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Interview Juan Miguel Ferrer
Juan Miguel Ferrer (51), ist Sprecher und Geschäftsführer der 2015 gegründeten Vereinigung „Palma Beach“, deren mittlerweile 46 Mitgliedsunternehmen dem „Ballermann-Image“ der Playa de Palma Qualität und Niveau entgegensetzen, in ihren Restaurants, Hotels und touristisch orientierten Firmen, und als Initiative für die Region. Juan Miguel Ferrer studierte Betriebswirtschaft in Maryland und Stuttgart und setzt nach internationalen Erfahrungen die Gastro-Tradition seiner Familie an der Playa und in Palma als Hauptgeschäftsführer der Enjoy Group fort. Zur Gruppe gehören das Ginger Beach, Bikini Beach, El Chiringuito Beach House, Bonito, Chalet Siena an der Playa sowie das Born 8 in Palma mit insgesamt über 800 Plätzen. EL AVISO befragte ihn zur Playa de Palma und zum Stand der Qualitätsoffensive von „Palma Beach“.
EL AVISO: Wie ist die Vorgeschichte zur Gründung der Vereinigung „Palma Beach“ vor sieben Jahren? Juan Miguel Ferrer: Vor acht, neun Jahren – ich war zuvor in London im Bankgeschäft, baute dann Immobilien in Kroatien – habe ich mit meiner Familie in Italien gelebt, und mein Bruder hat in Miami gewohnt und betrieb dort und in Madrid eine Werbeagentur. Als ich dann einmal auf Mallorca war und von einem Golfspiel kam, sagte ich
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Qualität,
die sich lohnt
wir machen weiter, aber anders. An welcher Universität wird denn gelehrt, dass man in touristischen Gebieten schlecht essen oder trinken muss? Mein Bruder kam und wir haben nach kurzer Zeit beschlossen, dass alle unsere Restaurants auf Qualität ausgerichtet werden sollen. Auch der Name der Restaurant-Gruppe wurde in „Enjoy“ geändert – „genieße es“. Wir haben in der darauffolgenden Zeit viel gekämpft und gearbeitet. Aus dem alten „Köpi“ wurde beispielsweise das „Bonito“ und wir entwi-ckeln ständig neue Konzepte. So haben wir Ideen für rund 20 neue Restaurants in der Schublade (lacht).
EA: … und heute? JMF: Heute können wir von der Qualität her mit jedem guten Restaurant auf der Insel konkurrieren. Wir haben die gleichen Lieferanten und Waren wie die Restaurants in Puerto Portals und haben bodenständige und ehrliche Qualität. Wenn wir Rindfleisch aus Galizien kaufen, dann nur wenn es wirklich auch nachweislich Rind aus Galizien ist. Wir erweitern und verbessern ständig, ob es der Tisch im Restaurant ist, der einige Zentimeter größer soll oder die neuen Küchen und Steinöfen, mit denen wir die Kapazität hochwertig erweitern. Dabei sehe ich unsere fünf Restaurants als ein erstes Kapitel an der Playa de Palma. Wir gehen davon aus, dass andere Gruppen kommen und ähnliche Qualität anbieten werden. damals – mittlerweile 70 oder 80 Jahre alt – waren zivilisiert und korrekt. Es war für uns eine Ehre sie zu bewirten. Sie haben ihr Geld gespart, oft im Sportverein und mit gemeinsamer Kasse, um es dann an der Playa auszugeben. Viele hatten bei uns ihren regelmäßigen Frühschoppen, haben sich dafür gut angezogen, um überwiegend landestypische Spezialitäten, gute Getränke und das Mittelmeer zu genießen. Einen Absacker gab es dann auf dem Weg ins Hotel in der Schinkengasse. Zwischen 16.00 und 19.00 Uhr wurde Pause gemacht, am Strand oder eben im Hotel. Dann hat man sich frisch gemacht, sich parfümiert, sich nochmal neu angezogen und kam ins Lokal mit den besten Kleidern zum Essen, Tanzen und Beisammensein, oftmals bis morgens. Von Besäufnis war keine Rede.
EA: Was passierte dann? JMF: Ein deutscher TV-Sender startete mit seinen „Exklusiv-Reportagen“ über die Playa. Gezeigt wurden wilde Partys, Besäufnisse und asoziales Volk. Was kaum einer wusste: Man hatte die Darsteller, auch die Wirte, zu den Alkohol-Exzessen animiert. Mir selbst wurde 1.000 Mark geboten, damit ich unsere Gäste zum Saufen auffordere, was ich abgelehnt habe. Im fertigen Film wurde etwas gezeigt, was es bis dahin gar nicht gab. Ab
diesem Zeitpunkt, das war Mitte/Ende der 90er-Jahre, begann sich das Publikum an der Playa de Palma sehr schnell zu ändern. Es gab nicht mehr die alten Schlager wie von Leonhard Cohen, Julio Iglesias, Udo Jürgens oder Abba, sondern neue und laute Mallorca-Lieder, die den Alkohol-Konsum förderten. Es entstanden neue Partyzentren für die meist Jugendlichen, die nun vermehrt kamen, es gab das Merchandising wie T-Shirts und Uhren dazu und so ging es immer weiter.
Bikkini Beach Bonito Born8
meinen Freunden: Warum essen wir nicht am Strand, meine Familie hat ein Restaurant dort? Mit den Ehefrauen und Kindern war ein Platz am Meer doch ideal zum Essen, und die Playa ist wunderschön. Wir sind dann in eines unserer Restaurants gegangen, und ich hatte Glück, dass keiner der Kellner mich kannte, ich war also ein Mystery Shopper. Viele All-Inclusive-Gäste waren da und wir verkauften Speisen wie Schnitzel, Spaghetti, Wurst und Strammer Max, das gab es aber auch in den umliegenden Lokalen und den Hotels. Ich sah dann die Präsentation der Getränke, der Speisen, den Service, ie Stühle und Tische, die Sonnenschirme und das ganze Lokal voll von Werbung: Coca Cola, Krombacher, Jägermeister… und ich fragte mich: Wo bin ich?
EA: Die weiteren Schritte waren offensichtlich schnell getan…? JMF: Ja, ich habe sofort meinen Bruder Mika in Miami angerufen, morgens um acht Uhr an einem Samstag, und habe gesagt: Komm kurz nach Mallorca, wir müssen entscheiden, was wir mit dem Familiengeschäft tun, wir haben drei Möglichkeiten: Verkaufen, Vermieten oder EA: Noch mal kurz zurück: Sie kannten die Gastronomie Ihres Vaters als Jugendlicher. Was hatte sich denn in den zwei, drei Jahrzehnten bis zu Ihrer Übernahme der Familienrestaurants verändert? JMF: Wir hatten mit den ursprünglichen deutschen Kunden in meiner Jugend eine ganz andere, sehr positive Erfahrungen als es später der Fall war. Die „Ballermänner“ EA: Nachdem die Qualität der Restaurants auf einem Tiefstand war, haben Sie dann ja gegengesteuert. Wie kam es dann zu dem Verbund „Palma Beach“? JMF: Ja, ich habe vor jetzt rund sieben Jahren zu Mika gesagt, wir können steigende Qualität in der Breite nicht alleine schaffen, wir brauchen die Hilfe unserer Umgebung. Und sollte sich mit unserer Vision niemand anderes identifizieren, dann müssen wir uns auch darauf einstellen. Ich hatte eine Verabredung mit Carmen Riu von der RIU-Hotelgruppe gemacht. Ich war darauf eingestellt, dass sie vielbeschäftigt war und nicht viel Zeit hat. Das Überraschende war: Nachdem ich fünf Minu-
Chalet Siena
ten geredet hatte, merkte ich an ihrer Resonanz, dass sie mich nicht nur verstanden hatte, sondern genauso dachte. Sie stimmte mit allen unseren weiteren Einschätzungen überein, das Gespräch wurde länger als geplant. Das war hundertprozentig das, was wir wollten. Carmen Riu investierte damals gerade in die Qualität ihrer Hotels und es war genau der richtige Moment, mit den richtigen Leuten zusammen die Allianz „Palma Beach“ zu bilden, als nicht-kommerzielles Unternehmen, das das Ziel der Qualität und Qualitätssteigerung verfolgt. Mit unserer Enjoy Gruppe waren wir dabei immer Vorreiter, wir waren und sind erfolgreich, aber wir investieren alles wieder in unsere Restaurants.
EA: Wie ist Ihre Bilanz nach sieben Jahren „Palma Beach“? JMF: Die Bilanz ist sehr positiv. Die Wirkung ist zu fassen: Die Umsätze spiegeln das wieder, die Symbiose mit der Stadt Palma wächst langsam, ist aber schon da, und die Touristen können die Playa aus einer anderen Perspektive mit neuen wesentlichen Facetten sehen. Bestätigt werden wir auch dadurch, dass sich die Playa weg vom touristischen Ghetto bewegt hat, so kommen zunehmend Spanier in unsere Restaurants. Dabei dürfen wir ja nicht vergessen, dass die Playa ein Gesamtkonzept sein soll und ein großes Gebiet ist. Mir ist egal, ob da ein Bierkönig dazu gehört. Es ist ein Teil der Playa, dass man auch deutsch essen, trinken und mit Schlagern feiern kann. Ich selbst komme aus diesem Bereich, mein Vater hat die Bierstraße gegründet. Mein erstes Bier habe ich gezapft, da war ich neun Jahre alt… (lacht).
EA: …und mit und nach Corona? JMF: Corona hat „Palma Beach“ quasi geholfen. Das war ein kleiner Turbo, der uns vielleicht zwei bis vier Jahre weiter nach vorne gebracht hat. Die Menschen haben den Unterschied gemerkt, dass sich der Strand auch mal erholen und das Leben ohne große Partys auch angenehmer sein kann. Die qualitative Nachfrage war in jeder Hinsicht größer. Wir haben alleine in unserer Enjoy Group vielleicht 60 Prozent weniger Gäste gehabt, aber den Umsatz um 20 Prozent gesteigert.
El Chiringuito
JMF: Bei uns und auch insgesamt nicht unbedingt. Wir selbst und unsere Angestellten fahren mit Elektrorollern, es gibt immer mehr Elektroautos und wir unterstützen die Planung eines Touristen-Zuges, der von der Playa nach Palma fährt.
EA: Was halten Sie vom neuen Tourismusgesetz, u.a. von der Begrenzung der Zahl der Gästebetten? JMF: Das bezieht sich auf Hotels, ist aber auch gut für uns alle. Das Publikum entspricht damit zunehmend dem, was wir uns wünschen, und es bedeutet positiv auch, dass mehr Personal zur Verfügung steht. Für den Restaurantbereich sagt das Gesetz nichts. Da hätte man auch etwas tun können, zum Beispiel Regelungen zur Expansion einzelner Gruppen, um die Qualität bei Neueröffnungen weiter zu gewährleisten. Oder Regelungen zur Infrastruktur. Aber die meisten Politiker haben wenig Ahnung von dem Bereich, über den sie entscheiden.
EA: Zurück zur Partyhochburg: Sie haben vorgeschlagen, die Zeit der ausgelassenen Partys auf 21 Tage im Jahr zu begrenzen. Ist das durchsetzbar? JMF: Die Idee hatte als Basis das Münchner Oktoberfest oder auch den Springbreak in den USA. Wir haben gesagt, wenn beispielsweise die Fußballsaison zu Ende ist, beginnt eine Partyzeit an der Playa de Palma, danach kommt das Gebiet wieder zur Ruhe, das heißt, Strand, Fahrradfahren, gute Leute, gutes Essen, gute Getränke – einfach ein Lifestyle-Beach und kein Besäufnis. Oder haben Sie Lust alle paar Meter einen Betrunkenen zu treffen? Wir haben sogar die Unterstützung der Hotels im Verbund von „Palma Beach“, aber politisch ist es schwer durchsetzbar. Wir sehen heute schon die Steigerung der Nachfrage nach Qualität und die Saison ist hier zehn Monate im Jahr, aber derart einschneidende Änderungen bleiben wohl eine Vision für die nächste Generation. EA: Der Winter an der Playa de Palma ist sehr schön. Zehn Monate sind viel, aber warum nicht 12 Monate? JMF: Mit den Restaurants „Ginger“ und „Chalet Siena“ - auch wenn letzteres aktuell wegen Umbauten geschlossen ist – haben wir ja durchgängig geöffnet, aber ein Breakeven war beispielsweise im vergangenen, verregneten Monat November nicht möglich. Was allerdings auch ein Problem der Politiker ist, denn wir könnten wie in Cannes oder Nizza beheizbare Wintergärten haben, da bist Du am Strand, aber zugleich mit dem Komfort der Stadt. Aber hier ist alles Urbane von der zuständigen Regierung in Palma verboten. Damit ist ein Restaurantbesuch nur unter Plastikplanen möglich, was uns nicht passt. Der Hafen Puerto Portals, wo das Rathaus in Calvià entscheidet, gibt ein Beispiel, dort war es möglich mit Glas zu arbeiten und Restaurantbesuche sind im Sommer und Winter angenehm möglich. Für mich unverständlich, genehmigt man hier an Playa in erster Strandlinie lieber mehr Läden mit Fischbecken zur Fußpflege, ohne die Hygiene-Standards und -vorschriften anzupassen.
EA: Wie sehen Sie die weitere Entwicklung an der Playa de Palma bezogen auf den Tourismus? JMF: Es gibt eine Wette mit Carmen Riu. Sie hat gesagt, in Zukunft werden Hotels und Wohnungen am Strand teurer als in Palma, weil die Leute hier wohnen wollen. Die fahren dann mit dem Elektrozug nach Palma, aber das Wohnen ist hier schöner, mit Strand und tollen Sonnenuntergängen. Zum Beispiel in Tel Aviv mache ich das genauso, das ist fantastisch. Natürlich sehen wir die geopolitischen Entwicklungen und mögliche Pandemien mit Sorge. Aber insgesamt wird der Tourismus wachsen, es wird mehr Freizeit geben. Wir haben beste Aussichten mit dem Lifestyle-Konzept von „Palma Beach“.
Das Gespräch führte Frank Henrich
EA: Der Einzug der Qualität scheint also nicht mehr aufzuhalten? JMF: Mallorca geht insgesamt, wenn auch langsam, in die Richtung von mehr Qualität. In unserer Region liegt die Zukunft von Palma an der Playa. Die Leute werden zunehmend zuerst nach Erlebnissen schauen und erst danach suchen sie ihr Hotel aus. In Palma wollen die Leute zum Beispiel shoppen, an der Playa erwarten sie Erlebnis-Gastronomie, Essen mit Musik oder Entertainment, und der Vorteil mehrere Stunden mit Freunden auf einem Platz zu verbringen, ohne Auto fahren zu müssen. Die Entfernung von Stadt und Meer ist ideal und kaum irgendwo so kurz wie hier.
EA: Dieser inselweite Trend zum Individual- und Qualitätstourismus kann zum Beispiel bedeuten, dass die Insel wesentlich mehr Mietwagen braucht…
Ginger Ginger