LOS! November 2011
Unabh채ngiges Magazin zu den Jugendmedientagen 2011 HERAUSGEGEBEN von der Jugendpresse DEUTSCHLAND
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Quo vadis Medien? Quo vadis Journalismus?
Höher, schneller, weiter. Technischer, ausgefeilter, detaillierter. „Quo vadis Medien – wohin geht euer Weg? Quo vadis Journalismus?“, fragen sich Medienmenschen – alte Hasen wie Berufseinsteiger. Quo vadis? Und: Quid significat – was bedeutet das? Und zwar für uns – junge Medienschaffende, die ihren eigenen Weg im Mediendschungel finden wollen. Von Bettina Benzinger und Ekaterina Karabasheva
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ournalismus verändert sich. Und Journalismus verändert unsere Gesellschaft, unsere Gewohnheiten und unseren Alltag. Morgens, 7 Uhr. Hat der Supermarkt um die Ecke schon geöffnet? Wie wird das Wetter morgen? Wie war noch mal die Telefonnummer meines Hausarztes? Fast jede Recherche führt über eine zentrale Plattform: Google, die als Suchmaschine die meist besuchten Websites listet. Nehmen wir Google daher als Trendbarometer für die Interessen und Entwicklungen unserer Gesellschaft und googeln das Schlagwort „Printjournalismus“, sind die 37 300 gelisteten Ergebnisse erst einmal eine ganze Menge. So lange, bis wir „Onlinejournalismus“ googeln. Dann nämlich steigt die Anzahl der Ergebnisse um mehr als das achtfache.
Fragen über Fragen Quo vadis – wohin des Weges – ist ein Teil. Quid significat – die Frage nach der Bedeutung der Entwicklung – der andere. Was bedeutet dieses „Quo vadis“ für uns junge Medienmenschen? Wie finden wir unseren Weg in eine Disziplin, für die es, wie wir wissen, keinen Königsweg gibt? Lohnt sich ein Volontariat bei einer Zeitung noch? Lieber gleich auf eine multimediale Ausbildung setzen? Auch wenn die mediale Welt die viel genannte eierlegende Wollmilchsau verlangt – können wir das bieten? Müssen wir das überhaupt? Wo sind die Grenzen zwischen
Liebe Leserinnen und Leser, Wenn ihr diese Ausgabe der politikorange aufgeschlagen habt, sind die meisten eurer 255 600 wertvollen Sekunden Echtzeit auf den Stuttgarter Jugendmedientagen schon Vergangenheit. Spannende Diskussionen, lehrreiche Workshops, anregende Debatten, aber auch durchgetanzte Nächte und wenige Stunden Schlaf Seite an Seite mit anderen Teilnehmern in der Turnhalle liegen hinter euch. Habt ihr eure Freunde zu Hause über eure Erlebnisse durch Tweets, Statusmeldungen auf Facebook oder Updates auf eurem eigenen Blog auf dem Laufenden gehalten? Live berichtet? In der Redaktion eurer politikorange hatten wir jede Menge Echtzeit-Momente: da gab es die Referenten, deren Statement zwischen Workshop und Abendessen eingefangen werden musste. Da gab es die Tippfehler, die uns erst ins Auge gestochen sind, als die Ausgabe eigentlich schon in den Druck musste. Und dann gab es die Momente, in denen wir von der Internet-Echtzeit ausgeschlossen waren und hinter WLan-Anschluss und Netzkabeln herhechten mussten. Genug mediale Echtzeit für heute. Auf dem Weg nach Hause werden wir die Echtzeit daher mal wieder entspannt erleben: Augenpflege ist angesagt. v Chefredaktion
Eure
Bettina Benzinger und Ekaterina Karabasheva
Ideale Einstiegszeit Es gibt keine spannendere Zeit, in den Journalismus einzusteigen, als im Zeitalter technischer und multimedialer Entwicklungen. In einem Zeitalter, in dem soziale Netzwerke und technische Medien mit immer mehr Features aufwarten. In einem Zeitalter, in dem multi- und crossmedial gearbeitet wird, in dem Neuigkeiten News sind, Informationen immer weniger im Druck gesetzt sondern im Internet getwittert werden und Facebook und Co. den Journalisten im schwäbischen Stuttgart mit Aktivisten des Arabischen Frühlings verknüpfen. Quo vadis Journalismus und quo vadis Medien, sind zwei der spannenden Fragen, die ihr bei den Stuttgarter Jugendmedientagen diskutiert habt.
Editor ia l
I nha lt
»Im Gehege« Journalistentypen im Fokus. Seite 08/09
»Im Krieg« Wie weit dürfen Journalisten gehen? Seite 14
Google als Trendbarometer.
höher, schneller, weiter und einem qualitativen Journalismus? Nutzt die Gedanken und Anregungen der vergangenen Jugendmedientage, um euren Journalismus aktiv mitzugestalten. Bevor ihr auf den Online-Zug aufspringt, schließen wir die Ausgaben der politikorange auf den Stuttgarter Jugendmedientagen mit einem Gedankenspielchen: Was ist eigentlich, wenn online plötzlich offline ist? Wenn man nämlich das Ende des Internets erreicht hat? Ja, das gibt es. Googelt einfach einmal. Da kann jeder x-beliebige User tatsächlich das Internet weltweit lahm legen und wird dann aufgefordert, endlich etwas Sinnvolles zu tun und raus in die Natur zu gehen. Was wird dann aus Online? Was wird aus der schnellen Recherche im Internet? Woher bekomme ich jetzt die Infos über das Wetter von morgen, die Öffnungszeiten des Supermarkts
oder die Telefonnummer, an die man sich partout nicht erinnern kann? Wären wir überhaupt noch in der Lage, in einem Telefonbuch nachzuschlagen? Hätten wir denn überhaupt eines zu Hause? Über das Wetter zumindest würde uns die gute, alte Tageszeitung informieren.
»Im Streit« Print oder Online? Seite 04
»Im Bewerben« Selbstmarketing im Netz. Seite 05 Bettina Benzinger und Ekaterina Karabasheva 24 und 22 Jahre haben nach vier spannenden Jugendmedientagen einfach einmal Lust, dem Ende des Internets nachzuspüren.
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NA ch r i ch te n
Abschluss Wer am Sonntagmorgen schon denkt, „Das wars jetzt wohl mit den Jugendmedientagen“, der irrt gewaltig. Schließlich steht noch die große Abschlussveranstaltung bevor. Hier werden wir die letzten Tage Revue passieren lassen, die Ergebnisse der Workshops bestaunen, die letzten Diskussionen führen und uns dann feierlich voneinander verabschieden. Ihr dürft euch also auf die Abschiedsveranstaltung freuen!
JMT: Und dann? Bald sind die Jugendmedientage in Stuttgart leider schon zu Ende. Die tollen Momente auf der Veranstaltung werden euch jedoch noch lange im Gedächtnis bleiben. Schließlich haben wir für euch die Veranstaltung dokumentiert, haben Fotos geschossen und Texte geschrieben. In ein paar Wochen werdet ihr die Dokumentation von uns erhalten und in der Vergangenheit schwelgen können. Die Ergebnisse der Workshops könnt ihr auf blog.jugendmedientage.de einsehen.
Teamvorstellung In Facebook gab es auf den Jugendmedientagen 2011 mehr als 100 Postings mit Bild. Wenn ihr spannende Momente oder interessante Programmpunkte erleben wollt, bei denen ihr nicht vor Ort sein konntet, schaut euch auf der JMT-Facebook-Seite um.
aktiv werden Die Jugendpresse bietet natürlich viel mehr als nur die Jugendmedientage. Wir unterstützen Schülerzeitungen und Medienmacher. So bieten wir mit der Mobilen Akademie Unterstützung für Schülerzeitungsmacher an und fördern mit dem Schülerzeitungswettbewerb der Länder die Journalisten von Morgen. Auch regelmäßige internationale Workshops gehören zu dem Angebot der Jugendpresse. Wenn du aus Baden-Württemberg kommst, dann schau doch gleich mal auf www.jpbw.de. Vielleicht reizt es dich zum Beispiel, für die Zeitung NOIR zu schreiben? Für alle anderen, die nicht aus Baden-Württemberg kommen: Ab auf www.jugendpresse.de!
Print vs. Online – Wer frisst wen?
Die Frage, wie der geneigte und verehrte Leser sich seine täglichen Nachrichten zu Gemüte führt, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wahren Glaubenskrieg entwickelt. Online-Fundamentalisten bezeichnen Printprodukte als Holzmedien, während das Internet von klassischen Zeitungsmachern als postulierte Mediainflation beschimpft wird. Thomas Richter und Andreas Lilienthal haben sich in einem Streitgespräch intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt.
Thomas: Der Printredakteur ist doch meist schon im Bett, während der OnlineRedakteur zur gleichen Zeit eine Meldung veröffentlicht, die erst 24 Stunden später in der Tageszeitung steht. Online ist also flexibler und zeitnaher. Andreas: Diese Fakten beziehen sich höchstens auf Blogger oder kleinere Onlinemagazine. Große Onlineredaktionen haben aus organisatorischen Gründen heutzutage ebenfalls einen festen Redaktionsschluss, abgesehen von Eilmeldungen oder Livetickern. Printmagazine hingegen hinterlassen einen nachhaltigen Eindruck, insbesondere durch optische und haptische Gestaltung, die man in dieser Art im Internet einfach noch nicht umsetzen kann. Sei es der Prägedruck oder die banale Faltbarkeit der Tageszeitung. Das Internet macht Lesen zu einem multimedialen Erlebnis. Neben Text bekommst du anklickbare 3D-Grafiken, die dir Zusatzinformationen bieten. Außerdem kannst du online Videos und Livestreams anbieten, besonders wichtig bei aktuellen Ereignissen. Bedrucktes Papier ist unaufdringlich. Eine Zeitschrift oder ein Magazin werden freiwillig gelesen. Online wird dir jede Information unweigerlich aufgezwungen. Aufgrund der wahren Medienflut verliert das Internet an Glaubwürdigkeit. Im Internet kann sich jeder Hobbyblogger als Journalist bezeichnen. Ja, aber ist das nicht der pure Ausdruck von Meinungspluralismus? Wenn jeder Mensch sich so am öffentlichen Dialog beteiligen kann, werden Systeme transparenter und die Menschen mündiger. So wird dem Leser ein breiteres Spektrum an Meinungen geboten, er erlernt Denkweisen abseits vom Mainstream-Journalismus. Dafür gibt es auch im Printjournalismus Nischenmagazine, um sich abseits des Mainstreams Publikum zu verschaffen. Die meisten Magazine sind ohnehin unabhängig. Meinungspluralismus ist stets oberste Priorität im Journalismus heutzutage.
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Internet aus der Druckerpresse?
Das gilt vielleicht in Ländern, die sich das Credo der Pressefreiheit auf die Flagge schreiben. Im Gegensatz dazu gibt es Länder, in denen die Regierung entscheidet, was in der Zeitung stehen darf. Der Arabische Frühling hat gezeigt, dass der normale Bürger online viel eher etwas erreichen und auch erfahren kann. Das hat deutlich gezeigt, dass man nicht allem Glauben schenken darf, was im Internet veröffentlicht wird. Bildmanipulationen und falsche Tatsachen verbreiten sich im Internet viel schneller. Das gibt es aber nicht nur im Onlinejournalismus. Denken wir nur an die Verbreitung der Hitlertagebücher 1983 im Stern. Die Verbreitungsgeschwindigkeit sollten wir trotzdem nicht außer Acht lassen. Durch digitale Netzwerke und Social-Media-Plattformen werden Artikel im Minutentakt transportiert, reproduziert und multipliziert. Schnell und direkt wird der Nutzer erreicht und durch Kommentarfunktionen in die Diskussion eingebunden, das kann der Printjournalismus einfach nicht leisten. Print erweist sich nicht ohne Grund laut einer Studie der Hochschule der Medien in Stuttgart aus dem Jahr 2008
als das einprägsamere Medium. Wir reden hier von Autoritätsjournalismus. Es macht immer noch den Unterschied, wer etwas sagt. Und vor allem, wo er es tut. Ich muss jedoch eine Lanze für den Onlinejournalismus brechen! Für mich ist es sicherlich eine Form, die sich auf Jahre hinweg, allein schon durch den technischen Fortschritt, durchsetzen wird. Doch nicht ohne die Printmedien. Das Zauberwort lautet Crossmedial. Verknüpfte Kanäle, egal ob Print oder Online bieten dem Nutzer ein kompaktes Wissensspektrum, aus dem er letztlich auswählen kann. Beide Seiten müssen lernen zusammen zu agieren, weil jedes für sich positive Alleinstellungsmerkmale besitzt.
Andreas Lilienthal & Thomas Richter 22 und 25 Jahre schauen der Zukunft der Medien gespannt entgegen.
DOPING FÜR DEN LEBENSLAUF?
„Nur“ gut zu sein genügt längst nicht mehr. Digitales Zeitalter, Medienkrise und Konkurrenzdruck fordern unsere Fähigkeiten im Multitasking: Wir Nachwuchsjournalisten müssen Marktschreier und Kommunikationskünstler sein, um irgendwann den FuSS in die wohligen Räume groSSer Zeitungs- und Magazinverlage zu bekommen. Von Anne Juliane Wirth
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ie Formel ist einfach: Wer sich von der Masse abheben will, muss die eigene Leistung ins richtige Licht rücken. Dank World Wide Web und der Erfindung technischer Spielereien, die uns stets erreichbar machen, funktioniert das unkomplizierter als je zuvor. Smartphones beispielsweise gehören heutzutage zur Grundausstattung der schreibenden Zunft. Dank mobilem Internet weiß die stets, wann und wo die „große Story“ lauern könnte. Und wer führt noch ein handgeschriebenes Adressbuch, wenn Kontaktdaten in Sekundenschnelle in digitaler Form vorliegen können? Ohne Kontakte läuft in der Journalismusbranche ja bekanntlich nichts - und wenn, dann nur sehr wenig. Wer sich also behaupten will, benötigt neben einem Sammelsurium an Bekanntschaften auch ordentlich Biss, Durchhaltevermögen und die eigene Werbeagentur. Die Schlüsselwörter heißen „digitales Selbstmarketing“ und „Onlinepräsenz“. Ohne bleiben viele Chancen ungenutzt.
Der Internetauftritt gehört zum guten Ton Onlinepräsenz sollte für einen Journalisten selbstverständlich sein, meint
Autor Marcel Weiss auf dem Blog netzwertig.com. Und weiter: „Die Sichtbarkeit eröffnet Möglichkeiten und die eigene Onlinepräsenz wird quasi zum Lebenslauf auf Steroiden.“ Mit WordPress, einer Software zur Verwaltung von Inhalten einer Website, lässt sich das eigene BlogProjekt mit nur wenigen Handgriffen schnell realisieren. Medienjournalistin Ulrike Langer hat Onlinepräsenz längst für sich entdeckt. Auf ihrem Blog medialdigital.de finden sich neben Artikeln rund um die digitale Medienszene auch ihre Schreibproben und Referenzen. Sogar Vorträge und Präsentationen stellt Langer online. So widmet sich eine Präsentation dem Thema „Fünf Stufen zur digitalen Selbstvermarktung“. Dort bringt die Journalistin „Online-Branding“ ins Gespräch: Journalisten werden zu eigenen Marken im Netz und bauen Beziehungen zu ihrem Publikum auf.
In 140 Zeichen um die Welt Die Cision Studie 2011 analysierte, wie oft und in welcher Weise europäische Journalisten während ihrer Arbeit auf Social Media zurückgreifen. Das Ergebnis überrascht nicht wirklich: 96 Prozent der
Befragten gaben an, diese Dienste regelmäßig zu nutzen. Bei Twitter wandert Erlebtes in nicht einmal zwei Sätzen um die Welt. Mit diesem Nachrichtendienst kann jeder Journalist nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Artikel ordentlich die Werbetrommel rühren. Auch mit „nur“ 140 Zeichen lässt sich so Aufmerksamkeit erzeugen. Wo sonst bekommt man eben ein paar hundert Klicks her? Das gleiche Prinzip funktioniert übrigens auch bei Facebook.
Zur Cisio-Studie: Wie nutzt die Medienindustrie Technologien wie Facebook und Twitter? Das war die zentrale Frage, der CisioStudie. Soziale Netzwerke landeten nur auf Platz zwei der beliebtesten Tools im typischen Arbeitsalltag eines Journalisten (68 Prozent). Mit 76 Prozent steht Wikipedia an erster Stelle. Journalisten twittern? Nicht immer. Die Nutzung ist vom Zweck und der Mediengattung abhängig: so sind Radiojournalisten deutlich aktiver als Printjournalisten.
Die Liste der zwitschernden MikroBlogger ist lang. Dirk von Gehlen, Redaktionsleiter von jetzt.de, und Wolfgang Büchner, Chefredakteur der Deutschen Presseagentur sind nur zwei Journalisten, die ihre Gedanken twittern. Dabei sollten Journalisten aber bewusst eine Grenze zwischen Beruflichem und Privatem ziehen: nicht jeder private Tweet fördert die berufliche Karriere. Zurückhaltung schadet nicht, Posts sollten daher gut durchdacht sein. Clever ist auch die Anschaffung von zwei Accounts: einem privaten für Freunde, Familienfotos und persönlichen Gedankenmist, und ein öffentliches Konto.
Anne Wirth 20 Jahre, Berlin spürt den Druck online präsent sein zu müssen.
FruchtflEisch Warum heute noch Journalist oder Journalistin werden? „wahrer Journalismus“
Betül Daskin, 21 Jahre aus Paderborn „Kritische Medien sind wichtig. Nachwuchsjournalisten sollen den wahren Journalismus wieder beleben.“
„Abwechslung“
Elia Blülle, 18 Jahre aus Arau in der Schweiz „Weil das für mich der tollste und abwechslungsreichste Job auf der Welt ist.“
„Leidenschaft“
Kilian Gaffrey, 18 Jahre Aus Schwedt in Brandenburg „Warum heute noch Bauarbeiter werden? Wenn die Leidenschaft zu schreiben da ist, dann kann man den Beruf durchaus ausüben“.
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„Qualität entsteht, wenn man sich Zeit nimmt“
Die Medienpraxis im Wandel: Anna Ruppert und Sophie Rebmann sprachen mit Joachim Dorfs, Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, über den Onlineauftritt und die Umstrukturierung der Zeitung sowie die Schnelllebigkeit der Medien.
Als Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung waren Sie maSSgeblich an der Umstrukturierung und Neugestaltung der Zeitung beteiligt. Was hat das mit Echtzeit zu tun? Wir haben die Printredaktion in die Arbeit an der Onlineausgabe der Zeitung eingebunden. Mit langen Artikeln schaffen wir einen bewussten Gegensatz zu den Onlinemeldungen. Kurze Nachrichten sollen dabei als Anker dienen, um das Interesse des Lesers für einen langen Text zu wecken.
Wo erscheinen Ihre Nachrichten zuerst? Was für einen Nutzen erhoffen Sie sich davon? Es gab früher Diskussionen, ob Online vor Print publiziert werden soll. Diese Frage stellt sich uns gar nicht mehr. In der Realität ist es so: Twitter first, Facebook, dann vielleicht erst die Website und dann die Tageszeitung. Wir gehen online, weil wir sehen, dass wir bestimmte Teile der Gesellschaft, die sich grundsätzlich für journalistische Produkte interessieren, mit Print nicht erreichen und würden publizistische Aufmerksamkeit verschenken, wären wir nicht im Netz.
Stimmt es, dass die Gesellschaft und mit ihr die Medien immer schnelllebiger werden und das Interesse der Leser auf reines Faktenwissen reduziert ist? Das stimmt, aber technisch sind alle Medien so ausgerichtet, dass man Nachrichten schnell verbreiten kann. Trotzdem ist das Interesse des Lesers oder Users nicht auf reine Fakten beschränkt. Er überlegt sich vielmehr ganz genau, welche Informationen er auf welchem Kanal findet. Wenn ich schnell an Information gelangen will, bin ich in sozialen Netzwerken unterwegs. Will ich mehr wissen, dann will ich die Tageszeitung. Außerdem ist eine Tageszeitung auch ein haptisches Vergnügen. Ich habe keine Lust beim Frühstück SpiegelOnline zu lesen.
Wie lange braucht man, um einen qualitativ hochwertigen und somit gut recherchierten Artikel zu schreiben? Ich glaube Qualität entsteht, wenn man sich für das entsprechende Produkt auch die richtige Zeit nimmt. Das können für eine Reportage ein, zwei Wochen sein; für eine Nachricht ein, zwei Stunden. Als Tageszeitung leben wir davon, dass wir im Tagesrhythmus arbeiten – man kann im Laufe eines Tages unglaublich viel herausfinden und unglaublich gute Sachen schreiben. Wenn man erfahren ist, wenn man weiß wen es anzusprechen gilt, dann bekommt man im Laufe des Tages und womöglich im Laufe einiger Stunden eine gute nachrichtliche Geschichte mit unterschiedlichen Quellen hin.
Welche Kernkompetenzen soll der Journalist der Zukunft haben?
Zur per son
Er sollte themenspezifisch statt medienspezifisch denken. Wer in der Zeitungsredaktion arbeiten möchte und nur aufwendige Reportagen machen möchte, die mit Online nichts zu tun haben, wird es schwierig haben. Die Möglichkeit wird es aber geben. Ebenso wichtig sind die journalistischen Grundtugenden wie Neugier, komplizierte Sachverhalten für breites Publikum verständlich auszudrücken, sich schnell in Themen einarbeiten zu können und Spezialist für ein bestimmtes Thema zu sein. Aber das sind alles Klassische Sachen, da hat sich seit ich angefangen habe nichts geändert.
Joachim Dorfs ist seit fast 30 Jahren im Zeitungsgeschäft. Während der Studienzeit stieg er über Praktika in den Journalismus ein. Er besuchte die Georg-von-Holtzbrink Wirtschaftsjournalistenschule in Düsseldorf und machte ein Volontariat beim Handelsblatt, bei dem er später auch fest angestellt wurde. Im Januar 2008 übernahm er in der Stuttgarter Zeitung die Stelle des Chefredakteurs und war maßgeblich an deren Umstrukturierung beteiligt.
Auch bei Ihnen gab es bis vor kurzem Streiks um Tariferhöhungen für die Redakteure. Erlaubt die wirtschaftliche Lage der Zeitungen solche ausgiebigen Recherchen? Zeitungen müssen sich das leisten, sonst werden sie austauschbar. Dabei leben Zeitungen von eigenen Beiträgen und einem eigenen Blick. Das ist ein wesentliches Kriterium für die Qualität. Zeitungen, denen das gelingt, haben eine Zukunft. Die Stuttgarter Zeitung ist in der glücklichen Lage, ein großes Korrespondentennetz zu besitzen. Natürlich ist es richtig, dass der wirtschaftliche Druck da ist. Deshalb kooperieren wir mit anderen Zeitungen, indem wir uns Auslandskorrespondenten teilen. So produzieren wir trotz wirtschaftlichem Druck hochwertige Artikel.
Der durchschnittliche Leser verbringt etwa 40 Minuten mit seiner Tageszeitung, während Sie für eine umfangreiche Reportage bis zu zwei Wochen brauchen. Was für ein Gefühl ist es, soviel Zeit zu investieren - und die Zeitung morgens gelesen wird und abends im Müll landet? Wenn ich zwei Wochen an einer Reportage gesessen habe, und der Leser die 40 Minuten mit meiner Reportage verbringt, ist mit das vollkommen egal! (lacht) Aber im Ernst: Das ist das tägliche Geschäft eines Journalisten. Der Reiz einer Tageszeitung besteht für mich darin, dass man einen Tag Zeit für das Herausbringen eines Produkts hat, und dieses am nächsten Tag konsumiert wird. Mal intensiver und mal weniger intensiv. Vielleicht wird sogar irgendwann Fisch darin eingepackt. Aber am Ende steht ein fertiges Produkt, das zum Zeitpunkt X einen sehr guten und wichtigen Überblick über die Welt vermittelt. Und es gibt unglaublich viele Leute, die das lesen: Wir haben eine Auflage von ca. 140 000 Exemplaren. Wenn man in einer Druckerei 140 000 Exemplare über die Rotation laufen sieht, wird einem klar, was für eine Reichweite Sie mit einer ganz normalen Zeitung erzielen...
Anna Ruppert und Sophie Rebmann 18 und 21 Jahre finden es wichtig, dass Printmedien trotz Zeitdruck nicht an Qualität verlieren.
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Ein Wildgehege voller Journalisten
Journalisten gibt es wie Sand am Meer. Aber ist Journalist gleich Journalist? Eine todernst gemeinte Kategorisierung des Journalisten-Freiwilds. Von Laura Kapitza, Andreas Lilienthal und Tanja Dischinger
W IRTS CHA FT Schwarzer Hugo-Boss-Anzug, top gestylte Frisur und ein Lächeln wie aus einer Zahnpasta-Werbung - nein, es handelt sich hierbei nicht um ein Hollywood-Schauspieler auf einer Premierenfeier. Viel eher ist das die Arbeitsmontur eines Wirtschaftsjournalisten. Seine Interviews entwickeln sich schnell zu ausgedehnten Champagner-Partys auf der Yacht des wohlhabenden Gesprächspartners. Unter dem Alkohol- und Zigarrenrausch schafft es der Journalist, nur noch einige Wörter über die Zukunft der Wirtschaft zu verlieren: Es wird schon irgendwie! Na dann, Prost!
TECHN IK „Mehr Mut zu Fachkompetenz“, hört man Technikjournalisten sagen, während sie ihre Aussage gleichzeitig über ihr vorher rezensiertes iPad bei Twitter posten, um so auch ihre gesamte Technik-Nerd-Gemeinde teilhaben zu lassen. Nicht falsch verstehen, ihre Arbeit ist immens wichtig. Ohne sie wüssten wir gar nicht, mit welcher neuen Technik wir uns als nächstes verseuchen sollten. Wenn ihr selbst auf eurer Toilette einen Flachbildschirm eingebaut habt, als Nachtlektüre lieber eine Gebrauchsanweisung anstatt einem gutem Roman lest oder ein Erdbeben mittlerer Stärke registriert wird, wenn ihr eure Bassbox aufdreht, seid ihr in diesem Bereich genau richtig.
UMWE LT K R IS E Der Puls bei 180, die Gefahr stetig vor Augen, der Adrenalinjunkie unter den Journalisten kennt nur ein Motto: No risk, no information! Eine Pressekonferenz im Bundestag ist für ihn wie ein Kaffeekränzchen bei Tante Frieda im Altersheim. Überall, wo es Krisen gibt und die Wahrheit in die Welt getragen werden muss, fühlt er sich wie ein Bungee-Jumper beim Absprung. Ein Beduinenzelt in der neuesten Krisenregion zieht er jederzeit einem Eigenheim mit gemütlichen Kaminabenden vor. Was ist schon glimmendes Feuerchen gegen ein Feuerwerk der Ereignisse?
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Mit seinem Sweatshirt, dem Strubbelschnitt und der Leinenhose garniert mit einem Atom-Nein-DankeButton befindet sich der so genannte Öko-Journalist fortwährend auf der Pirsch nach dem nächsten skandalösen Fehlverhalten der großen Energiekonzerne. Obwohl er sich in freier Wildbahn stets mit biologisch abbaubarem Schuhwerk fortbewegt, ist er alles andere als ein Leisetreter. Der grüne Jesus unter den Journalisten rettet die Welt im Alleingang. Dabei verwandelt sich das journalistische Medium durch seine Beiträge zur großen Bühne des Kampfes gegen Atomfetischisten und RecyclingGegner.
G esundheit Als Gesundheitsjournalist kann jeder Hypochonder aus seiner Krankheit einen Beruf machen. Ausgerüstet mit Schutzhandschuhen und Mundschutz ist der stets auf der Suche nach der neuesten Krankheit. Bei Reportagen über Ärzte lässt sich der Gesundheitsjournalist natürlich von Kopf bis Fuß untersuchen - man kann ja nie wissen! Neben den unzähligen Berichterstattungen über die am heißesten diskutierten Parasiten schreibt der Hypochonder gern Rezensionen über neuentwickelte Medikamente. Ein Traumberuf schlechthin für jeden Menschen, der an mehr als vier unentdeckte Krankheiten leidet!
K UN S T Was passiert mit einem Hobbykünstler, der sich als nächsten Picasso ansieht und von der Kunstszene einfach nicht ernst genommen wird? Richtig, er wird zu einem neidvollen Kunstjournalisten. Mit Spott und Hohn rächt er sich an alle Kunstschaffenden, die schon mindestens ein Bild an eine Person verkauft haben, die nicht zum Familienkreis gehört. Krampfhaft versucht er, sich doch noch als talentierter Künstler in den weltberühmten Galerien und Museen zu etablieren. Vielleicht sollte man ihm raten, sich mehr mit den journalistischen Grundlagen als mit Maltechniken zu beschäftigen.
MO DE S P O RT Einen Finger am Auslöser seiner Kamera, wartend auf den aktuellsten Weltrekordversuch der 100m Läufer. Für viele, denen selbst die sportliche Begabung fehlt, ist der Ausweichberuf des Sportjournalisten die optimale Lösung ihren sportlichen Idolen, zumindest bis zur Kabinentür der Umkleide folgen zu können. „Welcher Mann beschäftigt sich nicht gern den ganzen Tag mit Fußball“, hört man viele Sportjournalisten am Anfang ihrer Karriere sagen. Doch man sei gewarnt: wenn man den Baseball unweigerlich auf sich zukommen sieht, sollte man die Berufswahl Sportjournalist zu werden noch einmal gründlich überdenken.
Der Modejournalist – ein nicht nur saisonal existierender Christbaum – egal ob Männlein oder Weiblein –, den statt Lametta klappernde Ohrringe schmücken, verknotete Gürtel einschnüren und quietschbunte Perlenketten erhängen. Kaffee schwarz ist für diese Gattung so gewöhnlich wie die aktuelle H&M Herbst Basic Collection. Ihre Extravaganz spiegelt sich eher in einem Frappuccino mit doppeltem Schuss Karamellsirup und Puderzucker-Sahnehaube wider, um das Schlafdefizit in den ersten Reihen der Mailänder Fashion-Week zu kompensieren. Aber von einem Trendjäger der brandnewest News kann nicht auch noch verlangt werden, das neu erlangte Wissen an der eigenen Person umzusetzen. Da reicht auch Wimperntusche.
Laura Kapitza, Andreas Lilienthal und Tanja Dischinger 21, 25 und 21 Jahre vertreten der Reihe nach die Typen verschnupfter Gesundheits-, fauler Sport- und actionsüchtiger Krisenjournalist.
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Auf zu neuen Ufern
Fernab vom Trubel der Jugendmedientage konnten die gestressten Teilnehmer ihre Seele baumeln lassen und neue Einblicke gewinnen. Egal ob Entspannung durch Yoga, der Kunst des Improvisationstheaters, dem richtigen Schliff für die Bewerbung, dem Einstudieren der originellen Raubtiernummer oder der Inspiration für neue innovative Projekte – die Turboworkshops hatten für jeden was zu bieten. Für alle die, die diesen Luxus nicht genieSSen konnten, haben unsere Redakteure die kleinen aber feinen Angebote wahrgenommen und zusammengefasst.
Turboworkshop Yoga – Entpsannung im Chaos
Die Welt verbessern in zwei Stunden
Von Sophie Rebmann
Von David Rau
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n Windeseile verwandelt sich Raum 218 der HdM in einen Yogaraum. 17 gespannte Teilnehmer stehen bereit – wenn auch teilwiese in Jeans, Hemden und Röcken. Zwei zu viel sind es, denn es müssen noch Isomatten organisiert werden. Ein paar mal wird unsere Gruppe noch gestört durch ein Filmteam und zwei Fotografen. Während draußen noch gelärmt wird, sollen wir mit dem Workshop beginnen. Ein kleines Grüppchen von drei weiteren Interessenten wird von einer sehr lauten Teilnehmerin in blauem Kapuzenpulli wieder abgewiesen.
n zwei Stunden ein eigenes Projekt ausarbeiten und dafür gleich 400 Euro als Startgeld abkassieren? Das klingt zu gut, um wahr zu sein. Doch im Workshop „Deine Ideen, Dein Projekt“ von der Youth Bank am Samstagabend war genau das möglich. Johannes Raffel heißt seine Teilnehmer zügig willkommen. „Der Workshop heißt ja eigentlich anders. Aber ich begrüße euch jetzt mal bei: Verändere mit 400 Euro die Welt.“ Der 26-jährige ist Geschäftsführer im Verein der Youth Bank und heute gleichzeitig mit seinem Kollegen Matthias Köpke, 25, als Workshopleiter dabei.
„Was glaubt ihr denn, wie Yoga ist?“, fragt die schmale, aber sehr trainierte Christiane Klann. Mehrere Begriffe fallen – alle gegensätzlich: „Ist nicht anstrengend“, „Doch, anstrengend!“, „Entspannend“, ruft es aus der Menge. Mal schauen, was uns dann wohl erwartet. „Ja, Sie müssen jetzt schaffen, dass wir entspannen“, ruft das Mädchen wieder rein. „Die Übungen sollen der Dehnung sowie des Kraftaufbaus dienen“, erklärt uns die Yogadame. „Sie werden mit der Atmung kombiniert. Ein weiteres Ziel soll sein, dass man dadurch zur inneren Ruhe und der Vereinigung von Seele und Körper findet. Aber das werde ich euch in den folgenden 90 Minuten wahrscheinlich nicht beibringen können.“ Ob das auf der Fleecedecke in einem Klassenraum gelingt? Skeptisch beginne ich mit der Nachahmung einfacher Figuren, mit Dehnübungen und dem Strecken des Körpers. Das Bein soll in die Hand genommen und geschaukelt werden. „Wie ein kleines Baby!“ Dann machen wir den abwärtsschauenden Hund, halten Hände auf dem Boden, strecken den Po in die Höhe und die Füße auf dem Boden. Danach verbinden wir viele verschiedene Figuren in die gängigste der Kombinationen – den Sonnengruß. Der sei einige Zeit lang sogar auf Cornflakesschachteln gewesen sein. Langsam wird es anstrengend und ruhig, selbst das Mädchen ist nun still. Nur ab und an macht die Übungsleiterin einen kleinen Witz. Angestrengt strecken wir unsere Beine, halten den Körper in unterschiedlichen Stellungen und schwit-
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Der Verein unterstützt Projektideen von Jugendlichen in der Umsetzung finanziell und beratend. Gesucht werden Leute, die über den Tellerrand hinausschauen, Nischen finden und für ihre eigene Idee mit Überzeugung glühen. „Das große Problem ist: Oftmals scheitern coole und kleine Ideen am Geld“, sagt Raffel. „Die Youth Bank stellt das fehlende Geld zur Verfügung und hilft bei der Optimierung des Projektes“. Er sieht die YouthBank nicht als eine Art Bank an, sondern eher als Stiftung für Jugendliche. „Gerade jüngere Leute wissen oftmals nicht, wie sie ein Projekt finanziell durchziehen sollen“.
Entspannt?
zen ein bisschen. „Gehen die Übungen für alle Kleidungsvarianten?“, fragt Frau Klann, aber niemand antwortet mehr – zu angestrengt wird den einzelnen Bewegungen des Körpers gefolgt. Die letzten fünf Minuten über legen wir uns auf den Boden, das Licht geht aus und wir atmen tief ein und aus. Die Körpereile liegen schwer und ruhig auf dem Boden, der Atem geht langsam, mit den Händen folge ich dem gleichmäßigem Auf und Ab meiner Bauchdecke. Einmal noch durchstreift ein Gedanke meinen Kopf, dann fühle ich mich, als würde ich ganz weit weg schweben. Selbst das entfernte Geräusch der zurechtgerückten Stühle aus dem Nebenraum kann mich
nicht mehr aus der Entspannung holen. „Namasté“ heißt es am Schluss und ich bin überrascht, dass die Zeit so schnell vorbei ging. Zwei Teilnehmerinnen neben mir laufen schwärmend aus dem Zimmer und auch Kathrin lächelt. Es sei sehr entspannend, wenn auch ein wenig anstrengend, meint sie. Nur ein Teilnehmer sagt: „Es war schwer und mir war ein bisschen schlecht. Aber vielleicht lag das an zu wenig Schlaf“. Noch einmal würde er den Workshop nicht besuchen. Ich aber bin total entspannt und widme mich wieder effektiv – mit ein wenig ziependen Muskeln – der Arbeit.
Die acht Teilnehmer haben in diesem Workshop die Chance, ihre persönliche Projektidee vorzustellen. Anschließend werden die Ideen individuell mit Johannes Raffel ausgearbeitet, an der Umsetzung gefeilt und konkrete Pläne geschmiedet. Simon Fischer, 19, aus Bremen möchte beispielsweise einen ParkourWorkshop für Kids in Bremen anbieten. „Das soll ein kostenfreies Projekt für Jugendliche werden. Damit möchte ich vor allem die Migranten aus sozialen Brennpunkten dazu ermuntern, etwas zu tun und nicht zur abzuhängen“, sagt er. Weitere Ideen sind ein neues Schüler-Radio zu etablieren oder die Studenten-Zeitung wieder aufleben zu lassen. „Dieser Workshop hat mir wirklich Mut für mein Projekt gemacht. Jetzt sehe ich konkrete Möglichkeiten, es umzuset-
zen zu können“, sagt Simon Fischer. In dem zweistündigen Turbo-Workshop konnten die Teilnehmer ihren Antrag für die finanzielle Unterstützung zwar noch nicht ausfüllen, können dies jedoch online nachholen. Vielleicht haben sie dann schon bald 400 Euro für ihr Projekt in der Tasche, um damit die Welt ein kleines Stückchen zu verbessern.
Essbare iphones in der Theaterwelt Von Elisabeth Omonga
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ch begebe mich auf eine Reise in die kuriose Welt der Selbstdarstellung: das Improtheater. „Wir beginnen zuerst mit einer Vorstellungsrunde“, sagt Lorenz, der Workshop-Leiter, in die große Runde. Aber es ist weit entfernt von der klassischen Vorstellungsrunde. Aufgabe ist es, seinen Nachbar vorzustellen – auch, wenn man ihn oder sie gar nicht kennt! Also heißt es einfach: improvisieren! „Ja, das ist die Janine, sie ist Schachmodel, denn es reicht nicht nur gut auszusehen. Man muss auch eine Menge Grips haben, um in diesem Geschäft erfolgreich zu werden…“, so stellt einer seine Nachbarin vor, die bei dieser spontanen Beschreibung lachen muss. So manch einer war mal Weltmeister in Bockspringen oder ist ein talentierter Hip Hop Tänzer, der gerade die eine Championchip gewann. Dann wird es plötzlich sehr laut. Wenn jemand in diesem Moment von au-
ßen an der Tür vorbeiginge, würde er sicherlich für einen Moment stehen bleiben und an Massenpanik denken. Ich verstehe kein Wort. Es ist so laut, da die einzelnen Wörter im Geschrei untergehen. Die zweite Aufgabe war es nämlich, sich gegenseitig zu provozieren. Dann hieß es „Freeze Tag“: Freeze ist das englische Wort für Einfrieren und bedeutet, dass die Schauspieler in ihrer Bewegung erstarren und auch im Reden abbrechen. Das geschieht auf ein Signal von außen, dem Händeklatschen. Wir bilden einen Kreis. Eine Teilnehmerin setzt sich in die Mitte und spielt eine Ghetto-Rapperin. „Freeze“ ruft eine aus der Reihe und setzt sich in eine meditierende Position neben der „Eingefrorenen“. Beide spielen jetzt eine Yoga-Szene. Der Turbo-Workshop war gepaart mit hysterischen Schreien, lautem Gelächter und vor allem verrückten Fantasien. Als letztes sollten wir fiktive Gegenstände erfinden, die von anderen erraten werden mussten. Elektronische Bleistifte, essbare iPhones und essbare Zahnbürsten mit Popel-Geschmack oder selbststeuernde Schuhe für Betrunkene wurden erfunden. Voller Spontaneität, Kreativität, Mut und ein Fünkchen Verrücktheit, so erlebte ich den überfüllten Turbo Workshop von Lorenz Deutsch.
Bewerben – aber richtig Von Tanja Dischinger
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icht irgendeinen Job, diesen einen ganz bestimmten Job will ich haben. Also muss die perfekte Bewerbung her. Moment! Die perfekte Bewerbung? Nein, denn die gibt es laut Personalerin Miriam Specht nicht, wie sie im Turboworkshop erzählt. Specht arbeitet selbstständig im Personalbereich und hat jede Menge Erfahrung. Beispielsweise erzählt sie vom großen Fehler, Massenbewerbungen abzuschicken: In einer Bewerbung muss immer individuell auf den Adressaten eingegangen werden. Das war mir klar. Welches Unternehmen will schon einen Mitarbeiter einstellen, dem es schon bei der Bewerbung zu viel ist, sich für das Unternehmen Zeit zu nehmen? Wenn ich mit meiner Bewerbung erfolgreich bin, will mich ein Unternehmen intensiver im Bewerbungsgespräch kennen lernen. Es gilt, sich authentisch vorzustellen und dazu gehören eben Stärken UND Schwächen. „Gute Noten sind so wichtig“, dachte ich bisher. Doch ich erfahre genau das Gegenteil. Es ist das Bewerberfoto, das den ersten Eindruck im Unternehmen hinterlässt. Jetzt bin ich schon optimistischer. Einmal Personaler sein – interaktiv lerne ich gleich am Anfang des Workshops, dass auch die Perspektive des Arbeitgebers betrachtet werden müsse: Was sollte über die Bewerbungsunterlagen rüberkommen, damit wir als frischgebackene Personaler den Bewerber interessant finden würden und näher kennen lernen möchten? Ein anregender Perspektivenwechsel. Ich hätte gerne einen Bewerber, der mir möglichst wenig vorenthält. Der obige Gedanke über meine Schwächen kommt wieder ins Spiel: Auch hier hilft ein Perspektivwechsel, der die Schwächen in Stärken umwandelt.
HdM statt Zirkuszelt Von Anna Ruppert
„D
spontan!
u musst die Bälle immer im Dreieck werfen“, erklärt mir Manuel Breuning, Referent des Zirkus-Turboworkshops. Trotz zunehmender Müdigkeit und zittriger Hände, die ich vom vielen Kaffeetrinken habe, klappt es irgendwann. Während ich vor mich hinjongliere, überlege ich mir, ob Zirkus und Jugendmedientage
spORTLICH!
etwas gemeinsam haben? Mir fallen einige Eigenschaften ein, doch die sind nicht so wichtig. Viel wichtiger ist es, dass es richtig Spaß macht, im Foyer der HdM zu jonglieren und Einrad zu fahren. So wie mir geht es vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Kaum eine Minute lang mache ich mir Notizen und schon ist kein Einrad mehr übrig. Während sich manche Teilnehmer mit viel Mühe am Treppengeländer abstützen, um das nötige Gleichgewicht zu halten, fahren andere schon sehr sicher im Foyer umher. „Kann man Einradfahren in weniger als zwei Stunden eigentlich lernen?“, frage ich Manuel Breuning. „Nein, das kann eigentlich niemand. Um eine artistische Disziplin richtig zu erlernen, muss man mehrmals die Woche trainieren“, weiß der Referent. Einrad und Jonglage scheinen gleichermaßen beliebt zu sein. Was schwieriger ist, kann man nicht sagen. Manuel rät jedoch allen Teilnehmern, erst mal mit einem Ball zu üben. Und das machen viele geduldig. Zum Reinschnuppern ist der Workshop eben super geeignet. „Am besten nutzt man die kurze Zeit einfach intensiv“, denke ich mir und unterhalte mich mit dem dreizehnjährigen Joel Klumpp, der richtig gut jonglieren kann. Das Passen funktioniert auch hier und zwar so: Zwei Jongleure werfen sich dann immer in einem bestimmten Rhythmus einen aus drei Jonglierbällen zu - am besten so, dass keine Pausen entstehen. „Ziemlich schwierig“, stelle ich fest. „Um das zu Lernen, bräuchte ich viel zu lange“. Deshalb gebe ich auf und guck lieber Joel zu, der tolle Tricks beherrscht.
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„Frei zu arbeiten ist keine Notlösung.“
Wegweiser in den Journalismus gibt es viele. Doch die journalistische Laufbahn sieht in Realität oft ganz anders aus. Statt Ratgeber zu wälzen haben Elisabeth Olajumoke Adeyanju Omonga und Anna Ruppert lieber mit NEON Textredakteurin Heike Kottmann (27) gesprochen und einen möglichen Weg in den Journalismus kennengelernt.
Schritt 1
ZUM EI NSTI EG
Heike Kottmann hat an der HenriNannen-Schule in Hamburg gelernt – einer der renommiertesten Journalistenschulen Deutschlands. Nur 20 von 3000 Bewerbern erhalten einen der begehrten Plätze, die durch ein umfangreiches Auswahlverfahren vergeben werden. Wer ist der Mensch, der auf diesem Foto gerade interviewt wird? Journalistenschulen erwarten ein gutes Allgemeinwissen. Die Vorbereitung auf das Auswahlverfahren könnte daher so aussehen: „Schneidet aus Zeitungen bekannte Gesichter. Bastelt eine Collage und hängt sie dann in der Toilette auf“, sagt Heike, die lieber bei ihrem Vornamen genannt werden möchte. „Natürlich ist es wichtig, dass ihr immer auf dem aktuellsten Stand seid und das politische Tagesgeschehen aktiv mitverfolgt.“
Es gibt vielseitige Einstiegs- und Erfolgsgeschichten im Journalismus. Empfohlen wird immer mehr, sich einen Schwerpunkt zu setzen. Studieren sollte man das, was einem liegt: dadurch erhöht sich die Chance auf eine gute Festanstellung im Arbeitsmarkt. Je mehr Erfahrung, desto besser: mehrere Praktika, ein Volontariat oder die freie Mitarbeit in einer Redaktion zeugen von journalistischer Erfahrung und sind daher von Vorteil. Für Fragen oder Anregungen zum Journalismus eignet sich der Deutsche Journalistenverband - eine Gewerkschaft für Journalist/innen: www.djv.de Links zu einigen renommierten Journalistenschulen Deutschlands: Henri-Nannen-Journalistenschule Hamburg: www.journalistenschule. de Deutsche Journalistenschule e.V. München: www.djs-online.de Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft: www.koelner-journalistenschule.de Z e i t e n s p i e g e l - Re p o r t a g e s c h u l e Günter Dahl: www.reportageschule. de
Schritt 2 Wenn das mehrstufige Auswahlverfahren vorbei ist, heißt es erst mal abwarten und hoffen. „Ich rechnete fest mit einer Absage, aber ich wusste, dass es gut gelaufen ist, ich dachte es könnte vielleicht doch geklappt haben und hatte deshalb Hoffnung“, gesteht Heike. Doch keine Sorge: wer keinen der begehrten Plätze ergattern kann, hat noch zahlreiche Alternativen. Heike rät Nachwuchsjournalisten das zu studieren, was ihnen Spaß macht: „Ich würde niemandem raten reinen Journalismus zu studieren, das kann man nicht richtig studieren, weil es zu abstrakt ist. Durch „learning by doing“ lernt man am besten die Feinheiten des journalistischen Arbeitens kennen.
Schritt 3
Direkteinstieg?
Besucht man eine Journalistenschule, sollte man jede Menge Durchhaltevermögen mitbringen. Aber auch der Spaß kommt nicht zu kurz: „18 Monate hören sich kurz an, aber die Zeit war wahnsinnig intensiv. Es war die anstrengendste Zeit in meinem Leben, aber auch eine der schönsten: Jede Woche hatten wir neue Dozenten und der Ausbildungsalltag erstreckte sich fast täglich von 9 bis 19 Uhr. Enge Freundschaften haben sich gebildet und wir haben ziemlich viel gefeiert. Auch wenn wir alle erwachsen waren, war es wie in der richtigen Schulzeit; einfach Blödsinn machen. Zettelchen schrei-
ben oder Grimassen hinter den Dozenten schneiden.“
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Schritt 4 Das Sammeln praktischer Erfahrungen gehört in jede journalistische Ausbildung. Deshalb beinhalten Ausbildungen an der Journalistenschule schon einige Praktika. „Ich habe vor allem bei den Praktika wahnsinnig viel gelernt“, betont Heike. Das „Handwerk“ richtig zu erlernen heißt schreiben, schreiben, schreiben. Doch natürlich ist schreiben
damaligen Finanzkrise 2005. Deshalb ist es sehr wichtig, dass man gut darauf vorbereitet ist, frei zu arbeiten. „Frei zu arbeiten ist auf keinen Fall nur eine Notlösung, es macht genau so viel Spaß und ist auch genau so viel wert“, weiß Heike, die vor ihrer Festanstellung bei NEON ein Jahr als freie Journalistin gearbeitet hat - unter anderem für die Süddeutsche, Emma, Emotion und Brigitte. nicht alles: von der Recherche, zum richtigen Händchen für den Interviewpartner bis hin zum Umgang mit unterschiedlichen Konfliktsituationen – Journalismus ist ein komplexes Feld und praktische Erfahrungen sind unerlässlich.
Schritt 5 Es gibt keine journalistische Ausbildung, die dir einen festen Vertrag sichern kann. „Aus meiner Klasse haben nur 2 von 20 einen festen Vertrag bekommen“, erzählt Heike, den Grund sieht sie in der
Elisabeth Olajumoke Adeyanju Omonga & Anna Ruppert 19 und 18 Jahre haben sich Übungsaufgaben für den Wissenstest der Henri-Nannen-Schule unterzogen.
Spezialist oder Allroundtalent? Der Journalist von morgen
Print, Video, Audio, Online - Der heutige Journalist braucht mehr als sein Talent zum Schreiben, um sich im Journalismus durchzuschlagen. Doch welche Erwartungen werden an den Journalist gestellt? Von Laura Kapitza und David Rau
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rüher war das Schreibtalent ausschlaggebend für den Beruf im Journalismus, doch in der heutigen multimedialen Zeit reicht das für den Traumberuf nicht mehr aus. „Der Journalismus an sich ist der Gleiche geblieben, aber die Workflows haben sich geändert“, findet Kathrin Konyen, die ihre ersten journalistischen Erfahrungen noch im Printbereich sammelte und unter anderem als Online-Redakteurin für Süddeutsche Zeitung schreibt. So auch die Anforderungen an Journalisten. Das Internet versorgt die Nutzer schnell mit den aktuellsten Informationen zu Ereignissen auf der ganzen Welt – da können die Printmedien nicht mithalten. In der Konkurrenz mit den vielfältigen Angeboten des World Wide Web müssen die Zeitungen ihren Leser mehr bieten als nur die Informationen von gestern. Auf den Online-Plattformen vieler Zeitungen findet man Audios und Videoclips zu diversen Beiträgen. Ohne Foto wirkt ein Artikel auf den Leser eher langweilig als interessant, auch wenn dieser spannend geschrieben ist.
Schreibtalent – geht auch ohne? So bekommt man schnell den Eindruck, dass es nicht mehr ausreicht, nur ein Schreibtalent zu sein. Doch für Fabian Neithardt ist das Schreiben dagegen „immer noch das Wichtigste.“ Als Schrift-
steller und ehemaliger Radioredakteur vertritt Neithardt die Meinung, dass nur ein ausgebildeter Journalist mit umfassendem Hintergrundwissen prägnante und informative Texte schreiben kann, die der Leser versteht. Doch reicht es heute noch aus, auf einen Medienbereich spezialisiert zu sein? Eines ist klar: Das Internet hat den Journalismus verändert. Facebook, Youtube oder auch mobile Endgeräte wie das iPad lassen die Medienbranche umdenken, da sie andere Möglichkeiten bieten. Den Journalisten mit der goldenen Feder, der für ein Mediengebiet geschult ist, den anderen aber nur neidisch über die Schulter schauen kann, wird es in der Zukunft nicht mehr geben - zumindest wenn es nach den großen Verlagen geht.
Journalisten als Multimediareporter Die Bosse aus den Vorstandsetagen wollen schließlich Geld sparen und den Journalisten somit noch effizienter einsetzen als bisher. Der zukünftige Journalist soll eine Art Multimedia-Reporter werden. Schon jetzt wird der Nachwuchs in den eigenen Journalistenschulen der Verlage so ausgebildet, dass er nicht mehr nur feine Texte verfassen kann, sondern auch mit sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter umgehen kann. Zudem soll der Reporter der Zukunft auch Videos
produzieren können – von der Planung über das Filmen bis hin zur digitalen Bearbeitung. Heutzutage reichen Grundkenntnisse aus, um mit einer kleinen Kamera ein einigermaßen wackelfreies Bild für den Leser aufnehmen zu können. Und da der Reporter ja sowieso überall vor Ort ist, kann er ja schließlich gleich die Kamera nebenher laufen lassen.
Die eierlegende Wollmilchsau Es gibt viele Medienschaffende, die ausdrücklich vor dem Allround-Journalisten warnen. „Ich hoffe, dass sich die eierlegende Wollmilchsau auf Dauer nicht durchsetzt. Es gibt sicherlich Personen, die alles können. Aber zwangsläufig wird die Qualität fehlen und von den Lesern nicht toleriert werden“, sagt Konyen. Auch Neithardt sieht das so. „Wenn jeder Reporter alles machen muss, dann wird die Qualität auf der Strecke bleiben. Typen zu finden, die alles qualitativ gut können, könnte sehr problematisch werden.“ Ein sehr wahrscheinliches Zukunftsszenario ist allerdings, dass der Redakteur in einem Newsroom sitzen wird und dort als eine Art Verteiler arbeiten wird. Zu seinem Aufgabegebiet wird es dann gehören, die eingehenden Texte und Videos der Reporter auf die verschiedenen Medienangebote des Verlages zu verteilen. „Es wird Journalisten
geben, die ausschließlich Content managen, ohne eine eigene kreative Arbeit zu machen“, sagt Konyen. Der soll entscheiden, welche Version in die Print-Ausgabe kommt, welcher Textteil kostenlos auf die Onlineseite gestellt wird oder es mit tollen, hochwertigen Fotos in die Ausgabe der App schafft. „Diese Leute dürfen sich auch Journalisten nennen, da sie die Beiträge gewichten und sie dann verwerten müssen“, sagt Konyen. Egal, wie die Zukunft des Journalisten aussieht, spannend wird sie definitiv werden. Wir wissen alle nicht, wie sich der Beruf des Journalisten entwickelt, „aber wir haben das Glück, alles Mögliche ausprobieren zu können“, bringt Konyen auf den Punkt.
Laura Kapitza und David Rau beide 21 Jahre sind in verschiedenen Medien tätig und gespannt, ob sich die eierlegende Wollmilchsau oder der Spezialist durchsetzen wird.
GERÜCHTEKÜCHE
Elisabeth Olajumoke Adeyanju Omonga berichtet eure exklusiven Neuigkeiten von den Jugendmedientagen.
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nser Bundespräsident und diesjähSehr aufgeregt erzählt mir eine Teilriger Schirmherr Christian Wulff nehmerin weitere Turnhallengeschichten: wird zu der Abschlussveranstaltung „Da haben ein paar gekifft… Also es roch kommen, um mit den Nachwuchsjourna- so komisch nach Gras.“, „Meine Bettlisten über den Berufsfeld Journalismus nachbarin war noch halbnackt und plötzin Zeiten der Finanzkrise zu reden. lich stürmt eine männliche Person rein!“
In der Turnhalle sollen Jungs durch „Gucklöcher“duschende Mädels gespannt haben. Ob der ein oder andere nur fantasiert hat, werden wir wohl nie erfahren.
sie sich auch einfach zu viel Süßigkeiten vom Kiosk geholt...
Was noch so in den Nächten in der Turnhalle passiert ist, verpackt eine Teilnehmerin in eine Code-Botschaft. Lasst eurer Fantasie freien Lauf: „Nachts als In Echtzeit fortpflanzen? Eine der alle schliefen passierte etwas sehr koTeilnehmerinnen soll schwanger sein. misches. Ein Tipp: Er war männlich und Ob sie während der JMT schwanger ge- beschäftigte sich damit: H – U – R – E – T worden ist, sei aber unklar. Vielleicht hat – L – N – R – O - E?“
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Rational durch die Kamera
Zwei mal sitzt Sophie Rebmann auf Sofas und hat die Gelegenheit, Fragen zu stellen: Diesen Sommer in einem Flüchtlingslager Südserbiens. Und bei einem Workshop zu Krisenjournalismus auf den JMT Stuttgart. Heute sucht sie im Gespräch mit Auslandskorrespondent Gerhard Kromschröder Antworten darauf, wo im Angesicht von menschlichen Tragödien die Grenzen des Krisenjournalismus liegen. Von Sophie Rebmann
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ch traue mich nicht als ich diesen Sommer auf dem harten Sofa in einem südserbischen Flüchtlingslager sitze, die Beine zusammengestellt, darauf ein Block mit jeder Menge Fragen. Mir gegenüber sitzt Alma, die 1992 vor dem Krieg in Serbien fliehen musste. Groß und stark scheint sie – ihr Geschichte interessant und bewegend. Ich will weiter nachhaken, aber ich traue mich nicht, über Vergewaltigung und Gewalt zu sprechen. Ich will nicht weiterbohren und verletzen, will nicht ignorant und sensationsgeil erscheinen. Wie begegnen Journalisten dem Elend und Leid von Kriegen?
che sehen uns schon als Voyeuristen – mit gutem Recht“, sagt er. Wieder sitze ich auf einem Sofa, jede Menge Fragen auf dem Schoß, Kugelschreiber in der Hand. Dieses Mal ist es gemütlich, die Fragen sprudeln. Sein Ziel sei, hinter die Kulissen zu blicken, um möglichst weit an die Wahrheit zu kommen und vielleicht etwas dazu beitragen zu können, dass die Welt ein bisschen besser wird. Er will aufrütteln und aufzeigen, was Krieg anrichten kann. Getrieben von einer Leidenschaft, die zugleich Motor für den Beruf und Schutzschild ist.
Antworten auf Fragen
Ethische Grenzen
Zumindest praktische Erfahrungen, die eine Antwort geben können, gibt es auf den JMT von Gerhard Kromschröder, langjähriger Auslandskorrespondent in Krisengebieten des Nahen Ostens. „Man-
Ein Foto von Leichen machen. Ist das ethisch vertretbar? Kromschröder hat es getan. Danach sei er von wütenden Angehörigen verfolgt worden. „Fast in die Hose geschissen“ und nur mit Hilfe
eines Ladenbesitzers habe er sich geret- machen, um die Situation rational mit tet. Grenzen gäbe es, aber solche Bilder der Distanz einer Kamera zu betrachten. zu veröffentlichen findet er wichtig: „Ich „Man braucht ein hartes Fell, muss aber bin der Meinung dass man den Schre- empfindlich bleiben.“ Trotzdem habe er cken des Krieges zeigen muss, und dass erst 12 Jahre später wirklich realisiert, die Opfer das auch wollen.“ Tiefe Fur- was er tatsächlich fotografiert hatte. chen verlaufen quer über seine Stirn und von den Augen weg durch das Gesicht, die Haare stoppelkurz, neben ihm eine kleine Reisetasche. Eindrücklich schildert er die Probleme und den Zwiespalt eines Journalisten im Krieg. Er schildert, wie sie sich freiwillig Gefahr und Leid aussetzen, dem Mangel an Lebensmitteln, dem fehlenden Strom und, dass er sich beim Anblick der brennenden Stadt Bagdad vor den Hotelfenstern aus in ein CompuSophie Rebmann 21 Jahre, Tübingen terspiel versetzt fühlte. „Durchgeknallt“ wurde während beschreibt er sich und die anderen. Dann spricht er vom Schrecken beim Anblick hunderter verkohlter Leichen in einem bombardierten Bunker. In der Situation habe er begonnen Fotos zu
einer sechswöchigen Recherchereise in ExJugoslawien zum ersten Mal mit dem Thema Krisenjournalismus konfrontiert.
FruchtflEisch Warum heute noch Journalist oder Journalistin werden? „Begeisterung“
Svenja Ahrens, 17 Jahre aus Sulingen bei Bremen „Ich mache mir noch keine groSSen Sorgen. Man sollte einfach das machen, worauf man Lust hat. Dann ist man auf dem richtigen Weg.“
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„Konkurrenz“
Alexander Kauschanski, 17 Jahre aus Aachen „Ich sehe den Beruf des Journalisten etwas pessimistisch in Zeiten des Internets. Das Einkommen wird niedriger mit steigender Konkurrenz“.
„Ideale“
Lucas Jakobeit, 18 Jahre Oldenburg in Schleswig-Holstein „Wir brauchen vielseitige Berichterstattungen und wenn man sich in den finanziellen Ruin stürzen möchte, kann man den Beruf doch ausüben.“
f risc h , f r u ch t i g, s e l bs tge p r e s s t – m it m achen @po lit ik o ran g e.de
I mpr ess um Diese Ausgabe von politikorange entstand während der Jugendmedientage 2011, die vom 3. bis 6. November 2011 in Stuttgart stattfanden. Herausgeber und Redaktion: politikorange – Netzwerk Demokratieoffensive, c/o Jugendpresse Deutschland e.V., Wöhlertstraße 18, 10115 Berlin, www.politikorange.de
A
ls Veranstaltungszeitung, Magazin, Onlinedienst und Radioprogramm erreicht das Mediennetzwerk politikorange seine jungen Hörer und Leser. Krieg, Fortschritt, Kongresse, Partei- und Jugendmedientage – politikorange berichtet jung und frech zu Schwerpunkten und Veranstaltungen. Junge Autoren zeigen die große und die kleine Politik aus einer frischen, fruchtigen, anderen Perspektive.
politikorange – Das Multimedium
Wie komm’ ich da ran?
Wer macht politikorange?
Gedruckte Ausgaben werden direkt auf Veranstaltungen, über die Landesverbände der Jugendpresse Deutschland e.V. und als Beilagen in Tageszeitungen verteilt. In unserem Online-Archiv stehen bereits über 50 politikorange-Ausgaben und unsere Radiosendungen sowie Videobeiträge zum Download bereit. Dort können Ausgaben auch nachbestellt werden.
Junge Journalisten – sie recherchieren, berichten und kommentieren. Wer neugierig und engagiert in Richtung Journalismus gehen will, dem stehen hier alle Türen offen. Genauso willkommen sind begeisterte Knipser und kreative Köpfe fürs Layout. Den Rahmen für Organisation und Vertrieb stellt die Jugendpresse Deutschland. Ständig wechselnde Redaktionsteams sorgen dafür, dass politikorange immer frisch und fruchtig bleibt. Viele erfahrene Jungjournalisten der Jugendpresse stehen mit Rat und Tat zur Seite. Wer heiß aufs schreiben, fotografieren, mitschneiden ist, findet Infos zum Mitmachen und zu aktuellen Veranstaltungen im Internet oder schreibt einfach eine eMail. Die frischesten Mitmachmöglichkeiten landen dann direkt in Deinem Postfach.
Warum eigentlich politikorange wurde 2002 als Veranstal- politikorange? tungszeitung ins Leben gerufen. Seit damals gehören Kongresse, Festivals und Jugendmedienevents zum Programm. 2004 erschienen die ersten Themenmagazine: staeffi* und ortschritt*. Während der Jugendmedientage 2005 in Hamburg wurden erstmals Infos rund um die Veranstaltung live im Radio ausgestrahlt und eine 60-minütige Sendung produziert.
In einer Gesellschaft, in der oft über das fehlende Engagement von Jugendlichen diskutiert wird, begeistern wir für eigenständiges Denken und Handeln. politikorange informiert über das Engagement anderer und motiviert zur Eigeninitiative. Und politikorange selbst ist Beteiligung – denn politikorange ist frisch, jung und selbstgemacht.
Chefredaktion (V.i.S.d.P.): Ekaterina Karabasheva (ek.karabasheva@ yahoo.com), Bettina Benzinger (bettina@ be-nu.de) Redaktion: Elisabeth Olajumoke Adeyanju Omonga, Anna Ruppert, Sophie Rebmann, Tanja Dischinger, Laura Kapitza, Andreas Lilienthal, Thomas Richter, David Rau Bildredaktion: Martin Knorr (www.martinknorr.de) Layout: Pia Döhler (p.doehler@jugendpresse.de) Projektleitung: Florian Hirsch (f.hirsch@jugendpresse.de) Druck: Pressehaus Stuttgart Druck GmbH Auflage: 1000 Exemplare
www.politikorange.de mitmachen@politikorange.de
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Timeline 2020 – Mein Zukunfts-Ich
Soziale Medien lassen uns schon heute am Leben anderer Menschen teilhaben. Wird der Mensch dadurch mitfühlender? Wie geht der Mensch mit Neuerungen um, vor allem, da sich das Weltwissen immer schneller verdoppelt? Thomas Richter entwirft ausgehend von aktuellen Trends einen möglichen Tag im Jahr 2020. Es ist Utopie und Dystopie zugleich – der Leser kann selbst entscheiden, was es für ihn selbst ist.
2 2 .0 0 uhr : 18.00 u h r : „Mit den meisten Leuten hänge ich nur im Hangout auf Google+ rum. Wie ich echte Gespräche vermisse! Koche deshalb mit Freunden Kartoffelauflau! Zuerst fehlt eine Käsereibe. Aber zum Glück habe ich seit Freitag einen Hardwaredrucker. Dabei werden erhitzte Plastikteilchen beliebig verformt, derzeit aber nur zu kleinen Gegenständen. Ab nächstem Jahr soll der „Atomator One“ übrigens nach Eingabe von Molekül- und Gencodes Früchte und Vitamine künstlich herstellen.“
„Die Brain-Enhancer halten mich noch immer wach. Lange macht das mein Körper nicht mit. Um gesund zu bleiben, sollte ich besser gleich schlafen gehen. Nur noch die Mails checken. Seit es die Staatsmail gibt, beschweren sich die Leute über mehr Spam. Immer diese Brief-Beschwerer! Ich löse dieses Problem mit dem neuen MailFilter 2019. Diese App filtert Nachrichten und sortiert Unwichtiges aus, auch nervige Gespräche.“
23.00 uhr: --- System --- „Schlaf diagnostiziert. Licht ausgeschaltet. Einschlafhypnose und Wärmephase eingeleitet. Gute Nacht.“
2.27 uhr: --- System --- „Schlaf analysiert. Unruhiger Schlaf – Absenkung der Raumtemperatur. Aktivierung Schlafhypnose-Musik.
--- System --- „Guten Morgen! Hier spricht PersonalRadio - es ist genau 07:00 Uhr. Heute haben Sie sehr unruhig geschlafen, deshalb begleiten wir Sie mit einem energiegeladenen Song in den Tag. Ein Klassiker – hier ist Pumped Up Kicks aus dem Jahr 2011. PersonalRadio – mit uns immer perfekt geweckt in den Tag.“
8. 30 uhr : „Frühstück – yeah! Ich musste gerade lachen – der Brötchenautomat an der Highspeed-Metro hat mich gefragt, ob ich den „Brain-Enhancer“ dazubuchen will. Brain-Enhancer? Es handelt sich dabei um „Functional Food“, also Essen, das die Leistungsfähigkeit des Körpers steigert. Okay – gekauft! Fast hätte ich diesen Trend verpasst – die Zeiten sind halt auch schnelllebig.“
16.00 u h r : „Durch die Brain-Enhancer bin ich immer noch hellwach, ich könnte meine Bachelorarbeit schreiben! Seitdem man die BA crowdsourcen darf, also die Hilfe durch einer Community erlaubt ist, häufen sich wissenschaftliche Innovationen. Ich gehe aber lieber erstmal raus, denn schließlich sitze ich wieder nur rum. Seit es diese verlockenden Rollwege gibt, ist Selberlaufen out. Ich will aber meine Gehwege zurück! Wann bewege ich mich denn sonst schon mal?
10. 00 uhr : „Ich brauche ein Info-Update! Zum Glück hab ich ein OLED, also ein hauchdünnes Display aus organischen Leuchtdioden. Dieses ist wie Papier falt- und knickbar! OLEDs in Kontaktlinsen geben dem Träger Zusatzinfos zu dem, was er gerade sieht. Aber erstens: die Zwangs-Werbung im Blickfeld nervt, und mit zehn Europäischen Yen sind diese Linsen noch viel zu teuer.“
14.00 u h r : „Vorstellungsgespräch als Reputationsmanager. Seitdem sämtliche Lebensdaten online bei YourLife gespeichert werden, braucht es Profis, die Server hacken und den Ruf digital verschönern. Da mein Chef in spe Ex-Bundeswehr-Offizier ist und er mich per YourLife-Bilderkennung auf einer Anti-Kriegsdemo entdeckt hat, habe ich das mit dem Job vermasselt. Zum Glück schalte ich Werbung auf meiner Haut, so komme ich auch an Geld.“
7. 00 uhr :
1 3 .0 0 uhr : „Ach, wie liebe ich das! Erst denke ich, dass eine wichtige Präsentation nicht fertig wird, weil ich mein TabletStromkabel nicht hier im Café habe. Doch dann fällt mir ein, dass mir der Verkäufer das Modell mit wADModul aufgeschwatzt hat: Wenn ein Sender vorhanden ist, kann Strom über eine Distanz von fünf Metern per Luft empfangen werden. Das Geniale: Es funktioniert.“
11.30 uhr: „Oh nein – Zahnarzt! Zum Glück wird’s diesmal günstig. Da ein Sensor in der Zahnbürste mein Putzverhalten für gut befunden hat, bekomme ich Punkte. Das Leben wird zum Spiel - „Gamification“ heißt das. Und für die Punkte gibt es ne gratis Jahresration Zahnpasta! Wenn ich es jetzt noch schaffe, oft ins Fitnessstudio zu gehen, bekomme ich bald eine günstigere Krankenversicherung!
Thomas Richter 22 Jahre, Wilsdruff blickt fasziniert auf die Welt in zehn Jahren. Doch er will lieber von seiner Freundin als von einem Computer geweckt werden.