Miguel de Cervantes‘ Testament

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Miguel de Cervantes‘ Testament

Da noch ein wenig Zeit und da die Poesie mir etwas schuldet: sei in meiner Kompanie, marschieren wir gemeinsam in das Abendrot. Du meine große, unerfüllte Liebe; Not hat ich mit dir – ach ja, was haben wir gerungen. Oh, Poesie, hätt Welt so gern mit dir besungen.


Doch Prosa hielt zu mir, mein treuester Kumpan. Kometenhaft mit ihm hinauf; auf schönste Bahn. Erfolg aus heit‘rem Himmel? Eher Blitz und Donner. Ich fror - und trage nun ganz stolz mein Sieges-Banner.

Erfolg kommt anders, als man denkt; dem wilden Schicksal das Zaumzeug anzulegen? Töricht; sehr fatal. Dein Schicksal beißt und bockt und bäumt sich epochal. Wirst abgeworfen. Flüster ihm gut zu. Die Wahl musst scheinbar du ihm überlassen; zügle dich. Wer spornstreichs durch sein Leben reitet leidenschaftlich, als Don Quijote will er Illusionen fangen. Wo war es abenteuerlicher: Mein Verlangen, als Mann mich zu bewähren auf dem Feld der Ehren mit Ritter-Idealen die Welt ganz keck belehren ja über Wert, Vorzüglichkeit vom Ich; als Ware mit Gold kaum aufzuwiegen. Waren‘s Handels-Jahre? Ein Krieger? Kaufmann! Handel mit dem Ich, statt handeln. Die linke Hand hat‘s mir versehrt. Zurückverwandeln? Dem, was gewesen, nachzutrauern? Nostalgie. Gab mir der Don Quijote recht? Denn mir gedieh beim Weiterkämpfen manch ein schöner Sieges-Baum. Ich nährte ihn mit Hoffnung; Keim gepflanzt im Traum.


Mit rechter Hand geschickt Geschick links liegen lassen. Geschrieben Vorzeigbares. Fantasie verprassen. Wer reich an Fantasie, kann solche Münzen prägen. Was geb ich an! Mehr Geld, daran wär mir gelegen! Von ungerechten Herrn zu Unrecht ins Gefängnis gebracht. Die Ausweglosigkeit! Ich hass Bedrängnis! Doch Hass verwandeln; nicht von ihm verwandeln lassen. Bat Gott um Rat: Wie überwind‘ ich Welt? Zu hassen, wer mich versklavt, mir meine Freiheit nimmt mit Fesseln, die Seele, Körper binden - Fegefeuer prasseln und dennoch diese lieben - himmelaufwärts zielen? Ach, Don Quijote, gleich ich dir und deinen Mühlen?

In Algier halb‘ Jahrzehnt, ‚ne halbe Ewigkeit gedient als Sklave; wahrte ich mir Seelen-Ganzheit? Ich werd‘ es bald erfahren, denn meine Seelen-Glanzzeit ist am Verdimmen. Lebenslicht. Leg nach ein Scheit! Es flackert unruhig, aber ich bin ruhig. Grube. Gemütlicher ist‘s in der trauten, warmen Stube. Vertraut ist mir die Grube; wie oft reingestolpert? Auf meinem Lebensweg Fortunas Karren holpert. Verschaukelt von den hohen Herrn, dem hohen Herrn. Mein Glück tritt ein? Die Glücks-Tür zuschlag‘n und versperr‘n.


War Kriegsheld in Lepanto - große Ambitionen. Empfehlungsschreiben an den König, könnte thronen in Luftschloss. Doch Korsaren nahmen mir die Freiheit. Man sagt, ich hätte andren Mut gemacht; bereit, in Algier König Hassan Pasha kühn zu trotzen. Erfuhr von meinem größten Mut; ich konnte strotzen vor Mut und Lebensenergie. - Woher kam sie? Ganz Algier wollte ich erobern. Ist Magie. Im größten Ungemach entdeckt man das Gemach, was Seele bislang blieb verborgen. Dank der Schmach. Es ist im Dunklen schwaches Licht mit einmal sichtbar? Dukaten, 1000 Stück, beendeten Gefahr. Ein hohes Lösegeld, doch wer erlöst die Seele? Verrat, dass ich mein Seelen-Schiff nicht selber stehle.

Sind die Korsaren immer aus, uns zu versklaven? Korsaren kapern schnell dein Lebensschiff; die Braven erwischt es ebenso wie Böse; Frommheit sinnlos? Wie soll man steuern in dem Chaos-Meer? Mein Los: nur lose schwankend in dem Auf und Ab? Wo fest sich täuen? Unsinkbares Schiff? Ist Leben Test, ob man den richt‘gen Kahn auswählt? Mit Dir im Boot, oh Gott, ist Zuversicht berechtigt, keine Not kann solchem Boot dann schaden? Uneinnehmbar sein. Spricht so ein Kriegsheld? Sei doch sichtbar und erschein.


Vielleicht wird mir dies Privileg schon bald gewährt? Hätt Dich in meinen Schriften gerne mehr geehrt.

Mein Lebens-Schiff, es steuert letzten Hafen an. Dass ich vor ruhiger Bucht vor Anker gehen kann? Erwarte ich das wirklich? Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Ich fand mich stets woanders, als ich es mir erdacht. Hast mir es zugedacht, trotz allem ein erfülltes Leben; große Pracht. Bin reich - auch wenn Beförderungen ausgeblieben. Ich konnt‘ mit Schicksal fechten und die Finten üben. Hab angetäuscht und hab mich selber überlistet. Gewiss, hab manches Jahr in Kümmernis gefristet.

Der Don Qujote hat am meisten profitiert. Mein Wissen, Lebensweisheit wurde ihm serviert. Er saß an reicher, intellektueller Tafel. Und ohne meine Gruben, gäb‘ es bloß Geschwafel. Und auch als zweiter Band als Plagiat erschien, als Invektive - wurde mir es zum Rubin: Nicht Zornesröte ob der Schmähung, sondern Anlass, um daran weiter zu gesunden. Aderlass. Durch Mangel, neue Stärke aufbau‘n, mir erwerben. Ich schließ den Brief, sei es mein Testament; könnt erben.


Sei Euer Erbteil das, was ich erfahren und Euch mitgeteilt - ich schließ die Augen und den Mund.

Was Ihr noch hört, so Ihr es wollt, sind meine Werke: Wenn Ihr so auf mich hört und mir nicht grollt; ich merke: Der Don Quijote führt sie alle an, folgt ihm. Vielleicht ist er ja unser aller Pseudonym. ENDE


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