Akzente 2/2018

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Akzente Das Magazin der Pädagogischen Hochschule Zürich

Mathematik – eigene Strategien beim Rechnen entwickeln Seite 10

Porträt: Melissa Gerber ist eine der ersten Studierenden im neuen Studiengang auf der Sekundarstufe I Seite 28 Interview: Wie sich die Kompetenzorientierung im Sportunterricht auswirkt Seite 34 blog.phzh.ch/akzente


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Yves Gellie: «Human Version 2.07 Nexi», 2009

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Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine 27. Mai bis 4. November 2018 Ob Lieferdrohnen, intelligente Sensoren oder Industrie 4.0 – die Robotik hält Einzug in unser Leben und verändert unseren Alltag grundlegend. Die grosse Schau untersucht den aktuellen Boom der Robotik erstmals eingehend. Sie umfasst Exponate aus Design und Kunst, darunter Roboter aus dem Wohn- und Pflegebereich und der Industrie, aber auch Computerspiele und Medieninstallationen. «Hello, Robot.» zeigt, wie vielgestaltig Robotik heute ist. Zugleich weitet sie den Blick für die ethischen, sozialen und politischen Fragen, die damit verbunden sind.

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Hello, Robot. Donnerstag, 14. Juni 2018, 17.30 Uhr Einführung für Lehrpersonen alle Stufen

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Material-Archiv Schwerpunkt Farbe Begleitheft & Lehrer/innendokumentation für alle Stufen für den selbstständigen Besuch mit der Klasse, kostenlos erhältlich an der Museumskasse, Download ab www.gewerbemuseum.ch / Angebote für Schulen & Lehrpersonen

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« Wir haben viel gelernt im Kurs. Mit Vergnügen.» EB Zürich, die Kantonale Berufsschule für Weiterbildung Riesbachstrasse 11, 8008 Zürich www.eb-zuerich.ch


Inhalt 2/2018

Titelbild: Mathematik an der Sekundarschule Elsau-Schlatt, Foto: Nelly Rodriguez

22 Reportage: Neue Wege in der Mathematik in Elsau-Schlatt.

36 Serie: Praxis vor Theorie im Musikunterricht an der PHZH.

28 Porträt: Nach dem Uni-Bachelor das Studium zur Lehrperson.

4 Vermischtes Holocaust Education: Projekte prämiert

28 Studierendenseite Porträt, Bachelorarbeit, Kolumne

7 Eine Frage, drei Antworten Wie bleiben Sie im Beruf gesund?

31 PH Zürich Ausbildung: Den Schritt von der Schule ins Erwerbsleben erfolgreich gestalten

9 Seitenblick Teetrinken statt Power-PointPräsentationen

10 Schwerpunkt Mathematik

Leitartikel: Mathematik auf eigenen Wegen erfahren Unterrichtsbeispiele: Von der Addition bis zur Algebra Interview: Roland Lötscher, Schachmeister Reportage: Mathematikunterricht an der Sekundarschule Elsau-Schlatt

Weiterbildung: Lehrmittel im Unterricht effizient einsetzen Ausbildung: «Der Sportunterricht wurde nicht neu erfunden» Weiterbildung: « Erwachsene beim Lernen zu begleiten, ist eine Bereicherung» 36 Serie «Das Modul» «Der Funke muss auf die Klasse überspringen» 38 Medientipps 41 Unter vier Augen Naturtalente im Lehrberuf 42 Instagram #takeover

Entweder man kann es, oder man kann es nicht. Dieses Klischee haftete der Mathematik lange Zeit an. Frühere Unter­richts- und Lernmethoden trugen wohl einiges zu diesem Vorurteil bei. Ältere Semester mögen sich noch gut daran erinnern, wie sie krampfhaft Multiplikationen auswendig lernen und sich durch umständliche «Sätzlirechnungen» kämpfen mussten. Wer nicht mithalten kon­nte, verlor über kurz oder lang den Anschluss. Heute zeigt sich in den Klassenzimmern ein neues Bild: Der Unterricht fokussiert viel stärker auf das Verständnis von Zahlen und Zusammenhängen, ist weniger ergebnisorientiert und stellt kreative und individuelle Lösungswege ins Zentrum. Auch mit neuen Konzepten bleibt es eine grosse Herausforderung, alle Schülerinnen und Schüler entsprechend ihren Fähigkeiten zu fördern. Die zweiteilige Sekundarschule ElsauSchlatt hat dafür einen eigenen Weg gefunden und zusätzliche Anforderungsstufen in Mathematik eingeführt. Wie dies funktioniert, zeigt die Reportage in diesem Heft. Einen anderen Blick auf die Mathematik gibt das Interview mit dem Internationalen Schachmeister Roland Lötscher. Er erkennt viele Gemeinsamkeiten zwischen den zwei Gebieten – beispielsweise beim Thema Intuition. Was es damit auf sich hat, erfahren Sie ab Seite 18. – Christoph Hotz

38 Impressum AKZENTE 2/2018

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In haltsverzeich nis/Editorial

Nach dem Krampf die Kreativität


Holocaust Education: Projekte prämiert

Anfang März fand an der PH Zürich die 9. Preisverleihung des Dr. Kurt Bigler-Preises für hervorragende Projekte im Rahmen der V   ermittlung des Holocausts statt. Der Anlass stiess auf grosses Interesse – nicht zuletzt, weil es sich um die letzte Preisverleihung in diesem Rahmen handelte, zu der neben den aktuellen auch alle bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger eingeladen waren. Kurt Bigler wurde als 14-Jähriger deportiert, seine Eltern wurden ermordet. 1942 gelang ihm die Flucht in die Schweiz. Nach dem Krieg arbeitete er als Lehrer und wirkte in der Folge als Dozent am Lehrerseminar Rorschach. Nach seinem Tod im Jahr 2007 gründete seine Frau Margrith Bigler eine Stiftung, die fortan Preise für hervorragende Projekte im Rahmen der Vermittlung des Holo­causts verlieh. An der diesjährigen Verleihung h ­ ielt Monique Eckmann, emeritierte Pro­ fessorin der Hochschule für Soziale Arbeit in Genf und Expertin in der Entwicklung von Bildungsansätzen gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus, die Laudatio für die insgesamt drei prämierten Projekte. Sie betonte dabei die Notwendigkeit eines eigenen Weges der Auseinandersetzung mit dem Holocaust in der Schweiz, in dem insbesondere der Umgang mit Flucht und Grenzen im Fokus stünden. In ihren Ausführungen zum ersten prämierten Projekt, dem Schultheaterstück «Flucht 4

Kommende   Ver­ anstaltungen 30. Mai Psychische Gesundheit stärken im Unterricht Der Anlass bietet unter anderem einen Einblick in das Programm feel-ok zur Ressourcenstärkung von Jugendlichen.

8. Juni Forschen und Bilden für eine nachhaltige Zukunft Die Tagung fokussiert auf die Frage, welchen Beitrag der Geografieunterricht leistet.

12. Juni Schulen unter (Leistungs-)Druck?! An der Podiums­ diskussion werden Ursachen und mögliche Lösungsansätze diskutiert. Weitere Infos:  phzh.ch/ veranstaltungen

in die Freiheit» der 8. Klasse der Rudolf Steiner-Schule Winterthur, hob sie den gesamten Prozess hervor, in den die Schülerinnen und Schüler sowohl kognitiv als auch emotional involviert waren. Dies einerseits auf der handlungsorientierten Ebene des Theaterspiels und andererseits indem sie sich mit schwierigen Fragen zu Flucht und Tod auseinandersetzten. Beim zweiten prämierten Projekt handelt es sich um das Lehrmittel «Verfolgt und vertrieben: Lernen mit und an Biographien» von Urs Urech (PH FHNW) und Christian Mathis (PH Zürich). Wie Eckmann ausführte, korrigiere es die Präkonzepte von Primarschulkindern, die oftmals nur die Phase der Vernichtung kennen würden, und vermittle die erste Phase, jene der Ausgrenzung und Diskriminierung, sehr eindrücklich. In ihrer Laudatio zum dritten prämierten Projekt, der Ausstellung «The Last Swiss Holocaust Survivors» der Gamaraal-­ Stiftung bzw. des Archivs für Zeitgeschichte der ETH, bezeichnete Eckmann das Zusammenspiel zwischen der Wahrnehmung der Porträts der Zeitzeugen in der Ausstellung und der historischen Kontextualisierung und Vertiefung ausgewählter Zeitzeugeninterviews als besonders gelungen. – Sabina Brändli, Eva Pruschy

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Foto: Olivia Rigoni

Ver mischtes

An der diesjährigen Verleihung waren neben den aktuellen auch alle ehemaligen Preisträgerinnen und Preisträger ein­geladen.


Aktuelles

Forschung zu Aufnahmeverfahren Eine Forschungsgruppe der PH Zürich hat die Vorhersagekraft von kompetenzbasierten Aufnahmeverfahren für spätere Leistungen in den Partnerschulen für Englisch- Berufspraktika untersucht. Dabei Fremdsprachenpraktika von zeigte sich, dass die Ergebnisse aus Studierenden der PH Zürich dem Aufnahmeverfahren in engem Zusammenhang stehen zu den Beurteilungen der UnterrichtskomAsien petenzen durch die Mentorierenden. So beurteilten sie jene Studie63 13 renden, die im Aufnahmetest eine Schulen Staaten hohe Punktzahl erzielten, ebenfalls besonders positiv.

Europa 1125 Schulen

9 Staaten

Südamerika & Karibik 14 Schulen

6 Staaten

Sechste Nachhaltigkeitswoche Auf dem Programm an der PH Zürich stand in der sechsten Nach­haltigkeitswoche von Mitte März ein Podium zum Thema «Vision 2030» mit Rektoren und Hochschul­ leitungsmitgliedern aller fünf Zür­cher Hochschulen. Zudem fanden diverse Workshops statt.

Nordamerika 526 Schulen

2 Staaten

Australien & Ozeanien 149 Schulen

4 Staaten

gratuliert herzlich zum bestandenen Abschluss und wünscht den neuen Lehrpersonen einen guten Einstieg in den Beruf.

Geschafft: Eine Absolventin der Primarstufe freut sich über das eben erhaltene Lehrdiplom.

«Einfach gut unterrichten» Dozierende der PH Zürich haben ein neues Didaktiklehrbuch entwickelt. «Einfach gut unterrichten» eignet sich sowohl für das Studium zur Lehrperson als auch für die Vorbereitung des Unterrichts an ­ der Volksschule.

HSK-Weiterbildung gestartet 33 angehende Lehrpersonen für Heimatliche Sprache und Kultur (HSK) absolvieren an der PH Zürich zurzeit die Weiterbildung «Einführung ins Zürcher SchulsysIn einem der Workshops stellten die tem». Startschuss war im Februar. Studierenden aus Altpapier Notizbücher und Blöcke her.

Fotos: Christian Wagner, Tom Györffy

Afrika 147 Schulen

13 Staaten

Total 47 Staaten

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2024 Schulen

Diplomfeiern vom Kindergarten bis zum Fachdidaktikmaster Von Februar bis April erhielten rund 250 Studierende ihr Diplom. Die Absolventinnen und Absolventen verteilen sich auf die Studiengänge Kindergarten, Kindergartenund Unterstufe, Primarstufe, Se­­k­u ndarstufe I und II sowie Master Fachdidaktik. Die PH Zürich

Die Vernetzungsarbeit bildet einen wichtigen Teil der Tätigkeit von HSK-Lehrpersonen.

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Ver mischtes

PHZH in Zahlen


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Die Schweizer Lösung für digitale und gedruckte Publikationen im Bildungsbereich

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Vernetzt lernen

Aufbauen

Unabhängig von Technologie und Ideologie

In bestehende Lern-Systeme einbinden

Wahlfreiheit

Unterstützung

Wissen vermitteln mit Buch und E-Book

Schulungen und Service-Hotline

Entscheidungsfreiheit

Unabhängigkeit

Situativ über das Lernmedium entscheiden

Keine langjährige vertragliche Bindung

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«Wir sehen die Dinge nicht so, wie sie sind, sondern so, wie wir sind.» KONFLIKTPRÄVENTION UND KONSTRUKTIVE KONFLIKTKLÄRUNG Methoden und Techniken der Mediation für den Führungsalltag: ein Seminar für Praktiker aus Wirtschaft, Verwaltung und Non-Profit-Organisationen. Seminar mit Raymund Solèr, lic. iur., Coach und Mediator SDM Mo./Di., 3./4. September 2018

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WAS IST DENN NUR MIT PAULA UND PHILIPP LOS? Pädagogischer Alltag mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen. Seminar mit Irmela Wiemann, Psychologische Psychotherapeutin, Familientherapeutin Mo./Di., 5./6. November 2018

GEWALTLOSER WIDERSTAND Wie gewaltloser Widerstand in der Familie, der Schule und der Gemeinde wirkt. Autorität ohne Gewalt, neue systemische Zugänge zu Aggression und Problemverhalten. Seminar mit Peter Jakob, Psychologe, Systemischer Familientherapeut Mo./Di., 12./13. November 2018

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Eine Frage, drei Antworten: Wie bleiben Sie im Beruf gesund? die Rückmeldung, dass ich vorlebe, noch mehr Gelassenheit zu was ich doziere, dass ich sehr au­erlangen. thentisch wirke. Es scheint mir zu gelingen, meine Arbeit gesundheitsförderlich zu bewerkstelligen.

Willi Müller, Dozent an der PH Zürich

Wenn   eine   Person genau die

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Monica Pool, Sekundarlehrerin ­ in der Stadt Zürich

Martina Heuss, Primarschul­ lehrerin in Urdorf

Für   mich   passt   auch   hier

Pestalozzis Motto «Kopf, Herz, Hand». Freude und Leidenschaft Dass   ich   gesund   bin   und für die eigene Tätigkeit und Zu­bleibe, erachte ich als nur teil­neigung zu den Menschen, die weise in meinen Händen liegend. einem anvertraut sind, stellen für Bis jetzt hatte ich das Glück, von mich wichtige Faktoren zur grösseren Unfällen und schweren Er­haltung der Gesundheit dar. Krankheiten verschont zu bleiben. Handle ich nach diesen GrundsätLehrerin zu sein erlebe ich als zen, dann fällt es mir leicht(er), Balanceakt – wenn ich mich mit gesund zu bleiben. Offenheit Stellenpartnerin, Schulleitung, gegenüber Neuem und ein loyales Kindern und Eltern grundsätzlich und wohlwollendes Team helfen verstehe, ist dies eine gute Situation. mir über gewisse Untiefen des Habe ich jedoch über längere Zeit schulischen Alltages hinweg. Weil unlösbare Probleme mit einer oder ich die Verantwortung für mein mehreren Partien, muss ich meiner körperliches und seelisches Wohl­Gesundheit zuliebe etwas an der ergehen trage, muss ich lernen Situation ändern. Ich bin froh, dass abzuwägen, wann es sich lohnt zu ich Teilzeit arbeite und somit Zeit kämpfen und wann es sinnvoller ist habe, mich mit anderem zu be­fas­nachzugeben. Das Geniessen von sen. Für mein Wohlergehen brauche feinem Essen und Beziehungen, ­ ich Austausch in- und ausserhalb von Kultur und Ästhetik sowie von der Schule. Im Schulalltag versuche Bewegung und Selbst-Zeit tragen ich, genügend Wasser zu trinken, zur Ausgewogenheit zwischen Be­mittags ein Power Nap zu machen, ruf und Privatleben bei. In meinem nachts genügend zu schlafen und «Tagebuch der schönen Dinge» halte mich auf dem Arbeitsweg und inner- ich fest, was mir Schönes und Er­halb des Schulhauses wann immer freuliches passiert ist – nicht nur am möglich zu bewegen. Durch regel­letzten Tag des Jahres ein schöner mässiges Meditieren erhoffe ich Rückblick. 7

Meinu ngen

Fähigkeiten und Fertigkeiten ein­bringen kann, die für ihren Job benötigt werden, dann spricht man von einer guten Passung, die vorteilhaft für die Gesundheit ist. Wie eine konkrete Arbeit wahrgenommen wird, hängt stark von den indi­viduellen Kompetenzen, der Bewertung der Situation, den Fähigkeiten zur Selbststeuerung sowie der proaktiven Selbstfürsorge ab. In den soeben genannten Bereichen kann meines Erachtens der Einzelne im beruflichen Kontext am meisten für seine Gesundheit tun. Hilfreich sind diesbezüglich Achtsamkeit und Selbstreflexion, Feedbacks, Weiter­bildungen in fachlichen und überfachlichen Bereichen, eventuell ein individuelles Coaching. Arbeit wird immer in einem sozialen Gefüge geleistet, das unterstützend und wertschätzend sein kann. Dann spornt es alle Betroffenen an und eine hohe Leistungsbereitschaft wird begünstigt. Das Arbeitsklima kann aber auch rau oder spannungsgeladen sein. Dies wirkt langfristig demotivierend und schadet der Gesundheit. Seit 17 Jahren vermitt­­le ich als Kursleiter in der Intensivweiterbildung den Umgang mit gesundheitsrelevanten Themen. Oft erhalte ich von den Teilnehmenden


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Christine Bieri Buschor – Seitenblick

Illustration: Raffinerie AG

Teetrinken fördert das ziel­orientierte und strategische Den­ken. Davon ist Liang Rui, CEO von Shanghai Robotics, überzeugt. Er startet die wöchentlichen Management-Meetings mit seiner Führungscrew jeweils mit einer kurzen Teezeremonie. Dies wirkt sich positiv auf den Teamgeist aus und trägt zum langfristigen Erfolg der Firma bei, so seine Erfahrung. Ich habe Liang Rui 2013 in Guangzhou kennengelernt. Er lud mich als «expatriate spouse» zum Chinese Morning Tea ein und führte mich in die Kunst des Teetrinkens als Führungsinstrument ein. Da ich begeisterte Teetrinkerin bin, nahm er mich auf den tea market mit, um mir die Wirkung der verschiedenen Tees zu erklären: Grüntee (绿茶 lǜchá) und Oolong-Tee (乌龙茶 wūlóngchá) eignen sich für Meetings zur Lagebesprechung. Schwarztee (红茶 hóngchá) für Entscheidungssituationen und Pu-ErhTee (普洱茶, pǔ'ěr chá) zur Beruhigung und Besonnenheit in akuten Krisensituationen. Tee hat in China eine grosse Tradition und war lange Zeit ein wichtiges Exportgut. Dabei ist der Tee-Export eng mit dem Konflikt AKZENTE 2/2018

mit dem Westen und den Opiumkriegen verbunden. Als die Engländer vor rund 200 Jahren die steigenden Teeimporte aus China nicht mehr mit Silbermünzen bezahlen konnten, betrieben sie um 1848 Industriespionage. Sie wählten einen lernfähigen schottischen Bauernsohn, Robert Fortune, der von der East India Company ins grosse Land gesandt wurde. Dort sollte er das Handwerk der chine­sischen Teebauern erlernen und Teepflanzensetzlinge nach Indien schmuggeln. Nach einem ersten misslungenen Versuch gelang es ihm schliesslich, die Teepflanzen heil nach Indien zu bringen, wo sie von den britischen Kolonial­ herren im grossen Stil angepflanzt wurden. Teetrinken ist trotz der Vor­liebe der jüngeren Generation für Starbucks-Kaffee in Pappbechern in China heute noch in verschiedenen Lebensbereichen verbreitet – auch im Management. Liang Rui verkörpert die konfuzianische Tradition perfekt: Er vertritt ein hierarchisch-paternalistisches Führungsverständnis, das sich durch eine starke Beziehung zwischen Führung und Geführten

auszeichnet. Bei Fragen äussert sich der Chef stets zuerst, danach bittet er die Mitarbeitenden, kurz Stellung zu nehmen. Man strebt nach Exzel­lenz, Harmonie und Verantwortung. Liang Rui nutzt die Teezeremonie ganz in diesem Sinne; er pflegt Beziehungen und motiviert seine Mitarbeitenden, möglichst viel zu den betrieblichen Zielen beizutragen. Ich habe einiges von Liang Rui gelernt. Das hierarchisch-paternalistische Führungsverständnis entspricht zwar nicht meinem Verständnis – es ist ja auch ausschliesslich für Männer «gedacht» – , aber ich habe die Funktion des Teetrin­kens verstanden. Wie Liang Rui mir gezeigt hat, hilft Teetrinken beim «downloading», «thinking» und beim «strategic planning». Es dient aber vor allem der Beziehungspflege. Daher ist das Teetrinken auch für die Führungskultur an Hochschulen wichtig. Ich nehme mir deshalb vor, künftig weniger «PPPMeetings» zu veranstalten und mit meinen Mitarbeitenden mehr Tee zu trinken. Christine Bieri Buschor leitet die Abteilung Sekundarstufe I an der PH Zürich.

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Seitenblick

Teetrinken statt Power-PointPräsentationen


«Bei der Gestaltung von Mathematik­ aufgaben beziehe ich die Klasse mit ein. Wenn die Schülerin­ nen und Schüler einen persönlichen Bezug zum Thema schaffen können, erleichtert dies den Zugang.» Lynn Huwyler, Studentin auf der Sekundarstufe I


Der Mathematikunterricht hat sich stark gewandelt. Neue Unterrichtsmethoden ­fokussieren auf das Verständnis von Zahlen, Operationen und mathematischen Zusammenhängen und setzen dazu auf flexible Lösungsstrategien. Dies soll auch negative Erfahrungen mit Mathematik verhindern. Text: Melanie Keim, Fotos: Alessandro Della Bella

Dem Mathematikunterricht eilt ein belastender Ruf voraus. Mathematik gilt als schwierig, trocken und kalt. Und während sich kaum jemand damit brüstet, Schwierigkeiten in der Muttersprache zu haben, erntet unter Umständen sogar Sympathiepunkte, wer erzählt, in der Mathe eine Null gewesen zu sein. «Mathematik gehört nicht in den Kindergarten», lautete folglich der gesellschaftliche Kanon, als 2002 an der neu gegründeten PH Zürich das erste Mathematikmodul für den Kindergarten durchgeführt wurde. «Hinter der Meinung, dass Mathematik nicht kleinkindgerecht sei und Kinder überfordert, stecken oft negative persönliche Mathebiografien», sagt Beatrice Noelle, Dozentin für Mathematik auf der Kindergartenstufe an der PH Zürich und damalige Leiterin des Moduls. Die Mathematikförderung im Kindergarten soll jedoch gerade mithelfen, solche Erfahrungen mit Mathematik zu verhindern. Dies, indem positive Erlebnisse mit Mathematik ermöglicht und dadurch gute Grundlagen für das Lernen auf den höheren Stufen geschaffen werden.

«Der Mathematikunterricht in der ersten Klasse baut auf Fähigkeiten auf, die nicht alle Kinder ohne eine gezielte Förderung im Kindergarten mitbringen», erklärt Beatrice Noelle. Dazu gehören das sichere Zählen, ein Verständnis von «mehr und weniger», «grösser und kleiner», «hinten und vorne» oder von einfachen Teilmengen, etwa dass zwei Finger ein Teil von fünf Fingern an der Hand sind. «Kinder, die solche grundlegende Fähigkeiten beim Eintritt in die Primarschule nicht mitbringen, haben später häufig grosse Schwierigkeiten im Mathematikunterricht», sagt Noelle.

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Erste Erfahrungen mit Mathematik Seit 2008 schreibt der Lehrplan für den Kanton Zürich eine systematische, zielorientierte Mathematikförderung im Kindergarten vor. Im Lehrplan 21 wird der Aufbau der zu erwerbenden Kompetenzen nun noch klarer dargestellt. Ziel ist es, allen Kindern auf spielerische Weise Grunderfahrungen mit Zahlen und Ziffern, Mustern und Grössen sowie Formen und Bewegungen im Raum zu

Schwer pu nkt Mathematik

Mathematik auf eigenen Wegen erfahren


Schwer pu nkt Mathematik

ermöglichen. So suchen Kinder etwa mit einer Schnur im Zimmer nach Dingen, die gleich lang sind, und entwickeln durch die Erfahrung, dass ganz unterschiedliche Dinge gleich lang sein können, ein erstes Gefühl für Grössenverhältnisse. Vieles lernen die Kinder auch durch gegenseitiges Beobachten. Unternimmt die Lehrperson etwa mit ihrer Klasse einen Spaziergang, auf dem die Kinder auf Schildern, an Häusern oder auf Autos Zahlen suchen, lernen Kinder oft beiläufig von anderen, was eine Zahl und was ein Buchstabe ist. Die Lehrperson korrigiert dabei lediglich Fehler und achtet darauf, korrekte Begriffe zu verwenden. «Wichtig ist, dass Mathematik von Beginn an korrekt stattfindet», sagt Noelle. Wenn Kinder beispielsweise mit einer Schnur ein Dreieck legen sollen oder indem sie zu dritt auf dem Boden liegen, entwickeln sie kaum eine

Guter Mathematikunterricht ist weniger ergebnisorientiert, sondern stellt das Verständnis der Zusammenhänge zwischen Zahlen ins Zentrum. korrekte Vorstellung eines Dreiecks, weil sie auf diese Weise keine richtigen Ecken bilden können. «Zum Teil wird Mathematik verkleidet, um sie vermeintlich kindgerecht zu gestalten», sagt Noelle. Wird die Zwei beispielsweise als zusammenhängende Kirsche, die Drei als Kleeblatt und die Vier als Auto eingeführt, ist dies eher hinderlich für das Verständnis der Beziehungen zwischen diesen Zahlen. Dabei ist eine solche Verkleidung gar nicht nötig, da Kinder grosse Freude am Abzählen, Ordnen und Gruppieren von Knöpfen oder Herbstblättern, an Symmetrieerkundungen mit einem Handspiegel oder einfachen Verkaufsspielen haben. Inzwischen hat die Mathematikförderung in vielen Kindergärten Einzug gehalten, wobei sich auch eine Kehrseite dieser Etablierung zeigt. Bei Kindergartenbesuchen sieht Noelle öfter, wie Kinder am Tisch sitzend Arbeitsblätter lösen. «Formaler Mathematikunterricht ist nur in sehr seltenen Fällen gerechtfertigt», sagt sie. Besser eignet sich ein spielerischer Unterricht mit handfesten Gegenständen (siehe Box Seite 14). Individuelle Lösungswege Auf der Primar- und Sekundarstufe wird dem handelnden Erforschen im Mathematikunterricht heute ebenfalls viel Raum gegeben. Bei der Einführung von Prozentzah12

len experimentieren Jugendliche in der Sekundarstufe beispielsweise mit einem elastischen Gummiband, auf dem Prozentzahlen von 0 bis 100 Prozent eingezeichnet sind. Wenn sie erkennen, wie sich die zehn Prozent auf dem Band mit der Länge des gestreckten Gummibandes verändern, fördert dies das Verständnis, was mit einer Prozentzahl ausgedrückt wird. Mit dieser Erfahrung, dass sich die Prozentzahl relativ zur Gesamtmenge verhält, werden die Schülerinnen und Schüler später leichter verstehen, weshalb eine Preisreduktion von 20 Prozent und eine nochmalige Reduktion um 20 Prozent nicht 40 Prozent Rabatt ergeben. Dass bei neuen Lerninhalten zuerst der Aufbau von Verständnis im Zentrum steht und Rechenfertigkeiten erst anschliessend geschult werden, gilt heute als Grundsatz des guten Mathematikunterrichts. Dieser ist weniger ergebnisorientiert, sondern stellt intelligente ­Lösungswege und ein Verständnis der Zusammenhänge zwischen Zahlen ins Zentrum. Fertige Rechenstrategien – etwa dass bei 7 + 5 stets auf 10 aufgefüllt wird und­ dann die 2 hinzukommt – gibt es in einem verständnis­ ori­ entierten Unterricht nicht. Stattdessen sollen die ­Kinder eigene Rechenstrategien finden: So rechnet ein Kind 25 + 48 beispielsweise «20 + 48 + 5», ein anderes «25 + 50 – 2» und ein drittes «20 + 40 + 5 + 8». Auch memorisieren Kinder keine Zahlreihen mehr für die Multiplikation und Division, sondern erarbeiten sich das Einmaleins durch individuelle numerische Netzwerke. Das heisst, sie lernen nur einzelne zentrale Multiplikationen wie «2 · 7» oder «5 · 7» auswendig und arbeiten mit diesen rechnend weiter, um unbekannte Rechnungen wie «7 · 7» zu lösen. Doch weshalb so kompliziert, wenn das Rechnen nach alter Schule doch viel einfacher und schneller ist? «Für viele Kinder bleibt das Rechnen nach Regeln leider ein Manipulieren von unverständlichen Zahlen», erklärt Andreas Schulz, Dozent für Mathematik auf Primarstufe an der PH Zürich. «Wenn Kinder jedoch Rechenverfahren und -regeln anwenden, die sie nicht wirklich verstehen, verlieren sie irgendwann den Überblick.» Wenn ein Kind beispielsweise den Zusammenhang zwischen «7 · 7», «5 · 7» und «2 · 7» nicht verstanden hat, sondern lediglich «7 · 7» auswendig kann, wird es mit grösseren Zahlen wie «12 · 7» oder «24 · 7» Mühe haben. «Das Fach Mathematik baut sehr stark auf bereits Gelerntem auf. Aktuelle Verständnislücken erschweren daher das nachfolgende Lernen», so Andreas Schulz. Das sogenannte flexible Rechnen, bei dem Kinder eigene Strategien entwickeln, soll verhindern, dass Kinder Rechnungen bearbeiten, ohne die Zusammenhänge wirklich zu verstehen, und bereitet so auf das Rechnen mit grösseren Zahlen vor. «Vor dem Rechnen sollen Kinder ein grundlegendes Verständnis des jeweiligen Rechenvorgangs entwickeln», erklärt Schulz. «Wie viel Mal AKZENTE 2/2018


«In meinen Praktika haben sich die Kindergartenkinder mit viel Freude mit mathematischen Themen be­ fasst. Die Aufgaben gestalte ich so, dass möglichst alle Kinder ent­ sprechend ihrem Niveau daran arbeiten können.» Jessica Favaro, Studentin auf der Kindergartenstufe


Schwer pu nkt Mathematik

passt 30 in 270 hinein?» nennt er als mögliche Grundvorstellung der Division von 270 durch 30 und «Wie verteile ich 270 auf 30?» als alltagsnähere Vorstellung. Um solche Vorstellungen zu entwickeln, wird heute viel mit Anschauungsmaterial gearbeitet. In diesem Beispiel erhalten die Kinder ein Blatt Papier, auf dem drei Rechtecke mit jeweils 100 Punkten abgebildet sind. Die Kinder zeichnen darauf anschliessend mit Trennstrichen ihre ­eigenen Rechenwege auf (siehe Box rechts). Durch die visuelle Darstellung des Rechenvorgangs entwickeln die Kinder eine Vorstellung für Grössenverhältnisse und merken, dass ein Resultat wie 90 von der Grössenordnung her nicht stimmen kann. Notiert werden schliesslich nicht nur Lösungen, sondern der gesamte Rechenweg. Dabei ist das Ziel, verschiedene, möglichst elegante und effiziente Rechenwege zu finden, die anschliessend im Plenum vorgestellt, erklärt und diskutiert werden. Mehr als Rechnen Wenn alle Kinder für die gleiche Aufgabe eine Rechenstrategie auf ihrem Niveau entwickeln können, stärkt dies die Motivation und führt weniger zu frustrierenden Mathematikerfahrungen. Zudem lernen die Schülerinnen und Schüler durch die Präsentation eigener Lösungswege in der Klasse, mathematisch zu argumentieren und logische Zusammenhänge mit Formulierungen wie «wenn …, dann …» auszudrücken. In einem sprachsensiblen Unterricht wird das dafür nötige Begriffsreper­ toire, das nicht nur für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache keine Selbstverständlichkeit ist, systematisch

Die Bedeutung der Sprache und von Fragen nach dem «wie» oder «weshalb» haben im Unterricht zugenommen.

Unterrichtsbeispiele

Von der Addition bis zur Algebra Eine gute Mathematikaufgabe zeichnet sich dadurch aus, dass sie zur vertieften Auseinandersetzung ­ mit Zahlen und Zahlenverhältnissen auffordert. Die fol­genden Aufgaben für den Kindergarten, die Primar­stufe und die Sekundarstufe I bie­ten Gelegenheit, eigene Lösungsstrategien zu entwickeln und zu ver­stehen,was mit Mathematik vermittelt werden kann.

Kindergarten Beispiel I Aufgabe: Zum Thema «Plus und Minus» wird ein Verkaufsspiel mit Nussstangen (mit Hilfe von Holzstangen) gespielt. Dazu wird die Klasse in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Kinder der einen Gruppe erhalten je zehn Nussstangen und richten dann einen Verkaufsstand ein. Die anderen Kinder sind Käuferinnen und Käufer. Sie gehen von Stand zu Stand und kaufen Nussstangen. Nach einem Verkaufsgespräch wird für jede Nussstange ein Handschlag als Bezahlung gegeben. Sobald ein Kind 10 Nussstangen eingekauft hat, wechselt es die Rolle und eröffnet einen Verkaufsstand. Erklärung: Bei diesem Spiel erleben die Kinder Veränderungen von Mengen: Die Menge der Nussstangen auf dem Verkaufstisch nimmt ab, während die Menge der Stangen der Kaufenden zunimmt. Diese Erfahrung bildet die Grundlage, um die Operationen Addition und Subtraktion verstehen zu können. Zudem erleben die Kinder den Begriff «gleich viel» konkret: Sie müssen gleich viele Handschläge geben, wie sie Stangen annehmen. Weil mit zehn Stangen gemäss Aufgabenstellung ein Verkaufsstand eingerichtet werden kann, müssen die Kinder laufend die Anzahl eingekaufter Stangen überprüfen und trainieren so das Zählen.

Kindergarten Beispiel II

erarbeitet. Vermehrt wird auch mit sogenannten Rechengeschichten gearbeitet. Dabei sollen die Schülerinnen und Schüler zu einer Rechnung eine Geschichte erfinden – etwa dass 270 Franken auf 30 Personen verteilt werden. Dadurch wird einerseits das Verständnis gefördert, andererseits sieht die Lehrperson, ob ein Kind wirklich verstanden hat, worum es geht. Generell hat die Bedeutung der Sprache und von Fragen nach dem «wie» oder «weshalb» im Mathematikunterricht zugenommen. Im Lehrplan 21 sind folglich drei von sechs Handlungsaspekten sprachlicher Natur: So lauten die Handlungsaspekte des 14

Aufgabe: Jedes Kind bekommt von der Kindergartenlehrperson einen Spiegel und experimentiert damit, indem es die unterschiedlichsten Gegenstände spiegelt. Erklärung: Die Kinder sammeln mit dem Spiel «Zaubereien mit dem Spiegel» Erfahrungen mit der Achsensymmetrie. Dabei entdecken die Kinder, dass das Origi­nal und das Spiegelbild zwar die gleiche Grösse und die gleiche Form haben, das Spiegelbild aber seitenverkehrt ist. Anschliessend zeichnen die Kindergartenkinder Bilder, welche sie mit Hilfe des Spiegels verändern. Besonders interessant sind dabei Bilder, die un­vollständig aussehen und sich mit dem Spiegel vervollständigen lassen.

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Aufgabe: Für die Rechnung 270 : 30 entwickeln Kinder eigene Rechenstrategien, zeichnen diese in Hunderter-Punktefeldern ein und notieren die Lösungswege in Zahlen. Auf den nachfolgenden Bildern sind zwei mögliche Lösungswege aufgezeichnet: Im ersten Fall (a) zeichnet ein Kind 30er-Blöcke bis zur Grenze bei 270 ein (Rechenweg «9 · 30»). Im zweiten Fall (b) nähert es sich der Frage «Wie viel Mal passt 30 in 270 hinein?» über das Vielfache von 30 an. Es probiert erst, ob «3·30» reicht, wird mutiger und fügt «4 · 30» hinzu, und füllt zum Schluss mit «2 · 30» auf. (Rechenweg: 3 · 30 + 4 · 30 + 2 · 30 = 9 · 30) In beiden Fällen werden die Rechenwege schriftlich notiert. a

b

Erklärung: Die Arbeit mit Punktefeldern fördert das Verständnis der Division: Vorstellungen zur Grösse von Zahlen und Beziehungen zwischen Zahlen werden gefestigt. Zudem lernen die Kinder, die formale Darstellung mit einem inhaltlichen Verständnis zu verbinden. Die Aufgabe ermöglicht eine natürliche Differenzierung im Unterricht und bietet eine gute Grundlage für den Austausch über individuelle Rechenwege.

Erklärung: Beim Einstieg in die Algebra im 7. Schuljahr wird heute darauf geachtet, dass Schülerinnen und Schüler die Bedeutung von Variablen verstehen, bevor sie mit ihnen rechnen. Sie lernen, dass Sachverhalte nicht nur mit konkreten Zahlen beschrieben werden können, sondern auch allgemein mit Variablen. Mit der dargestellten Aufgabe üben sie, Sachsituationen in alge­braische Terme zu übersetzen. Darauf aufbauend wird später mit Variablen gerechnet.

Sekundarstufe Beispiel II Aufgabe: Die Schülerinnen und Schüler sollen in den nachfolgenden Gleichungen ein Muster finden. Nach ersten Versuchen alleine oder zu zweit werden im Plenum mögliche Strategien ausge­tauscht. Ein möglicher Findungsweg könnte wie folgt aus­fallen: In einem ersten Schritt erkennen die Schülerinnen und Schüler, dass bei den Zahlen rechts des Gleichheitszeichens Einer- und Zehnerziffer vertauscht sind. Sie suchen anschliessend nach eigenen Zahlenpaaren mit diesem Muster und finden Beispiele wie «12 · 63 = 21 · 36». In einer Austauschrunde diskutiert die Klasse mit der Lehrperson, wie nun systematisch vorgegangen werden könnte. Beispielsweise werden in Tabellen Serien von Produkten notiert und anschliessend geprüft, ob das Produkt mit vertauschten Ziffern gleich gross ist. In einem nächsten Schritt überlegt sich die Klasse, nach welchem Muster diese Zahlenpaare aufgebaut sein könnten. So zeigt sich, dass das Produkt der Zehnerziffern jeweils gleich gross ist wie das Produkt der Einerziffern (d.h. für «12 · 63» gilt «1 · 6 = 2 · 3» und für «21 · 36» gilt «2 · 3 = 1 · 6»). Die Übersetzung in einen algebraischen Termin bestätigt, dass diese Regel für alle Gleichungen gelten muss.

12 · 42 = 21 · 24 46 · 96 = 64 · 69 13 · 62 = 31 · 24

Sekundarstufe Beispiel I Aufgabe: Je ein Term von rechts passt zu einer Sachsituation links. Die Schülerinnen und Schüler zeichnen Verbindungslinien zwi­schen den passenden Paaren ein. a Der Eintrittspreis für Kinder beträgt

b Franken, für Erwachsene a Franken; drei Erwachsene und drei Kinder kaufen Tickets für die Vorstellung im Zirkus.

Erklärung: Mit dieser Aufgabe wird das Problemlösen gefördert: Die Schülerinnen und Schüler sind herausgefordert, zuerst geeignete Vorgehensweisen zu finden und dabei verschiedene 50 – (3a + 3b) mathematische Tätigkeiten einzusetzen. Die Resultate der Berechnungen sollen anschliessend immer interpretiert werden: Was bedeuten sie? W   as lässt sich daraus folgern?

b Im Einkaufskorb liegen a Schokoladen zu

je CHF 3.– und b Brötchen zu je CHF 2.–. 3a + 3b Du bezahlst mit einer 50-Franken-Note. Wie viel Herausgeld erhältst du?

c Bei einer Ausstellung kaufst du drei CDs,

die normalerweise je a Franken kosten würden. Für die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher wurde der Preis aber um 5 Franken gesenkt.

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3a – 3b

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SchwerVer pu nkt Mathematik mischtes

Primarstufe


Schwer pu nkt Mathematik

kompetenzorientierten Unterrichts «Operieren und Benennen», «Erforschen und Argumentieren» sowie «Mathematisieren und Darstellen». Mathematik führt heute also weit über Rechnen und geometrisches Konstruieren hinaus. «Mathematik ist ein gutes Beschäftigungsfeld, um Zusammenhänge zu erforschen und ein strukturiertes Vorgehen für konkrete Problemsituationen zu entwickeln», sagt René Schelldorfer, Dozent für Mathematik auf der Sekundarstufe I. «Viele Situationen in Beruf und Alltag erfordern zuerst Überlegungen, auf welchem Weg sie gelöst werden sollen. Es geht jeweils darum, Probleme überhaupt erst zu analysieren und darauf basierend Entscheidungen zu treffen und eigene Strategien zu finden», so Schelldorfer. Daher werden heute im Mathematikunterricht vermehrt sogenannte Problemlöseaufgaben gestellt, die zum Tüfteln einladen. Schelldorfer legt als Beispiel drei Gleichungen vor, in denen es ein mathematisches Muster zu entdecken gilt. Dieses können die Schülerinnen und Schüler durch geschicktes Pröbeln mit weiteren Zahlenbeispielen finden, indem sie eine systematische Unter­suchung mit Tabellenkalkulation am Computer durch­führen oder indem sie die Gleichungen in die Sprache der Algebra übersetzen (siehe Box Seite 14). Diese Art, sich mit Mathematik zu beschäftigen, ist herausfordernder als das routinisierte Auflösen von Gleichungen, aber auch motivierender. Schliesslich knobeln viele Leute gerne, wie das grosse Interesse an Sudokus zeigt. Ein anregender Mathematikunterricht soll zwei Seiten von Mathematik zeigen. Den Reichtum innermathematischer Beziehungen sowie den Lebensweltbezug. «Besonders in den tieferen Niveaus sind viele Jugendliche froh, wenn man ihnen zeigt, wofür sie Mathematik brauchen können», sagt Schelldorfer. Gefragt sind etwa authentische Konstruktionsbeispiele aus einer Schreinerei oder realistische Rabattrechnungen aus dem Alltag. Textaufgaben, bei welchen die geschilderte Situation nur Einkleidung ist, motivieren die Jugendlichen meist weniger. So fänden Kinder und Jugendliche sogenannt innermathematische Aufgaben ohne Lebensweltbezug oft interessanter, sagt Schelldorfer. Weg von der eigenen Schulerfahrung Nachdem sich im Kanton Zürich auf Primar- und Sekundarstufe über 20 Jahre dasselbe Mathematiklehrmittel hielt, wurde an der PH Zürich aufgrund der grossen Veränderungen in der Fachdidaktik ein neues, zusammenhängendes Lehrmittel für sämtliche Stufen vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe I entwickelt. Diese beinhalten handlungsorientierte Einführungen zu jedem Thema sowie Aufgaben, die eine Binnendifferenzierung ermöglichen. «Gute Aufgaben sind wesentlich für einen guten Unterricht. Doch die Lehrperson muss das Potenzial einer Aufgabe erkennen und wissen, wie sie dieses 16

nutzen kann», sagt René Schelldorfer. Stellt die Lehrerin oder der Lehrer an der Wandtafel die möglichen Lösungswege für die oben genannte Division «270 : 30» nur vor, fördert dies keine aktive Auseinandersetzung mit der Aufgabe. «Eine gute Lehrperson kann sich auf die ‹Verstehensprozesse› der einzelnen Kinder einlassen», sagt Schelldorfer. Dafür ist in der Ausbildung ein Perspektivenwechsel weg von der eigenen, meist resultatorientierten Schulerfahrung nötig. Studierende lösen an der PH Zürich daher erst selbst anregende Mathematikaufgaben und erfahren so, dass diese Suche nach eigenen Lösungswegen Spass macht. Dadurch werden auch Berührungs-

Es ist anspruchsvoller, auf den Entwicklungsstand der einzel­ nen Kinder einzugehen, als die Klasse an einem Wochenplan arbeiten zu lassen. ängste zum Fach abgebaut. Auf der Kindergarten- und Primarstufe, wo Mathematik im Gegensatz zur Sekundarstufe nicht frei gewählt wird, sind solche Hemmungen verbreitet. Die Vorstellung, dass Lehrpersonen, die selbst schlechte Erfahrungen mit Mathematik gemacht haben, sich besser in schwächere Schülerinnen und Schüler versetzen könnten, weist Schelldorfer zurück. Entscheidend dafür sei vielmehr eine gute Ausbildung: «Je umfassender das mathematische Fachwissen, desto besser können Lehrpersonen das Denken ihrer Schülerinnen und Schüler nachvollziehen.» Ein neuer Mathematikunterricht wird sich allerdings nicht automatisch im Schulfeld verbreiten. Auch wenn Schülerinnen und Schüler diesen als sinnstiftend und interessant erleben, ist es für Lehrpersonen wie bei vielen anderen schulischen Themen anspruchsvoller, auf den Entwicklungsstand der einzelnen Kinder einzugehen und Bedingungen für ein soziales Lernen zu schaffen, als die Klasse an einem Wochenplan arbeiten zu lassen. Damit Lehrpersonen beim Berufseinstieg nicht auf altbekannte Konzepte zurückgreifen, ist eine gute Unterstützung durch das Lehrpersonenteam und die Schulleitung enorm wichtig. Diese wiederum müssen neue Unterrichtskonzepte kennen und unterstützen. Das grosse Interesse an Weiterbildungen zu einem neuen Mathematik­ unterricht ist ein gutes Zeichen dafür, dass ein Wandel stattfindet. AKZENTE 2/2018


«Ich achte im Mathe­ matikunterricht stark darauf, dass die Schü­ lerinnen und Schüler für die Entwicklung ihrer eigenen Lösungs­ wege genug Zeit erhal­ ten . Dabei weise ich sie stets explizit darauf hin, dass Fehler erlaubt sind.» Sandro Muratori, Student auf der Primarstufe


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«Eine einfache Formel kann Glücksgefühle auslösen»

Schach und Mathematik haben viele Gemeinsamkeiten. Als Experte beider Disziplinen erläutert der in Urdorf unterrichtende Kantonsschullehrer und Internationale Meister Roland Lötscher die Facetten dieser sich gegenseitig inspirierenden Verwandtschaft. Text: André Behr, Fotos: Nelly Rodriguez

Inwiefern? Im Schach braucht man sie, um zielführend durch das Dickicht all der möglichen Zugfolgen zu manövrieren, in der Mathematik ist sie entscheidend, wenn es um das Lösen neuartiger mathematischer Probleme geht. Und Muster wiederum findet man ebenfalls in beiden Gebieten, in der Mathematik etwa in Form von Termstrukturen und Symmetrien, im Schach bei positionellen oder taktischen Stärken respektive Schwächen einer Stellung. Eine Stärke kann hier beispielsweise die Beherrschung einer Linie oder Diagonalen sein, eine Schwäche ein isolierter Bauer oder ­ ein kaum geschützt stehender König. Verbindet Schach und Mathematik nicht auch eine Art abstrakte Schönheit? Unbedingt und in reicher Vielfalt. Wenn man seinen Gegner mit einem überraschenden Opfer zur Strecke bringt, eine Figur die ganze Stellung dominiert oder ein Spieler in einer Partie zum Beispiel alle weissen Felder beherrscht, wird das als AKZENTE 2/2018

Über Roland Lötscher Aufgewachsen in Werthenstein bei Luzern zeigte sich wie bei manch ande­rem Schweizer NLASpieler auch bei Roland Lötscher früh eine Doppelbegabung in Schach und Mathematik. Die Grundregeln des Spiels hatte dem damals Zehnjährigen sein drei Jahre älterer Bruder Pirmin beim Badeplausch beigebracht, mangels Schachset mittels Legosteinen. Danach blieb er dem Schach treu und wurde 2014 Internationaler Meister, doch im Zentrum stand die Mathematik, die ihn schon im Gymnasium fasziniert hatte. Lötscher studierte an der ETH Zürich, promovierte an der Uni Basel und habilitierte sich auf einem Spezialgebiet der Algebraischen Geometrie an der LMU München. Mittlerweile 36 und Vater eines Sohnes lebt er in Staufen und unterrichtet seit 2016 an der Kantonsschule Limmattal.

schön empfunden. Auch in der Mathematik kann eine einfache Formel oder ein erstaun­lich kurzer Beweis zur Lösung einer kompliziert scheinenden Fragestellung Glücksgefühle auslösen. Inspirieren sich Schach und Mathematik gegenseitig? Ich bin in dieser Frage kein Spezialist, aber es gibt viele Beispiele dafür. Eine zentrale Rolle hat Schach auf jeden Fall in der Informatik, denn es ist ein ungemein komplexes, aber endliches Spiel mit einfachen Regeln und war deshalb schon früh ein Paradebeispiel der KI-Disziplin, also der Forschung zur sogenannten Künstlichen Intelligenz. Kann der Mathematikunterricht vom Schach profitieren? Ja, und ich setze Elemente des Schachs auch in meinem Unterricht ein, allerdings eher selten. Ein einfaches Beispiel ist die Weizenkornlegende, bei der der Erfinder des Schachspiels für das erste Feld auf dem Schachbrett ein Weizenkorn verlangt und für jedes weitere Feld das jeweils Doppelte an Weizenkörnern wie beim Vorherigen. Die Schülerinnen und Schüler lernen anhand dieser Geschichte einiges über Potenzen, Logarithmen und geometrische Folgen. ­ Ein weiteres Beispiel: In der Kombinatorik verwendet man oft Bäume, um Dinge abzuzählen. Im Schach sind es Variantenbäume, die ein Schachspieler gedanklich durchwandert, um die beste Fortsetzung zu finden. Auf solche Querverbindungen weise ich gerne hin. Ausserdem gibt es interessante kombinatorische Probleme mit dem Schach. Schülerinnen und Schüler sollen beispielsweise herausfinden, wie viele Mög­­lichkeiten es gibt, Türme auf dem Brett zu positionieren, so dass sie alle Felder abdecken.

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Schwer pu nkt Mathematik

Akzente: Im Schachsport findet man auffällig viele Spieler, die auch ein Flair für die Mathematik haben. Worin besteht die Verwandtschaft dieser beiden Denkdisziplinen? Lötscher: Am offensichtlichsten zeigt sie sich im logischen Denkvermögen, der Intuition sowie in der Mustererkennung. Logisches Denken ist im Schach vor allem beim Berechnen von Varianten gefragt, denn man muss die jeweiligen Zugfolgen wie Beweisschritte in der Mathematik gedanklich einander gegenüberstellen, ordnen und bewerten können. Die Intuition leitet auf beiden Gebieten den gesamten Entscheidungsprozess.


Fördert Schach generell die Entwicklung der Kreativität? Ich denke schon, denn mit reinem Auswendiglernen kommt niemand sehr weit, weder in der Mathematik noch im Schach. Weil man sich während einer Partie nicht beraten und sich keiner Hilfsmittel wie Bücher oder Computer bedienen darf, wird man auf spielerische Art laufend gezwungen, Probleme selbstständig zu lösen. Zudem hat man nur eine beschränkte Bedenkzeit zur Verfügung, was beim Denken zu ökonomischem Vorgehen zwingt. Indem man oft spielt, baut sich die

Schwer pu nkt Mathematik

«Mit reinem Auswendigler­ nen kommt niemand sehr weit – weder in der Mathe­ matik noch im Schach.»

sich einprägen können, auch wenn das logische Denkvermögen noch nicht entwickelt ist. Diese Fähigkeit zu einer Art von innerem Sehen spielt für den Erfolg als Turnierspieler eine zentrale Rolle und es scheint, dass man sie umso weniger gut aufbauen kann, je älter man wird. Jedenfalls kenne ich auf  Topniveau keine Gegenbeispiele. Wie war das bei Ihnen? Ich habe Schach erst mit zehn von meinem drei Jahre älteren Bruder gelernt und musste gegenüber Kollegen, die jünger begonnen hatten, vieles nachholen, machte dann allerdings rasch erfreuliche Fortschritte. Aus Erfahrung weiss ich, dass man in Bezug auf das Spielverständnis oder der präzisen Variantenberechnung auch als Teenager noch weit kommen kann. Wenn ich allerdings eine mir fremde Partiestellung nur sehr kurz anschaue, habe ich Mühe, die Position exakt wiederzu­ geben. Da fehlt das scharfe innere Bild.

Früher gab es noch einige aktive Fachmathematiker, die auch sehr starke internationale Turnierspieler waren. Max Euwe beispielsweise holte 1935 Erfahrung auf, wo man auf die eigene Kreativität zählen sogar den WM-Titel. Was hat sich verändert? kann. Ein solches Selbstvertrauen hilft auch im Mathe- Die Komplexität der einzelnen Gebiete und deren matikunterricht, denn es ermutigt Schülerinnen und Spezialisierung. Wer in seinem Bereich heute Weltspitze Schüler, bei der Bewältigung von Aufgaben einen Plan sein will, muss enorm viel Zeit investieren und fokuszu entwerfen und eigene Wege einzuschlagen. Ich jeden- siert vorgehen. Auf meinem Spezialgebiet in der Alge­falls würdige solche Versuche immer. braischen Geometrie zum Beispiel kennen sich weltweit nur wenige Dutzend Mathematiker aus. Einer davon, Schachspieler wirken eher introviertiert. Gibt es der Russe Alexander Merkurjew, war übrigens auch ein darunter auch Entertainer? guter Turnierspieler. Heute vergnügt er sich mit Schach Durchaus, obwohl man die Fähigkeit haben muss, in höchstens noch online. einer Partie über viele Stunden stumm und konzentriert bleiben zu können, was natürlich nicht jedem behagt. In enger Beziehung stehen nach wie vor die Geht man allein die Liste aller Weltmeister durch, findet Computerwissenschaften und die Brettspiele. man bereits zu jedem Naturell ein Beispiel. Der Kuba­Welche Auswirkungen haben die Programme ner Raùl Capablanca etwa war ein smarter Lebemann, auf das Schach? der Sowjetrusse Michail Botwinnik ein systemtreuer Die Spielprogramme haben den Menschen definitiv Wissenschaftler, sein Landsmann Michail Tal ein geüberflügelt, als der IBM-Rechner Deep Blue 1997 nussfreudiger Wirbelwind, der US-Amerikaner Bobby Garri Kasparow in einem Match schlug, und erst jüngst Fischer ein skurriler Einzelgänger und Rebell, der in die sorgte das selbstlernende Programm Alpha Zero wieder USA emigrierte Russe Garri Kasparow ein auf allen einmal für Aufregung. Trotz aller Unkenrufe vom Tod Ebenen kämpfender Leadertyp, wogegen der aktuelle des Schachs haben sich die Menschen allerdings schon Titelträger Magnus Carlsen aus Norwegen als zwar längst mit der Tatsache abgefunden, dass sie den Ma­ebenso hochbegabt, aber geradezu völlig normaler jun- schinen unterlegen sind. Man hat sich arrangiert, die ger Mann wirkt. Ebenso bunt gemischt ist die Schar der Turnierregeln angepasst und spielt munter weiter. Die Mathematiker. Programme werden zur Überprüfung von Varianten und für Stellungsanalysen eingesetzt und jeder bereitet Ist es zwingend, mit dem Schachspielen sehr jung sich mit ihnen auf seinen jeweiligen Gegner vor, um zu beginnen, wenn man Erfolg haben will? ihn mit ungewöhnlichen Ideen zu überraschen. Ich vermute, dass bereits im frühen Kindesalter Motive oder taktische Stellungsmuster wie etwa ein versteckter Schach ist ein endliches Spiel und aus mathematiFigurengewinn gut und schnell erkannt werden und scher Sicht theoretisch lösbar wie das Mühle-­ 20

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Schwer pu nkt Mathematik «Wer in seinem Bereich heute Weltspitze sein will, muss enorm viel Zeit investieren.» Roland Lötscher, Mathematiklehrer und Internationaler Schachmeister.

Spiel, daran scheint jedoch niemand zu arbeiten. Ist das für Sie auch kein Thema, sich dieser Her­aus­forderung anzunehmen? Für Positionen mit wenigen Steinen existieren bereits Datenbanken, aber die ungeheure Komplexität des Schachvariantenbaums zeigt sich bereits am Beispiel Dame und Bauer gegen Dame. Wie soll man dafür eine

einfache Formel finden? Mir würde schon die Zeit fehlen, um darüber nachzudenken. Mit einer solchen Forschungsaufgabe beschäftigt sässe man allein und irgendwo weit draussen auf einem kleinen Ast. Ich freue mich lieber über meine Schülerinnen und Schüler, wenn sie jeden Tag etwas mehr von der Mathematik verstehen.

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Schülerinnen und Schüler gezielt zum Lernerfolg führen An der Sekundarschule Elsau-Schlatt werden im Mathematikunterricht Lücken aus dem Primarschulstoff je nach individuellem Lernbedarf aufgearbeitet. Die gezielte Förderung ist nicht nur eine unterrichts­ organisatorische Herausforderung, sondern erfordert auch eine gute Zusammenarbeit von Fachlehrkräften und Klassenassistenzen, wie ein Augenschein vor Ort zeigt.

Schwer pu nkt Mathematik

Text: Melanie Keim, Fotos: Nelly Rodriguez

Wie gross ist der Raum zwischen 0 und 100 und in welchem Verhältnis stehen die Zahlen auf diesem Zahlenstrahl? Solche Fragen stehen an diesem Morgen in der 1. Sekundarklasse von Andriu Tambornino im Zentrum. Dazu hat der Mathematiklehrer an eine waagrecht aufgehängte Stange zwei weisse Zettel geklebt, am linken Ende ein Zettel mit einer Null, am rechten Ende einer mit der Ziffer 100. Nun sollen die Schülerinnen und Schüler weitere Zettel mit Zahlen darauf korrekt platzieren. Sofort landet die 50 in der Mitte. Doch wo kommt die 37 genau hin? Gemeinsam wird diskutiert, auf Nachfrage des Lehrers werden Zettel umplatziert und in die richtige Reihenfolge gebracht, die 13 beispielsweise rückt dabei noch ein Stück näher an die 10 heran. Irgendwann hängen alle Zahlen mit der korrekten Distanz zueinander – zumindest geschätzt. Doch wie lässt sich der exakte Abstand zwischen den Zahlen messen? «Wenn die ganze Stange 1.5 Meter lang ist, wie gross ist dann der Abstand zwischen zwei Zehnerzahlen?» fragt Tambornino in die Runde. Nach einer kurzen Austauschrunde machen sich die Schülerinnen und Schüler an eine ähnliche Aufgabe am Pult. Auf einer Linie von 14 cm sollen sie Zehnerzahlen zwischen 0 und 100 einzeichnen, die Abstände werden dafür mit dem Lineal abgemessen. Der sichere Umgang mit den Zahlen von 0 bis 100 gehört eigentlich zu den Grundkompetenzen, die auf der Primarstufe erarbeitet werden. Doch die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler brachte diesbezüglich Defizite aus der Primarstufe mit. Dies zeigte eine Lernstand­ erhebung beim Einstieg in die Sekundarstufe – wie die Repetitionslektion an diesem Morgen wurde sie an der Schule im Rahmen des Pilotprojekts ALLE eingeführt.

ALLE des Volksschulamts des Kantons Zürich teilnehmen. ALLE steht für «Aktive Lernzeit und Lernerfolg für alle». Das Projekt wurde 2015/16 gestartet als Mass­ nahme auf Ergebnisse aus den PISA-Studien und der Zürcher Längsschnittstudie, wonach rund 20 Prozent der Jugendlichen am Ende der obligatorischen Schulzeit die erforderlichen Grundkompetenzen in Mathematik und/oder Deutsch nicht erreichen. Im Fach Mathematik ist das Ziel von ALLE, leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler gezielt zu fördern – ohne dass dabei das Lernen von stärkeren Schülerinnen und Schülern beeinträchtigt wird. Dafür werden zu Beginn der Sekundarstufe allfällige Lücken im Primarschulstoff erhoben, die im Laufe des ersten Schuljahrs durch lernförderliche Massnahmen behoben werden sollen. Dazu gehören spezifische Repetitionssequenzen sowie Aufgabenhilfen neben der regulären Unterrichtszeit. Wer an diesen Fördereinheiten teilnimmt, hängt vom erhobenen Lernstand ab. Zusätzlich sieht das Projekt den Einsatz von Klassenassistenzen vor. So geht an diesem Morgen neben Tambornino auch ein Klassenassistent von Pult zu Pult und bietet individuelle Unterstützung. Die Schülerinnen und Schüler im Raum wurden in das tiefste von drei Mathematik­ niveaus eingeteilt – neben der Einteilung in A- und B-­ Abteilungen führt die zweiteilige Sekundarschule Elsau-­ Schlatt zusätzliche Anforderungsstufen in den Fächern Englisch und Mathematik. Der Zahlenraum von 0 bis 100 wurde an diesem Morgen in der gesamten Klasse wiederholt, weil bei diesem Thema ein Grossteil der Schülerinnen und Schüler in dieser Anforderungsstufe Lücken aufwies. Ergänzend dazu ist auch eine Aufarbeitung der fehlenden Grundkompetenzen im Rahmen der Grundlagen der Unterrichtsdiagnose nutzen vier wöchentlichen Lernstunden denkbar, die SchülerinDie Sekundarschule Elsau-Schlatt ist eine von neun Se- nen und Schüler der B-Klassen zusätzlich zum Unterkundarschulen im Kanton Zürich, die am Pilotprojekt richt besuchen. 22

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«Wie gross ist der Abstand zwischen den Zahlen, wenn die Stange 1,5 Meter misst?», fragt Lehrer Andriu Tambornino.

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Die Schülerinnen und Schüler diskutieren, wo die Zah­len auf dem Hunderterstrahl platziert werden müssen.

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Schwer pu nkt Mathematik

Die Klasse übt die negativen Zahlen mit einem Würfelspiel. Lehrer Peter Diener notiert mögliche Kombinationen.

Während die Klasse von Andriu Tambornino die positiven Zahlen anhand der Aufgabe aus einem Förderlehrmittel abschliesst und zu den negativen Zahlen übergeht, ist einen Stock höher die Klasse in der Anforderungs­stufe II bereits hier angelangt. Sie arbeitet mit einer Einstiegsaufgabe aus dem regulären Lehrmittel. Die Schülerinnen und Schüler sind mitten drin in einem Würfelspiel. Dabei können Verlustscheine von --1 bis --3 oder Gewinnscheine

Für das Funktionieren des Projekts sind die Zusam­ menarbeit und das Unter­ richtsfeedback zentral. von 1 bis 3 erwürfelt werden. Ein zweiter Würfel zeigt zudem an, ob man diese Scheine in Empfang nehmen oder weggeben muss. Fachlehrer Peter Diener hat mögliche Würfelkombinationen auf einem Flipchart notiert. 24

«Geben --3» steht da auf einer Zeile. «Was ist bei diesem Wurf geschehen?», fragt er. «Drei Verlustscheine wurden abgegeben», sagt ein Mädchen. Diener will wissen, ob der Spieler oder die Spielerin nach diesem Spielzug mehr oder weniger hat und warum. «Weil man die Schulden weggeben kann, hat man nachher mehr», sagt ein Junge. «Kannst du das noch genauer erklären, damit es alle verstehen?», hakt der Lehrer nach. «Wir versuchen, dass die Schülerinnen und Schüler keine Rechenregeln auswendig lernen, sondern verstehen, was das Rechnen mit negativen Zahlen bedeutet», sagt Diener abschliessend. Aus welcher Kombination von negativen und positiven Zahlen ein Plus beziehungsweise ein Minus resultiert, ist quasi die Quintessenz dieser Stunde. Herausfordernde Diagnose und Förderung In Peter Dieners Anforderungsstufe II wird sichtbar, dass drei Schülerinnen und Schüler seiner Klasse Schwierigkeiten mit den Themen Bruchrechnen und Proportionen haben. Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern aus der Anforderungsstufe III werden sie sich diese Grundkompetenzen in einer der vier wöchentlichen Lernstunden erarbeiten. Dieser vorbereitende Input ist erst am AKZENTE 2/2018


Ende des ersten Schuljahrs eingeplant, kurz bevor im regulären Unterricht mit den Themen Rationale Zahlen und Funktionale Zusammenhänge auf diesen Kompetenzen aufgebaut wird. «Unsere Erfahrungen aus dem ersten Jahr zeigen, dass ein isoliertes Aufarbeiten der Lücken an unserer Schule beim Eintritt in die Sekundarstufe wenig wirkungsvoll ist. Die Inputs und Übungssequenzen müssen zeitnäher zur Bearbeitung des Themas im Unterricht stattfinden. Wir sind zuversichtlich, dass wir damit noch mehr Lernerfolge erzielen werden», erklärt Adrian Schär, der dritte Mathematiklehrer. Schär unterrichtet dieses Jahr die Anforderungsstufe I. Dort weisen keine der Schülerinnen und Schüler Lücken auf, die einer spezifischen Förderung bedürfen. Und doch ist Schär wie der Klassenassistent und die Schulleiterin fest in die Umsetzung der ALLE-Massnahmen eingebunden, auch im Sinne der Begabungsförderung der leistungsstärkeren Schülerinnen und Schüler. Denn eine wirkungsvolle Zusammenarbeit und ein Unterrichtsfeedback sind zentral für das Funktionieren des gemeinsamen Unterrichts­ entwicklungsprojekts. Nur wenn sich Fachlehrkraft und Klassenassistenz über den Lernstand der einzelnen

Schülerinnen und Schüler austauschen, kann eine Förderung fruchten. Dies wird auch an den zweitägigen praxisnahen schulinternen Weiterbildungen betont, welche die PH Zürich in Zusammenarbeit mit der Interkantona-

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Die am Projekt teilnehmen­ den Schulen passen die Fördermassnahmen jedes Jahr auf die tatsächlichen Bedürfnisse an. len Hochschule für Heilpädagogik für die am Pilotprojekt teilnehmenden Schulen durchführt. Während am ersten Tag fachdidaktische Unterrichtskonzepte, diagnosegeleitete Förderung und geeignete unterrichtsergänzende Lernmaterialien vorgestellt werden, werden am zweiten Weiterbildungstag Erfahrungen diskutiert und

Schwer pu nkt Mathematik

Die Klasse der Anforderungsstufe I thematisiert die negativen Zahlen anhand von Koordinaten auf Landkarten.


auf einem fortgeschrittenen Niveau. Nachdem in der ersten Lektion negative Punkte im Koordinatensystem thematisiert wurden, berechneten die Schülerinnen und Schüler in der zweiten Stunde Distanzen auf Landkarten mit verschiedenen Massstäben. Auch hier rechneten die Jugendlichen nicht einfach nach mathematischem Regelwissen, sondern nutzten ihr erarbeitetes Verständnis von Verhältnissen und Grössen, welches heutige kompetenz­ orientierte Didaktikkonzepte grossschreiben. So fragte ein Schüler bei einer Diskussion darüber, ob ein Zentimeter auf der Karte einem oder zehn Kilometern entspreche, seinen Banknachbarn: «Die Lösung kann nicht zehn Kilometer lauten. Oder glaubst du wirklich, dass Zug von Cham fünfzig Kilometer entfernt ist?»

Schwer pu nkt Mathematik

die kooperative Organisation der Fördermassnahmen in der Schule thematisiert. Die Schulen passen die Massnahmen nicht nur auf die Grösse und Struktur der Schule individuell an, sondern stimmen diese jedes Jahr auf die tatsächlichen Bedürfnisse ab. Dieser Entwicklungsprozess ist herausfordernd – schliesslich soll das Aufarbeiten von Lücken keine neuen Lücken generieren und die Anschlussfähigkeit der Schülerinnen und Schüler garantieren. Zudem sollen die Schülerinnen und Schüler der unterschiedlichen Anforderungsstufen stets an den gleichen Themen arbeiten, damit die Durchlässigkeit erhalten bleibt. So hat Adrian Schär an diesem Morgen mit seiner Klasse ebenfalls negative Zahlen behandelt, allerdings

Wer an den Fördereinheiten teilnimmt, hängt vom Lernstand ab, der zu Beginn der Sekundarstufe erhoben wird.

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Inserate

Umgang mit sozial auffälligen Kindern Das Beste in ihnen wecken

Eine Weiterbildung in 4 Modulen mit Alé Duarte (BRA). Das erste Modul kann separat gebucht werden. Alé Duarte lebt seine wunderbare Stärkungsarbeit mit Kindern in den Armenvierteln seiner Heimatstadt Rio de Janeiro ebenso engagiert wie bei seinen humanitären Einsätzen in den Krisengebieten dieser Welt. Seine immense Praxiserfahrung ermöglicht einen raschen Transfer diverser schnell einsetzbarer, einfühlsamer Vorgehensweisen für herausfordernde Situationen. Beginn am 15. - 19. September 2018 in Weggis Nähere Informationen: www.polarity.ch/1816 Gern senden wir Ihnen unseren Prospekt: Tel: 044 218 80 80 Zentrum für Innere ÖkologIe

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Studierendenporträt

Studierendenseite

Melissa Gerber studiert an der PH Zürich auf der Sekundarstufe I.

Sekundarstufe I an der PH Zürich. Bis es die 26-Jährige in die Limmatstadt verschlug, dauerte es eine Weile. Aufgewachsen im ländlichen Oberbaselbiet, gab es für sie nie einen Grund, die Nordwestschweiz zu verlassen: Die Grundschule war in der Nähe von ihrem Zuhause, das Gymnasium besuchte sie in Liestal. In der Schule mochte sie insbesondere die Fächer Deutsch und Ge­schichte. Als sich die Schulzeit dem Ende zuneigte, wusste sie nicht auf Anhieb, wie es weitergehen sollte. «Ich hatte keinen konkreten Berufs­wunsch und es fehlte eine Idee, wohin es mich verschlagen könnte.» So kam es, dass sie sich entschied, ihre Lieblingsfächer zu vertiefen und ein Studium in Angriff zu neh­men. Nachdem Melissa Gerber das 28

gang Sekundarstufe I für Personen mit Fachbachelor», der an der PH Geschichte der Universität Basel drei Jahre später in der Tasche hatte, Zürich seit kurzem angeboten wird. Für sie die optimale Lösung, denn bewarb sie sich für einen Master­ er kann direkt an den Fachbachelor studiengang – eben­falls in Basel. angeschlossen werden, wodurch sie Doch noch bevor die Anmeldung nun unmittelbar nach dem Fachdefinitiv war, entschied sie sich wissen die Fachdidaktik vermittelt anders. Kura­torin zu werden, war bekommt. Im Juni 2020 wird die doch nicht das, was sie sich vor­gestellt hatte. Als sich die passionier- Baselbieterin ihr Studium abschliessen. Dann kann sie sich voll und te Volleyball-Spielerin neu orien­ganz dem widmen, was ihr wichtig tierte, fiel es ihr wie Schuppen von ist: Als Sekundarlehrerin den den Augen. Der Lehrberuf würde Jugendlichen Selbstständigkeit und ihr das ermöglichen, was sie liebt: Eigen­initiative mit auf den Weg mit Menschen in Kontakt zu sein, das Wissen in den Gebieten Deutsch geben. Dafür möchte Melissa Gerber der Klasse viel Verantworund Geschichte anzuwenden, zu tung übergeben: «Ich bin eine Lehrorganisieren und zu planen. person, die gemeinsam mit den Beim  Herumstöbern auf der Schülerinnen und Schülern nach Webseite der PH Zürich entdeckte Lösungen suchen will.» Melissa Gerber den «Masterstudien- – Samanta Gribi AKZENTE 2/2018

Foto: Nelly Rodriguez

Melissa  Gerber studiert auf der Bachelor-Diplom in Deutsch und


Die Bachelorarbeit Bachelorarbeit Antworten auf die Frage gesucht, wie Lehrpersonen Kinder unterstützen können, die unter Leistungsdruck leiden. Dazu untersuchte die Autorin in einem ersten Teil verschiedene theoretische Konzepte. Dabei zeigte sich, dass Leistungsdruck negative Aus­wirkungen auf die psychische und physische Entwicklung von Jugendlichen haben kann. Diese Erkenntnis war insofern bedeutsam, als dass sich die Fragestellung der Arbeit auf die Mittelstufe konzentriert. In dieser Zeit pubertieren die Schüle­rinnen und Schüler und sie erleben dadurch eine prägende Persönlichkeitsentwicklung. Weiter hält die Autorin fest, dass auf der Mittelstufe Testergebnisse wichtiger werden, wodurch der Leistungsdruck eine zusätzliche Bedeutung erhält. Zusätzlich wird hier das Fach Französisch neu eingeführt, der Stundenplan ist umfangreicher und der Zeitaufwand für die Hausaufgaben ist grösser. Neben der Fachliteratur führte Nadia Rosenbaum Expertengespräche. In zwei Interviews mit einer Schulpsychologin und einer Heilpädagogin wollte sie dabei Fragen zu Leistungsdruck, vorbeu­genden Massnahmen und Hilfe­ stellungen klären.

sich der Druck äussern. Eine frühzeitige Diagnose seitens der Lehrkraft erfordert viel Feingefühl und Knowhow, da unter Leistungsdruck leidende Kinder diesen auf unterschiedliche Art und Weise äussern: Während Mädchen eher mit De­pression und Rückzug reagieren, äussert sich der Druck bei Jungen durch aggressives und unruhiges Verhalten. Dies seien zugleich Merkmale, anhand welcher man Leis­tungsdruck erkennen könne, so die Autorin.

Ein   freundliches,   ruhiges und   faires   Auftreten der

Lehrperson sowie eine gute Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern kann das Auftreten von Leistungsdruck laut den Expertinnen verhindern. Auch ein respektvoller Umgangston in der Klasse und ein aufgeräumtes Klassenzimmer tragen zu einer stressarmen Atmosphäre bei. Zudem sollten Kinder gut auf Testsituationen vorbereitet werden, da sich der Druck vor allem in solchen Situationen äussert. Es ist daher ratsam, ihnen passende Arbeitstechniken und Instrumente wie Eselsbrücken beizubringen, damit die Schülerinnen und Schüler Aufträge erfolgreich erfüllen können. In den meisten Fällen ist der Einbezug der Ob   Leistungsdruck   auftritt, Eltern bei Verdacht auf übermässiist laut beider Expertinnen stark von gen Druck sinnvoll. Im Fazit hält der Lehrperson abhängig. Betroffe- Nadia Rosenbaum fest, dass es ne Kinder empfinden allesamt eine wichtig wäre, statt nach Unterstütdauerhafte erhöhte mentale und oft zungsmöglichkeiten für betroffene auch kör­perliche Anspannung. Dies Kinder zu suchen, präventiv die äussert sich in Stresssymptomen Methodenkompetenz zu trainieren. wie Konzentrationsschwierigkeiten, So könne erreicht werden, dass Problemen mit der Prüfungs- oder Leistungsdruck erst gar nicht Aufgabenvorbereitung sowie mit der entsteht oder zumindest reduziert Organisation anderer Alltagsaufga- auftritt. – Samanta Gribi ben. Auch in emotionalen ReaktioDie Masterarbeit von Nadia nen wie Gereiztheit, Niedergeschla- Rosenbaum ist online publigenheit und Schlafstörungen kann ziert: blog.phzh.ch/akzente AKZENTE 2/2018

1984 2.0 Ich kann mich noch gut an eine Zeit vor den Smartphones erinnern. Und ich kann mich an eine Zeit erinnern, in der es solche Geräte bereits gab, ich mich jedoch weigerte, mir eines zuzulegen. Die Vielzahl an Möglichkeiten, welche die neue Technologie bietet, sich mehr und mehr von einer virtuellen Wirklichkeit absorbieren zu lassen, war mir zutiefst suspekt. Düstere Zukunftsszenarien ­ à la «1984» schwebten mir vor: ­ Das Smartphone als Mittel einer kollektiven Gehirnwäsche, das Smartphone als Opium für das Volk. Ich beobachtete, wie die Menschen zu Zombies wurden, die permanent in grelle Bildschirme starrten. Ich amüsierte und entsetzte mich zugleich über den Anblick der wandelnden Horden, welche sich ohne aufzublicken durch die Stadt bewegten. Und ich machte zynische Bemerkungen über das Zeitalter von «smart phones and stupid people» und malte mir aus, wie der Stadtverkehr, als darwinistischer Selektionsmechanismus unserer Ära, das Wachstum der Zombiepopulation allmählich ganz natürlich regulieren würde. Das Gerät in meiner Tasche vibriert. Ich widerstehe dem Drang, meinen Schreibprozess zu unterbrechen, um die neue Whatsapp-Nachricht zu lesen. Ich brauche mein Smartphone nur für unverzichtbare Aufgaben. So unterscheide ich mich von den Zombies. «Doublethink» nannte Orwell den Vorgang bewusster Realitätsverleumdung. Es vibriert erneut. Jetzt muss ich ran. Es könnte doch wichtig sein! Lorenz Vogel ist Student auf der Sekundarstufe I und Tutor im Schreibzentrum der PH Zürich.

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Studierendenseite

Nadia   Rosenbaum hat in ihrer

Ausstudiert – die Studierendenkolumne


Inserate

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Den Weg von der Schule ins Erwerbsleben erfolgreich gestalten Mit dem Beginn der Berufslehre erfolgt für Jugendliche der grosse Schritt ins Erwerbsleben. Das schweizerische Bildungssystem ermöglicht ihnen dabei zahlreiche Zugänge. Eine neue Vortragsreihe der PH Zürich richtet den Fokus auf die verschiedenen Angebote.

Volksschullehrpersonen sind wichtige Akteure bei der Planung der beruflichen Laufbahn ihrer Schülerinnen und Schüler. Insbesondere Lehrerinnen und Lehrer der Sekundarstufe I nehmen bei der Beratung der Jugendlichen eine wichtige Funktion ein: Sie sind erste Ansprechperson für ihre Fragen zu den Anschlussmöglichkeiten nach Abschluss der 3. Sekundarklasse. Hier setzt die Vortragsreihe «Durchlässigkeit und Übergänge im Schweizer Berufsbildungssystem» der PH Zürich an. «Unsere Berufsbildung bietet viele Lösungen, sie ist jedoch geprägt von einer hohen Komplexität», sagt Organisator Markus Maurer von der PH Zürich. «Wir möchten insbesondere Lehrpersonen der Volksschule vertraut machen mit dem System und ihnen aktuelle Debatten erläutern.»

nen konkreten Berufswunsch verfügte. «Haben die Betroffenen ein Jahr länger Zeit für die Berufsfindung oder um sich persönlich weiterzuentwickeln, macht das sehr viel aus. Die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt anschliessend in den meisten Fällen gut.» Keine Lösung sei, dass die Jugendlichen nach der Sekundarstufe I eine Berufswahl treffen, die nicht ihrem Wunsch entspricht. In diesen Fällen sei das Risiko gross, dass es zu einem Lehrabbruch kommt. Neun Prozent ohne Sek-II-Abschluss Eine weitere Übergangslösung nach der Sekundarstufe I bildet die sogenannte Attestausbildung, welche die frühere Anlehre ablöste. Sie hat sich in den vergangenen Jahren bewährt, viele Absolventinnen und Absolventen schlossen nach der Attestausbildung eine reguläre Berufslehre ab und konnten so in den Arbeitsmarkt integriert werden. «Trotz dieser Möglichkeit verfügen nach wie vor rund neun Prozent aller Jugendlichen im Alter von cirka 20 Jahren über keinen Abschluss der Sekundarstufe II. Das ist eine sehr hohe Zahl», sagt Markus Maurer. Die Frage nach den Gründen sowie mögliche Lösungswege sind Thema am zweiten Veranstaltungsabend Ende Juni. Im dritten und im abschliessenden vierten Teil der Vortragsreihe stehen die Berufsmaturität respektive die höheren Fachschulen im Zentrum. Dabei geht es einerseits um die zunehmende Konkurrenzsituation an Fachhochschulen zwischen Personen mit gymnasialer Matur und Berufsmatur sowie andererseits um die Positionierung der höheren Fachschulen.

Politischer Druck nimmt zu Den Auftakt in die Reihe bildete Mitte April das Thema Brückenangebote. «Der Schritt von der Sekundarstufe I in die Sekundarstufe II ist ein anspruchsvoller Übergang, der nicht allen Schülerinnen und Schülern gleich gut gelingt», sagt Markus Maurer. Findet jemand keine Anschlusslösung, besteht die Möglichkeit, ein 10. Schuljahr oder ein Berufsvorbereitungsjahr zu absolvieren. «Diese Brückenangebote sind vor allem in jenen Zeiten stark gewachsen, als der Lehrstellenmarkt ausgetrocknet war. Heute stellt sich die Situation anders dar und es gibt weitaus mehr freie Stellen.» Entsprechend erhöhe sich der politische Druck auf diese Angebote und es stellt sich die Frage nach deren Legitimität. Über diesen Aspekt diskutierten an der Veranstaltung die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter anderem mit Ljiljana Ilic vom Berufsvorbereitungsangebot Weitere Informationen zur Vortragsreihe «Durchlässigkeit und Übergänge im Schweizer Berufsbildungs«profil.» der Stadt Winterthur. Sie wies dabei darauf hin, system»: tiny.phzh.ch/berufsbildung dass ein beträchtlicher Teil der Schülerinnen und Schüler trotz unzähliger Bewerbungen keine Stelle findet, nicht reif sei für eine Berufslehre oder schlicht noch über keiAKZENTE 2/2018

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PH Zürich – Ausbildu ng

Text: Christoph Hotz


Inserate

ADEFA 2018 / 2019 Lehrgang Sprachkursleitende im Integrationsbereich inkl. SVEB Zertifikat FA-M1 Oktober 2018 bis Juni 2019 27 Donnerstage 13.15 – 17.45 Uhr & 5 Samstage 9.00 – 17.00 Uhr, insgesamt 142 Std. Präsenzzeit plus mindestens 210 Std. Selbststudium • Modul Bildungsarbeit mit Erwachsenen (SVEB Zertifikat FA-M1) • Modul „Migration und Interkulturalität“ • Modul „Fremd- und Zweitsprachendidaktik“ • Modul „Szenariobasierter Unterricht nach den fide-Prinzipien“ Kosten CHF 4‘500.00 inkl. Unterrichtsmaterial und Kompetenznachweis SVEB 1, das Zertifikat „Sprachkursleitende im Integrationsbereich“ kostet zusätzlich CHF 160.00.

Informationsveranstaltung Donnerstag 21. Juni 2018 oder 30. August 2018, jeweils von 18.00 bis 19.00 Uhr an der ECAP, Neugasse 116, 8005 Zürich Informationen Nathalie Benoit, Tel 032 342 19 65, nbenoit@ecap.ch Stiftung ECAP Zürich Neugasse 116, 8005 Zürich, Tel: 043 444 68 88 Fax: 044 272 12 43, infozh@ecap.ch Öffnungszeiten Mo/Sa 8.30 – 12.00 Uhr, Mo/Mi/Do/Fr 13.00 – 17.00 Uhr, Di 13.00 – 19.00 Uhr

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AKZENTE 2/2018


Lehrmittel im Unterricht effizient einsetzen können Zeitgemässe Lehrmittel bestehen aus mehreren Lehrwerkteilen. Wie Lehrpersonen die Materialien optimal nutzen können, erfahren sie in den Lehrmitteleinführungen der PH Zürich. Im Hinblick auf die Einführung des Lehrplans 21 lohnt sich eine Teilnahme aktuell besonders.

Vor dreissig Jahren bestanden Lehrmittel lediglich aus einem Lehrbuch und einem Arbeitsheft. Heute kommen unter anderem Themenbücher, Arbeitshefte, ­Poster, Kopiervorlagen oder Lernkarten hinzu. Zusätzlich werden Lehrmittel von digitalen Medien wie CD-ROMs, E-Learning-Plattformen und Apps begleitet. Die Lebensdauer eines Lehrmittels beträgt im Schnitt 15 Jahre. «Eine Neuentwicklung ist ein komplexer, mehrjähriger Prozess mit vielen Beteiligten», sagt Raim Idrizovic, Leiter der Arbeitsstelle für Lehrmittel der PH Zürich. Er ist an den Projekten in verschiedenen Phasen beteiligt, von der Planung über die Erarbeitung bis hin zur Einführung eines neuen Lehrmittels. Letzteres übernimmt die PH Zürich, indem sie im Auftrag des Volksschulamts des Kantons Zürich und des Lehrmittel­ ver­ lages Zürich spezielle Kurse für Lehrerinnen und Lehrer durchführt. Die Angebote werden von einer Fachdidaktikerin oder einem Fachdidaktiker sowie einer Lehrperson der Zielstufe, beide aus dem Autorenteam, geleitet. Alle Kurse finden in der unterrichtsfreien Zeit statt und sind als schulinterne Kurse buchbar.

die individuelle Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler einsetzen können. In der sogenannten produktorientierten Einführung neuer Lehrmittel wie bei «Kinder begegnen Natur und Technik» entdecken Kindergartenlehrpersonen die inhaltlichen Facetten des Lehrmittels. Darüber hinaus erproben sie konkrete Aufgaben aus dem Buch und tauschen anschliessend in ihren Arbeitsgruppen ihre Erfahrungen aus. Die Einführung des Lehrmittels «Weltsicht» setzt einen zusätzlichen Schwerpunkt beim Zusammenspiel der gedruckten und digitalen Lehrwerkteile. Die Webplattform bietet Lehrpersonen umfangreiche Zusatzmaterialien wie Videos, Audiodateien oder Bilder ­sowie weiterführende Lernaufgaben, Lernhilfen und Lösungshinweise zu den Aufgaben im Arbeitsheft. Bessere Orientierung im multimedialen Angebot Der Besuch aller Lehrmitteleinführungen ist freiwillig. Dennoch gilt: Wer ein Lehrmittel versteht, wendet es im Berufsalltag effizienter an. Besonders bei grundlegenden Änderungen wie der Einführung des Lehrplans 21 und dem damit verbunden Paradigmenwechsel von der Zielauf die Kompetenzorientierung hilft es, sich vertieft mit den neuen Materialien auseinanderzusetzen. Teilnehmende schätzen zudem den Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen und Kollegen. Es lohnt sich, Zeit in den Besuch einer Lehrmitteleinführung zu investieren, betont Raim Idrizovic, denn «wann sonst können wir einer Autorin direkt Fragen stellen und mit einem Lehrer oder einer Lehrerin aus einer anderen Schule über Erfahrungen mit dem Lehrmittel diskutieren?»

Fachdidaktik und Produktorientierung Der fachdidaktische Teil der Lehrmitteleinführungen fokussiert auf die Besonderheiten, die vom kompetenzund aufgabenorientierten Ansatz des Lehrplans 21 vorausgesetzt werden. Bei der Einführung zum neuen Französischlehrmittel «dis donc!» zum Beispiel ist der Umgang mit den unterschiedlichen Lern- und Entwicklungsständen der Schülerinnen und Schüler ein Thema. Im Kurs wird unter anderem aufgezeigt, wie sich mündliche und schriftliche Aufgaben aus dem Lehrmittel zur Einschätzung und Beurteilung unterschiedlicher Sprachkompetenzen anwenden lassen. Lehrerinnen und Lehrer Aktuelle Lehrmitteleinführungen: erfahren zudem, wie sie Prüfungsresultate in Verbindung phzh.ch/lehrmitteleinfuehrungen zum Lehrplan interpretieren und wie sie das Produkt für AKZENTE 2/2018

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PH Zürich – Weiterbildu ng

Text: Angela Roos


«Der Unterricht wurde nicht neu erfunden» Im kompetenzorientierten Sportunterricht wird dem Wissen und Reflektieren mehr Beachtung geschenkt. Was sich ­dadurch ­im Unterricht und für die Lehrpersonen ändert, erklärt die Dozentin für Bewegung und Sport, Ilaria Ferrari Ehrensberger, im Interview.

PH Zürich – Ausbildu ng

Text und Foto: Christian Wagner

richtsplanung beim Output, d.h. bei der Kompetenz beginnt. Die Lehrperson muss sich dann überlegen, welche Übungsformen und welche Vermittlungsmethoden sie einsetzen soll, damit ihre Schüler und Schülerinnen die anvisierte Kompetenz erreichen können. Der bisherige Fokus auf das «Können» wird im kompetenz­ orientierten Sportunterricht um die Wissensdimension erweitert. Das klingt nach mehr Kopf im Sportunterricht. Besteht sein Zweck nicht gerade darin, neben dem Kopf auch den Rest des Körpers zu aktivieren und sich auszutoben? Sport aktiviert immer den ganzen Körper, den Kopf inklusive. Sport in der Schule war zu keiner Zeit ein ungerichtetes Austoben, sondern bezweckt seit jeher, die sportlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten gezielt zu erweitern. Daran ändert sich nichts Grundsätzliches. Dem neuen Lehrplan liegt die Idee zugrunde, umfassende Kompetenzen zu fördern, mit denen sich nicht nur eine bestimmte, sondern eine Vielzahl von ähnlichen Herausforderungen bewältigen lassen. Damit ­ das im Sport gelingt, wird der Anteil an Reflexion und Wissen erhöht, um die Lerninhalte auf einer überge­ ordneten Ebene zu verknüpfen. Wie muss man sich dies im Unterricht umgesetzt vorstellen? Beispielsweise als taktische Inputs und gemeinsame Reflexion im Rahmen eines Ballspiels, wie etwa mit klugem Stellungsspiel Freiräume auf dem Spielfeld ge­schaffen und besser genutzt werden können. Verknüpft mit der Spiel­praxis unterstützen diese theoretischen Anregungen den Aufbau von taktischen Kompetenzen, die sich schliesslich in verschiedenen Ballspielen nutzen lassen.

Ilaria Ferrari Ehrensberger, Dozentin für Bewegung und Sport.

Akzente: Welche Veränderungen bringt der Lehrplan 21 für den Sportunterricht? Ferrari Ehrensberger: Die bekannten Kerneigenschaften des neuen Lehrplans – wie die Kompetenzorien­ tierung, der systematische Kompetenzaufbau über alle Zyklen hinweg oder die fächerübergreifende Perspektive – gelten natürlich auch für den Sportunterricht. Bezü­glich der Inhalte und Lernziele bleibt aber vieles gleich. Es braucht weder neue Räume noch Geräte und auch die Spiele und Übungen bleiben weitgehend dieselben. Die folgenreichste Veränderung ist, dass die Unter34

Verfügen die amtierenden Lehrpersonen denn über das Wissen, um solche Inputs zu geben? Die Lehrpersonen bringen das notwendige Wissen und Können nach meinen Erfahrungen mehrheitlich aus ihrer Ausbildung mit. Zudem steht für sie eine grosse Auswahl an Weiterbildungen bereit. Weiteres Wissen und Anregungen liefern aber auch die neuen Unterrichtsmaterialien, die zurzeit entwickelt werden. Der Sportunterricht wurde nicht neu erfunden und es ist ausreichend Zeit und Unterstützung für die Umstellung vorhanden. Geht die Wissensvermittlung nicht zulasten der Bewegungszeit im Sportunterricht? Die Bewegungszeit wird nach wie vor den Löwenanteil der Unterrichtszeit ausmachen. Da ein richtiger Input zur richtigen Zeit den Kompetenzerwerb beschleunigen AKZENTE 2/2018


«Erwachsene beim Lernen zu begleiten, ist eine Bereicherung»

kann, ist davon auszugehen, dass diese Bewegungszeit insgesamt produktiver wird. Aber natürlich nimmt die Reflexion und Wissensvermittlung auch Zeit in Anspruch. Damit dies nicht auf Kosten der Bewegungszeit geht, braucht es gewisse Anpassungen in der Unterrichtsorganisation. Welche Anpassungen sprechen Sie hier an? Generell spreche ich hier auf eine gute Planung und Rhythmisierung von Wissens- und Bewegungsteilen im Unterricht an. Es gibt aber auch zahlreiche weitere Möglichkeiten für eine effizientere Unterrichtsgestal-

Der bisherige Fokus auf das «Können» wird im kompe­ tenzorientierten Sportunterricht um die Wissensdi­ mension erweitert.

Akzente: Was sind Fachbegleitende und welches sind ihre wichtigsten Aufgaben? Beglinger: Fachbegleitende sind erfahrene Lehrpersonen, die berufseinsteigende Lehrpersonen in den ersten beiden Jahren nach Ab­schluss des Studiums in der Praxis begleiten. Sie sind Ansprechperson für Fragen, die im Berufsalltag auftauchen, etwa zur Gestaltung von Elternabenden, zur Klassenführung oder zur Integration im Team. Akzente: Welche Elemente umfasst an der PH Zürich die Weiterbildung «Fachbegleitung am Arbeitsort»? Beglinger: Die Weiterbildung umfasst zehn Veranstaltungen und dauert zwei Jahre. Der Fokus liegt auf Themen wie «Rolle und Haltung», «Gesprächsführung» und «Zusammenarbeit im Team». Während einige Inhalte vorgegeben sind, setzen die Teilnehmenden auch zwei individuelle Schwerpunkte, etwa «Stärken stärken» oder «Klassenführung».

tung. Wie und in welchen Bereichen sich der Sportunterricht zeitlich optimieren lässt, steht im Zentrum einer kostenlosen Tagung, die wir im September an der PH Zürich durchführen. Dazu sind alle Lehrpersonen herzlich eingeladen. Ist zu erwarten, dass sportlich leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler über den Wissenszugang nun rascher zu den Stärkeren aufholen? Es gibt durchaus Fachpersonen, die darin einen Lösungsansatz zur Einebnung der Leistungsunterschiede erkennen. Ich bin da eher zurückhaltend und denke, dass Stärkere und Schwächere gleichermassen profitieren werden. Der Umgang mit Heterogenität wird aus meiner Sicht deshalb auch weiterhin eine der grossen Herausforderungen im Sportunterricht bleiben. Um Kinder und Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen in einer Turnstunde zu fördern, muss man als Lehrperson auch zukünftig seine ganze Kompetenz und Kreativität aufbieten. Aber genau das macht es ja so spannend, Sport zu unterrichten.

Akzente: Was sind die Voraussetzungen, um eine Fachbegleitung zu übernehmen? Beglinger: Angesprochen sind Lehrpersonen mit mindestens drei Jahren Berufserfahrung, die Interesse daran haben, berufseinsteigende Lehrpersonen in ihrer professionellen Entwicklung zu begleiten, und die bereit sind, sich mit den Herausforderungen als Fachbegleitung auseinanderzusetzen. Viele Fachbegleitende empfinden es als bereichernd, nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsene beim Lernen zu begleiten. Möchten Lehrpersonen eine Fachbegleitung übernehmen, können sie sich an ihre Schulleitung wenden. Diese meldet sie schliesslich zur Weiterbildung an. Akzente: Stehen den Schulen durchgehend ausreichend Fachbegleitende zur Verfügung? Beglinger: Aufgrund der teilweise hohen Fluktuation im Schulfeld ist es für Schulleitende immer wieder eine Herausforderung, den Bedarf decken zu können. Entsprechend ist die Nachfrage an Weiterbildungsplätzen hoch. Zurzeit bilden wir jährlich rund 160 Fachbegleitende aus.

Fachtagung Sport «Zeitnutzung im Sportunterricht – Herausforderungen und Optimierungsmöglichkeiten». 8. September 2018, Campus PH Zürich. Weitere Infos unter: phzh.ch/sportunterricht2018

– Christoph Hotz

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PH Zürich – Weiterbildu ng

Mirjam Beglinger, Leitung «Fachbegleitung am Arbeitsort» an der PH Zürich.


«Der Funke muss auf die Klasse überspringen» Lustvolles und praktisches Üben stehen im Vordergrund des Musik-Moduls auf der Primarstufe an der PH Zürich. Maurus Contes Unterricht ist gespickt mit praktischen Tipps für die Studierenden. Sein Credo lautet Praxis vor Theorie, Tiefe statt Breite, Qualität vor Quantität. Oberstes Ziel ist, dass die künftigen Lehrpersonen ihren Schülerinnen und Schülern die Freude an der Musik vermitteln können.

Serie – Das Modul

Text: Claudia Merki, Fotos: Niklaus Spoerri

«Klassenmusizieren», sagt Maurus Conte in die Runde der 18 im Kreis sitzenden Studierenden, «ist viel mehr als nur Singen. Ebenso geht es um Koordination, Bewegung und Choreographie!» Seinen Worten lässt er mit «Don daya», einer eingängigen Melodie aus Kolumbien, die ihren Reiz durch die dazu ausgeführte Bodypercussion gewinnt, gleich Taten folgen. Der Dozent fordert die Anwesenden an diesem Mittwochmorgen auf, ihm nachzusingen und mit sich steigerndem Schwierigkeitsgrad und Tempo rhythmisch mit Händen, Fingern und Füssen zu klatschen, stampfen und schnippen. Die Aufgabe ist nicht einfach, der Spassfaktor aber hoch. Die meisten Studierenden fallen früher oder später lachend 36

aus dem Takt oder verheddern sich, als abwechselnd eine Hand zur Nase und die andere überkreuzt zum Ohr greifen soll. «Denkt daran», mahnt Conte, «für Erstklässler kann es noch schwierig sein, mit den Fingern zu schnippen!» Solche Tipps ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Lektion. «Accelerando, und jetzt im Dreiklang!» Die 15 Frauen und drei Männer, alles Studierende im zweiten Semester auf der Primarstufe mit Musik im Fächerprofil, absolvieren derzeit die Fachdidaktik 1 – von insgesamt 3 Blöcken – , zu der auch die Basiskompetenzen und damit die Theorie gehören. Mit einem digitalen Lehrmittel eignen sich die Studierenden die theoretischen Inhalte selbständig an. Die zweite Säule der Ausbildung bildet die Liedbegleitung mit einem Instrument, entweder Klavier oder Gitarre. Maurus Contes Unterricht ist durchgetaktet wie eine Manager-Agenda. Der Profi-Musiker und ehemalige Primarlehrer fragt die Studierenden jetzt nach Möglichkeiten, wie das Lied für 1.-Klässler angepasst oder ergänzt werden könnte, und nimmt damit Bezug auf die Gestaltungsprozesse des Lehrplans 21. «Wir gehen häufig vom Lied aus und kommen so von der Praxis in die Theorie», sagt er. Conte schlägt vor, die Unterstufenschülerinnen und -schüler dabei den Liedablauf mit Symbolkärtchen – etwa für schnippende Hände − auf Papier selber aufzeichnen zu lassen. Ein einfacher Ablauf – schnippen, klatschen, stampfen – könne bis zu einer kleinen Choreografie mit Instrumenten und Tanzschritten erweitert werden, so ein nächster Tipp. Anschliessend thematisiert der 35-Jährige die Musik-Kompetenzbereiche aus dem Lehrplan 21 sowie die in den einzelnen Bereichen zu erreichenden Kompetenzen. «Mit welchen Kompetenzen haben wir uns eben beschäftigt?», will er wissen. Und er richtet einen Appell an die künftigen Lehrpersonen: «Überlegen Sie sich stets, wie Sie Ihre Schülerinnen und Schüler aktiv einbinden und die Aufgabe erschweren, anreichern oder vereinfachen können.» Sein Motto für den Musikunterricht lautet: aus wenig viel machen. «Kreativität und Spass sollen im Vordergrund stehen, Qualität darf aber durchaus eingefordert werden», sagt er. Studentin Simone Weber schätzt diese Art des Unterrichts: «Maurus Conte liefert viele kreative und abwechslungsreiche Inputs für unseren eigenen Unterricht», sagt sie. Vieles davon könne im Modul gemeinsam mit den anderen Studierenden direkt ausprobiert werden. «Dadurch erhalten wir einen Eindruck, wie die Idee mit der Klasse umgesetzt oder stufengerecht angepasst werden kann.» Inzwischen haben sich die Studierenden mit einem Notenblatt in den Händen um den Flügel versammelt. Maurus Conte stimmt ein Lied an, das sich speziell für die Unterstufe eignet. Die Studierenden setzen ein. AKZENTE 2/2018


Dozent Maurus Conte: «Über­ legen Sie sich stets, wie Sie die Klasse aktiv einbinden können.»

Serie – Das Modul

«Accelerando!», feuert er die Gruppe an, «und jetzt im Dreiklang, von unten nach oben!» Wieder weist er auf Varianten für die Praxis hin, spielt diese am Klavier vor und fragt, welches Begleitinstrument sich dazu eignen würde. Die Ideen werden gleich umgesetzt und die Studierenden begleiten das Lied nun mit sogenannten Boomwhakers, Xylofonen und Bassklangstäben. «Ich gehe in den Lektionen vom Erleben und vom Gemeinschaftsgefühl aus und zeige Wege auf, wie im Klassenzimmer der Musikunterricht gestaltet werden kann.» Wichtig sei, dass möglichst oft musiziert und gesungen werde und dass dies alles lustvoll geschehe. Nur so können die Freude an der Musik vermittelt werden und der Funke auf die Klasse überspringen. Mehr Schub dank Sambagurke Die musikalischen Vorkenntnisse der angehenden Primarlehrerinnen und -lehrer sind laut Maurus Conte sehr unterschiedlich. Das Spektrum der Studierenden reicht von Anfängern bis hin zu Absolventinnen und Absolventen einer Musikmatura. «Dank Zusatzangeboten können wir diese Niveauunterschiede etwas ausgleichen», sagt der Dozent. Kurz vor der Mittagspause übt die Gruppe ganz nach Contes Grundsatz passend zur meteorologischen Lage an diesem Morgen das Lied des Schweizer Musikers Andrew Bond «Schlächts Wätter». Zusätzlichen Schub verleihen dem Song Rhythmusinstrumente wie Sambagurken, Djembe, Shaker und Schellenringe.

Serie «Das Modul» In der Serie «Das Modul» stellen wir in diesem Jahr Ausbildungsmodule der PH Zürich vor. Die insgesamt vier Beiträge bilden exemplarisch die Vielfältigkeit des Studienangebots ab.

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Im Zentrum steht das Ziel, Freude an der Musik zu vermitteln.

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Medientipps GESCHICHTE MIT BISS

Leon ist zehn und hat ein Problem: Er leidet unter Schüchternheit. Im Schul­hof traut er sich nicht, mitzuspielen, im Schwimmbad nicht vom Dreimeter-Turm zu springen und schon gar nicht traut er sich, dem Gitarrenlehrer zu sagen, dass der Mundgeruch hat. Sein Vater ist Leon keine Hilfe, er ist aus demselben Holz. Darum ist es Leon, der, inspiriert von Omas Frauenzeitschrift, für sich und seinen Vater ein Mutmacherprogramm startet. Doch der Erfolg stellt sich nicht über Nacht ein. Es ist das Verdienst der Autorin, dass sie Leons Überwindungskampf alltagsnah und mit feinem Gespür für Zwischentöne zeigt. Rückschläge und Selbstzweifel bleiben nicht aus. Es ist ein Befreiungsschlag, als Leon die Frauenzeitschrift zer­ knüllt. Endlich hat er den Mut, sich anzunehmen, wie er ist. Dazu trägt auch das Mädchen Ida viel bei. Sigrun Wolfrum hat ein herzerwärmendes Buch geschrieben und sie zeigt sich als versierte Autorin: Sie beherrscht den Plot und das Titelmotiv virtuos. – Thomas Dütsch

S. Wolfrum. Leon zeigt Zähne. Mit Illustrationen von Katja Spitzer. München: Hanser, 2017. 136 Seiten.

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DIE ROLLE DES GEFÜHLS

Je weiter die Digitalität in unser Leben eindringt, desto mehr besinnen wir uns auf das, was den Menschen hervorhebt und von technischen Existenzformen unterscheidet. Sieht man von humanitären Katastrophen der Menschheitsgeschichte ab, hat es der Homo sapiens mit Vernunft zwar weit gebracht. Neurowissenschaftler Antonio

Damasio zeigt jedoch, dass Leben seit Anbeginn auf Gefühle setzte – von der Reizempfindung der Bakterie über soziale Verhaltensweisen mehr­ zelliger Organismen bis zum subjektiv fühlenden Bewusstsein des Menschen. Sein Schlüsselwort lautet Homöostase und meint jenen dynamischen Regulationsprozess, der nach Stabilität strebt und deshalb Entwicklungen anstösst. So führt Dama-

sio letztlich auch kreative Intelligenz und den Auf­stieg menschlicher Kulturen auf die Fähigkeit zurück, nicht nur die Aussenwelt, sondern alle Regungen zwischen Schmerz und Freude im Inneren zu repräsentieren. – Daniel Ammann

A. Damasio. Im Anfang war das Gefühl: Der biologische Ursprung menschlicher Kultur. München: Siedler, 2017. 320 Seiten.

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Foto: Gianna Mischol

Medientipps

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KOPIE ODER ORIGINAL?

Diese Fragen begleiten die Fotografie seit ihren Anfängen: Kopiert sie eine vorgefundene Wirklichkeit oder ist sie etwas Eigenständiges? Und: Wie beeinflusst die Reproduzierbarkeit von Fotos ihren «Selbstwert»? Der vorliegende Band erweitert den meist akademischen Diskurs dazu um aktuelle Positionen. So schlägt Valentin Groebner mit erfrischendem Lebensweltbezug einen Bogen von heutigen Porträts auf Werbeplakaten zu mittelalterlichen Praktiken des Porträtierens und folgert, dass das menschliche Gesicht das einzige Unikat ist. Neben fotohistorischen und -theoretischen Erörterungen (Bernd Stiegler) wird etwa das Verhältnis der Fotografie zur Kunst (Monika Faber) oder zum Film (Johannes Binotto) thematisiert. Die eingangs gestellten Fragen erhalten durch die Digitalisierung neue Aktualität; diese wird trotz Andeutung im Untertitel kaum diskutiert. Dafür verleiht das optisch und haptisch schön gestaltete Buch der (ge-)wichtigen Diskussion alle Ehre. – Thomas Hermann

M. Meier. Auf der Suche nach dem fotografischen Unikat. Zürich: Rüffer & Rub, 2017. 139 Seiten.

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ABU AN DER BERUFSSCHULE

Haben Lehrpersonen im allgemeinbildenden Unter­­richt (ABU) an Berufsfachschulen eigentlich mehr Spielraum im Gestalten ihres Schullehrplans? Welche Rahmenbedingungen sind gesetzt und wo dürfen Schule oder einzelne Lehrpersonen selbst bestimmen? Die Autoren fassen Vorgaben und zentrale Aufgaben des ABU-Unterrichts treffend zusammen. Das vermittelt einen Überblick und schafft ein Ver­ständnis für den Gesamtzusammenhang. Wegleitend sind hierbei lern­theo­re­tische und didaktische Erkenntnisse. Auf der Grundlage des Quality-Teaching-Konzepts und anhand von Unterrichtsbeispielen wird umfassend dargelegt, was effizienten und zukunfts­fähigen ABUUnterricht ausmacht. Dieser Teil ist anspruchsvoll. Deshalb eignet sich das Studienbuch eher in der Ausbildung von Lehrpersonen an Berufsfachschulen oder als Nachschlagewerk für erfahrene Lehrkräfte. – Tamara De Vito

R. Schori Bondeli, D. Schmuki, M. Erne. Unser Leben. Unsere Welt. Unsere Sprachen: Quality Teaching im allgemeinbildenden Unterricht ABU an Berufsfachschulen. Bern: hep verlag, 2017. 328 Seiten.

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AUSBILDUNG VON TUTOREN

Kommen Hochschulen und Universitäten heute überhaupt noch ohne Tutoratssysteme zurecht? Kaum. Davon ist Heike Kröpke überzeugt. Denn Tutorinnen und Tutoren verbessern die Studienqualität, heben Hierarchien auf, erhöhen Studienerfolge und reduzieren sogar die Quote der Studienabbrechenden. Doch wie eignen sich Studierende innerhalb kurzer Zeit so viele Kompetenzen an? Die Antwort liefert die erfahrene Autorin anhand praxisnaher Übungen und didaktischer Hinweise zur Gestaltung von Tutorien. So stellt sie im Abschnitt «Gegen das Suppenkoma» anregende Warm-ups vor, gibt Tipps zu Körpersprache und Sprechtechnik oder zeigt Tricks im Umgang mit aufsässigen oder unmotivierten Kursteilnehmenden. Dank methodischer Impulse und griffiger Aufgaben profitieren von diesem Leitfaden nicht nur angehende Tutorinnen und Tutoren oder ihre Betreuenden, sondern ebenso Dozierende sowie Lehrerinnen und Lehrer. – Julia Bärtschi

H. Kröpke. Tutoren erfolgreich im Einsatz: Ein praxisorientierter Leitfaden für Tutoren und Tutorentrainer. Opladen: Verlag Barbara Budrich, 2015. 164 Seiten.

Die klugen Siebenjährigen Bis zur Einschulung läuft alles gut. Frank kümmert sich liebevoll um die Tochter seiner verstorbenen Schwester und macht um ihre mathematische Begabung nicht viel Aufhebens. In der ersten Unterrichtsstunde wird jedoch schlagartig klar, dass die siebenjährige Mary unterfordert ist. Die schleppenden Sätze der Lehrerin gehen ihr ebenso auf die Nerven wie das Einmaleins. Die Schulleitung empfiehlt eine Spezialschule und ruft Marys Grossmutter auf den Plan. Aber als Frank nicht einlenkt, muss er vor Gericht um das Sorgerecht kämpfen. Der Film «Gifted» (USA 2017) gewährt auf einfühlsame Weise Einblick in Motive und Nöte aller Beteiligten. Das wirft einmal mehr die Frage auf, worauf es ankommt, damit ein Kind bekommt, was es am dringendsten braucht. Ein ähnlicher Kampf um das Wohl eines siebenjährigen Kindes entbrennt im Film «Little Man Tate». In ihrem Regiedebüt aus dem Jahr 1991 schlüpft Jodie Foster selbst in die Rolle einer überforderten Mutter, die ihren überdurchschnittlich begabten und sensiblen Sohn nicht den Interessen einer ehrgeizigen Kinderpsychologin ausliefern will. Aber nicht nur Ausnahmebegabungen sollten uns in Staunen versetzen. Letztlich ist jedes Kind ein Wunder, wie die Bildungsexpertin Donata Elschen­broich in ihrem Longseller «Weltwissen der Siebenjährigen» zeigt (Goldmann 2002). Die Kleinen sind Forscher, Sammler und Erfinder. Sie passen (noch) nicht in Schablonen, sondern geben uns Rätsel auf und stellen mit ihrer Sicht der Welt unser erwachsenes Schablonendenken gehörig auf den Kopf. – Daniel Ammann

Besprechungen weiterer Titel: blog.phzh.ch/akzente/rubrik/medientipps AKZENTE 2/2018

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Medientipps

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Prozessarbeit nach Dr. Arnold Mindell

So lernen wir.

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Schulen unter (Leistungs-)Druck? 12. Juni 2018, 18 bis 20 Uhr Den (Leistungs-)Druck in der Schule spüren nicht nur Schülerinnen und Schüler. Auch an Lehrpersonen und Schulleitende werden hohe Anforderungen gestellt. Wie können die Betroffenen mit diesen Herausforderungen umgehen? Der Abend gibt Einblick in aktuelle Diskussionen und zeigt mögliche Lösungsansätze auf, unter anderen mit Ingo Albrecht, Pro Juventute und Christian Hugi, Präsident ZLV.

phzh.ch/themenreihen

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Mario Bernet und Ruedi Isler – Unter vier Augen

Illustration: Elisabeth Moch

Ruedi Isler: Gegen Ende seines Studiums hat mich einmal ein eher bildungsresistenter Student ganz unvermittelt angesprochen. Er hat mir mitgeteilt, dass der einzige Fort­schritt in seinen drei Jahren Lehrerbildung darin bestanden habe, dass er nun drei Jahre älter sei. Es war kein guter Student, er glaubte nur, dass er schon alles wisse. Für andere mag sein Statement jedoch stimmen. Gibt es nicht geborene Lehre­r­innen und Lehrer, die eigentlich eine nur ganz minimale Ausbildung bräuchten? Mario Bernet: Nein, die gibt es nicht. Isler: So klar, die Sache? Bernet: Unmittelbar nach der Matura und Rekrutenschule konnte ich im Thurgau ein Vikariat an einer dritten Sekundarklasse übernehmen. Im Fach Geschichte ging es um die Euphorie in Deutschland zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Das lief ganz passabel. Aber was ich inhaltlich und didaktisch geboten hatte, war eine zufällige Mischung: Ich wollte es anders machen als die langweiligen Geschichtslehrer im Gymnasium, konnte ein solides Lehrmittel einsetzen, und schliesslich hatte ich noch die Rekrutenschule in den Knochen. Mir geht es um dieses Zufällige! In der Lehrerbildung wird AKZENTE 2/2018

der Zufall der eigenen Bio­grafie zwar nicht ausgeräumt, aber immer­hin sublimiert. Isler: Meinst du mit «sublimiert», dass in den Schulen genau das zur Praxis wird, was wir hier lehren? Bernet: Nein, ich wollte betonen, dass die eigene Person und die eigene Geschichte so etwas wie den Rohstoff für den Lehrberuf bilden. Dieser Rohstoff wird im Studium nicht verbraucht, sondern veredelt. Klingt das zu pathetisch? Isler: Es tönt schön – aber die Wirkung unserer Ausbildung scheint mir wenig berechenbar. Ob und wie sich Lernbiografie, Überzeugungen und Vorurteile verändern, hat immer etwas Unberechenbares an sich. Dass eine durchkomponierte Aus­bildung zwingend wirkt, widerlegt mein Anfangsbeispiel. Für Natur­ begabte hingegen wäre eine kürzere Ausbildung möglich oder eine mit weiterführenden Schwerpunkten und Wahlmöglichkeiten. Mein Stu­dent wiederum bräuchte ein indi­­viduell auf ihn zugeschnittenes Programm. Fazit: nicht Einerlei für alle! Bernet: Bezüglich der Ausgestaltung der Studiengänge bin ich nicht sehr versiert, aber ich bin etwas skeptisch, was die Wirkung curricularer Kunstgriffe anbelangt. Wer soll

entscheiden, was wichtiger ist: Fachdidaktik, Erziehungs- und Sozial­ wissenschaft, Recht und Ethik, Be­rufspraxis? Das ist alles bedeutsam im Lehrberuf. Entscheidend ist doch, wie es vermittelt wird, nämlich herausfordernd und einladend. Aber klar: Ohne Bildungshunger läuft ­ gar nichts, und der lässt sich nicht einfach herstellen. Isler: Lieber Kollege, dauernd predigen wir die Individualisierung. Ich wün­sch­­te mir in unseren Studiengängen für bereits gut Aus­gerüs­tete vielfältigere Möglichkeiten – und für schwer Er­reich­bare viel Engagement und Beharrlichkeit auf unserer Seite. Tröstlich immerhin, dass wir als Ausbildner dazu neigen, unsere Wirkung zu überschätzen. Das be­wahrt unser Selbstbild vor gröberer Beschädigung. Bernet: Wozu wir hingegen nicht neigen sollten: die Studierenden zu unterschätzen. Diese Faustregel ist bekanntlich immer ratsam, wenn es um Bildung geht. Mario Bernet (links) war 15 Jahre Primarlehrer und ist jetzt wissenschaftlicher Mitarbeiter an der PH Zürich. Ruedi Isler ist Pädagogikprofessor. Sie unterhalten sich an dieser Stelle über ein aktuelles Schulthema.

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Unter vier Augen

Naturtalente im Lehrberuf


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Christian Mathis ist Professor für Didaktik Natur, Mensch, Gesellschaft an der PH Zürich.

Zur Rubrik 1 — Working at the newspace today 2 — High tide at Merewether Baths 3 — The possum is back again 4 — Study hard, surf fast

5 — Having a coffee before the students will take over the patio 6 — Exploring Redhead Beach after a day at #universityofnewcastleaustralia 7 — Lecture with very interested students

8 — Coffee break at Newcastle Civic Park 9 — Well, that’s my last picture. This #takeover is over. I hope you liked my pictures. Thanks ­ to @phzuerich for this opportunity. It was fun!

Jeweils für zwei Wochen übernimmt eine Person aus dem Bildungsumfeld den Instagram-Account der PH Zürich (@phzuerich) und fotografiert während dieser Zeit in ihrem Berufsalltag – in diesem Fall von Mitte bis Ende März 2018. Die besten Bilder erscheinen an dieser Stelle in der Rubrik «Instagram #takeover».

Impressum «Akzente» erscheint viermal jährlich, 25. Jahrgang, Nr. 2, Mai 2018, ISSN 2296-7281 (Print), 2296-732X (Online). Herausgeberin: Pädagogische Hochschule  Zürich. Redaktionskommission: Christoph Hotz (Redaktionsleitung), Daniel Ammann, Anne Bosche, Reto Klink, Martina Meienberg, Michael Prusse. Redaktionelle  Mitarbeit: André Behr, Sabina Brändli, Samanta Gribi, Melanie Keim, Claudia Merki, Eva Pruschy, Angela Roos, Christian Wagner. Adresse: Pädagogische Hochschule  Zürich, Redaktion «Akzente», Christoph Hotz, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, akzente@phzh.ch, phzh.ch/akzente. Grafisches Konzept: Raffinerie AG für  Gestaltung, Zürich. Layout: Regi Müller, Typografische Gestalterin PH Zürich. Druck: FO-Fotorotar, Egg ZH. Inserate: IEB AG, Gewerbestrasse 18,  8132 Egg, Tel. 043 833 80 60, Fax 043 833 80 44, info@ieb.ch, ieb.ch. Abonnemente: Jahresabonnement CHF 20.– inkl. Porto, phzh.ch/abo. Gedruckt  auf FSC-zertifiziertem Papier.

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AKZENTE 2/2018

Fotos: Christian Mathis

Instagra m #takeover

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