ab 2007 wohnten sie zusammen bei Iris‘ Eltern, 2014 zogen sie nach Dortmund. Den Heiratsantrag machte Tim an ihrem zehnten Jahrestag. Iris erinnert sich: „Für mich war das einfach ein Jubiläum, auch wenn es unser Zehnjähriges war. Wir sind erst drei Monate vorher gemeinsam nach Dortmund gezogen. Wir haben dann ganz klassisch zusammen gekocht und hatten einen schönen Abend.“ Tim hat für den Antrag von der Uni einen Beamer geliehen, ein Video mit den schönsten Momenten der vergangenen zehn Jahre gemacht und den Raum mit Kerzen beleuchtet. „Das war auch nach zehn Jahren Beziehung eine Überraschung. Die letzte Seite der
Präsentation war dann die Frage, ob sie meine Frau werden will“, erzählt Tim.
Bei der Hochzeit ist auch das Kindergeld wichtig Das Alter spielte für das Paar bei der Hochzeit keine Rolle. „Wir haben geheiratet, weil wir uns lieben. Wir finden auch nicht, dass wir sehr früh geheiratet haben. Dass wir so lange gewartet haben, war ein Kostengrund. Bei einer Hochzeit wäre das Kindergeld weggefallen“, erklärt Tim. Auch bei der Feier haben sie auf das Geld geachtet: „Es war keine pompöse Hochzeit und auch kein Ring für 1000 Euro. Wir hatten ein bisschen angespart, ganz gut kalkuliert und trotzdem eine schöne Hochzeit“, sagt Iris. „Gefeiert haben wir im Westfalenpark. Wir haben einen Raum in einem Restaurant direkt am See gemietet. Da haben wir auch die Hochzeitsfotos gemacht. Wenn man nicht so verbissen ist, kann der Tag umso schöner sein“,
sagt die 26-Jährige. Das Studium sahen Iris und Tim nicht als Hindernis. Tim erklärt: „Wir haben uns eher gegenseitig unterstützt.“ Dennoch müsse man in einer Beziehung während des Studiums Kompromisse eingehen. „Wir sind eher bodenständig – zum Beispiel in Sachen Karriere. Wir sind froh, dass wir uns haben. Alles drum herum ist uns egal. Wir haben uns stets abgestimmt und wollen in NRW bleiben.“ Diese Kompromisse beschäftigen sie auch jetzt noch. Das Paar pendelt aktuell in zwei verschiedene Richtungen – Iris nach Duisburg, Tim zu einem längeren Praktikum nach Hamm. „Die Koordination ist teilweise schwierig. Manchmal fehlt einfach die Zeit für andere Dinge. Das ist etwas, was die Beziehung belasten kann“, sagt Tim. Eine Erklärung, warum die Beziehung trotzdem funktioniert, hat er: „Ich glaube, dass wir das ganz gut wegstecken, weil wir aus einer Fernbeziehung gestartet
sind. Damals haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir uns manchmal wochenlang nicht gesehen haben.“ Für beide war es nie problematisch, dass sich ihre Beziehung verändert hat. „Irgendwas passiert immer, entwickelt sich“, sagt Tim. „Es ist dann interessant, das zu reflektieren. Man muss einfach Vertrauen und Verständnis für den Partner haben, dann klappt das schon.“ Hilfreich sei es, als Paar zusammen an der Beziehung zu arbeiten, findet Iris: „Er ist mein bester Freund und meine erste Anlaufstelle. Damit hat er alle anderen ausgestochen. Wichtig ist, dass man sich als Paar, als Team einig ist. Man muss zusammen handeln und sich arrangieren.“
Fehmarn zur zweit? Besser als Party an der Uni Mit dem Klischee des freiheitsliebenden Studenten kann sich das Paar nicht identifizieren. „Irgendwann erreicht man den Punkt, an dem man sich fragt: Was ist einem wichtiger? Für mich ist es ein viel schöneres Gefühl, einen Menschen zu haben, den ich liebe, der immer für mich da ist und auf den ich mich verlassen kann“, sagt Tim. „Ich weiß auch gar nicht, ob ich das klischeehafte Studentenleben wollte, selbst wenn ich könnte. Ich mache lieber einen schönen Urlaub zu zweit. Wir fahren zum Beispiel immer noch nach Fehmarn.“ Dass ihre Beziehung dauerhaft ist, war beiden von Anfang an klar. „Sie ist meine erste Freundin. Ich habe trotz unseres jungen Alters auch gar nicht mehr gesucht. Es hat gepasst, es hat gefunkt, also war alles gut“, sagt der 29-Jährige.
Iris & Tim Beige Sie 26, er 29 Jahre alt – Hochzeit im Mai 2015 – Sie ist Bachelor der Wirtschaftswissenschaften, er studiert im achten Mastersemester Statistik, beide in Dortmund.
Lisa Brix & Nils-Simon Ruoß Beide 20 Jahre alt – Hochzeit im September 2017 – Sie studiert im zweiten Semester soziale Arbeit, er im ersten Semester Informatik, beide in Dortmund.
Und das Kribbeln im Bauch? „Klar, das verliert man, wobei ich das gar nicht vermisse. Am Anfang musste man um die Beziehung kämpfen. Das war auch spannend, wäre aber auf Dauer anstrengend. So ist es schöner, weil man viel freier ist.“
Die Eltern ahnten die Hochzeit bereits Studium und Ehe miteinander vereinbaren – das haben Lisa Birx und Nils-Simon Ruoß noch vor sich. Beide sind 20 Jahre alt und studieren an der FH in Dortmund. Seit November 2014 sind sie ein Paar. Zwei Jahre später machte Nils-Simon Lisa den Antrag. Im September wollen sie heiraten. „Vor dem Antrag war ich schon nervös. Den habe ich bei mir Zuhause gemacht, mit Kerzen und so. Ich habe schon damit gerechnet, dass sie ja sagt“, erzählt NilsSimon. Für Lisa war das sofort klar: „Da musste ich nicht nachdenken.“ Kennengelernt haben sie sich 2011 auf einer Freizeit. Die Hochzeit finanzieren sie mit Hilfe ihrer Eltern und Gespartem. Beide arbeiten neben dem Studium
und verdienen sich so ein bisschen dazu. „Wir werden uns aber bemühen, die Hochzeit günstig zu halten“, sagt Lisa. Die Reaktionen auf ihre Hochzeit waren unterschiedlich. Gab es die Kritik, dass sie zu jung seien? „Das haben wir deutlich seltener gehört, als wir es erwartet hatten“, sagt Lisa. Ihr Alter war für sie kein Contra-Argument: „Es stimmt ja auch, dass wir jung sind.“ Für zu früh hielt die Hochzeit aber niemand, sagt Nils-Simon: „Die Leute waren einfach ein bisschen überrascht.“ Doch das gilt nicht für alle: „Meine Eltern haben schon seit einem Jahr damit gerechnet.“ Dass sich Ehe und Studium nur schwierig vereinbaren lassen, glauben
die beiden nicht. „Es wird natürlich vorkommen, dass wir viel lernen müssen. Das kann komisch sein, wenn wir nebeneinander in Zimmern sitzen und trotzdem keine Zeit für uns haben“, sagt Nils-Simon. Doch Lisa erklärt: „Ich glaube, in solchen Situationen ist es wichtig, dass man sich Zeit füreinander nimmt.“ Bisher fühlt sie sich durch das Studium nicht eingeschränkt. „Egal, wann man heiratet, man wird immer neue Situationen haben, die schwierig sein könnten. Ich glaube aber nicht, dass das ein großes Problem wird. Man sollte natürlich schon darauf achten. Aber es kann unabhängig von äußeren Umständen in jeder Beziehung passieren, dass man sich auseinanderlebt.“
Mehr zum Thema online: Die Geschichte von Mirjam und Josua lest ihr auf pflichtlektuere.com
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BEGRABEN IM INTERNET Gräber auf Friedhöfen sind oft unpersönlich und erzählen nur wenig über die Menschen, die dort begraben liegen. QR-Codes auf Grabsteinen sollen helfen, an das Leben der Verstorbenen zu erinnern. TEXTJULIAN HILGERS FOTOMARKUS BERGMANN
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erblühtes Efeu rankt sich über den Grabstein. Eine kahle rechteckige Steinplatte, die Inschrift ist verblasst. Keine Blumen, die das Grab zieren. Die Menschen, die hier auf dem Dortmunder Ostfriedhof liegen, sind schon fast 100 Jahre tot. Der Grabstein gehört zu einer jüdischen Familie. Neben ihm steht ein Sockel mit einem QR-Code. Wer diesen mit seinem Smartphone einscannt, kommt auf eine Website, die über das Leben des Dortmunder Rechtsanwalts Otto Elias erzählt. Elias starb 1933, der Text auf der Website entstand 2014 während eines Projekts der Ricarda-Huch-Realschule in Dortmund. „Geschichte kann auf diese Weise schnell abgerufen werden. Der QR-Code ist günstiger als ein Schild und die Inhalte können verändert werden“, sagt Baruch Babaev, Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Dortmund. Dennoch zweifelt er an dem Nutzen der Codes: „Die meisten Menschen sind zu faul, bleiben für den QR-Code nicht stehen oder übersehen ihn.“ In der Tat fällt der graue, fußhohe Sockel zwischen den Blättern kaum auf. Auf dem Dortmunder Ostfriedhof gibt es bereits sechs dieser QR-Codes. Sie werden meist von Stiftungen und Vereinen angeschafft und sollen an Persönlichkeiten erinnern. Das Unternehmen e-memoria aus Leonberg bei Stuttgart produziert solche QR-Codes für Privatpersonen. Die Codes können auch in den Grabstein integriert werden. „Wir wollen eine Grabstelle mit der Online-Welt verknüpfen“, sagt Gründer Christian Paechter. Die Idee kam dem gelernten Betriebswirtschaftler, als er vor einigen Jahren Nachwuchs bekam.
„Ich wollte meinem Kind von seinen Vorfahren erzählen, doch ich wusste nicht viel über sie.“ Auf den Gedenkseiten können Angehörige Texte, Bilder oder Videos hochladen oder online eine Kerze anzünden und kondolieren. Die Digitalisierung hat die Friedhöfe erreicht. Die Grablichter brennen auf den Gedenkseiten im Internet.
Die Angst, vergessen zu werden Eine solche Seite hat Charlotte Blessin aus Tübingen 2013 für ihre Großmutter erstellt, fast drei Jahre nach deren Tod. „Meine Oma hatte immer große Angst, vergessen zu werden“, erzählt Blessin. Ihre Großmutter liegt in Heinsberg begraben – ihrer Heimat in der Nähe von Aachen, fast 450 Kilometer von Blessins Wohnort entfernt. Viele Verwandte konnten deswegen nicht zur Beerdigung kommen. „Wann geht man überhaupt noch auf den Friedhof?“, fragt Blessin. In ihrer Kindheit telefonierte sie täglich mit ihrer Oma, war oft zu Besuch. Im Internet stieß die 38-Jährige auf das Angebot von e-memoria, Freunde und Verwandte sind froh, nun im Internet gedenken zu können. Wer die Gedenkseite für Blessins Großmutter besucht, sieht Fotos, Lebensdaten und Trauereinträge. Es wirkt wie ein Social-MediaProfil. Fast alle Profile sind öffentlich. Die Seiten auf e-memoria sind ein Friedhof im Internet. Heißt der Trend also: QRCodes und schöne Gedenkseiten statt teurer Grabmale und Blumen? Charlotte Blessin kann es sich vorstellen: „Die Bestattungen werden ohnehin immer anonymer, die Gräber kaum gepflegt.“
Dazu kommen hohe Kosten bei aufwendigen Gräbern: Stein, Blumen, Pflege. Die QR-Codes von e-memoria kosten inklusive Gedenkseite weniger als 100 Euro. Auch von der Kirche und älteren Menschen erhält der Einzug von Technologie auf Friedhöfen viel Zustimmung. Das Bistum Osnabrück will beispielsweise künftig QR-Codes an Kirchen und religiösen Schauplätzen in der Region anbringen. Bisher kann Christian Paechter zwar nicht von e-memoria leben, doch mit dem Tod kann man viel Geld verdienen. „In einem Jahr stirbt etwa ein Prozent der deutschen Bevölkerung“, erklärt Paechter. Doch die QR-Codes kollidieren mit Traditionen. Die Kölner Stadtverwaltung wollte die Plaketten Anfang 2014 verbieten. Musik oder Videos seien auf Friedhöfen störend, außerdem habe man keine Kontrolle über den Inhalt der Gedenkseiten. Inzwischen dürfen QR-Codes angebracht werden, wenn die Stadtverwaltung über den Inhalt der Seiten Bescheid weiß und von der Haftung ausgeschlossen wird. Nach jüdischer Tradition braucht ein Grab immer einen Grabstein in bestimmter Größe mit Namen und Lebensdaten. „Es ist also undenkbar, dass QR-Codes im Judentum die klassischen Gräber ersetzen“, sagt der Dortmunder Rabbiner Babaev. Juden benutzen außerdem an Samstagen keine Handys, erzählt er. Denn der Sabbat ist im Judentum ein Ruhetag. Die QR-Codes sollen Gräber und ihre Pflege momentan noch nicht ersetzen, sondern ergänzen.
ABGEFAHREN BVB-Spieler in blau-weißen Trikots? Die hat es tatsächlich mal gegeben. Das Borusseum gibt einen umfangreichen Überblick über 107 Jahre Vereinsgeschichte – und ist damit ein echtes Highlight für BVB-Fans. TEXTMALIN ANNIKA MIECHOWSKI FOTOALEXANDRE SIMOES
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ls BVB-Fan ist es für mich Pflicht, die Mannschaft zu unterstützen – da darf auch ein Besuch im schwarzgelben Vereinsmuseum unmittelbar neben dem Stadion nicht fehlen. Direkt beim Eintreten fällt mir die ehemalige Stammkneipe „Zum Wildschütz“ auf. In dieser Kneipe am Borsigplatz wurde am 19. Dezember 1909 der BVB gegründet. Mit viel Liebe zum Detail wurde sie hier nachgebaut. In der Vitrine servierfertig angerichtet ist die Lieblingsspeise der ersten BVB-Spieler: Fleisch mit Bratensoße, Kartoffeln und Zwiebeln. Von der Stammkneipe geht es in die Schatzkammer: Wann hat man sonst die Möglichkeit, dem ChampionsLeague-Pokal so nah zu sein? Ebenfalls ausgestellt werden die Schale, die für acht gewonnene Meisterschaften steht, und der DFB-Pokal. Und obwohl es nur Kopien sind, ist es doch ein besonderes Gefühl, den Trophäen so nah zu sein. Die größte Überraschung erlebe ich in einem Raum, in dem Trikots und Wimpel der Vergangenheit ausgestellt sind. Denn dort hängt ein blau-weiß gestreiftes Sportdress hinter der Glasscheibe. Blau-weiß?! Das sind doch die Farben des Erzrivalen Schalke 04. Doch ich lerne: Die ersten Partien der Vereinsgeschichte von 1909 bis 1914 bestritt der BVB tatsächlich in den Farben, die die Fans heutzutage eher ungern sehen. Nachdem ich zahlreiche Infoklappen geöffnet und Originalstücke bestaunt habe, ist es Zeit für eine Pause im Kinosaal. Auf gelben Sitzschalen, wie ich sie aus dem Stadion kenne, nehme ich Platz und fiebere noch einmal bei den spannendsten und schönsten Momenten
auf dem Platz mit. Da werden Erinnerungen wach, zum Beispiel an den Meisterschaftsgewinn in der Saison 2011/12 oder an die unzähligen gewonnenen Derbys. An gelben Videoautomaten kann man in ihre größten fußballerischen Momente eintauchen. So sehe ich etwa, wie der BVB 1966 unter anderem durch ein Tor der lebenden Legende Siggi Held den Europapokal der Pokalsieger gewinnt. In Vitrinen am Rand erkenne ich einige ihrer Originalstücke, etwa Fußballschuhe oder Torwarthandschuhe. Die letzte Station ist für mich das Highlight. In der Karaoke-Box kann ich mein Gesangstalent und meine Textsicherheit in Sachen BVB-Hymnen unter Beweis stellen. Ich entscheide mich für „You‘ll never walk alone“ – mit ausbaufähigem Gesangserfolg. Auf einem Monitor sehe ich, wie gut ich die Töne treffe. Aber letztendlich ist das im Stadion ja auch Nebensache. Wenn man schief singt, bekommt es ohnehin niemand mit. Mein Fazit: Alles in allem lohnt sich der Besuch im Borusseum für BVB-
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Anhänger jeden Alters. Ältere Anhänger fühlen sich in ihre Jugend zurückversetzt, in der die Helden noch Timo Konietzka und Aki Schmidt hießen. Und die jungen Fans können hautnah miterleben, wie Borussia Dortmund zu einem Traditionsverein wurde. Ein paar weitere Stationen zum Mitmachen und Entdecken wären wünschenswert. Auch im Schnelldurchlauf lassen sich viele Infos und Eindrücke mitnehmen, weshalb sich ein Ausflug ins Borusseum gut mit einer Stadionführung oder einem -besuch verbinden lässt.
WO? Strobelallee 50, Dortmund WIE? RE50 zum SignalIduna-Park, U42 bis TheodorFliedner-Heim oder U45 Richtung Westfalenhallen WANN? Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr, an Wochenenden, Feiertagen und den NRW-Ferien von 9.30 bis 18 Uhr und an Heimspieltagen bis zum Spielanpfiff WIE TEUER? Für Studierende vier Euro WEB? www.borusseum.de
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ILLUSTRATIONEN
Nanna Zimmermann
FOTOREDAKTION
Markus Bergmann, Thorben Lippert, Dominik Reintjes, Ben Schröder, Judith Wiesrecker
LAYOUT & GRAFIK
Janis Beenen, Timo Halbe, Stephan Kleiber, Anneke Niehues, Martin Schmitz, Nanna Zimmermann, Philipp Ziser Bettina Ansorge, Julian Beimdiecke, Annabell Bialas, Stella Braun, Ricarda Dieckmann, Alexandra Domanski, Michelle Goddemeier, Nils Gronemeyer, Lukas Hemelt, Bodo Hempel, Julian Hilgers, Linda Hopius, Thorben Lippert, Malin Miechowski, Martin Nefzger, Lisa Oenning, Wilhelm Pischke, Dominik Reintjes, Hannah Steinharter, Lara Wantia
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… Poldi für seine 130 Länderspiele, Henri für den Sonntagsbraten, der Firma Rasen-Peiffer für alle Platzfehler in Europa und explizit nicht Laborchef Dr. Klenk.
DRUCK
Hitzegrad Print Medien & Service GmbH Feldbachacker 16, 44149 Dortmund
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