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Ausflugstipp: Landgut Raixa

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Das Landgut Raixa besuchen die meisten Gäste wohl wegen der berühmten Treppe. Aber wer über das verwunschene Gelände schlendert, entdeckt bald die eigentliche Attraktion des Anwesens: Das Wasser.

Leises Quaken empfängt die Besucher des Landgutes Raixa, noch bevor sie den Eingang passiert haben. Auf den Blättern im Seerosenteich sitzen winzige Frösche und halten nach Insekten Ausschau. Allerdings taucht das Begrüßungskomitee mit hektischem Platschen unter, wenn sich jemand nähert. Schillernde Libellen huschen lautlos über die Wasseroberfläche, in den Bäumen zwitschern die Vögel. Schon hier beginnt man zu ahnen, dass der verborgene Reiz von Raixa in seinen kleinen Schönheiten liegt. Auch wenn viele Leute kommen, weil ihnen das Landgut als Filmlocation für einen Agatha-Christie-Krimi bekannt ist, so gehen die meisten doch als Bewunderer der verwunschenen Welt, die sie bei ihrem Besuch durchwandern.

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Der Kardinal kauft eine Quelle Zu verdanken ist die einzigartige Ausstrahlung des Anwesens dem Mann, dessen Büste im Park steht. Zwar war Raixa schon in maurischer Zeit ein Landgut, aber Kardinal Antoni Despuig (1745-1813) wollte den seit 1660 in Familienbesitz befindlichen eher rustikalen Gutshof in eine mediterrane Perle nach italienischem Muster verwandeln, inklusive Palazzo und künstlich angelegten Gärten. Dass es ihm gelungen ist, bestätigen am eindrucksvollsten die säulenverzierte Loggia an der Frontseite des Hauses und die zur Statue des Gottes Apoll führende Treppe an seiner Rückseite. Damit rundherum auch üppiges Grün sprießen konnte, brauchte es erheblich mehr als das vorhandene Wasser, und so kaufte der Kardinal Ende des 18. Jahrhunderts die Wasserrechte an der Quelle Font des Polls vom benachbarten Landgut Pastoritx. Davon profitieren bis heute die Rosen im Park, die Orangenplantage, die Olivenbäume und die Menschen, die umgeben von sprudelnden Wasserläufen auf dem Grundstück Erfrischung finden. Dieses prächtige Stück mallorquinische Kulturgeschichte ist für die Öffentlichkeit zugänglich, da es im Rahmen einer unschönen Mauschelei vom Inselrat gekauft wurde, wobei gleichzeitig die Modedesignerin Jil Sander, die 2001 quasi schon den Kaufvertrag unterzeichnet hatte, ausgebootet wurde. In „normalen“ Jahren zieht das Landgut 20.000 Besucher an. Doch überlaufen ist es selten auf den verschlungenen Pfaden.

Zimmer mit Ausblick Der Rundgang beginnt im Herrenhaus, immer auf den Spuren der Familie Despuig. In der prächtigen Villa streift man durch die großzügigen Räumlichkeiten, ohne freilich viel Mobiliar vorzufinden. Zu den spärlichen Überbleibseln gehören unter anderem eine große Tafel im Esszimmer, der Herd in der Küche, ein Schreibtisch und das Nachtgeschirr des Hausherrn.

Doch das Ambiente und die historischen Fotos an den Wänden helfen der Fantasie auf die Sprünge. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie es sich in den lichtdurchfluteten Zimmern mit Blick auf die schmückenden Gärten und die umgebenden Bergwelt gelebt haben muss. Leer sind die einstigen Wohnräume dennoch nicht. Ausführliche Informationstafeln widmen sich der Serra de Tramuntana, die 2011 von der UNESCO zum Weltkulturerbe in der Kategorie "Kulturlandschaft" erklärt wurde.

Eine Treppe für filmreife Auftritte Die Tramuntana fängt sozusagen auch gleich am Hinterausgang des Hauses an. In die obere Etage fährt zwar ein Lift, aber damit hört die Bequemlichkeit auch schon auf. Für den Wanderweg über das Gelände braucht man gutes Steh- und Gehvermögen. Zu empfehlen ist Schuhwerk mit festen Sohlen, damit auf dem Kopfsteinpflaster im Hof und auf den steinigen Pfaden die Fußsohlen nicht schmerzen. Wer aus dem kühlen Schatten des Gebäudes tritt, steht unvermittelt vor dem offiziellen Schmuckstück des Landgutes Raixa. Die Treppe, die zu der Statue des Gottes Apoll in die Höhe führt, hatte schon diverse Filmauftritte. Zum Beispiel in der spanischen Produktion „Bearn o La sala de las muñecas“. Der Moment, als die Schauspielerin Ángela Molina in einem ausladenden weißen Kleid diese 63 Stufen hinab schreitet, soll kollektiv in Erinnerung geblieben sein, schwört die Fremdenführerin Soledad Rodríguez. Für den Film „Das Böse unter der Sonne“ mit Sir Peter Ustinov diente das Landgut als Kulisse für die Hotel-Szenen. Die Treppe ist in der Tat ein beeindruckendes Requisit in der Landschaft. Gesäumt von Musen-Statuen fließt links und rechts Wasser in Rinnen herunter, von Speiern in Form bemooster Gesichter über die Terrassen geleitet. Wasser spielt die Hauptrolle Spätestens hier wird deutlich, dass Wasser die eigentliche Attraktion von Raixa ist. Köstliches Nass, das in dem heißen Klima Spaniens Kühle und Erfrischung spendet. Das Ambiente der mediterranen Gartenlandschaft lebt vom Wasser. Überall rauscht es, sprudelt, plätschert, gluckst es. Es klingt, als ob Wassernymphen das Landgut bevölkern würden, dabei sind es kleine Kanäle und Mini-Wasserfälle, die einem auf Schritt und Tritt begegnen. Der luxuriöse Überfluss speist auch den „Großen Teich“. Er soll der größte künstlich angelegte Bewässerungsteich Mallorcas sein – 83 Meter lang, 17 Meter breit und 7 Meter tief. Die türkisfarbene Wasserfläche in dem langen Becken liegt eingebettet in der Landschaft wie ein Schmuckstück. So klar ist das Wasser, dass man die Karpfen beobachten kann, die darin spielen. Eine kleine Plattform mit Tisch und Stühlen, die in das Becken hinein ragt, wirkt wie eine Tribüne, um das Schau-

Ein Hort der Frische, wenn die Sonne brennt

spiel der Natur genießen zu können. Sie ist auch der perfekte Platz für eine Verschnaufpause. Ein Pärchen hat sich mit Sandwiches zum Picknick niedergelassen. Sehr vorausschauend, denn für die eigene Versorgung, vor allem mit Trinkwasser, muss man hier allein sorgen. Weder Cafeteria noch Kiosk gibt es weit und breit. Ist aber in Planung, versichert Soledad Rodríguez.

Tropfsteinhöhle am Wegesrand Auf dem Weg nach oben zum nächsten Kleinod gibt es immer wieder schattige Plätzchen, um sich auszuruhen, umgeben vom Duft, den die Kiefernnadeln in der Sommersonne verströmen. Eine kleine Grotte unterwegs entpuppt sich als Mini-Tropfsteinhöhle, in der fließendes Wasser seine Spuren an den Wänden und auf dem Boden hinterlassen hat. Vom Aussichtsturm im neo-arabischen Stil mit seinen bunten Fenstern genießt man bei klarem Wetter einen herrlichen Blick über die Bucht von Palma und kann sogar die Kathedrale erkennen. Weiter hinauf geht es derzeit nicht, denn der Pfad zum Gipfel wird repariert.

Künftig kann man hier übernachten Überhaupt hat sich der Inselrat für das Landgut Raixa viel vorgenommen. Der Orangengarten wird seit geraumer Zeit umgestaltet, die bisherigen Bäume weichen neuen Anpflanzungen, einer Sammlung alter Sorten, die für den wirtschaftlichen Anbau nicht mehr rentabel sind. Hier auf dem Landgut werden sie der Nachwelt erhalten. Für blühende Landschaften sorgt gleich in unmittelbarer Nachbarschaft des herrschaftlichen Hauses ein Garten, in dem traditionelle Gemüsesorten, Kräuter und Blumen wachsen. Umsorgt werden sie von den Teilnehmern eines Programms, das Menschen mit Behinderungen eine Ausbildung in ökologischer Landwirtschaft und Gärtnerei ermöglicht. Das ehemalige Haus des Pächters soll in den nächsten zwei Jahren zu einem Refugi umgestaltet werden, in dem Wanderer für kleines Geld übernachten können – und dann gibt es irgendwann auch eine Cafetería auf Gut Raixa. Möglich werden all diese Erneuerung übrigens dank der Einnahmen aus der Touristensteuer. Wenn schon der Eintritt in dieses kleine Paradies frei ist, so sorgen doch die Besucher auf Umwegen dafür, dass Raixa auch in Zukunft ein Schmuckstück bleibt, das einen Besuch lohnt.

Tipp:

Wer die Wasser-Idylle genießen möchte, sollte Raixa vor Freitag 13 Uhr besuchen. Dann nämlich wird das Wasser übers Wochenende umgeleitet, um das Nachbar-Landgut Raixeta zu bewässern.

Infos

Lage: Ctra. Palma-Sóller km 12,2 bei Bunyola Öffnungszeiten: Di-Sa von 10 bis 15 Uhr Voranmeldung: Derzeit ist wegen der Corona-Einschränkungen der Besuch des Landgutes nur mit vorheriger Anmeldung per e-mail an visitraixa@conselldemallorca.net oder telefonisch unter 971 237 636 möglich. Führungen: Gibt es auch in deutscher Sprache Eintritt: kostenlos  Christiane Sternberg, Fotos: Marcos Gittis

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