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Akzente Das Magazin der Pädagogischen Hochschule Zürich
Deutsch – frühzeitig eigene Zugänge zur Sprache schaffen Seite 10
Reportage: Ein bildungshistorisches Grossprojekt erhält die Geschichte unserer Schule für die Nachwelt Seite 19 Meinungen: Was zwei Lehrer und eine Schulleiterin an ihrem Beruf ärgert Seite 7 blog.phzh.ch/akzente
Inserate
Foto: Michael Lio
Gewerbemuseum Winterthur
Ausstellung
MATERIAL-ARCHIV Permanent Anfassen erlaubt! Ob Glas, Holz, Papier, Kunststoff, Stein, Keramik, Metall, Farbpigmente oder auch Leder und Textilien – im Material-Archiv laden unzählige Materialmuster, eine Online-Datenbank, Experimentierstationen sowie eine reichhaltige Schausammlung und ein grosses, dreidimensionales Lehrbuch zum Stöbern, Rätseln, Forschen und Entdecken ein. Ob im Ausstellungsraum oder im Atelier, in diesem interaktiven Labor für Materialrecherchen können Klassen aller Altersstufen sämtliche Materialien mit allen Sinnen erleben, Produktionsprozesse im Kleinen imitieren oder ausführliches Hintergrundwissen erfahren.
Angebote für Schulen
Die Welt ist Material
Führung für Mittel- und Sekundarstufe
Aus Altglas wird Trinkglas Workshop für Mittel- und Sekundarstufe
Kafi, Gipfeli 3 .—
Was macht Farben farbig? Eine Spurensuche Workshop für Unterstufe bis Sekundarstufe
Raspeln, Hämmern, Schmelzen Workshop für 2. Kindergarten und Unterstufe
Magisch-magnetisches Metall Workshop für Kindergarten
Begleithefte & Lehrer/innendokumentation
Zmit tag 7.—
Für alle Stufen für den selbstständigen Besuch mit der Klasse, kostenlos. Erhältlich an der Museumskasse, Download ab www.gewerbemuseum.ch/Museumspädagogik
Öffnungszeiten Di bis So 10 –17 Uhr, Do 10 – 20 Uhr, Mo geschlossen Öffnungszeiten Feiertage www.gewerbemuseum.ch Anmeldung und Informationen Gewerbemuseum Winterthur Kirchplatz 14, 8400 Winterthur Telefon 052 267 51 36 gewerbemuseum@win.ch www.gewerbemuseum.ch
www.hirschli.net
Inhalt 3/2017
16 Interview: Weshalb Pedro Lenz beim Texten Mundart bevorzugt.
19 Reportage: Wie alte Schulhauspläne restauriert werden.
10 Deutsch: Wie der Zugang zur Sprache am besten gelingt.
4 Vermischtes Wie gelingen Innovationen in der Schule?
24 Studierendenseite Porträt, Bachelorarbeit, Kolumne
Titelbild: 2. Primarklasse Schule Männedorf, Foto: Dieter Seeger
7 Eine Frage, drei Antworten Was ärgert Sie an Ihrem Beruf? 9 Seitenblick Innovationen als Inspirationsquelle
10 Schwerpunkt Deutsch Leitartikel: Sprache als Schlüssel zum Wissen
Porträts: Wie Kinder den Zugang zur Sprache finden Interview: Pedro Lenz, Schriftsteller 19 Reportage Ein Grossprojekt macht die Geschichte unserer Schule zukunftsfähig
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27 PH Zürich Ausbildung: Neue Wege zum Lehrdiplom für die Sek I
Weiterbildung: Kickoff für die Schulleitungen zum LP 21 Ausbildung /Weiterbildung: « Das Thema ‹sexuelle Übergriffe› sollte stets präsent sein» Ausbildung: « Die Vielfalt beim Quereinstieg ist wie in den Anfangsjahren sehr gross» 32 Mein Schulweg «Du kannst mir auch ‹Kursbuch› sagen» 34 Medientipps 37 Unter vier Augen Von Bienen und Gärtnern 38 Instagram #takeover 38 Impressum
Die Botschaft freut alle Eltern, die am Abend Gutenacht-Geschichten vorlesen: Sie bereiten damit den Kindern nicht nur eine Freude, sondern tragen auch zur Entwicklung der Sprachkompetenzen ihrer Sprösslinge bei. Das Gleiche wirkt auch im Klassenzimmer: Heute gelten in der Schule attraktive Leseerlebnisse als zentral für einen guten Deutschunterricht. Das Vorlesen bildet dabei ein wichtiges Element. Gleichzeitig erlebt im Deutschunterricht eine zeitweise vergessene Form eine Renaissance: «Der PISA-Schock im Jahr 2000 machte deutlich, dass wieder systematisch geübt werden muss», sagt Deutschdidaktiker Thomas Dütsch. Daher werden heute auf Primar- und Sekundarstufe wieder mehr Leseund Schreibtrainings in den Unterricht integriert. Wie bei vielen anderen schulischen Themen zeigt sich auch beim Spracherwerb die hohe Wichtigkeit der Frühförderung. Ebenso bedeutend ist ausserdem der Fokus auf diejenigen Kompetenzen, welche die Jugendlichen später anwenden müssen. In vielen Berufen sei eine stilistisch versierte Sprache wenig hilfreich, sagt Deutsch-Professor Hansjakob Schneider. Vielmehr müssten Texte funktionale Aspekte der Sprache berücksichtigen. Das Bewusstsein, wo man wie kommuniziert, werde beispielsweise durch Twitter oder Whatsapp gestärkt – also ausgerechnet durch jene Kommunikationsmedien, die in diesem Zusammenhang immer wieder in der Kritik stehen. – Christoph Hotz
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In haltsverzeich nis/Editorial
Vorlesen und früh üben lohnen sich
Wie gelingen Innovationen in der Schule?
Mitte Mai fand an der PH Zürich das 11. Symposium Personalmanagement im Bildungsbereich statt. Die Veranstalter thematisierten dieses Jahr die Frage, wie Innovation und Führung mit einem stark von vorgegebenen Reformen geprägten Bildungswesen vereinbar sind. Zwei Hauptrednerinnen und ein Hauptredner beleuchteten das Thema aus ihrer jeweiligen Perspektive. Für Matthias Straub-Fischer, Schulleiter der KaosPiloten Bern, sind für Innovationen im Bildungsbereich sieben Elemente von Bedeutung: Mut, Integrität, Kreativität und Wertschätzung auf Seiten der Führungskraft, Vertrauen, Erfahrungen und Balance auf Seiten des Teams. Das richtige Timing in Bezug auf Planung und Durchführung und das Zusammenspiel der Teammitglieder führen seiner Ansicht nach zu neuen Horizonten. Gisela Schultebraucks-Burgkart, Schulleiterin der mit dem Hauptpreis des Deutschen Schulpreises gewürdigten Grundschule Kleine Kielstrasse Dortmund, legte ihren Fokus auf die Frage der strukturellen Führung zur Einflussnahme auf Innovationen. Für die Schulleiterin sind klare Verantwortlichkeiten, eingespielte Prozesse und ein unterstützender organisatorischer Rahmen Voraussetzungen für Innovation. Wichtig ist, dass dieses Zusammenspiel dem pädagogischen Hauptanliegen der Schule dient: eine gute Schule für die Kinder zu sein, die im 4
Kommende Ver anstaltungen
herausforderndsten Brennpunkt des Dortmunder Nordens aufwachsen. Als letzte Hauptrednerin skizzierte 28. September Christine Böckelmann – Rektorin der HochPädagogische schule Luzern, Wirtschaft – Voraussetzungen Schulführung und Bedingungen für Innovationen aus Referat von Gert Biesta von der Sicht der Arbeits- und OrganisationspsychoBrunel University logie und eines innovativen Unternehmerof London tums. Bestimmende Voraussetzungen für Innovationen sind nach ihr die Offenheit von 8. November Personen für neue Erfahrungen, adäquate Forum Politische individuelle Lerngelegenheiten, Teams mit Bildung Was trägt die geteilten Zielen und Werten, unterstützende Volksschule zur Strukturen mit klaren Zuständigkeiten und Demokratie-Kompeeine Kultur des Vertrauens und des grenzentenz der Schülerinnen und Schüler losen Denkens. bei? Diese Frage Die zwölf als praxisnahe Workshops steht im Zentrum konzipierten Foren zeigten auf, wie vielfältig der Veranstaltung. Innovationen im Schulfeld sein können und 11. November was es dazu an Führung und PersonalmaSteuerung der nagement braucht: von der gezielten PersoSonderschulung nalförderung über Fragen zum Einsatz von Die Sonderschulung ICT und Medien bis hin zu Veränderungen verursacht steigende Kosten. Wie im Schulsystem am Beispiel von Tagesschudiesen finanziellen len. Musikalisch begleitet wurde die VeranHerausforderungen staltung durch das Duo Co-Streiff & Tommy begegnet werden – Frank Brückel kann, ist Thema des Meier. Anlasses.
Weitere Infos: phzh.ch/ veranstaltungen
Frank Brückel ist Dozent im Weiterbildungsbereich «Schule und Entwicklung» der PH Zürich.
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Foto: Reto Klink
Ver mischtes
Schulleitende im Gespräch: Matthias Straub-Fischer (Mitte) und Gisela SchultebraucksBurgkart. Moderator Frank Brückel (links).
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Bibliothek
Diplomfeier
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Fotos: Thomas Györffy, Mike Krishnatreya, Christian Wagner
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Neue Leitung Sekundarstufe I Christine Bieri Buschor ist zur neuen Leiterin der Ausbildung für die Sekundarstufe I ernannt worden. Die promovierte Psychologin unterrichtete selber während sechs Jahren als Sekundarlehrerin und war anschliessend als Dozentin tätig. Seit 2008 leitet sie eines der Forschungszentren an der PH Zürich. 400 neue Lehrpersonen Im Juli haben insgesamt rund 400 Personen ihr Lehrdiplom erhalten – 85 auf der Eingangsstufe, 204 auf der Primarstufe und 106 Personen auf der Sekundarstufe II. Die Diplomfeier auf der Sekundarstufe I fand bereits im April statt. Die PH Zürich gratuliert allen Lehrpersonen herzlich zum erfolgreichen Abschluss der Ausbildung.
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Aktuelles
Strahlende Gesichter: Insgesamt 85 Studierende haben auf der Eingangsstufe ihr Diplom erhalten.
Kultur und Spektakel auf der Au Zum vierten Mal veranstalteten das Volksschulamt und die PH Zürich im Juni und Juli gemeinsam die Kulturtage Au. An den insgesamt zwölf Vorstellungen nahmen 72 Klassen mit über 1500 Kindern teil. Eingebettet in eine Rahmenhandlung setzten sich die Schülerinnen und Schüler in Workshops mit verschiedenen Künsten auseinan-
der. Beteiligt waren auch rund 150 Studierende.
1500 Kinder trafen «Im Labyrinth von Auland» auf Figuren aus der griechischen Mythologie.
Neue Publikationen zu Tagesschulen und politischer Bildung Die PH Zürich hat zwei neue Bücher zu aktuellen Themen entwickelt: «QuinTaS. Qualität in Tagesschulen/Tagesstrukturen» unterstützt Schulen unter anderem beim Aufbau von Tagesschulen. «Gesellschaften im Wandel» ist ein neues Geschichts- und Politiklehrmittel für die Sekundarstufe I. Musik- und Performance-Night In einer Werkschau zum Semesterende zeigten die Studierenden der PH Zürich ihr künstlerisches Können – mit Konzerten, Tanz und Chorgesang.
Farbenfrohe Choreografie: Studentinnen der PH Zürich bei ihrem Tanzauftritt.
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Ver mischtes
PHZH in Zahlen
Inserate
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focusTerra Erdbeben im Simulator
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FÜR SCHULKLASSEN UND JUGENDGRUPPEN stapferhaus.ch/schulen
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Peter Rüegg, HK ETH Zürich
SPANNENDE WORKSHOPS Vom gemeinsamen SchabzigerSuppe-Kochen über das Spiel der Kulturen bis zum Erstellen der eigenen Radiosendung.
Wieso bebt die Erde und wo? Wie fühlt sich ein Erdbeben an? Wie kann ich mich schützen? Führungen für Schulklassen Unterrichtsmaterial und Aufgabenblätter Weiterbildungen für Lehrpersonen Informationen und Buchung unter www.focusterra.ethz.ch focusTerra – ETH Zürich Sonneggstrasse 5, 8006 Zürich Telefon +41 44 632 62 81 info_focusterra@erdw.ethz.ch Montag bis Freitag 9.00 − 17.00 Uhr Sonntag 10.00 − 16.00 Uhr
Erdwissenschaftliches Forschungs- und Informationszentrum der ETH Zürich
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Eine Frage, drei Antworten: Was ärgert Sie an Ihrem Beruf? ein Kind der Freiheit. Dass Lernen «machbar» und wir Lehrer und Lehrerinnen damit auch messbar und quantifizierbar sind, halte ich für eine Sünde wider den heiligen Geist der Bildung.
starke Volksschule baut auf fähige Lehrpersonen – und den Rückhalt der Gesellschaft.
Jean Pierre Bünter, Lehrer am Literargymnasium Rämibühl
Wer sich ärgert, schadet sich selbst. Nach dieser
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Peter Heggli, Primarlehrer in Ottenbach Ursina Kuster, Schulleiterin/ Lehrerin in Zürich-Wollishofen
Ich liebe meinen Beruf. Leider steigen viele Lehrpersonen aus, denn der Lehrberuf hat in der Gesellschaft einen geringen Stellenwert. Autoritäten werden heute mehr hinterfragt als früher, das ist auch gut so. Aber mich stört die häufige Pauschalverurteilung unseres Berufsstandes. Alle haben eine Meinung zur Schule. Jeder fühlt sich als Experte. Einzelfälle werden generalisiert. Die Schule muss abfedern, was in der Gesellschaft nicht optimal läuft. Die Erwartungen an die Schule sind enorm hoch und dementsprechend auch die Gefahr der Enttäuschung. Diese Entwicklung demotiviert. Denn sie birgt die Gefahr, dass fähige Lehrkräfte weiterhin abspringen. Gleichzeitig ist es als Lehrperson und Schulleitung wichtig zu akzeptieren, dass die Schule ein Brennpunkt ist, in dem sich soziale und politische Probleme manifestieren. Aber wir brauchen auch Vertrauen und Wertschätzung. Eine
Sie sollen ruhig und konzentriert arbeiten. Sie sollen in Gruppen Lösungen entwickeln. In der Realität aber arbeite ich mit 25 bis 30 Kindern in einem Zimmer, welches eigentlich für 20 Schüler konzipiert ist. Das Resultat: Die Enge bringt Unruhe und fördert Streit. An Gruppenarbeiten ist kaum zu denken. Es sind solche Situationen, die mich in den 26 Jahren als Lehrer am meisten ärgern. Situationen, in denen das Wohl des Kindes vergessen geht; in denen Entscheidungen gefällt werden, weil sie politisch oder wirtschaftlich opportun sind. Oder – so viel Selbstkritik muss sein – weil sie für uns Lehrer weniger Aufwand bedeuten. Etwa wenn wir kein Lager durchführen. Kinder haben keine Lobby. Deshalb müssen wir Lehrpersonen, Schulpfleger und Bildungspolitikerinnen immer wieder versuchen, deren Perspektive einzunehmen. Ansonsten verkommt der Satz «zum Wohle des Kindes» zu einer leeren Worthülse. Zu einem unerfüllten Versprechen.
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Meinu ngen
hehren Devise versuche ich – oft vergeblich – zu leben. Im besten Fall gibt mir der Ärger die nötige Energie, etwas zu ändern, was mich stört. Im Alltag sind das zum Beispiel technische Pannen. Zum Glück haben wir effiziente Techniker im Haus. Unsolidarische Kollegen gehen mir schon eher auf den Keks, sei es, weil sie vom Stau im Fotokopierer weglaufen oder sich weigern, der Lehrergewerkschaft beizutreten. Dass Schülerinnen und Schüler stören, Hausaufgaben nicht machen oder zu spät kommen, gehört wohl zum Berufsrisiko. Zum Ärger kommt es, wenn sie mir ein X für ein U vormachen wollen. Weniger Verständnis habe ich für diejenigen Eltern, die jede Fehlleistung ihrer Sprösslinge in eine Attacke gegen die Schule ummünzen. Was mir aber wirklich sauer aufstösst und Angst macht für die Zukunft unserer Bildung, das ist der unbedarfte und gedankenlose Vergleich von Lehrpersonen mit Managern. Wir müssen zwar Managerqualitäten aufweisen, wenn es ums Organisieren und Planen geht. Wir sind aber kein gewinnorientiertes Unternehmen, und Lernen ist nun mal – wie die Liebe übrigens –
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Informations veranstaltung Masterstudiengang Sonderpädagogik mit den Vertiefungsrichtungen: — Schulische Heilpädagogik — Heilpädagogische Früherziehung
Mittwoch, 8. November 2017 15.00–17.30 Uhr Zirkus machen können alle Menschen! Buchen Sie jetzt eine freie Zirkusprojektwoche. Für das Jahr 2018 und 2019 suchen wir noch Engagements in der Deutschschweiz an Schulen und anderen Institutionen. Gerne geben wir Auskunft +41 79 357 88 47 circolino@pipistrello.ch www.pipistrello.ch
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Silke Fischer – Seitenblick
Illustration: Elisabeth Moch
Seit Beginn der 2000er-Jahre haben sich die Schulen vielen Neuerungen, welche vorwiegend im organisationsbezogenen Bereich zu verorten sind, stellen müssen. Ziel dieser Neuerungen ist es, sich kontinuierlich zu verbessern. Im Zuge dessen wurde auch den Lehrpersonen in der Vergangenheit einiges abverlangt. Wenn ich an meine Lehrtätigkeit als Berufsfachschullehrerin denke, dann waren Innovationen für die Lehrerschaft vor allem mit einem verbunden – mit viel Arbeit. Wenn der Nutzen solcher Innovationen nicht direkt erfahrbar ist, ist es verständlicherweise oftmals schwierig, Lehrpersonen neben der ohnehin hohen Unterrichtsverpflichtung zusätzlich in Pilotprojekte zu involvieren. Eine der bedeutsamsten Innovationen im Bildungsbereich war in den letzten Jahren die Umsetzung der Kompetenzorientierung. Für meine Tätigkeit an der PH Zürich bedeutet dies, meinen Studierenden das notwendige Wissen und die Fertigkeiten so zu vermitteln, dass sie dieses Wissen flexibel in konkreten Situationen einsetzen können. Konkret bedeutet dies beispielsweise, FachAKZENTE 3/2017
wissen in einen Anwendungszusammenhang einzubetten. Darüber hinaus muss ich meine Studierenden darauf vorbereiten, selber kompetenzorientiert zu unterrichten. Dies bedeutet oftmals, dass sie sich verabschieden müssen von bekannten, eher inhaltsorientierten Unterrichtsmethoden, welche sie selbst in ihrer Schulzeit erlebt haben. Dies stellt sowohl für die Studierenden als auch für uns Dozierende eine besondere Herausforderung dar. Um diese Aufgabe zukünftig noch besser meistern zu können, haben wir uns in einem unserer Studiengänge auf der Sekundarstufe II dafür entschieden, den Studierenden ab dem Herbstsemester 2018 ein begleitetes Selbststudium anzubieten. Dabei erarbeiten, vertiefen und reflektieren die Studierenden alleine oder in Gruppen selbstgesteuert und -organisiert Wissen und Kompetenzen. Gleichzeitig soll ihnen diese Lernform Kooperation, Kommunikation, Kreativität und kritisches Denken ermöglichen. Der Dozent oder die Dozentin ist während dieser Zeit anwesend und beantwortet aufkommende Fragen. So können die
Studierenden von uns individuell beraten und unterstützt sowie zielgerichtet darauf vorbereitet werden, die Kompetenzorientierung in ihrem Unterricht auch wirklich adressaten- und themengerecht umzusetzen. Unser Ziel ist es, das Prinzip der Kompetenzorientierung für die Studierenden auf diesem Weg fassbarer zu machen. Wenn ich an diese bevorstehende Aufgabe denke, erhalten Innovationen eine andere Bedeutung. Sie bringen zwar immer noch viel Arbeit mit sich, können von uns aber anders als in der Berufsfachschule unmittelbar umgesetzt werden. Dies macht die Resultate direkt erfahrbar. So werden Innovationen nicht zu einer schweren Last, sondern zu einer Inspirationsquelle für weitere Tätigkeiten. Im Sinne meiner eigenen Kompetenzentwicklung gilt für mich daher in Anlehnung an das altbekannte Sprichwort: «Nur wer sich ändert, Bestehendes kontinuierlich hinterfragt und neue Wege geht, bleibt sich treu». Silke Fischer ist Berufsfachschullehrerin und Dozentin auf der Sekundarstufe II an der PH Zürich.
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Seitenblick
Innovationen als Inspirationsquelle
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Sprache als Schlüssel zum Wissen
Guter Deutschunterricht schafft heute einen persönlichen Zugang zur Sprache und lässt gleichzeitig Raum für systematisches Üben. Dies beginnt bereits im Kindergarten. Auch in anderen Fächern soll in der Schule an der Sprache gearbeitet werden. Text: Melanie Keim; Fotos: Dieter Seeger hat Lehrerin Barbara Beziak und ihre 2. Primarklasse in Männedorf im Deutschunterricht fotografisch begleitet.
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Schwer pu nkt Deutsch
Einst war es das Fernsehen, später waren es die Comics, dann die Anglizismen. Sie alle sollten schuld sein an einem angeblichen Sprachzerfall. Klagen über einen weitreichenden Verlust der Sprachkompetenzen haben in jüngster Zeit wieder Konjunktur. Verantwortlich gemacht werden dabei häufig neue Kommunikationsmedien. Steckt dahinter mehr als ein kulturpessimistisches Unbehagen gegenüber einem natürlichen Sprachwandel? «Die Kritik ist durchaus berechtigt. Heute ist es nicht mehr selbstverständlich, dass sich Maturanden und Hochschulabgänger schriftlich korrekt und stilsicher ausdrücken können», sagt Thomas Dütsch, der an der PH Zürich den Bereich Deutsch/Deutsch als Zweitsprache in der Eingangsstufe leitet. Auch bei Studierenden der PH Zürich beobachtet er immer wieder Unsicherheiten bezüglich der Beherrschung der Standardsprache. So werden die Coaching-Angebote für Seminar- und Abschlussarbeiten des Schreibzentrums der PH Zürich sehr rege genutzt. Studierende seien froh um diese Unterstützung, so Dütsch.
Liva
11 Jahre, 5. Klasse
Ich mag Bücher, in denen es um Fantasy, Zauberei oder griechische Sagen geht. Sie müssen einfach spannend sein. Krimis sind deshalb auch o.k. Im Moment faszinieren mich «Percy Jackson»-Bände von Rick Riordan. Darin gibt es griechische Götter und echte Menschen, Fantasy-Welten und die echte Welt, richtige Probleme und Probleme, die nur Götter haben. Ich lese etwa drei bis fünf Bücher im Monat. Früher waren es mehr. Ich habe 6350 Antolin-Punkte gesammelt und über 200 Bücher gelesen. Aber jetzt in der 5. Klasse gibt es mehr für die Schule zu tun und ich gehe auch noch in die Pfadi und ins Fechten. Beim Lesen kann man viel lernen. Über griechische Götter zum Beispiel oder wie das Leben in einem anderen Land ist. Meinen Wortschatz konnte ich durch das viele Lesen sicher erweitern. Im
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Moment schau ich beim Lesen auf die Kommas. Diese machen mir manchmal Mühe. Auch beim Schreiben hilft das Lesen also. Aber nicht nur bei der Rechtschreibung, sondern auch für neue Ideen oder wie man etwas spannend erzählen kann. Ob ich eine Geschichte als Buch, Hörbuch oder Film geniesse, ist mir eigentlich egal. Gute Geschichten – wie zum Beispiel «Harry Potter» – will ich sowieso in allen Formen erleben. Bei Filmen fehlen häufig ganze Teile aus dem Buch, obwohl sie eigentlich wichtig wären. Manchmal schaue ich mir aber trotzdem nur den Film an oder leihe mir die HörCD aus unserer Schulbibliothek aus. Wenn die Geschichte dann nicht so toll ist, habe ich wenigstens keine Lesezeit verschwendet, die ich für ein tolles Buch hätte brauchen können.
Die Erklärung für diese Entwicklung setzt nicht bei den neuen Kommunikationsmedien an, sondern bei einem auf die 68er-Bewegung folgenden didaktischen Paradigmenwechsel. Im Zuge der sogenannten kommunikativen Wende bewegte sich die Schule damals vom eindimensionalen, hierarchischen Frontalunterricht hin zu offeneren, dialogischeren Lernkonzepten. Das gesprochene Wort wurde gegenüber der Schriftlichkeit aufgewertet.
Dass Wörter auf verschiedene Arten geschrieben werden können, erweckte den Eindruck, Rechtschreibung sei verhandelbar. Im Deutschunterricht verdrängten authentische Schreibanlässe mit Lebensweltbezug die an grammatikalischen Normen und Repetition orientierte Wissensvermittlung. Verworfen wurde auch die Annahme, dass lediglich eine einzige korrekte Sprache existiere. Stattdessen baute der Unterricht fortan auf verschiedenen Sprachregistern auf, die je nach Situation gezogen werden können. Die Abkehr von einem normativen Sprachverständnis schlug sich auch in den Rechtschreibereformen zwischen 1996 und 2006 nieder, die neu für bestimmte Wörter orthographische Varianten zulassen. Dass einige Wörter auf verschiedene Arten geschrieben werden können, während es bei anderen nur eine richtige Schreibweise gibt, erweckt den Eindruck, dass Rechtschreibung verhandelbar sei, und wurde von vielen keineswegs als Erleichterung für den Grammatik- und OrthographieErwerb eingeschätzt. Schrift erfahrbar machen «Die Öffnung des Unterrichts zu mehr textueller Vielfalt war wichtig, weil befreiter und mutiger geschrieben wurde und kreative Aufgabenstellungen einen lustvolleren Zugang zum eigenen Schreiben schufen», so Dütsch. Mit der Ausrichtung auf Anwendungskompetenzen sei aber das Regelwissen ein Stück weit verloren gegangen. Die Resultate der ersten PISA-Studie im Jahr 2000, die den Schweizer Schülerinnen und Schülern erhebliche Mängel hinsichtlich der Lesekompetenzen attestierte, führte schliesslich zu einem Umdenken in der Deutschdidaktik. «Der PISA-Schock machte deutlich, dass wieder systematisch geübt werden musste», so Dütsch. Heute werden auf Primar- und Sekundarstufe wieder mehr Lese- und Schreibtrainings in den Unterricht integriert, wobei auf AKZENTE 3/2017
9 Jahre, 3. Klasse
Ich lese eigentlich nur Comics. So etwa 15 bis 20 im Monat. Wenn ich endlos viele Comics hätte, würde ich mindestens 100 in drei Tagen lesen. Mich interessieren darin Geschichten über Goldschätze, Piraten und das Schwarze Phantom. Bücher ohne Bilder lese ich nicht gerne. Die liest mir Mama vor. Bei Büchern mit Bildern und Text schaue ich mir die Bilder an und lese ein bisschen darum herum, bis ich verstanden habe, worum es geht. Dann gehe ich zum nächsten Bild und versuche herauszufinden, was zwischen den beiden Bildern passiert sein könnte. Aus Büchern kann man schon etwas lernen. Ich habe zum Beispiel ein Experimentierbuch, eines mit Anleitungen für die besten Streiche und eines mit Donald Ducks 1000 besten Witzen. Das kann ich alles wirklich gut ge-
brauchen. Aber auch aus Comics lerne ich einiges. Mickey zum Beispiel ist sehr mutig. Was der alles macht, würde ich mich nicht getrauen. Ich habe auch ein Tagebuch. Doch ich habe nur einmal etwas reingeschrieben. Dann ging der Schlüssel dazu verloren. Das ist mir aber egal. Ich erzähle Geschichten sowieso lieber, als sie aufzuschreiben. Wenn ich die Wahl hätte zwischen Film, Hörbuch und Buch, würde ich sicher zuerst den Film nehmen. Im Film können Geschichten noch viel gruseliger dargestellt werden, als ich mir sie selber vorstellen kann. Auf Platz zwei würde ich mir das Buch von Mama vorlesen lassen. Platz drei belegt das Hörbuch und Platz vier das Buch selber lesen. Ausser es wäre ein Comic. Das wäre eh auf dem ersten Platz.
binnendifferenzierte Aufgaben und kollektive Lernformen gesetzt wird. So schreiben Kinder etwa gemeinsam an Texten, tauschen sich nach kurzen Leseeinheiten paarweise über den Inhalt aus oder lesen sich gegenseitig Texte vor, womit sichergestellt wird, dass wirklich alle Schülerinnen und Schüler die eingeplante Zeit zum Lesen nutzen. Auch die leistungsstärkeren Tandempartner profitieren vom Austausch, wenn sie Grammatikregeln und Wörter erklären müssen oder durch das Nacherzählen von Geschichten ihr Verständnis für Erzählstrukturen verbessern. Leseerlebnisse attraktiv und persönlich zu gestalten, gehört zu den zentralen Merkmalen eines guten Deutschunterrichts. Das Vorlesen durch die Lehrperson ist daher auch auf der Mittelstufe, wenn Kinder bereits automatisiert lesen, pädagogisch wertvoll, da über das Medium Buch ein Raum der kompletten Aufmerksamkeit und sozialen Nähe entsteht. Zudem sollten sich Lehrpersonen ihrer Vorbildrolle bewusst sein und stets eine korrekte, sorgfältige Sprache pflegen und Fehler vermeiden, die gerade leistungsschwache Schülerinnen und
Vorteil literale Erziehung Guter Deutschunterricht beginnt allerdings nicht erst auf Primarschulstufe, da der erfolgreiche Aufbau von Sprach- und Schriftkompetenzen massgeblich von frühkindlichen Erfahrungen mit Sprache und Schrift abhängt. Deshalb dreht sich in der Sprachdidaktik der Eingangsstufe seit einigen Jahren vieles um den Begriff der Literacy (deutsch: Literalität), der frühe umfassende Erfahrungen mit Schrift und dem Medium Buch im Fokus hat. Da eine literale Erziehung die Basis für den Erwerb der Schreib- und Lesekompetenz bildet, sollte ein Kind möglichst früh mit Büchern und erzählten Geschichten in Kontakt kommen und ein anspruchsvolles Sprachangebot erhalten. Dieses beinhaltet neben einem breiten Wortschatz auch die Konfrontation mit komplexen Formulierungen und Erklärungen, also einem argumentativen Sprachgebrauch neben alltäglichen, einfachen Verständigungsformen. Weil der Erwerb der Muttersprache und die Entwicklung des Sprachbewusstseins primär beiläufig, also abseits der Schule, über Abzählreime, das Gespräch beim Abendessen oder die Gutenachtgeschichte geschehen, haben Kinder sehr unterschiedliche Voraussetzungen. Gerade deshalb muss die Schule für mehr Chancengerechtigkeit die Sprachentwicklung im Kindergarten sehr gezielt fördern. Dabei reicht es nicht aus, mit den Kindern möglichst viel in einer elaborierten Sprache zu sprechen. «Die Theorie des sogenannten Sprachbads ist heute überholt. Zur Stärkung der kindlichen Sprachfähigkeiten sind konkrete Übungssettings nötig», erklärt Dütsch. Die Sprachförderung in Kindergarten setzt daher mit Übungen für ein phonologisches Bewusstsein ein, die den späteren Schrifterwerb nachweislich erleichtern. So lernen Kinder etwa Geräusche wie rieselnden Sand oder knackende Nüsse unterscheiden oder über Verse beim Znüniritual Endreime erkennen und Silben klatschen. Neben solchen Übungen ist ein handlungsbegleitetes Sprechen für den Wortschatzerwerb zentral. So beschreibt eine Kindergartenlehrperson idealerweise gleichzeitig, was sie jeweils tut, sagt, dass sie den Apfel schält oder ein Couvert zuklebt. Auch werden vor dem Erzählen eines Märchens
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Mathis
Schüler nicht richtig einordnen können. Um die Kinder für das freiwillige Lesen ausserhalb der Schule zu motivieren, dürfen Lehrpersonen auch einmal von eigenen, positiven Leseerfahrungen erzählen. Dies wird besonders in der dritten und vierten Klasse wichtig, wenn viele Kinder in eine wertvolle Viellesephase hineinkommen. Ein besonderes Augenmerk soll dabei den Jungen gelten, die oft viel später als Mädchen – oder gar nicht – in eine Viellesephase geraten. Geschlechtergerechte Leseangebote, die Action-, Fantasy- und technisch ausgerichtete Literatur oder Buch-Game-Verknüpfungen umfassen, können hier ein Stück weit Abhilfe schaffen.
Schwer pu nkt Deutsch
Kinder wäre ein möglichst intensiver Sprachunterricht beim Schuleintritt ideal», sagt Rita Tuggener, Dozentin für Deutsch und Deutsch als Zweitsprache (DaZ) an der PH Zürich. «Damit sie danach den Anschluss an die Gleichaltrigen finden und sich gut in die Regelklassen integrieren, sollte dieser jedoch nicht länger als ein Jahr dauern.» Wie umfangreich heute dieser DaZ-Unterricht tatsächlich ausfällt, hängt von der Anzahl Kinder mit Anspruch auf DaZ-Unterricht in einer Gemeinde ab. Über einen Verteilschlüssel mit kantonal bestimmten Mindestansätzen wird ein Lektionenpool berechnet, aus welchem sich verschiedene Modelle vom umfassenden Unterricht in einer reinen DaZ-Klasse bis zu reduzierten DaZ-Wochenlektionen neben dem Besuch des Regelun-
Auch Kinder mit deutscher Muttersprache scheitern in Fächern wie Biologie nicht selten an der sprachlichen Komplexität der Texte.
Vom gegenseitigen Vorlesen profitieren stärkere und leistungsschwächere Kinder gleichermassen.
zentrale Begriffe wie die Burg oder die Spindel über mitgebrachte Gegenstände eingeführt, möglicherweise wird zudem die Handlung bereits im Voraus zusammengefasst, um die Kinder für die Gliederung der Geschichte zu sensibilisieren. Deutsch als Zweitsprache Die schrittweise Heranführung an das Verstehen von Inhalten ist für Kinder, die erst bei der Einschulung oder einem Zuzug in die Schweiz Deutsch lernen, besonders wichtig. Für sie stellt der Schulalltag insofern eine mehrfache Herausforderung dar, als sie nicht nur eine zusätzliche Sprache lernen, sondern sich alle Unterrichtsinhalte in einer fremden Sprache aneignen müssen und eigene Bedürfnisse nur schwer mitteilen können. «Für diese 14
terrichts ergeben. Spätestens ab dem zweiten Jahr treten die Kinder in die Regelklasse ein und der DaZ-Unterricht reduziert sich stark. Gemäss Tuggener können ein integrierter DaZ-Unterricht in der Regelklasse und die enge Zusammenarbeit zwischen Regel- und DaZ-Lehrperson den systematischen Sprachaufbau und das rasche Überwinden der Sprachhürden unterstützen. Während DaZ-Lehrpersonen nach ihrer Ausbildung zur Klassenlehrperson einen CAS DaZ absolvieren müssen, werden Regelstudierende in der Ausbildung an der PH Zürich in einem obligatorischen Modul für die spezifischen Bedürfnisse von DaZ-Kindern sensibilisiert. «Klassenlehrpersonen müssen lernen, wie sie binnendifferenzierte Aufgabenstellungen konzipieren, die auch Anderssprachige verstehen und lösen können», erklärt Tuggener. Bei Schreibaufgaben können Kinder etwa mit Hilfe raffinierter Textgerüste unterstützt werden: Zuerst werden ganze Textbausteine, später nur noch einzelne Formulierungen zur Verfügung gestellt. Zudem werden Fehler selektiv, nach klaren Kriterien korrigiert. Bei Leseübungen kann die Komplexität schrittweise über basale Fragen mit angebotenen Teilantworten reduziert werden. Orientierungshilfen brauchen die Kinder jedoch nicht nur im Deutschunterricht, sondern ebenso bei Mathematikaufgaben oder Texten im Bereich Mensch und Umwelt. Damit fehlende Deutschkompetenzen nicht das AKZENTE 3/2017
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Verstehen blockieren, sollen zentrale Begriffe und logi- bläschen mit Seifenblasen verglichen, was bei einigen sche Verknüpfungen wie «je … desto …» sorgfältig einge- Schülerinnen und Schülern die Vorstellung erweckte, in führt werden. der Lunge werde etwas Ähnliches wie Seife produziert. Verständnisprobleme entstanden ausserdem, wenn WortStolperstein Fachtext wiederholungen aus stilistischen Gründen vermieden Auch Schülerinnen und Schüler mit deutscher Mutter- wurden und Knospen fälschlicherweise als junge Blumen sprache scheitern in Fachbereichen wie Biologie, Ge- oder als Blüten bezeichnet wurden. Zum Teil verstanden schichte oder Geografie nicht selten an der sprachlichen die Jugendlichen auch zentrale wissenschafts- oder fachKomplexität von Fachtexten und Textaufgaben. Hansja- spezifische Begriffe nicht. In neu überarbeiteten Lehrmitteln wird deshalb kob Schneider, Professor für Deutsch an der PH Zürich untersuchte das Verständnis von Biologie-Texten bei Se- auf unnötige Stilmittel verzichtet, zudem werden Erkläkundarschülerinnen und -schülern in einer Studie des rungen von Fachbegriffen und strukturierende LeseanSchweizerischen Nationalfonds (SNF). «Im Extremfall leitungen integriert. Für ein optimales Leseverständnis verstanden Jugendliche nach dem Lesen der Texte weni- sollten die Lehrpersonen mit der Klasse an einem Wortger vom Thema als zuvor, weil die Lektüre ihr Vorwissen schatzaufbau von wissenschaftsspezifischen Begriffen durcheinanderbrachte», sagt Schneider. Verwirrung stif- arbeiten sowie an Lesestrategien und Techniken wie dem teten beispielsweise Metaphern, die in naturwissen- Markieren und Zusammenfassen wichtiger Textstellen. schaftlichen Schulbuchtexten der Anschaulichkeit halber Dies hilft den Jugendlichen später, in der Berufswelt häufig verwendet werden, aber zum Teil falsche Assozia- selbstständig einen Zugang zu Fachtexten zu finden. tionen produzieren. So wurden in einem Text LungenHansjakob Schneider weist zudem auf eine weitere Herausforderung beim Übertritt in die Berufswelt hin: Eine stilistisch versierte Sprache mit langen, erörternden Sätzen sei in vielen Berufen, in denen zielgerichtete Arbeitsanweisungen erteilt werden, wenig hilfreich. Deshalb sollten Schreibübungen auf der Oberstufe funktionale Aspekte der Sprache berücksichtigen. Texte müssen Carla also situiert werden, was Überlegungen zum Zielpubli13 Jahre, kum beinhaltet, aber auch zum Platz, der zur Verfügung 1. Sek steht, sowie zur Wirkung, die man erzielen will. Laut Schneider wird das Bewusstsein, wo man wie kommuniziert, heute durch neue Kommunikationsmedien wie Whatsapp oder Twitter gestärkt. Im Moment liegt «Biss habe ich in Aufsätzen zum Morgengrauen» von zum Beispiel mehr MögAbgesehen von diesem Effekt spaltet die Frage, ob Stephenie Meyer auf lichkeiten, mich auszudie Nutzung von digitalen Medien Lese- und Schreibmeinem Nachttisch. Meyer drücken oder kriege ein kann so gut und spannend besseres Gefühl dafür, kompetenzen schwächt oder stärkt, die Fachwelt. Auf der schreiben, dass ich imob ein Satz stimmt oder einen Seite werden eine positivere Einstellung gegenüber mer weiterlesen will. nicht. Ausserhalb der Solche Bücher liebe ich. Schule schreibe ich vor Sprache und der kreative Umgang mit Schrift angeführt, So wirklich zum Lesen allem Textnachrichten komme ich vor allem in übers Handy. Dort schrei- auf der anderen Seite eine geringe Sprachqualität und ein den Ferien. Dann kann ben aber eh alle SchweiVerlust des Regelwissens durch Korrekturprogramme. ich auch mal bis um Mitzerdeutsch und mit Abternacht lesen, wenn es kürzungen oder Wörtern, «Abwehrende Haltungen verkennen, dass digitale Medigerade spannend ist. die man in einem Schulen schlicht nicht mehr wegzudenken sind», sagt SchneiWeil meine Eltern auch aufsatz nie verwenden regelmässig Bücher dürfte. Früher habe ich der. Damit die Schule Kinder nicht «an der Welt vorbei» lesen, schalten wir in viele Hörbücher gehört ausbilde, gelte es das Potenzial neuer Medien intelligent den Ferien manchmal wie «TKKG», «Drei Frageeinfach Lesetage ein, zeichen» oder «Fünf für den Unterricht zu nutzen. Als Beispiel dafür, dass die wenn wir müde sind oder Freunde». Heute höre ich es draussen regnet. mir eigentlich keine mehr Angst vor digitalen Medien unbegründet ist, nennt Ausserhalb der Ferien an, sondern lese immer Schneider die Internetplattform myMoment, auf der Prireicht die Zeit mit Haus- gleich das Buch. Ich aufgaben, Fussball, schaue auch gerne Filme. marschülerinnen und -schüler sich über ihre Erlebnisse Pfadi und Kolleginnen Wenn mir ein Film geaustauschen, ohne von Lehrpersonen korrigiert zu wertreffen kaum für mehr fällt, dann suche ich als ein Buch pro Monat. aber nicht unbedingt den. Wie eine Studie der Pädagogischen Hochschule Etwas zu lernen, ist mir auch noch das Buch dazu FHNW zeigte, lernten die Schülerinnen und Schüler danicht so wichtig beim und umgekehrt ebenfalls Lesen. Es ist ja meine nicht. Bei «Biss zum Morbei nicht nur, Texte interessanter aufzubauen und Titel Freizeit, die ich dafür gengrauen» habe ich eine attraktiver zu gestalten. Auch verbesserten sie teilweise verwende. Man kann seine Ausnahme gemacht: Dort Deutschnote sicher verbin ich jetzt bei Band 1, ihre Rechtschreibung dank der Kommentare von Klasbessern, wenn man viel bei den Filmen aber schon liest. Durch das Lesen bei Band 4. senkameraden.
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«Ich hatte als Schüler eine Buchstaben-Manie» Der Schriftsteller Pedro Lenz entwickelte dank seiner Zweisprachigkeit früh ein ausgeprägtes Sprachbewusstsein. In Mundart kann er die sprachlichen Eigenheiten eines Milieus besser beschreiben als auf Hochdeutsch. Aus Angst vor Fehlern auf Mundart auszuweichen, hält er allerdings für keine gute Idee.
Akzente: Erinnern Sie sich an prägende Spracherlebnisse in Ihrer Kindheit? Lenz: Als ich sehr klein war, wurde bei uns zuhause nur Spanisch gesprochen. Deutsch lernte ich sozusagen automatisch auf der Strasse. Meinem Vater war aber wichtig, dass mein Bruder und ich korrekt Deutsch lernten, deshalb begann er, uns Verse vorzulesen, etwa von Wilhelm Busch. Daher hatte ich lange die Idee, Deutsch sei eine Sprache in Versen. Zuhause hatten wir wenig Zugang zum Fernseher, wir entwickelten unsere Filme im Kopf. Dafür hatten wir viele Schallplatten mit Geschichten von Karl May, Kasperli, Trudi Gerster. Bei diesen Geschichten faszinierte mich, wie Ordnung in eine offene Ausgangslage hineinkommt, wie sich beispielsweise etwas zum Guten entwickelt.
Über Pedro Lenz
Sie hatten also sehr früh ein ausgeprägtes Bewusstsein für Sprache? Schon in der frühsten Kindheit musste ich für meine Mutter häufig etwas aus dem Spanischen ins Deutsche übersetzen. Ich merkte, dass Wörter in Mundart einen anderen Klang haben und dass man mit ganz wenig viel sagen kann, statt «sicher nicht» sagt man «äuä». Gerade weil ich zweisprachig aufwuchs, betrachtete ich Sprache früh von aussen her, begann auf Unterschiede zu achten, wenn etwa auf einer Tafel Bienne und Biel angezeigt wurde.
Pedro Lenz kam 1965 als Sohn einer Spanierin und eines Thurgauers in Langenthal zur Welt. Nach einer Lehre als Maurer arbeitete er einige Jahre auf seinem Beruf, bevor er die Erwachsenenberufsmaturschule besuchte und 1995 die Matura machte. An der Universität Bern studierte er einige Semester spanische Literatur. Seit 2001 ist er vollberuflich als Schriftsteller tätig. Lenz thematisiert in seinen Mundart-Geschichten und -Gedichten, Spoken-WordAuftritten und Kolumnen oft Sprachund Alltagsbeobachtungen. Der WahlOltner schreibt auch regelmässig für Theatergruppen und das Schweizer Radio. Grosse Bekanntheit erlangte Lenz 2010 mit seinem MundartRoman «Dr Goalie bin ig», der verfilmt und in sieben Sprachen übersetzt wurde. Für seine Arbeit erhielt Lenz zahlreiche Auszeichnungen.
Welche Rolle spielten Bücher in Ihrer Kindheit? Als Schüler habe ich nicht viel gelesen, es war mir zu anstrengend. Trotzdem war mir das Lesen sehr vertraut, zuhause waren
Ein Hobby als Ausgleich zur Arbeit kennt Lenz nicht, allerdings ist er gerne zu Fuss in «seinem Gebirge», dem Jura, unterwegs.
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Texte und Bücher in Hülle und Fülle da, ich sah die Eltern Zeitung lesen. Doch ich hatte eine Buchstaben-Manie. Ich erinnere mich, wie wir in der Schule stundenlang einzelne Buchstaben auf Blätter schreiben mussten, das hat mir wahnsinnig Freude bereitet. Mit zehn bekam ich die alte mechanische Schreibmaschine meines Vaters geschenkt. Wenn ich die Tastatur mit allen Buchstaben vor mir sah, kam mir mehr in den Sinn. Bis heute schreibe ich besser mit einer Tastatur als von Hand. Eine Tastatur inspiriert mich einfach. Welche Erinnerungen haben Sie an den Deutschunterricht? Keine sehr guten. Ich hatte zwar Freude am Sprachunterricht, aber ich erhielt in der Schule nie das Gefühl, ich könne schreiben und Schriftsteller werden. In der Orthographie war ich zwar gut, doch Aufsätze waren für mich ein Problem, weil Wiederholungen von Satzstrukturen oder von Wörtern rot angestrichen wurden. Heute ist das ein Stilmittel von mir, viermal dasselbe Adjektiv zu verwenden. Vielleicht hätte es neben dem Aufsatzschreiben nach Normen mit Einleitung, Hauptteil und Schluss etwas Spielerisches wie Creative Writing geben sollen. Wie stellen Sie sich guten Deutschunterricht vor? Guter Deutschunterricht sollte nicht defizitorientiert sein, sondern bei Schülerinnen und Schülern das hervorheben, was bereits vorhanden ist. In Workshops von mir in Schulen sagen viele Schüler bereits zu Beginn: «Ich bin schlecht in Deutsch.» Wenn einer als Erklärung anbringt, er sei eben Türke, zeige ich ihm, dass er sogar
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Schwer pu nkt Deutsch
Text: Melanie Keim, Foto: Nelly Rodriguez
Schwer pu nkt Deutsch
eine Sprache mehr als die meisten kann und sich dies zu Nutzen machen soll. Auch bei der Arbeit mit Legasthenikern ist eine Defizitorientierung schädlich: Für sie wirkt es oft sehr befreiend, wenn sie ihre Texte nur vorlesen und kein Blatt abgeben müssen. Wenn sie einen Text voll mit rot markierten Fehlern zurückerhalten, sagen sich viele: Das ist nicht meine Welt. Ich bin jedoch sicher, dass die Pädagogik heute weiter ist als damals. Wie kamen Sie zur Mundart-Literatur? Als ich etwa zehn war, nahm ich Schweizer Lieder wie «Kiosk» auf Kassetten auf und transkribierte sie auf der Schreibmaschine. Da merkte ich, dass die Schreibweise in Mundart freier ist. Später, als ich bereits Texte in Hochdeutsch veröffentlicht hatte, erfand ich für «Das kleine Lexikon der Provinzliteratur» fiktive Mundartautoren mit Textbeispielen und erkannte, dass mir das Spass machte. Doch ich hatte der modernen Mundart-Literatur gegenüber Vorbehalte. Ich hatte das Gefühl, dass Autoren Begriffe, die kein Mensch mehr brauchte, auf dem Tablett präsentierten, um zu zeigen, wie toll diese Sprache ist. Zudem dachte ich, Mundart sei für Ausländer nicht verständlich und es bestehe kein Markt dafür.
Mundart liegt generell im Trend, in Chats, in der Werbung, in der Musik. Woher kommt das? Ein Grund, weshalb in Chats und SMS Mundart benutzt wird, ist die Bequemlichkeit. Man will sich auch nicht blamieren, etwas falsch zu schreiben. Das ist ein
«Ich bin kein Kulturpessimist. Die Jungen sind aufmerksam, kreativ und haben eine gewisse Offenheit gegenüber Sprache.» grosses Problem. Ich kenne Erwachsene, die machen in einem Mail zehn Orthographiefehler. Sie sind sich dessen bewusst und zeigen das Mail jemandem, wenn es wichtig ist. Sonst schreiben sie eben in Mundart.
Ist das nicht eine negative Entwicklung? Doch. Dass so viel in Mundart geschrieben wird, ist per se zwar keine schlechte Entwicklung. Der Grund dafür Wie kam es trotzdem zu Ihren Mundart-Veröffent- ist aber bedenklich. Ich finde, dass man zumindest eine lichungen? Sprache sattelfest beherrschen sollte, bevor man VarianDen Ausschlag gab ein längerer Aufenthalt in Schottten ausprobiert. Will man ein Spiel abändern, sollte land, wo mich die Leute ermutigten, in meiner Alltags- man die Grundregeln kennen. Das ist meiner Ansicht sprache zu schreiben. Sie verglichen meine potenziellen nach die Aufgabe der Schule. Leser mit der Anzahl Letten, Finnen oder Esten, die ihre eigene Literatur haben. Das ermutigte mich. Als Wie erleben Sie den Umgang der Jugendlichen mein erster Roman «Dr Goalie bin ig» herauskam, ermit Sprache? kannte ich, dass Mundart für die Leser keine Hürde Ich bin kein Kulturpessimist. Die Jungen sind aufmerkdarstellt. Natürlich sagen einige Leute, sie hätten Mühe sam, kreativ und haben eine gewisse Offenheit gegengehabt beim Lesen. Doch Mühe ist kein Argument bei über Sprache, sprechen etwa besser Englisch als unsere Literatur. Generation, von der Aussprache her auch besser Hochdeutsch. Wenn Jugendliche in einem Balkan-Slang Wie steht es um Ihr Verhältnis zur hochdeutschen sprechen und merken, dass Leute wie ich diesen aufSprache? Sind Sie in der Standardsprache ein nehmen, gehen sie schnell wieder davon weg. Um auf anderer Pedro Lenz? die Schule zurückzukommen: Sie dürfte dem SprachWenn ich Hochdeutsch schreibe, bin ich etwas distanwandel gelassener begegnen, Wörter, die unschön klinzierter, aber nicht eine andere Person. In beschreibengen oder falsch ausgesprochen werden, spielerischer den Texten und in indirekter Rede fällt es mir leicht, thematisieren. Bei Kindern in der Nachbarschaft beobHochdeutsch zu schreiben. Sobald es aber um die achte ich, dass sie Wörter plötzlich anders betonen. Sprache einer Figur in einem bestimmten Milieu geht, Die Mehrheit sagt jetzt «Kólleg» statt «Kollég». Das finde fühle ich mich in Mundart wohler. Ich habe ja zum ich nicht schlimm. Wäre ich Lehrer, würde ich fragen, Beispiel keine Ahnung davon, wie ein Arbeiter auf wer «Kollege» wie ausspricht und gemeinsam einen Text Hochdeutsch ein Bier bestellt. Da ich lange auf dem entwerfen, in dem wir diese Varianten gegenüberstellen. Bau gearbeitet habe, weiss ich, welche Wörter ein Es hilft, wenn man sprachliche Veränderungen benenArbeiter braucht und ich kenne die Eigenheiten seiner nen kann. Je weniger man weiss, desto eingeschränkter Sprache. Wenn ich weiss, wie eine Figur spricht, sehe ist man. Ich plädiere also für einen bewussten, sorgfältiich sie klar vor mir. gen Umgang mit der Sprache. 18
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Die Geschichte zukunftsfähig machen Ob 50 000 Kinderzeichnungen aufwändig digitalisieren oder alte Schulhauspläne sorgfältig restaurieren: Kulturgüter zu erhalten, geht auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Mit einem grossen Projekt werden die wertvollen Bestände der Stiftung Pestalozzianum erschlossen – nun sind die ersten Teilprojekte gestartet.
Ein schmuckloser Bau im Industrieviertel Churs, der Lift führt in den zweiten Stock, man läuft durch eine Glastüre und landet in einem langen Gang voller Türen. Von weit hinten ruft jemand: «Hier sind wir!» Michel Pfeiffer steht in seinem «DigiLab». Es ist angenehm kühl. «Genau 20 Grad», schmunzelt der Professor, «die ideale Temperatur für unsere Arbeit.» Wir sind an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur, die viel Erfahrung hat im Bereich der Digitalisierung von Kulturgütern. Deshalb hat sie den Zuschlag erhalten, die 50 000 Kinderzeichnungen aus dem Bestand der Stiftung Pestalozzianum (siehe Box am Ende des Textes) zu digitalisieren und für die Forschung zugänglich zu machen. Michel Pfeiffer ist Professor für «Digital Asset Management» und dafür zuständig, dass die Kinderzeichnungen für die Nachwelt erhalten bleiben. «Digitale
Langzeitarchivierung» nennt sich das. «Manchmal sagen meine Kollegen: Digitalisierung, das ist doch langweilig! Dabei braucht es unglaublich viel, damit die Qualität stimmt», findet Pfeiffer. Er holt seinen Mitarbeiter Vincenzo Francolino hinzu. Dieser trägt ein schwarzes Hemd, schwarze Hosen, schwarze Schuhe – er ist heute daran, die Kinderzeichnungen zu digitalisieren. «In der Dunkelkammer würde helle Kleidung stören», erklärt Pfeiffer. Dunkelkammer? Werden die Kinderzeichnungen denn nicht gescannt? Pfeiffer schüttelt den Kopf und zeigt auf eine Digitalkamera, die an einer Vorrichtung hängt. «Die Digitalisierung ist viel genauer, der Blitz schonender, die Zeichnung wird nicht erwärmt und flachgedrückt wie beim Scannen.» Bislang haben er und sein Team etwa 4000 der Kinderzeichnungen digitalisiert. Pro Tag schaffen sie der-
Vincenzo Francolino digitalisiert die rund 50 000 Zeichnungen (l.), Maja Stein restauriert die alten Schulhauspläne.
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Text: Stefanie Rigutto und Monique Rijks, Fotos: Reto Klink
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Am Computer wird die Digitalkamera ausgelöst, Sekunden später erscheint die Zeichnung auf dem Bildschirm.
Die Feinabstimmung erfolgt am Computer.
Pro Tag werden rund 150 Bilder digitalisiert. Diese Zeichnung von 1968 ist eine davon.
Die Zeichnungen werden fotografiert – dies ist genauer als scannen.
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Zeitdokumente aus Kinderhand Szenenwechsel. Ein grauer Dienstagmorgen. Treffen mit Anna Lehninger in einem Sitzungszimmer im 7. Stock der PHZH. Die Kunsthistorikerin betreut das Archiv der Kinder- und Jugendzeichnung der Stiftung Pestalozzianum und ist daran, mit ihrem Team die digitalisierten Zeichnungen, die sie von der HTW Chur fortlaufend erhält, zu katalogisieren. Warum ist es eigentlich so wichtig, Kinderzeichnungen für die Nachwelt zu erhalten? Sind es nicht einfach – ja, eben – Kinderzeichnungen? Anna Lehninger schüttelt den Kopf: «Es sind Zeitdokumente aus Kinderhand. Man sieht, wie Kinder und Jugendliche die Welt wahrnehmen. Sehr schön sieht man auch, wie sich der Zeichenunterricht und der Lehrauftrag mit der Zeit verändert haben.» Die Zeichnungen seien so etwas wie ein Querschnitt des Bildgedächtnisses des 20. Jahrhunderts – aus Sicht der Kinder. Für die historische Forschung ist dies enorm wertvoll, denn die Wahrnehmung der Kinder ist oft ein blinder Fleck. Bereits hat Lehninger erste Zeichnungen gesichtet. «Es ist erstaunlich, wie stark sich der Einfluss der Geschichte, aber auch gesellschaftliche Veränderungen in den Kinderzeichnungen widerspiegeln», sagt sie. «Ab den 30ern zum Beispiel entdeckt man in den Zeichnungen immer seltener Frauen, die von Hand die Wäsche waschen.» Und in den 60ern wurde plötzlich der NaturAKZENTE 3/2017
schutz ein Thema, die Kinder zeichneten kranke Bäume und dreckige Flüsse. Auch die Darstellung der Familie änderte sich über die Jahrzehnte markant: Plötzlich ist der Vater nicht mehr nur die Person im Hintergrund, die in einem Sessel sitzt und liest, sondern aktiv etwas unternimmt mit den Kindern. Derzeit analysiert Lehninger im Rahmen des Projekts, wie sich der Zweite Weltkrieg auf Schweizer Kinder und ihre Zeichnungen ausgewirkt hat. «Das ist teilweise sehr berührend», sagt sie. Da gibt es Zeichnungen von
«Man kann in den Kinderzeichnungen teilweise den Verlauf des Zweiten Weltkriegs ablesen. Das ist sehr berührend.»
Anna Lehninger, Kunsthistorikerin
Luftschlachten, Brüder, die eingezogen wurden, das Leben ohne Vater, Flüchtlingszüge, Verdunkelung, Kartoffelanbau und Rationierungen – «man kann in den Zeichnungen sogar teilweise den Kriegsverlauf ablesen», sagt Lehninger. Aber nicht nur die Geschichte zeigt sich in den Zeichnungen, auch der technische Fortschritt. «In den 20ern und 30ern zeichnete man mit Bleistift, Tusche, Kreide und Aquarell, und die Formate waren sehr klein», sagt Lehninger. Danach kamen Farbstifte auf, in den 50ern Neocolor, dann Filzstifte, in den 70ern Collagen und die Masse wurden immer einheitlicher zu A4 und A3. «Das Schöne ist», freut sich die Kunsthistorikerin, «je mehr ich eintauche in die Welt der Kinderzeichnungen, umso mehr entdecke ich!» Schulhauspläne aus dem 19. Jahrhundert Wertvolle Kulturgüter für die Nachwelt zu erhalten, heisst nicht zwingend, dass sie digitalisiert werden. Für die zwei Bände «Plans des Maisons d’Ecole» beispielsweise ist eine ganz andere Technik gefragt – ohne Kamera und Computer, aber nicht minder aufwändig und präzise. Wir besuchen die Buch- und Papierrestauratorin Maja Stein in der Nähe von Baden. Ein idyllisches Dörfchen, ein Brunnen plätschert, alte Bauernhäuser reihen sich aneinander. Im Atelier der Restauratorin stehen die Jahrhunderte dicht an dicht. Eine hebräische Bibel aus dem Jahr 1520 liegt neben Gesangsbänden aus dem Mittelalter, ein 200-jähriges Gesetzbuch neben einer Sammlung Ledereinbände aus dem Kloster Sarnen. Im Moment stehen aber vor allem zwei Bücher im Fokus der 21
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zeit 150 Zeichnungen, Ende Jahr sollen es 200 sein. «Die Qualität ist relevant, nicht die Geschwindigkeit», betont Pfeiffer. Hat er Spass am Projekt? Er sagt: «Ja – es ist voller Herausforderungen.» Da gehe es nicht einfach um ein Gemälde, das man digitalisieren müsse, sondern um 50 000 Zeichnungen. «Für ein Projekt dieser Grössenordnung, das drei Jahre dauert, mussten wir zuerst stabile Prozesse definieren.» Wir treten in die Dunkelkammer. Sogar die Decke ist schwarz. Pfeiffer zieht den schweren schwarzen Vorhang, jetzt spendet nur noch die Blitzanlage Licht. Vincenzo Francolino, der wissenschaftliche Mitarbeiter, streift sich hellblaue Gummihandschuhe über. Aus einer Kartonschachtel nimmt er vorsichtig eine Kinderzeichnung heraus. Sie stammt von 1968 und zeigt ein Fantasiemännchen. Er legt das Bild auf die schwarze Platte unter der Kamera und drückt den Knopf für die Vakuumpumpe – damit wird das Foto von unten angesaugt und ist schön flach. Pfeiffer betätigt am Computer den Auslöser und nur Sekunden später erscheint das Foto auf dem Bildschirm. Der Professor zeigt auf feine Striche in der Zeichnung: «Hier sieht man schön, dass das Kind das Bild mit Bleistift skizziert hat.» Die digitale Qualitätskontrolle kommt mit grünen Häkchen zurück, anders gesagt: Das Foto kann jetzt in die Bilddatenbank hochgeladen werden. Und ist bereit für den nächsten Schritt.
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Restauratorin: Die Sammlung «Plans des Maisons d’Ecole» aus dem Jahr 1904. Die übergrossen – je sieben Kilo schweren – Einbände aus braunem Halbleder versammeln Pläne der Zürcher Schulhäuser aus dem 19. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert wurde der Grundstein für das bis heute gültige Schulsystem gelegt. 1874 wurde in der Bundesverfassung die allgemeine Schulpflicht festgeschrieben. Der Lehrberuf gewann an Ansehen und der Schulstoff wurde breiter gefasst. Statt nur Rechnen und Schreiben zu lernen, sollten die Kinder künftig auch in allgemein bildenden Fächern wie Realien, Singen, Turnen oder biblische Geschichte unterrichtet werden. Dieser neue Ansatz forderte neue Räume. Bis anhin fand die Schule auf dem Land vor allem in Wohn- und Bauernhäusern statt, in den Städten oft in ehemaligen Klosteroder Verwaltungsgebäuden. Um die neue Wichtigkeit der Schule zu betonen, wurde der Schulhausbau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer der wichtigsten kommunalen Bauaufgaben. Die beiden Landesausstellungen, 1883 in Zürich und 1896 in Genf, förderten zudem den Wettbewerb unter den Kantonen. Die Schulhausarchitektur dieser Zeit spiegelt das Wetteifern: Gegen Ende des Jahrhunderts entstanden immer häufiger Gebäude mit einer markanten Architektur. Das Zürcher Schulhaus Hirschengraben (1891–93) ist ein gutes Beispiel dafür: Herrschte bis anhin vor allem der klassizistische Stil vor, sticht bei diesem Bau die Stilmischung aus Gotik und Renaissance ins Auge. Die Sichtbacksteine, die Türmchen und die geschwungenen Fensterbögen galten damals als besonders modern. Arbeit soll unsichtbar bleiben Diese Fakten faszinieren Maja Stein – auch aus privatem Interesse: «Als die beiden Bücher kamen, habe ich nachgeschaut, ob das Schulhaus Hofacker dabei war – weil ich dort in die Schule gegangen bin. Aus beruflicher Sicht interessieren mich aber nur der Einband und das Papier.» Bei der Sammlung «Plans des Maisons d’Ecole» hat sie als Erstes die Fäden, die den Buchblock mit dem Umschlag zusammenhielten, getrennt und dabei eine schöne Überraschung erlebt: Auf der Innenseite des einen Buchrückens klebte ein Zettel mit der Aufschrift «Gruss von Christian Schneller» – ein Salut aus der Vergangenheit. Ist das Buch zerlegt, werden die einzelnen Elemente bearbeitet. «Alles, was von Hand hergestellt wurde, versuche ich mit dem kleinstmöglichen Eingriff zu erhalten», sagt Maja Stein. Für die Fachfrau ist eine Restauration wirklich geglückt, wenn ihre Arbeit unsichtbar bleibt. Bei der Sammlung hat sie als nächstes die Pläne mit den Kartons nach Wimmis in die Nitrochemie geschickt. «Sobald ein Papier zu viel Säure hat, zerbröckelt es. Mit dem Entsäuern können wir diesen Prozess stoppen.» In einem weiteren Schritt werden kleine Risse mit 22
Japanpapier und Kleister repariert, Oberflächenschmutz mit einem Schwamm aus Latex weggeputzt. Dieselbe Sorgfalt wendet Maja Stein beim Umschlag an. Sie unterlegt die Fehlstellen mit eingefärbtem Leder und näht am Schluss den Buchblock wieder in den Umschlag. Was einfach tönt, ist ein tagelanger Prozess, der eine Menge Geduld, riesiges Fachwissen und einen grossen Material-Fundus erfordert. Maja Stein erfüllt alle drei Kriterien: Die gelernte Buchrestauratorin bildet sich ständig weiter, reist zu Kongressen und besucht Seminare auf der ganzen Welt. In ihrem Atelier lagern allerlei Papier, Kartons und Leder. Und fehlt ihr einmal der richtige Farbton, färbt sie das Material gleich selber ein. Bald gehen die restaurierten Bände an die Stiftung Pestalozzianum zurück und werden dort einen besonderen Platz im Archiv erhalten. Damit künftige Generationen nicht nur erfahren, wie einst Schulzimmer und Pausenräume geplant wurden. Sondern damit sie die alten Architekturpläne auch mit den heutigen vergleichen und so die Entwicklung unserer Schule rekonstruieren können.
Fakten zum bildungshistorischen Grossprojekt Im Rahmen eines grossen Projektes – unterstützt mit sieben Millionen Franken vom Lotteriefonds des Kantons Zürich – werden in den nächsten Jahren die bildungshistorisch wertvollen Bestände der Stiftung Pestalozzianum erschlossen, restauriert und digitalisiert. Dabei kooperiert die Stiftung eng mit der PHZH; die Zusammenarbeit dieser beiden Institutionen hat eine lange Tradition. «Die Stiftung Pestalozzianum ist so etwas wie das Gedächtnis der Zürcher Volksschule», sagt Anne Bosche, Geschäftsführerin und Gesamtprojektleiterin. Seit etwa 150 Jahren sammelt die Stiftung alles, was mit der Volksschule zu tun hat, von Schulbüchern über Zeitschriften bis zu bildungspolitischen Dokumenten. Bosche: «So erfährt man, wie sich die Schule über die Jahrzehnte entwickelt hat – diesen Schatz wollen wir der Öffentlichkeit und der Forschung zugänglich machen.» Im September 2016 sind die ersten zwei von fünf Teilprojekten gestartet: 50 000 Kinderzeichnungen aus dem «Archiv der Kinder- und Jugendzeichnung» werden digitalisiert, vor allem aus den 1930er- bis 1980er-Jahren. Dazu kommen Zeichnungssammlungen, die bis ins späte 18. Jahrhundert zurückreichen. Derzeit sind die Bilder weder in einem Katalog verzeichnet noch signiert – und darum schwer zugänglich und für die Forschung nur bedingt brauchbar. Das zweite Teilprojekt betrifft die Restaurierung, Entsäuerung, Erschliessung und Digitalisierung von verschiedenen Schriftdokumenten, darunter auch die Restaurierung von Architekturplänen von Schulhäusern aus den Jahren 1874 bis 1904. «Die Sammlung ist für uns sehr wichtig», sagt Michael Sasdi, der zuständige Teilprojektleiter bei der Stiftung Pestalozzianum. «Sie ist einzigartig und zeugt von einem wichtigen Stück Schweizer Schulgeschichte.»
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Kleine Risse in den Büchern repariert Maja Stein mit Kleister.
Schulhausplan aus dem 19. Jahrhundert.
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Die Arbeiten sollen unsichtbar bleiben.
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Reportage
Teilweise wird das Material neu eingefärbt – etwa der Buchrücken. Sorgfalt steht an erster Stelle.
Studierendenporträt
Studierendenseite
Noëmi Brüschweiler studiert an der PH Zürich auf der Sekundarstufe I.
Quartalspraktikum hatte Noëmi Brüschweiler gehörig Respekt. Als sie die 3. Sekundarschule in Wülflingen besuchte und die Schülerinnen und Schüler zum ersten Mal sah, staunte sie nicht schlecht: «Die haben zum Teil ja schon Bärte. Werden die sich von mir etwas sagen lassen?» Die 23-jährige Studentin lacht, als sie diese Episode erzählt, denn ihre Befürchtung war unbegründet: «Die Klasse machte gut mit.» Auch wenn es anders gewesen wäre: Sie ist es sich gewohnt, mit grossem Druck umzugehen. Noëmi Brüschweiler war eine erfolgreiche Spitzensportlerin. Als Kanutin paddelte sie jahrelang an der Weltspitze mit. Im Kajak-Zweier belegte sie 2014 an der WM in Moskau den siebten Platz. Vor ein paar Monaten gab sie ihren Rücktritt vom Spit24
ale Mischung gefunden. Sie unterrichtet Sport, Natur & Technik, Deutsch und Geographie. Was ihr besonders gefällt, ist die Abwechslung. «Jeder Tag ist eine neue Herausforderung.» Das Lehren verbindet die beiden Welten von Noëmi Brüschweiler. Sie trainiert auch den Schaffhauser KanutenNachwuchs und möchte Jugendlichen etwas von ihrer Erfahrung weitergeben. Der grosse Unterschied: In einem Sportverein trainieren die Jugendlichen freiwillig. In der Schule dagegen ... Noëmi Brüschweiler zeigt eine weitere Es war ein längerer Prozess Qualität, die sie als Lehrerin gut gewesen, bis Noëmi Brüschweiler gebrauchen werden kann: Empawusste, was sie studieren wollte. thie: «Ich muss mich manchmal in Sport stand natürlich zur Diskussi- Jugendliche hineinversetzen, um on, auch Biologie fand sie spannend. zu sehen, dass man auch keine Mit ihrem Entscheid, Sekundarleh- Lust an Sport haben kann.» rerin zu werden, hat sie nun eine ide- – Daniel Ammann * zensport bekannt. Es war eine rationale Entscheidung. Mit dem Trainingsaufwand, der neben ihrem Studium noch möglich war, konnte sie zwar ihr Niveau halten, aber Fortschritte sah sie keine mehr. Da wusste sie: «Entweder ich konzentriere mich nur auf den Sport und unterbreche das Studium, oder ich trete aus dem Leistungssport zurück.» Die nationale Konkurrenz darf sich aber nicht zu früh freuen: An den Schweizermeisterschaften, die sie mehrfach gewann, will sie weiterhin mitmachen.
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Foto: Nelly Rodriguez
Vor dem siebenwöchigen
Die Bachelorarbeit Bachelorarbeit ein Thema gewählt, das derzeit stark im Fokus der Öffentlichkeit steht: Im Zentrum s teht die Frage, wie Flüchtlingskinder und jugendliche Flüchtlinge im Unterrichtsalltag eingebunden werden können. «Ich bin durch mein Praktikum bei der Flüchtlingshilfe Liechtenstein auf diese Thematik gestossen», erklärt der Primarstufenstudent. Neben dem Theorieteil näherte er sich dem Thema aus vier verschiedenen Perspektiven, wozu er zwei Lehrpersonen, einen Therapeuten, den Verantwortlichen des Asylzentrums Vaduz sowie einen Schüler interviewte.
tur liefere. Denn die traumatischen Erlebnisse der Flucht und die Bedingungen im Ankunftsland, der Mangel an Perspektive und Orientierung können die gesunde Entwicklung des Kindes stark behindern. Umso wichtiger sei es deshalb, dass die Kinder mit der therapeutischen Hilfe «aufgefangen werden».
Aus der institutionellen Sichtweise stehe laut dem Leiter
des Asylzentrums die Koordination der schulischen Abläufe im Vordergrund. Neben Hausaufgabenhilfe durch Freiwillige werden die schulpflichtigen Asylsuchenden mit Kleidung, Sportausrüstung und Schreibutensilien versorgt. Dass die Kinder Die beiden befragten die Schule besuchen, erleichtere das Lehrerinnen unterrichten Zusammenleben in der AsylunterDeutsch als Intensivkurs. Sie erach- kunft und helfe ihnen bei der Inteten es als ihre zentrale Aufgabe, gration im neuen Umfeld. Dies ging dass die Schülerinnen und Schüler auch aus dem Gespräch mit dem sich schnellstmöglich mündlich 15-jährigen Ali aus Afghanistan verständigen können. Ein besonde- hervor. Der Schüler erzählt, er gehe res Anliegen ist es ihnen dabei, dass gerne zur Schule, wolle später aufs die Kinder und Jugendlichen auf Gymnasium und sei Mitglied in Alltagssituationen vorbereitet wereinem Fussballverein. Wie offen er den und zum Beispiel selbstständig dabei über seine Erlebnisse sprezum Arzt oder zur Post gehen könchen konnte, berührte Daniel Manz nen. Die Arbeit mit den Flüchtlings- besonders: «Die Details seiner kindern bedeute für die Pädagogin- Flucht waren sehr eindrücklich und nen aber auch eine gewisse psycho- gaben mir noch lange zu denken.» logische Belastung: Die Schicksale Die Bachelorarbeit bedeuder Minderjährigen können teiltete für den 23-Jährigen auch weise sehr vereinnahmend sein. In einen Fortschritt auf der persönlider Reflexion seiner Arbeit fügt Daniel Manz an, dass es aus diesem chen Ebene: «Die Gespräche gaben Grund auch wichtig sei, dass Lehr- mir das Gefühl, meinen Platz gepersonen auf ihren Selbstschutz und funden zu haben.» Inzwischen den nötigen Abstand achten. Dieser unterrichtet Daniel Manz an der Gedanke wird auch durch das Inter- Primarschule Hirzel. – Corina Rainer view mit dem Psychiater und Psychotraumatologen bestätigt. Laut ihm habe Schule klar einen pädago- Die Bachelorarbeit von Daniel gischen und keinen therapeutischen Manz ist online publiziert: blog.phzh.ch/akzente Auftrag. Aber die beiden Bereiche ergänzen sich und es sei förderlich, dass die Schule den Kindern StrukAKZENTE 3/2017
Immer wieder sonntags Es ist wieder einmal einer dieser Sonntage. Morgen muss ich zurück zur Arbeit. Noch einen Tag ausruhen. Der Alltag wartet schon. Aufwachen, Augen auf, Blick aufs iPhone. Generationen X, Y und Z kennen nichts anderes. PushNachricht einer Zeitung. Gross tituliert: «Erste Hochrechnungen deuten auf ein klares JA hin.» Heute ist Abstimmungssonntag. Es wird mir sofort bewusst, dass ich im Stress der letzten Woche vergessen habe, das Couvert mit meiner Stimme einzuwerfen. Das mache ich normalerweise, wenn ich den Sonntag brauche, um mich auszuruhen. Früh aufzustehen, um die Stimme persönlich an der Urne abzugeben, das kommt mir nicht in den Sinn. Heute habe ich aber keine andere Wahl. Ankunft beim Gemeindehaus. Einige Menschen stehen vor dem Gebäude. Im Eingang werden Kaffee, Gipfeli und Süsses angeboten. Offeriert von der Gemeinde. Ich merke, dass nicht nur Abstimmungssonntag ist, sondern dass Abstimmen auch heute noch einen geselligen Charakter haben kann. Eine unerwartete Erfahrung. Während ich ein Gipfeli esse, beobachte ich die Gespräche und grüsse einige der Demokratinnen und Demokraten. Erwartet: schnelle Stimmabgabe an der Urne. Erhalten: ein Gratisfrühstück mit Gipfeltreffen. Heute habe ich mich für mich selbst, die Demokratie und unsere Zukunft eingesetzt. Und vor der nächsten Abstimmung werde ich mein Couvert wieder nicht einwerfen. Fabio Schmid ist Student auf der Sekundarstufe I und Tutor im Schreibzentrum der PH Zürich.
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Studierendenseite
Daniel Manz hat für seine
Ausstudiert – die Studierendenkolumne
Inserate
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Neue Wege zum Lehrdiplom für die Sekundarstufe I Ein neuer Studiengang der PH Zürich ermöglicht es Absolventinnen und Absolventen eines Fachbachelors in einem Unterrichtsfach, ein Lehrdiplom für die Sekundarstufe I in zwei Fächern zu erlangen. Das Angebot stösst auf grosses Interesse. Rund 60 Studierende starten im Herbst ihre Ausbildung.
Die Vorzüge des neuen Studiengangs lassen sich am besten anhand eines Beispiels erläutern: Wollte bisher eine Absolventin eines Bachelors in Französischer Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität Zürich Französischlehrerin auf der Sekundarstufe I werden, musste sie die herkömmliche viereinhalbjährige Ausbildung an der PH Zürich absolvieren. Der «konsekutive Masterstudiengang Sekundarstufe I für Personen mit Fachbachelor» eröffnet ihr einen neuen Weg: Sie kann in einem dreijährigen Studium ein Lehrdiplom für die Sekundarstufe I in Französisch und einem zweiten Fach und damit den Master für die Sekundarstufe I erlangen. Zusätzlich können die Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs ihr Profil nach dem Abschluss in einem Erweiterungsstudium um weitere Fächer ergänzen und sich auf diese Weise zur Klassenlehrperson qualifizieren. Der Studiengang wird teilzeit absolviert und befindet sich ab September 2017 bei der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) in einem Verfahren um eine schweizweite Anerkennung.
Sidibé-Grabscheid häufig im Migrationsbereich tätig. Fragen der Integration interessieren die Historikerin im Hinblick auf ihre künftige Tätigkeit als Lehrerin entsprechend besonders. Auf die kommende Zeit blickt sie mit Freude, aber auch einigem Respekt: «Es wird eine grosse Herausforderung, meine jetzige Berufstätigkeit und die Ausbildung zu koordinieren.» Vom Automatiker zum Sportlehrer Interessant ist der Studiengang auch für Abgängerinnen und Abgänger der Eidgenössischen Hochschule für Sport in Magglingen. Sie konnten bisher nur auf Umwegen die Unterrichtsberechtigung auf der Sekundarstufe I erlangen. Rund 15 Absolventinnen und Absolventen des Magglinger Fachbachelors starten im Herbst an der PH Zürich. Damit bilden sie die grösste Studierendengruppe. Darunter ist auch Florian Keller. Er hat ursprünglich eine handwerkliche Lehre als Automatiker absolviert. Anschliessend wechselte er nach Magglingen an die Sport-Hochschule. Während seiner gesamten Ausbildungszeit war der 25-Jährige regelmässig als Leiter von Sportlagern engagiert. «Der Lehrberuf hat mich schon immer interessiert», sagt er. «Der neue Studiengang ermöglicht es mir, diesen Wunsch zu realisieren.» Er belegt die Fächer «Bewegung und Sport» sowie «Design und Technik». Sein Ziel ist es, später auch eine Klassenlehrerfunktion zu übernehmen. «Ich bin bilingue aufgewachsen und würde gerne Französisch unterrichten. Jetzt liegt mein Fokus aber vorerst auf den anderen zwei Fächern.» Den Vorleistungen von Keller und Sidibé-Grabscheid wird im Studium Rechnung getragen. Dorothea Kobel Cuencas: «Wir berücksichtigen das Vorwissen der Studierenden und gestalten die Studienpläne mit vielen Wahlmöglichkeiten. Dies mit dem Ziel, dass sie von einer möglichst attraktiven Ausbildung profitieren und optimal auf den Beruf vorbereitet werden.»
Ergänzung zur regulären Ausbildung Der neue Studiengang soll die reguläre Ausbildung sinnvoll ergänzen. «Im Schulfeld fehlen in bestimmten Fächern wie beispielsweise in Französisch oder auch im Bereich textiles Gestalten Lehrpersonen. Diese Lücken möchten wir mit dem neuen Angebot schliessen», sagt Studiengangsleiterin Dorothea Kobel Cuencas. Das Konzept scheint zu funktionieren: Auf den kommenden Herbst haben sich rund 60 Personen angemeldet. «Damit sind wir mehr als zufrieden. Wir haben etwa mit 20 bis 30 Anmeldungen gerechnet», so Dorothea Kobel Cuencas. Verena Sidibé-Grabscheid ist eine dieser Studierenden. Sie hat an der Universität Genf Geschichte studiert. Jetzt lässt sie sich zur Lehrerin für das neue Lehrplan-21-Fach «Räume, Zeiten, Gesellschaften (mit Geographie und Geschichte)» sowie für Französisch aus- Weitere Informationen zum Studiengang: bilden. In ihrer bisherigen Berufstätigkeit war Verena tiny.phzh.ch/konsekutiver _ master AKZENTE 3/2017
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PH Zürich – Ausbildu ng
Text: Christoph Hotz
Inserate
Sprachaufenthalte für Individualreisende, Prüfungsvorbereitungskurse interessante Gruppenangebote & Teacher Training
« Wir haben viel gelernt im Kurs. Mit Vergnügen.»
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Anfang Juni fand an der PH Zürich die erste Weiterbildung für Schulleitungen zur Einführung des Zürcher Lehrplans 21 statt. Das Angebot unterstützt Schulleiterinnen und Schulleiter bei der Umsetzung, indem es den individuellen Zugang zum neuen Lehrplan fördert. Text: Olivia Rigoni Foto: Christoph Hotz
«Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.» Mit diesem Zitat des Schriftstellers Oscar Wilde begrüsste Luzia Annen die Teilnehmenden der ersten Weiterbildung für Schulleitungen zur Einführung des Zürcher Lehrplans 21 Anfang Juni. Die Programmleiterin der Weiterbildungen zum Lehrplan 21 an der PH Zürich wies mit dem Zitat auf den Prozess hin, in welchem sich derzeit viele Schulleiterinnen und Schulleiter hinsichtlich der Einführung des neuen Lehrplans befinden. «Man steckt in vielen parallel verlaufenden Prozessen drin. Schlaufen, Umwege und kleine Schritte gehören dazu. Und wenn man das Gefühl hat, es sei nun richtig losgegangen, findet bereits wieder der nächste Kick-off statt», führte Luzia Annen aus. Auch Niels Anderegg weiss um die Herausforderungen, die Schulleitungen derzeit bewältigen müssen. Der Leiter des Bereichs Management & Leadership an der PH Zürich verantwortet gemeinsam mit drei weiteren Personen der PH Zürich die eineinhalbtägige, obligatorische Weiterbildung, die im Auftrag des Volksschulamtes fünf Mal mit 150 bis 200 Teilnehmenden durchgeführt wird. Knapp zwei Jahre dauerte die Entwicklung des Angebots, in die auch verschiedene Schulleitungen einbezogen wurden. Ihre Rückmeldungen waren dabei ebenso zentral wie die Erfahrungen aus vergangenen, ähnlichen Projekten. «Wir haben festgestellt, dass es dem Schulfeld ein grosses Anliegen ist, die anstehenden Prozesse selbständig und entsprechend seiner individuellen Bedürfnisse zu planen und umzusetzen», sagt Niels Anderegg. «Uns war es deshalb wichtig, dass die Schulleitungen die Weiterbildung zur Einführung des Lehrplans AKZENTE 3/2017
Keine Wanderprediger Auch aus Sicht der Wissenschaft ist es wichtig, die Einführung des Lehrplans 21 den Schulen zu überlassen. «Verschiedene Untersuchungen weisen darauf hin, dass man den Lehrplan nicht einfach erklären kann und er dann von den Lehrpersonen ausgeführt wird. Vielmehr brauchen sie einen Interpretations- und Übersetzungsraum», sagt der Bereichsleiter. «Das heisst, sie müssen sich persönlich und als Schule mit dem Lehrplan auseinandersetzen und sich Gedanken machen, wie sie diesen im Unterricht umsetzen können. Ein solcher Prozess kann nicht von aussen gesteuert werden.» Die Rolle der Mitarbeitenden der PH Zürich sei deshalb nicht diejenige von Wanderpredigern, betont Niels Anderegg. Es gehe nicht darum, von Schule zu Schule zu pilgern und zu erklären, was gemacht werden muss. «Vielmehr wollen wir die Schulleitungen in ihrem
PH Zürich – Weiterbildu ng
Lehrplan 21 – unterstützen statt steuern
21 individuell gestalten – damit sie das mitnehmen können, was sie in ihrer jeweiligen Situation brauchen.»
Niels Anderegg von der PHZH (l.) im Gespräch mit Weiterbildungs-Teilnehmenden.
Prozess der Umsetzung unterstützen – etwa indem wir Materialien und Weiterbildungen für bestimmte Themen zur Verfügung stellen.» Die Weiterbildungsveranstaltungen sind so gestaltet, dass die Schulleiterinnen und Schulleiter wählen können aus einem Angebot von Workshops und Referaten zu verschiedenen Themen. «Dadurch nehmen die Schulleitungen das mit, was sie brauchen, und sie haben die Möglichkeit, einen eigenen Zugang bei der Umsetzung des neuen Lehrplans zu erarbeiten.» Alle Informationen zu den Weiterbildungsangeboten der PH Zürich zur Einführung des Lehrplans 21 finden Sie unter phzh.ch/lehrplan21.
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«Es braucht eine gemeinsame Haltung der ganzen Schule»
PH Zürich – Ausbildu ng/Weiterbildu ng
Einen guten Umgang mit dem Thema «sexuelle Übergriffe» zu finden, ist für Schulen eine grosse Herausforderung. Wichtig sei, dass sich Schulen nicht nur dann damit beschäftigen, wenn ein Vorfall an die Öffentlichkeit gelangt, sagt Sexualpädagoge Lukas Geiser von der PH Zürich. Wie dies gelingen kann, erläutert er im Interview. Text und Foto: Christoph Hotz
Lukas Geiser, wissenschaftlicher Mitarbeiter Sexualpädagogik an der PHZH.
Akzente: Lukas Geiser, wann spricht man von einem sexuellen Übergriff? Geiser: Sexuelle Übergriffe sind physische oder psychische Grenzverletzungen mit einer sexuellen Absicht oder einer sexuellen Viktimisierung, das heisst, wenn jemand zum Opfer gemacht wird. Dabei ist immer eine Person in der Ohnmachtsposition. Wann handelt es sich um eine Grenzverletzung? Dies ist genau die Schwierigkeit. Zwar bestimmt letztendlich die betroffene Person, ob sie eine Handlung als Grenzverletzung wahrnimmt oder nicht. Kinder und Jugendliche können dies jedoch nicht immer oder auch 30
gar nicht einordnen. Sie sind oft nicht in der Lage, sich zu wehren. Deshalb erachte ich es als eine wichtige Aufgabe der Schule, die Kinder und auch die Erwachsenen im Umgang mit Grenzverletzungen und sexuellen Übergriffen zu befähigen. Wie können Schulen dies umsetzen? Eine wichtige Voraussetzung ist, dass das Thema in der Schule stets präsent ist und beispielsweise nicht bloss im Rahmen eines Präventionstags auf die Agenda rückt oder nur dann aktuell wird, wenn sich ein Vorfall ereignet hat. Vielmehr braucht es eine gemeinsame Haltung der gesamten Schule, welche dauerhaft gelebt wird. Was heisst das konkret? Die gemeinsame Haltung muss lauten: Wir tolerieren keine Form von sexuellen Übergriffen. Dies setzt voraus, dass alle im Schulsystem tätigen Personen eine Sensibilität für die Thematik entwickeln. Dabei ist einerseits die Selbstreflexion wichtig. Dass also Lehrpersonen ihr Handeln immer wieder hinterfragen. Andererseits brauchen sie auch ein Sensorium dafür, was um sie herum passiert. Hier ist es wichtig, dass Schulen eine offene Kommunikation pflegen und irritierende Verhaltensweisen von Lehrpersonen gegenüber Kindern angesprochen werden. Lebt eine Schule eine Kultur der Offenheit, können solche Irritationen oft geklärt werden. Neben dieser Enttabuisierung gehört zu einer gemeinsamen Haltung auch, dass die Kinder wissen sollen, dass sie sich entsprechend wehren dürfen. Können Sie ein Beispiel nennen? Eine Schwimmlehrerin einer 4. Klasse hat kürzlich ihren Schülern gedroht, dass sie in die Dusche kommt, wenn sie sich nicht schneller umziehen. Dies ist eine klare Grenzverletzung. Dabei geschah diese Äusserung mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht mit einer sexuellen Absicht, sondern aus Unbedarftheit. Hier wäre es wichtig gewesen, dass die Lehrerin ihren Fehler selber bemerkt hätte. Zudem müsste bei den Schülern das Bewusstsein verankert sein, dass sie mit der Klassenlehrperson über den Vorfall sprechen dürfen. Wie kann eine Schule eine Sensibilität für die Thematik verankern? Indem sie das Thema in ihr Schulprogramm aufnimmt oder regelmässig in Austauschgefässen zwischen den Lehrpersonen einbringt. Es gibt vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) gute Leitlinien und Checklisten mit Praxisbeispielen, die Schulen dabei nutzen können. Sie sind häufig in den Schulen unterwegs: Wird das Thema vernachlässigt? AKZENTE 3/2017
«Die Vielfalt ist wie in den Anfangsjahren sehr gross»
Nein, das würde ich nicht sagen. Das Bewusstsein ist in den letzten Jahren gestiegen und ich nehme bei Lehrpersonen eine hohe Professionalität wahr. Wie bei allen schulischen Themen gibt es auch hier grosse Unterschiede. Einige Schulen geben der Prävention mehr Gewicht und arbeiten zum Beispiel mit einem sexualpädagogischen Konzept, andere machen weniger, da sie andere Themen zum Schwerpunkt machen. Wir haben bisher ausschliesslich von Verstössen von Lehrpersonen gegenüber Kindern gesprochen. Sexuelle Übergriffe finden aber auch zwischen Schülerinnen und Schülern statt. Das stimmt. Bei jeglicher Form von sexuellen Übergriffen, sei es von Kindern und Jugendlichen, von Eltern gegenüber Kindern oder auch von Jugendlichen gegenüber Lehrpersonen gilt die gleiche Devise: eine gemeinsam gelebte klare, offene und sensibilisierte Haltung bildet eine bestmögliche Grundlage, damit solche Vorfälle nicht geschehen und Betroffene wissen, wie sie sich verhalten müssen.
Akzente: Der Quereinstieg-Studiengang der Primarstufe ist seit rund einem Jahr von der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) anerkannt. Welche Bedeutung hat dies für die Absolventinnen und Absolventen? Müller: Die Absolventinnen und Absolventen können nun in der ganzen Schweiz unterrichten. Zudem verfügen sie jetzt über einen zum «Bachelor Studiengang Primarstufe» gleichwertigen Abschluss.
«Eine wichtige Voraussetzung ist, dass das Thema ‹sexuelle Übergriffe› in den Schulen stets präsent ist.»
Akzente: Wenn Sie einen Blick in die Geschichte der Studiengänge werfen: Welche Entwicklungen haben seit der ersten Durchführung stattgefunden? Müller: Die Studiengänge wurden ursprünglich als Notmassnahme gegen den Lehrermangel entwickelt. Mittlerweile ist der Studiengang ein Standardangebot. Wir haben im Verlauf der Jahre das Aufnahmeverfahren verfeinert und die Ausbildungsinhalte angepasst, um die Studierenden optimal auf die Herausforderungen im Schulfeld vorzubereiten.
Wie fliesst die Thematik in die Ausbildung der Lehrpersonen ein? Studierende auf der Sekundarstufe I besuchen eine Pflichtveranstaltung zum Thema Sexualpädagogik. Auf der Primarstufe gibt es ein fakultatives Angebot. Dabei ist das Interesse bei den Studierenden sehr gross. So tauchen etwa im Rahmen der Reflexion der Praktika häufig Fragen auf. Trotz der unterschiedlichen Angebote gilt auch für uns, dass wir uns ständig weiterentwickeln müssen. Kürzlich haben wir zum Beispiel eine Podiumsveranstaltung zum Umgang mit Sexualität in der Schule und Hochschule durchgeführt und wir beteiligen uns als Hochschule an einem Projekt gegen Gewalt in jugendlichen Paarbeziehungen.
Akzente: Stösst das Angebot nach wie vor auf Interesse? Müller: Ja, durchaus. Aktuell studieren 120 Personen auf der Primarstufe. Davon sind 40 Studierende Anfang Jahr neu gestartet. Damit sind wir sehr zufrieden. Akzente: Wie haben sich die Job-Aussichten entwickelt? Müller: Aktuell ist der Bedarf an Lehrpersonen nicht mehr ganz so hoch wie noch vor einigen Jahren. Für das Schuljahr 2017/2018 haben wie in den Vorjahren alle Studierenden die für die berufsintegrierte Ausbildungsphase geforderte Anstellung gefunden. In den kommenden Jahren rechnet das Volksschulamt wieder mit einer Zunahme des Bedarfs an Lehrpersonen.
Informationsmaterial: – Informationen der Bildungsdirektion: tiny.phzh.ch/stopp _ gewalt – Fachstellen im Kanton Zürich: limita-zh.ch, castagna.ch – Präventionsprojekt «mein Körper gehört mir» von kinderschutz.ch: tiny.phzh.ch/koerper – Präventionsprojekt Herzsprung der Stadt Zürich: tiny.phzh.ch/herzsprung
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Akzente: Aus welchen Berufsfeldern kommen die Quereinsteigenden? Müller: Die Vielfalt ist wie in den Anfangsjahren sehr gross und reicht von der Architektin über die Sprachwissenschaftlerin bis hin zum Bankier. – Christoph Hotz
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PH Zürich – Ausbildu ng
Urs Müller, Studiengangsleiter Quereinstieg Primarstufe an der PH Zürich.
«Du kannst mir auch ‹Kursbuch› sagen» Quirin Rusch ist einer der besten Nachwuchs-Schwimmer der Schweiz. Damit er seinen Sport ausüben kann, nimmt er einiges auf sich – zum Beispiel drei Stunden pendeln. Text: Simon Brunner, Fotos: Quirin Rusch
Platz nehmen, Ohrstöpsel rein, Playlist anklicken – und drei Songs später kommt er bereits in Rapperswil an. Dort ist wieder Speed gefragt: Drei Minuten später fährt die S5 ab, auf der anderen Seite der Unterführung. Wieder im Zug, wieder ein Platz ergattert («Im Doppelstock sitze ich lieber oben»), doch viel Zeit bleibt auch hier nicht, die Fahrt dauert nur 14 Minuten. Was tun? «Ich versuche, etwas für die Schule fertig zu machen, oder vertreibe mir die Zeit auf Social Media.» Auf welcher Plattform? «Zählt WhatsApp auch dazu, kommt das an erster Stelle. Dann Snap, dann Instagram und zuletzt Facebook, das nutze ich relativ selten.» Twitter hat Quirin auch schon probiert, es hat sich ihm aber nicht erschlossen. Genauso wenig wie das Gamen: «Habe keine Geduld dafür, weder auf dem Handy noch zuhause an der Konsole. Sport ist für mich etwas Physisches, nichts Virtuelles.»
Serie – Mein Schulweg
Das beste Schwimmbad steht in Luxemburg Nächster Stopp: Wetzikon, vier Minuten Zeit zum Umsteigen, die S14 fährt gleich auf dem Gleis daneben. Es ist unglaublich, wie viele Verbindungen Quirin kennt, fast jeden Wochentag muss er einen anderen Hin- und Rückweg nehmen, je nach Tagesprogramm. Ohne zu stocken, rattert er Haltestellen, Ankunfts- und Abfahrtzeiten herunter. Quirin lachend: «Du kannst mir auch ‹Kursbuch› sagen.» 7:11 Uhr, Ankunft in Zürich Oerlikon, der Bahnhof ist überfüllt mit Pendlerinnen und Pendlern. Quirin kämpft sich durch die Menschenmassen zur Bushalte-
Er ist 13-facher Jugend-Schweizermeister, eine grosse Hoffnung des hiesigen Schwimmsports, doch wenn am Morgen früh der Alarm losgeht, ist Quirin Rusch einfach ein 14-jähriger Junge – und schickt den Wecker mindestens drei Mal in die «Snooze»-Schlaufe. Um 5:25 Uhr ist er an diesem Donnerstagmorgen dann spät dran, zum Glück muss er nicht duschen («ich bin jeden Wochentag mindestens einmal im Schwimmbecken»), aber das Frühstück ist Pflicht («ich brauche genügend Kalorien»). Dann, um 6 Uhr springt er beim Vater ins Auto, und die tägliche Odyssee beginnt. Quirin meint trocken: «Ist halt so.» Los geht’s: Der Vater fährt Quirin von Rieden SG – ein Dorf mit knapp 700 Einwohnern und einer wunderschönen Aussicht auf die Linthebene und den Zürichsee – hinunter an den Bahnhof in Uznach. Dort läuft respektive rennt Quirin auf Gleis 2 und springt in die S6. 32
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42 Kilometer pro Woche Quirin trainiert fast wie ein Profi. Sieben Mal die Woche ist er im Wasser. Pro Training spult er circa sechs Kilometer ab, er schwimmt also jede Woche eine Marathon-Strecke (42 Kilometer). «Ich schwimme alles», sagt Quirin, «alle Längen, alle Disziplinen. Momentan mag ich Crawl am besten, aber das ändert ständig – Rücken und Delphin waren auch schon meine Lieblingsdisziplinen.» Aber da fehlt doch etwas. Was ist mit Brust? «Das schwimme ich gar nicht – Brust ist wie ein anderer Sport. Auch die Profis wie Phelps oder Thorpe können das nicht richtig. Brust muss man ganz anders trainieren, dazu fehlt mir die Technik.» Um 9:30 Uhr ist das Training fertig. Quirin nimmt den Bus nach Sternen Oerlikon, wo er umsteigt, um mit dem sechsten Transportmittel (Auto, Zug, Zug, Bus, Bus, Bus) endlich in die Schule am Max-Bill-Platz in Oerlikon zu gelangen. Quirin besucht die zweite Sekundarschule der «Kunst- und Sportschule Zürich» (K&S), eine Gesamt
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oberstufe für besonders begabte Schülerinnen und Schüler. Die K&S ermöglicht individualisierte Lernpläne und damit das grosse Schwimmpensum neben der Schule. «Es muss Spass machen» Bezüglich der Zukunft macht sich der 14-Jährige keine Illusionen: «Ich werde kaum vom Schwimmsport leben können. Ich probiere, in das Gymnasium zu kommen, später möchte ich Pädagogik studieren.» Quirin ist natürlich ehrgeizig – «ich möchte schon einmal an den olympischen Spielen teilnehmen» – , aber er ist nicht verbissen: «Es muss mir zuallererst Spass machen, sonst geht gar nichts.» Später wird Quirin noch im Schwimmbad Bläsi in Höngg trainieren, dann, um 19 Uhr, macht er sich auf den Heimweg. Und etwa um 20:45 Uhr ist er wieder zurück in Rieden, knapp 13 Stunden nachdem er im Morgengrauen aufgebrochen ist. Über drei Stunden hat Quirin an diesem Donnerstag mit Reisen verbracht. Dazu sagt er: «Man gewöhnt sich schnell daran. Früher, als ich noch nicht in Zürich in die Schule ging, war es noch viel komplizierter.»
Serie «Mein Schulweg» Im Rahmen der Serie «Mein Schulweg» stellen wir im laufenden Jahr Schulwege von Kindern in der Schweiz vor. Der Text wird jeweils von einem Journalisten oder einer Journalistin erstellt, die Fotos machen die Kinder und Jugendlichen selber.
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Serie – Mein Schulweg
stelle, der Bus bringt ihn zum nahgelegenen Hallenbad Oerlikon, wo das Training um 7:30 Uhr beginnt. «Es ist mein Lieblingshallenbad in der Schweiz, es hat acht Bahnen. Das beste Schwimmbad, wo ich je geschwommen bin, ist in Luxemburg und heisst d’Coque. Es hat 15 Bahnen auf zwei Stockwerken.» Auch das Wasser sei übrigens nicht überall gleich: «Es fühlt sich manchmal einfach besser an und manchmal schlechter.»
Medientipps ZWISCHEN MOND UND ERDE
Der Mondmann, ein Bilderbuchklassiker von Tomi Ungerer, erzählt die Geschichte vom Mann im Mond, der Nacht für Nacht einsam auf die Erde blickt. Eines Tages hängt er sich an den Schweif eines Kometen, um zur Erde zu gelangen und am Leben der Menschen teilzuhaben. Dort gilt er als sonderbarer Eindringling, wird gefangen genommen, flieht und erlebt trotzdem wunderbare Momente der Freiheit und des Glücks. Doch sind diese nur von kurzer Dauer. Der Mondmann erkennt, dass er nicht auf der Erde bleiben kann. Er trifft auf Doktor van der Dunkel, der ihn schliesslich schweren Herzens zurück zum Mond schiesst. Eine wunderbare Symbiose aus Text und Illustrationen, anspruchsvoll und zeitlos in Motiven, Sprache und Zeichnungen; ein Spiegel emotionaler Farben und Facetten. Das Buch eignet sich zum Vorlesen, Erzählen und Philosophieren mit Kindern. Es erschien erstmalig 1966, wurde aus dem Amerikanischen übersetzt und kann medial durch Film, Hörbuch oder App ergänzt werden. – Dorothee Hesse-Hoerstrup
T. Ungerer. Der Mondmann. Zürich: Diogenes, 2016. 40 Seiten.
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PRESSEBILD & MEMOPOLITIK
Die Queen auf Staatsbesuch in der Schweiz 1980. Herrlich, wie Bundesrat Kurt Furgler der royalen Rede im Bundeshaus andächtig lauscht. In Farbe und Schwarzweiss wird nicht nur das Ereignis selbst gezeigt, sondern der ganze «Groove» der Achtziger: Kleider, Körperhaltungen und Karossen. Dass diese Bilder noch existieren, ist nicht selbst-
verständlich. Nach dem Durchbruch der digitalen Fotografie im Pressewesen wurden die Berge von Fotonegativen und Abzügen in den Archiven von Agenturen und Medienunternehmen zunehmend zum Raum- und Ressourcenproblem. Die Sensibilisierung für die eminente Wichtigkeit von Bildquellen brauchte Zeit. Der vorliegende Band legt Zeugnis ab über den Stand der koordinierten
Memopolitik zum Pressebild. Und er illustriert anhand von Fallbeispielen – etwa der Bildberichterstattung zum Frauenstimmrecht – deren unschätzbaren Wert. – Thomas Hermann
Netzwerk Pressebildarchive, Hrsg. Schweizer Pressefotografie: Einblicke in die A rchive. Zürich: Limmat Verlag, 2017. 236 Seiten. 120 Fotografien.
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Foto: Christoph Hotz
Medientipps
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HISTORISCHER BILDERBOGEN
Die Allgegenwart medialer Bilder und ihre permanente Verfügbarkeit lässt zuweilen vergessen, dass die bildtechnische Revolution schon 180 Jahre andauert und noch keineswegs abgeschlossen ist. Auf die Erfindung der Fotografie mit ihrem einzigartigen Bildrealismus (und ersten Fakes) folgt die visuelle Simulation neuer Wirklichkeiten im Kino. Die Möglichkeiten der elektronischen Signalübertragung führen im 20. Jahrhundert zur Entwicklung und Verbreitung des Massenmediums Fernsehen. Einen vorläufig letzten Visualisierungsschub bringt die computertechnische Digitalisierung, mit deren kulturgeschichtlichen Auswirkungen wir derzeit noch kämpfen. Der Bildhistoriker Gerhard Paul erzählt die Bildgeschichte, die auch immer eine Mediengeschichte ist, entlang der grossen Kapitel deutscher Geschichte und durchleuchtet in seinem umfassenden und reich illus trierten Werk die vielschichtigen Bildpraktiken in Berichterstattung, Kunst, Werbung, Politik, Film und Wissenschaft. – Daniel Ammann
G. Paul. Das visuelle Zeitalter: Punkt und Pixel. Göttingen: Wallstein Verlag, 2016. 760 Seiten.
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GEGEN DAS VERGESSEN
2008 ermutigte Ivan Lefkovits Holocaust- Überlebende in der Schweiz, ihre Lebensund Verfolgungsgeschichten aufzuschreiben. Entstanden sind daraus 15 bewegende Berichte. Gerhard Richter war vom Projekt so beeindruckt, dass er sofort 15 Bilder beisteuerte, die den Einbänden der einzelnen Hefte und der ganzen handlichen Box ein ansprechendes und würdiges Aussehen verleihen. Wer die Geschichten liest, ist ergriffen und überwältigt von den unterschiedlichen Aspekten des Leids. In ihrer Gesamtheit leisten sie einen unschätzbaren Beitrag gegen das Vergessen. Gerade für den Schulunterricht eignen sich die Berichte hervorragend, weil sie in einer gut verständlichen Sprache geschrieben sind und weil aus den Einzelschicksalen, die von Schülerinnen und Schülern individuell bearbeitet werden können, im Klassenplenum ein vertretbares Gesamtbild entsteht. – Rudolf Isler
I. Lefkovits, Hrsg. «Mit meiner Vergangenheit lebe ich»: Memoiren von HolocaustÜberlebenden. Berlin: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, 2016. 15 Hefte. 982 Seiten.
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KLASSISCHE SCHULLEKTÜRE
Die Neuübersetzung ist stimmig und liest sich flüssig. William Golding erzählt die zeitlose Geschichte einer Gruppe von Schuljungen, die während eines Kriegs evakuiert wird und auf einer Insel strandet. Der Versuch, sich gemäss den Idealen der Zivilisation zu organisieren, scheitert dramatisch. Befeuert durch den Konflikt zwischen Ralph, dem Demokraten, und Jack, dem Autokraten, endet die Geschichte nach blutigem Schlachten von Wildschweinen in einer ebenso erbarmungslosen Hetzjagd auf Andersdenkende. Tief beeindruckt durch seine Erlebnisse als Marineoffizier im Zweiten Weltkrieg und selbst an einer Englischen Sekundarschule als Lehrer tätig, beschreibt Golding, wie dünn die Schicht der Zivilisation ist, und zeichnet ein realistisches Bild davon, wie rasch Jugendliche in Barbarei verfallen. Dieser unverklärte Blick auf die Abgründe der menschlichen Natur trug dazu bei, dass er 1983 den Nobelpreis für Literatur zugesprochen bekam. – Michael C. Prusse
W. Golding. Herr der Fliegen. Aus dem Englischen neu übersetzt von Peter Torberg. Frankfurt/Main: S. Fischer, 2016. 224 Seiten.
Sprechende Handpuppen Ein verschrobener Lehrer mit Flair für Sprachgeschichte und nordische Mythen besucht für sein Leben gern Beerdigungen. Da er die Verstorbenen nicht persönlich kennt, denkt er sich einfach Geschichten aus und gibt sich bei den Traueressen als vertrauten Freund der Fremden aus. Doch das ist nicht die einzige Marotte des einsamen Ich-Erzählers in Jostein Gaarders neuem Roman «Ein treuer Freund» (Hanser 2017). Auch Jacops langjähriger Weggefährte und Vertrauter ist nicht von dieser Welt. Bei Pelle handelt es sich um eine sorgfältig gestaltete Handpuppe, die sich die Stimme ihres Besitzers ausleiht und diesen mit ihrer frechen Art ab und zu in Verlegenheit bringt. Der depressive Spielzeughersteller Walter Black (Mel Gibson) in Jodie Fosters Spielfilm «The Beaver» (USA 2011) findet nach einem Zusammenbruch ebenfalls Trost bei einer Handpuppe. Die Biber-Figur mit Cockney-Akzent übernimmt für den verstummten Walter aber nicht nur das Sprechen, sondern stellt sein ganzes Leben auf den Kopf. So weiss sich Walter am Ende nur noch durch eine drastische Aktion von seinem tyrannischen Fantasiefreund zu befreien. Dass wir in Gegenwart von Marionetten, Kasperlefiguren und Bauchrednerpuppen Hemmungen und Widerstände ablegen, macht sich auch Dr. Leo Marvin (Richard Dreyfuss) in «What About Bob?» zunutze (USA 1991). Die Leitfigur mit den Gesichtszügen des Psychiaters kommt zum Einsatz, als dieser seine grosse Tochter zu therapieren versucht. Sie bietet ihm mit ihrer eigenen Puppe Paroli, bevor sie die Doppelgängerin wütend von sich weist und davonstürmt. – Daniel Ammann
Besprechungen weiterer Titel: blog.phzh.ch/akzente/rubrik/medientipps AKZENTE 3/2017
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Medientipps
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Inserate
Prozessorientierte Psychotherapie nach Dr. Arnold Mindell Infoabend: 07.09.17, jeweils 19.15 – 20.45 Uhr Für alle Aus- oder Weiterbildungen in Prozessarbeit. Teilnahme kostenlos und ohne vorherige Anmeldung.
So lernen wir.
Einführungsseminar: 09.09.17, 10.00 – 17.00 Uhr Lehrende der Fakultät geben theoretische und praktische Inputs zu verschiedenen Anwendungsgebieten der Prozessarbeit. Basislehrgang: Nächster Start Herbst 2017 Der Basis-Lehrgang in Prozessarbeit richtet sich an Personen aus einem breit gefächerten Berufsfeld, die Prozessorientierte Psychologie grundlegend kennenlernen wollen.
Arbeiten an der FES? In einem Klima der Wärme leistungsorientiert arbeiten, lehren und lernen: Möchten Sie Ihre Ideen einbringen und Ihre Schülerinnen und Schüler beim selbstverantwortlichen Lernen unterstützen? Bewerben Sie sich spontan oder auf unsere Ausschreibungen: www.fesz.ch/offene-stellen Wir freuen uns darauf, Sie kennen zu lernen.
Alle Veranstaltungen finden am Institut für Prozessarbeit in Zürich, zentral, direkt beim Bahnhof Zürich Binz statt! Für Anmeldungen und Fragen stehen wir gerne unter: info@institut-prozessarbeit.ch oder 044 451 20 70 zur Verfügung!
Institut für Prozessarbeit Zürich www.institut-prozesarbeit.ch
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Mario Bernet und Ruedi Isler – Unter vier Augen
Illustration: Elisabeth Moch
Mario Bernet: Auf der Suche nach einer gehaltvollen Metapher für den Begriff «Lernen» bin ich auf diesen Satz gestossen: «Die Bienen plündern hier und dort die Blumen, aber sie machen nachher daraus Honig, der ganz ihr Werk ist; es ist nicht Thymian noch Majoran.» Wie klingt dieses Zitat für dich? Ruedi Isler: Ich schaffe es nicht, die Tiefe des Gedankens wirklich zu ermessen, aber dennoch gefällt mir die Metapher besser als eine Definition, die ich kürzlich gelesen habe: «Unter Lernen versteht man die hypothetischen Prozesse, die den Verhaltensänderungen durch Erfahrung entsprechen.» Bernet: Das mit den Bienen und dem Honig hat Michel de Montaigne geschrieben, ein ganz dicker Fisch. Aber der Satz ist über 400 Jahre alt, und Montaigne war alles andere als ein professioneller Didaktiker. Die von dir zitierte Definition ist dagegen sprachlich schwere Kost und löst sich bei näherem Hinsehen in Luft auf. Dabei sollte die moderne Didaktik mehr aussagen können als der alte Amateur Montaigne. Kennst du noch weitere Beispiele? Isler: Gut, zitieren wir aus einer hochaktuellen Studie. Was meinst du zu: «Erstes und letztes Ziel unserer Didaktik soll es sein, die AKZENTE 3/2017
Unterrichtsweise aufzuspüren, bei welcher die Lehrer weniger zu lehren brauchen, die Schüler dennoch mehr lernen; und bei der in den Schulen weniger Lärm zugunsten von mehr Freiheit, Vergnügen und wahrhaftem Fortschritt herrscht.» Bernet: Hübsch, was du da ausgegraben hast! Mehr Freiheit und Vergnügen, wahrhafter Fortschritt – trefflicher kann das Projekt der Moderne nicht auf den Punkt gebracht werden. In diesem Sinne ist der Vorspann zur «Grossen Didaktik» von Comenius, aus dem du zitierst, noch immer aktuell. 17. Jahrhundert, wer hätte das gedacht! Sollten wir in der Lehrerbildung wieder Comenius lesen? Isler: Nicht zwingend – und übrigens auch nicht Fröbel, der forderte, dass «unter Sorgfalt erfahrener einsichtiger Gärtner im Einklang mit der Natur die Gewächse gepflegt werden sollen». Gemeint hat er übrigens die Kinder. Gleichzeitig aber auch nicht unbedingt nur akademisches Geschwurbel mit Sätzen wie «Auf der ersten Stufe ist die lernende Person mit Informationen auszustatten, die erste Erfahrungen in der Domäne ermöglichen sollen.» Bernet: Sicher würde auch ich die drei angesprochenen Ahnen nicht zu tragenden Säulen einer zeitgemässen
Pädagogik und Didaktik erheben. Aber sie erinnern daran, dass Nachdenken über Erziehung und Schule nicht zwangsläufig auf einen nebulösen Jargon hinauslaufen muss. Gewiss: An Konstruktivismus, Kompetenzorientierung und DiversityDiskurs führt heute kein Weg vorbei. Aber ich bemühe mich, diese Begriffe zurückhaltend zu verwenden. Sonst werden sie zu leeren Worthülsen, die zum Weghören einladen. Isler: Ich werde gerne etwas deutlicher. Wohin wir auch schauen, kein sprachliches Land in Sicht. Im Pathos der alten Pädagogen kann man noch den Weihrauch riechen, gleichzeitig führen die pädagogischen Hypes der Gegenwart unsere Feder und diktieren uns die immergleichen Begriffe. Überall floskelhafte Leerformeln! Zudem entstellt die Hegelsche Tradition der unverständlichen deutschen Wissenschaftssprache die Texte unserer Freunde in der Scientific Community. Manchmal frage ich mich, ob wir Pädagogen wirklich wissen, was wir sagen wollen. Mario Bernet (links) war 15 Jahre Primarlehrer und ist jetzt wissenschaftlicher Mitarbeiter an der PH Zürich. Ruedi Isler ist Pädagogikprofessor. Sie unterhalten sich an dieser Stelle über ein aktuelles Schulthema.
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Unter vier Augen
Von Bienen und Gärtnern
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Daniel Dobrowolski studiert an der PH Zürich auf der Sekundarstufe I.
Zur Rubrik
1 — Abendspaziergang. 2 — Heute war ich Musiker an einer Hochzeit im Freien. Sehr schöne Aussicht, sehr kühle Temperaturen 3 — Nein, ich bin nicht am Lernen Das sind die letzten Vorbereitungen für das Auffahrtslager, in dem ich kochen werde. 50 Leute zu verpflegen will gut
geplant sein. Morgen wird dann der Laden leergekauft Das Lernen muss sich leider noch bis nächste Woche gedulden 4 — Ich will ja keine Klischees über die PH unterstützen, ABER ... 5 — Studijob 6 — Über den Erlkönig reflektieren im #Kulturplatz.
7 — #Bettmümpfeli. 8 — Chorprobe für die Musik- & PerformanceNacht am 2. Juni 9 — Mit diesem Sonnenuntergang am Provinzbahnhof geht mein #phzh _takeover zu Ende. Adeemässi.
Jeweils für zwei Wochen übernimmt eine Person aus dem Bildungsumfeld den Instagram-Account der PH Zürich (@ phzuerich) und fotografiert während dieser Zeit in ihrem Berufsalltag – in diesem Fall von Mitte bis Anfang Mai 2017. Die besten Bilder erscheinen an dieser Stelle in der Rubrik «Instagram #takeover».
Impressum «Akzente» erscheint viermal jährlich, 24. Jahrgang, Nr. 3, August 2017, ISSN 2296-7281 (Print), 2296-732X (Online). Herausgeberin: Pädagogische Hochschule Zürich. Redaktionskommission: Christoph Hotz (Redaktionsleitung), Redaktor Kommunikation; Daniel Ammann, Dozent; Bettina Diethelm, wissenschaftliche Mitarbeiterin; Anne Bosche, wissenschaftliche Mitarbeiterin; Reto Klink, Leiter Kommunikation; Martina Meienberg, Dozentin; Michael Prusse, Abteilungsleiter Sek II Berufsbildung. Redaktionelle Mitarbeit: Melanie Keim, Olivia Rigoni, Corina Rainer, Stefanie Rigutto, Monique Rijks, Daniel Ammann *, Simon Brunner. Adresse: Pädagogische Hochschule Zürich, Redaktion «Akzente», Christoph Hotz, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, akzente@phzh.ch, www.phzh.ch/ akzente. Grafisches Konzept: Raffinerie AG für Gestaltung, Zürich. Layout: Regi Müller, Typografische Gestalterin PH Zürich. Druck: FO-Fotorotar, Egg ZH. Inserate: IEB AG, Gewerbestrasse 18, 8132 Egg, Tel. 043 833 80 40, Fax 043 833 80 44, info@ieb.ch, www.ieb.ch. Abonnemente: Jahresabonnement CHF 20.– inkl. Porto, Pädagogische Hochschule Zürich, Vera Honegger, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, vera.honegger@phzh.ch. Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier.
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AKZENTE 3/2017
Fotos: Daniel Dobrowolski
Instagra m #takeover
Der Fotograf
Inserate
Unterrichtshefte Die bewährten, von Lehrkräften geschätzten Vorbereitungshefte. • A für Lehrkräfte aller Stufen in Deutsch, Französisch, Deutsch-Englisch und Italienisch-Romanisch. • B für Textiles Werken, Hauswirtschaft und Fachlehrkräfte • C für Kindergärtner/innen Notenhefte für Schülerbeurteilung.
«Ihr Aus- und Weiterbildungsinstitut IKP: wissenschaftlich – praxisbezogen – anerkannt»
Dr. med. Y. Maurer Diplom zum eidg. Mit Option rer Auszierung Ih Neu: Finan h Bundesbeiträge rc bildung du
Info-Abend:
Neu im 2017
Spezialausgabe Ad5g
30. Okt. in Zürich
Der Einband wurde von Nora Zürcher, von der Fachklasse Grafik des Fach- und Wirtschaftsmittelschulzentrums in Luzern gestaltet. Das Heft entspricht der Ausgabe Ad5/ 5-Tagewoche - Vertikale Tageseinteilung - mit Datumseinträgen
VERLAG FÜR UNTERRICHTSMITTEL DES CLEVS 6145 Fischbach, 04¥ 9¥7 30 30, Fax ¶4¥ 9¥7 00 ¥4 info@unterrichtsheft.ch www.unterrichtsheft.ch
Dipl. Körperzentrierte(r) Psychologische(r) Berater(in) IKP
Psychosoziale Beratungskompetenz kombiniert mit Körperarbeit (Erleben und Erfahren über den Körper), Entspannungsübungen, Sinnfindung, Ressourcenstärkung. Dauer: 3 Jahre, SGfB-anerkannt. Optional mit Abschluss „Berater(in) im psychosozialen Bereich mit eidg. Diplom“.
Dipl. Paar- und Familienberater(in) IKP Ganzheitliche systemische Psychologie und Coaching-Tools rund um Beziehungsprobleme im Info-Abend: 21. Nov. privaten und beruflichen Umfeld (Beratungs- und in Zürich Therapiearbeit mit körperorientierten Methoden). Dauer: 3 Jahre, SGfB-anerkannt. Optional mit Abschluss „Berater(in) im psychosozialen Bereich mit eidg. Diplom“.
IKP Institut, Zürich und Bern
Seit 30 Jahren anerkannt
Von der Bildungsdirektion des Kantons Zürich bewilligte Privatschule
Intensivkurs für die schulische und kulturelle Integration Rasche und nachhaltige Integration in die Regelklasse Ganz- und Halbtagsvariante möglich 26/20 Lektionen pro Woche in Kleingruppen Mittagstisch
Bern Dübendorf Horgen Winterthur Zürich
+ 41 (0)43 888 70 70 | www.allegra-sprachen.ch | info@allegra-sprachen.ch
Themen:
Ein Jahr nach dem Start – Tagesschulen berichten In vier Foren stellen Projektleitende und -verantwortliche ihre Tagesschul-Konzepte vor und teilen die Erfahrungen aus ihrem Betriebsjahr.
Mittwoch, 20. September 2017 – Projektleiterin «Tagesschule 2025» – Tagesschule Blumenfeld Mittwoch, 4. Oktober 2017 – Primar- und Sekundarschule Leutschenbach – Sekundarschule Albisriederplatz Mittwoch, 15. November 2017 – Leiterin Fachstelle Tagesstrukturen Stadt Basel – Sekundarschule Drei Linden Mittwoch, 13. Dezember 2017 – Primarschule Aegerten – Primarschule Am Wasser
Qualität in Tagesschulen/Tagesstrukturen (QuinTaS)
den letzten eruf gige , die ende d chulen/ . QuinTaS n, die edenen
Diskussionsforum 2017
Brückel Kuster Annen Larcher (Hrsg.)
Frank Brückel Reto Kuster Luzia Annen Susanna Larcher (Hrsg.)
Qualität in Tagesschulen/ Tagesstrukturen (QuinTaS)
Neues Praxisbuch QuinTaS – Qualität in Tagesschulen / Tagesstrukturen Im hep-Verlag erhältlich
Die PH Zürich und die ZHAW Soziale Arbeit laden Schulleitungen, Lehrpersonen und alle weiteren Interessierten herzlich zu den Veranstaltungen ein:
Zeit
jeweils 17.15 – 18.45 Uhr
Orte
Campus PH Zürich, Campus ZHAW (Toni-Areal)
Eintritt
frei
Anmeldung
keine nötig
Weitere Infos phzh.ch/diskussionsforum