Mit Arbeiten von With works by
Erik Kessels
Ola Kolehmainen
Ronit Porat
Fiona Tan
Roselyne Titaud
Antje Van Wichelen
Mit Arbeiten von With works by
Erik Kessels
Ola Kolehmainen
Ronit Porat
Fiona Tan
Roselyne Titaud
Antje Van Wichelen
Die Fotografie ist das entscheidende bildgebende Medium unserer Zeit. Das Entstehen von Fotos und ihre Verbreitung nehmen im digitalen Zeitalter schwindelerregende Formen an – wir sind überall umgeben von Fotografie und möglicherweise sehen wir bereits vor dem Mittagessen mehr Bilder als die Menschen vor 200 Jahren in ihrem gesamten Leben. Doch was von all diesen Aufnahmen ist eigentlich von Relevanz? Für uns heute und für die Zukunft? Diese Fragen können wir (noch) nicht beantworten. Aber wir können sie rückwirkend stellen und auf die Fotos schauen, die vergangene Generationen für uns aufbewahrt haben. Köln bietet dafür schier unendliche Möglichkeiten, denn wir leben hier nicht nur in einer Stadt der Fotografie, sondern auch in einer Stadt mit einer enorm hohen Dichte an unterschiedlichsten Archiven und Sammlungen.
Doch sagen Wissensspeicher wie Archive per se die Wahrheit? Welche Erkenntnisse bringen sie uns? Ist das Wissen, das sie vermitteln, für jeden Betrachter gleichermaßen abrufbar? Und wie statisch oder doch neu interpretierbar sind die Narrationen, die in den Archiven festgeschrieben wurden? Da üblicherweise Wissenschaftler auf diese Speicher des Visuellen schauen, sie analysieren, beschreiben und kategorisieren, wollten wir den anderen, den komplett fremden Blick wagen und fördern: Wir haben sechs internationale Künstlerinnen und Künstler eingeladen, dass sie sich möglichst unvoreingenommen mit diesen Bilder-Konvoluten auseinandersetzen, sie für sich entdecken und eigene künstlerische Positionen aus ihnen heraus entwickeln können. Das war die Geburtsstunde unseres Projektes „Artist Meets Archive“. Als wir im Sommer 2017 die Idee für diese besondere Residency formulierten, war die Liste der Fotoarchive und Sammlungen, die in Köln für solch ein Projekt in Frage kommen würden, sehr lang. Mit dieser Pilotausgabe von „Artist Meets Archive“ nehmen wir zunächst die Häuser in den Fokus, die für die Fotografie stehen, divers in ihrer Ausrichtung und ihrem Aufbau sind und die die Fotografie jeweils sehr unterschiedlich behandeln. Mit „Artist Meets Archive“ ist es uns als Photoszene erstmals gelungen, sechs sehr unterschiedliche Institutionen dieser Stadt in einen Verbund zu bringen und damit einmal mehr zu zeigen, welche tragende Rolle der Fotografie in unserem Verständnis von Geschichte, Gegenwart und Zukunft zukommt.
Die Auswahl der sechs Künstlerinnen und Künstler wurde in vielen Gesprächen gemeinsam mit den Häusern getroffen. Unser allererster Dank gilt somit den sechs Kooperationshäusern von „Artist Meets Archive“. Für die Offenheit, die konstruktiven Gespräche und den gemeinsamen Elan bedanken wir uns ganz herzlich bei Rita Wagner vom Kölnischen Stadtmuseum, Petra Hesse vom Museum für Angewandte Kunst Köln, Miriam Szwast vom Museum Ludwig,
Lucia Halder vom Rautenstrauch-Joest-Museum, Johanna Gummlich vom Rheinischen Bildarchiv, Gabriele Conrath-Scholl von der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur und allen beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Institutionen sowie Michael Kaune, der den Werken von Ola Kolehmainen den perfekten Ausstellungsraum bietet.
In gleichem Maße möchten wir uns bei den Künstlern Erik Kessels und Ola Kolehmainen sowie bei den Künstlerinnen Ronit Porat, Fiona Tan, Roselyne Titaud und Antje Van Wichelen bedanken, durch deren Auseinandersetzung mit den historischen Archiven und Sammlungen neuartige, erkenntnisreiche, verblüffende, überraschende und unterhaltsame Ausstellungen entstanden sind.
Weil dieses Projekt in diesem Umfang überhaupt erst durch zahlreiche Förderer und Unterstützer ermöglicht wurde, möchten wir uns ausdrücklich bedanken: beim Kulturamt der Stadt Köln für die langjährige, vertrauensvolle Partnerschaft und die Aufnahme in eine institutionelle Förderung, die das Fortbestehen unserer Aktivitäten überhaupt erst möglich macht; beim Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, das unser Projekt in hohem Maße gefördert hat; beim Landschaftsverband Rheinland für die wertvolle Unterstützung im Rahmen der regionalen Kulturförderung; bei der Kunststiftung NRW, der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland und der Sparkasse Köln/Bonn für die Unterstützung in der Anlaufphase des Projektes im Jahr 2018; bei der RheinEnergie Stiftung Kultur für die Förderung unseres Programms für Kinder und Jugendliche; bei der Photokina, die uns trotz ihrer eigenen Terminverschiebung unterstützt, und mit ihr dem Photoindustrie-Verband; bei unserem exklusiven Medienpartner Ströer, der das Festival überregional bewirbt; beim Finnland-Institut für die Unterstützung der Ausstellung von Ola Kolehmainen; beim Mondriaan Fund und bei der Niederländischen Botschaft, die das Projekt von Erik Kessels fördern; bei dem Flämischen Ministerium für Kultur für die Unterstützung der Ausstellung von Antje Van Wichelen; bei der VG Bild-Kunst, die das gemeinsame Symposium mit der Kunsthochschule für Medien Köln und der Deutschen Gesellschaft für Photographie unterstützt, das unter dem Titel „Photographic Materials: Archives and Tools“ thematisch an das Festival-Programm angelehnt ist; beim Museumsdienst für die Vermittlung der Ausstellungen; beim Community Art Team von CAT Cologne für die Kooperation mit Ronit Porat; bei der Annelie & Uwe Hoffmanns-Stiftung für die Unterstützung unserer Kinderworkshops; sowie unseren Medienpartnern
„Camera Austria“, „ProfiFoto“, „PhotoInternational“, „K.West“, „Stadtrevue“ und dem Hotelpartner 25hrs.
Nun wünschen wir allen Lesern von „L. Fritz“ und den Besuchern der Ausstellungen viele inspirierende Gedanken und natürlich auch viel Vergnügen.
Heide Häusler, Inga Schneider, Damian Zimmermann
Köln, April 2019
hotography is the defining imaging medium of our era. In the digital age, the origination of photos and their dissemination are assuming dizzying forms – we are surrounded by photography on all sides, and it is possible that, by lunchtime, we will have seen more pictures than people 200 years ago did in their entire lifetimes. But what, of all these shots, is actually of relevance? To us today and for the future? We are (still) unable to answer these questions. But we can pose them retroactively and look at the photos that past generations have kept for us. Cologne offers almost infinite opportunities to this end, because here, we are not only living in a city of photography, but also in a city with an enormously high density of different archives and collections.
But do knowledge stores such as archives tell the truth per se? What insights do they bring to us? Is the knowledge that they convey equally retrievable for every beholder? And how static, or nevertheless re-interpretable, are the narratives that are codified in the archives? Since, normally, scientists take a look at these stores of the visual, analysing, describing and categorising them, we wanted to venture and promote the alternative, completely external gaze: We invited six international artists, in order to have them examine these image bundles as objectively as possible, to explore them for themselves and develop their own artistic positions out of them.
That was the hour of birth of our project “Artist Meets Archive”. When we formulated the idea for this special kind of residency in summer 2017, the list of photographic archives and collections that would come under consideration for such a project in Cologne was a very long one. With this pilot edition of “Artist Meets Archive”, we are initially placing our focus on establishments which are proponents of photography, are varied in their orientation and structure and each have very different ways of handling photography. With “Artist Meets Archive”, we, as Photoszene, have succeeded for the first time in forming an association among very different institutions of this city and thereby, once again, in demonstrating the supporting role that is assigned to photography in our understanding of history, present day and future.
The selection of the six artists was performed in the course of many conversations together with the establishments. Therefore, our thanks, first and foremost, go to the six co-operating establishments of “Artist Meets Archive”. For their openness, constructive conversations and shared élan we very sincerely thank Rita Wagner from the Kölnisches Stadtmuseum, Petra Hesse from the Museum für Angewandte Kunst Köln, Miriam Szwast from Museum Ludwig, Lucia Halder from the Rautenstrauch-Joest-Museum, Johanna Gummlich from the Rheinisches Bildarchiv, Gabriele Conrath-Scholl from the Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, and all participating employees from these institutions, and Michael Kaune, who offers the perfect exhibition space for the works of Ola Kolehmainen.
Equally, we would like to thank the artists Erik Kessels, Ola Kolehmainen, Ronit Porat, Fiona Tan,
Roselyne Titaud and Antje Van Wichelen, whose examinations of the historical archives and collections have given rise to novel, insightful, intriguing, surprising and entertaining exhibitions.
Because it took numerous promoters and supporters to enable this project, in this scope, in the first place, we would like to expressly thank: the Kulturamt der Stadt Köln for its many years of trusting partnership and acceptance into institutional funding that makes continuation of our activities possible in the first place; the Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, which has extensively funded our project; the Landschaftsverband Rheinland for its valuable support in the context of regional art promotion; the Kunststiftung NRW, the Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland and the Sparkasse Köln/Bonn for their support during the run-up to the project in 2018; the RheinEnergie Stiftung Kultur for promoting our programme for children and young people; Photokina, which supported us despite its own date postponement, and with it the Photoindustrie-Verband; our exclusive media partner Ströer, which advertises the Festival cross-regionally; the Finnish Institute for supporting the exhibition by Ola Kolehmainen; the Mondriaan Fund and the Netherlands Embassy, which fund the project by Erik Kessels; the Flemish Ministry of Culture for supporting the exhibition by Antje van Wichelen; VG Bild-Kunst, which supports the joint symposium with the Kunsthochschule für Medien Köln and the Deutsche Gesellschaft für Photographie, which, under the title, “Photographic Materials: Archives and Tools” is thematically based on the Festival programme; the Musuemsdienst for acting as intermediary for the exhibitions; the Community Art Team from CAT Cologne for the co-operation with Ronit Porat; the Annelie & Uwe Hoffmanns-Stiftung for supporting our children’s workshops, as well as our media partners “Camera Austria”, “ProfiFoto”, “PhotoInternational”, “K. West”, “Stadtrevue” and the hotel partner 25hrs.
And now we wish all readers of L. Fritz and the visitors to the exhibitions many inspiring thoughts and, of course, plenty of enjoyment.
Heide Häusler, Inga Schneider, Damian Zimmermann
Cologne, April 2019
Über Archive aus dem Blickwinkel der Kunst und das Projekt
Die künstlerische Beschäftigung mit Archiven und Archivmaterial ist vielfältig. Sie richtet sich auf das Archiv als Institution und als Ordnungssystem, reflektiert, wie Archive Bedeutung generieren, Geschichte entstehen lassen oder Fremdes und Vertrautes konstruieren. Sie sucht nach verborgenen Schätzen, hinterfragt Bedeutungen und erzeugt neue. Sie spielt mit der Materialität fotografischer Objekte, analysiert oder dekonstruiert deren mediale Eigenschaften.
Mitunter ist bereits der Ort selbst Ausgangspunkt der Reflexion: Candida Höfer beispielsweise fotografiert seit Jahrzehnten Speicherstätten der Kultur wie Museen, Bibliotheken und Archive. Sie zeigt Räume, in denen jedes Exponat eine Ablage hat: eine Schublade, eine Vitrine. Zusammen ergeben sie ein Abbild der Ordnung der Dinge. Ihre menschenleeren, meist außerhalb der Öffnungszeiten aufgenommenen Innenräume, etwa das 2002 fotografierte Positivarchiv der Deutschen Fotothek, vermitteln einen Eindruck von „Zeitlosigkeit und Unverrückbarkeit“,1 werden aber zunehmend als Dokumente bedrohter Beständigkeit rezipiert. So wird Candida Höfer heute mehr und mehr als „Bewahrerin des analogen Raums“ wahrgenommen, die Gedächtnisorte fotografisch fixiert, bevor sie womöglich ins Digitale entschwinden. 2
Dem Verschwinden entgegenzuwirken ist – aus ganz anderer Perspektive – zentrales Motiv im Schaffen von Christian Borchert (1942–2000), der dem Betrachter mit seinen Fotografien einen Freiraum eröffnen will, um einen persönlichen Zugang zur Erinnerung oder Neuentdeckung des Vergangenen zu finden. Andere – das war sein Ziel – sollten sich jetzt oder später oder an
Artistic engagement with archives and archive material is multifaceted. It is directed at the archive as institution and system of ordering; it reflects on how archives generate meaning, allow stories to arise or create alien and familiar constructs. It looks for hidden treasures, queries meanings and generates new significances. It plays with the materiality of photographic objects, and analyses or deconstructs their medial properties.
Occasionally, the very place itself is the starting point of the reflection: Candida Höfer, for example, has spent decades taking photographs of storehouses of culture such as museums, libraries and archives. She depicts spaces in which each exhibit has a repository: a draw, a display case. Together they yield a portrayal of the order of things. Her interior spaces, which are devoid of people and mostly recorded outside opening hours, as was the positive archive of Deutsche Fotothek, for instance, when she photographed it in 2002, convey an impression of “timelessness and immovability”,1 but are increasingly received as documents of menaced permanence. Thus, today, Candida Höfer is perceived more and more as a “preserver of the analogue space”, who fixes places of memory photographically before they potentially vanish into the digital realm. 2
To counter vanishing is – from an entirely different perspective – the central theme in the work of Christian Borchert (1942–2000), who with his photographs seeks to open up to the beholder a free space for finding personal access to recollection or rediscovery of the past. His aim was to prompt other people – now or later or at unknown locations – “to get an idea of situations and circumstances”. 3 As a media archaeologist, as it were, he scoured archives to this end, and in the 1980s prepared modern prints of photography history icons on the basis of original negatives, for instance of shots by Richard Peter senior from the Deutsche Fotothek or by Hans Finsler. For his picture book “Flug in die Vergangenheit,”, published in 1993, he extracted around 500 stills from 50,000 metres of archived historical film in order to use them to elaborate a kind of alternative concept to Peter’s famous book “Dresden – eine Kamera klagt an”. Unlike Peter, who depicted the city’s destruction and rebuilding in harmony with the SED party line in 1950, Borchert presents an alternative visual history in which Dresden’s entanglement in National Socialism is not suppressed and which is directed firmly against the myth of victimhood cultivated by the SED and visually supported by Peter. 4 Besides straightforward availability of substantial source material, one essential prerequisite for such a fact-based retelling of visual history is, above all, this material’s accessibility and findability, its careful exploitation and reusability.
Entirely unlike Borchert’s are the actions of artists such as Jens Klein (born 1970), who, for example, produced the postcard book “Trittbrettfahrer der Geschichte” for the project “Remembering the Future” in 2017. In it, he collates photographic views of 19 th and 20 th -century monuments from the Deutsche Fotothek, without, however, placing these monuments in any chronological, iconographical or even formally comprehensible sequence. Though place and time of recording, as well as the photographer, are correctly named for every image, in actual fact the specific contexts of origin play no role in this work. Klein utilizes the archive merely as an enormous visual pool; archival principles of ordering are of not of interest to him in this context. Rather, he is interested precisely in randomness of sequence, which thwarts the monuments’ claim to eternity with their own historicity. Moreover, in the age of digital communication, Klein’s works themselves become medial strays in the form of postcards that can be sent. 5
A similar procedure is followed by Peter Piller (born 1968), who even maintains his own comprehensive image archives as the basis for his work. He sorts his collection, which compris -
3 Cf. Christian Borchert, “Fotografien von 1960 bis 1997. Sammlung Deutsche Fotothek”, volume 4, ed. Jens Bove, Dresden 2011.
4 CF. SKD research project on Christian Borchert. Interview with Bertram Kaschek, in: “Dresdner Neueste Nachrichten”, 31.1.2017.
5 „Jens Klein, “Trittbrettfahrer der Geschichte” (postcard book), Leipzig 2017. See also: “Remembering the Future”, accompanying booklet to the exhibition at Altana-Galerie Dresden, 16 September 2017 until 26 January 2018.
fremden Orten „eine Vorstellung machen können von Situationen und Verhältnissen“. 3 Gleichsam als Medienarchäologe hat er zu diesem Zweck Archive durchforstet, hat in den 1980er-Jahren Modern Prints von Ikonen der Fotografiegeschichte auf Grundlage archivierter Originalnegative angefertigt, etwa von Aufnahmen Richard Peters senior aus der Deutschen Fotothek oder von Hans Finsler. Für seinen 1993 erschienenen Bildband „Flug in die Vergangenheit“ hat er aus 50.000 Metern archivierten historischen Films rund 500 Standbilder extrahiert, um mit diesen eine Art Gegenentwurf zu Peters berühmtem Buch „Dresden – eine Kamera klagt an“ zu erarbeiten. Anders als Peter, der 1950 im Einklang mit der SED-Parteilinie Zerstörung und Neuaufbau der Stadt gezeigt hat, präsentiert Borchert eine alternative Bildgeschichte, in der die Verstrickung Dresdens in den Nationalsozialismus nicht ausgeblendet wird und die sich dezidiert gegen den von der SED gepflegten und von Peter visuell unterstützten Opfermythos richtet. 4 Wesentliche Voraussetzung für eine solche faktenbasierte Neuerzählung von Bildgeschichte ist neben der schlichten Verfügbarkeit reichhaltigen Quellenmaterials vor allem dessen Zugänglichkeit und Auffindbarkeit, dessen sorgfältige Erschließung und Nachnutzbarkeit.
Ganz anders als Borchert agieren Künstler wie Jens Klein (geb. 1970), der z.B. 2017 für das Projekt „Remembering the Future“ das Postkartenbuch „Trittbrettfahrer der Geschichte“ produziert hat. Darin versammelt er fotografische Ansichten von Denkmälern des 19. und 20. Jahrhunderts aus der Deutschen Fotothek, jedoch ohne diese Denkmäler chronologisch, ikonografisch oder auch nur formal in nachvollziehbarer Weise zu reihen. Zwar werden Aufnahmeort und -zeit sowie der Fotograf zu jedem Bild korrekt genannt, tatsächlich spielen die konkreten Entstehungszusammenhänge in dieser Arbeit aber keine Rolle. Klein nutzt das Archiv lediglich als riesigen Bildfundus, archivische Ordnungsprinzipien sind für ihn hier nicht von Interesse. Vielmehr ist es gerade die Zufälligkeit der Abfolge, die den Ewigkeitsanspruch der Denkmäler mit ihrer eigenen Geschichtlichkeit konterkariert. Als versendbare Postkarten werden Kleins Arbeiten im Zeitalter digitaler Kommunikation zudem selbst zu medialen Irrläufern. 5
Ähnlich geht Peter Piller (geb. 1968) vor, der als Arbeitsgrundlage sogar umfangreiche eigene Bildarchive pflegt. Seine tausende Zeitungsfotos und Postkarten umfassende Sammlung und vor allem ein ihm überlassenes privatwirtschaftliches Luftbildarchiv mit Fotos von Eigenheimen sortiert er nach formalen Gestaltungselementen und inhaltlichen Übereinstimmungen. Seine daraus zusammengestellten Bilderserien tragen prägnante Titel: „Schlafende Häuser“ zeigt zum Verkauf stehende verrammelte Häuser; „Zungen“ ist der Titel einer Serie, bei der rote Bettwäsche zum Lüften aus dem Fenster hängt. In der Rubrik „Pfade“ sind Häuser zu sehen, um die sich Wege aus Steinplatten schlängeln. Geordnet und einfallslos erscheint das Vorstadtleben in all diesen Arbeiten, um Sozialkritik geht es Piller indes nicht. Indem er seinen Bildern den Kontext nimmt, verweigert er ikonografische Interpretation. 6 Hans-Peter Feldmann (geb. 1941) bedient sich aus dem unendlichen Fundus öffentlicher Bilder und zeigt durch künstlerische Eingriffe, neue Arrangements und charmante Aneignung, was Bilder eigentlich sind: mediale Repräsentanten visualisierter Erinnerungen, Assoziationen und Sehnsüchte. Spielerisch konfrontieren seine banalen Fotografien von Frauenkleidern, Autoradios, Kühlschränken oder Sonnenuntergängen den Betrachter mit dessen eigener Bildwelt und
3 Vgl. Christian Borchert, „Fotografien von 1960 bis 1997. Sammlung Deutsche Fotothek“, Band 4, hg. von Jens Bove, Dresden 2011.
4 Vgl. SKD-Forschungsprojekt zu Christian Borchert. Interview mit Bertram Kaschek, in: „Dresdner Neueste Nachrichten“, 31.1.2017.
5 Jens Klein, „Trittbrettfahrer der Geschichte“ (Postkartenbuch), Leipzig 2017. Siehe auch: „Remembering the Future“, Begleitheft zur Ausstellung Altana-Galerie Dresden, 16. September 2017 bis 26. Januar 2018.
6 „Überregionales Leuchten. Interview mit Peter Piller“, in: „Stadtrevue“, 11, 2004.
Wahrnehmung. Feldmann unterläuft mit seinen Kunstwerken – sozusagen in maximalem Gegensatz zu archivischer Praxis – jede Form von Kategorisierung und Sinngebung. Denn eine Bedeutung ergibt sich, wenn überhaupt, erst durch die Interpretation des Betrachters. Und die kann je nach individuellen Erfahrungen, Konventionen und Erwartungen äußerst unterschiedlich ausfallen. Feldmanns Gegenstand ist nicht die narrative Dimension des Einzelbilds, sondern die Sequenz. Denn erst die intuitive Reihung und Wiederholung führt zu tieferer Erkenntnis. Über den Gesamteindruck werden übergeordnete Zusammenhänge, ironische Kurzschlüsse und unvermutete Querverbindungen sichtbar – eine visuelle Suche nach einer Grammatik innerhalb unserer kollektiven Bildkultur.7
Die beispielhaft genannten Ansätze von Jens Klein, vor allem von Peter Piller und Hans-Peter Feldmann lenken den Blick weg vom katalogisierten Bilddokument im Archiv, hin zu den medialen Eigenschaften der Fotografie weit jenseits ihres dokumentarischen Inhalts. Dieses Bestreben, nicht nur Bildinformationen in den Blick zu nehmen, sondern der Fotografie selbst als Gegenstand und Zeichensystem gerecht zu werden, hat sich in letzter Zeit zunehmend auch in Archiven verbreitet. Dort muss die – auch von der künstlerischen Auseinandersetzung stimulierte – Reflexion der medialen Eigenschaften von Fotografie allerdings den institutionellen Aufgaben entsprechen. Entscheidende Voraussetzung ist hier, der Doppelrolle der Fotografie – ihre Funktion als eigenständiges Sammlungsobjekt und als Repräsentantin der abgebildeten Objekte – wirklich gerecht zu werden. Die Deutsche Fotothek beispielsweise hat ihr Sammlungsprofil entsprechend modifiziert. Ziel ist nicht (nur) die möglichst umfassende Bereitstellung – im digitalen Zeitalter: körperloser – Bildmotive. Vielmehr sammelt, bewahrt und publiziert die Deutsche Fotothek fotografische Bilddokumente, insbesondere Nachlässe und Archive von Fotografen als Quellen bildwissenschaftlicher Forschung. Mit einem autoren- und provenienzorientierten Sammlungskonzept wird dem mehrschichtigen Bildbegriff der Visual His -
es thousands of newspaper photos and postcards, and in particular a loaned commercial aerial image archive comprising photos of private homes, according to formal design elements and content-related conformities. His image series compiled out of these bear pithy titles: “Sleeping Houses” depicts blocked-up houses awaiting sales; “Tongues” is the title of a series in which red bedding hangs out of the window to air. The heading “Paths” shows houses with stone slab paths winding around them. While Piller is not concerned with social criticism, suburban life appears ordered and unimaginative in all these works. By depriving his images of context, he refuses iconographical interpretation. 6
Hans-Peter Feldmann (born 1941) helps himself out of an infinite pool of public images and, through artistic interventions, new arrangements and charming appropriation, demonstrates what images really are: medial representatives of visualized memories, associations and yearnings. Playfully, his banal photographs of women’s clothes, car radios, fridges or sunsets confront the beholder with his or her own pictorial world and perception. In maximum contrast to archival practice, so to say, with his artworks Feldmann dodges every form of categorization and attribution of meaning. For, a significance is only yielded, if it ever is at all, through the beholder’s interpretation. And this interpretation can turn out extremely differently depending on individual experiences, conventions and expectations. Feldmann’s object is not the narrative dimension of the individual image, but the sequence. For, only intuitive juxtaposition and repetition leads to deeper knowledge. Via the overall impression, overriding contexts, ironic short circuits and unexpected interconnections become visible – a visual search for a grammar within our collective image culture.7
The approaches of Jens Klein, above all of Peter Piller and Hans-Peter Feldmann, named here as examples, steer the gaze away from the catalogued image document in the archive and towards the medial properties of photography far beyond its documentary content. This striving to take in not only visual information, but to do justice to photography itself as an object and a semiotic system, has recently become increasingly widespread in archives too. There, however, reflection on the medial properties of photography – including that stimulated by artistic examination – must be in accordance with institutional assignments. In this context, a crucial prerequisite is really to do justice to the double role of photography – its function as an independent collection object and as a representative of the depicted
objects. The Deutsche Fotothek has modified its collection profi le accordingly, for example. The aim is not (only) the as comprehensive as possible provision of – in the digital age: incorporeal – image motifs. Rather, the Deutsche Fotothek collects, preserves and publicizes photographic image documents, especially photographers’ legacies and archives as sources for pictorial science research. An author- and provenance-oriented concept is adopted in order to take account of the multi-layered pictorial concept of visual history: At the focus is the photographic image – not only as pictorial proof of architectonic, pictorial artistic or technical artefacts and historical events, but also and above all as an independent object of an interdisciplinary research field that encompasses methods and issues of art history, history, sociology and ethnology. The collection’s interest is directed towards photography as a medium and the actors that have a part in it. The central task is seen to be the long-term exemplary securing of photographic heritage as a basis for documentation and exploration of photographic action in the 20 th century. 8
As a consequence, the exploitation of photographs cannot be restricted to description of the pictorial objects. Rather, the aim is to render production and reproduction processes comprehensible too, by means of written correspondence, manuscripts, contact sheets or editorial and image-related notes, which are frequently likewise gathered in photographers’ archives. Accordingly, these days, the backs of photographs, bearing cross-references or indications of provenance, are generally digitized as well, and historical fi nds, image index cards for example, are made available online as background information. 9
Precisely for those artistic positions who, like Amsterdam-based Fiona Tan (born 1966), focus on the portrayal of memory, time and history, on the construction of foreign and familiar, a reliable scientific description documenting formation and use contexts is an essential pre-requisite. Particularly when they draw on material from colonial image archives in the process, as does the Belgian artist Antje Van Wichelen, for example, artistic practices are reliant upon a precise and reliable contextualization of the image media. The Deutsche Fotothek delivers this in the project “Weltsichten”, in which a total of 86,000 documentary and travel photographs taken on expeditions and during research stays by renowned explorers, ethnologists, anthropologists, geographers and botanists between 1848 and 1944 were digitized and exploited. However, projects such as Van Wichelen’s “Procedures for Anthropometric Image Reversal” have the capability, using visual
8 Cf.
tory Rechnung getragen: Im Mittelpunkt steht das fotografische Bild – nicht nur als bildlicher Beleg architektonischer, bildkünstlerischer oder technischer Artefakte und historischer Ereignisse, sondern auch und vor allem als eigenständiger Gegenstand eines interdisziplinär ausgerichteten Forschungsfelds, das Methoden und Fragestellungen der Kunstgeschichte, Geschichte, Soziologie und Ethnologie umfasst. Das Sammlungsinteresse richtet sich auf die Fotografie als Medium und auf die daran beteiligten Akteure. Als zentrale Aufgabe wird die langfristige exemplarische Sicherung des fotografischen Erbes als Grundlage der Dokumentation und Erforschung fotografischen Handelns im 20. Jahrhundert gesehen. 8
Infolgedessen kann sich die Erschließung der Fotografien nicht auf die Beschreibung der Bildgegenstände beschränken. Ziel ist vielmehr, durch häufi g ebenfalls ins Archiv der Fotografen aufgenommene Schriftwechsel, Manuskripte, Kontaktbögen oder redaktionelle und bildbezogene Notizen auch Produktionsund Reproduktionsprozesse nachvollziehbar zu machen. Entsprechend werden heute in der Regel auch die Rückseiten der Fotografien mit Verwendungsnachweisen oder Provenienzangaben digitalisiert und historische Findmittel, zum Beispiel Bildkarteikarten, als Hintergrundinformationen online zugänglich gemacht. 9
Eine zuverlässige wissenschaftliche, Entstehungs- und Nutzungszusammenhänge dokumentierende Beschreibung von Fotografien ist essenzielle Voraussetzung gerade für solche künstlerischen Positionen, die sich, wie die in Amsterdam lebende Fiona Tan (geb. 1966), auf die Darstellung von Erinnerung, Zeit und Geschichte, auf die Konstruktion von Fremdem und Vertrautem richten. Insbesondere, wenn sie dabei, wie beispielsweise die belgische Künstlerin Antje Van Wichelen, Material aus kolonialen Bildarchiven heranziehen, sind künstlerische Praxen auf eine genaue und zuverlässige Kontextualisierung der Bildmedien angewiesen, wie sie die Deutsche Fotothek im Projekt „Weltsichten“ liefert, in dem
8 Vgl. Jens Bove und Karolin Schmahl, „Fotografische Nachlässe. Sammlungs- und Aktivierungsstrategien am Beispiel des Archivs der Fotografen in der Deutschen Fotothek“, in: „Zeithistorische Forschungen“, 2, 2015, S. 336–334.
9 Vgl. Karolin Schmahl, „Bildpolitik. Erwerbungs- und Erschließungsstrategien der Deutschen Fotothek“, in: Wolfgang Hesse und Holger Starke (Hg.), „Arbeiter | Kultur | Geschichte. Arbeiterfotografie der Weimarer Republik im Museum“, Leipzig 2017, S. 411–436.
insgesamt 86.000 zwischen 1848 und 1944 auf Expeditionen und während Forschungsaufenthalten namhafter Forschungsreisender, Ethnologen, Anthropologen, Geografen und Botaniker entstandene Dokumentar- und Reisefotografien digitalisiert und erschlossen worden sind. Wie sehr solche Aufnahmen nicht nur abbilden, sondern immer auch den europäischen Blick auf das Fremde und Exotische im Wandel der letzten 150 Jahre visualisieren, vermögen Projekte wie Van Wichelens „Procedures for Anthropometric Image Reversal“ mit visuellen Mitteln allerdings weit anschaulicher und eindringlicher zu vermitteln als die wissenschaftlichen Sammlungsbeschreibungen der Archive.
Wenn sich eine Künstlerin wie Ronit Porat (geb. 1975) –den Bogen gewissermaßen weiter spannend – mit der Frage auseinandersetzt, wie Archive Geschichte entstehen lassen, korrespondiert dies durchaus mit Fragestellungen der Archive an sich selbst. So hatte etwa die Tagung „Photo Archives and the Idea of Nation” 2011 das Ziel, den Zusammenhang zwischen Fotografie/Fotoarchiven und der Idee der Nation näher zu beleuchten. Im Fokus standen dabei nicht einzelne, symboltragende Bilder, sondern die weiter reichenden Dimensionen des Archivs.10 Aktion und Reaktion von Kunst und Wissenschaft sind dabei nicht klar voneinander zu trennen. Archivische Diskurse, wissenschaftliche Bedürfnisse und künstlerische Reflexion befruchten sich gegenseitig, sind letztlich Ausdruck breiter geführter gesellschaftlicher Diskurse.
Eine Bühne für sie bietet das Photoszene-Festival, dessen zentrales Programm „Artist Meets Archive“ noch weit mehr leisten kann, als „die bedeutende Vielfalt und Qualität der Fotografie in den Sammlungen und Archiven der Stadt Köln sichtbar“ zu machen. Die künstlerische Auseinandersetzung kann die Selbstreflexion der Archive anregen, die Aufmerksamkeit ihrer Betreiber immer mehr auf die Historizität der Bestände lenken, auf ihre medialen und materiellen Eigenschaften.
Bildarchive bieten das Potenzial, der schöpferischen Auseinandersetzung der Kunst mit Natur und Welt eine historische Dimension zu eröffnen, eine Dimension freilich, deren Grundlage nicht die eigene Anschauung ist, sondern die auf medialer Ver -
means, to convey how such shots do not merely illustrate, but always also visualize the European gaze on the foreign and exotic in the course of the last 150 years far more vividly and urgently than the archives’ collection descriptions do.
If an artist such as Ronit Porat (born 1975) – tracing the arc further, as it were – examines the question of how archives give rise to history, this absolutely corresponds to questions that archives put to themselves. For example, the 2011 conference “Photo Archives and the Idea of Nation” aimed at shedding closer light on the connection between photography/photo archives and the idea of the nation. The focus at the same time was not on individual, symbol-bearing images, but on the further-reaching dimensions of the archive.10 Along the way, action and reaction of art and science are not clearly separable from each other. Archival discourses, scientific requirements and artistic reflection are mutually stimulating, and are ultimately the expression of widely conducted societal discourses.
A stage is provided for these by the Photoszene Festival, the central programme of which, “Artist Meets Archive”, can do far more than “showcasing the outstanding diversity and quality of photography in the collections and archives of the city of Cologne”. The artistic examination can prompt self-reflection by the archives, steer their operators’ attention more and more towards the historicity of the stocks, towards their medial and material properties.
Image archives offer the potential to open up a historical dimension to art’s creative examination of nature and world, a dimension, however, which is not founded upon its own outlook but rests upon medial imparting, upon the imparting of a medium that is ambiguous, occasionally deceptive and above all fleeting.
Therefore, counteracting vanishing is –at a different level once again – among the noble goals of archives; after all, their central task consists in “securing, making useful and scientifically exploiting” archival material.11 “No transmission without original preservation”, goes the motto, but photographic archives are the very places where aspiration and reality collide: For a major part of the flexible negatives manufactured between 1890 and about 1960, nitrocellulose was used as the plastic support. These shots are exposed to an irreversible, unstoppable process of self-destruction, which, once the – unforecastable – autocatalytic point has been reached, rapidly accelerates and finally leads to complete destruction of the film material. In principle, the same applies to younger films, in use since the 1920s, based on cellulose diacetate or triacetate, even though the lifetime is considerably longer in their case. Other than with glass breakage, delamination or bacteria infestation, in the event of which only the specifically
affected photographs need to be treated, entire collection complexes are often affected by the self-corrosion of the support.
Extensive information loss is imminent if there is no success in copying the historical material onto long-term stable polyester fi lm or digitizing it in high resolution on time. However, an archivist’s nightmare such as this is not without its aesthetic attractions. Wolfgang Ganter, for instance, processes discarded slides from the Deutsche Fotothek, but mainly slides and colour negatives that he procures from private legacies or household trash, by accelerating their process of decay to an extreme degree though colonization by bacterial cultures. In series such as “Bactereality”, the corrosive effect of these bacteria on the chemistry of the photographic emulsion becomes an aesthetic means of expression. New visual realities arise through different stages of the decay. At the same time, due to the partial destruction of its original chemical structure, the photograph becomes exceedingly vividly perceivable as the illusion-causing medium that it is, the fascination of which spurs on “artist” and “archive”.
mittlung beruht, auf der Vermittlung eines Mediums, das doppelbödig ist, zuweilen trügerisch und vor allem fl üchtig. Dem Verschwinden entgegenzuwirken gehört daher – auf noch einmal anderer Ebene – zu den hehren Zielen von Archiven, besteht ihre zentrale Aufgabe doch darin, Archivgut „auf Dauer zu sichern, nutzbar zu machen und wissenschaftlich zu verwerten“.11 „Keine Überlieferungssicherung ohne Originalerhalt“, lautet die Devise, doch kollidieren Anspruch und Wirklichkeit gerade bei fotografischen Archiven: Bei einem Großteil der zwischen 1890 bis etwa 1960 entstandenen, biegsamen Negative ist als Kunststoff-Trägermaterial Zellulosenitrat verwendet worden. Diese Aufnahmen sind einem unumkehrbaren, nicht aufzuhaltenden Selbstzersetzungsprozess ausgesetzt, der sich nach dem – nicht vorhersagbaren – Erreichen des autokatalytischen Punkts rapide beschleunigt und schließlich zur vollständigen Zerstörung des Filmmaterials führt. Im Prinzip Gleiches gilt für jüngere, seit den 1920er-Jahren eingesetzte Filme auf Zellulosediazetat- bzw. -triazetatbasis, wenn auch die Lebensdauer hier deutlich länger währt. Anders als bei Glasbruch, Schichtablösung oder Bakterienbefall, bei denen immer nur die konkret betroffenen Fotografien behandelt werden müssen, sind von der Selbstzersetzung des Trägermaterials oft ganze Sammlungskomplexe betroffen. Gelingt es nicht, die historischen Medien rechtzeitig auf langzeitstabilen Polyesterfilm umzukopieren oder hochauflösend zu digitalisieren, droht großflächiger Informationsverlust. Ein solcher Albtraum eines Archivars ist jedoch nicht ohne ästhetischen Reiz. Wolfgang Ganter etwa verarbeitet ausgesonderte Diapositive aus der Deutschen Fotothek, vor allem aber Dias und Farbnegative, die er aus privaten Nachlässen oder dem Sperrmüll bezieht, indem er deren Verfallsprozess durch die Ansiedlung von Bakterienkulturen extrem beschleunigt. In Serien wie „Bactereality“ wird die zersetzende Wirkung dieser Bakterien auf die Chemie der Fotoemulsion zum ästhetischen Ausdrucksmittel und durch unterschiedliche Stufen des Zerfalls entstehen neue Bildwirklichkeiten. Gleichzeitig wird die Fotografie durch die partielle Zerstörung als das illusionsstiftende Medium wahrnehmbar, das sie ist und dessen Faszinationskraft „artist“ und „archive“ antreibt.
11 So z.B. die Defi nition der Aufgaben des Bundesarchivs, siehe: Gesetz über die Nutzung und Sicherung von Archivgut des Bundes, §3.Angewandte Kunst
• Die Vorlagensammlung mit etwa 25.000 Blatt ist Teil der umfangreichen Graphischen Sammlung am Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK).
• Die Vorlagensammlung kam 1888 zusammen mit der Ornamentstichsammlung im Zuge der Gründung des Kunstgewerbemuseums (heute MAKK) ans Haus. Sie umfasst u.a. Fotografien, Drucke und Zeichnungen aus dem 15. bis frühen 20. Jahrhundert und diente in Zeiten vor der Google-Bildersuche als eine Art enzyklopädisches Bildarchiv für Grafik- und Designvorlagen. Abbildungen von Türen, Truhen, Rittern, Tieren oder Grafiken von Visitenkarten und Briefköpfen befinden sich in über 1000 Mappen.
• Der niederländische Künstler Erik Kessels schafft eine dreidimensionale begehbare Ruinenlandschaft aus 143 Karten mit einer Auswahl von 286 Motiven aus der Vorlagensammlung des MAKK.
• The Template Collection comprising some 25,000 sheets is part of the extensive Graphics Collection at the Museum of Applied Arts Cologne (MAKK). The establishment acquired the template collection along with the ornamental engraving collection in the course of the founding of the Arts and Crafts Museum (today MAKK) in 1888.
• Among other items, the collection comprises photographs, prints and drawings from the 15th to the early 20th century and, before the age of the Google image search, served as a kind of encyclopaedic image archive for graphic design and design templates. Illustrations of doors, chests, knights, animals or graphics from business cards and letterheads can be found in over 1000 portfolios.
• Dutch artist Erik Kessels creates a three-dimensional walk-through landscape of ruins out of 143 cards using a selection of 286 motifs from the template collection of the MAKK.
• Die Photographische Sammlung des RautenstrauchJoest-Museum (RJM) umfasst rund 100.000 fotografische Objekte aus der Zeit von ca. 1860 bis 1970 aus nahezu allen Regionen der Erde. Davon stammen etwa die Hälfte der Fotografien aus kolonialen Kontexten.
• 1899 ging der Nachlass von Wilhelm Joest an die Stadt Köln. Die Fotografien bildeten nach der Gründung des RJM (1901) den Grundstock für die Photographische Sammlung.
• Wilhelm Joest kaufte auf seinen Reisen nach u.a. Neuseeland Fotografien von Elizabeth Pulman in Auckland (1867–1900).
• Die belgische Künstlerin Antje Van Wichelen wählte daraus die Maori-Porträts aus, die sie in ihre Arbeit „Noisy Images“ einfließen lässt.
• Van Wichelen überführt die fotografischen Dokumente auf 16mm-Film und gruppiert sie neu.
• The Photographic Collection of the Rautenstrauch-JoestMuseum (RJM) comprises around 100,000 photographic items from the period from ca. 1860 to 1970 from virtually all regions of the earth. About half of these photographs originate in colonial contexts.
• The estate of Wilhelm Joest was passed on to the City of Cologne in 1899. Following the founding of the RJM (1901), the photographs formed the basis for the Photographic Collection.
• On his journeys to New Zealand, among other destinations, Wilhelm Joest purchased photographs from Elizabeth Pulman in Auckland (1867–1900).
• From these, Belgian artist Antje Van Wichelen selected the Maori portraits that she incorporates into her work “Noisy Images”.
• Van Wichelen transfers the photographic documents onto 16mm film and re-sorts them into groups.
• Im Bestand des Rheinischen Bildarchivs Köln (RBA) befinden sich ca. 5,4 Mio. Aufnahmen in Form von Glas- und Filmnegativen, Diapositiven und originär digitalen Aufnahmen.
• Der finnische Künstler Ola Kolehmainen interessierte sich insbesondere für die historischen Glasnegative, von denen das RBA etwa 120.000 in unterschiedlichen Formaten von 6x6 bis zu 70x90 cm besitzt, aber auch für deren Merkmale, ihre altersbedingten Veränderungen, ihre Retuscheverfahren, und schließlich auch für das Positivarchiv mit mehr als 323.000 Positivabzügen.
• Der inhaltliche Fokus seiner Auswahl liegt bei Dokumentationsfotografien der Sakralarchitektur ausgewählter Kirchen in Köln und ihrer Schatzkunst. Kolehmainen inszeniert die von ihm digital veränderten Aufnahmen in der St. Josefskapelle am Gereonskloster in direkter Nachbarschaft des ehemaligen Historischen Stadtarchivs (heute: QVEST Hotel).
• The stock of the Rheinisches Bildarchiv Köln (RBA) comprises approx. 5.4 million shots in the form of glass and film negatives, slides and original digital recordings.
• Finnish artist Ola Kolehmainen was particularly interested in the historical glass negatives, of which the RBA possesses some 120,000 in different formats from 6x6 to 70x90 cm, but also in their features, their alterations due to age, their retouching methods, and finally also in the positive archive comprising more than 323,000 positive prints.
• The substantial focus of his selection lies on documentary photographs of the sacred architecture of selected churches in Cologne and their treasury art.
• Kolehmainen sets his digitally altered shots in the St. Josefskappelle next to the Gereonskloster in direct vicinity of the former Historical City Archive (today: QVEST Hotel).
Welche Bestände, Archive diese Sammlungen wie sie nach Köln welchen Zugang die und wie sie das ausgewählte präsentieren, skizzieren wir Zusammengestellt
(Projektleitung „Artist Meets Archive“) Kuratorinnen der teilnehmenden
In this graphic overview, we outline archives these collections house, what approach the artists have presenting the selected
Compiled by Inga Schneider project management) curators of the establishments.
Bestände, Nachlässe und Sammlungen beherbergen, Köln gekommen sind, Künstler gewählt haben ausgewählte Material in Ausstellungen wir in dieser Übersichtsgrafik. Zusammengestellt von Inga Schneider Archive“) und unterstützt durch die teilnehmenden Häuser.
outline what stocks, legacies and house, how they came to Cologne, have chosen and how they are selected materialin exhibitions.
Schneider (“Artist Meets Archive” management) and supported by the the participating establishments.
• Die Graphische Sammlung am Kölnischen Stadtmuseum umfasst neben Drucken und Zeichnungen auch Fotografien und Postkarten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Kölner Stadtbild, den Kölner Feierlichkeiten sowie Abbildungen Kölner Persönlichkeiten.
• Mit rund 20.000 Karten macht die Postkartensammlung etwa zehn Prozent der Graphischen Sammlung aus.
• Die israelische Künstlerin Ronit Porat legt ihren Fokus bei der Auswahl auf die Postkarten der Zwischenkriegsjahre 1918–1938, die u.a. als Feldpost ohne Stempel von den britischen Besatzern aus Köln verschickt wurden und erst später durch Ankäufe wieder ihren Weg nach Köln und ins Stadtmuseum fanden.
• Ronit Porat begibt sich im Kölnischen Stadtmuseum von Spurensuche von Luise StrausErnst, einer wichtigen Kölner Intellektuellen der 1920er- und 1930er-Jahre.
• Alongside prints and drawings, the Graphics Collection at the Cologne City Museum also comprises photographs and postcards. The focus lies at the same time on the Cologne city profile, Cologne ceremonies, and illustrations of Cologne personalities.
With around 20,000 cards, the Postcard Collection makes up some ten percent of the Graphics Collection.
When making her selection, Israeli artist Ronit Porat places her focus on the postcards from the inter-war years 1918–1938, which include unstamped forces post sent by British occupiers from Cologne and only later returned to Cologne and the City Museum by means of purchases.
At the Cologne City Museum, Ronit Porat heads off on the trail of Luise Straus-Ernst, an important Cologne intellectual of the 1920s and 1930s.
• Die Sammlung Fotografie im Museum Ludwig umfasst etwa 70.000 Werke von den Anfängen des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart.
• Das Archiv der Agfa-Werbeabteilung kam 2005 aus dem Besitz der Firma in Bananenkisten verpackt ans Museum Ludwig und befindet sich bis dato im dortigen Depot.
• Es beinhaltet Zehntausende von Farb-Negativen und Testabzügen der Firma Agfa aus den 1920er- bis 1970er-Jahren. Die Auswahl von Fiona Tan bezieht sich auf die Jahre 1952–1968 und wurde ergänzt durch Aufnahmen von Köln in den Nachkriegsjahren (1950er und 1960er) aus der Sammlung Fotografie.
• The Photography Collection at the Museum Ludwig encompasses some 70,000 works from the early 19th century through to the present day.
• The archive of the Agfa advertising department entered the Museum from the company’s possession in banana crates in 2005, and has been in storage there to date.
• It contains tens of thousands of colour negatives and test prints from the company Agfa from the 1920s to the 1970s. The selection by Fiona Tan refers to the years 1952–1968 and has been supplemented by shots of Cologne during the post-war years (1950s and 1960s) from the Photography Collection.
• Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur umfasst etwa 30.000 Fotografien von historischen und zeitgenössischen Fotografen. Die Sammlung folgt einer künstlerischdokumentarischen Fotografieauffassung.
• Das August-Sander-Archiv stellt mit mehr als 10.500 Originalabzügen und rund 5.500 Negativen den größten Bestand dar und ist stilprägend für alle weiteren Sammlungsaufnahmen.
• Roselyne Titaud wählt aus der Sammlung Arbeiten von Herbert Bayer, Jim Dine, Ruth Hallensleben, Willi Moegle und anonymen Fotografen aus.
• Die von Titaud ausgewählten Arbeiten stehen im Dialog zu ihren eigenen künstlerischen Arbeiten und umfassen somit einen Zeitraum von den 1930er-Jahren bis heute.
• Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur encompasses some 30,000 photographs by historical and contemporary photographers. The collection follows an artistic-documentary conception of photography.
• The August Sander Archive, comprising more than 10,500 original prints and around 5,500 negatives, represents the largest stock and determines the style for all further shots in the collection.
• From the collection, Roselyne Titaud selects works by Herbert Bayer, Jim Dine, Ruth Hallensleben, Willi Moegle and anonymous photographers. The works selected by Titaud stand in dialogue with her own artistic works and thereby span a period from the 1930s to today.
4.5. — 2.6.2019
Wenn es um Künstler geht, die mit fremden Bildmaterial arbeiten, kommt man um Erik Kessels nicht herum. Der 1966 geborene Niederländer beschäftigt sich seit vielen Jahren mit privaten Fotosammlungen und -archiven und hat bereits mehr als 50 Publikationen dazu herausgebracht, darunter seine beiden Reihen „In Almost Every Picture“ und „Useful Photography“. In der ersten veröffentlicht Kessels fotografische Phänomene, die immer wieder in Bildern auftauchen, oder absurde Alltagsmotive und -themen, die einen einzelnen Fotografen über einen längeren Zeitraum beschäftigt haben. So entdeckte Kessels eine Sammlung von Fotos, die ein Mann von seiner Frau über einen längeren Zeitraum hinweg gemacht hat. Beim Betrachten stellte Kessels fest: Je länger das Paar zusammen war, desto kleiner wurde die Frau auf den Fotos und die Landschaft nahm mehr Raum ein. Ein anderes Faszinosum ist die Niederländerin Ria van Dijk. Sie fotografiert sich seit den 1930er-Jahren selbst – und zwar an Fotoschießständen auf Jahrmärkten, so dass sie auf ihren Fotos immer ein Gewehr im Anschlag hat. Die Wendung „ein Foto schießen“ wird hier sehr wörtlich genommen.
Für die „Useful Photography“-Reihe beschäftigt sich Kessels hingegen mit Gebrauchsfotografie – von Por träts, die auf Schießständen als Zielscheiben herhalten müssen, über preisgekrönte Kühe und Zuchtbullen bis zu einer riesigen Sammlung von
When the investigation’s about ar tists who work with other people’s visual material, there’s almost no escaping Erik Kessels. The Dutchman, who was born in 1966, has been engaged with private photographic collections and archives for many years and has already brought out more than 50 publications on the subject, among them his two series “In Almost Every Picture” and “Useful Photography”. In the first, Kessels publishes photographic phenomena that emerge repeatedly in images, or absurd everyday motifs and subjects that have occupied a single photographer over a lengthy period. For example, Kessels discovered a collection of photos taken by a husband of his wife over a considerable amount of time. While he was examining them, there was something that Kessels observed: The longer the couple was together, the smaller the wife became in the photos and the landscape took up more space. Another object of fascination is the Dutchwoman Ria van Dijk. She takes photographs of herself from the 1930s onwards – and does so at shooting galleries at fairgrounds, so that she always has a weapon at the ready in her photos. The phrase “to shoot a photo” is taken very literally here.
For the “Useful Photography” series, on the other hand, Kessels engages with utilitarian photography – from portraits having to stand in as targets on shooting ranges, through award-winning cows and breeding bulls, to an enormous collection of penises, which are held up for size comparison alongside other objects such as remote controls, computer keyboards or alarm clocks.
In order to get at these images, he needs to collect a large quantity of photos first. For that reason, he constantly visits flea markets across the world and buys any photo album that is halfway full preserved. 15,000 (!) of these albums are already stored in his archive, which he works through piece by piece and searches through for patterns and peculiarities. Naturally, though, Kessels also hunts for images on the Internet. His most recently published book, “Shit”, is a crazy to absurd accumulation of private photographs that show Wehrmacht soldiers relieving themselves – be it singly in a snowy landscape or seven-in-a-row on a privy.
With his works, Kessels brings humour into the otherwise mostly very serious world of art. Nevertheless, his publications are always ambiguous too and pose questions concerning the use and contemplation
Penissen, die zum Größenvergleich neben anderen Gegenständen wie Fernbedienungen, Computertastaturen oder Uhrenweckern gehalten werden.
Um an diese Bilder zu kommen, muss er zunächst eine große Menge an Fotos sammeln. Ständig besucht er deswegen Flohmärkte überall auf der Welt und kauft jedes Fotoalbum, das halbwegs vollständig erhalten ist. 15.000 (!) dieser Alben lagern bereits in seinem Archiv, das er Stück für Stück durcharbeitet und nach Mustern und Merkwürdigkeiten durchsucht. Aber natürlich ist Kessels auch im Internet auf der Jagd nach Bildern. Sein jüngst erschienenes Buch „Shit“ ist eine aberwitzige bis absurde Ansammlung privater Fotografien, die Wehrmachtssoldaten beim Verrichten ihrer Notdurft zeigen – egal, ob einzeln in einer Schneelandschaft oder zu siebt nebeneinander auf einem Donnerbalken. Mit seinen Arbeiten bringt Kessels Humor in die ansonsten meist sehr ernste Kunstwelt. Dennoch sind seine Publikationen immer auch doppelbödig und stellen Fragen nach der Verwendung und Betrachtung von Fotografie. Wie bei den eben genannten Wehrmachtssoldaten: Warum wurden diese intimen Momente überhaupt fotografiert? Warum werden diese Bilder heute bei Ebay angeboten und wer kauft sie? Was sagen sie uns über den Krieg im Allgemeinen und im Speziellen über die Deutschen im Zweiten Weltkrieg?
Aber Kessels, der seit mehr als 20 Jahren in Amsterdam eine erfolgreiche Kommunikationsagentur betreibt, ist auch bekannt für üppige Ausstellungsinszenierungen. Für seine legendäre Installation „24 Hrs In Photos“ hat er 350.000 Fotos, die innerhalb eines Tages im Jahr 2011 bei Flickr hochgeladen wurden, ausgedruckt und kippt diese in den Ausstellungsraum, so dass die Besucher sich wortwörtlich durch die Bilderflut kämpfen müssen. Für „Mother Nature“ hingegen inszenierte er im Museum Folkwang einen kleinen Garten, in den er gefundene Fotografien von Frauen vor Pflanzen und Blumen platzierte. Manchmal können seine Inszenierungen aber auch in Klamauk übergehen, beispielsweise bei „Jump Trump“ während der Fotomesse Unseen 2017: Bei dieser Mitmach-Ausstellung konnten die Besucher in ein riesiges Luftkissen mit dem Gesicht des amerikanischen Präsidenten springen und ihm so – symbolisch – ihre Meinung sagen. Die Vorlagensammlung des Museums für Angewandte Kunst Köln, in das die Internationale Photoszene Köln Erik Kessels im Rahmen ihres „Artist Meets Archive“-Projektes einlud, war dann allerdings auch für ihn Neuland: In seinen bisherigen Arbeiten steht fast immer der Mensch selbst oder zumindest sein Handeln im Mittelpunkt – die Vorlagensammlung des MAKK hingegen ist quasi menschenfrei.
In ihr befinden sich r und 25.000 Fotografien, Drucke und Zeichnungen aus dem 15. bis frühen 20. Jahrhundert, verteilt auf mehr als 1.000 Mappen. Sie sind das enzyklopädische Bildarchiv für Grafik- und Designvorlagen, eine Art analoges Pinterest oder ein Bilderarchiv des Guten Geschmacks, wenn man so will. Denn eines muss man sich bewusst machen: Die Bilder stammen aus einer Zeit, in der Bilder (im Gegensatz zu heute) Mangelware waren. Wer wissen wollte, wie ein bestimmtes Tier, eine Architektur oder ein Gegenstand aussah, musste in die Vorlagensammlung gehen. Dort waren Gärten und antike Statuen, Säulen und Denkmäler, Türen, Ornamente und Vasen, Möbel, Besteck und Uhren, aber auch Pflanzen und Tiere versammelt. Es ist eine Sammlung,
of photography. As with the Wehrmacht soldiers just mentioned: Why were these intimate moments photographed in the first place? Why are these images on offer on Ebay today and who buys them? What do they tell us about war in general, and specifically about the Germans during the Second World War?
However, Kessels, who has been running a successful communications agency in Amsterdam for more than 20 years, is also known for sumptuous exhibition stagings. For his legendary installation “24 Hrs In Photos”, he printed out 350,000 photos that were uploaded to Flickr in the space of a day in 2011 and tips these into the exhibition space, so that museum-goers literally have to battle their way through the visual inundation. For “Mother Nature”, on the other hand, he set in scene a little garden at Museum Folkwang, into which he placed found photographs of women in front of plants and flowers. Sometimes, though, his staging can also metamorphose into a rumpus, as was the case, for example, with “Jump Trump” during the Unseen photo fair in 2017. At this participatory exhibit, visitors were able to jump into a giant air cushion bearing the face of the American present and thus – symbolically –tell him what they thought of him.
The template collection of the Museum of Applied Arts Cologne, to which Internationale Photoszene Köln invited Erik Kessels in the context of its “Artist Meets Archive” project, was new territory for him, however: In his works so far, humankind itself, or at least its actions, is almost always at the focus – the template collection of the MAKK, on the other hand, is virtually people-free.
It comprises approximately 25,000 photographs, prints and drawings from the 15th to the early 20th century, distributed across more than 1,000 portfolios. They are the encyclopaedic image archive for graphic and design templates, a kind of analogue Pinterest or an image archive of good taste, if you will. For there is one thing we need to be aware of: The images originate from a time when images (in contrast to today) were a scarce commodity. Anyone wishing to find out what a certain animal, architecture or object looked like had to step into the template collection. Gardens and antique statues, columns and memorials, doors, ornaments and vases, furniture, cutlery and clocks, but also plants and animals too, were gathered together there. It is a collection of which the original significance has been lost completely due to technological and societal developments. Basically, it is an archaeological zone of the visual. That is the way Kessels sees it, at any rate – and he places precisely this aspect at the heart of his considerations.
As he does so, the Dutchman deals playfully with his theme once again. The illustrations in the archive, uniformly mounted on archive cards, were photographed and printed onto 143 1.20 metre-high plates, which he structures in turn to form a ruin-like house of cards landscape in the exhibition space. Visitors are then able to stroll through them, wandering past, exploring and spending time amid the numerous motifs and aspects of long-past times.
The morbidly nostalgic atmosphere of the staging is condensed still further by a work by the British sound artist Robin Rimbaud, alias “Scanner”: He plays a classical sonata at strongly reduced speed and mixes it with further elements of contemporary music and everyday sounds, inspired by the objects portrayed on the archive cards. But none of all this would be a true Erik Kessels work without a pinch of humour added to it too: Every visitor is able to reconstruct their own little “Archive Land” ruin at home –in a handy playing-card format and with the sound on music cassette, therefore two more almost forgotten analogue media from long-past times.
deren ursprüngliche Bedeutung durch die technische und gesellschaftliche Entwicklung komplett verloren gegangen ist. Im Grunde ist es eine archäologische Zone des Visuellen. So sieht es jedenfalls Kessels – und stellt genau diesen Aspekt ins Zentrum seiner Überlegungen.
Einmal mehr geht der Niederländer dabei spielerisch mit seinem Thema um. Die auf einheitlichen Archivkartons aufgezogenen Abbildungen im Archiv wurden abfotografiert und auf 143 fast mannshohe Platten gedruckt, die er wiederum zu einer ruinenartigen Kartenhaus-Landschaft in den Ausstellungsraum aufbaut. Durch diese kann der Besucher dann spazieren und die zahlreichen Motive und Aspekte längst vergangener Zeiten erlaufen, entdecken und in ihnen verweilen.
Verdichtet wird die morbid-nostalgische Atmosphäre der Inszenierung noch durch eine Arbeit des britischen Soundkünstlers Robin Rimbaud alias „Scanner“: Er spielt eine klassische Sonate in stark reduzierter Geschwindigkeit ab und mischt sie mit weiteren Elementen zeitgenössischer Musik und mit Alltagsgeräuschen, inspiriert von den auf den Archivkarten abgebildeten Gegenständen. Doch das alles wäre noch keine echte Erik-Kessels-Arbeit, wenn nicht noch eine Prise Humor hinzukäme: Jeder Besucher kann sich zu Hause seine eigene kleine „Archive Land“-Ruine nachbauen – im praktischen Spielkartenformat und mit dem Sound auf Musikkassette, zwei weitere fast vergessene analoge Medien aus längst vergangenen Zeiten also.
A Pointer from the 15th Century
Wie Dualität des Mediums Fotografie – das haptische Objekt mit einer ganz eigenen Ästhetik auf der einen und der Informationsträger auf der anderen Seite – beschäftigt den 1964 geborenen Finnen Ola Kolehmainen seit Langem. Seine Zusammenarbeit mit dem Rheinischen Bildarchiv besteht nicht erst seit der Residency „Artist Meets Archive“, wurde durch sie allerdings deutlich intensiviert. Ein Kamerahersteller hatte bereits 2015 Kolehmainens Interesse auf eine mit 70 x 90 Zentimetern ungewöhnlich großen Glasnegativ von Theodor Creifelds von etwa 1896 (RBA 610 500) gelenkt. Darauf zu sehen: der Kölner Dom. Beeindruckt von der außerordentlich hohen fotografischen Qualität und Detailgenauigkeit erwachte Kolehmainens Begeisterung für die ältesten Glasnegativbestände im Rheinischen Bildarchiv (RBA). Seitdem hat das RBA-Team mit ihm historische Glasnegative, Großformatnegative und ältere Positivabzüge gesichtet und seine weitere Arbeit mit diesem Material unterstützt. Rasch entwickelte sich eine gemeinsame Faszination. Während Kolehmainen das Material aus einem ästhetischen Blickwinkel heraus betrachtet, konnten wir unser Wissen über die in den RBA-Beständen überlieferten historischen Arbeitsmethoden erweitern und dokumentieren.
Raum, Licht und Farbe stehen in Ola Kolehmainens Werk im Zentrum. Mit 47 Einzelausstellungen gehört er zu den erfolgreichsten Künstlern der ersten Generation der sogenannten „Helsinki School“. Seit 2005 lebt und arbeitet er in Berlin. In seinen frühen Projekten arbeitete er streng formal minimalistisch-abstrakte Details moderner Architektur des 20. und 21. Jahrhunderts heraus, insbesondere bei Mies van der Rohe und Alvar Aalto. Dabei wird sehr deutlich, dass er nicht Dokumentarfotografien anfertigen will, sondern die abstrakten Konzepte von Architekturen visualisiert.
The duality of the medium of photography – the haptic object with an aesthetic of its very own on the one hand, and the information carrier on the other – has long occupied the Finn Ola Kolehmainen, who was born in 1964. While his collaboration with the Rheinisches Bildarchiv extends back further than the “Artist Meets Archive” residency, it has, however, been considerably deepened by the latter. Back in 2015, a camera manufacturer steered Kolehmainen’s interest towards an unusually large –70 x 90 centimetres – glass negative by Theodor Creifelds from about 1896 (RBA 610 500). Its motif: Cologne Cathedral. Kolehmainen was impressed by the extraordinarily high photographic quality and precise detail, and consequently his enthusiasm was sparked for the oldest glass negative stocks in the Rheinisches Bildarchiv (RBA). Since then, the RBA team has been joining him in viewing historical glass negatives, large-format negatives and older positive prints and supporting him in his continued work with this material. A shared fascination swiftly developed. While Kolehmainen considers the material from an aesthetic angle, we have been able to broaden and document our knowledge of the historical working methods handed down to us in the RBA stocks.
Space, light and colour are at the heart of Ola Kolehmainen’s work. With 47 solo exhibitions, he is among the most successful artists of the first generation of the so-called “Helsinki School”. He has been living and working in Berlin since 2005. In his early projects, he worked out stringently formal minimalistic abstract details of modern 20th and 21th-century architecture, in particular in Mies
Seit 2013 beschäftigt er sich mit Innen- und Außenräumen von Sakralbauten der drei abrahamitischen Glaubensrichtungen, beginnend mit islamischer Architektur und Moscheen in Istanbul, darauf folgten christliche Schlüsselbauten in Italien und schließlich Synagogen, Kirchen und Kathedralen in ganz Europa. Kolehmainens Beobachtungen des Wechselspiels von formaler Raumstruktur und Lichtwirkungen in der Architektur beruhten in dieser Zeit immer auf einer persönlichen Autopsie der Architektur. Seine Methodik der Fragmentierung der Architekturen und leicht verschobenen Restrukturierung vieler Einzelaufnahmen zu dem, was er „Polyptychen“ nennt, fügt die Architekturen zu einem neuen ästhetischen und harmonischen Ganzen zusammen. Zugleich irritiert sie den gewohnten Blick, veranlasst zu einem bewussteren Sehen und damit zu einem neuen Begreifen der Räume. Dem fotografierten Licht verleiht er durch intensivierende Kontrastverschiebungen eine eigene Farbigkeit und veranschaulicht die tragende Rolle des Lichts in den Sakralarchitekturen. Er visualisiert die Erhabenheit und Wirkungskraft von Raum und Licht als wiederkehrendes Element. Der Mensch, für dessen Religionsausübung die Räume erbaut wurden, spielt nur selten eine sichtbare Rolle.
Der Bildarchivbestand des RBA umfasst etwa 5,4 Millionen Aufnahmen, an denen die Geschichte der Fotografie von 1855 bis heute nachvollzogen werden kann. Die überwiegende Mehrheit dieser Aufnahmen ist nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Für sie wurden bis zum Medienwechsel in die Digitalfotografie Filme in verschiedenen Formaten verwendet. Trägermaterial der frühen Aufnahmen ist hingegen Glas. Die insgesamt etwa 120.000 Glasnegative wurden seit der Gründung des RBA im Jahr 1926 von den RBA-eigenen Fotografen angefertigt oder kamen als Schenkungen, Leihgaben beziehungsweise durch Zusammenlegung städtischer Bildstellen in den Bestand.
Kolehmainen hat viele Hundert dieser Glasnegative mit Dokumentationsaufnahmen von Architektur und Kirchenschätzen gesichtet, genauso wie er zuvor viele Sakralbauten besichtigt hat. Er entdeckte bei seiner „Reise“ durch das Archiv den ästhetischen Reiz des durchleuchteten Glasnegativs selbst, den es auch in der beschrifteten Pergaminhülle, also in einem typischen Archivdauerzustand, nicht verliert. Zu seiner Annäherung an die historische Fotografie trat die künstlerische Reflexion über deren Archivierung und die Materialität historischer Negative einschließlich Retuscheverfahren. Beispiele aus dieser Arbeitsphase sind das Polyptychon „Guerzenich“ (218 x 177 Zentimeter) von 2016 oder die Arbeit „Kölner Dom 1248–1880 III (RB-Archiv Köln, ca. 1946)“ von 2017.
Zu seinen wiederkehrenden Methoden bei der Verarbeitung historischer Fotografien gehören die analoge und digitale Reproduktion in Auf- und Durchlicht, das Umwandeln von Positiven in Negative oder von Negativen in Positive sowie die Wiedergabe von Schwarz-Weiß-Negativen in Farbaufnahmen. Dabei tritt zu Tage, wie vielfältige Material- und Farbvarianten Schwarz-Weiß-Negative als Objekte bieten können: neben der Bildinformation der lichtempfindlichen Silbergelatineschicht rote Abdeckfarbe, Maskierungen aus Papier, hellrote, transparente Retuschefarben und andere analoge Bildbearbeitungsverfahren. Aber auch Schadensbildern – dem Albtraum jedes
van der Rohe and Alvar Aalto. Along the way, it becomes very clear that his intention is not to produce documentary photography, but to visualize the abstract concepts of architectures.
Since 2013, he has been engaged with interior and exterior spaces of sacred buildings of the three Abrahamic religions, commencing with Islamic architecture and mosques in Istanbul; there followed key Christian edifices in Italy; and finally, synagogues, churches and cathedrals throughout Europe. During this time, Kolehmainen’s observations of the interplay between formal spatial structure and lighting effects in architecture have always rested upon a personal autopsy of architecture. His method of fragmenting architectures and slightly displacing and restructuring individual shots, in order to form what he calls polyptychs, pieces the architectures together to form a new aesthetic and harmonious whole. Simultaneously, it jars the familiar gaze, it brings about more conscious seeing and hence a new comprehension of spaces. He employs intensifying shifts in contrast in order to lend the photographed light its own vividness and illustrates the supporting role of light in the sacred architectures. He visualizes the grandeur and impact of space and time as a recurring element. Mankind, for whose exercising of religion the spaces were built, only rarely plays a visible role.
The image archive stock of the RBA comprises some 5.4 million shots, which aid an understanding of the history of photography from 1855 to today. The overwhelming majority of these shots was created after the Second World War. Until the medium switched to digital photography, films in various formats were used for them. However, the support for the early shots is glass. The glass negatives, approximately 120,000 in total, have been either prepared by the RBA’s own photographers since its founding in 1926, or they came in the form of donations and loans, or respectively as municipal photographic agencies merged with the collection.
Kolehmainen has viewed many hundreds of these glass negatives bearing documentary shots of architecture and ecclesiastic treasures, in exactly the way that he personally viewed many sacred buildings in the past. On his “journey” through the archive he discovered the aesthetic attraction of the illuminated glass negative itself, an appeal that it does not lose even in the inscribed pergamin sleeve typical of permanent archiving. His approach to the historical photograph was accompanied by artistic reflection on its archiving and the materiality of historical negatives, including retouching methods. Examples from this work phase are the polyptych “Guerzenich” (218 x 177 centimetres) of 2016, or the work “Kölner Dom 1248-1880 III (RB-Archiv Köln, ca. 1946)” of 2017.
His recurring methods when working on historical photographs include analogue and digital reproduction in reflected and transmitted light, the transformation of positives into negatives or of negatives into positives, as well as the reproduction of black-and-white negatives in colour shots. Along the way, the diversity of material and
Restaurators – weiß Ola Kolehmainen durch digitale Verfremdung ganz eigene ästhetische Aspekte abzugewinnen.
Die AMA-Ausstellung „COELN. Cathedral of light“ ist eine konsequente Fortsetzung der seit über vier Jahren bestehenden Zusammenarbeit zwischen dem RBA und Kolehmainen. Die AMA-Residency nutzte er zur Erweiterung seiner zuvor auf Glas- und Filmnegative beschränkten Materialbasis durch Recherchen im RBA-Positivarchiv. Das Positivarchiv umfasst etwa 323.000 Handabzüge von Negativen des RBA, die auf Karton aufgezogen sind und beschriftet in topographischer Sortierung aufbewahrt werden. Kolehmainen interessierte sich dort nicht mehr nur für Architekturaufnahmen, sondern auch für „Schatzkunst“, worunter er mobile Gegenstände aus Kirchenräumen versteht. Zu den ersten abgeschlossenen Werken seiner Residency gehört ein minimalistisches Bild, für das er eine Fotografie eines kleinen Reliquienostensoriums in Fingerform verwendete (RBA 133 427). Ein RBA-Fotograf fertigte vor mehr als 50 Jahren zwei Aufnahmen dieses Objekts an. Für die eine montierte er das Fingerreliquiar auf zwei Kügelchen und stellte es senkrecht auf. Digital von Kolehmainen manipuliert, suggeriert der senkrecht aufgerichtete Finger aus dem 15. Jahrhundert nun eher augenzwinkernd die allseits bekannte obszöne Geste als die ursprüngliche religiöse Bedeutung.)
In seinen neuen Werken mit Kölner Kircheninnenräumen verarbeitet er wiederum fototechnische Prozesse und Retuscheverfahren sowie Schadensbilder in vielfältig manipulierten objekthaften Farbaufnahmen von Schwarz-Weiß-Negativen oder digital invertierten Positivabzügen oder verstärkt den in historischen Aufnahmen dokumentierten Lichteinfall. Allerdings verzichtet er nun auf das Zerlegen und Restrukturieren der Ursprungsbilder. Mit all diesen digitalen Eingriffen, die dem Betrachter ganz bewusst verborgen bleiben sollen, erreicht er eine völlig neue ästhetische Gesamtwirkung – geheimnisvoll, irritierend bis surreal. Das Highlight der Ausstellung wird ein 2,26 Meter hohes Leporello über den Kölner Dom sein, in dem Ola Kolehmainen historische Aufnahmen von Zeichnungen vor Fertigstellung des Doms verarbeitet. Genauso wie bei seinen Polyptychen mit Moscheen, Kirchen oder Synagogen ist es auch in den neuen Werken Aufgabe des Betrachters, über eine bewusste Wahrnehmung die übergeordnete Bedeutung des Ganzen persönlich zu erschließen.
colour variants that black-and-white negatives have to offer as objects becomes apparent: besides the pictorial information of the light-sensitive silver gelatine coating, opaque red paint; strips of masking paper; bright red, transparent retouching colours; and other analogue picture-editing methods. But even damage profiles – the nightmare of every restorer – have very specific aesthetic aspects extracted from them as a result of Ola Kolehmainen’s digital alienation.
The AMA exhibition “COELN. Cathedral of Light” is a logical continuation of the more than four years’ collaboration between the RBA and Ola Kolehmainen. He used the opportunity of the AMA residency to augment his material basis, previously restricted to glass and film negatives, through research in the RBA positive archive. The positive archive comprises some 323,000 manual prints from negatives of the RBA, which are mounted on cardboard and kept labelled in topographical order. There, Kolehmainen was no longer interested in architecture photos alone, but also in “treasure art”, by which he understands mobile objects from ecclesiastical spaces. Among his first completed works during his residency is a minimalistic image, for which he used a photograph of a small, finger-shaped reliquary monstrance (RBA 133 427). An RBA photographer prepared two shots of this object more than 50 years ago. For one of them, he mounted the finger reliquary onto two little spheres and set it up vertically. Digitally manipulated by Kolehmainen, the upright finger from the 15th century is now more winkingly suggestive of the universally familiar obscene gesture than of its original religious significance.
In his new works with Cologne church interiors, he again processes photo techniques and retouching methods, along with damage profiles, in diversely manipulated objective colour shots of black-and-white negatives or digitally inverted positive prints, or amplifies the light incidence documented in historical photographs. However, these days he refrains from dismantling and restructuring the original images. With all these digital interventions, which are quite deliberately meant to go unnoticed by the beholder, he achieves a completely new overall aesthetic effect – mysterious, disconcerting, through to surreal. The highlight of the exhibition will be a 2.26 metre-high fanfold about Cologne Cathedral, in which Ola Kolehmainen processes historical shots of drawings prior to the cathedral’s completion. Exactly as is the case with his polyptychs featuring mosques, churches or synagogues, in the new works it is the beholder’s task to personally tap into the higher-level significance of the whole by consciously taking notice.
Für „Artist Meets Archive“ hat Ronit Porat Postkarten aus dem Kölnischen Stadtmuseum in eine neue Beziehung gebracht
Eine Postkarte schickt den Empfänger meist auf eine imaginierte Reise durch ein fotografisches Best-of von Ländern, Städten und Landschaften. Solche ikonischen Ansichten stehen stellvertretend für einen Augenzeugenbericht des Reisenden und prägen kollektive Vorstellungen entfernter Orte. Für die israelische Künstlerin Ronit Porat (geboren 1975 im Kibbuz Kfar Giadi, Nord-Israel) sind Postkarten ein offener Brief, ein Faszinosum, das auf wenige Sätze limitiert und zugleich öffentlich einsehbar ist. Vielleicht ist dies einer der Gründe dafür, warum eine gefundene Postkarte auch heute noch zu uns spricht und uns auf geheimnisvolle Weise mit den Schreibenden, Adressaten und ihrem Leben verbindet. Die in Tel Aviv lebende und arbeitende Künstlerin studierte Fotografie und Digitale Medien am Hadassah College in Jerusalem sowie Bildende Kunst an der Chelsea School of Art and Design in London. Sie bezieht unterschiedlichs-
Most of the time, a postcard sends its recipient on an imagined journey through a photographic best-of of countries, cities and landscapes. Iconic views like these stand deputy for an eyewitness report from the traveller, and shape collective notions of distant places. To the Israeli artist Ronit Porat (born in 1975 in the Kfar Giadi kibbutz, Northern Israel), postcards are an open letter, a fascinating phenomenon that is limited to a handful of sentences and is publicly viewable at the same time. Perhaps this is one of the reasons why, even today, a found postcard still talks to us and mysteriously joins us to the writers and addressees and their lives.
The ar tist, who lives and works in Tel Aviv, studied photography and digital media at the Hadassah College in Jerusalem as well as Fine Art at the Chelsea School of Art and Design in London. In her work she incorporates a
For “Artist Meets Archive”, Ronit Porat has established new links between postcards from the Cologne City Museum
tes Archivmaterial zur Zwischenkriegszeit in Europa in ihr Werk ein, das sie mit ihren eigenen fotografischen Arbeiten zu Collagen arrangiert. Im Archiv des Stadtmuseums Köln arbeitete sich Porat durch das etwa 20.000 Postkarten umfassende Konvolut der Graphischen Sammlung und stieß auf die Spuren zweier Akteure, deren Geschichten den Ausgangspunkt ihrer visuellen Erzählung bilden.
Zum einen ist da die 1893 in Köln geborene Luise Straus, die als eine der ersten Frauen an der Universität Bonn in Kunstgeschichte promovierte. Dort lernte sie auch ihren späteren Ehemann, den Künstler Max Ernst, kennen und heiratete ihn – trotz des Widerstands beider Familien –1918. Die Journalistin, Künstlerin und Kuratorin setzte sich intensiv mit der Kultur und Geschichte der Stadt Köln auseinander und etablierte sich schnell als eine der zentralen Figuren der rheinischen Kunstszene, bevor sie als Jüdin 1933 vor den Nationalsozialisten ins Pariser Exil fliehen musste, wo ihr nur noch der Postweg als Verbindung in die Heimat blieb. Straus wurde 1944 in Auschwitz ermordet.
Außerdem stieß Porat auf die Feldpost des Engländers Charlie, der nach dem Ersten Weltkrieg als Soldat in Köln stationiert war und zwar regelmäßige, aber recht wortkarge Grüße an seine Ehefrau Ada in London richte-
vast array of archive material on the inter-war period in Europe, which she arranges into collages with her own photographic works. In the archive of the Kölnisches Stadtmuseum (Cologne City Museum), Porat worked her way through the bundle comprising some 20,000 postcards in the Graphics Collection, and stumbled onto the trail of two actors whose stories form the departure point of her visual narrative.
First, there is Luise Straus, born in Cologne in 1893, who earned her doctorate in Art History as one of the first women to do so at the University of Bonn. There, she met her later husband, the artist Max Ernst, and married him – despite the resistance of both families – in 1918. The journalist, artist and curator was deeply engaged with the culture and history of the city of Cologne and swiftly established herself as one of the central figures of the Rhine art scene, before, as a Jew, she was forced to flee from the National Socialists into exile to Paris in 1933, where the postal route remained her only link to home. Straus was murdered in Auschwitz in 1944. Porat also stumbled upon the field post from Englishman Charlie, who was stationed as a soldier in Cologne after the First World War and addressed regular,
te. Über die Empfängerin erfahren wir dabei ebensowenig wie über die emotionale Welt des Exils. Porat setzt an eben diesen historischen Leerstellen an, indem sie die offenen Fragen mit der eigenen und mit fremden Biografien verwebt und die Grenzen zwischen damals und heute ebenso wie zwischen persönlicher und kollektiver Erfahrung verwischt.
Porats Arbeit widmet sich jedoch nur vordergründig individuellen Schicksalen, es geht ihr vielmehr um die gemeinsamen Schnittstellen zwischen den gefundenen visualisierten Erinnerungen und darum, wie man sie zueinander in Beziehung setzen kann. Es sind Details, die sie sich herauspickt, minimalistisch reduzierte Ausschnitte, die nichts verraten und zugleich einen diskursiven und assoziativen Freiraum eröffnen. Die Interkontextualität der Bilder zeigt sich auch in der Präsentationsweise, in der nicht das einzelne Objekt in den Vordergrund rückt, sondern vielmehr die Fotografien in ihrem narrativen Zusammenhang stehen.
Das vorgefundene, beschnittene, manipulierte und aus seinem Kontext gerissene Bildmaterial nutzt Porat, um neue Bild- und Bedeutungsebenen entstehen zu lassen und neue Erzählungen zu kreieren. Ihre Arbeit wirft dabei immer wieder die Frage nach der Deutungsmacht von Fotografien auf, die als Zeitzeugen ein Wissen in sich tragen, das es zu reaktivieren gilt. In der Tradition der Dadaisten stehend, die in der Fotocollage das Medium entdeckten, das die Bindung der Fotografie zur Abbildung der „Realität“ lockerte, verfremden Porats Installationen die Bildzeichen und rütteln am Verständnis, wie eine Fotografie zu lesen ist.
albeit somewhat taciturn greetings to his wife Ada in London. As we read, we learn just as little about the recipient as we do about the exile’s emotional world. Porat approaches precisely these historical blanks by interweaving the unanswered questions with her own and others’ life stories. She blurs the boundaries between past times and today equally as much as between personal and collective experience.
However, Porat’s work is devoted only superficially to individual fates; her concern, rather, is the common interfaces between the found visualized memories and how one can establish links between them. She picks out details, excerpts reduced to a minimum which reveal nothing and open up a discursive and associative freedom at the same time. The images’ intercontextuality is also evident in the manner of presentation, in which not the individual object moves into the foreground, but, rather, the photographs stand in their narrative association.
Porat utilizes the image material – found, cut up, manipulated and torn out of its context – in order to give rise to new picture planes and levels of meaning and to create new narratives. Along the way, her work repeatedly throws up the question of photographs’ interpretative power; as contemporary witnesses, they carry an inherent knowledge that requires reactivation. Located in the tradition of the Dadaists, who discovered in photocollage the
Sie unterwandert die Bildnarrative und die damit verbundenen, teilweise kulturell bedingten Interpretationen und überführt sie aus einem rein informativen Zustand in eine neue und ambivalente Welt der Emotionen und Stimmungen, die durchaus irritierend sein will.
So bricht Porat bewusst mit dem schönen Schein der Postkar ten. Viele der Ansichtskarten, die sich im Archiv des Stadtmuseums befinden und für den heutigen Betrachter das historische Erscheinungsbild der Stadt Köln dokumentieren, tragen auch eine andere historische Wahrheit: Wie ein Mond erscheint der Abdruck des Poststempels auf den mit Adolf Hitlers Profil versehenen Briefmarken, die die prachtvollen Stadtansichten Kölns zieren und daran erinnern, wer zu dieser Zeit die politische Macht im Land inne hatte.
In der Aneignung des Materials ist Porats Praxis auch als Beitrag zu der nach wie vor vir ulenten Frage zu verstehen, wem die in zahlreichen Archiven kursierenden Bilder gehören, wer die Macht hat, sie zu deuten, und wie und welche Geschichten mit ihnen erzählt werden dürfen. Durch ihren fragmentarischen und nicht-linearen Charakter verweigern sich ihre Installationen den faktenorientierten und deterministischen wissenschaftlichen Spielregeln des Archivs. Sie präsentieren sich vielmehr als ein uneindeutiges Bilderrätsel, verlieren sich in scheinbaren Nebensächlichkeiten, bleiben offen für Hinweise und Querverweise und zeigen doch immer auch die klare Handschrift der Künstlerin, die den Betrachter mit seiner eigenen Wahrnehmung konfrontiert.
medium that loosened photography’s binds to the illustration of “reality”, Porat’s installations alienate the visual signifiers and jolt understanding of how a photograph is meant to be read. She infiltrates the pictorial narrative and the sometimes culturally conditioned interpretations that go with it, and conveys it out of a purely informative state into a new and ambivalent world of emotions and moods that very much intends to bewilder.
This way, Porat breaks deliberately with the postcards’ attractive appearance. Many of the picture postcards that can be found in the Kölnisches Stadtmuseum archive and document the historical appearance of the city of Cologne for today’s beholder. But also carry another historical truth: with their moon-like postmark imprint, stamps bearing Adolf Hitler’s profile adorn the splendid urban views of Cologne and remind us who held political power in this country at that time.
In the appropriation of the material, Porat’s practice is also to be understood as a contribution to the still urgent question of whom the images circulating in numerous archives belong to, who has the power to interpret them, and what is the permitted way, using which stories, to narrate what they have to say. Due to their fragmentary and non-linear character, they refuse to co-operate with the archive’s fact-based and deterministic scientific rules of the game. Rather, they present themselves as an ambiguous picture puzzle, lose themselves in apparent trivialities, remain open to references and cross-references and yet also always show the clear handwriting of the artist, who confronts the beholder with his own perception.
enn über Fiona Tan gesprochen oder geschrieben wird, beginnt das meist mit dem Hinweis auf ihre Herkunft. Woher stammt ihr Vater, woher ihre Mutter, wo wurde sie geboren, wo wuchs sie auf? Als reichte ihre Kunst Generationen zurück – auch wenn sie das auf die eine oder andere Art tut – und als ließe sie sich erst mit einem Stammbaum versehen wirklich verstehen. Ich verzichte hier also bewusst auf diesen Einstieg, weil die Themen, um die ihre Videos, Fotografien, Filme und Texte kreisen, eben nicht nur ihre sind, auch wenn sie zweifellos von ihrem persönlichen Erleben geprägt sind. Im Mittelpunkt ihres Schaffens stehen Mensch, Geschichte, Zeit, Fiktion und Erinnerung. Ihre Erkundungen reichen dabei rund um den Erdball und weit in die Vergangenheit. Um sich einer Person oder dem Bildnis einer Person behutsam zu nähern, geht Tan mal dokumentierend, mal imaginierend vor. Archivrecherchen gehören somit ebenso zur Werkgenese wie das Filmen, Fotografieren, Schreiben. So entstand die sechsteilige Videoinstallation „Provenance“ (2008) nach der Auseinandersetzung mit Porträts des 17. Jahrhunderts, wie sie Tan im Rijksmuseum, Amsterdam, studierte. Tans stumme Schwarzweißfilme verfolgen sechs Personen bei ihren alltäglichen Verrichtungen, ähnlich wie historische Porträts Menschen vor schwarzem Hintergrund oder in häuslicher Umgebung darstellen. Tans Monitore sind in die Wand eingelassen, sodass die Technik verschwindet und sie wie gehängte Bilder wirken. Wie häufig in ihrem Werk bleiben die
hen Fiona Tan is talked or written about, it usually begins with a reference to her origins. Where does her father, where does her mother come from, where was she born, where did she grow up? As though her art extended back generations – even though it does, in some way or another – and as though she were to be fully comprehensible only when endowed with a family tree. I will therefore deliberately dispense with that introductory approach here, because the themes around which her videos, photographs, films and text revolve are precisely not hers alone, even though they are undoubtedly shaped by her personal experience. At the focus of her creativity stand man, history, time, fiction and memory. Along the way, her explorations extend around the globe and far into the past. In order to approach a person or a person’s likeness carefully, Tan proceeds in a manner that is documenting one moment, and imagining the next. Researching archives is therefore just as much part of a work’s genesis as filming, photographing, writing. Thus arose the six-part video installation “Provenance” (2008), following an examination of 17th-century portraits, as Tan studied them at the Rijksmuseum, Amsterdam. Tan’s silent black-and-white films follow six persons doing their daily chores, similarly to the way historical portraits depict people against a black background or in domestic surroundings. Tan’s monitors are let into the wall, with the effect that the technology vanishes and they look like hung pictures. As is frequently the case in
Betrachter auch hier im Zwischenraum zwischen Detailinformation und Nichtwissen, zwischen Dokumentation und Fiktion sich selbst überlassen. Wer sind die porträtierten Menschen, was ist ihre Geschichte, wieviel kann der Film erzählen und wo liegen seine Grenzen?
Ganz ähnliche Fragen stellt die Reihe „Vox Populi“. Da sind es reale private Familienschnappschüsse unzähliger ihr unbekannter Menschen, die Tan gesichtet hat und, einzeln gerahmt, zu einer Wolke an der Wand verdichtet. In „Vox Populi London“ zählt man nicht weniger als 264 Erinnerungsbilder, die uns Besucher zurückversetzen in die eigene Vergangenheit: Urlaube, Geburtstage, etc. Momente des Vertrautseins mit dem Gezeigten wechseln sich ab mit denen des Fremdseins. Archive, man ahnt es, sind Fiona Tan immer wieder Quelle neuer Arbeiten. Dort, wo Faktenwissen und Detailwissen ganz nah bei erfahrbarem Nichtwissen liegen, wo Fülle und Lücke sichtbar werden, setzt sie an.
Als Fiona Tan der Einladung folgte, die Fotosammlung des Museum Ludwig zu sichten, um hoffentlich Werke zu entdecken, die sie nicht loslassen würden, ahnten wir nicht, dass es die quietschbunten, hochgradig inszenierten Agfa-Werbeaufnahmen der 1950er- und 1960er-Jahre werden würden, über die sie fortan nachdenken sollte. Die Aufnahmen waren zusammen mit weiteren Materialien und Unterlagen der Agfa-Werbeabteilung in den 1980er-Jahren in das Museum Ludwig gekommen und lagen seither weitgehend unbeachtet in Bananenkisten, Schachteln und Kästchen in einem abgelegenen Archivraum. Es existiert kein Inventarverzeichnis, weshalb das meiste Rätsel aufgibt. Wozu Zehntausende Aufnahmen von Frauen am Strand, im Schnee, im Studio, mit Kindern,
her oeuvre, here, too, beholders are left to their own devices, in the interstice between detailed information and not-knowing, between documentation and fiction. Who are the portrayed people, what is their story, how much can film narrate and where do its limits lie?
Very similar questions are posed by the series “Vox Populi”. There, these are real private family snapshots of countless of people unknown to her, on whom Tan has set her sights and, in individual frames, condensed into a cloud on the wall. In “Vox Populi London”, we count no fewer than 264 commemorative images that shift us visitors back into our past: holiday, birthdays, etc. Moments of being familiar with what is shown alternate with moments of being alien. Archives, one suspects, are repeatedly a source of new works for Fiona Tan. The point where factual knowledge and detailed knowledge are closely adjacent to experienceable ignorance, where abundance and void become visible, is where she starts.
When Fiona Tan followed the invitation to inspect the photographic collection at Museum Ludwig, in the hope of discovering works that would not let her go, we had no premonition that it would be the vividly coloured, intensely staged Agfa promotional shots of the 1950s and 1960s that would occupy her from then on. The shots had come to Museum Ludwig, along with other materials and documents, from the Agfa advertising department in the 1980s, and since then they had been lying largely unnoticed in a remote archive room in boxes and banana crates. There is no inventory in existence, which is why most of them throw up mysteries. To what end tens of thousands of shots of women on the beach, in the snow, in the studio, with children, to what
wozu Aufnahmen von Haustieren oder Pflanzen? Offenbar zu Werbezwecken. Aber so viele? Und wer sind die Frauen? Wer sind die Fotografen? Auf DIN-A5-großen orangefarbenen Umschlägen klebt zumeist ein Foto, von dem sich im Inneren des Umschlags weitere Abzüge und/oder das Negativ befinden. Die handgeschriebene Inventarnummer ohne zugehöriges Verzeichnis wird zum bloßen Relikt. Erst das Sortieren der Nummern nach der vorgestellten Buchstabenfolge gibt Hinweise. Fiona Tan wählte Werke mit Inventarnummern, die mit AB und ABB beginnen. Sie zeigen Frauen in der Freizeit, betont inszeniert, in Agfacolor. „GAAF“ nennt Tan ihr Projekt. Das ist ein Anagramm von Agfa und heißt auf Niederländisch „makellos“. Denn makellos und proper ist alles, was wir auf diesen Bildern zu sehen bekommen: Die Frisuren sitzen, die Kleidung ist nach der neuesten Mode, alle Frauen sind jung, hübsch und scheinen wahnsinnig gut gelaunt. Offenbar sollten diese Bilder Käufer von Fotoprodukten vorführen, wie ein guter Schnappschuss
end shots of pets or plants? Obviously for promotional purposes. But so many? And who are the women? Who are the photographers? In most cases, a photo is glued onto DIN-A5 orange-coloured envelopes; further prints of it and/or its negative can be found inside. Without the directory to go with it, the handwritten stock number becomes a mere relict. Clues are only delivered when we sort the numbers according to the sequence of letters in front of them. Fiona Tan chose works and stock numbers that begin with AB and ABB. They depict women during leisure time, emphatically staged, in Agfacolor. “GAAF” is Tan’s name for her project. This is an anagram of Agfa and means “clean” in Dutch. For everything that we get to see in these pictures is clean and neat: hairstyles are impeccable, clothing follows the latest fashion, all women are young and pretty and seem to be in an insanely good mood. Evidently, these pictures were meant to show purchasers of photographic products how a good snapshot can look. The staged as a suggestion for the private. Without comment, Tan
aussehen kann. Das Inszenierte als Anregung für das Private. Kommentarlos stellt Tan das Archiv samt Regalen, Kisten und Ordnern in die Ausstellungsfläche, macht es sichtbar. Während die Besucher aber nicht selbst in den Kisten forschen und wühlen dürfen, ist sie es, die eine repräsentative Auswahl von Bildern trifft und – zum Teil vergrößert – ausstellt. Aus den in einer Achse gegenüber „Vox Populi London“ gehängten Fotos wird ersichtlich, worüber Tan im begleitenden Künstlerbuch schreibt: „Das ist vielleicht das merkwürdigste und interessanteste Paradox von allen: Agfa-Kameras, -Filme und -Fotopapier wurden mit Bildern beworben, die in Wirklichkeit gar nicht aufgenommen wurden.“ Zu künstlich, geschönt und idealisiert sind die Motive, zu gut gelaunt die Frauen, diese jungen, gesunden, weißen Wirtschaftswunderfrauen, um wirklich zu sein. So wird das Archiv letztlich zum Gedächtnis vergangener Fiktionen.
places the archive complete with shelves, boxes and folders in the exhibition space, makes it visible. However, while visitors are not permitted to explore and rummage in the boxes themselves, she is the one who performs a representative selection of images and puts them (some of them enlarged) on display. The photos hung in an axis opposite “Vox Populi London” make manifest what Tan writes about in the accompanying artist’s book: “This is perhaps the most remarkable and most interesting paradox of all: Agfa cameras, films and photographic papers were advertised with pictures that were not taken in real life at all.” The motifs are too artificial, beautified and idealized, the women are too cheerful, these young, healthy, white economic miracle women, to be real. In the end, the archive thus becomes a memory of past fictions.
In die Welt der Dinge und Gegenstände, wie sie vielfach als Dekorations- und Gebrauchsutensilien in privaten Wohnungen vorzufinden sind, führen uns die Fotografien von Roselyne Titaud. Entstanden sind die Farbaufnahmen von Interieurs und Stillleben vorwiegend in Berlin und Frankreich. Es ist der vom Menschen gestaltete Lebensraum, den die 1977 geborene Fotografin eingehend untersucht. Ihre Motive geben Auskunft über persönliche Geschmäcker und Vorlieben, spielen auf Erinnerungsmomente an und weisen so eine besondere zeitliche Komponente auf. Titauds Bilder leiten oftmals weg von der Gegenwart in eine Zeit, als Einrichtungsmoden und -stile anderen ästhetischen und materiellen Paradigmen unterlagen. Darüber hinaus spiegeln sich in den Arrangements Lebensvorstellungen und familiäre Beziehungen, die auf emotionale und gesellschaftliche Strukturen, auch wirtschaftliche Voraussetzungen schließen lassen. Porzellan und Glas in unterschiedlichen Formen und Farben, als Vasen oder Obstschalen gibt es ebenso zu entdecken wie dekorative Sto e mit Mustern und Fransen, aus Spitze oder gewebt, Kissen, Überwürfe und Deckchen auf Sesseln, Vitrinen, Kommoden und kleinen Tischen, auf denen die Gegenstände drapiert sind.
The world of things and objects, as they are frequently to be found as ornaments and utensils in private homes, is the realm into which we are led by the photographs by Roselyne Titaud. The colour shots of interiors and still lifes were created predominantly in Berlin and France. Habitat shaped by humans comes under close examination by the photographer, who was born in 1977. Her motifs are revelatory of personal tastes and predilections, they allude to moments of recollection and thus exhibit a particular temporal component. Often, Titaud’s images lead us away from the present day into a time when furnishing fashions and styles were subject to di erent aesthetic and material paradigms. What is more, the arrangements reflect views of life and family relationships, allowing conclusions to be drawn as to emotional and societal structures, and economic premises too. Porcelain and glass in di erent shapes and colours, in the form of vases or fruit bowls, are as visible to the eye as decorative fabrics, lacy or woven, that bear patterns and fringes; cushions, throws and doilies on armchairs, display cases, chests of drawers and small tables, on which the objects are draped.
Die Form des bedeutsamen privaten Arrangements korrespondiert in Roselyne Titauds Schaffen mit bestimmten musealen Präsentationsformen, umgesetzt in Aufnahmen naturkundlicher Museen. So ist 2009 im Naturkundemuseum am Löwentor in Stuttgart ein fotografisches Ensemble entstanden. Künstliche Fische aller Art bevölkern die Aufnahmen der Dioramen, das Wasser als Lebensraum ist durch blaue Farbe angedeutet, sandiger Meeresboden und Pflanzen sind nachgebildet. Auch die Welt der Dinosaurier führen Vitrinenaufbauten vor Augen, eine Welt, die nur anhand von Funden rekonstruiert ist und weit zurück in die Geschichte des Planeten Erde führt. Diese mehr der Imagination entsprungenen Zusammenstellungen konfrontiert die Künstlerin mit Schaufensteraufnahmen eines Kaufhauses aus dem Jahr 1967, ein jüngst in den Bestand der Photographischen Sammlung/ SK Stiftung Kultur eingegangenes Konvolut, dessen Urheber bislang nicht bekannt ist. Die künstliche Warenwelt, überholte Kleidungsgeschmäcker und Moden wirken aus heutiger Sicht befremdlich, fast kurios und so exotisch wie die musealen Vitrinenpräsentationen nachgebildeter Tiere und Pflanzen. Und nicht zuletzt atmen die Schaufensterdekorationen der 1960er-Jahre jenen Zeitgeist, der sich auf zahlreichen von Titaud fotografierten privaten Stillleben wiederfindet.
Die Welt der dekorativen Inneneinrichtungsstile zeigen auch die von der Künstlerin ausgewählten Schwarz-Weiß-Fotografien von Ruth Hallensleben (1898–1977), die in der Ausstellung mit einer zwischen 1954 und 1959 entstandenen Auftragsarbeit für eine Gummersbacher Tapetenfirma vertreten ist. Hallensleben arbeitete seit Mitte der 1930er-Jahre von Köln aus erfolgreich als Industriefotografin, eine Tätigkeit, der sie bis in die 1960er-Jahre nachgegangen ist. Die hier vorgestellten Aufnahmen zeigen im Stil der 1950er-Jahre gemusterte Tapeten mit geometrischen Formen oder pflanzlich anmutenden Ornamenten. Mit ins Bild genommen hat Hallensleben je unterschiedliche Möbelstücke wie einen Sessel oder einen Wandspiegel, alles im geschwungenen Design dieser Jahre gehalten.
Auch auf den Fotografien von Willi Moegle (1897–1989) findet sich Titauds Interesse an Einrichtungsgegenständen wieder. Die von ihm fotografierten Stühle und ein Tisch ziehen ihre Aufmerksamkeit auf sich. Als Sach- und Werbefotograf war Moegle für zahlreiche Unternehmen tätig und wurde für seine formstrengen und klar komponierten Darstellungen geschätzt, die oftmals skulpturale Eigenschaften ins Bild setzen. Titaud assoziiert hier ihre Serie „Entendus“ von 2009, die Skulpturen aus dem 14. und 16. Jahrhundert im Musée du
In Roselyne Titaud’s creativity, the form of the significant private arrangement is also lent to certain museum exhibits, realized in shots from natural history museums. For example, a photographic ensemble was created at the Museum of Natural History in Stuttgart in 2009. Artificial fishes of all kinds populate the photographs of the dioramas; water as habitat is suggested by blue paint, while sandy seabed and plants are replicated. Structures built out of display cases even show us the world of the dinosaurs, a world that is reconstructed solely on the basis of finds and leads us far back into the history of Planet Earth. The artist confronts these chiefly imagined compositions with photographs of a department store display window from 1967, a bundle of unknown authorship that was recently added to the stock of the Photographische Sammlung/SK SK Stiftung Kultur. From today’s viewpoint, the artificial world of goods, and outmoded tastes in clothing and fashions, have a disconcerting, almost curious effect that is as exotic as the museum display case presentations of replicated animals and plants. And, not least, the window display decorations of the 1960s exude the very zeitgeist that we find in numerous private still lifes photographed by Titaud. The world of decorative interior decoration styles is also depicted by the artist’s selection of the black-and-white photographs by Ruth Hallensleben (1898-1977), who is represented in the exhibition with a commissioned work created between 1954 and 1959 on behalf of a wallpaper company in Gummersbach. Hallensleben was a successful Cologne-based industrial photographer from the mid-1930s, and pursued this activity into the 1960s. The photographs presented here show wallpapers patterned in 1950s style with geometric shapes or plant-like decorations. Further varying features in each of Hallensleben’s pictures are furniture items, such as an armchair or a wall mirror, all retained in the curvaceous design of those years.
T itaud’s interest in furniture items is also reflected in the photographs by Willi Moegle (18971989). The chairs and a table that he photographs draw attention to themselves. A still-life and promotional photographer, Moegle worked on behalf of numerous companies and was esteemed for his stringently formal and clearly composed portrayals, which frequently show off sculptural properties. Here, Titaud brings into association her series “Entendus” of 2009, which depicts 14th and 16th-century sculptures from the Musée du Louvre mostly in details and small-format black-andwhite shots. This mode of portrayal gives rise to a high degree of abstraction, which also has surreal
Louvre meist ausschnitthaft und in kleinformatigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeigt. Durch diesen Darstellungsmodus entsteht ein hoher Abstraktionsgrad, der auch surreale Anklänge hat. Aus den nachgebildeten menschlichen Körpern der historischen Heiligen- und Christusfiguren werden reine Formen und Oberflächen, sie zerfallen quasi in einzelne Bestandteile – so wie dies der Künstler Herbert Bayer (1900–1985) in seinem Selbstporträt von 1932 trickreich vollzogen hat.
Mit dieser Zusammenstellung hat Roselyne Titaud insbesondere die „verborgenen Schätze“, die Seitenstränge der Sammlung, als Impulsgeber entdeckt. Jedes noch so unterschiedliche Werk wird Teil eines visuellen Alphabets, das veränderte Blickwinkel und Interpretationen ermöglicht. Der von der Künstlerin gewählte Titel „Die Hummer-Quadrille“ bezieht sich auf ein Kapitel aus Lewis Carrolls Roman „Alice im Wunderland“, in dem sich Meerestiere zum Tanz zusammenfinden und einen bunten Reigen in immer neuen Konstellationen aufführen – ein offenes und dynamisches Bezugssystem, das sinnbildlich für das Ausstellungskonzept der Künstlerin steht.
echoes. The replicated human bodies of the historical statues of saints and Christ are transformed into pure forms and surfaces, they virtually crumble into individual component parts – a trick which has been accomplished by the artist Herbert Bayer (1900-1985) in his self-portrait of 1932.
With this composition, Roselyne Titaud explored the “hidden treasures”, the peripheral strands of the collection, as her catalysts. While they are all different, each of her works becomes part of a visual alphabet that enables altered perspectives and interpretations. The title chosen by the artist, “The Lobster Quadrille”, refers to a chapter from Lewis Carroll’s novel “Alice in Wonderland”, in which marine animals convene for a ball and perform a colourful round dance in ever-new configurations – an open and dynamic frame of reference that allegorically symbolizes the artist’s exhibition concept.
Kann eine Fotografie laut sein? Ja, sie kann, wie die belgische Filmemacherin Antje Van Wichelen im Rahmen der „Artist Meets Archive“-Residency zeigt. In ihrer Arbeit mit den historischen Fotografien der Sammlung des Rautenstrauch-Joest-Museums – Kulturen der Welt, erweckt sie das vermeintlich stumme Medium zum Leben. Van Wichelen setzt sich mit der Fragilität des Materials auseinander, bringt die Bilder in Bewegung, setzt sie in direkten Bezug zum Betrachter und fordert ihn zu eigener Recherche auf. Die in Brüssel lebende Künstlerin operiert an der Schnittstelle zwischen Kunst und kulturhistorischer Forschung, hebt die Bilder in die postkoloniale Diskursarena und damit ins öffentliche Bewusstsein. Sie ergründet in ihrer Arbeit, wie Bilder aus kolonialen Systemen Klischees konstruieren, die bis heute wirksam sind, und versucht, diese mit visuellen Mitteln zu hinterfragen und zu brechen. Van Wichelens Arbeit bezieht sich auf Bilderzeugnisse aus der Frühzeit der Fotografie. Fast zeitgleich nahmen zur Mitte des 19. Jahrhunderts die koloniale Expansion europäischer Mächte und die technische Entwicklung ihren Lauf. Es wurde möglich, fotografische Bilder zu fi xieren und zu reproduzieren. Mit der aus europäischer Sicht rasant größer werdenden Welt wurde im Westen der Hunger nach Bildern aus der „Fremde“ immer größer. Die Fotografie war nicht nur Zeugin und Dokument des kolonialen Regimes, sondern auch Werkzeug und Erfüllungsgehilfi n. Schien sie mit ihrem Authentizitätsversprechen doch ideal geeignet für das im 19. Jahrhundert verbreitete Streben nach enzyklopädischer Erfassung – der Dokumentation, Kategorisierung und Klassifi zierung der Welt und ihrer Bewohner.
In der im Entstehen begriffenen Anthropologie sammelten völkerkundliche Museen Massen streng formalisierter sogenannter „Typen“-Bilder oder „Rasseporträts“, einem Bildgenre an der Schnittstelle von Ethnologie und Physischer Anthropologie. Ungeachtet der dem Medium Fotografie innewohnenden Ambivalenz von Authentizität und Imagination wurden die Bilder in starre Kategorien einsortiert, welche die angebliche geografische und ethnische Zugehörigkeit der Abgebildeten determinierten. Und so lagern sie bis heute in Museen und Archiven. Doch Archive sind keineswegs neutrale Repositori-
Can a photograph be noisy? Yes, it can, as Belgian fi lm-maker Antje Van Wichelen demonstrates in the context of the “Artist Meets Archive” residency. In her work with the historical photographs of the collection at the Rautenstrauch-Joest-Museum – Cultures of the World, she awakens the supposedly silent medium to life. Van Wichelen confronts the fragility of the material, sets the images in motion, places them in direct relation to the beholder and urges him or her to conduct their own research. The artist, who lives in Brussels, operates at the interface that exists between art and culture history research, and elevates images into the post-colonial arena of discourse and thereby into public consciousness. In her work, she gets to the bottom of how images construct out of colonial systems clichés that are effective to this day, and attempts to query and rupture these clichés using visual means.
Van Wichelen’s work relates to pictorial testimonies from the early years of photography. The twin phenomena of colonial expansion of European powers and technical development got underway almost simultaneously in around the mid-19 th century. It became possible to fi x and reproduce photographic images. As the world grew bigger from the European viewpoint at breathtaking speed, the west’s hunger for images from the “unknown” became ever greater. Photography was not only witness and document of the colonial regime, but also its tool and accomplice. After all, with its promise of authenticity it seemed ideally suited to the striving for encyclopaedic recording that was widespread in the 19 th -century –striving for the documentation, categorization and classification of the world and its inhabitants.
In the nascent field of anthropology, ethnological museums collected strictly formalized, socalled “type” images or “race portraits”, a pictorial
en. Techniken und Kategorien der Archivierung bedingen die Überlieferung und Formung von Wissen und damit die Rezeption der Inventare. Die Fotografien, mit denen Van Wichelen während der Residency arbeitete, belegen das Herabwürdigen eines Individuums zu einem sogenannten Typus anhand stilisierter und inszenierter körperlicher Merkmale, die bis in die Gegenwart als Stereotype wirken. Die Künstlerin stellt die Frage, welche Mechanismen diesen Klischees zu Grunde liegen.
Dafür tauchte sie tief in die Welt ethnografischer Fotografie ein und sichtete allein am Rautenstrauch-Joest-Museum rund 25.000 Bilder, zusammen mit Aufnahmen aus Archiven weiterer Museen wie dem Wereldmuseum in Rotterdam und dem Pitt Rivers Museum in Oxford. Die Fotosammlung des Kölner Museums umfasst rund 100.000 Objekte. Der historische Kernbestand besteht überwiegend aus Aufnahmen aus der Zeit des deutschen Kolonialismus – Bilder, die unter ungleichen Machtverhältnissen aufgenommen wurden und vielfach als Nachweise einer vermeintlichen europäischen Überlegenheit innerhalb eines politischen Dominanzverhältnisses dienten. Daraus ergeben sich wesentliche Herausforderungen im Zeigen dieser Aufnahmen. So visualisieren die Bilder häufig strukturelle Gewalt wie beispielsweise die Unfreiwilligkeit der Aufnahmesituation für die porträtierte Person oder die Manipulation von Bildinhalten durch Requisiten.
genre at the interface between ethnology and physical anthropology. Despite the ambivalence and imagination that inheres in the medium of photography, images were sorted into rigid categories that determined the alleged geographical and ethnic affiliation of the persons depicted. And so they are stored in museums and archives to this day. Yet archives are in no way neutral repositories. Archiving techniques and categories condition the handing-down and formation of knowledge and hence the reception of the stocks. The photographs with which Van Wichelen worked during the residency are evidence of the degradation of an individual to a so-called type, on the basis of stylized and staged physical features that exert their effect as stereotypes into the present day. The artist poses the question of what mechanisms underlie these clichés.
To do so, she dived deep into the world of ethnographic photography and, in the RautenstrauchJoest-Museum alone, viewed around 25,000 images, together with shots from archives of further museums, such as the Wereldmuseum in Rotterdam and the Pitt Rivers Museum in Oxford. The photographic collection of the Cologne museum encompasses around 100,000 items. The historical core stock consists predominantly of shots from the German colonial era – images that were taken under unequal balances of power and, in many cases, were used as proofs of an alleged European superiority within a political relationship of dominance. This gives rise to significant challenges in exhibiting these shots. For
Indem Van Wichelen die alte Ordnung des Archivs auflöst, bringt sie die Bilder in neue Kategorien, visuellen Parametern folgend. „Procedures for Anthropometric Image Reversal“ (Umkehrverfahren für anthropometrische Bilder) nennt sie ihre Herangehensweise. Mit einer 16mm-Bolex-Kamera filmt sie die Bilder ab, entwickelt den Negativfilm in der Dunkelkammer und verkehrt ihn sodann mittels manueller Belichtung in ein Positiv. Es entsteht eine rhythmische Montage im Stop-Motion-Verfahren mit einem verblüffenden Effekt. Die Bewegtbilder entziehen sich durch die rasche Abfolge einzelner Fotografien bewusst einem voyeuristischen Blick. Die Lichtspur der abgebildeten Menschen, auf empfindlichem Trägermaterial fixiert, verstärkt sich durch die filmische Projektion und erzeugt eine nahezu geisterhafte Präsenz. Die Künstlerin überwindet damit den klassifizierenden Blick und ermöglicht eine völlig neue Sicht auf diese Bilder – als Porträts im Spannungsfeld zwischen Serialität und Individualität. Im Medienwechsel zum Bewegtbild löst sich Van Wichelen zum einen von der Fotografie als einem Werkzeug kolonialer Praxis und stellt zum andern die Frage, ob die „Wahrheit der Fotografie“ an ihre Materialität in Gestalt des fotografischen Abzugs gebunden ist.
I m Rahmen der Residency entwickelte Van Wichelen (gemeinsam mit Michael Murtaugh vom Scandinavian Institute for Computational Vandalism) zudem eine auf Gesichtserkennungs-Algorithmen basierte Installation, die Besuchern ein historisches Porträt zuordnet und sie zur Nachverfolgung anregt. Van Wichelen begnügt sich nicht mit ihrer eigenen Interpretation des fotografischen Archivs, vielmehr möchte sie eingreifen.
Nicht zuletzt spielt auch der Titel ihrer Ausstellung –„Noisy Images“ – auf die Mehrschichtigkeit der Fotografien an. Zum einen rücken fotografische Dokumente im derzeitigen Diskurs um die koloniale Vergangenheit (und Gegenwart) Europas immer mehr ins Bewusstsein, sie werden „lauter“. Laut sind zum andern die 16mm-Filmprojektoren, die die Arbeiten abspielen, und die begleitenden Klänge der Brüsseler Sound-Künstlerin Rokia Bamba. Doch „noise“ bedeutet nicht nur Lärm. Gemeint ist hier auch der medientheoretische Begriff des Rauschens, der sich durch den Bearbeitungsprozess auf die Fotos legt. In ihm spricht die Materialität des Verfahrens zu den Betrachtenden und ist damit zugleich ein Verweis auf die Historizität des Mediums. Ist das Rauschen in der Physik eine Störgröße, so scheint es in Anbetracht von Fotografie dem Betrachter das Motiv gerade durch die präsente Materialität näher zu bringen. Es bringt Unordnung in die Übermittlung des Bildgegenstands und sabotiert damit die Eindeutigkeit visueller Narrative.
A ntje Van Wichelen zeigt mit ihrer Arbeit, dass historische Fotografien keineswegs stumme Zeugen längst vergangener Zeiten sind. Sie lassen sich in einer Bearbeitung aktivieren. Die Bilder geben Laut. Antje Van Wichelens Werk fordert die Betrachtenden dazu auf, mit ihnen in Dialog zu treten.
example, the images frequently visualize structural violence, such as the involuntary nature of the photographic sitting for the person portrayed or the manipulation of image content by means of props.
By dissolving the former order of the archive, Van Wichelen sorts the images into new categories, following visual parameters. “Procedures for Anthropometric Image Reversal” is the name she gives her approach. Using a 16mm Bolex camera, she films the pictures, develops the negative film in the darkroom and then reverses it into a positive by means of manual exposure. The result is a rhythmic montage in stop-motion which has an astounding effect. The swift succession of individual photographs deliberately withdraws the moving images from a voyeuristic gaze. The film projection amplifies the luminous trace of the illustrated persons fixed on sensitive support material, thus generating an almost ghostly presence. The artist thereby conquers the classifying gaze and enables a completely new view of these images – as portraits between the poles of seriality and individuality. In switching medium to the moving image, Van Wichelen distances herself from photography as a tool of colonial practice on the one hand and, on the other, questions whether the “truth of photography” is bound to its materiality in the form of the photographic print.
In the context of the residency, Van Wichelen (together with Michael Murtaugh from the Scandinavian Institute for Computational Vandalism) additionally developed an installation based on facial recognition algorithms, which assigns a historical portrait to visitors and prompts them to follow the process. Van Wichelen is not content with merely her own interpretation of the photographic archive; rather, she intends to intervene.
Not least, the title of her exhibition – “Noisy Images” – also alludes to photos’ multilayeredness. For one thing, amid the current discourse surrounding Europe’s colonial past (and present day), photographic documents are shifting more and more into our awareness, they are becoming “noisier”. For another thing, noisy are the 16mm film projectors that play back the works, and the accompanying notes of the Brussels-based sound artist Rokia Bamba. Yet “noise” does not only signify a loud sound. The media theory term of noise is also meant here, something which is laid upon the photos as a result of the editing process. In it, the materiality of the method speaks to the beholders and is thereby simultaneously a reference to the medium’s historicity. Whereas, in physics, noise is a disruptive factor, in consideration of photography, it appears to bring the motif closer to the beholder precisely through the materiality that is present. It brings disorder into the transmission of the pictorial object and thereby sabotages the clarity of visual narratives.
W ith her work, Antje Van Wichelen demonstrates that historical photographs are in no way silent witnesses of long-gone times. They can be activated in an edit. The pictures get loud. Antje Van Wichelen’s work urges beholders to enter into dialogue with them.
Die Konditionen der Fotografie haben sich mit der Digitalisierung einschneidend verändert. Neue Technologien erweitern die Möglichkeiten des Mediums und entgrenzen zugleich dessen strukturelle Eigenschaften. So entwickeln innovative Drucktechniken die flächig angelegte Fotografie hin zur raumbildenden Skulptur; photogrammetrische Anwendungen von Konzernen wie Google und Apple liefern uns 3-D-Repliken des öffentlichen Raumes für die satellitengestützte fotografische Erfassung des Stadtraums; fortgeschrittene CGI-Techniken (Computer Generated Imagery) machen mit der Kamera erzeugte und vom Computer errechnete Bilder voneinander ununterscheidbar; Augmented Reality verschmilzt physische Räume mit virtuell hergestellten Gegenständen auf dem Display des Handys und macht sie über Cloud Anker für zerstreute Nutzer zeitgleich erlebbar.
Digitale Tools wie Algorithmen greifen nicht nur in die Herstellung von Fotografien ein, sondern regulieren auch unseren Zugang zu bereits vorhandenen Bildbeständen. Entscheidend für die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit digitalisierter Fotoarchive sind etwa die Ordnungsstrukturen, die Bilder erst auffindbar machen und Verknüpfungen herstellen. Insbesondere kommerzielle Datenbanken setzen dabei zunehmend auf eine automatische Verschlagwortung, die auf der Basis algorithmisch operierender Bildsuchmaschinen funktioniert. Vor diesem Hintergrund gewinnen künstlerische und kuratorische Strategien im Umgang mit Bildersammlungen an Bedeutung, indem sie beispielsweise neue Perspektiven auf vernachlässigte oder auch problematische Bildbestände erschließen und die Bedingungen fotografischer Bedeutungsproduktion im digitalen Zeitalter hinterfragen. Diese beiden Schauplätze zeitgenössischer fotografischer Materialität, die der Werkzeuge und die der Archive, wird das Symposium an zwei Tagen mit jeweils vier Beiträgen beleuchten.
Der Teil „Neue fotografische Werkzeuge?“ eröffnet mit einem Vortrag von Joël Vacheron, der anhand von Satellitenbildern des NASA JPL Computer Graphics Laboratory den paradigmatischen Shift
zur Hybridität gegenwärtiger fotografischer Produktion erforscht. In Bezugnahme auf die Applikation Photo Mode, die „Fotografieren“ innerhalb fotorealistischer Computer Games ermöglicht, fragt Marco De Mutiis nach der Rolle, die der Spieler als Fotograf (photographerplayer) im globalen System der vernetzten Bildproduktion und -distribution einnimmt. Ausgehend von ihrem Konzept der „Nonhuman Photography“ untersucht Joanna Zylinska den algorithmischen Aspekt von Wahrnehmung und Vorstellung quer zu Apparaten, Spezies und Zeitskalen, um unsere Auffassung der Bildproduktion in Zeitalter von Künstlicher Intelligenz herauszufordern. Am Beispiel der Arbeiten von Karina Nimmerfall, Aglaia Konrad und Anne Pöhlmann zeigt Lilian Haberer, wie Künstler mehr und mehr auf die (Re-)Materialisierung von Fotografien durch neue Stofflichkeiten, Strukturen und Displays fokussieren.
Der Teil „Archive der Zukunft/Zukunft der Archive“ beginnt mit einem Vortrag von Lucia Halder, die am Beispiel des Bildarchivs des Rautenstrauch-Joest-Museums die aktuellen Herausforderungen und Chancen im Umgang mit visuellen Inventaren ethnografischer Sammlungen beleuchtet. Sabine Folie erläutert kuratorische Praktiken im Umgang mit dem Valie-Export-Archiv. In einer Lecture-Performance stellen Estelle Blaschke und Armin Linke ein gemeinsames Projekt vor, das Mikrofilm und Science Fiction, Fotoarchive und Datenbanken, Bildrechte und Kryptowährung zusammenbringt. Madhusree Dutta versucht, dem Umstand gerecht zu werden, dass von Archiven nicht bloß greifbare, stoffliche Gegebenheiten festgehalten werden. In die Zeitlichkeit der Archiv-Objekte gehen immer auch das Imaginäre, das Abwesende, die Geister und das Verlorene ein, also all das, was das kollektive Gedächtnis aufbewahrt.
Die Akkreditierungsgebühr am Symposium beträgt 20 Euro für beide Tage. Für Studierende ist die Teilnahme kostenfrei. Eine Teilnahme ist nur nach vorheriger Anmeldung und Akkreditierung bis zum 30. April möglich. https://bit.ly/2NsfwTA
The conditions of photography changed radically with the advent of digitization. New technologies are expanding the medium’s possibilities and blurring its structural properties at the same time. For example, innovative print technologies turn the two-dimensional photograph into the space-forming sculpture; photogrammetric apps from global concerns such as Google and Apple bring us 3-D replicas of the public realm for the satellite-aided photographic recording of the urban space; advanced CGI (computer generated imagery) technologies render camera-generated and computer-calculated images indistinguishable from each other; augmented reality merges physical spaces with virtually produced objects on the smartphone display and, via Cloud Anchors, makes them experienceable for scattered users simultaneously.
Digital tools such as algorithms not only intervene in the making of photographs, but also regulate our access to existing image stocks. Crucial for the accessibility and usefulness of digitized photographic archives are, for instance, the ordering structures that make images findable and establish links in the first place. At the same time, commercial databases, in particular, rely increasingly on automatic keywording, which functions on the basis of image search engines that run on algorithms. Against this background, artistic and curatorial strategies in dealing with image collections are gaining in significance by, for example, opening up new perspectives onto neglected or even problematic image stocks and scrutinizing the conditions of photographic production of meaning in the digital age. On two days, the symposium will shed light on these two scenes of photographic materiality, that of tools and that of archives, with four contributions on each day.
The component “New Photographic Tools?” opens with a lecture by Joël Vacheron, who, based on satellite images from the NASA JPL Computer Graphics Laboratory, explores the paradigm shift towards the hybridity of present-day photographic
production. With reference to the Photo Mode app, which enables “photographs to be taken” within photo-realistic computer games, Marco De Mutiis queries the role assumed by the photographerplayer in the global system of networked image production and distribution. Based on her concept of “Nonhuman Photography”, Joanna Zylinska investigates the algorithmic aspect of perception and imagination across devices, species and time scales, in order to challenge our conception of image production in the age of artificial intelligence. Drawing on the example of works by Karina Nimmerfall, Aglaia Konrad and Anne Pöhlmann, Lilian Haberer demonstrates how artists are focusing more and more on the (re) materialization of photographs though new materialities, structures and displays.
The component “Archives of the Future/ Future of the Archives” begins with a lecture by Lucia Halder, who draws on the example of the image archive of the Rautenstrauch-JoestMuseum in order to illuminate the current challenges and opportunities in dealing with visual inventories of ethnographic collections. Sabine Folie explains curatorial practices in dealing with the Valie-Export archive. In a lecture-performance, Estelle Blaschke and Armin Linke present a joint project that brings together microfilm and science fiction, photo archives and databases, image rights and cryptocurrency. Madhusree Dutta attempts to do justice to the circumstance that not merely graspable, material givens are recorded by archives. The temporality of archive objects always also incorporates the imaginary, the absent, ghosts and the lost, therefore, everything that is retained by collective memory.
The symposium accreditation fee is 20 Euro for both days. Participation is free of charge for students. Participation possible only after prior registration and accreditation by 30 April.
https://bit.ly/2NsfwTA
Ein zweitägiges Symposium der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM), der Internationalen Photoszene Köln und der Deutschen Gesellschaft für
Beim diesjährigen Photoszene-Festival Köln gibt es mehr als 70 Fotoausstellungen im gesamten Stadtgebiet zu sehen. Hier einige Empfehlungen der Redaktion. There are more than 70 photography exhibitions to see across the city for this year’s PhotoszeneFestival Köln. Here are some suggestions from the Editorial Team.
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Scott McFarland
Galerie Choi & Lager Wormser Straße 23 50677 Köln 10.05.–30.06.2019
Der Kanadier Scott McFarland spielt meist mit dem dokumentarischen Aspekten der Fotografie und den Erwartungen der Betrachter. Mit „Shattered Glass, Sunny with Cloudy Periods“ zeigt der Jeff-Wall-Schüler eine Hybridarbeit aus Langzeitfotografie und Video einer Winterlandschaft, die er durch eine gesplitterte Fensterscheibe hindurch aufgenommen hat.
The Canadian Scott McFarland mostly plays with the documentary aspects of photography and with beholders’ expectations. With “Shattered Glass, Sunny with Cloudy Periods”, the Jeff Wall pupil exhibits a hybrid work comprised of long-exposure photography and video of a winter landscape, which he has taken through a shattered glass pane.
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„You are here“
Kölnisches Stadtmuseum
Anja Niedringhaus
Käthe-Kollwitz-Museum
Neumarkt 18–24
50667 Köln
29.03.–30.06.2019
Anlässlich ihres fünften Todestages präsentiert das Kätze-Kollwitz-Museum die erste posthume Retrospektive der deutschen Kriegsfotografin und Pulitzer-Preisträgerin
Anja Niedringhaus mit mehr als 80 großformatigen Arbeiten.
To mark the fifth anniversary of her death, the Käthe-Kollwitz-Museum presents the first posthumous retrospective of the German war photographer and Pulitzer Prize winner Anja Niedringhaus with more than 80 large-format works.
Zeughausstraße 1–3
50667 Köln
04.05.–14.07.2019
Die neue Ausstellungsreihe „You are here“ will Köln als Fotostadt neu verorten und richtet den Blick auf den künstlerischen Nachwuchs. 13 Positionen geben einen Einblick in aktuelle Tendenzen der Kölner Dokumentar-, Porträt- und Konzeptfotografie und verdeutlichen die Bedeutung des Mediums Fotografie für Gesellschaft, Politik und das Private.
The new exhibition series “You are here” intends to re-locate Cologne as a city of photography and steers its gaze onto the next generation of artists. 13 positions afford an insight into current trends in Colognebased documentary, portrait and concept photography and illustrate the importance of the medium of photography to society, politics and private life.
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Oliver Abraham
Galerie Julian Sander
Cäcilienstraße 48
50667 Köln
06.04.-15.06.2019
Noam Chomsky, Stéphane Hessel, Patti Smith, Pamela Anderson, Edmund Clark und Ed Ruscha – der Kölner Oliver Abraham fotografiert mit seiner analogen Großformatkamera Künstler, Musiker, Schriftsteller, Aktivisten, Bürgerrechtler und Vertreter der „Neuen Linken“, die sich mit der Presse- und Meinungsfreiheit genauso auseinandersetzen wie mit staatlicher Überwachung.
Noam Chomsky, Stéphane Hessel, Patti Smith, Pamela Anderson, Edmund Clark and Ed Ruscha – Cologne-based Oliver Abraham uses his analogue large-format camera to take photographs of artists, musicians, writers, activists and civil rights campaigners which examine freedom of the press and opinions exactly as much as state surveillance.
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„The Buffalo that could not dream“ von / by Felix von der Osten in der Ausstellung / in the exhibition „You are here“
J.C. Parkyn vs Hōdō Shashin
Galerie Koppelmann – Kunstwerk Nippes
Baudristraße 5
50733 Köln
30.03.–18.05.2019
Mit der Ausstellung „Killing in the name of...“ werden seltene Fotografien des Pazifikkrieges aus unterschiedlichen Sichten einander gegenübergestellt. Frühe japanische Dokumentarfotografie, instrumentalisiert zu Propagandazwecken im Magazin „Hōdō Shashin“, und der Privatbesitz des Kriegsfotografen
J. C. Parkyn zeigen die Perspektiven zweier Gegner auf einen und denselben Krieg und seine zerstörerische Kraft.
Rare photographs of the Pacific War from different viewpoints are contrasted with one another with the exhibition “Killing in the name of...” Early Japanese documentary photography, instrumentalized for propaganda purposes in the magazine “Hōdō Shashin” and the private property of the war photographer J.C. Parkyn, depicts the perspectives of two opponents on one and the same war and its destructive force. ––––––––
Martin Claßen
Atelier Martin Claßen
Im Klapperhof 37
50670 Köln
27.4.-12.5.2019
In melancholischen analogen Schwarz-WeißFotografien zeigt Claßen verlassene und meist auch verfallene Architekturen und Orte, die er während verschiedener Italienreisen in den 1980er-Jahren besucht hat.
In melancholy analogue blackand-white photographs, Claßen depicts abandoned and mostly also dilapidated architectures and places that he visited during various journeys to Italy in the 1980s.
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Bayenwerft Kunsthaus Rhenania Bayenstraße 28
50678 Köln 05.05.–19.05.2019
„Beyond“ ist die Ausstellung zur zweiten Ausgabe der gleichnamigen Zeitschrift und präsentiert Arbeiten von zehn international ausgezeichneten Nachwuchsfotografinnen mit humanistischem Ansatz.
“Beyond” is the exhibition to go with the second edition of the magazine of the same name and presents works by ten internationally award-winning next-generation photographers with a humanist approach.
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Karina Nimmerfall
Glasmoog an der Kunsthochschule für Medien Filzengraben 2
50676 Köln 09.04.–12.05.2019
In „A New Room of One’s Own“ greift Karina Nimmerfall mit computergenerierten Bildern das Motiv des „eigenen Zimmers“ auf, das Virginia Woolf in ihrem gleichnamigen Essay zur feministischen Literaturkritik (neben Geld) als Grundbedingung dafür genannt hat, dass auch Frauen „große Literatur“ schaffen können.
In “A New Room of One’s Own”, Karina Nimmerfall uses computer-generated images in order to resume the theme of “one’s own room” which Virginia Woolf, in her essay of the same title on feminist literary criticism, indicated as the basic condition (besides money) for allowing women to create “great literature” too.
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Jochen Arentzen
Kunst-Station Sankt Peter Leonhard-Tietz-Straße 6
50676 Köln 05.05.–10.06.2019
Es sind Sammelsurien und mitunter kuriose Stillleben aus Nippes, Glücksbringern, Maskottchen und Erinnerungsstücken, die Jochen Arentzen hinter den Windschutzscheiben von Autos vorfindet. Im Blitzlicht seiner Kamera wird das Armaturenbrett zur Bühne des Skurrilen.
Miscellanies and sometimes curious still lifes made up of trinkets, lucky charms, mascots and souvenir items are what Jochen Arentzen finds behind car windscreens. In the flash of his camera, the dashboard is turned into a stage for the bizarre.
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Martina Sauter & Lorenzo Pompa Labor
Ebertplatzpassage 5 50668 Köln 27.04.–12.05.2019
Martina Sauter ist bekannt für ihre fast schon skulpturalen Interieur-Aufnahmen, in denen die Zweidimensionalität der Fotografie durch verschiedene Ebenen aufgebrochen werden.
Barbara Hofmann-Johnson, Leiterin des Museums für Photographie Braunschweig, stellt diese Fotografien nun den malerischen Arbeiten von Lorenzo Pompa gegenüber. Martina Sauter is known for her almost sculptural interior shots, in which the two-dimensionality of photography is broken up by various planes. Barbara Hofmann-Johnson, director of the Museum für Photographie Braunschweig, now juxtaposes these with the painted works of Lorenzo Pompa.
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Alle Ausstellungen gibt es in unserem FestivalGuide und auf unserer Internetseite www.photoszene.de
All exhibitions are included in our Festival Guide and on our Internet site www.photoszene.de