[Sonderausgabe] Michel Foucault. Der Wille zur Wahrheit

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MAGAZIN rSondebe ausga

Mit einem Vorabdruck aus

„Die Geständnisse des Fleisches“

MICHEL

Wohin mit dem Wahnsinn? • Im Auge der Macht • Schluss mit Sex? Herrschaft der Algorithmen? • Das Leben als Kunstwerk MIT PETRA GEHRING • ULRICH RAULFF • MARTIN SAAR • WILHELM SCHMID

1 2 4 198673 809900

DER WILLE ZUR WAHRHEIT

Deutschland 9,90 €; Österreich 9,90 €; Schweiz: 16,50 CHF; Benelux: 10,40 €; Italien & Spanien: auf Nachfrage

FOUCAULT


Der Wille zur Wahrheit

Ulrich Raulff

DENKERINNEN UND DENKER

„Foucault stemmte sich nicht gegen den Druck der Straße, Foucault machte selber die Straße.“ Ulrich Raulff, langjähriger Direktor des Literaturarchivs Marbach, war einer der frühen Übersetzer von Foucault und begleitete ihn bei seinen Berlinbesuchen mit der Kamera. Er erzählt von der persönlichen Faszinationskraft des Denkers und dessen Bedeutung für die intellektuelle und politisch bewegte Jugend in Deutschland in den 1970er-Jahren. Seite 19

Petra Gehring Klimawandel, Umweltgifte, Atommüll – unsere Verschiebung von heutigen Problemen auf eine unbestimmte Zukunft, in der wir sie schon werden lösen können, führt zu einer Einengung von Handlungsoptionen und einem gesamtgesellschaftlichen Machtverlust. Warum Foucaults Machtkonzept gerade auch für die Analyse aktueller politischer Fragen noch fruchtbar ist, erläutert Petra Gehring, Professorin an der TU Darmstadt, in diesem Heft. Seite 53

Wilhelm Schmid

4

Der Philosoph und Bestsellerautor Wilhelm Schmid hat die Idee einer „Lebenskunst“ ins Zentrum seines Denkens und Schreibens gestellt. Im Gespräch erzählt er, wie sehr er dabei von Foucault, dem er mehrere Bücher gewidmet hat, inspiriert und geleitet ist – nicht nur was die Idee einer „Ästhetik der Existenz“ betrifft, sondern genauso in der Überzeugung, dass die individuelle Lebenskunst immer auch politisch ist. Seite 89

Abo-/Leser-Service: Tel.: +49 (0)40 / 38 66 66 309 Philosophie Magazin Leserservice PressUp GmbH Postfach 70 13 11, D-22013 Hamburg Fax: +49 (0)40 / 38 66 66 299 E-Mail: philomag@pressup.de Online-Bestellungen: www.philomag.de/abo Philosophie Magazin am Kiosk finden: www.mykiosk.com Das Philosophie Magazin ist erhältlich im Bahnhofs- und Flughafenbuchhandel in Deutschland

Fotos: Isolde Ohlbaum/laif; privat; Peter Rigaud; Laurin Schmid; Carolin Saage; Sophie Stieger; privat

Foucault

Denkerinnen und Denker

SONDERAUSGABE 12, MAI 2019 Philomagazin Verlag GmbH Brunnenstraße 143, D-10115 Berlin Chefredakteurin Sonderausgabe: Dr. Catherine Newmark* (V.i.S.d.P.) Herausgeberin: Anne-Sophie Moreau Berater: Sven Ortoli Art-Direktorin: Henrike Noetzold* Layoutentwickler: Jean-Patrice Wattinne / L’Éclaireur Bildchefin: Tina Ahrens* Schlussredakteur: Sebastian Guggolz* Lektorin: Christiane Braun* Praktikanten: Daniel Popp, Henric Meinhardt Kontakt Redaktion: Tel.: +49 (0)30 / 54 90 89-10 E-Mail: redaktion@philomag.de

Geschäftsführer und Verleger: Fabrice Gerschel Verlagsleiter: Thomas Laschinski (V.i.S.d.P. für Anzeigen) Verlagsassistentin: Maria Kapfer Kontakt Verlag: Tel.: +49 (0)30 / 54 90 89-10 E-Mail: info@philomag.de Vertrieb: IPS Pressevertrieb GmbH Am Sandtorkai 74, 20459 Hamburg Litho: tiff.any GmbH, Berlin Druck: Neef und Stumme, GmbH, Wittingen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: AB Agentur Brüggemann – Annette Brüggemann. Telefon über den Verlag

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Der Wille zur Wahrheit

Es ist eines der spektakulärsten philosophischen Publikationsereignisse der vergangenen Jahre: Der abschließende, nicht ganz zu Ende gebrachte vierte Teil von „Sexualität und Wahrheit“ wird jetzt unter dem Titel „Die Geständnisse des Fleisches“ endlich veröffentlicht – fast 35 Jahre nach Foucaults Tod. Martin Saar, Professor für Sozialphilosophie in Frankfurt am Main, führt in seinem Text in den letzten großen Foucault-Band ein. Seite 93

Foucault

Martin Saar

Mirjam Schaub

DENKERINNEN UND DENKER

Seiner eigenen Krankheit mochte Foucault sich in den letzten Lebensjahren nicht so recht stellen. Aber als Philosoph dachte er in dieser Zeit gerade besonders intensiv über den „Mut zur Wahrheit“ nach. Warum die antiken Kyniker mit ihrer radikalen Anstößigkeit und Furchtlosigkeit im Leben und Sprechen für den späten Foucault so zentral wurden, macht Mirjam Schaub, Professorin für Philosophie in Halle, klar. Seite 100

Philipp Sarasin Der Professor für Geschichte an der Universität Zürich ist einer der renommiertesten Foucault-Experten im deutschsprachigen Raum. Sein Text über Foucaults Reisen in den Iran und dessen oft kritisierten Reportagen von der dortigen islamischen Revolution zeigt, wie einschneidend das Erlebnis dieses politischen Moments für Foucaults Denken war. Seite 106

Ob Trump, die Brexit-Debatte oder Fake News, die Menschen wissen nicht mehr, wem oder was sie noch glauben können. Hat die Wahrheit ausgedient, sind wir im postfaktischen Zeitalter angekommen? Sind postmoderne Denker wie Michel Foucault gar schuld an der Relativierung von Wahrheit? Warum das ein Trugschluss ist, erklärt Frieder Vogelmann. Seite 111

5

Frieder Vogelmann

Leibniz und die Folgen J. Zimmer Leibniz und die Folgen 2018, VI, 150 S. Book + eBook. Geb. € (D) 19,99 | € (A) 20,46 | *sFr 22,00 ISBN 978-3-476-04740-3 € (D) sind gebundene Ladenpreise in Deutschland und enthalten 7 % für Printprodukte bzw. 19 % MwSt. für elektronische Produkte. € (A) sind gebundene Ladenpreise in Österreich und enthalten 10 % für Printprodukte bzw. 20% MwSt. für elektronische Produkte. Die mit * gekennzeichneten Preise sind unverbindliche Preisempfehlungen und enthalten die landesübliche MwSt. Preisänderungen und Irrtümer vorbehalten.

metzlerverlag.de A73147

Konzise Darstellung von Werk und vor allem Wirkung Die etwas „andere“ Einführung Was bleibt von Leibniz heute? Leibniz war in der Moderne wohl der letzte Universalgelehrte, der auf allen wesentlichen Wissensgebieten seiner Zeit originelle und innovative Leistungen erbracht hat: als reformorientierter Jurist, multilateral denkender Diplomat, als Mathematiker der Infinitesimalrechnung, als Erfinder einer Rechenmaschine und im Bergbau der Horizontalwindkraft, als Wissenschaftsorganisator und als einer der ersten Historiker, der quellenkritisch methodische Objektivität anstrebte.


Der Wille zur Wahrheit

Foucault

Inhalt Editorial Denkerinnen und Denker

Foucault und seine Zeit Chronologie

„Er mochte die Energie der jungen Leute“ Gespräch mit Ulrich Raulff

33

Überwachung überall Michel Foucault

52

Blick aus dem Spiegel Apolline Guillot und Vincent Pascal

34

„Unsere Machtspielräume werden enger“ Gespräch mit Petra Gehring

53

Aufgewühlter Boden Gilles Deleuze

36

Das Gesetz des Marktes Nils Markwardt

56

Vergesst Sartre! Andrea Roedig

37

„Die Herrschaft der Algorithmen ist ziellos“ Gespräch mit Antoinette Rouvroy

58

Mehr als Sonne und Strand Sarhan Dhouib

61

16

19

Mein liebster Feind Jean-Paul Sartre und Michel Foucault Der Wahnsinn geht ins Exil Michel Foucault

IM ARCHIV DES WISSENS Philosophie Magazin Sonderausgabe 12

Der Mensch verschwindet Michel Foucault

8

6

INHALT

Vom Leben zur Theorie Martin Duru

3 4

Zitate

40

42

24 26

„Die Ordnung der Dinge“ Das Ende der großen Erzählung Martin Duru 28

IM AUGE DER MACHT Zitate

JENSEITS DES BEGEHRENS 64 44 46

„Überwachen und Strafen“ „Die Archäologie ist ein großes Sezierbesteck“ Gespräch mit Ulrich Johannes Schneider

In der Disziplinargesellschaft Martin Duru 30

Das ideale Gefängnis Michel Foucault

48

50

Zitate

66

„Der Wille zum Wissen“ Schluss mit Sex Martin Duru

68

Machen sie sich frei? Michel Foucault

70


Fotos: Chiara Goia; Marina Weigl; Ryan James Caruthers; Chen Wei, Courtesy of Ota Fine Arts, Shanghai/Singapore/Tokyo; Moises Saman/Magnum Photos/Agentur Focus

Foucault bei Springer VS

Feminismus mit Foucault Catherine Newmark

72

Verkleidung der Natur Michel Foucault

74 ISBN: 978-3-658-02179-5

DIE WAHRHEIT SAGEN Zitate

DAS LEBEN ALS KUNSTWERK 78 Zitate LSD am Zabriskie Point Gespräch mit Simeon Wade

80

82

„Der Gebrauch der Lüste“ und „Die Sorge um sich“

96 98

„Es braucht härtere Mittel als Worte“ Gespräch mit Mirjam Schaub 100

Das eigene Leben riskieren Michel Foucault

103

Foucault im Strobo Dominik Erhard und Josefine Berkholz

104

Zu sich kommen Martin Duru

86

Fundamentaler Wandel Philipp Sarasin

106

Für sich sorgen Michel Foucault

88

Wahrheitspolitik Michel Foucault

110

„Postfaktisch ist die falsche Diagnose“ Gespräch mit Frieder Vogelmann

111

„Die Lebenskunst ist politisch“ Gespräch mit Wilhelm Schmid 89 Die Lust der Kirchenväter Martin Saar

93

Böses machen Michel Foucault

95

Literatur

114

ISBN: 978-3-658-22788-3

ISBN: 978-3-658-15473-8

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A73229


Der Wille zur Wahrheit

Foucault

1943

1946

1949

1950

› 15. Oktober: Geburt von Paul-Michel Foucault in Poitiers.

› Abiturprüfung. › Vorbereitungsklasse für die École Normale Supérieure (ENS) in Poitiers.

› Juli: Aufnahme an der ENS in der Rue d’Ulm, der renommiertesten und ältesten der Grandes écoles.

1945

1948

› Vorbereitungsklasse für die École Normale Supérieure (ENS) am Pariser Gymnasium Henri IV. Sein Philosophielehrer ist der Hegel-Übersetzer Jean Hyppolite.

› Dezember: Erster Selbstmordversuch.

› Entdeckt Saussure und das „formale Denken“ in einer Vorlesung von Maurice MerleauPonty an der Sorbonne. › Beginnt mit einer Psychotherapie.

› Kurzfristig Mitglied der Kommunistischen Partei. › Selbstmordversuch. Erwägt zeitweise eine Selbsteinweisung in das Klinikum SaintAnne.

Foucault und seine Zeit Leben und Werk von Michel Foucault im Lichte der politischen, künstlerischen und intellektuellen Wegmarken der Nachkriegszeit, zu deren herausragenden Denkern er gehörte

8

CHRONOLOGIE

FOUCAULTS LEBEN 1926

1926

1943

1946

1948

1950

1946

1948

1949

› Cornelius Castoriadis und Claude Lefort gründen die antistalinistisch-marxistische Gruppe Socialisme ou Barbarie (Sozialismus oder Barbarei).

› Simone de Beauvoir, „Das andere Geschlecht“. › George Orwell, „1984“. › Claude Lévi-Strauss, „Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft“.

IDEENGESCHICHTE 1927

1943

› Martin Heidegger, „Sein und Zeit“ (1964 ins Französische übersetzt).

› Jean-Paul Sartre, „Das Sein und das Nichts“.

Philosophie Magazin Sonderausgabe 12

1945 1942

› Albert Camus, „Der Mythos von Sisyphos“.

› Maurice Merleau-Ponty, „Phänomenologie der Wahrnehmung“.

› Karl Jaspers, „Die Schuldfrage“. 1947

› Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, „Dialektik der Aufklärung“.

POLITISCHE UND KULTURELLE EREIGNISSE 1939

1945

1946

1949

1950

› Beginn des Zweiten Weltkriegs.

› Februar: Konferenz von Jalta. › August: Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki.

› Ende des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher. › Beginn des Französischen Indochinakriegs.

› Mao Zedong stürzt die Militärdiktatur des Generals Chiang Kaishek.

› Beginn des Koreakriegs.


1951

1952

1953

1954

1955

› Agrégation (Lehramtsprüfung für Höhere Schulen) in Philosophie; die mündliche Prüfung geht auf Vorschlag von Georges Canguilhem über das Thema „Sexualität“.

› Erwirbt sein Diplom in Psychopathologie und wird Assistent für Psychologie an der Universität Lille. › Beginn seiner Beziehung mit dem Komponisten Jean Barraqué.

› Samuel Becketts Stück „Warten auf Godot“ in der Inszenierung von Roger Blin prägt ihn zutiefst. › Begeistert sich für Nietzsche. › Verfolgt das Seminar von Jacques Lacan in Sainte-Anne.

› Probleme mit Alkohol, hat Angst, Alkoholiker zu werden.

› Das Außenministerium betraut ihn mit der Leitung des Kulturinstituts Maison de France in Uppsala, Schweden. › Begegnung mit Roland Barthes. Beginn einer langen Freundschaft.

Albert Camus.

US-amerikanischer Atomtest „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett, inszeniert von Roger Blin in auf den Marshallinseln Paris im Theater Babylone. 1952.

1951

1952

1953

1954

1955

1951

1952

1953

1954

1955

› Albert Camus, „Der Mensch in der Revolte“. › Theodor W. Adorno, „Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben“. › Hannah Arendt, „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“.

› Claude LéviStrauss, „Rasse und Geschichte“. › Georges Canguilhem, „Die Erkenntnis des Lebens“.

› Roland Barthes, „Am Nullpunkt der Literatur“.

› Januar: In Paris wird eine erste „HomophilenVereinigung“ namens Arcadie (Arkadien) gegründet. › Ernst Bloch, „Das Prinzip Hoffnung“.

› Claude Lévi-Strauss, „Traurige Tropen“. › Raymond Aron, „Opium für Intellektuelle“.

1951

1952

1953

1954

1955

› 18. April: Vertrag von Paris: Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl wird gegründet – die Vorläuferin der Europäischen Union.

› Elisabeth II. wird Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien.

› Vorbereitung zur kriegsentscheidenden Schlacht um ĈLӋQ %LrQ 3Kӫ im Französischen Indochinakrieg. › 5. März: Tod von Joseph Stalin.

› 20. Juli: Genfer Abkommen, Ende des Indochinakriegs. › November: erste bewaffnete Aufstände gegen die französische Kolonialpräsenz in Algerien.

› Beginn des Vietnamkriegs, auch bekannt als „Zweiter Indochinakrieg“.

Philosophie Magazin Sonderausgabe 12

© Daniel Frasnay/akg-images; akg-images; Getty Images/Lipnitzki; Jean-Christophe Oberg

9

Michel Foucault in Uppsala, 1957.

Der Wille zur Wahrheit

› „Psychologie und Geisteskrankheit“.

CHRONOLOGIE

1954

Foucault

FOUCAULTS SCHRIFTEN UND VORLESUNGEN


Der Wille zur Wahrheit

Foucault IM ARCHIV DES WISSENS

Das Ende der großen Erzählung Erschienen zur Hochzeit des Strukturalismus, trifft „Die Ordnung der Dinge“ auf ein breites Echo und ruft lebhafte Debatten hervor. In diesem die Jahrhunderte durchlaufenden Panorama liefert Foucault eine Archäologie des Wissens, die die Wissenschaftsgeschichte erneuert. Provozierend sagt er das Ende des Menschen als privilegiertem Gegenstand der Erkenntnis voraus von MARTIN DURU

1.

Philosophie Magazin Sonderausgabe 12

28

Ein unerwarteter Bestseller „Foucault wie warme Semmeln“ titelt Le Nouvel Observateur im Sommer 1966. Obwohl „Die Ordnung der Dinge“ ein dickes und trockenes Buch ist, erfährt es regen öffentlichen Zuspruch. Man blättert darin am Strand, auf den Terrassen der Cafés … Auch wenn Foucault sich nicht strikt in die Bewegung einreiht, wird er zur Galionsfigur des aufstrebenden Strukturalismus erhoben. Der Ruhm hat seine Tücken, Polemiken brechen über ihn herein: Existenzialisten und Marxisten verbünden sich, um das Buch als antihumanistische Brandschrift zu verunglimpfen.

2. Die Archäologie des Wissens „Die Ordnung der Dinge“ ist ein Buch der Wissenschaftsgeschichte, doch keines wie die anderen. Sein Autor beansprucht für sich eine besondere Herangehensweise: Die „Archäologie“ soll eine Untersuchung sein, „in der man sich bemüht festzustellen, von wo aus Erkenntnisse und Theorien möglich gewesen sind“. Es gibt einen „Sockel“, eine gemeinsame Matrix für die verschiedenen Wissen einer Epoche – das ist die „Episteme“ (griech. „Wissen(schaft)“, „Erkenntnis“), die insgeheim die Diskurse ordnet. Provokante Behauptung: Die Erkenntnis darf nicht mehr den großartigen Entdeckungen der Forscher zugeordnet werden; sie ist bedingt durch die Regeln und Zwänge der Episteme – der Archäologe gräbt ein „Unbewusstes“ des Wissens aus, ein „anonymes“ Denken, von dem es konstituiert wird.


Michel Foucault Die Ordnung der Dinge suhrkamp taschenbuch wissenschaft

Foto: ullstein bild – dpa; Übersetzung: Till Bardoux

5.

„Vor dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts existierte der Mensch nicht“: Für Foucault taucht der Mensch erst in der Moderne auf dem Radar des Wissens auf und wird zum privilegierten Gegenstand der Erkenntnis. Man entdeckt ein Wesen, das durch seine Endlichkeit charakterisiert ist, nach den Gesetzen der Biologie lebt, nach den Gesetzen der Sprache spricht und in einem bereits organisierten ökonomischen Raum arbeitet. Dieser Mensch, der durch das definiert ist, was ihn determiniert, ist es auch, der später von den aus der Moderne hervorgegangenen Humanwissenschaften untersucht wird.

… und Tod des Menschen Der Skandal hatte hier seinen Ausgangspunkt: Am Ende von „Die Ordnung der Dinge“ prophezeit Foucault den Tod des Menschen. Es ist nicht die Ankündigung des nahen Verschwindens der Gattung, sondern eine von Nietzsche inspirierte Parole. Der deutsche Philosoph hatte den Tod Gottes proklamiert und dazu aufgerufen, den Menschen hinter sich zu lassen. Am Ende seiner Archäologie tritt Foucault in seine Fußstapfen: Der Mensch als Gegenstand des Wissens ist eine „Erfindung“ jüngeren Datums, eine prekäre und vielleicht vorübergehende Gestalt; es könnte sein, dass das Interesse an ihm verschwindet, dass es ausgelöscht wird „wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand“. Die foucaultsche Hypothese klingt wie ein Affront gegen den Humanismus. Nicht nur, dass der Mensch kein souveränes Subjekt des Denkens ist; das Denken hat zudem Besseres zu tun, als sich um den Menschen zu kümmern, jene Statue, die von ihrem Sockel zu stürzen ist.

Der Wille zur Wahrheit

Foucault IM ARCHIV DES WISSENS

4.

Geburt …

29

3.

In seiner Saga ohne Helden analysiert Foucault drei Perioden: die Renaissance, das „klassische Zeitalter“ (17. und 18. Jahrhundert) und die Moderne (seit Ende des 18. Jahrhunderts). Jedes Mal ändern sich die Codes. In der Renaissance gehorchen die Formen des Wissens der Suche nach Ähnlichkeit: Man etabliert Analogien zwischen den Wesen, aus denen die Welt zusammengesetzt ist. Das klassische Zeitalter ist die Ära der Repräsentation: Über die Zeichen der Sprache werden die Dinge einzeln benannt, inventarisiert, klassifiziert (wie beispielsweise in den natürlichen Taxonomien eines Linné). Die Moderne schließlich bewirkt ein Umschlagen zur Geschichte: Es geht darum, die Genese des Lebenden (Biologie), der Sprachen (Philologie) oder der Produktion (politische Ökonomie) zurückzuverfolgen. Die Geschichte der Wissenschaften ist nicht linear, sondern diskontinuierlich, rhythmisiert von den plötzlichen, recht geheimnisvollen Wandlungen der Episteme.

Philosophie Magazin Sonderausgabe 12

Eine große Erzählung


Aufgewühlter Boden Der Philosoph Gilles Deleuze beschreibt 1966 im Magazin Le Nouvel Observateur, was diese „Archäologie“, die Foucault in „Die Ordnung der Dinge“ betreibt, eigentlich für eine Methode ist. Ja, es gehe um eine Begründung der Humanwissenschaften, aber um eine boshafte, ein „maliziöses Geschenk“, das seine Idole zerbreche

G

ewiss geht es für Foucault darum, die Humanwissenschaften zu begründen. Aber es ist eine boshafte Begründung, eine Archäologie, die ihre Idole zerbricht. Ein maliziöses Geschenk. Fassen wir versuchsweise Foucaults Vorstellung zusammen: Die Humanwissenschaften haben sich keineswegs in dem Moment konstituiert, wo der Mensch sich selbst zum Gegenstand der Repräsentation machte, noch da, wo er sich eine Geschichte entdeckte. Es geschah im Gegenteil in dem Augenblick, als er sich „enthistorisierte“, als die Dinge (die Wörter, die Lebewesen, die Produktionen) eine Historizität gewannen, die sie vom Menschen und seiner Repräsentation befreite. (…) Daher präsentiert Foucault selbst seine Methode als Archäologie. Darunter ist eine Forschung zu verstehen, die den „Untergrund“ oder den „Boden“ aufgräbt, auf dem das Denken sich entfaltet und in den es sich versenkt, um seine Begriffe zu bilden. Was Foucault zeigt, ist, dass es sehr verschiedene Schichten in diesem Boden gibt, dass es Mutationen, topographische Umwälzungen, Organisationen neuer Räume gibt: so beispielsweise die Mutation, die das klassische Bild des Denkens ermöglicht, oder diejenige, die dem modernen Bild vorangeht. Zweifellos kann man dieser „Geschichte“ soziologische oder auch psychologische Kausalitäten unterlegen; tatsächlich aber breiten sich die Kausalitäten in Räumen aus, die schon ein Bild des Denkens voraussetzen. Man muss zu einer Konzeption kommen, die Ereignisse des reinen Denkens vorsieht, radikale oder transzendentale Ereignisse, die zu einer bestimmten Epoche einen Raum des Denkens bestimmen. An Stelle einer historischen Untersuchung der Meinungen (ein Gesichtspunkt, der bis zur Stunde die traditionelle Konzeption der Philosophiegeschichte beherrscht) zeichnet sich eine synchrone Untersuchung des Wissens und seiner Bedingungen ab: nicht seiner allgemeinen Möglichkeitsbedingungen, sondern der Bedingungen, die es zu einem bestimmten Augenblick realisieren und bestimmen. Eine

derartige Methode führt zu wenigstens zwei paradoxen Ergebnissen: Sie verschiebt gleichermaßen die Bedeutung von Begriffen und die von Autoren. So ist für die Definition des klassischen Zeitalters nicht mehr der Mechanismus entscheidend, auch nicht die Mathematik, sondern jene Umwälzung in der Ordnung der Zeichen, die aufhören, Figuren in der Welt zu sein, und in die Repräsentation eingehen: (…) Als allgemeine Regel, für die das Buch eine Fülle schlagender Beispiele liefert, lässt sich feststellen, dass die großen Meinungsstreite von erheblich geringerer Bedeutung sind als der jeweilige Raum des Wissens, der sie ermöglicht, und dass nicht notwendig die Autoren, die auf der Ebene der allersichtbarsten Geschichte groß sind, es auch auf der Ebene der Archäologie sind. Foucault kann sagen: „… ich habe es klarer bei Cuvier, Bopp und bei Ricardo als bei Kant oder Hegel verstanden“, und doch ist er nirgends mehr Philosoph als da, wo er die großen Verwandtschaftslinien verwirft zugunsten einer unterirdischen, heimlicheren Genealogie. Ein neues Bild des Denkens, eine neue Konzeption dessen, was Denken heißt, darin besteht heute die Aufgabe der Philosophie. Hier kann sie ihre Fähigkeit zur Mutation, zu neuen „Räumen“ erweisen, die nicht geringer ist als die der Wissenschaften oder der Künste. Auf die Frage: Was tut sich Neues in der Philosophie? liefern die Bücher Foucaults selbst die beste, die lebendigste und sicher die beweiskräftigste Antwort. Wir halten „Die Ordnung der Dinge“ für ein großes Buch: Es enthält neue Gedanken. —

„Der Mensch, eine zweifelhafte Existenz“, in: „Der Faden ist gerissen“, a. d. Frz. v. Walter Seitter u. Ulrich Raulff, S. 16–20

GILLES DELEUZE (1925–1995)

Der französische Philosoph gilt als einflussreicher poststrukturalistischer Denker. Mit Foucault verband ihn eine langjährige persönliche und intellektuelle Freundschaft, beide begleiteten eng das Schaffen des jeweils anderen

Foto: Gérard Uferas /GAMMA-RAPHO/laif

Der Wille zur Wahrheit

Foucault IM ARCHIV DES WISSENS

36 Philosophie Magazin Sonderausgabe 12

GILLES DELEUZE


Der Wille zur Wahrheit

Foucault

Sartre!

37

Michel Foucault und Jean-Paul Sartre: Das Verhältnis dieser beiden großen Intellektuellen war nicht einfach. In den 1960er-Jahren wurde Sartre für Foucault sogar zum heimlichen Antipoden, ein Denken im Stil Sartres schien ihm unmöglich und überholt. Dabei hatte Foucaults Frühwerk ganz anders begonnen

IM ARCHIV DES WISSENS

Vergesst

von

M

ichel Foucault war ein schlauer Fuchs, der sich nicht einfangen lassen wollte. „Ich denke, Sartres gewaltiges Werk und sein politisches Handeln werden eine ganze Epoche kennzeichnen“, sagte er in einem Interview 1968 und fuhr fort: „Ich werde niemals zulassen, dass man meine kleinen historischen und methodologischen Vorarbeiten mit einem Werk wie dem seinen vergleicht.“ Diese scheinbar bescheidene Bemerkung hat es in sich, sie ist voller ironischer Spitzen. Ja, Sartres Werk wird „eine ganze Epoche kennzeichnen“, aber diese Epoche ist längst vorbei, liest man zwischen den Zeilen. Denn Foucault selbst ist angetreten, mit den „kleinen historischen Vorarbeiten“ ein radikal neues Denken zu etablieren, eines, das mit Sartres so wenig zu tun haben wird, dass es noch nicht einmal mehr mit ihm verglichen wer-

den kann. Geschickt wie ein asiatischer Kampfkünstler scheint Foucault sich klein zu machen, auf ein anderes Feld auszuweichen. Aber am Ende wird er den alten Sartre in der Rolle des führenden Intellektuellen abgelöst haben, und mehr noch: Es wird im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts unmöglich erscheinen, überhaupt noch im Stil Sartres zu denken. Worum ging es bei der Auseinandersetzung zwischen Foucault und dem 21 Jahre älteren Sartre? Von einem typischen „Vatermord“ zu sprechen, wäre zu drastisch. Sartre bestimmte die öffentlichen Debatten in Frankreich, zunächst als sogenannter „Existenzialist“, später dann als politisch engagierter Philosoph, der in seinem zweiten Hauptwerk „Die Kritik der dialektischen Vernunft“ versuchte, dem Marxismus eine neue theoretische Grundlage zu bereiten. Für Foucault waren Sartres

Philosophie Magazin Sonderausgabe 12

ANDREA ROEDIG


Der Wille zur Wahrheit

Foucault

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IM

AU G E DER MAC H T

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Foucaults politisches Engagement für Gefängnisreformen führt ihn zur historischen Analyse der Entstehung des modernen Gefängnissystems und von da weiter zu einer viel umfassenderen Theorie der modernen Gesellschaft als Überwachungsgesellschaft. Und von dort noch mal weiter zu einer Analyse von Macht als allgegenwärtiger wirklichkeitsformender Kraft, die nicht zwingend Machthaber oder Unterdrückte kennen muss


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Der Wille zur Wahrheit

Foucault

Foto: Marina Weigl


Der Wille zur Wahrheit

Foucault

„Die Vorstellung, dass die physische Lust stets aus der sexuellen Lust herrührt, und die Vorstellung, dass die sexuelle Lust die Grundlage aller möglichen Lust ist, dies, denke ich, ist wirklich etwas, das falsch ist.“

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JENSEITS DES BEGEHRENS

„Michel Foucault, ein Interview: Sex, Macht und die Politik der Identität“, in: „Dits et Ecrits“, Schriften 4, S. 913

„Mit der Schaffung dieses imaginären Elementes ,Sex‘ hat das Sexualitätsdispositiv eines seiner wesentlichsten inneren Funktionsprinzipien zustandegebracht: das Begehren nach Sex: ihn zu haben, zu ihm Zugang zu haben, ihn zu entdecken, ihn zu befreien, ihn diskursiv zu artikulieren, seine Wahrheit zu formulieren. Das Sexualitätsdispositiv hat ,den Sex‘ als begehrenswert konstituiert.“ „Sexualität und Wahrheit, Erster Band. Der Wille zum Wissen“, S. 185

„Die modernen Gesellschaften zeichnen sich nicht dadurch aus, dass sie den Sex ins Dunkel verbannen, sondern dass sie unablässig von ihm sprechen und ihn als das Geheimnis geltend machen.“

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„Sexualität und Wahrheit, Erster Band. Der Wille zum Wissen“, S. 49

„Die Geschichte der Sexualität – also die Geschichte dessen, was im 19. Jahrhundert als spezifischer Wahrheitsbereich funktioniert hat – muss in erster Linie vom Gesichtspunkt einer Geschichte der Diskurse angegangen werden.“ „Sexualität und Wahrheit, Erster Band. Der Wille zum Wissen“, S. 88


Der Wille zur Wahrheit

Foucault

„Eher als eine Gesellschaft, die sich um die Unterdrückung des Sexes bemüht, würde ich die unsere als eine ansehen, die um dessen ‚Ausdruck‘ bemüht ist. Man sehe mir dieses entwertete Wort „Ausdruck“ nach. Das Abendland wäre, so wie ich es sehe, verbissen damit beschäftigt, die Wahrheit des Sexes zu entlocken. Alles, was verschwiegen, versperrt und entzogen wird, diese Dinge sind nicht zu unterschätzen; doch sich ausbilden und ihre schrecklichen Wirkungen hervorbringen konnten sie nur auf dem Grunde eines Willens zum Wissen, der unser ganzes Verhältnis zum Sex durchzieht.“

67

„Glauben wir nicht, dass man zur Macht nein sagt, indem man zum Sex ja sagt; man folgt damit vielmehr dem Lauf des allgemeinen Sexualitätsdispositivs. Man muss sich von der Instanz des Sexes frei machen, will man die Mechanismen der Sexualität taktisch umkehren, um die Körper, die Lüste, die Wissen in ihrer Vielfältigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen die Zugriffe der Macht auszuspielen. Gegen das Sexualitätsdispositiv kann der Stützpunkt des Gegenangriffs nicht das SexBegehren sein, sondern die Körper und die Lüste.“

JENSEITS DES BEGEHRENS

„Das Abendland und die Wahrheit des Sexes“, in: „Dits et Ecrits“, Schriften 3, S. 137

„Man hat eine Sexualität seit dem 17. Jahrhundert und ein Geschlecht seit dem 19. Jahrhundert. Davor hatte man zweifellos einen fleischlichen Leib.“ „Das Spiel des Michel Foucault“, in: „Dits et Ecrits“, Schriften 3, S. 410

Philosophie Magazin Sonderausgabe 12

„Sexualität und Wahrheit, Erster Band. Der Wille zum Wissen“, S. 187


Der Wille zur Wahrheit

Foucault DAS LEBEN ALS KUNSTWERK

LSD

am

Zabriskie Point Zu den frühen Anhängern Foucaults in den Vereinigten Staaten zählt Simeon Wade, seinerzeit Assistenzprofessor für Geschichtswissenschaft an der Claremont Graduate School. 1975 kam Foucault an die University of California in Berkeley, um dort ein Seminar zu leiten. Nach einer Vorlesung luden Wade und sein Partner, der Musiker Michael Stoneman, Foucault zu einem Ausflug ins Death Valley ein. Zwei Wochen später wurde der denkwürdige Trip unternommen. Die Journalistin Heather Dundas interviewte Wade am 27. Mai 2017 für das Online-Magazin „Boom California“

Philosophie Magazin Sonderausgabe 12

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GESPRÄCH MIT SIMEON WADE

von Heather Dundas Foucault und Stoneman, Death Valley


Der Wille zur Wahrheit

Foucault Wie sind Sie mit Michel Foucault im Death Valley gelandet? — Es war ein Experiment von mir. Ich wollte sehen, wie einer der größten Denker der Menschheitsgeschichte auf eine Erfahrung reagieren würde, die er nie zuvor gemacht hatte: eine geeignete Dosis sauberes LSD in einer grandiosen Wüstenkulisse einzunehmen und dem dann verschiedene Arten von Entertainment hinzuzufügen. Wir waren zwei Tage und eine Nacht im Death Valley.

Hatten Foucault und Stoneman die Droge schon eingenommen, als Sie das Foto machten? Und war es im Death Valley im Juni nicht unerträglich heiß? — Ja. In einer Gegend namens Artist’s Palette sahen wir den Moment gekommen, um unsere Dosis zu schlucken. Und es war in der Tat sehr heiß. Allerdings kühlte es abends ab, und hier sehen Sie Foucault in seinem Rollkragenpulli in der frischen Abendluft. Wir fuhren zum Zabriskie Point, um die Venus am Himmel aufsteigen zu sehen. Michael stellte um uns herum Lautsprecher auf,

DAS LEBEN ALS KUNSTWERK

dem Juni 1975. Zu sehen sind die Panamint-Berge, die Salzpfanne des Death Valley und die sogenannten gefrorenen Dünen von Zabriskie Point. Im Vordergrund zwei Gestalten: Michel Foucault im weißen Rollkragen, seinem Priestergewand, und Michael Stoneman, der mein Lebenspartner war.

und wir hörten „Vier letzte Lieder“ von Richard Strauss, gesungen von Elisabeth Schwarzkopf. Ich sah Tränen in Foucaults Augen. In einem der Hohlräume legten wir uns auf den Rücken und sahen von dort aus erst die Venus aufsteigen, später die Sterne erscheinen. Wir blieben etwa zehn Stunden in Zabriskie Point. Michael spielte uns auch Charles Ives’ „Three Places in New England“ und Stockhausens „Kontakte“ vor, außerdem ein wenig Chopin … Foucault wusste Musik sehr zu schätzen; Pierre Boulez war ein Freund von ihm aus Studienzeiten.

Eine beeindruckende Playlist. Aber warum LSD? — Es heißt, die Offenbarung des Johannes auf der Insel Patmos sei durch den Verzehr von Amanita muscaria, also Fliegenpilz, angeregt worden. LSD ist ein chemisches Äquivalent für die halluzinogene Wirkung dieser Pilze. So viele bahnbrechende Erfindungen, die die Entstehung von Zivilisationen erst ermöglicht haben, wurden in Gesellschaften gemacht, die in ihren religiösen Ritualen psychoaktiv wirkende Pilze verwendeten. Also dachte ich, wenn es stimmt, dass diese chemische Substanz solche Kraft hat, was wird sie bei einem großen Denker wie Foucault auslösen?

Aber warum waren für dieses Experiment die fünf Stunden Autofahrt von Claremont ins Death Valley nötig? — Der Hauptgrund war, dass Michael und ich in der Wüste schon so viele wundervolle Trips erlebt hatten. Oft im Death Valley, auch in der Mojave und im Joshua-

Philosophie Magazin Sonderausgabe 12

Was können Sie uns zu dem Foto oben sagen? SIMEON WADE — Ein Schnappschuss mit meiner Leica aus

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Michel Foucault und Michael Stoneman im Death Valley


Der Wille zur Wahrheit

Foucault DAS LEBEN ALS KUNSTWERK

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Für sich sorgen Die Entwicklung einer „Lebenskunst“ in der antiken Philosophie zeichnet Foucault ausführlich nach; ihren Ausgang nimmt sie in der „Sorge um sich“, die schon in Platons Dialogen ein Kernpunkt des Denkens und Wirkens von Sokrates ist

C

harakteristisch für die „Kultur seiner selber“ ist die Tatsache, dass hier die Kunst der Existenz – die téchne tû bíu in ihren unterschiedlichen Formen – von dem Prinzip beherrscht wird, wonach man „für sich selbst sorgen“ muss; dieses Prinzip der Sorge um sich begründet ihre Notwendigkeit, lenkt ihre Entwicklung und organisiert ihre Praxis. Doch wir müssen präzisieren; die Vorstellung, dass man sich an sich selbst wenden, sich mit sich selbst beschäftigen (heautû epimeleîsthai) muss, ist nämlich ein ganz altes Thema in der griechischen Kultur. Es begegnet sehr früh als ein weit verbreiteter Imperativ. Kyros, dessen Idealbild von Xenophon stammt, glaubt nicht, dass nach all seinen Eroberungen auch seine Existenz vollendet sei; ihm bleibt noch – und dies ist das Kostbarste – sich um ihn selber zu kümmern: „Zwar kann ich den Göttern nicht den Vorwurf machen, dass sie uns bis zum heutigen Tage nicht all unsere Wünsche erfüllt hätten. Wenn jedoch große Erfolge einen nicht zu sich selbst kommen oder mit seinen Freunden des Lebens nicht froh werden lassen, so mag ich von diesem Glücke nichts wissen.“ Der Grund, so besagte ein lakedämonischer Aphorismus, den Plutarch überliefert, warum die Feldbestellung Sache der Heloten war, war der, dass die Bürger von Sparta sich lieber „um sich selbst kümmern wollten“: Damit war wohl die körperliche und kriegerische Ertüchtigung gemeint. In einem ganz anderen Sinne indes wird der Ausdruck im Alkibiades gebraucht, wo er ein Hauptthema des Dialogs bildet: Sokrates zeigt dem jungen Heißsporn, dass es von dessen Seite reichlich vermessen ist, sich der Polis annehmen, ihr Ratschläge erteilen und sich mit den Königen von Sparta und den Beherrschern Persiens anlegen zu wollen, wenn er nicht zuvor gelernt habe, was zum Regieren unabdingbar ist: Erst muss er sich um sich selbst kümmern – und zwar sofort, solange er jung ist, „denn mit fünfzig Jahren wäre es wohl zu spät“. Und in der Apologie stellt Sokrates

sich seinen Richtern geradewegs als Meister der Sorge um sich hin: Der Gott hat ihn berufen, die Menschen zu mahnen, dass sie sich sorgen, nicht um ihre Reichtümer, nicht um ihre Ehre, sondern um sich selbst und um ihre Seele. Dieses nun durch Sokrates geheiligte Thema der Sorge um sich, hat die spätere Philosophie wieder aufgegriffen und schließlich ins Zentrum jener „Kunst der Existenz“ versetzt, welche sie zu sein behauptet. Dieses Thema hat, seinen anfänglichen Rahmen überschreitend und seine ersten philosophischen Bedeutungen hinter sich lassend, allmählich die Dimensionen und die Formen einer wirklichen „Kultur seiner selber“ angenommen. Damit soll gesagt sein, dass das Prinzip der Sorge um sich eine beträchtliche Tragweite gewonnen hat: Die Vorschrift, man solle sich um sich selbst kümmern, ist jedenfalls ein Imperativ, der durch alle möglichen Lehren wandert; zudem hat er die Form einer Haltung, einer Weise des Sichverhaltens angenommen, hat er Lebensweisen durchdrängt; er hat sich in Prozeduren, in Praktiken und Rezepten entwickelt, die man bedachte, betrieb, verbesserte und lehrte; so hat er eine gesellschaftliche Praktik konstituiert, die zu zwischenindividuellen Beziehungen, Austauschprozessen und Kommunikationen, ja manchmal zur Entstehung von Institutionen Anlass gab; endlich hat er einer gewissen Weise des Erkennens und dem Aufbau eines Wissens stattgegeben. In der langen Entwicklung der Lebenskunst im Zeichen der Sorge um sich können die beiden ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit als Scheitelpunkt einer Kurve angesehen werden: eine Art Goldenes Zeitalter in der Kultur seiner selber, ein Phänomen, das freilich nur jene zahlenmäßig geringeren sozialen Gruppen betraf, die Kulturträger waren und für die eine téchne tû bíu einen Sinn und eine Realität haben konnte. —

„Sexualität und Wahrheit, Dritter Band. Die Sorge um sich“, a. d. Frz. v. Ulrich Raulff u. Walter Seitter, S. 60–62


Der Wille zur Wahrheit

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Eine „Philosophie der Lebenskunst“ zu entwickeln und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, ist Wilhelm Schmid angetreten, einer der bekanntesten philosophischen Autoren in Deutschland. Inwiefern sein gesamtes Denkprojekt an Foucault anschließt, erzählt er im Gespräch

Foucault

Lebenskunst ist politisch“

DAS LEBEN ALS KUNSTWERK

„Die

GESPRÄCH MIT WILHELM SCHMID

Herr Schmid, Sie haben Ihre eigene Philosophie der Lebenskunst ausgehend von Foucault entwickelt. Was war dabei das ausschlaggebende Moment? WILHELM SCHMID — Foucault ist ja bekannt geworden für seine Analysen der Diskurse. Diskurs wird heute häufig gleichgesetzt mit „was Menschen sagen“, aber Foucault versteht darunter das Netz, das Menschen erlaubt, etwas zu sagen, und das sich von Zeit zu Zeit verändert. Es gibt in einer bestimmten Zeit Dinge, die gesagt werden können, und Dinge, die nicht gesagt werden können – Menschen sprechen nicht einfach, sondern sie bewegen sich im Rahmen dieser Struktur des Sagbaren und des Unsagbaren. Und dieser Diskurs ist normativ, er kommt quasi über die Menschen; auch die Macht ist normativ, sie kommt von der Politik, der Gesellschaft, der Ökonomie über die Menschen und beeinflusst sie in diese oder jene

Richtung. Eine der großen Fragen war aber immer: Wie verändert sich ein Diskurs? Diese Frage hat Foucault lange nicht gestellt. Aber natürlich hat ihm die Geschichte auch gezeigt, dass sich die Verhältnisse verändern können. Und er kam dann darauf, dass auch Individuen einen Diskurs verschieben können, indem sie über Dinge sprechen, über die zuvor nicht gesprochen worden ist. Ich dachte mir, dann mache ich mal die Probe aufs Exempel und beginne jetzt, von Lebenskunst zu sprechen. Ich wollte den herrschenden Diskurs bewusst verändern. Und der herrschende Diskurs war „Lebenskunst ist etwas ganz Schlimmes“.

Warum? — Weil man das Konzept als unpolitisch verstanden hat. Foucault hat aber nicht nur gezeigt, wie wichtig der

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von Catherine Newmark


Michel Foucault in den 1980er-Jahren

Philosophie Magazin Sonderausgabe 12

92 DAS LEBEN ALS KUNSTWERK Der Wille zur Wahrheit

Foucault


Kirchenväter

Der Wille zur Wahrheit

der

Foucault

Die Lust

schließlich geht) sich selbst als einem begehrenden Wesen entgegentritt. Die historischen Befunde Foucaults erschienen hier gleichzeitig ganz spezifisch und auf faszinierende Weise von überzeitlichem Interesse: Die antike Sexualmoral schien weit weniger am Verbotenen und Gebotenen orientiert als an der Haltung und dem Ethos der beteiligten Subjekte interessiert. Das ethische Verhalten war immer auch Teil eines generellen Projekts von Selbstgestaltung und Selbststilisierung, einer „Ästhetik der Existenz“. Und die ethischen Problematisierungen des sexuellen Verhaltens waren nur ein Baustein einer allgemeineren Selbstkultur oder „Sorge um sich“, die sich kontinuierlich historisch veränderte, auch wenn die Verbote und Tabus weitgehend gleich blieben. EIN GUT GEHÜTETES GEHEIMNIS Aus den biografischen Quellen war bekannt, dass andere Teile dieses historischen Gesamtprojekts sogar schon früher abgearbeitet waren. Bereits im Herbst 1982 hatte Foucault ein vorläufig abgeschlossenes Manuskript zum Frühchristentum bei seinem französischen Verlagshaus Gallimard hinterlegt, an dessen Typoskript er während des Krankenhausaufenthalts in seinen letzten Monaten wieder gearbeitet hat. Er hätte noch zwei bis drei weitere Monate zur Fertigstellung gebraucht, soll er gesagt haben. Diese Zeit blieb ihm nicht, und so fiel das Manuskript unter die von ihm testamentarisch knapp verfügte Regel „keine posthumen Publikationen“ und verschwand im Safe. Nur einige wenige Vertraute hatten Einblick erhalten, auch hatten

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Foto: Hervé Guibert

K

urz bevor Michel Foucault am 25. Juni 1984 an Aids starb, hatte er noch druckfrische Exemplare des zweiten und des dritten Bands seiner „Geschichte der Sexualität“ erhalten. Mit ihnen war die Fortsetzung eines Projekts sichtbar geworden, das 1976 mit dem Erscheinen „Der Wille zum Wissen“, dem ersten Band dieser Serie, auf dessen Buchrückseite fünf weitere Fortsetzungen annonciert waren, begonnen hatte. Nun entsprachen aber die Folgebände weder im Zuschnitt noch in den Gegenständen dem angekündigten Vorhaben. Statt wie geplant verschiedene Felder aus der spezifisch frühneuzeitlichen und modernen Erfahrung und Verwaltung der Sexualität zwischen Verwissenschaftlichung, Moralisierung und staatlicher Intervention zu untersuchen, hatte Foucault sich ab den späten 1970er-Jahren für die antike Vorgeschichte dieser Phänomene interessiert. In Vorlesungen und kleineren Texten hatte er die Diskurse rings um das Selbst und seine Lüste in der griechischen und römischen Antike bis zum Umbruchspunkt zu Spätantike und Frühchristentum exponiert und hierzu umfangreiche Manuskripte angefertigt. Was als zweiter und dritter Band dieses Unternehmens 1984 zu lesen war, „Der Gebrauch der Lüste“ und „Die Sorge um sich“, waren in sich geschlossene, im Gestus recht nüchterne Darstellungen der griechisch-römischen Diskussionen und Problematisierungen rings um die Frage, wie man sich als ethisches Subjekt zu seinen eigenen Lüsten zu verhalten habe, in welcher Haltung also der sich selbst beherrschende freie, besitzende Mann (um den es in diesen Elitendiskursen aus-

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von MARTIN SAAR

DAS LEBEN ALS KUNSTWERK

Als Michel Foucault 1984 starb, hinterließ er ein fast fertiges Manuskript, den vierten Band von „Sexualität und Wahrheit“. Mehr als 30 Jahre lang lag das Manuskript unter Verschluss; vergangenes Jahr erschien es auf Französisch und nun in deutscher Übersetzung. Martin Saar über den letzten Foucault


Der Wille zur Wahrheit

Foucault DIE WAHRHEIT SAGEN

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Wahrheitspolitik Ebenso wie frühere Generationen von französischen Philosophen hält auch Foucault das öffentliche politische Engagement der Intellektuellen hoch. Doch während er in seinen Vorgängern Sartre & Co. „universale“ Intellektuelle erkennt, die das Gewissen der Nation verkörpern, ist sein eigenes Ideal bescheidener: das Engagement für je einzelne, spezifische politische Themen

S

eit langem hat der so genannte „Links“intellektuelle das Wort ergriffen und wird er als jemand angesehen, dem das Recht zuzuerkennen ist, als Herr der Wahrheit und der Gerechtigkeit zu sprechen. Man hörte ihn an bzw. er maßte sich an, sich als Repräsentant des Universalen Gehör zu verschaffen. Intellektueller zu sein, war ein wenig das Gewissen aller zu sein. Ich glaube, darin fand sich eine vom Marxismus her übertragene Idee wieder, und zwar von einem ermatteten Marxismus: Genauso wie das Proletariat qua Notwendigkeit seiner geschichtlichen Position Träger des Universalen (aber eben unmittelbarer, nicht reflektierter, seiner selbst wenig bewusster Träger) ist, will der Intellektuelle durch seine moralische, theoretische und politische Wahl Träger dieser Universalität sein, aber eben in ihrer bewussten und ausgearbeiteten Form. Der Intellektuelle wäre die klare und individuelle Figur einer Universalität, deren dunkle und kollektive Form das Proletariat wäre. Nun wird schon seit einigen Jahren von dem Intellektuellen nicht mehr verlangt, diese Rolle zu spielen. Eine neue Art Verbindung zwischen Theorie und Praxis hat sich etabliert. Die Intellektuellen haben sich die Gepflogenheit zu eigen gemacht, nicht im Universalen, im Beispielgebenden, im Wahren-und-Gerechten für alle, sondern in festgelegten Sektoren, an genau bestimmten Punkten zu arbeiten, an die sie entweder durch ihre professionellen Arbeitsbedingungen oder durch ihre Lebensbedingungen (Wohnung, Krankenhaus, Irrenanstalt, Labor, Universität, die familiären oder sexuellen Beziehungen) versetzt wurden. Sie haben dabei mit Sicherheit ein wohl stärker konkretes und unmittelbares Bewusstsein von den Kämpfen gewonnen. Und sie sind dabei auf Probleme gestoßen, die spezifischer Natur, die nicht universal und häufig verschieden von denen des Proletariats oder der Massen waren. Und dennoch haben sie sich wirklich aus, wie ich glaube, zwei Gründen einander

angenähert: weil es sich um wirkliche, materielle, alltägliche Kämpfe handelte, und weil sie oft, wenn auch in einer anderen Form, auf denselben Gegner stießen wie das Proletariat, das Bauerntum oder die Massen (die multinationalen Konzerne, den Gerichts- und Polizeiapparat, die Immobilienspekulation usw.); ich möchte das den spezifischen Intellektuellen nennen im Gegensatz zum universalen Intellektuellen. (…) Meines Erachtens muss man jetzt beim Intellektuellen in Rechnung stellen, dass er folglich nicht der Träger universaler Werte ist; er ist schlicht jemand, der eine spezifische Position innehat – von einem spezifischen Charakter jedoch, der an die allgemeinen Funktionen des Wahrheitsdispositivs in einer Gesellschaft wie der unseren gebunden ist. Mit anderen Worten, der Intellektuelle unterliegt einem dreifachen spezifischen Charakter: dem spezifischen Charakter seiner Klassenposition (Kleinbürger im Dienste des Kapitalismus, organischer Intellektueller des Proletariats), dem spezifischen Charakter seiner Lebens- und Arbeitsbedingungen, gebunden an seine conditio als Intellektueller (sein Forschungsbereich, sein Platz in einem Labor, die ökonomischen oder politischen Anforderungen, denen er sich unterwirft oder gegen die er aufbegehrt, in der Universität, im Krankenhaus usw.), und schließlich dem spezifischen Charakter der Wahrheitspolitik in unseren Gesellschaften. Und damit kann seine Position eine allgemeine Bedeutung annehmen und bringt der lokale oder spezifische Kampf, den er führt, Wirkungen oder Implikationen mit sich, die nicht einfach nur von professionellem oder sektoralem Belang sind. Er fungiert oder er kämpft auf der allgemeinen Ebene dieser für die Strukturen und für das Funktionieren unserer Gesellschaft so wesentlichen Ordnung der Wahrheit. —

„Gespräch mit Michel Foucault“, in: „Dits et Ecrits“, Schriften 3, a. d. Frz. v. Hans-Dieter Gondek, S. 204–205, 211–212


Der Wille zur Wahrheit

Foucault

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Wer heute Foucault und andere sogenannte „Poststrukturalisten“ mit ihrer angeblichen Relativierung der Wahrheit als Schuldige an unserem „postfaktischen“ Zeitalter ausmacht, der hat weder die Theorie noch den aktuellen politischen Moment richtig verstanden. Davon ist der Philosoph Frieder Vogelmann überzeugt

DIE WAHRHEIT SAGEN

„Postfaktisch ist die falsche Diagnose“

GESPRÄCH MIT FRIEDER VOGELMANN

Herr Vogelmann, wir haben ein Problem mit Politik und Wahrheit. Wir leben mit Populismus und Lügen und es wird viel über „post truth“ oder das sogenannte „postfaktische“ Zeitalter diskutiert. Und eine Diagnose lautet: Das ist alles letztlich ein Versagen der sogenannten Postmoderne, also von Leuten wie Foucault, die hätten die Wahrheit relativiert, und nun haben wir den Salat. Stimmt das?

der Öffentlichkeit in die Autorität von Fakten, Wahrheit, Wissenschaft zeigen, dass es genau zwei Gruppen gibt, die tatsächlich einen statistisch signifikanten Vertrauensverlust haben, nämlich Konservative und regelmäßige Kirchgänger. Dass das ausgerechnet alles Leser und Leserinnen von Foucault und Konsorten wären, erscheint mir wenig wahrscheinlich.

FRIEDER VOGELMANN — Nein. Das ist allein schon empirisch absurd, weil es der sogenannten „Postmoderne“ eine wirklich unverhältnismäßige Wirkkraft zuschreibt. Also einer Denkrichtung, die sogar innerhalb der Sozial- und Geisteswissenschaften (die ja selber nicht gerade die Weltpolitik an zentraler Stelle bewegen) eine randständige Erscheinung geblieben ist. Soziologische Untersuchungen in den USA zum generellen Vertrauensverlust

Ja, aber einen gewissen Einfluss auf unser Denken hat Theorie doch schon, oder? — Na ja, zumindest hoffen wir Philosophen das. Aber auch hier lässt sich bei genauerem Hinsehen die These von der alles relativierenden Postmoderne nicht aufrechterhalten. Im Wesentlichen wird dafür so argumentiert, dass man all das komplexe und komplizierte französische Denken der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts radikal redu-

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von Catherine Newmark


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