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Akzente Das Magazin der Pädagogischen Hochschule Zürich
Beurteilung – im Spannungsfeld von Selektion und Förderung Seite 10 «Schule auf dem Bauernhof»: Studierende der PH Zürich auf dem Gutsbetrieb Juchhof Seite 18
Ver mischtes
Forschung: die Welt des Experimentierens verstehen lernen Seite 30 blog.phzh.ch/akzente
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AKZENTE 4/2014
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Gewerbemuseum Winterthur
Ausstellung
FASHION TALKS Mode und Kommunikation 12. Juli 2014 bis 8. März 2015 Chinos oder Trainerhose, High Heels oder Flip Flops? Mit der Überlegung «Was ziehe ich an?» stellen wir uns Tag für Tag zugleich die Frage «Wer möchte ich sein?». Denn noch bevor wir etwas sagen, hat unsere Kleidung schon über uns gesprochen. Die Ausstellung «Fashion Talks» zeigt, wie Mode-Botschaften durch Stile und Codierungen übermittelt und entschlüsselt werden und durchleuchtet gleichzeitig die raffinierten Marketingstrategien, mit denen Jugendkulturen unterwandert und für die eigenen Zwecke des Systems «Mode» vereinnahmt werden. Angeregt durch die Ausstellungsteile «DIY – Do it yourself!», «Lass dich inspirieren!» und «Sei du selbst!» reflektieren die Schülerinnen und Schüler im Atelier ihren individuellen Style oder designen ihre eigene DIY-Mode.
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Inhalt 4/2014
Fotos: Reto Klink, Niklaus Spoerri, Nelly Rodriguez
10 Leistungsbeurteilung: Gratwanderung für Lehrpersonen
16 Bildungsforscher Urs Moser über die Notengebung im LP 21
18 Studierende der PH Zürich zu Besuch auf dem Bauernhof
4 Vermischtes Hochschultag der PH Zürich: «Die Zukunft der Schule»
24 Studierendenseite Porträt, Bachelorarbeit, Kolumne
7 Eine Frage, drei Antworten Wie setzen Sie Strafen ein?
27 PH Zürich Weiterbildung: Kompetenzen zeigen im Schulgarten
9 Seitenblick Die Krux mit den englischen Fachbegriffen
IPE: Was Jugendliche meinen, wenn sie Politik sagen
10 Schwerpunkt Beurteilung Im Spannungsfeld von Selektion und Förderung
Checkliste – 15 Tipps für die Leistungsbeurteilung Interview: Urs Moser, Leiter des Instituts für Bildungsevaluation der Universität Zürich 18 Reportage Studierende der PH Zürich im Projekt «Schule auf dem Bauernhof»
Forschung: Die Welt des Experimentierens verstehen Ausbildung: Prorektorin Barbara Fäh im Interview 32 Blick in eine andere Berufswelt Ein Berufschullehrer kehrt zu seinen Wurzeln zurück 34 Medientipps 37 Aus dem Leben eines Lehrers Vom Schwungverhalten der Kirchenglocken 38 Fundstück 38 Impressum
Die Leistungsbeurteilung in der Schule ist eine Gratwanderung, den Spagat zu schaffen zwischen individueller Förderung und Selektion für Lehrerinnen und Lehrer eine ständige Herausforderung. Auch wenn Schulen teilweise bereits um eine formative Beurteilung bemüht sind und förderorientierte Instrumente im Unterricht einsetzen: Das Mass aller Dinge bleibt vielerorts die altbekannte Notengebung, obwohl diese «in Bezug auf die schulische Leistung wenig aussagt», wie Marlen Fiechter von der PH Zürich im Hauptartikel zum Schwerpunkt «Beurteilung» anmerkt. Ein möglicher Weg zur Schaffung von mehr Transparenz, Vergleichbarkeit und letztlich auch mehr Gerechtigkeit ist die Gestaltung einer einheitlichen Beurteilungspraxis innerhalb einer Schule. Die Stadtzürcher Primarschule Hutten beispielsweise hat mit Erfolg ein solches System entwickelt. Ein weiterer Beitrag beschäftigt sich mit dem kompetenzorientierten Unterricht: Was bedeutet diese Entwicklung für die Leistungsbeurteilung? Bildungsforscher Urs Moser erklärt im Interview, was sich für Lehrpersonen beim Prüfen und Bewerten ändern wird. Eine Checkliste rundet den Schwerpunkt ab: Worauf können Lehrerinnen und Lehrer in Beurteilungssituationen achten? In 15 Tipps fassen wir die wichtigsten Kriterien zusammen – dies mit dem Ziel, etwas Ordnung in die komplexe Thematik zu bringen. – Christoph Hotz
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In haltsverzeich nis/Editorial
Die Note – Mass aller Dinge?
Hochschultag «Die Zukunft der Schule»
«Die Zukunft der Schule – was bewegt die Lehrerinnen- und Lehrerbildung?». So lautete das Thema am diesjährigen Hochschultag der PH Zürich Ende Oktober. Rektor Walter Bircher brachte es in seinem Beitrag auf den Punkt: Es sind Themen wie Diversität, technologischer Wandel und die Frage, welche Fähigkeiten die Berufsbildung von den Schulabgängerinnen und Schulabgängern erwartet. Diese Sicht erörterte Thomas Kuster, Fachlehrer Küche und Mitglied der Schweizer Kochnationalmannschaft, in seinem Beitrag: In der Lehre sind demnach zunehmend Kompetenzen wie Team- und Kommunikationsfähigkeit, Flexibilität und Offenheit sowie Toleranz entscheidend. Darauf soll, so Kuster, die Volksschule vermehrt hinarbeiten. Nirgends ist der stetige Wandel augenfälliger als in der Technologie und in der Mediennutzung. Lösungen für den proaktiven Umgang mit dem technologischen Wandel zeigte Thomas Stierli, Bereichsleiter Medienbildung an der PH Zürich, in seinem Referat auf. Er sieht im Lehrplan 21 neue Verbindlichkeiten bezüglich den notwendigen Kompetenzen, und er wies auf zwei weitere Erfolgsfaktoren hin: ein verbindliches Medien- und ICT-Konzept und die Etablierung von professionellem ICT-Support (PICTS) in den Schulhäusern. Bleibt die Herausforderung zunehmender Diversität in den Schulen: Hier suchte Theresia 4
Müller in einem, wie sie sagte, ideologisch geprägten pädagogischen Umfeld nach Antworten. Für die Dozentin an der PH Bis 5. Dezember Zürich liegt der Schlüssel für den erfolgreiAusstellung: chen Umgang mit unterschiedlichen WisBesa – ein Ehrensensständen in einer auf den ersten Blick kodex schlichten Lösung: Beziehungen und die Die Ausstellung porträtiert AlbaZusammenarbeit im Umfeld der Schule solner, die während len in Zukunft auf- und ausgebaut werden. des 2. Weltkriegs Dies auf Kosten einzelner bürokratischer jüdische FlüchtMassnahmen: Die Studierenden und Lehrlinge gerettet haben. personen, so Müller, müssen in Zukunft Campus PH Zürich mehr Zeit haben, um sich auf diesen Prozess wirklich einzulassen. Bis 18. Dezember Vor den rund 250 Anwesenden wurAusstellung: den nach Abschluss des thematischen Erster Weltkrieg und Schule Schwerpunkts vom Präsidenten der Stiftung Die Ausstellung Pestalozzianum, Peter Stücheli-Herlach, die wirft SchlaglichStudienpreise der Stiftung Pestalozzianum ter auf die Bedeutung von Schule überreicht. Der Bildungspreis der Pädagogiwährend des ersten schen Hochschule Zürich wurde in diesem Weltkriegs. Jahr unter grossem Applaus Ellen Ringier Campus PH Zürich verliehen, «in Anerkennung ihres nachhaltigen Engagements an der Nahtstelle Schu28. März 2015 Tagung zur TRANSI- le-Elternhaus und für ihre gesellschaftlichen TION-Studie und erzieherischen Anliegen», wie es LaudaWie erleben Kinder, Eltern und Lehrper- tor Jürgen Oelkers pointiert ausdrückte.
Kommende Ver anstaltungen
sonen den Übertritt – Reto Klink von der Primar in Weitere Bilder vom Hochschultag: die Sek I? tiny.phzh.ch/hochschultag2014 Campus PH Zürich
AKZENTE 4/2014
Foto: Dieter Seeger
Ver mischtes
Thomas Stierli, Bereichsleiter Medienbildung an der PH Zürich, referierte zum Thema «Technologischer Wandel».
Aktuelles
Planungshilfen für Gesundheitsförderung und Prävention Die PH Zürich hat die vom Volksschulamt zur Verfügung gestellten Planungshilfen für die Umsetzung Anzahl neue Studierende von Gesundheitsförderung und auf Beginn des27% Herbstse- 26%Prävention im Unterricht überar74% mesters 2014 und 73% Gesamtzahl beitet und mit aktuellen Links der Studierenden an der ergänzt. Sie liegen für Schulleitun3324 3207 gen, Kindergarten-, Unter-, MittelPH Zürich, aufgeteilt nach Geschlecht sowie Sekundarstufe vor. 2014 Neu Herbstsemester 2014
2013 6% 94%
Eingangsstufe
139 19% 81%
Primarstufe
tiny.phzh.ch/planungshilfen
50 Jahre Schulfernsehen Zum 50-Jahre-Jubiläum von «SRF mySchool» (ehemals Schulfernsehen) präsentiert die Redaktion ausgewählte Beiträge. Die PH Zürich steuert für das Programm von «SRF mySchool» regelmässig
didaktische Begleitmaterialien bei. tiny.phzh.ch/myschool
Preis für PHZH-Lehrmittel Das von der PH Zürich im Auftrag des Lehrmittelverlags Zürich entwickelte Lehrmittel «Mathematik Primarstufe 1–3» wurde mit dem Bildungspreis BELMA Award 2014 ausgezeichnet. Brillante Bewertung für internationalen CAS Der Weiterbildungslehrgang «Schulentwicklung International» unter Beteiligung der PH Zürich wird in den kommenden drei Jahren aufgrund einer sehr guten Bewertung vom europäischen Förderprogramm «Erasmus+» unterstützt.
349 40% 60%
Sekundarstufe I
Die QuereinstiegStudiengänge der PH Zürich haben sich bewährt.
158 58% 42%
Sekundarstufe II
157 33% 67%
Quereinstieg
120
Foto: Alessandro Della Bella
Gesamtzahl der Studierenden 27%
3324 2014
26% 73%
27% 73%
74%
3207
3324
2013
2014
6% Frauen
94%
Männer
Sehr gute Noten für Quereinstieg Die Resultate einer von der Bildungsdirektion in Auftrag gegebenen externen Evaluation über den Ausbildungsgang «Quereinstieg» zeigen eine positive Gesamtbilanz bei den Absolventinnen und Absolventen,26% den beteiligten Ausbildungs74% sowie im Schulfeld. institutionen Aus Sicht der PH Zürich lassen 3207 sich dazu unter anderem folgende Aussagen machen: Die Quest-Studiengänge haben sich bewährt, 2013 deshalb ist es sinnvoll, sie als regu6% läre Studienform gesetzlich zu ver94%
ankern. Die Studiengänge sind mehr als eine schnelle Reaktion auf den Lehrermangel: Quest-Studierende widerspiegeln die berufliche Mobilität in unserer Gesellschaft und haben mit ihrer Erfahrung einen guten Zugang zur zunehmenden Heterogenität der Schülerinnen und Schüler. Zudem werden mit den Quest-Programmen mehr Männer in den Lehrberuf gebracht. Die PH Zürich setzt sich nun bei der EDK dafür ein, diese Studiengänge gesamtschweizerisch anzuerkennen.
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Ver mischtes
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Eine Frage, drei Antworten: Wie setzen Sie Strafen ein? hilfreich, das erwünschte Verhalten wird nicht nur von diesem einen Kind erlernt, die Konsequenzen setzen auch Zeichen für die anderen Kinder der Klasse.
Sandra Lichtsteiner, 37, Kooperationsschulleiterin, Wettswil a.A.
Strafe – was für ein negatives und belastendes Wort. Bei mir in der Schule? Kaum. Oder doch? Konsequenzen gibt es bei mir. Verstösst jemand gegen Regeln, dann hat das Konsequenzen. Diese werden nicht willkürlich im Sinne einer Strafe auferlegt, sie sind entweder schon bekannt oder wir überlegen sie uns gemeinsam. Hausaufgaben nicht erledigt zu haben, verstösst gegen eine Regel und dies hat eine Konsequenz: Es gibt einen Eintrag. Nach acht Einträgen hat dies Auswirkungen mit einem Kreuzchen im Zeugnis. Wer auf dem Pausenplatz handgreiflich wird, verstösst gegen die Regeln des Zusammenlebens und verdient eine Konsequenz: Es gibt ein Gespräch mit den Beteiligten, allenfalls werden die Eltern oder die Schulleitung eingeschaltet und es werden Massnahmen besprochen. Sind diese Konsequenzen Strafen? Eine Frage der Auslegung, denn sie entlasten je nachdem alle Beteiligten. So sind Konsequenzen allenfalls Strafen, aber sie sind transparent und klar kommuniziert, ja sogar verhandelbar.
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Meinu ngen
höhere Verbindlichkeit. In der kurzen Zeit, in der ich meine Klasse unterrichte, konnte ich noch keine längerfristigen Erfolge oder Misserfolge feststellen, obwohl ich schon einige «Projekte» am Laufen habe. Was mich aber beeindruckt, ist die Tatsache, dass das Thema Strafe Schülerinnen und Schüler mindestens Manuel Wirth, 25, Sekundarlehrer, so sehr beschäftigt wie uns LehrperSchulhaus Eichi, Niederglatt. sonen und daher ständig präsent ist und es auch bleiben wird. Der UmIch unterrichte seit einigen gang damit sollte aber immer auf die Wochen eine 1. Sekundarklasse Beteiligten abgestimmt sein. als Klassenlehrer, und da wurde das Thema Strafe schnell aktuell. Handlungen haben immer Konsequenzen meiner Meinung nach. Wenn eine Handlung unangebracht ist, darf keine angenehme Konsequenz darauf folgen. Im Schulhaus ist es generell üblich, dass Einträge für Fehlverhalten verteilt werden. Die Eintragsliste wirkt sich direkt auf das Zeugnis aus, sie ist ein Nicole Tschochner, 23, eigentliches Protokoll für «LernKindergärtnerin, Limmat B Zürich. und Arbeitsverhalten» und «SozialWenn Kinder Grenzen überverhalten». Hier ist es wichtig, im schreiten, empfinde ich es als richtig, richtigen Moment konsequent, sie mit einem «Time out» zu sankaber auch fair zu sein. Das ist die tionieren. Bevor ich Kinder im Sorte Strafe, die ich am häufigsten Kindergarten aber mit einer Auszeit einsetze. Ich bin aber auch der bestrafe, erhalten sie eine VerwarMeinung, dass Strafen nicht bei nung, was bei vielen schon Wirkung allen Schülerinnen und Schülern zeigt. Bei der Ermahnung teile ich gleichermassen angebracht sind. die Zeitdauer des «Raussitzens aus Trotzdem habe ich schon erlebt, dass Schülerinnen oder Schüler von dem Kreis» mit, damit zeige ich dem Kind die Konsequenz eines wiedersich selbst behaupten, sie lernten holten Grenzübertritts transparent «es» nur durch Strafe. Daraus ergab auf. In einigen Situationen, bei sich ein weiteres Vorgehen, das ich denen die Sicherheit der Kinder gegerne anwende: Ich frage den betroffenen Schüler oder die betroffene fährdet ist (z.B. im Geräteraum herumturnen), folgt sogleich eine Schülerin in einem Gespräch nach Strafe ohne Vorwarnung. Die Kinder ihrem Fehlverhalten und lasse sie müssen als Folge ihres Handelns eine Konsequenz finden, die ihnen erklären, weshalb sie nun eine «wehtut». Wenn angebracht, lasse Auszeit erhalten. In meiner Klasse ich sie eine schriftliche Abmachung ist der Einsatz von Auszeiten sehr unterschreiben, das schafft eine
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Barbara Kohlstock – Seitenblick
Illustration: Raffinerie AG
Erkläre ich in meinem privaten Umfeld, dass ich den Bereich «Management und Leadership» an der PH Zürich leite, braucht es zu dieser Aussage immer weiterführende Hinweise. Sowohl «Management» als auch «Leadership» werden unterschiedlich verstanden, und die Kombination im Kontext der PH Zürich ruft bisweilen verschiedene Assoziationen hervor – durchaus amüsant zwar, aber leider nur bedingt im Sinn der Sache. In solchen Fällen ergänze ich, dass ich in dieser Funktion für die Aus- und Weiterbildung von Schulleitenden verantwortlich zeichne. Anhand konkreter Beispiele wird jeweils schnell klar, was sich hinter diesen Fachbegriffen verbirgt. Mittlerweile findet sich der Begriff «Management» auch im Duden, allerdings mit einem Verweis auf den englisch-amerikanischen Ursprung. Umschrieben wird das Wort mit der «Leitung eines Unternehmens». «Leadership» wurde bis vor wenigen Jahren mit dem Hinweis zum «Lead» (engl. die Führungsstimme im Jazz) sowie zum «Leader» (kurz für Bandleader; österr. u. schweiz. Sportspr. Tabellenführer) erläutert. In jüngeren Ausgaben wird «Leadership» mit «Gesamtheit der Führungsqualitä-
ten» erklärt. Eine Recherche im Internet verdeutlicht die Schwierigkeiten mit diesen Fachbezeichnungen. Googelt man «Management», werden 810 000 000 Resultate geliefert, bei «Leadership» sind es 145 000 000 Treffer. Warum verwenden wir diese englischen Fachbegriffe, obwohl sie nur bedingt selbstredend und offenbar auch nicht trennscharf, geschweige denn abschliessend definiert sind? Sucht man nach deutschen Fachbegriffen, stellt man unweigerlich fest, dass diese alle zu eng gefasst sind, als dass sie das Schulleitungshandeln und die damit verbundenen Weiterbildungen abschliessend umfassen könnten: Steuerung, Organisation, Koordination, aber auch Führung oder Entwicklung – das alles sind deutschsprachige Begriffe, die zwar (mehr oder weniger) präzise sind, aber leider nur Teilaspekte des Schulleitungshandelns abdecken. Als Bezeichnung eines ganzen Bereichs würden sie uns nicht den nötigen Spielraum bieten, um alle Tätigkeiten und Angebote entsprechend zu fassen: So unpräzise «Management und Leadership» zu sein scheint, so hilfreich ist der Spielraum, der mit dieser Unschärfe einhergeht. Allerdings stellen sich diese Proble-
me in anderen Kontexten in ganz neuen Dimensionen: Kürzlich hat Cathryn Magno, eine Freundin aus Amerika, von ihren Studien zu «Management und Leadership» im internationalen Kontext berichtet, unter anderem auch aus Aserbaidschan. Während wir englische Begriffe hierzulande mit einer gewissen Lockerheit in unseren Sprachgebrauch integrieren, gibt es dort die Möglichkeit des Rückgriffs auf englische Begriffe wie «Leadership» nicht. Was tun? Die Fachleute haben kurzerhand ein neues Wort dafür kreiert: «Liderlik». In meinen Ohren klingt dies jedoch wie «liederlich», was ich zuletzt mit «Leadership» verbinden würde. Welche Assoziationen in Aserbaidschan mit diesem Begriff ausgelöst werden, kann ich nicht beurteilen, auch nicht, ob es nicht geeignetere Worte gegeben hätte. Doch etwas wird anhand des geschilderten Vorgehens deutlich: Die Wortschöpfung beweist Kreativität – eine wichtige Komponente von Leadership, die anhand dieses Beispiels eindrücklich illustriert wird. Barbara Kohlstock ist Leiterin des Bereichs «Management und Leadership» in der Abteilung Weiterbildung an der PH Zürich.
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Kolu m ne – Seitenblick
Die Krux mit den englischen Fachbegriffen
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mischtes SchwerVer pu nkt Beurteilu ng
Neue Wege beim Beurteilen
Die Leistungsbeurteilung ist eine Gratwanderung. Den Spagat zu schaffen zwischen individueller Förderung und Selektion, stellt für angehende wie auch für erfahrene Lehrpersonen eine Herausforderung dar.Erste Schulen sind deshalb daran, neue Wege in der Beurteilungspraxis zu beschreiten.
Schwer pu nkt Beurteilu ng Ver mischtes
Text: Isabel Plana, Fotos: Reto Klink
Zwei Schüler halten einen Vortrag. Wie ihre Leistung bewertet wird, hängt von der Beurteilungspraxis der Lehrperson und der gesamten Schule ab. A 11 KZENTE 4/2014
Transparent, vergleichbar, an Lernzielen orientiert und auf die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet: So soll die Leistungsbeurteilung im Klassenzimmer sein. Von dem, was die Volksschulgesetzgebung des Kantons Zürich postuliert, ist man in der Praxis allerdings teilweise noch ziemlich weit entfernt. Das zeigen die Berichte der Fachstelle für Schulbeurteilung (FSB), die im Auftrag der kantonalen Bildungsdirektion die Zürcher Volksschulen evaluiert. Mit Schulbesuchen und Befragungen von Schulleitungen, Lehrpersonen,
Schwer pu nkt Beurteilu ng
Förderorientierte Instrumente haben häufig einen schweren Stand gegen die bekannte Notengebung. Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern ermittelt die FSB, wie es um die Schul- und Unterrichtsqualität steht – dazu gehört auch die Leistungsbeurteilung. «Bei der ersten Evaluationsrunde 2008/2009 haben nur gerade 10 Prozent der untersuchten Schulen die Kriterien für eine gute Beurteilungspraxis erfüllt», sagt Jürg Frey, Leiter der FSB. Die übrigen schnitten genügend bis ungenügend ab. Zu wünschen übrig liess die Beurteilung insbesondere punkto Transparenz. An vielen Schulen teilten die Lehrpersonen der Klasse die Lernziele, die geprüft und bewertet werden sollten, nicht klar mit. In den meisten Fällen wussten die Schülerinnen und Schüler während der Prüfung auch nicht, welche Punktezahl sie für eine genügende Note erreichen mussten. Das habe sich mittlerweile deutlich gebessert, sagt Frey. Als die FSB dieselben Schulen vier Jahre später erneut unter die Lupe nahm, konnte sie bereits 30 Prozent eine gute Beurteilungspraxis attestieren. Die Beurteilung sei nicht nur transparenter geworden, «wir haben auch festgestellt, dass die Schülerinnen und Schüler vermehrt aufgefordert werden, sich selber zu beurteilen, und das auch besser können als vor vier Jahren». Trotz der erfreulichen Fortschritte bleibt weiterhin Handlungsbedarf. «Die meisten Schülerinnen und Schüler sind nach wie vor der Meinung, dass die Lehrperson ihnen bei der Rückgabe der Prüfung nicht erkläre, was sie genau falsch gemacht haben oder in welchem Bereich sie sich verbessern müssen. Es mangelt also an der förderorientierten Rückmeldung.»
diese individuelle Entwicklung nur bedingt sichtbar machen. Und objektiv sprich vergleichbar benoten lässt sie sich erst recht nicht. Ein lernschwaches Kind kann trotz grosser Fortschritte immer noch hinter einem lernstarken Kind, das sich nur wenig verbessert hat, zurückliegen. Am Ende entscheidet aber die Leistung im Klassenvergleich darüber, wer gut und wer schlecht abschneidet. Selbst wenn ein Kind sehr viel dazugelernt hat, kann ihm die Lehrperson unter Umständen trotzdem keine bessere Note geben. «Das ist ein Spannungsfeld», weiss Marlen Fiechter, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Weiterbildungsbereich «Unterricht und Lernen» an der PH Zürich. «Selbst gestandene Lehrpersonen, die seit vielen Jahren unterrichten, haben mir erzählt, dass es eine Herausforderung sei, diesen Spagat zwischen individueller Förderung und Selektion zu schaffen.» Dabei sei man im Kanton Zürich nicht verpflichtet, während des Schuljahres Noten zu geben, erst am Ende müsse man aufgrund einer Gesamtbeurteilung Zeugnisnoten setzen. Das macht es aber nicht unbedingt einfacher. Insbesondere gegenüber der Elternschaft müssten sich Lehrpersonen für ihre formativen Beurteilungsmethoden rechtfertigen, weiss Fiechter. Das stellt auch Jürg Frey immer wieder fest: «Eine formative Beurteilung ist für viele Eltern nur schlecht nachvollziehbar. Unter einer Note, die aufgrund einer Prüfung zustande gekommen ist, können sie sich hingegen etwas vorstellen.» Dabei werde jedoch ausser Acht gelassen, dass eine Note im Bezug auf die schulische Leistung wenig aussage, gibt Marlen Fiechter zu bedenken. Gegen die altbekannte Notengebung von 1 bis 6 – so umstritten diese unter Lernenden, Eltern und Pädagogen auch sein mag – haben förderorientierte Instrumente im Schulalltag einen schweren Stand. Nicht zuletzt, weil Lernjournale, Selbstbeurteilung oder Portfolios aufwendiger zu kontrollieren und zu kommentieren sind als eine simple Lernkontrolle. Es stellt sich also die Frage: Wie kann man die Förderorientierung fördern?
Eine beste Praxis gibt es nicht Ein möglicher Weg ist, das Thema konsequent in der Ausund Weiterbildung aufzugreifen. So geschieht es an der PH Zürich. Im Rahmen des Weiterbildungsangebots beraten Fachleute Lehrpersonen und Schulen in Beurteilungsfragen und begleiten sie bei der Umsetzung in der Praxis. Derweil setzen sich die Studierenden während ihrer Ausbildung in verschiedenen Modulen intensiv mit den allgemeinen Funktionen und Methoden, den fachspezifischen und sonderpädagogischen Anforderungen der Leistungsbewertung auseinander. Dabei lernen Spagat zwischen Förderung und Selektion sie in erster Linie eins: Die beste Praxis gibt es nicht. «Sie Förderorientiert heisst, jedes Kind in seinem Lernprozess werden nie eine einzige Beurteilungsform finden, die für zu begleiten und die individuellen Lernfortschritte zu jede Schülerin und jeden Schüler, für jede Lehrperson würdigen. Mit Lernkontrollen und Prüfungen lässt sich und jede Situation im Schulalltag funktioniert», sagt 12
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cherweise – allzu oft auf der Strecke. Wie kann man hier Gegensteuer leisten? «Meine Erfahrung hat gezeigt, dass es eine Schulleitung braucht, die das Thema ernst nimmt und die Beurteilungsfragen nicht nur den einzelnen Lehrpersonen überlässt, sondern schulweit koordiniert und gewisse Absprachen trifft», sagt Jürg Frey von der FSB. Damit weist er auf einen weiteren zentralen Punkt der Bildungsdebatte hin: Die Vergleichbarkeit von Beurteilungen. Während Lehrplan und Lehrmittel dafür sorgen, dass die Kinder kantonsweit dieselben Lerninhalte erarbeiten, erfolgt das Abrufen und Bewerten des Gelernten in unterschiedlicher Weise und in unterschiedlichem Ausmass. Da liegt die Frage nahe: Wie viel ist eine Note wert, wenn man bei Frau Meier für eine 5 viel mehr können muss als bei Herrn Müller? Wenn man bei Herrn Huber ständig Lerntests schreiben, bei Frau Hugentobler aber nur ein Lernjournal führen muss? Um mehr Transparenz, Vergleichbarkeit und nicht zuletzt auch mehr Gerechtigkeit zu schaffen, plädieren Fachleute wie Jürg Frey und Marlen Fiechter dafür, dass schulintern die Beurteilung einheitlicher gestaltet wird. Schulhaus Hutten macht’s vor Ein Beispiel, das Schule machen könnte, ist die Primarschule Hutten in Zürich-Oberstrass. Seit rund zwei Jahren arbeitet das Lehrerteam klassen- und stufenübergreifend an einem einheitlichen Beurteilungssystem. «Es fing damit an, dass die meisten unserer Lehrerinnen und Lehrer in ihren Klassen Selbstbeurteilungen durchgeführt haben. Die Beurteilungsbögen dafür haben sie untereinander immer mehr angeglichen», erzählt Rita Ackermann. Die Schulleiterin, die selber auch unterrichtet, hat diese Ansätze unterstützt und die Erarbeitung einheitlicher
Im Kanton Zürich sind Lehrpersonen nicht verpflichtet, während des Schuljahres Noten zu geben.
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Christoph Schmid, Leiter des Fachbereichs «Bildung und Erziehung» an der PH Zürich. Obwohl sich die PH Zürich in der Lehre für die formative Beurteilung stark macht, ist es Schmid ein Anliegen, dass die Notengebung im Studium nicht vernachlässigt wird. Gegen Ende des Studiums übernehmen die Studierenden der Primar- und Sekundarstufe im Rahmen eines Vikariates eine Schulklasse. «Da sind sie auf sich allein gestellt, müssen gewisse Dinge prüfen und bewerten, auch mit Noten. Das ist wichtig. Denn sie müssen lernen, damit umzugehen, dass sich Noten negativ auf die Motivation der Lernenden auswirken können», sagt Schmid. Seines Erachtens sind summative, also notengebende Verfahren, genauso notwendig wie formative Instrumente, haben vergleichende Betrachtungen genauso ihre Berechtigung wie individuelle Standortbestimmungen oder standardisierte Messungen à la Klassencockpit. Entscheidend sei, dass man sich bewusst mache, was man eigentlich messen und beurteilen will und was man damit bei einem Kind bewirkt. «Die Beurteilung muss letztlich immer ein Feedback sein, das für weiterführendes Lernen hilfreich ist.» Das sollen die Studierenden mitnehmen. Und die Offenheit, verschiedene Beurteilungsformen anzuwenden und selber zu entwickeln. Natürlich erhoffe man sich von den jungen Lehrpersonen, dass sie neuen Input ins Kollegium bringen, sagt Marlen Fiechter, die selber auch als Primarlehrerin tätig ist. Sie warnt aber davor, zu grosse Erwartungen in die Abgängerinnen und Abgänger zu setzen. «Wer frisch von der Hochschule kommt und in den Schulalltag einsteigt, hat erst einmal viel damit zu tun, sich mit der Klasse und im Schulteam zurechtzufinden.» Die guten Vorsätze, förderorientiert zu beurteilen und den individuellen Bedürfnissen aller Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden, bleiben im Trubel des Schulalltags – verständli-
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Beurteilungskriterien vorangetrieben. «Die offenen Unterrichtsformen, ein Markenzeichen unserer Schule, stellten für eine einheitliche Beurteilung aber eine zusätzliche Herausforderung dar», sagt Rita Ackermann. Deshalb habe sie eine Weiterbildung im Bereich Unterrichtsentwicklung absolviert. Die gewonnenen Erkenntnisse und Ideen diskutierte sie im Team, um einheitliche Beurteilungskriterien für die Schule Hutten zu definieren. Vorbild dafür ist das Dialogische Lernkonzept. Das funktioniert so: Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten offene Aufträge und dokumentieren ihre Lösungswege, Ideen und Gedankengänge in einem Lernjournal, das die Grundlage bildet für den Austausch in der Gruppe und mit der Lehrperson. Der Clou dabei: Dem didaktischen Konstrukt liegt ein ausgeklügeltes Beurteilungsraster zugrunde, das es der Lehrperson erlaubt, die formative Beurteilung der Lernjournale mit der summativen Beurteilung von Lernkontrollen zu verrechnen. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Bewertung der Lernjournale recht subjektiv bleibt. Ackermann ist sich dessen bewusst und hat auch dafür eine Lösung: «Wir schauen uns in den pädagogischen Teams immer wieder gemeinsam Auszüge aus einem Lernjournal an und vergleichen unsere Beurteilungen, um auch da eine möglichst einheitliche Wahrnehmung zu schaffen.» Die Kinder äusserten sich zufrieden mit dem neuen System, sagt die Schulleiterin. «Sie verstehen, wie es funktioniert, und können es gut nachvollziehen.» Absprachen hat die Schule Hutten auch bezüglich Feedback zu Lernkontrollen getroffen. «Während des Schuljahres geben wir den Schülerinnen und Schülern in der Regel keine Note. Sie erfahren nur, wie viele Punkte sie erreicht haben, und erhalten förderorientierte Rückmeldung», sagt Ackermann. Die Lehrperson mache sich Notizen zu den Leistungen, um am Ende des Semesters für die Gesamtbewertung von Lernjournalen, Lernkontrollen und Projektarbeiten eine Zeugnisnote machen zu können. Eine Frage von Aufwand und Ertrag Einfach sei die Erarbeitung einer einheitlichen Beurteilungspraxis nicht, räumt Rita Ackermann ein. «Sie bedingt, dass die Lehrpersonen mit viel Engagement und Durchhaltewillen mitziehen.» Nicht alle waren dazu bereit. «Für ein paar Kolleginnen und Kollegen gingen die Ab14
Weiterbildungen zum Thema «Beurteilung» Ganzheitlich und vielseitig beurteilen Der Kurs zeigt Ideen für eine transparente Beurteilung auf und bietet die Möglichkeit, die eigene Beurteilungspraxis zu reflektieren und gezielt weiterzuentwickeln. Datum: Ab Mitte Januar 2015. Weitere Informationen: tiny. phzh.ch/ganzheit lich_beurteilen Portfolioarbeit mit Schülerinnen und Schülern Portfolioarbeit unterstützt einen Unterricht, der auf Stärken zielt, aussagekräftige Belege fachlicher und überfachlicher Kompetenzen erbringt sowie die Reflexions- und Dialogkompetenz fördert. Und sie unterstützt eine förderorientierte Beurteilung. Datum: ab Oktober 2015. Weitere Informationen: tiny. phzh.ch/portfo lioarbeit Themenreihe «Good Practice»: gezielte Förderdiagnostik Mittels einer gezielten Förderdiagnostik erfasst die Primarschule Pünt in Maur sowohl Schülerinnen und Schüler mit Lerndefiziten als auch solche mit besonderen Begabungen. Die Schule zeigt, wie sie einfache Förderpläne konkret einsetzt. Datum: 7. Mai 2015. Weitere Informationen: tiny.phzh.ch/ foerderdiagnostik
sprachen zu weit, sie sahen sich in ihrer Methodenfreiheit eingeschränkt und wechselten die Schule.» Dafür kamen andere, die sich von der gemeinsamen Sache angesprochen fühlten. «Wir haben unserer Schule ein Profil, eine Identität gegeben, wir sprechen dieselbe Sprache, treten gegen aussen als Einheit auf», sagt Ackermann. «Dies ist für die einzelnen Lehrpersonen sehr entlastend.» Etwa im Dialog mit der Elternschaft, die sehr interessiert, aber auch kritisch sei. Für die Schule Hutten ist die Rechnung aufgegangen. Christoph Schmid mahnt jedoch zur Vorsicht mit Beurteilungsreformen und aufwendigen Bewertungskonzepten. «Am Ende entsteht eine Beurteilungslawine, der man als Lehrperson nicht mehr gewachsen ist. Wie schaffen Sie es als Lehrperson, jedes einzelne Kind zu beobachten, seine individuelle Entwicklung zu bewerten und gleichzeitig noch zu unterrichten? Da haben Sie früher oder später ein Wahrnehmungsproblem.» Für den Pädagogik-Professor steht fest: Aufwand und Ertrag müssen stimmen, «das sage ich auch den Studierenden immer wieder.» Solange der Unterricht verbessert werden könne, seien ausgefeilte, formative Verfahren durchaus sinnvoll. «Wenn die Lehrperson aber die Freude am Unterrichten verliert, weil sie ständig irgendetwas bewerten muss, dann ist es Zeit, nach einem einfacheren Beurteilungsprozedere zu suchen.» Es müsse nicht immer ein schulweit einheitliches System sein, sagt Marlen Fiechter. Auch einfache Abmachungen mit der Parallelklassen-Lehrperson oder im Stufenteam würden schon viel bringen. «Eine Schule kann zum Beispiel vereinbaren, wie viele Prüfungen die Lehrpersonen schreiben lassen und welche Lernziele man prüfen will, welches die Beurteilungskriterien sind oder wie der Notenmassstab gesetzt wird.» Auch die Klasse einmal ein Lernziel mitbestimmen oder sich selber beurteilen lassen, bedeute keinen Riesenaufwand für die Lehrperson. «Wenn eine Schule für solche kleinen Schritte offen ist und sich kritisch mit ihrer Beurteilungspraxis auseinandersetzt, ist sie auf gutem Weg», sagt Fiechter. «Beurteilung ist ein äusserst vielfältiges pädagogisches Thema, das grosses Potenzial bietet, sich als Lehrperson und gemeinsam als Schule weiterzuentwickeln.» AKZENTE 4/2014
Checkliste – 15 Tipps für die Leistungsbeurteilung Ob bei einer Prüfung, im Rahmen der Notenvergabe für das Zeugnis oder bei der Bewertung von Referaten und Projektarbeiten: Für die Beurteilung der Leistungen von Schülerinnen und Schülern sind eine Reihe von Faktoren relevant. Worauf können Lehrpersonen dabei besonders achten? Die folgende Checkliste fasst die wichtigsten Aspekte zusammen.
Kriterien für die Beurteilung 1 Die Lernziele eines Fachs orientieren sich an den Zielen des Lehrplans. 2 Die Lernziele sind den Schülerinnen und Schülern zu Beginn der Unterrichtssequenz bekannt. Dadurch ist für sie nachvollziehbar, was von ihnen erwartet wird. 3 Der Prüfungszeitpunkt wird den Schülerinnen und Schülern zu Beginn der Unterrichtssequenz mitgeteilt. Förderorientierung der Beurteilung 4 Neben summativen Tests finden formative Beurteilungen (z.B. Beobachtungen, Feedbacks, Lerntagebücher etc.) statt. 5 Die aus den formativen Beurteilungsphasen gewonnenen Erkenntnisse beeinflussen den weiteren Verlauf der Unterrichtsplanung. 6 Eine jeweils individuelle Bezugsnorm ermöglicht den jeweiligen Schülerinnen und Schülern, ihren persönlichen Lernfortschritt zu erkennen. Einbezug der Beteiligten in den Beurteilungsprozess 7 Selbst- und Fremdeinschätzungen der Lernenden finden regelmässig statt. Diese unterstützen die Reflexion über das Lernen und die eigenen Leistungen. 8 Es werden Standortgespräche durchgeführt, welche den Schülerinnen und Schülern helfen, ihre Leistungen zu erkennen und einzuordnen. 9 In prognostische Entscheide werden alle Beteiligte (Lehrpersonen, Lernende, Erziehungsberechtigte, Fachpersonen) miteinbezogen. Funktion des Beurteilungsmassstabs 10 Die Lehrperson unterscheidet zwischen den verschiedenen Beurteilungsfunktionen (summativ,
formativ und prognostisch) und setzt diese gezielt ein. 11 Je nach Beurteilungssituation wird die individuelle, die lernzielorientierte oder die soziale Bezugsnorm gewählt. 12 Die Lehrperson ist sich der Funktion und Bezugsnorm eines Beurteilungsanlasses bewusst und kann ihre Absichten transparent aufzeigen. Teaminterne Absprachen zur Beurteilung 13 Die Lernziele und Leistungsanforderungen sind im Stufenteam abgesprochen. 14 Es werden Fremdkorrekturen und Orientierungsarbeiten (z.B. Stellwerktest, Cockpit oder LernLupe) eingesetzt. Diese dienen einer objektiveren Beurteilung. 15 Im Kollegium besteht eine einheitliche Beurteilungspraxis nach klar definierten Kriterien, welche auch den Eltern bekannt ist.
Weiterführende Informationen Bohl, Thorsten (2009, 4. Auflage). Prüfen und Bewerten im Offenen Unterricht. Fischer, Doris/Strittmatter, Anton/Vögel-Mantovani, Urs (Hg.) (2009). Noten, was denn sonst? Leistungsbeurteilung und -bewertung. Nüesch, Helene/Bodenmann, Monika/Birri, Thomas (o.J.). Fördern und fordern. Schülerinnen- und Schülerbeurteilung in der Volksschule. Winter, Felix (2004). Leistungsbewertung. Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit den Schülerleistungen. Marlen Fiechter ist Primarlehrerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Weiterbildung an der PH Zürich.
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Zusammengestellt von Marlen Fiechter
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«Kompetenzorientierung und Notengebung sind ein Widerspruch» Der Lehrplan 21 strebt nicht nur eine Harmonisierung der Bildungsinhalte, sondern auch der Schülerbeurteilung an. Was sich damit für die Lehrpersonen beim Prüfen und Bewerten ändern wird, weiss Bildungsforscher Urs Moser. Text: Isabel Plana, Foto: Nelly Rodriguez
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Über Urs Moser Als «Mister PISA» wurde Urs Moser im Jahr 2000 einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Im Rahmen der international vergleichenden Schulleistungsstudie wertet der Bildungsforscher die Resultate der Schweizer Schülerinnen und Schüler aus.
Seine Laufbahn begann Moser mit dem Studium der Sonderpädagogik, Pädagogik und Pädagogischen Psychologie an der UniWie sieht denn eine kompetenzversität Freiburg. orientierte Prüfung konkret aus? Danach arbeitete Sie sieht anders aus als die von der Lehrper- er an verschiedenen internationalen son gestaltete Prüfung, die massgeschneidert Projekten der Leisist auf den Unterrichtsstoff der vergangenen tungsmessung mit und war als wissenWochen. Diesen Bezug zur Unterrichtseinheit hat ein kompetenzorientierter Test nicht. schaftlicher Mitarbeiter bei der Die Schülerinnen und Schüler sollen das Erziehungsdirektion des Kantons Gelernte nicht nur punktuell abrufen, sondern fortlaufend in verschiedenen Kontexten Bern, später auch am Institut für anwenden können. Es geht nicht um eine Pädagogik der UniLernkontrolle, sondern um eine individuelle versität Bern Standortbestimmung, also darum zu zeigen, tätig. Seit 1999 leitet Moser das auf welcher Kompetenzstufe die Schülerin Institut für Biloder der Schüler steht. Dafür werden unter dungsevaluation der Universität anderem standardisierte Tests eingesetzt. Zürich.
Wenn nun mit dem neuen Lehrplan vermehrt solche Vergleichstests durchgeführt werden, setzt das die Lehrpersonen nicht zusätzlich unter Druck? Es geht ja nicht darum, alle zwei Wochen einen solchen Test zu machen, sondern vielleicht ein oder zwei Mal pro Semester. Auch ist nicht die Meinung, dass man die Klasse darauf vorbereiten und den Unterricht danach ausrichten soll. Standardisierte Tests können für die Lehrpersonen hilfreich sein, weil sie zeigen, wo die Klasse und die einzelnen Kinder in Bezug zum Lehrplan stehen. Lassen sich solche Tests denn überhaupt benoten? Notengebung und Kompetenzorientierung sind ein Widerspruch. Eine Note ist immer an soziale Massstäbe gebunden. Der Lehrer braucht sie zur Beurteilung der Kinder innerhalb einer Klasse. Aber eine Note kann nicht abbilden, wo eine Schülerin oder ein Schüler in Bezug auf Kompetenzen oder die individuelle Entwicklung steht. Dies aber ist notwendig, um den Kindern metakognitive Strategien näherzubringen, damit sie sich mit ihrem eigenen Lernprozess auseinandersetzen und sich weiterentwickeln können.
Dann lässt sich also sagen, dass der neue Lehrplan förderorientierter ausgerichtet ist als seine Vorgänger? Ja, weil mit der Kompetenzorientierung eine andere Denkweise verbunden ist. Es Sie meinen Tests wie das Klassencockpit? Bei der Erarbeitung geht nicht mehr um inhaltliche Einheiten, Zum Beispiel. Allerdings sind die Vergleichs- des Lehrplans 21 hat sondern um den Lernprozess als Ganzes. er in der Anfangstests, die bisher eingesetzt werden, nicht phase beratend mitkompetenzorientiert, weil sie nicht aufeinan- gewirkt und zu Was ändert sich damit für die Lehreder aufbauen. Das heisst, wenn Sie mit Ihrer Aspekten der Beur- rinnen und Lehrer konkret beim Beurteilung Stellung Klasse zweimal bei Klassencockpit mitmateilen? genommen. chen, dann sind die beiden LeistungsmesDie Schule wird mit dem Lehrplan 21 nicht sungen unabhängig voneinander und lassen Urs Moser, Jahrgang neu erfunden. Förderorientierung ist kein 1957, lebt mit seiner Fremdwort. Viele Lehrpersonen haben bisher keine Aussage über den Fortschritt des Frau und seinen einzelnen Kindes zu. Dabei wäre das ja das auch schon so beurteilt und werden daran zwei Kindern in Ziel der Kompetenzorientierung. Dass man Zürich. Wenn er nichts ändern müssen. Wenn sie wollen, eine individuelle Entwicklung erfassen kann. sich einmal nicht können sie mit einer individuellen Standortmit Bildungsthemen bestimmung ab und zu ein Feedback von auseinandersetzt, Also gibt es solche Instrumente aussen einholen und ihren persönlichen kocht er gerne noch gar nicht? oder treibt Sport. Beurteilungsmassstab mehr an den KompeNein, aber an unserem Institut arbeiten wir tenzstufen ausrichten. Eine ausufernde daran, die individuellen StandortbestimmunTesterei ist aber sicher nicht Sinn und Zweck gen an die neuen Anforderungen im Lehrdes Lehrplans, das will niemand in der plan anzupassen. Schweiz. A 17 KZENTE 4/2014
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Akzente: Wie wirkt sich der Lehrplan 21 auf die Schülerbeurteilung aus? Moser: Bei der aktuellen Lehrplanreform geht es an sich nicht darum, die Beurteilung grundsätzlich zu reformieren. Dass die Schülerbeurteilung zu einem zentralen Thema geworden ist, hängt mit der Kompetenzorientierung zusammen. Man hat im Lehrplan 21 in Anlehnung an die Schulfächer Kompetenzbereiche beschrieben und für jeden Bereich verschiedene Kompetenzen, also im Prinzip überprüfbare Lernziele formuliert. Die Kompetenzen sind ihrerseits in Stufen gegliedert und bauen aufeinander auf. Eine solch hierarchisch strukturierte Leistungsbeschreibung impliziert, dass entsprechend geprüft und beurteilt wird.
Ver mischtes Die Studierenden im Kaninchenstall. Der Kontakt mit den Tieren kann bei den Schulkindern Ber체hrungs채ngste abbauen. 18
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«Ich liebe diese Luft!» Nicht aus dem Regal im Supermarkt, sondern aus Ställen kommen Milch und Fleisch. Das weiss heute nicht mehr jedes Kind. Hier setzt das Projekt «Schule auf dem Bauernhof» an. Ein Nachmittag mit PHZH-Studierenden der Eingangsstufe auf dem städtischen Gutsbetrieb Juchhof.
Nein, idyllisch ist es nicht. Der städtische Gutsbetrieb Juchhof liegt nahe an der Zürcher Stadtgrenze zu Schlieren, umgeben von Fussballfeldern, Strassenbrücken und Bahngleisen. Über dem Dach des Kuhstalls ragt die Fassade des Post-Verteilzentrums Mülligen hervor, und von der Strasse dröhnt der Baulärm so stark auf den Hof, dass die Studierenden, die an diesem sonnigen Herbstnachmittag herkamen, Bettina Kellenberger kaum verstehen. Da wo jetzt die leeren, eingezäunten Fussballplätze stehen, sei vor acht Jahren noch Weideland gewesen, erklärt diese. Sie selbst war damals noch nicht hier. Erst seit drei Jahren leitet die ausgebildete Primarlehrerin und Naturpädagogin für Grün Stadt Zürich unter anderem im Rahmen des Programms «Schule auf dem Bauernhof» Besuche für Schulkinder. 3600 von ihnen kommen jährlich hierhin. Bettina Kellenberger ist es wichtig, dass die Kinder auf dem Hof mithelfen dürfen, viel Kontakt mit Tieren haben und einen respektvollen Umgang mit Nutztieren kennen lernen. Heute hat sie jedoch keine Schülerinnen und Schüler vor sich. Die angehenden Lehrpersonen der Eingangsstufe tragen Lederjacken, Sonnenbrillen und Schals. Und sie werden umgetrieben von ganz bestimmten Fragen: «Werden diese Tiere gemästet?» fragt eine Studentin und zeigt auf die in der Sonne liegenden Schweine. Teilnehmerzahlen steigen jährlich Fragen nach der Herkunft und Produktionsweise unserer Nahrung sind für Corin Bieri, Dozentin für «Mensch und Umwelt» und Projektverantwortliche für «Schule auf dem Bauernhof» an der PH Zürich zentral. «Es ist wichtig, dass die Kinder die Zusammenhänge verstehen», sagt sie und meint auch: Es ist nicht selbstverständlich, dass Kinder wissen, dass die Milch im Frühstücksmüsli von einer Kuh kommt, dass das Kotelett auf dem Teller mal einem Schwein gehörte. Deshalb fordert Bieri ihre Studieren-
den auf: Geht mit den Kindern raus, zum Beispiel auf den Bauernhof. «Es ist unser Ziel, die angehenden Lehrkräfte für dieses Projekt zu begeistern.» Das Projekt «Schule auf dem Bauernhof» (SchuB) ist schweizweit angelegt. Im Kanton Zürich arbeiten das Kantonale Amt für Landschaft und Natur, der Zürcher Bauernverband, die PH Zürich und Grün Stadt Zürich zusammen, unterstützt vom Volksschulamt. Sie stellen Angebote für Schulklassen und Kindergärten bereit wie geführte halb- oder ganztägige Besuche, aber auch Aus- und Weiterbildungskurse für Lehrkräfte und Bauersleute. Mit dem Programm ein Zeichen setzen Das Programm ist erfolgreich. Die Zahlen der Schulklassen und Kindergärten, welche einen Bauernhof besuchen, steigen jährlich. «Zudem», so Bieri, «wählen in Praktika immer mehr Studierende das Thema Bauernhof und organisieren für ihre Praktikumsklassen Besuche auf SchuB-Betrieben.» Im Studium für angehende Lehrpersonen der Eingangsstufe ist das Thema in der Fachdidaktik «Mensch und Umwelt» fest verankert. Dass dies wichtig ist, davon ist auch Urs Bisang, Dozent für Fachdidaktik in «Mensch und Umwelt» und Kollege von Corin Bieri, überzeugt. Er begleitet die Studierenden auf dem Juchhof. Mit dem Besuch an diesem Nachmittag – bereits in der zweiten Studiumswoche – wolle man ein Zeichen setzen, sagt auch er. Lernen geschieht am wirkungsvollsten vor Ort. Hier, vor ihrer Haustür, können die Kinder die ganze Komplexität der Landwirtschaft erfahren. Hier können sie Kaninchen füttern, Pferde striegeln und Früchte ernten. «Wir wollen, dass es nicht nur bei den Internetbildern bleibt», sagt Bisang. Und weiter: «Wenn diese jungen Menschen in wenigen Jahren ihr Studium abschliessen, woran erinnern sie sich wohl besonders gut?» fragt er rhetorisch. «Natürlich an den Besuch auf dem Bauernhof und an die Wirksamkeit dieser Lernerfahrung.» So werden sie auch eher mit den eigenen
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Reportage
Text: Pascal Sigg, Fotos: Niklaus Spoerri
Spezielles Erlebnis: Auf dem Bauernhof können die Studierenden der PH Zürich Erfahrungen im Melken sammeln – an einer mit Wasser gefüllten Euterattrappe.
Bettina Kellenberger vom Gutsbetrieb Juchhof beantwortet die Fragen der Besucherinnen und Besucher.
Aus den gepflückten Früchten stellen die Studierenden eigenhändig Traubensaft her.
Die Studentinnen und Studenten erfahren auf dem Juchhof auch einiges über die Tierhaltung und die Fleischproduktion auf dem städtischen Gutsbetrieb.
Reportage
Schülerinnen und Schülern rausgehen, um in authenti- den Saft über die Hände. «Ladys, wie läuft’s?» fragt einer schen Situationen, im Wald, im Quartier, in Spitälern der zwei jungen Männer der Gruppe. Zur selben Zeit sinnliche Lernerfahrungen zu machen. füttern andere Studierende im Kleintierstall die Kaninchen. Kellenberger will bei Kindern, welche den Umgang Kritische Fragen zur Tierhaltung mit Tieren nicht gewohnt sind, mit den Kaninchen Be«Ich finde es super hier!» ruft eine Studentin euphorisch. rührungsängste abbauen und gleichzeitig den Respekt «Ich liebe diese Luft!» Sie hat soeben ihre Hand in den vor den Tieren bewahren. Diese haben immer auch Mund eines Kälbchens gehalten, das lange und eifrig da- Rückzugszonen. Die Studierenden müssen sie deshalb ran genuckelt hat. Nun trieft Speichel von den langen, hervorlocken. Sie versuchen es mit aufgespiessten Karotlackierten Fingernägeln. Das Klischee der realitätsfrem- ten und Gräsern und erfahren dabei nicht nur etwas über den Städterin trifft auf sie nicht zu. Sie habe mit ihrer die Tiere, sondern auch über einander. «Ich habe ein Familie früher Bauernhof-Ferien gemacht. Eine andere Pferd», erzählt die eine. «Ich bin allergisch auf Äpfel», die Studentin erzählt, dass sie auf dem Land aufgewachsen andere. Sie kennen sich erst seit zwei Wochen und Corin sei: «Gleich neben einem Bauernhof, die Kühe konnten Bieri hat den Bauernhofbesuch absichtlich derart früh richtig Radau machen.» Die Kühe hier auf dem Juchhof angesetzt. Die gemeinsamen Aktivitäten an der frischen sind an diesem Nachmittag etwas unruhig. Eine Vieh- Luft fördern das Kennenlernen. schau steht an und immer wieder holen Angestellte Kühe Milchproduktion im 21. Jahrhundert aus dem Laufstall, um sie zu striegeln und zu putzen. Bettina Kellenberger beantwortet die kritischen Nach einer Pause mit selbstgepresstem Traubensaft, Fragen der Studierenden geduldig. Sie drehen sich in Käse, Brot und Äpfeln geht es zurück zum Kuhstall. In erster Linie um die Tierhaltung. Bevor die Gruppe in einem Nebenraum steht eine Maschine, gross wie ein den Kuhstall und zu den Kälbern gegangen war, hatte Minivan, darum herum ranken sich Schläuche und KaKellenberger den Hof in Zahlen vorgestellt. Sie erklärte, bel. Die Pumpen zischen, und unten ragen vier Beine dass ein Schwein einen täglichen Gewichtszuwachs von hervor: der Melkroboter. Die Hälfte der Gruppe steht 800 Gramm erfahre und bei einem Körpergewicht von davor und staunt, während die andere Hälfe sich draus110 Kilogramm den Hof verlassen müsse. «Seht ihr die sen beim Wassermelken an den Euterattrappen vergnügt. mit dem blauen Streifen auf dem Rücken?» fragt sie Die Kühe kommen selbständig zum Roboter, sie reihen und zeigt zu den Maststallungen, wo die Schweine liegen sich ein, wissen, dass sie Kraftfutter erhalten, und sie wolund grunzen. Die sind nicht mehr lange hier.» Das len sich ja auch der Milch entledigen, erklärt KellenberSchweinefleisch werde unter dem Label Naturafarm ger. Der Roboter erkennt mit dem Laser die Zitzen und hergestellt. «Da stelle ich mir aber eher Tiere auf einer steuert die Saugvorrichtung zielgenau dahin. Wenn mal Wiese vor», meint eine Studentin. «Ein wichtiges The- etwas nicht so funktioniere, wie es müsse, erscheine eine ma», wird Kellenberger später sagen. Sie begegnet ihm Meldung auf dem Smartphone eines Angestellten. mit nüchterner Transparenz und erklärt: Die Konsu- Milchproduktion im 21. Jahrhundert. Während der Melkmenten wollen günstiges Fleisch, günstige Milch. Des- wettbewerb draussen in einer Wasserschlacht endet, wird halb muss die Produktion schnell gehen. drinnen konzentriert weitergefragt. Kurz darauf ist der Besuch zu Ende. Die StudieAuf die Methode kommt es an renden erhalten Aufträge für die folgende Woche: eine Die Führung durch den Kuhstall dauert eine Weile. Hin konkrete Aktivität mit Anknüpfung an den Bauernhof und wieder zücken die Studierenden ihre Smartphones, zuhause vorbereiten und dann der Klasse beibringen. um ein Foto zu schiessen. Eine Kuh ist hochträchtig, und Urs Bisang zeigt sich zufrieden mit dem Nachmittag und gerade als Kellenberger die Gruppe die Anzahl der Wie- ist überzeugt: Jeder Bauernhof ist ein spannender, rederkäuungsbewegungen zählen lassen will, setzen die levanter Mikrokosmos, der aus unterschiedlichen BlickWehen ein. Die Augen der angehenden Lehrpersonen winkeln betrachtet werden kann. Bevor sie auseinanderleuchten erwartungsfroh und mitleidig, doch Kellenber- eilen, bedanken sich die Studierenden bei Bettina Kelger nimmt ihnen ihre Hoffnungen gleich wieder: «Solan- lenberger. Einige von ihnen werden wohl später mit eigege wir hier sind, wird sie noch nicht gebären. Die Kuh nen Klassen Bauernhöfe besuchen. Denn vieles, was sie wird sich einen ruhigeren Moment suchen.» an diesem Nachmittag erfahren haben, geht ihnen wohl Kellenberger führt die Studierenden nun zu den so schnell nicht aus dem Kopf: das Gefühl beim Anblick Reben, wo sie Trauben pflücken und daraus ihren eige- des nuckelnden Kälbleins, die Frische des Traubensafts, nen Saft pressen. Die Studentinnen und Studenten ma- das Rattern des Melkroboters. chen sich sogleich an die Arbeit. Die beiden Gruppen Weitere Informationen zu «Schule auf dem Bauernhof»: entwickeln dabei unterschiedliche Methoden. Bei den phzh.ch/schub einen geht es etwas schneller, die anderen schütten sich 22
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Studierendenporträt
Studierendenseite
Sara Pascual, 21, aus Bilbao auf dem Zürcher Lindenhof.
vom Wenigen, was Sara Pascual an Zürich nicht vermissen wird. Die Spanierin war ein Jahr lang Austauschstudentin auf der Eingangsstufe an der PH Zürich und lebte während dieser Zeit in einem Studentenheim in Zürich-Altstetten. «Mir gefällt die Stadt, sie hat genau die richtige Grösse», sagt sie. Eine ihrer Dozentinnen an der University of Deusto in Bilbao hatte ihr die PH Zürich für ein Austauschjahr ans Herz gelegt. Auch ihre Mitstudentinnen, die schon in Zürich waren, hatten geschwärmt.
Ein grosser Unterschied zwischen der PH Zürich und ihrer «Heim-Uni» in Bilbao sei insbesondere das Verhältnis zwischen den Dozierenden und den Studieren24
den. Hier sei es möglich, dass die Dozentin nach dem Unterricht auf einen Kaffee in die Mensa mitkomme. «In Spanien ist dies undenkbar. Vielleicht sind die Studierenden in den Modulen deshalb so viel aktiver.» In der Schweiz werde viel diskutiert, und es würden Fragen gestellt. Ausserdem gefällt ihr die praxisbezogene Ausbildung: «In Bilbao hat das Studium lange nicht so einen hohen Praxis-Anteil.» Und was zeigt der Vergleich zwischen der Schweiz und Spanien weiter? «In Bilbao sind die Kinder rund vier Jahre im Kindergarten.» Es sei sehr schwierig, eine Stelle zu finden. Der Beruf sei beliebt. «Zudem sind die Schülerinnen und Schüler hier unabhängiger. In Spanien werden sie bis ins Schulhaus begleitet, ihnen wird nicht zugetraut, den
Weg alleine zu meistern.» Auch das Händeschütteln mit den Schülern vor und nach dem Unterricht war für Sara neu. Gerne würde sie dies zu Hause auch einführen, zusammen mit einem «Ämtliplan», den sie so bislang noch nicht gekannt hatte.
Im September wird Sara für ein Praktikum in einem Kindergarten mit deutsch- und spanischsprechenden Kindern in die Schweiz zurückkehren. So kann sie das Gelernte gleich wieder praktisch anwenden und ist überdies in der Nähe ihres Freundes, einem ETHStudenten aus Polen, den sie in Zürich kennengelernt hat. – Cécile Oberholzer
Cécile Oberholzer ist Redaktorin in der Abteilung Kommunikation an der PH Zürich.
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Foto: Cécile Oberholzer
180 Studierende und nur eine Küche – dies ist etwas
Wie gestalte ich eine motivierende Lese- und Schreibkultur in der Unterstufe? Mit dieser und weiteren Fragen hat sich Eliane Christeller im Rahmen ihres Präsentationsportfolios auseinandergesetzt. Dieses bildet zusammen mit einer Vertiefungsarbeit die Bachelorarbeit, welche die Ausbildung zur Primarlehrperson an der PH Zürich abschliesst. Als Grundlage für das Präsentationsportfolio dient den Studierenden die Portfolioarbeit, welche diese im Verlauf ihres Studiums verfassen. Sie bringen darin ihr erworbenes Wissen in Beziehung zu ihrer Tätigkeit in der Praxis sowie zu den 12 Standards, mit denen die PH Zürich die Kompetenzen beschreibt, an deren Erwerb sich ihre Ausbildung orientiert. Die Portfolioarbeit ist ein Werkzeug, um während der Ausbildung Theorie und Praxis miteinander zu verbinden. Zunächst geht es bei der Portfolioarbeit darum, Dokumente wie beispielsweise in den Praktika erteilte Lektionsreihen zu sammeln und durch persönliche Reflexionen zu ergänzen. «Je früher man damit anfängt, desto besser», sagt Eliane Christeller. «Ich konnte davon profitieren, dass ich mir während des gesamten Studiums regelmässig Gedanken und Notizen zum vermittelten Stoff gemacht habe. Dies erleichterte es mir, Bezüge zwischen Theorie und Praxis herzustellen.» So konnte Eliane Christeller auf eine umfassende Dokumentation für ihr Präsentationsportfolio zurückgreifen. Für dieses wählen die Studierenden Materialien aus dieser Sammlung aus und beziehen sie auf fünf selber bestimmte Standards des Kompetenzstrukturmodells der PH Zürich. «Ich habe dazu eine Art Mindmap erstellt und mir überlegt,
welche Standards mich interessieren und zu welchen ich ausreichend Praxiserfahrungen gemacht habe», sagt Eliane Christeller. Zu jedem ausgewählten Standard entwickelte sie anschliessend eine Fragestellung, die sie anhand der Theorie und ihren Erfahrungen in der Schule untersuchte.
«Mir ist im Zusammenhang mit dem Standard 1, dem ‹Fachspezifischen Wissen und Können›, insbesondere in Erinnerung geblieben, dass Schreibaufgaben sinnvoll gestaltet sein müssen.» Die Kinder müssten deren Funktion, das Ziel und die Adressaten kennen. Nur so könne ein Lerneffekt erzielt und die Motivation hoch gehalten werden. Weiter hat sich Eliane Christeller beispielsweise mit dem Thema Klassenführung im Zusammenhang mit Standard 7, «Planung und Durchführung von Unterricht», vertieft auseinandergesetzt. «Ich strebe einen autoritativen Unterrichtsstil an. Dieser erfordert das konsequente Einhalten von Regeln, ermöglicht aber trotzdem Lob und Ermutigung.» Sich schreibend mit einer Fragestellung auseinanderzusetzen, erachte sie rückblickend als äusserst gewinnbringend. Eliane Christeller hat für ihre Arbeit den diesjährigen Studienpreis der PH Zürich und der Stiftung Pestalozzianum erhalten. Die Jury schreibt in ihrer Begründung: «Die Autorin zeigt in ihrem Präsentationsportfolio eindrücklich, welche Lernprozesse sie im Verlauf der drei Ausbildungsjahre vollzogen hat. In ihren fünf Portfolioeinträgen werden differenzierte Verbindungen zwischen praktischen Erfahrungen, theoretischen Modellen und persönlichen Haltungen formuliert.» – Christoph Hotz
Ausstudiert – die Studierendenkolumne
Alles nur Klatsch? Ich bin süchtig, ich gebe es zu. Ich liebe sie, die Klatschund Tratsch-Magazine, die Welt der Stars und Sternchen. Wer mit wem, wo und was, warum oder warum nicht. Ich weiss, ich weiss. Das angebliche Insiderwissen der Texte und die fantasievollen Interpretationen der PaparazziBilder mögen selten von einem hohen Wahrheitsgehalt geprägt sein. Dennoch stolpere ich immer wieder auch über Artikel, hinter denen mehr steht als die blühende Fantasie der Verfasser. So wurden kürzlich auf der Strasse Passanten gefragt, wann und wobei sie die Zeit vergessen. Eine simple Frage, leicht zu beantworten. Könnte man meinen. Doch was würde ich antworten? Meine Tage sind durchstrukturiert und Termine werden meist Monate im Voraus vereinbart. Dies resultiert darin, dass sie oft wieder abgesagt werden, weil dann doch kurzfristig etwas Wichtigeres dazwischenkommt. Ich lebe mit der Last der Listen: Unerledigte Termine, To-dos für die Arbeit, den Verein, den Freundeskreis. Ein Häkchen folgt dem nächsten, während die Liste wieder länger wird und ich mich fühle wie ein Ball im Flipperkasten, der von einem Ort zum anderen spickt, immer in Bewegung und oft in einem halsbrecherischen Tempo. Zeit, die Zeit zu vergessen, bleibt da kaum. Doch da fällt sie mir plötzlich ein, die Antwort auf die Frage. Es ist eben gerade dieser Klatsch und Tratsch, der mich dazu verleitet, die Zeit einfach mal Zeit sein zu lassen. In diesem Sinne: Klatsch sei Dank! Annigna Carisch, Studentin auf der Sekundarstufe I und Tutorin im Schreibzentrum der PH Zürich
A 25 KZENTE 4/2014
Studierendenseite
Die Bachelorarbeit
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AKZENTE 4/2014
Wie sieht kompetenzorientierter Unterricht eigentlich aus? Eine Heilpädagogin und eine Lehrerin zeigen anhand eines von ihnen entwickelten Beispiels, wie Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern sichtbar werden. Text: Kay Janina Hefti, Foto: zVg
Im Stadtzürcher Schulhaus Seefeld steht während einiger Zeit der Schulgarten als Lernort für das Fach «Natur Mensch Gesellschaft» (NMG) im Zentrum. Die Kinder erwerben Kompetenzen im Umgang mit Pflanzen und Tieren. Der Lehrplan 21 formuliert dazu im 1. Zyklus die Kompetenzstufe: «Die Schülerinnen und Schüler können Tieren und Pflanzen in selbst erkundeten Lebensräumen im Jahresverlauf begegnen, Interesse und Neugierde entwickeln und Fragen stellen.» Pflanzen zu kennen und zu benennen ist das Eine, aber wie zeigt sich, ob die Kinder ihr erworbenes Wissen anwenden können? Beispielsweise beim Jäten. Dabei wird ersichtlich, ob die Kinder wissen, welche Pflanzen im Garten stehen, welche nützlich und welche schädlich sind. Es ist ein exemplarisches Beispiel, wie die Kinder an die Grundkompetenzen des 1. Zyklus herangeführt werden können. Darauf aufbauend könnten die Kinder lernen, den Garten zu pflegen – die Anwendung einer Kompetenzstufe, die am Ende des 2. Zyklus eingefordert wird. Unterschiedliche Zugänge zum Thema Der erste Schritt in einem kompetenzorientierten Unterricht, so Lehrerin Ruth Beck, ist das Vorwissen der Kinder zu aktivieren. Aus den Wünschen, was die Kinder im Schulgarten anpflanzen möchten, rückt eine Frage ins Zentrum: Gibt es einen Schoggibaum? Ein Mädchen erzählt, dass sie in den Ferien in den USA auf einer Kakaoplantage war. Dort habe sie einen Samen in die Erde gesteckt. Ein Junge widerspricht: Es könne gar keinen Schoggibaum geben, weil Schoggi ja keinen Stiel habe. A KZENTE 4/2014
Beim Jäten erkennt die Lehrperson, ob die Kinder wissen, welche Pflanzen nützlich sind.
stellt sich heraus, dass das Kind nicht wusste, was es erkunden sollte. Gemeinsam entwickeln sie eine Idee. Bald ist es motiviert, mit der Schaufel in der Erde zu graben und die verschiedenen Pflanzen anzusehen. Solche Phasen der Reflexion sind zentral in einem kompetenzorientierten Unterricht. Die Lehrperson leitet die Kinder an, darüber nachzudenken, was sie bereits herausgefunden haben, wie sie dabei vorgegangen sind und was sie noch anders machen könnten. «Reflexion hat für das Lernen einen riesigen Effekt», ist Heilpädagogin Monika Fitze überzeugt. Austauschtreffen der PH Zürich mit Verbänden Dieser Artikel entstand im Rahmen eines jährlich stattfindenden Austauschs zwischen Vertretungen von Verbänden (ZLV, Sek. ZH, KEO, VSLZH, VPOD), Hochschulen (PHZH, HfH) und der Bildungsverwaltung. In diesem Jahr stand das Thema «Kompetenzorientierung im Unterricht» im Fokus. Weitere Informationen: phzh.ch/kompetenzen Kay Janina Hefti ist Kommunikationsverantwortliche im Projekt KoLeP21 der PH Zürich.
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PH Zürich – Weiterbildu ng
Kompetenzen zeigen beim Jäten im Schulgarten
Solche Antworten zeigen das unterschiedliche Vorwissen der Kinder auf und die Lehrpersonen erfahren, wo sie einen Gedanken aufgreifen und daran den weiteren Kompetenzerwerb anknüpfen können. Anschliessend arbeiten die Kinder an verschiedenen Aufgaben: Eine Gruppe von Kindern, die schon viel über Gärten weiss, soll mehr über den Schoggibaum herausfinden. Eine zweite beschäftigt sich mit Pflanzensamen und lernt, wie Pflanzen entstehen und wachsen. Die Kinder mit dem kleinsten Vorwissen dürfen den Schulgarten frei erkunden. Mit solchen Aufträgen gewähren die Lehrpersonen den Kindern unterschiedliche Zugänge zum Thema. Was ist aber mit Kindern, die überfordert sind? Die Gartenerkundung ist nämlich nicht für alle Kinder ein Erfolg: Ein Kind kommt enttäuscht von der Erkundungstour zurück. Im Gespräch mit der Lehrperson
Inserat
Publireport
Publisher 3 · 2012
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Lehrmittel als Paradebeispiel für Crossmedia-Produktionen Nicht allein die Werbemittelproduktion versteht es, Botschaften crossmedial zu vermarkten, auch bei der Herstellung moderner Lehrmittel setzt man auf Medienvielfalt und deren effiziente Vernetzung. Die fachgerechte Umsetzung solcher Publikationen macht in der grafischen Industrie zurzeit Schule – insbesondere bei den Geschäftsbereichen der FO-Gruppe.
E-Learning Apps
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Kompetenzen der FO-Geschäftsbereiche E-Books
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OUTPUT
Autoren Übersetzung
N ATIO IN D R O KO
INPUT
Kundenhoheit über Inhalte
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Wissensvermittlung via Web, E-Book, App, E-Learning-Plattform und Lehrbuch. Die Inhalte werden über einen gemeinsamen Datenpool erstellt, koordiniert und kanalisiert.
«Das Abrufen von Informationen und Wissen basiert heute nicht allein auf pädagogisch erstklassig aufbereiteten Lehrbüchern, sondern beinhaltet das gesamte Medienspektrum – von interaktiven Lerneinheiten via E-Learning-Plattformen bis hin zu Web-Foren oder mobilen Websites», erklärt Beat Kunz, Verantwortlicher der FO-Publishing, einem von sechs Geschäftsbereichen der FO Print und Media AG in Egg. Sein Verlag hat sich auf die Herstellung innovativer Lehrmittel spezialisiert und produziert diese in Zusammenarbeit mit den gruppeninternen Partnern.
PUBLIREPORT
Medienvielfalt beginnt bei der Konzeption Inhalte technisch kompetent umzusetzen ist eine Sache, deren konzeptionelle Aufbereitung eine andere. Bei der Lehrmittelerstellung erarbeitet FO-Publishing das pädagogische Konzept, führt interaktive Elemente dort ein, wo sie didaktisch und methodisch sinnvoll erscheinen, und präsentiert gemeinsam mit ausgebildeten Grafikspezialisten der FO-Zürisee ein Layout, welches nach Absegnung des Kunden direkt in einen gemeinsamen Datenpool (Redaktionssystem) eingepflegt wird. «Das Publizieren über eine webbasierte Plattform ermöglicht allen am Projekt Beteiligten das zeitgleiche Arbeiten. Es ist ein
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optimales Werkzeug, um zwischen Agentur, Kunde und Vorstufendienstleister Inhalte zu koordinieren», erklärt Ivo Mani, Leiter der FO-Zürisee, der Produktionsagentur im FO-Gefüge. Einmal aufbereiteter Content wird somit kosteneffizient kanalisiert und mit höchster Aktualität veröffentlicht. Dabei liegt die Hoheit über die Inhalte bis zum Schluss beim Kunden. Workflow mit Synergienutzen – der Kunde profitiert! Sind sämtliche Informationen einmal erfasst und koordiniert, geht es um die fachgerechte Datenaufbereitung und Produktion der unterschiedlichen Ausgabemedien. Während FO-Fotorotar Printprodukte in Grossauflagen herstellt, sich um deren Weiterverarbeitung, Versand, Lagerung und Logistik kümmert, generiert das Team der FO-Zürisee eine E-Book-Publikation sowie mobile Apps aus den vorhandenen Datensätzen. Die Wertschöpfungskette wird zudem ergänzt durch eine E-Learning-Plattform, welche als zentrales Element zwischen Print und Online von den Spezialisten der FO-Cyberfactory auf der Basis einer Open-SourceLösung programmiert wird. Personalisierte Ausweise für die Lernenden sowie Diplome, Zertifikate und Bildungsgutscheine mit fälschungssicheren Merkmalen runden das
umfassende Crossmedia-Lehrmittelpaket ab. Letztgenannte Produktionsabläufe obliegen der FO-Smartprint und FO-Security. «Durch das einmalige Zusammenspiel zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen sind wir in der Lage, unseren Kunden aussergewöhnliche und komplexe Lösungen zu präsentieren», erklärt Ralf Züger, Produktionsleiter der FOCyberfactory die Crossmedia-Strategie der Unternehmensgruppe. Der Kunde profitiert von gruppeninternen Synergien und erhält alles aus einer Hand.
Weitere Informationen FO Print & Media AG Gewerbestrasse 18 I CH-8132 Egg/ZH Telefon: +41 44 986 35 10 Fax +41 44 986 35 36 info@fo-print-media.ch www.fo-print-media.ch
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Was Jugendliche meinen, wenn sie Politik sagen Das am Zentrum International Projects in Education (IPE) angesiedelte Forschungsprojekt «Concepts of Citizenship» wurde in diesem Frühjahr abgeschlossen. Das Forschungsteam aus Prishtina und Zürich präsentierte die Ergebnisse.
Der Saal eines Konferenzzentrums in Prishtina, der Hauptstadt des Kosovo, ist bis auf den letzten Platz besetzt. Lehrerinnen und Lehrer aus allen Regionen, die stellvertretende Bildungsministerin, Studierende, Dozierende der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen, Vertreter der regionalen Schulbehörden, der Direktor der wichtigsten Lehrerweiterbildungsinstitution sowie der Direktor und die Programmverantwortlichen des DEZABüros in Prishtina sind gekommen, um sich aus erster Hand über die Ergebnisse einer Studie zu informieren. In der Studie, die nun vorgestellt und diskutiert werden wird, hat ein kosovarisch-schweizerisches Projektteam die Vorstellungen kosovarischer Jugendlicher über Politik, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit untersucht. Forscherinnen der Pädagogischen Fakultät der Universität Prishtina, des Kosova Education Center und der PH Zürich hatten sich vor bald fünf Jahren zusammengetan, um die erste repräsentative Befragung kosovarischer Jugendlicher zu deren politischen Einstellungen, Haltungen und Absichten durchzuführen. Das Forschungsprojekt wurde von der DEZA und der PH Zürich finanziert und ist thematisch eingebettet in einen breiteren Zusammenhang der Schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit mit dem Kosovo in den Schwerpunktbereichen Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Als anwendungsorientiertes Projekt ist es konsequent auf den Aufbau von Fähigkeiten und auf Umsetzungsmöglichkeiten vor Ort ausgerichtet. Die kosovarischen Partner übernahmen daher von Beginn an Verantwortung: für die Entwicklung von Forschungsfragen und Forschungsstrategien, aber auch für die Auswertung und die Umsetzung der Ergebnisse. Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse werden von den kosovarischen Partnern nicht nur detaillierte Empfehlungen für verschiedene Ebenen der kosovarischen Bildungspolitik entwickelt, sondern auch Aus- und Weiterbildungsangebote sowie konkrete Unterrichtsvorschläge. Im Anschluss an die Präsentation ausgewählter Ergebnisse entwickelt sich eine rege Diskussion. BesonA KZENTE 4/2014
ders zu reden geben zwei Ergebnisse: Die erheblichen Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen bezüglich ihrer Wahrnehmung von Partizipationsmöglichkeiten in Schule und Unterricht sowie die Einschätzung erstaunlich vieler Mädchen, dass Frauen in Politik und Wirtschaft nicht exakt dieselben Zugangsrechte zu gehobenen Positionen zustehen sollen wie Männern. Verschiedene Stakeholder des Projekts, aber auch Vertreter der kosovarischen Medien stellen Fragen und beteiligen sich mit Redebeiträgen an der Diskussion: «Was bedeutet das für unser Land?», «Wie gehen wir damit um?», «Wird diese Befragung wiederholt werden, damit wir wissen, wie sich das weiterentwickelt bei unseren Jugendlichen?» Das Engagement zeigt, welche Bedeutung die Erkenntnisse für Fragen der Weiterentwicklung des Bildungssystems und der politischen Bildung im Kosovo haben. Bereichernder Austausch für beide Seiten Das kontextspezifische Wissen, welches die verschiedenen Akteure einbringen, ermöglicht eine differenzierte Interpretation der Ergebnisse. Dazu gehört auch die Aussensicht der beiden Dozierenden der PH Zürich, welche dazu beitragen, die kosovarischen Ergebnisse in Bezug zu solchen aus der Schweiz zu setzen und allzu pessimistische Einschätzungen zu relativieren. Der Austausch zwischen den beiden Ländern – Kosovo als eine der jüngsten Nationen und die Schweiz mit einer direktdemokratischen Tradition – war und ist für beide Seiten bereichernd. Wissenstransfer fand nicht nur einseitig statt. Während die Partner im Kosovo weitere Kenntnisse über die Erforschung politischer Bildungsprozesse gewinnen konnten, ermöglichte die Kooperation der PH Zürich wertvolle Einblicke in ein anderes Bildungssystem und machte die Bedeutung kontextspezifischer Faktoren für die Forschung auf eindrückliche Weise sichtbar. Beatrice Bürgler ist Dozentin für Geschichtsdidaktik /Politische Bildung an der PH Zürich. Kai Felkendorff ist Dozent für Bildung und Erziehung an der PH Zürich.
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PH Zürich – Zentr u m IPE
Text: Beatrice Bürgler, Kai Felkendorff
Die Welt des Experimentierens verstehen lernen Der kompetenzorientierte Unterricht stellt Lehrpersonen auch in den Naturwissenschaften vor neue Aufgaben. Im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelt die PH Zürich Instrumente zur Kompetenz-Beurteilung von Schülerinnen und Schülern im Bereich des Experimentierens.
PH Zürich – Forschu ng
Text: Pitt Hild, Foto: Reto Klink
von für den NT-Unterricht geeigneten Experimentiertests, welche konkrete Hinweise für die Entwicklung lerndiagnostischer wie auch -fördernder Instrumente geben können. Da Naturwissenschaften in der obligatorischen Schule fächerübergreifend unterrichtet werden, stellen sich in dem Projekt zwei grundlegende Fragen: Welche Merkmale experimenteller Kompetenzen sind in allen drei Disziplinen (Biologie, Chemie und Physik) auszumachen? Können experimentelle Kompetenzen unabhängig vom fachlichen Kontext diagnostiziert und gefördert werden? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, wurde in einer ersten Phase das Experimentieren in vier unterschiedliche, in der Schule häufig vorkommende Bereiche unterteilt: «Beschreiben von Beobachtungen», «Messen von Grössen», «Untersuchen von Zusammenhängen» und «Vergleichen von Objekten». Als Messinstrument wurden 12 Experimentiertests entwickelt, welche mit insgesamt 565 Schülerinnen und Schülern durchgeführt wurden. Kontextübergreifende experimentelle Kompetenzen Die erste allgemeine Frage, ob sich fächerübergreifende Merkmale beim Experimentieren finden lassen, lässt sich nicht so einfach beantworten. Schülerinnen und Schüler
Wie können wir Lehrpersonen und ihre Schülerinnen und Schüler noch gezielter beim Experimentieren im «Natur und Technik»-Unterricht (NT) unterstützen? Dieser Frage widmet sich ein Team der PH Zürich und versucht damit, den Diskurs über lerneffektiven naturwissenschaftlichen Unterricht voranzutreiben – sei es in der Aus- und Weiterbildung oder in der «scientific community». Spätestens seit der Veröffentlichung der nationalen Bildungsstandards ist bekannt, welche Handlungskompetenzen im NT-Unterricht gefördert werden sollen. Mit der Einführung des neuen Lehrplans werden diese Handlungen auch noch mit fachlichen Inhalten verknüpft sein. Eine Vorgabe des kompetenzorientierten Unterrichts lautet, dass dieser noch gezielter an den individuellen Kompetenzstand der Lernenden anknüpfen soll. Dies ist für Lehrpersonen wohl eine der grössten Herausforderungen. Neue Unterrichtsmaterialien mit dazugehörenden Diagnose- und Planungsinstrumenten könnten ihnen dabei von Nutzen sein. Hier setzt das Projekt «Experimentelle Kompetenzen in den Naturwissenschaften» (ExKoNawi) der PH Zürich an. Es hat zum Ziel, für den Bereich des Experimentierens solche Instrumente zu entwickeln. In einem ersten Schritt wurden dafür die experimentellen Kompetenzen der Sekundarschülerinnen und -schüler im Kanton Zürich untersucht. Dies anhand 30
Ein Schüler untersucht die Auflösegeschwindigkeit von Brausetabletten.
scheinen zum Beispiel beim «Untersuchen von Zusammenhängen» ähnlich gut abzuschneiden, egal ob es sich um die Schwingungsdauer eines Pendels (Physik), die Auflösegeschwindigkeit von Brausetabletten im Wasser (Chemie) oder die Aufenthaltspräferenzen von Asseln (Biologie) handelt. Die Resultate bestätigen, dass es bei diesen Aufgaben weniger um das Wissen von fachlichen Inhalten geht, sondern um das Verständnis, wie eine wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt wird und welche Strategien dazu benutzt werden. Eine Konsequenz könnte also sein, dass der Aufbau einiger experiAKZENTE 4/2014
Erste Ergebnisse aus der Untersuchung konnten bereits in die Ausund Weiterbildung der PH Zürich einfliessen. Auf der anderen Seite bleiben fächerspezifische Unterschiede beim Experimentieren bestehen: So lassen sich in der Biologie zum Beispiel wesentlich mehr für den Unterricht relevante Experimentiersituationen für reines Beobachten finden. Das Messen hingegen findet eher in chemischen oder physikalischen Kontexten statt. Erfreulich ist, dass die im Projekt entwickelten Experimenttests sehr gut bei den Schülerinnen und Schülern und ihren Lehrpersonen ankommen. Ein erstes Feedback war sehr positiv, wie diese Aussage einer Schülerin aus einer 1. Sekundarklasse B zeigt: «Ich fand es ganz cool. Es sind interessante, spannende Experimente. Es war natürlich schwierig, herauszufinden, welche Crème am fettigsten oder wässrigsten war. Aber es hat viel Spass gemacht.» Und ein Schüler einer 3. Sekundarklasse A meinte: «Ich fand dieses Experiment recht gut. Es ist etwas Neues, das Spass macht. Die chemische Reaktion hat mich überrascht.» Einzigartiger Experimentiertest geplant Erste Ergebnisse aus dem Projekt konnten bereits in die Aus- und Weiterbildung einfliessen und werden unter anderem von Studentinnen und Studenten der PH Zürich kritisch besprochen. Um allgemein gültige Aussagen über die experimentellen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu erhalten, soll im kommenden Jahr eine Hauptstudie durchgeführt werden. Für diese soll die Anzahl der Testaufgaben verdoppelt werden. Ein Experimentiertest in dieser Grössenordnung wäre einzigartig und würde eine noch umfassendere Kompetenzbeurteilung im Bereich des Experimentierens ermöglichen. Realisiert wird das Projekt im Rahmen des MINT-Clusters der PH Zürich von Mitarbeitenden der Abteilung Ausbildung Sekundarstufe I (Josiane Tardent, Christoph Gut) und des Zentrums für Didaktik der Naturwissenschaften (Pitt Hild, Susanne Metzger).
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«Ein Zusammenspiel von Wissenschaft und Praxis»
Barbara Fäh, Prorektorin Ausbildung an der PH Zürich Akzente: Frau Fäh, Sie sind seit September Prorektorin Ausbildung an der PH Zürich. Mit welchem Bild der Lehrerbildung traten Sie Ihre neue Stelle an? Fäh: In meinem Studium der Erziehungswissenschaft habe ich im Rahmen von Forschungsprojekten intensiv mit Lehrpersonen zusammengearbeitet. Dabei traf ich auf ausgesprochen engagierte Personen, aber auch auf ein Umfeld, das mit grossen gesellschaftlichen Herausforderungen umgehen muss. Die Lehrerbildung steht in besonderem Masse im Fokus der Öffentlichkeit und insbesondere der Politik. Dies ist für mich eine neue Herausforderung, auf die ich mich sehr freue. Akzente: In Ihrer Doktorarbeit haben Sie die Themen Gesundheit und Lehrerbildung zusammengeführt. Welches waren Ihre Erkenntnisse? Fäh: Ich ging der Frage nach, ob die Stärkung der psychischen Gesundheit der Lehrpersonen Kinder im Grundschulalter beeinflusst. Dabei wurde nachgewiesen, dass eine Abnahme der psychischen Belastung bei den Lehrpersonen in einem direkten Zusammenhang mit dem Wohlbefinden der Kinder steht. Mir scheint es wichtig, bereits in der Lehrerbildung diesen Aspekten hohe Aufmerksamkeit zu schenken. Akzente: Sie übernehmen mit dem Prorektorat Ausbildung einen Bereich, der sich vor allem an den Bedürfnissen der Praxis orientieren muss. Was nehmen Sie aus Ihrer Forschungstätigkeit mit? Fäh: Das Zusammenspiel von Wissenschaft und Praxis. Dies ist schon in der Ausbildung zentral. Fragen müssen aus der Praxis in die Wissenschaft fliessen und die Resultate der Wissenschaft zurück in die Praxis. In diese Richtung laufen an der PH Zürich auch aktuelle Entwicklungen. Dies weiter zu konkretisieren und zu implementieren ist eine Aufgabe der ganzen Hochschule, aber insbesondere des Prorektorats Ausbildung. Ausführliches Interview: blog.phzh.ch/akzente
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PH Zürich – Ausbildu ng
menteller Kompetenzen nicht unabhängig in einzelnen Themenbereichen, sondern als kontextübergreifende Kompetenzen im Sinne der «Natur der Naturwissenschaften» gefördert werden sollte. Ähnliche Hinweise finden sich auch in grösser angelegten Studien im Ausland.
Vom Maurer zum Lehrer zum Maurer
Das Restaurieren von Trockensteinmauern ist für Thomas Leisibach eine Herzensangelegenheit. «Bei dieser Arbeit lerne ich die Natur immer wieder neu schätzen», sagt er. Der Berufsschullehrer kommt seit langem regelmässig ins Domleschg. In den vergangenen Jahren leitete er jeweils das Lehrlingslager, welches 2014 bereits zum achten Mal stattfindet. Als Leiter hatte er jedoch kaum Gelegenheit, mitzuarbeiten. In diesem Jahr legt er nun selber Hand an. «Die Intensivweiterbildung bietet Dem Handwerk bleibt der ursprünglich eine gute Gelegenheit, für eine Woche zu meinen Wurzeln zum Maurer ausgebildete Thomas Leisibach zurückzukehren.» Ursprünglich absolvierte Thomas Leiauch als Mitglied der Abteilungsleitung sibach zwei Berufslehren als Hochbauzeichner und Maueiner Berufsschule verbunden. Hammer rer. Nachdem er einige Zeit in diesen Berufen tätig gewe-
und Meissel hatte er jedoch schon lange nicht mehr in der Hand. In seiner Intensivweiterbildung bekam er nun Gelegenheit, während einer Woche Trockensteinmauern zu sanieren.
Serie – Blick in eine a ndere Ber ufswelt
Text: Christoph Hotz, Fotos: Cécile Oberholzer
Hoch auf dem Berg oberhalb von Tomils im bündnerischen Domleschg thront Schloss Ortenstein. Die Burganlage ist von weit her sichtbar und zieht die ganze Aufmerksamkeit der Besucher von der PH Zürich auf sich. Es herrscht seit Tagen Dauerregen – miserable Bedingungen für die 26 Maurerlehrlinge der Berufsschule Winterthur, die im Schatten des Schlosses hacken, spitzen und hämmern. Die jungen Männer restaurieren im Rahmen eines einwöchigen Lagers eine rund 35 Meter lange Trockensteinmauer. Viele dieser Mauern sind mehrere hundert Jahre alt und befinden sich in einem schlechten Zustand. Ursprünglich dienten sie den Bauern als Grenzmarkierung, heute sind sie wertvolle Stützmauern und Nistplätze für Nützlinge wie Eidechsen oder Vögel. 32
sen war, arbeitete er als Polier, Bauführer und Baumeister, bevor er sich vor 16 Jahren zum Berufsschullehrer ausbilden liess. Heute ist er Mitglied der Abteilungsleitung Bau an der Berufsbildungsschule Winterthur. Daneben unterrichtet er noch sieben Lektionen pro Woche als Fachlehrer. «Die jetzige Tätigkeit erfüllt mich voll und ganz. Ich bin als stellvertretender Abteilungsleiter hauptsächlich mit Planungs-, Organisations- und Führungsaufgaben betraut. Diese Arbeit liegt mir, obwohl ich auch den Kontakt zu den Schülern immer noch sehr schätze und nach wie vor gerne unterrichte.» AKZENTE 4/2014
Auf Berufszeit zurückblicken Beim Mittagessen ergibt sich die Gelegenheit, einige Worte über die Intensivweiterbildung zu wechseln. Thomas Leisibach absolviert diese in drei Etappen. Nach dem Trockensteinmauerkurs wird er für zwei Wochen
nach Marokko reisen, um über den Atlas in die Westsahara zu wandern. Anschliessend geht es für einen Sprachaufenthalt weiter nach Malaga. «Ich möchte unbedingt Spanisch lernen, die Intensivweiterbildung bietet dazu eine gute Gelegenheit.» Eine wichtige Komponente der Weiterbildung bildet die Möglichkeit zur Reflexion der beruflichen Tätigkeit. Während der Arbeiten an der Trockensteinmauer habe er dafür kaum Zeit, sagt Thomas Leisibach. Auf den zwei anstehenden Reisen werde er sich jedoch sicher intensiv Gedanken machen. «Ich bin nun 58 Jahre alt und möchte gerne einmal in Ruhe auf meine Berufszeit zurückblicken und über den anstehenden Ruhestand nachdenken.» Vorerst hat jedoch der Abschluss der Renovationsarbeiten Vorrang. Die Uhr zeigt inzwischen 13 Uhr, die Mittagspause ist damit beendet. «Auf geht’s», sagt Thomas Leisibach, setzt seinen Hut auf und macht sich mit seiner Mannschaft auf den Weg.
Intensivweiterbildung (IWB) für Lehrpersonen Lehrpersonen der Volksschule und Berufsschullehrpersonen haben im Kanton Zürich nach mindestens zehn bzw. zwölf vollendeten Dienstjahren Anrecht auf eine Auszeit in ihrem beruflichen Alltag in Form einer sogenannten Intensivweiterbildung (IWB) an der PH Zürich. Das Profil «Individuelles Projekt» beispielsweise ermöglicht Berufsschullehrpersonen, über sieben Wochen ein Projektthema zu realisieren bzw. eine auf ihre berufliche Entwicklung zugeschnittene Weiterbildung zu verfolgen. Im Rahmen der Serie «Blick in eine andere Berufswelt» haben wir an dieser Stelle in diesem Jahr vier Lehrpersonen in ihrer Intensivweiterbildung begleitet.
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Serie – Blick in eine a ndere Ber ufswelt
Thomas Leisibachs Maurer-Erfahrung ist Gold wert für die Restaurationsarbeiten. Die Steine müssen zuerst in die richtige Form gebracht werden, bevor sie in die Mauer eingesetzt werden können. «Es ist teilweise eine Millimeterarbeit», sagt Leisibach, während er behutsam eine Ecke eines Steinbrockens wegmeisselt. «Man muss spüren, an welcher Stelle man den Stein brechen kann.» Die grösste Herausforderung besteht allerdings darin, passende Deckplatten zu finden. Diese sind dünner als die Steine in der Mauer, die Form kann daher nur noch wenig angepasst werden. «Die Arbeit erfordert viel Geduld. Da ich eher ein ungeduldiger Mensch bin, tut mir diese Tätigkeit sehr gut.» Trotz widriger Umstände schreiten die Arbeiten gut voran. Das Team liegt im Zeitplan. Heute ist der letzte Tag, am Abend muss die Mauer fertiggestellt sein. Thomas Leisibach: «Die jungen Männer sind sehr fleissig und zeigen viel Einsatz.» Die Arbeitstage dauern für die Lehrlinge gleich lang wie in ihrem Betrieb. Los geht es um 7 Uhr, Feierabend ist um 17 Uhr. Über Mittag fährt die Mannschaft in das nahe gelegene Dörfchen Papels, wo auch die Unterkunft – eine Zivilschutzanlage – liegt. Gegessen wird im Restaurant Triangel. Dieses ist zu diesem Zeitpunkt im Jahr in der Regel geschlossen. Die Betreiber haben jedoch extra für das Lehrlingslager geöffnet. «Die Unterstützung in den Gemeinden ist sehr gross. Dies vereinfacht die Durchführung erheblich», sagt Thomas Leisibach auf der Fahrt ins Restaurant.
Medientipps MEDIENKINDER HEUTE
Medien gehören zu unserem Alltag – und zu dem der heutigen Kinder. Da Expertentipps zum Medienumgang in der Familie durchaus Sinn machen, jedoch selten eins zu eins übertragen werden können, wählt die Autorin einen neuen Weg: Sie lässt die Leserinnen und Leser «durch das Schlüsselloch in andere Medienhaushalte schauen», damit am Medienalltag der befragten Eltern (Experten und Nicht-Experten) teilhaben und so die verschiedenen Adaptionen einzelner Regeln kennenlernen. Diese sind den jeweiligen Familienkonstellationen angepasst, beispielsweise erlaubt eine Mutter die Nutzung ihres Smart phones in Wartesituationen, eine andere gibt es nicht in Kinderhand und zeigt nur selber aufgenommene Fotos. Alle Tipps und zusätzlichen Erläuterungen sind ins Alltagsleben eingebettet. So wird deutlich, dass unter anderem Gespräche, die Inhaltsauswahl, transparente Regeln sowie die Eltern als Vorbilder zentrale Punkte für eine gelingende Medienerziehung sind. – Mirjam Egloff E. Hipeli. MedienKids: Bewusster Umgang mit allen Medien – von Anfang an. Zürich: Beobachter-Edition, 2014. 215 Seiten.
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BISS INS GEWISSEN
In Gerhard Meisters Hörspiel ist die Welt ein Ekel. Auf der einen Hälfte ersticken fette Zyniker im Überfluss, auf der andern setzen Notleidende ihre Arbeit «in einer Kruste von Erbrochenem» fort. Im Stück besprechen vier Stimmen, wie man sich in dieser Welt verhalten soll: «Soll ich auf mein Handy verzichten, weil ich weiss, unter welchen Bedingun-
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gen in Afrika Koltan abgebaut wird?» An Themen wie Organhandel oder Wohlstandsstress werden moralische Dilemmata beurteilt und zwingen einen zu einer Haltung irgendwo zwischen Gleichgültigkeit, Mitgefühl und Aktion. Das ist ein starkes Stück. Die Zuspitzungen führen aber auch zu Pauschalisierungen: Hier reich und narzisstisch, dort arm und bedürftig. Kurzatmig
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getaktete Redebeiträge verstärken die bedrohliche Stimmung, die mit dunklen Bässen und Hintergrundtönen erzeugt wird. Tipp: Zum Hörspiel gibt es bei «Éducation 21» ein Begleitdossier für den Unterricht. – Alex Rickert
G. Meister. In meinem Hals steckt eine Weltkugel. Ein Hörspiel. Luzern: Der gesunde Menschenversand, 2013. Audio-CD, 52 Min.
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Foto: Reto Klink
Medientipps
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REFLEXION IM PORTFOLIO
Die Begriffe «Reflexion» und «Portfolio» lösen nicht nur positive Reaktionen aus – sowohl bei Studierenden als auch bei Dozierenden. Indem angehende Lehrpersonen Praxis und Theorie verknüpfen, sollen sie zu lebenslangem Lernen angeregt werden. Auch Schreibpädagoge Gerd Bräuer geht von dieser Idealvorstellung aus und skizziert in seinem Vademecum schreibdidaktische Szenarien zu einer reflexiven Praxis. Er differenziert hierarchische Ebenen der Reflexion, welche die Studierenden auf ihrem Weg durchlaufen. In der wiederkehrenden Rubrik «Ideen für Ihre Lehre» gibt Bräuer praxiserprobte Vorschläge, wie Reflexionen in Lehrveranstaltungen eingesetzt und weiterentwickelt werden. Grossen Wert legt der Autor darauf, E-Portfolios anzupreisen. Diese schaffen seiner Meinung nach einen Mehrwert, indem sie unterschiedliche Dokumenttypen vereinen und neue Zusammenhänge erschliessen lassen. – Yves Furer
G. Bräuer. Das Portfolio als Reflexionsmedium für Lehrende und Studierende. Opladen: Verlag Barbara Budrich, 2014. 128 Seiten.
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SITUATION ROOM
Müsste man Barack Obamas Amtszeit auf ein einziges Foto reduzieren, hätte das Gruppenbild, das Pete Souza von der US-Führungscrew während des Schlags gegen Osama Bin Laden gemacht hat, gute Chancen zur Kür. Vier Annäherungen aus verschiedenen Disziplinen sind im vorliegenden Band vereint. Günter Haller diskutiert das Foto vor dem Hintergrund politischer Bildstrategien und stellt die Protagonisten vor. Ulrike Pilarczyk situiert das Bild methodisch stringent im Kontext des gesamten Photostreams zum Ereignis vom 1. Mai 2011 und deckt ein «unheilvolles Spiel mit scheinbarer Transparenz» auf. Aus psychologischer Sicht beschäftigt sich Aglaja Przyborski mit dem bildlichen Habitus von Macht, während Martin Schuster eher grundlegende bildliche Eigenschaften wie Mehrdeutigkeit oder kulturelle Codes durchdekliniert. – Ein tolles Buch über ein Bild, das Geschichte(n) schreibt. – Thomas Hermann
A. Przyborski, G. Haller (Hrsg.). Das politische Bild. Situation Room: Ein Foto - vier Analysen. Opladen: Verlag Barbara Budrich, 2014. 168 Seiten.
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INKLUSIVE BILDUNG
Diversität und Inklusion sind Prinzipien eines neuen Paradigmas, das Vielfalt zu nutzen statt zu vermeiden sucht und Gemeinsamkeit als Ergebnis von Bildungs prozessen versteht statt als deren Voraussetzung. In diesem Herausgeberband wird in vielfältigen Beiträgen zu Grundlagen, Lehrerprofessionalität, Didaktik und Hochschul entwicklung aufgezeigt, welche Themen und Fragestellungen es bei der Umsetzung von Inklusion in Bildungssystemen zu bearbeiten gilt und wie dabei vorgegangen werden kann. Es werden aktuelle Probleme aufgegriffen, kritische Fragen gestellt, neue Forschungszugänge aufgezeigt und Ergebnisse aus Studien dargelegt. Der Band gibt einen guten ersten Überblick zu den zentralen Themen rund um Inklusion und Diversität in Bildungskontexten und bietet wertvolle Anregungen für Forschung, Lehre und Schulpraxis. – Judith Hollenweger
S. Trumpa, S. Seifried, E. Franz, T. Klauß (Hrsg.). Inklusive Bildung: Erkenntnisse und Konzepte aus Fachdidaktik und Sonderpädagogik. Weinheim u. Basel: Beltz Juventa, 2014. 384 Seiten.
Asoziale Netzwerke? Zwei Jugendliche geben sich im Chat als freizügiges Girl aus und setzen damit leichtfertig das Leben eines Mitschülers aufs Spiel. Ein Ehepaar spricht seit dem Tod seines Babys kaum noch miteinder. Sie sucht in einem Selbsthilfeforum Trost, er lenkt sich online mit Pokerspielen ab. Eine engagierte TV-Reporterin möchte einem Cam-Boy helfen, scheint ihn aber ebenso für ihre Zwecke zu missbrauchen wie der Betreiber der Porno-Website. In seinem Spielfilm «Disconnect» (Impuls Media 2014) verwebt Regisseur HenryAlex Rubin persönliche Schicksale und Parallelgeschichten zu einem Sittenbild der digitalisierten Gesellschaft – und er zeigt, dass «Soziale Medien» unser Zusammenleben nicht einfacher machen. In seinem beunruhigenden und zuweilen plakativen Thesenroman «Der Circle» (Kiepenheuer & Witsch 2014) entwirft Dave Eggers ein Szenario, wie wir es uns schon gut vorstellen können. Als eine junge Frau auf dem riesigen und mit kulturellen Aktivitäten brodelnden Campus des «Circle» zu arbeiten beginnt, kommt es ihr vor, als würde die Welt gerade neu erfunden. Google, Facebook und Twitter waren gestern. Der expandierende Social-Media-Konzern führt alles zusammen und schafft Anonymität und Geheimnisse ab. «Alles Private ist Diebstahl», lautet ein Motto der neuen Weltordnung. Transparenz verkommt zur Tyrannei und Freiheit wird der Firmenideologie geopfert. Fotos im Netz, Privatsphäre und virtuelle Freundschaften greift auch die Schulfernsehsendung «Social Media» auf. Begleitmaterialien und Arbeitsblätter der PH Zürich finden Sie auf SRF mySchool. – Daniel Ammann
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Mario Bernet – aus dem Leben eines Lehrers
Illustration: Raffinerie AG
Zugegeben, es ist etwas ambitioniert von mir, in der vierten Stunde des Dienstagvormittags Winkel halbieren und übertragen zu lassen. Vielleicht hat mich der Eifer der Kinder, als es zuvor um Denksport und Französischvokabeln ging, etwas übermütig werden lassen. Jedenfalls werde ich nun mit Fragen, schiefen Skizzen und defekten Zirkeln bestürmt. Das macht mich ungeduldig – jeder Lehrer kennt diese Augenblicke, in denen einen der Ärger über die eigene Fehlplanung reizbar werden lässt. Neben dieser hausgemachten Unruhe registriere ich, wie die Glocken der benachbarten Kirche St. Felix und Regula wiederholt und zur Unzeit erschallen, was den Kindern in ihrer Verwirrung glücklicherweise entgeht. Ich aber schweife innerlich ab und sinniere über die Gründe des willkürlichen Glockendröhnens und muss mich schliesslich mit dem vorläufigen Befund «Steuerungsfehler» begnügen, denn die Klasse droht aus dem Ruder zu geraten. Ich ordne an, die missglückten Winkelzeichnungen beiseite zu legen und in den letzten zwanzig Minuten an einfachen, hübschen Kreisornamenten zu arbeiten. Die Zirkel kreisen nochmals ordentlich, aber dieser
Abschluss hat für mich ein wenig den Beigeschmack des Scheiterns. Ich habe die Glocken schon fast vergessen, als ich später das Schulhaus verlasse. Auf dem Weg zum Bahnhof Hardbrücke, der an besagter Kirche vorbeiführt, fällt mir der Schriftzug auf einem weissen Lieferwagen auf: www.kirchturm.ch. Diese Leute haben also unsere missratene vierte Lektion akustisch begleitet – die Kirchturm-Experten beim Warten des Glockengestühls! Sogleich beschleicht mich ein Anflug von Neid auf diese Berufsleute, die mit sicherem Auge und ruhiger Hand die Mechanik und Elektronik des Kirchturms richten. Kirchturm-Mechaniker müsste man sein! Dann blieben einem der Lärm, die Unordnung und Aufregung erspart, die in unserem Beruf täglich hinter jeder Ecke lauern. Mit einer Mischung aus Neid und Neugier will ich es dann etwas genauer wissen und besuche zu Hause die Homepage der Kirchturm-Meister. Der Auftritt ist selbstbewusst und bescheiden zugleich, diese Profis kommen ohne grosse Sprüche aus. Wenn es hochkommt, stellen sich ihnen Unwägbarkeiten wie diese: «Das Eigenschwingverhalten des Turmes zusammen mit dem Schwungverhalten der Glocken kann zu der Problema-
tik führen, dass sich die Systeme gegenseitig aufschaukeln.» Auch dieses Phänomen ist aufgrund langjähriger Erfahrung lösbar, wird sogleich versichert. Uns Lehrpersonen schützt auch langjährige Erfahrung nicht vor Systemen, die sich im Unterrichtsalltag gegenseitig aufschaukeln. Auch nach vielen Jahren gibt es sie immer wieder: Schultage, deren Lernerfolg höchst ungewiss ist, Kinder, die wir trotz Phantasie, Geduld und Beharrlichkeit nicht erreichen. Als ich am nächsten Morgen das Schulareal betrete, rennt mir Admir entgegen und wedelt mit einem Blatt Papier. Er drückt mir eine Zeichnung in die Hand. Es ist das Kreisornament vom Vortag – präzis gezeichnet und sorgsam ausgemalt. So etwas habe ich von Admir noch nie gesehen. Energisch bemerkt er: «Ich schenke es Ihnen. Ich habe beim Französischtext geschummelt. Das tut mir leid.» Der verschlungene Vierklang frisch gewarteter Kirchenglocken ist gewiss faszinierend. Und doch ziehe ich weiterhin Admirs Launen, Zeichnungen und Entschuldigungen vor und vergesse die missglückte Geometrie-Lektion. Mario Bernet ist Primarlehrer im Schulhaus Sihlfeld und Praxisdozent an der PH Zürich.
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Kolu m ne – aus dem Leben eines Lehrers
Vom Schwungverhalten der Kirchenglocken
Unser erster Blick auf das Bild wird vom Kind im
Freiwilligeneinsatzes fünf Wochen lang in einer Schule in der Stadt Vordergrund erwidert. Schauen wir Livingstone in Sambia gearbeitet. genauer hin, stellen wir fest, dass Dabei hat sie die Klassenlehrerin gleich mehrere Augenpaare auf uns beim Unterrichten und die Kinder gerichtet sind. So lassen wir uns beim Lernen unterstützt. Wandtafel von Fotos gerne täuschen, denn und Kinderzeichnungen wirken die Kinder blicken ja nicht uns an, im Gegensatz zum Schulzimmer sondern die Fotografin. Wir nehmen vertraut. Tatsächlich befinden sich ihre Perspektive beim Betrachten die Kinder in einer Turnhalle, in unweigerlich ein und fühlen uns der gleichzeitig zwei weitere Klassen vom Bild direkt angesprochen. unterrichtet werden. Wir können uns Die Fotografin Ursula Schwarb hat vorstellen, wie eine solche Lernumim Sommer 2014 im Rahmen eines gebung manchmal zur Lärmumge-
bung wird. Ordnung ist deshalb besonders wichtig. Ursula Schwarb setzt diese Ordnung ins Bild. Sie nimmt die im Quadrat sitzenden Zweitklässlerinnen und Zweitklässler über eine Diagonale auf. Die linke Seite des Quadrats läuft auf die Wandtafel mit dem Schulstoff hin, die rechte Seite auf die offene Türe und das Licht. Die Klassenlehrerin steht als Dreh- und Angelpunkt des Unterrichts auf der Mittelachse des Bildes. – Thomas Hermann
Impressum «Akzente» (vormals ph | akzente) erscheint viermaljährlich, 21.Jahrgang,Nr.4, November 2014, ISSN 2296-7281 (Print), 2296-732X (Online). Herausgeberin: Pädagogische Hochschule Zürich. Redaktion: Christoph Hotz (Redaktionsleitung), Redaktor Kommunikation; Daniel Ammann, Dozent für Medienbildung; Bettina Diethelm, wissenschaftliche Mitarbeiterin; Thomas Hermann, Dozent für Medienbildung; Vera Honegger, Redaktorin Kommunikation; Rudolf Isler, Dozent für Pädagogik; Reto Klink, Leiter Kommunikation; Michael Prusse, Abteilungsleiter Sek II/Berufsbildung. Redaktionelle Mitarbeit: Pascal Sigg, Isabel Plana. Adresse: Pädagogische Hochschule Zürich, Redaktion «Akzente», Christoph Hotz, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, akzente@phzh.ch, www.phzh.ch/akzente. Grafisches Konzept: Raffinerie AG für Gestaltung, Zürich. Layout: Regi Müller, Typografische Gestalterin PH Zürich. Druck: FO-Fotorotar, Egg ZH. Inserate: IEB AG, Industriestrasse 6, 8627 Grüningen, Tel. 043 833 80 40, Fax 043 833 80 44, info@ieb.ch, www.ieb.ch. Abonnemente: Jahresabonnement CHF 20.- inkl. Porto, Pädagogische Hochschule Zürich, Vera Honegger, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, vera.honegger@phzh.ch. Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier.
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Foto: Ursula Schwarb
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